Zu Besuch Bei Seiner Majestät
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
Unterwegs IM WILDEN KAISER Ins Jahr 2000 fallen drei „runde Geburtstage“: Grutten- und Vorderkaiserfeldenhütte werden 100 Jahre alt und Foto: Ludwig Mallaun Foto: vor 125 Jahren wurde „Kaiserpapst“ Franz Nieberl geboren. Grund genug, sich wieder einmal mit dem „Kaisergebirge“ zu beschäftigen, dessen Erschließungsgeschichte wohl bekannt und bestens dokumentiert ist. Also nichts Neues? Ein wenig vielleicht doch. Von HORST HÖFLER Foto: Archiv Horst Höfler Archiv Foto: Mit ihren eindrucksvollen Nordabstürzen überragen die Fleischbank und das Totenkirchl die Gebäudeansammlung des Zu Besuch bei Stripsenjochhauses. Rechts: Hinterbärenbad um 1900, die mächtige Nordwestwand der Kleinen Halt im Hintergrund bildet eine der seiner Majestät klassischen Kaiserkulissen. Nr. 5/2000 DAV Panorama 23 Unterwegs IM WILDEN KAISER ls 1881 der königliche Pro- sich amal acht Gams und grad so viel Schaf nationalsozialistisches Gedankengut Raum fessor und Kunstmaler Max an einem Tag derfalln“.Widauer mutmaßte, greifen: „Das politische Leben der Nation A Kleiber – derselbe Kleiber, dass diese Begebenheit ungefähr 80 Jahre war in diesem Jahre (1936; Anm. d. V.) ge- den sie „Verwalter vom Wen- zurückläge.Dann erzählte er Kleiber in etwa kennzeichnet durch die vom Führer gege- delstein“ nannten, der dort 1899 das be- das, was in der Sage zu finden ist: Ein Bauer bene Parole ‚Ehre und Gleichberechtigung‘. kannte Kircherl erbauen ließ und auch das aus der Griesenau, als Wilderer berüchtigt, Fürwahr ein stolzer Satz, noch stolzer und später so genannte Anton-Karg-Haus in habe sich leichte Beute verschaffen wollen glanzvoller aber die Erfüllung. In den deut- Hinterbärenbad gestaltete – seine durchaus und den einzigen Gamswechsel,der sich an schen Rheinlanden weht seit 7. März die bemerkenswerten Touren im Wilden Kaiser den Fleischbankwänden befände (vermut- Fahne unserer jungen Wehrmacht,Deutsch- unternahm, gab es im gesamten Kaiserge- lich der heutige Egger-Steig;Anm. d.V.),mit lands Ströme sind wieder frei von den Ein- birge noch keine Unterkunftshütte für Berg- frischen,rutschigen Baumrinden präpariert. mischungsbestrebungen fremder Nationen, steiger. Man nächtigte im Tal oder auf den Tatsächlich seien acht Gämsen abgestürzt, die deutschen Sportler schrieben den deut- Almen, auf den „Steinbergeralpen“, auf der wenige Stunden später aber auch acht der schen Namen an die erste Stelle aller sport- „Kaisermannalpe“.Von der Hinterbärenbad- besten Schafe des Bauern.„Jetzt hatte er wi- pflegenden Völker der Erde.“ Das stammt Alpe erzählte man sich wunderliche Dinge. der Willen 16 Stück tot beisammen liegen, Horst Höfler Archiv Foto: aus der Präambel des 64.Jahresberichts der „Es ist ein gefährlicher Ort (...),denn hier in und die Strafe war dem Frevel auf dem Fuß „Alpenvereins-Sektion Turner-Alpen Kränz- unheimlicher Nähe des Totenkirchls, des gefolgt.