III. Militärische Besatzung

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III. Militärische Besatzung III. Militärische Besatzung 1. Leitinstanzen Sobald die Kampfhandlungen vorüber waren und sich die Hauptkampflinie weiter nach Osten verschob, begann die Besatzung. Schon die Frontdivisionen übernah- men erste Aufgaben bei der Verwaltung und Ausbeutung des von ihnen besetzten Gebietes, auch gegenüber der Bevölkerung. Zumeist verblieben sie jedoch nur kurz in der gleichen Gegend, sodass die eigentliche Militärverwaltung erst später nachfolgte. Militärverwaltung ist ein vieldeutiger Begriff: Sie meint nicht nur die militärische Organisation von Besatzung, sondern auch die interne Verwaltungstä- tigkeit der Armee1. Hier soll der Terminus jedoch nur im Sinne einer militärischen Besatzung verwendet werden. Freilich war, wie bereits beschrieben, für die sowje- tischen Gebiete keine Militärverwaltung im klassischen Sinne erstrebt worden, also eine einheitliche Besatzungsgewalt etwa unter einem Militärbefehlshaber wie in Frankreich oder Serbien. Die eigentlichen zentralen Stellen saßen in und um Berlin bzw. bei den Führerhauptquartieren. Die Eroberung der Sowjetunion war ohne Zweifel im Kern das Projekt eines Mannes: Adolf Hitler. Er hatte in jeder Hinsicht die Entscheidungskompetenz: in seiner politischen Funktion als „Führer", in seiner überragenden charismatischen Stellung, die zwischen Mitte 1940 und Mitte 1941 auch die Wehrmachtführung völlig in ihren Bann zog, und natürlich als Oberbefehlshaber der Wehrmacht, ab Ende 1941 ebenso des Heeres. Mit der Übernahme des letzteren Postens wurde er im übrigen auch formell Inhaber der vollziehenden Gewalt im Operationsgebiet. Hitler sorgte für die entscheidenden Weichenstellungen zum Vernichtungskrieg und bestimmte die territoriale Abgrenzung und Kompetenzen der Militärverwal- tung2. Gelegentlich wechselte er einen Oberbefehlshaber aus. Die Grundlinien der Besatzungspolitik legte Hitler zusammen mit der NS-Führung fest, ebenso wie die verheerenden Rahmenbedingungen, etwa die Blockierung des Abtransports der Kriegsgefangenen. Im Allgemeinen trieb er zwar zur Verschärfung der Gewaltpo- litik an, griff jedoch in die konkrete Besatzung nur ganz punktuell ein, etwa wenn er jüngere Ortskommandanten im Heeresgebiet Β wünschte3. Bei Hitlers täglichen militärischen Lagebesprechungen spielte die Besatzungspolitik offensichtlich kaum eine Rolle4. Doch Hitlers Macht war nicht allumfassend. In einigen Fällen scheiter- 1 Vgl. Hartmut Schustereit, Deutsche Militärverwaltung im Umbruch. Berlin u.a. 2000. 2 Vgl. „Führer-Erlasse" 1939-1945. Edition sämtlicher überlieferter, nicht im Reichsgesetzblatt abgedruckter, von Hitler während des Zweiten Weltkrieges schriftlich erteilter Direktiven aus den Bereichen Staat, Partei, Wirtschaft, Besatzungspolitik und Militärverwaltung. Hg. von Martin Moll. Stuttgart 1997. 3 BA-MA RW 31/59a, FS OKW/WFSt. an WiRüAmt, 28.12.1942. 4 Zumindest soweit sie überliefert sind: Hitlers Lagebesprechungen. Die Protokollfragmente sei- ner militärischen Konferenzen 1942-1945. Hg. von Helmut Heiber. Stuttgart 1962. 88 III. Militärische Besatzung ten Weisungen des „Führers" am Widerstand der Generalität, zu denken ist an den teilweisen Abtransport sowjetischer Kriegsgefangener ins Reich, an die Räumung der Krim zur Besiedlung durch Auslandsdeutsche, oder an die Einwendungen des „Führers" gegen einen schnellen Aufbau ausländischer Hilfseinheiten. Die generellen Linien militärischer Besatzung regelte das Oberkommando der Wehrmacht, das in Frankreich/Belgien, Serbien und in Teilen Griechenlands die direkt vorgesetzte Dienststelle der Militärverwaltung darstellte. In den besetzten Teilen der Sowjetunion war zwar das Heer für die Landesverwaltung zuständig, das OKW griff aber in nicht unerheblichem Ausmaß auch dort ein. Maßgeblich waren hier in erster Linie die