28. Juni 2019
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DIE AFFÄRE BVT Politischer Fraktionsbericht der sozialdemokratischen Parlamentsfraktion gem 51 Abs. 3 Z 2 VO-UA zum Berichtsentwurf des Verfahrensrichters im BVT-Untersuchungsausschuss. 28. Juni 2019 DIE BVT- RAZZIA UND IHRE FOLGEN — DAS „SCHWARZE NETZWERK“ — DIE „BLAUE STASI“ 1 DIE AFFÄRE BVT In aller Kürze 4 Die BVT-Razzia und ihre Folgen 9 Die Schlüsselfiguren 10 Die präparierten „BelastungszeugInnen“ und die Gängelung der Justiz 11 Grünes Licht für die Razzia 14 Das Motiv: Liederbücher und Kellernazis 15 Der Überfall aufs BVT 17 „Die Tür einrammen“ 17 „Jetzt ist der Tag X“ 20 Schaden: „Viel schlimmer geht nimmer!“ 22 Das „Schwarze Netzwerk“ 26 Mit den schärfsten Waffen des Rechtsstaats – die TierschützerInnen-Causa 26 Die Schlüsselfiguren 27 Postenschacher: „Rot-Weiß-Rot“ ist das neue Schwarz 31 „Information abseits der formellen Kanäle“ – Der ÖVP-Chefspion 36 „5 Punkte für das ÖVP-Wahlprogramm“ 38 „Nichts gemacht“ – Die Sabotage des Untersuchungsausschusses 39 Die „Blaue Stasi“ 40 Vertrauen ist gut? Kontrolle ist besser. 42 Rechtsschutzbeauftragte ins Parlament 42 Starke und unabhängige Justiz 43 Vertraute Geheimnisse – Informationssicherheit 43 On the record - Dokumentation 43 Quellen 44 2 Foto: Jakob3 Zerbes In aller Kürze Die „BVT-Affäre“ ist einer der größten innenpolitischen Skandale in der Geschichte der 2. Republik. Das Bundesamt für Verfassungs- schutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) ist jene Behörde, die die Menschen in Österreich vor verfassungsfeindlichen Tendenzen (z.b Rechtsextreme) und vor terroristischen Bedrohungen schützen soll. Durch die völlig überschießende und rechtswidrige Razzia am 28. Februar wurde diese zentrale Säule des Sicherheitsapparats schwerst beschädigt. Bei dieser Razzia wurden nicht te Desinteresse. Weder hat er sein Untersuchungsausschusses inter- nur Unterlagen des BVT-Extremis- Auskunftsrecht wahrgenommen essiert ist, dem sei der Bericht des musreferats, sondern auch Daten und sich bei BVT-Direktor Peter Verfahrensrichters wärmstens ans ausländischer Partnerdienste be- Gridling über die Vorgänge infor- Herz gelegt. schlagnahmt, was deren Vertrauens- miert, noch hat er sich dafür ein- verhältnis zum BVT bis zum heuti- gesetzt, dass Österreich wieder im gen Tag extrem belastet. Nach wie westlichen Sicherheitssystem ver- vor nimmt Österreich an den Ar- ankert wird. Kurz ließ sogar einen beitsgruppen des „Berner Clubs“, bereits vor der BVT-Razzia fixier- des informellen Verbunds der euro- ten Termin bei Gridling ersatzlos päischen Geheim- und Nachrich- verstreichen, obwohl das BVT in tendienste, nicht teil. Einige Diens- der Zwischenzeit in die schwerste te haben überhaupt aufgehört, mit Krise seiner Geschichte gestürzt dem BVT sensible Informationen war. Auch hat Kurz gar nicht erst Was ist das zu teilen. Davon geht ein beträchtli- versucht, ein klärendes Gespräch ches Risiko für Österreichs Sicher- mit seinen europäischen Amtskolle- heit aus. gInnen zu führen. Er hat Österreichs Sicherheit im Stich gelassen. BVT? Was den rechtlichen Aspekt betrifft, so wurden die Hausdurchsuchun- Nach dem Studium von rund gen bereits im Herbst 2018 bis auf 340.000 Seiten