“ (Widauer) chen München“,verfasst im Januar 1937;ei- Teufelswurzgartens und des Totensessels Michael Sojer, der wilde „Steinackerer“, nes Vereins, in dem der berühmte Bergstei- haust auch ein wildes Ehepaar in einsamer, Babenstuber war der Eroberer des Totenkirchl. germaler und in einer „fremden Nation“ ge- tief im Grunde gelegener Hütte.Wehe dem und die „Kranzler“ borene Edward Theodore Compton (1849– Wanderer,welcher hier,nichts ahnend,etwa 1881 ist auch das Jahr der Totenkirchl-Erst- hütte (1899/1900). Das alte Schutzhüttl auf 1921) Mitglied gewesen war. mit traulichen Worten der holden Schönen ersteigung. Der Handstreich des wilden, der Ellmauer Halt,das – blitzschlaggefährdet Kulminationspunkt des Kaisergebirges sich nähern wollte.Gleich schleicht er herü- rauflustigen und versoffenen Steinackerer – in unmittelbarer Gipfelnähe gestanden ist das Massiv der Ellmauer Halt. ber aus dem waldigen Dunkel seiner nahe aus Going, der den Baiersdorfer Kürschner hatte,trug Babenstubers Namen ebenso wie Die Gruttenhütte auf einer frühen gelegenen Blockhütte, spähend mit eifer- und später hoch angesehenen Forscher ihn jetzt das neue Hüttl, das sich im Schutz Postkartenansicht. DAV Archiv Foto: süchtigem Blick und forschend, was der Gottfried Merzbacher auf das als unersteig- von Felsen ein gutes Stück südwestlich un- Fremdling hier wollte“. (Kleiber) bar gehandelte Kirchl lotste,ist legendär.Der terhalb des höchsten Punktes befindet, Darüber liest man nichts in den „Sagen Münchner Steinmetz Karl Babenstuber hät- trägt. „Kurz nach der Eröffnung (des alten aus dem Kaisergebirge“, die Anton Karg ge- te ja auch hinauf wollen,doch jener 16.Juni Hüttls, 1902; Anm. d. V.) humpelte der sammelt und um 1900 als Buch – mit Illus- 1881 war nicht sein Tag. Schon vor Errei- schwer herzkranke Mann,von zwei Führern trationen von Ernst Platz – herausgegeben chen der Felsen kehrte Babenstuber um und gestützt,auf seinen letzten Berggipfel:die so hat.Jene eigenartigen Geschichten,die auch als er später die von der Kletterei zerschun- sehr geliebte Halt.Hier schied er von seines Kleiber kannte und teilweise nacherzählte denen Hände Merzbachers sah, war er froh Lebens entschwundenem Glück.1908 starb und in denen bisweilen doch ein Funken darüber, herunten geblieben zu sein.Trotz- er irren Geistes.“ (Fritz Schmitt) Wahrheit gesteckt haben mag. Als Kleiber dem: Babenstuber, Gründungsmitglied der Laut Schmitt hatten die „Kranzler“ (ge- droben auf dem Ellmauer Tor seinen Führer zunächst privaten Bergsteiger-Vereinigung gründet 1872) während der Anfangsphase Thomas Widauer befragte, „was denn das „Turner-Alpenkränzchen“, galt als glühen- der klettersportlichen Erschließung des für Zacken“ seien, bekam er zur Antwort: der Kaiserfreund und als „geistiger Vater“ Wilden Kaiser als Verein eine wichtige Rolle „Dös sind die Fleischbankspitzen.Da haben (August Sieghardt) für den Bau der Grutten- gespielt. 65 Jahre später sollte auch in ihm Heinz Zak Foto: Unterwegs IM WILDEN KAISER Nieberl – ein „Chamäleon“? Was war doch Hans Dülfer dagegen für Als von Nazi-Deutschland infiziert outeten ein braver Bursch! Ein Anti-Alkoholiker! In- sich viele Bergsteiger, denen bis in die teressieren würde mich schon,ob der Hans Jetztzeit hinein Vorbild-Funktionen zuge- aus Barmen tatsächlich so still und beschei- schrieben werden. Ich denke an das Foto, den gewesen ist, wie ihn seine Freundin das Willo Welzenbach mit der Hakenkreuz- Hanne Franz beschrieben hatte.Hoffentlich Armbinde zeigt. Und – auf den Kaiser bezo- ritt ihn bisweilen wenigstens die Arroganz. gen – an die markigen Sprüche des Georg Der Ausspruch „Sind manche Bergsteiger Leuchs. Vor 100 Jahren glückte ihm allein nicht wie Dilettanten am Klavier, die ober- kletternd die erste Begehung des Kopftörl- flächlich, ohne ernstes sich Vertiefen in et- grats. Franz Nieberl unterschrieb als Vor- was Erhabenes, bald dieses, bald jenes sitzender des Zweiges Kufstein im gleichge- Kunstwerk anfassen?