Abteilung Landesverteidigung des Wehrmacht-Füh- rungsstabes5, aber auch das Amt Ausland/Abwehr, das Kriegsgefangenenwesen im Allgemeinen Wehrmachtamt und das Wehrwirtschafts-Rüstungsamt, auf welches noch näher einzugehen sein wird. Nicht zu vergessen ist die Wehrmachtpropagan- da, der - etwa bezüglich der Kolchospolitik - eine erhebliche Bedeutung für die Besatzung beigemessen wurde, die aber zugleich für viele antisemitische Hetzpu- blikationen verantwortlich zeichnete6. Das OKW repräsentierte kein richtiges Oberkommando, sondern setzte als Hitlers „militärisches Büro" dessen Weisungen ohne zu zögern um. Zweifellos richtete sich die Weisungstätigkeit in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle auf operative und logistische Themen. Doch hier wurde die militärische Besatzung europaweit, auch zwischen Zivil- und Operationsgebiet in der Sowjetunion, koor- diniert und einschneidende Befehle zur Besatzungs- und Gewaltpolitik ausgear- beitet; man denke nur an die berüchtigte „Bandenkampfanweisung". Dafür war in der Abteilung Landesverteidigung zunächst vor allem der Quartiermeister IV zu- ständig, dann die Operationsabteilung (Heer). Das OKW stand in kontinuierlicher enger Fühlungnahme mit dem SS- und Polizeiapparat Himmlers; beim Quartier- meister IV liefen auch viele Tötungsmeldungen der Einsatzgruppen ein7. Insgesamt griff der Wehrmacht-Führungsstab zwar nur punktuell, dann aber umso tiefer in das Geschehen ein. Ganz anders die „Fachämter" beim OKW. Sie beschäftigten sich regulär und dauerhaft zwar nicht ausschließlich, aber doch in erheblichem Ausmaß mit den sowjetischen Gebieten. Das Amt Ausland/Abwehr trägt einen besonderen Nim- bus, da sich dort eine frühzeitig aktive Oppositionsgruppe sammelte. Doch dies ist nur die eine Seite der Medaille. Für unseren Zusammenhang ist vielmehr von Be- deutung, dass das Amt sowohl an der Vorbereitung als auch an der Führung des Vernichtungskrieges beteiligt war. Während die Abteilung Abwehr II sich mit den gewalttätigen Aufständen von Untergrundgruppen im Westteil der Sowjetunion beschäftigte, liefen bei Abwehr III alle Fäden der „Spionageabwehr" zusammen. Besonders die Führungsgruppe III W koordinierte die Vernehmungen, bisweilen die Selektion sowjetischer Kriegsgefangener, und die mörderischen Aktivitäten der Geheimen Feldpolizei, aber auch mancher Abwehrkommandos im Feld. 5 Ab 1.1.1942: Stellvertretender Chef des Wehrmacht-Führungsstabes. 6 Vgl. die Kriegsspitzengliederung von 1939, KTB OKW 1, S. 877-946; Martin Moll, Die Abtei- lung Wehrmachtpropaganda im Oberkommando der Wehrmacht: Militärische Bürokratie oder Medienkonzern?, in: Beiträge zur Geschichte des Nationalsozialismus 17 (2001), S. 151-188. 7 Wilhelm, Einsatzgruppe A, S. 51. 1. Leitinstanzen Gliederung des militärischen Besatzungsapparats 1943 (Quelle: Europa unterm Hakenkreuz, S. 619) 90 III. Militärische Besatzung Das Amt Ausland/Abwehr stand in andauerndem Konflikt mit dem Sicher- heitsdienst der SS, welcher sich immer mehr Kompetenzen in ihrem Bereich aneig- nete. Ohne Zweifel versuchten Angehörige der Abwehr, insbesondere die Gruppe um Hans Oster und der Amtschef Canaris selbst, Mordbefehle abzumildern oder zugunsten Verfolgter einzugreifen. Das bekannteste Beispiel ist sicher der Kom- missarbefehl, dessen Suspendierung nicht zuletzt den Interventionen von Canaris zu verdanken ist. Freilich war die „reguläre" Arbeit von GFP und Abwehroffizie- ren davon wenig beeinträchtigt, sprich die Ermittlung „Verdächtiger", meist auch deren Tötung8. Während im OKW zahlreiche Massenmorde organisiert und koor- diniert wurden, untersuchte man gleichzeitig die sowjetischen Verbrechen, seien es die Massaker der sowjetischen Geheimpolizei NKVD im Juni 1941 oder Kriegs- verbrechen an deutschen Soldaten. Das Allgemeine Wehrmachtamt zeichnete unter anderem für das Kriegsgefange- nenwesen verantwortlich. Diese Tätigkeit