an Akten und Pro- tokollen sowie der Befragung von Das Bundesamt für Ver- einen Fall vom Oberlandesgericht fassungsschutz und Terro- Wien für rechtswidrig erklärt. Was 88 Auskunftspersonen in 45 Sit- zungen, die insgesamt 312 Stunden rismusbekämpfung wurde die politische Verantwortung be- 2002 gegründet. Es ist jene trifft, so trifft diese in erster Linie dauerten, stellt die sozialdemokra- tische Parlamentsfraktion auf den Behörde, die in Österreich den damaligen FPÖ-Innenminister dafür zuständig ist, die Be- Herbert Kickl. kommenden Seiten ihre Sicht der Ereignisse, Ergebnisse und Schluss- völkerung vor terroristischen folgerungen dar. Angriffen sowie verfassungs- ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz feindlichen Gruppierungen wiederum blieb in der ganzen An- Wer an weiteren Details der und Aktivitäten zu schützen. gelegenheit völlig untätig und zeig- BVT-Affäre und der Tätigkeit des 4 Auf einen Blick: Die Razzia und ihre Folgen Kickl hat die BVT-Causa von Be- wurden. Der WKStA wurden diese Treffen 1. ginn an als Chance begriffen, die verschwiegen und gegenüber dem Parla- ÖVP-lastige Spitzenbürokratie im BVT ment erst zugegeben als es nicht mehr zu und im Bundesministerium für Inne- verheimlichen war. Spätestens die Aus- res (BMI) loszuwerden. Darüber hinaus sage des „Belastungszeugen“ A. H., wo- ist er dem BVT seit langem feindlich ge- nach „Fernlöschung“ möglich sei, bewog sonnen. Zu oft hat das BVT-Extremismus- die WKStA endgültig zum Handeln. Fünf referat in der Vergangenheit FPÖ-Leute Beschuldigte wurden ins Visier genommen: aus Kickls eigenem Umfeld ins Visier ge- BVT-Direktor Gridling, BVT-Vizedirektor nommen – viele Gründe also, einerseits he- Wolfgang Zöhrer, BVT-IKT-Leiter C. H., rauszufinden, welches Belastungsmaterial BVT-Referatsleiter B. P. und dessen Mit- gegen die FPÖ im Verfassungsschutz vor- arbeiter, Chefinspektor F. S. handen ist und andererseits, die Ermittler einzuschüchtern. Letzter Anstoß dürfte die Letzte Station vor der Razzia am sogenannte „Liederbuchaffäre“ kurz vor der 4 . 28. Februar 2018 war die Ein- niederösterreichischen Landtagswahl am satzbesprechung am Nachmittag da- 28. Jänner 2018 gewesen sein. Hier stand vor: Bei dieser Gelegenheit stellte Goldgruber der Verdacht im Raum, das BVT könnte im Oberst Wolfgang Preiszler vor, einen politisch ÖVP-Auftrag Infos weitergegeben haben, verlässlichen FPÖ-Mandatar. Kein Wort gab um die Wahlchancen des FPÖ-Kandidaten es dazu, dass die Razzia die Funktionsfähig- Udo Landbauer zunichte zu machen. keit des Staatsschutzes gefährdete. Erst als al- les zu spät war, am 1. März 2018, sagte Lett, Die FPÖ versucht seit den dass die Hausdurchsuchung „außenpolitisch 2 . Hausdurchsuchungen vom 28. ein Problem darstelle“ – wegen des Vertrau- Februar 2018 die Justiz und insbe- ensverlusts bei ausländischen Partnerdiensten sondere die zuständige Wirtschafts- infolge der Sicherstellung von klassifizierten und Korruptionsstaatsanwaltschaft Unterlagen. (WKStA) für das Geschehene allein- verantwortlich zu machen. Aber war Die BVT-Razzia hat der Sicher- das wirklich so? Nein, aus der Beweisauf- 5 . heit Österreichs enormen Scha- nahme wird eines ganz deutlich: Alle Fäden den zugefügt. Es wurden geheime in der