“ lässt darauf schlie- schalteten Deutschen Alpenverein seine ßen.Und Sixt,der lila Socken trug;Preuß,der Briefe mit „Heil Hitler“ (hätte er anderes zu sich je nach Jahreszeit verschiedenfarbige tun vermocht?).Zum Beispiel ein Gutachten Krawatten umgeknotet hatte.Was waren sie über den berühmten Kaiserkletterer Franz Horst Höfler Foto: doch für „Spinner“.Trotz oder wegen ihrer Weinberger, der sich 1943 um die Pächter- Der Fels am Kopftörlgrat ist immer noch Marotten mögen wir sie. Vor allem Preuß, stelle der Gruttenhütte beworben hatte: so fest wie früher, doch weitaus weniger den (fast) lupenreinen Freikletterer,der den „Der Gesuchsteller ist dazu nach meinem Kletterer begeistern sich für Routen in Mauerhaken nur als Notreserve akzeptierte Dafürhalten völlig geeignet.Er ist ein ausge- diesem Schwierigkeitsbereich (III–IV). und 1913 mit seiner Erstdurchsteigung des zeichneter Bergsteiger und Schiläufer und Griesnerkamins im Alleingang eine ein- als solcher vor allem befähigt,bei den leider Westwand 1923 das Flaschl mit dem starken drucksvolle Visitenkarte im Kaiser hinter- sehr zahlreichen Unglücksfällen im Wilden und besonders guten Extraschnaps aus der ließ. Kaiser als Bergungs- und Rettungsmann mit Tasche gefallen war, so dass das edle Feuer- Rat und Tat einzugreifen. Er ist neben Peter wasser „zwischen den Scherben über die Statements zur Aschenbrenner wohl der beste Mann unter Felsen“ rann. „Aber der Hannes gönnte es Kletterrouten-Sanierung den mir unterstellten Führern und ich lege dem Predigtstuhl nicht allein, und er leckte Jedenfalls böte dieser Griesnerkamin, der den größten Wert darauf,daß auf Hütten,die aus einer kleinen, muschelartigen Vertie- nie in Mode kam, noch eine echte Abenteu- im Brennpunkt alpiner Unglücksfälle stehen fung, was noch zu retten war“ (Schmitt). ertour.Auch jetzt im „Zeitalter der Bohrma- (die Gruttenhütte gehört dazu), fähige und Klettern konnten sie trotzdem famos, die schine“ und der „baseclimbs“, die mittler- erfahrene Nothelfer sitzen“. Gott sei Dank beiden Führer. Die „Fiechtl-Weinberger“ weile im Wilden Kaiser Einzug gehalten ha- hielt man zu den bewährten Wirtsleuten gibt Zeugnis darüber ab. ben. Es drängt sich mir die Frage auf, wel- Eisenmann.Etwas mehr als zwei Jahre zuvor hatte Nieberl nämlich ganz andere Töne Klettertouren über Weinberger angeschlagen: „Der von mir zu meinem Stellvertreter bestimmte Leichte bis mittelschwere Genussklettereien Toni Haberl,dem ich die gesamte Geschäfts- Zettenkaiser, oberen Teil man durchsteigt, facher. Höhenunterschied führung in Hinterbärenbad übertragen ha- Alte Ostwand sehr schöne Kletterei. 480 m, 4–5 Std. be,wird von dem Bergführer Franz Weinber- IV+, vielfach IV und III. Höhenunterschied 800 m, Westliche ger zur Zeit an der Hochgebirgsschule in