erstreckte sich in erster Linie auf die sowjetischen Kriegsgefangenen im OKW-Bereich, d.h. im Reich und in den zivil- verwalteten Gebieten. Rahmenweisungen bezüglich der Rotarmisten galten jedoch auch für das Operationsgebiet, so etwa zur individuellen Behandlung oder zum Abtransport in die OKW-Kompetenz. Offensichtlich hatte das OKW auch di- rekten Zugriff auf spezielle Uberläuferlager im Militärgebiet9. Eine ähnliche, wenn auch eher allgemeine Leitfunktion übernahm auch das zivile Pendant der Militärverwaltung im Osten, das Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete. In die Hände dieser - spät aus der Taufe gehobenen und personell relativ schwachen - Instanz war die politische Gestaltung der Besatzung gelegt worden. Das Ministerium kann als nationalsozialistische Institution in Reinkultur angesehen werden, hier dominierte die „baltische Mafia" der frühen NSDAP10. Natürlich galt seine Leitfunktion in erster Linie für die Gebiete, die ab Mitte Juli 1941 sukzessive von den Militärs an Rosenberg übergeben wurden. Doch im Angesicht der Erwartung, dass in naher Zukunft noch viel mehr Territo- rien an die Zivilverwaltung transferiert würden, konnte das Rosenberg-Ministeri- um schon im Vorgriff Einfluss auf die Gestaltung des Operationsgebietes nehmen. Zudem war die Abgrenzung zwischen Zivil- und Militärgebiet in der Verwaltung- spraxis nicht so strikt, wie es der Blick auf die Landkarten bisweilen suggeriert. Als Verbindungsmann Rosenbergs zum OKH fungierte bis November 1941 Otto Bräutigam, der 1920 ins Auswärtige Amt eingetreten war und 1923 bis 1930 verschiedene diplomatische Posten in der Sowjetunion innegehabt hatte. Er „hatte darüber zu wachen, dass schon die Militärverwaltung im Sinne und Geiste der späteren Zivilverwaltung arbeitete"11. Bräutigams konkrete Tätigkeit auf diesem 8 Vgl. Meyer, Unternehmen Sieben, S.99ff. Canaris hat vermutlich in einer internen Rede im Dezember 1941 explizit darauf hingewiesen, sich aus den antijüdischen
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    Key Aspects of German Anti-Jewish Policy Jürgen Matthäus In 1994 historian Dina Porat published an article that highlighted three unique aspects of the Holocaust in Lithuania: the speed and scope of the killings, the involvement of local collaborators, and the perception of the catastrophe by Lithuanian Jews.1 The term “uniqueness,” when applied to the Holocaust, means different things to different people. Clearly the survivors of German rule have first claim to this term since the Holocaust is part of their personal history; when it comes to the general features of the events, the picture gets more blurry. Nevertheless, even if we limit our discussion to German planning and policy, the unprecedented nature of what happened in Lithuania cannot be overlooked. The totality, timing, and technique of persecution formed the basis for the deadly effectiveness of the “Final Solution” in Lithuania.2 THE GERMAN OCCUPATION (1941–1944) Operation Barbarossa, the German attack on the Soviet Union that started on June 22, 1941, led to the death of approximately 25 million Soviet citizens―including an estimated 2.4 million Jews.3 Lithuania, occupied within days after the attack and under German control for about three years, lost roughly half of its total Jewish population of approximately 250,000 within the first months of the military campaign; only approximately 10 percent of Lithuanian Jews survived the war.4 Obviously figures provide but a faint idea of the incredible suffering and pain inflicted on the victims, not to mention the total destruction of Jewish culture and property. In addition to the extent and consequences of the killings, another element in the totality of events faced by Lithuanian Jews was the complete and rapid breakdown in social patterns.
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