Causa BVT liefen im Kabinett von Daten ausländischer Partnerdienste Innenminister Kickl zusammen. Von hier beschlagnahmt. Das hat das Vertrauens- aus wurden die WKStA und die fallfüh- verhältnis extrem belastet. Nach wie vor ist rende Oberstaatsanwältin Ursula Schmu- das BVT nicht voll in den „Berner Club“, dermayer an der kurzen Leine geführt und das Gremium der europäischen Geheim- manipuliert. und Nachrichtendienste, eingebunden. Für einen kleinen Dienst wie das BVT ist das Damit nicht genug, trieb das eine Katastrophe. Darüber hinaus werden 3. BMI-Kabinett in den darauffol- die FPÖ und ihre Russland-Kontakte sehr genden Wochen Zeugen auf, um die kritisch gesehen. Österreich ist zum sicher- anonymen Vorwürfe zu belegen. Be- heitspolitischen Außenseiter geworden. vor man sie an die Staatsanwaltschaft ver- mittelte, wurden die Zeugen aber noch „an- ÖVP-Bundeskanzler Sebastian gehört“ – von Lett, Goldgruber und Kickl. 6. Kurz ist in der BVT-Affäre nur Diese diskreten Treffen fanden zwischen durch Untätigkeit aufgefallen. Ob- 31. Jänner und 19. Februar 2018 sowohl im wohl er über alles informiert war, hat Kabinett als auch im Caféhaus und in Loka- er nichts gemacht. Vielmehr hat er Kickl len statt. Höhepunkt war ein gemeinsames freie Hand gelassen, eine wichtige Sicher- Treffen von Kickl, Goldgruber und Lett mit heitsbehörde zu zerstören. Als der Schaden der „Belastungszeugin“ und Ex-BVT-Mit- dann angerichtet war, hat Kurz weiter die arbeiterin R. P. im FPÖ-Klub. Es liegt auf Hände in den Schoss gelegt. Das war die der Hand, dass die späteren Aussagen bei entlarvendste Erkenntnis des BVT-UsA. der WKStA auf diese Weise abgesprochen 5 Die nationale Sicherheit und das Funktionieren des Verfas- sungsschutzes waren Kickl egal, wenn es darum ging, FPÖ-Machtinteressen durch- zusetzen: Es bestand Gefahr für Leib und Le- ben von Mitarbeitern sowie „Quel- len“ (Informanten) aufgrund von Informations-Leaks. Staatsanwalt- schaft/BMI verloren die Kontrolle über die sensiblen Daten, die bei Hausdurchsuchungen sichergestellt wurden. Das BVT ist von Informationen ausländischer Partnerdienste ab- hängig. Dieser Info-Fluss beruht auf Vertrauen (Third Party Rule). Mit einem Nachrichtendienst, der nicht „Herr seiner Daten“ ist, tauscht niemand mehr Informatio- nen aus. Die umfangreichen Sicherstellun- gen bei der Leiterin des BVT-Ex- tremismusreferats werfen beson- Was ist die ders brisante Fragen auf. Vieles deutet darauf hin, dass Kickl rechte Netzwerke und Burschenschaften vor Ermittlungen schützen wollte. WKStA? Als zweiten Schwerpunkt Was ist die haben wir im BVT-UsA das Die zentrale Staatsanwalt- „Schwarze Netzwerk“ im BVT schaft zur Verfolgung von und im BMI durchleuchtet. Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA) ist in Denn eines ist klar, die BVT-Affä- Third ganz Österreich für die straf- re kam nicht von ungefähr, sondern rechtliche Verfolgung von hatte eine lange Vorlaufzeit unter Amts- und Korruptionsde- einer Riege von ÖVP-Innenminis- Party likten zuständig, sowie für tern seit 2000. Unser Befund ist, Wirtschaftsdelikte, deren dass die ÖVP das BVT für partei- Schaden 5 Millionen Euro politische Zwecke instrumentali- Rule? übersteigt. Anders als an- siert hat. Seit der Übernahme