Das Diepholzer Moor (Stadt Diepholz) Zwischen Urtümlichkeit, Nutzung Und Refugium Von Remmer Akkermann
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ISSN 0940-872X Norddeutsche Naturschutzverband Niedersachsen N N Biologische Schutzgemeinschaft Hunte Weser-Ems Biotope unterstützt durch das NaturschutzForum Deutschland Schutz und Entwicklung 25 März 2010 Gefördert durch die Agenda 21-Stiftung Diepholz Das Diepholzer Moor (Stadt Diepholz) zwischen Urtümlichkeit, Nutzung und Refugium von Remmer Akkermann as Diepholzer Moor ist ein 950 Hektar umfassendes Hochmoor an der Kreis- ORNOW T D grenze zwischen Diepholz und Vechta. Es IETER gehört zur Stadt Diepholz und dem Natur- . D OTO raum „Diepholzer Moorniederung“, der F seit 1976 als Feuchtgebiet internationaler Bedeutung der Unesco durch größere abge- torfte bzw. wiedervernässte Hochmoor- komplexe bekannt ist. Weiter westlich schließt sich auf 416 ha das stärker entwäs- serte, abgetorfte und in Renaturierung be- findliche Steinfelder Moor an (Mumm 2007). Beide Moore umfassen somit ein grenzübergreifendes Naturschutzgebiet mit einer Gesamtfläche von ca. 1.400 ha. Nörd- lich folgt auf Diepholzer Seite das in groß- flächiger Abtorfung befindliche Heeder Moor, das Aschener- und Barnstorfer Moor, auf Vechtaer Seite das in Abtorfung stehen- de Lohner Moor sowie das Boller-, Vechta- 1 Aufwachsende Torfmoose und Wollgräser in einer wassergefüllten Pütte des Diepholzer Moores. er- und Goldenstedter Moor. Zwischen dem Diepholzer- / Steinfelder Moor im Süden Sickinger u.a. 2002). Die BSH hat 1976 – Urtümlich und lange und dem Heeder- / Lohner Moor im Norden unterstützt vom Hegering Diepholz – den vergessen verläuft die B 214 (Nienburg-Lingen) nach Antrag zur Einbeziehung des Diepholzer Kroge und Steinfeld – Holdorf (A1). Nörd- Moores in die Flurbereinigung Diepholz-Süd Dank der abseitigen Lage an der ehe- lich befindet sich an der Kreisgrenze auf (zugunsten des Baus der Umgehungsstra- maligen Grenze zwischen dem Groß- Diepholzer Seite auch die abgas- und abwas- ße) gestellt. Dem wurde zu einer verhältnis- herzogtum (später Verwaltungsbezirk) serintensive Tiermehlfabrik, die bis in die mäßig frühen Zeit durch das Amt für Agrar- Oldenburg (mit LK Vechta) und der preu- 1970-er Jahre in Lohne ansässig war. Wei- struktur (AfA / GLL) Sulingen entsprochen ßischen Provinz (später Regierungsbezirk) ter südlich liegen jenseits der Flachmoore (Leitung seinerzeit: Dipl.-Ing. Klaus Rinne, Hannover (mit LK Diepholz), vielleicht des Dümmers das in Kultur genommene Preisträger der Stiftung NATUR 2009). Aktiv auch wegen verschiedener Anlagen der Hunteburger Moor (Bohmte) und das NSG beteiligt waren daran außerdem die Stadt Bundeswehr (Fliegerhorst und Einflug- Venner Moor (Osnabrück). Die Flächen des Diepholz, die Teilnehmergemeinschaft der schneise, Sendemasten einer Peilstation), Diepholzer Moores halten wesentliche An- Flurbereinigung und Naturschutzverbände. wurden zahlreiche Kleinstflächen lediglich teile der Niederschläge zurück, die übrigen Diese miteinander abgestimmten Aktivi- kurzzeitig in den 1940-er und 1950-er bewirtschafteten Areale entwässern in die täten haben bis heute bleibende positive Jahren für den Hausbrand streifenartig Beeke, einem Nebenbach der Hunte (vgl. Auswirkungen. sehr lückenhaft und unterschiedlich NVN/BSH 1/10 intensiv abgetorft. (vergl. Akkermann 1995). Vieles konnte weiterwachsen und die verlassenen Torfstiche wiedererobern, ob Erica- und Calluna-Heiden, Sonnentau, Torfmoose, Flechten, Gagelstrauch- oder Faulbaum-Gesellschaften, zunehmend aber auch Pfeifengras (Molinia), Adlerfarn oder Birkenwäldchen. Weite Flächen blieben p Rehdener Moor unangetastet und konnten bis zur Unter- schutzstellung so gut wie unverändert er- halten bleiben. Dazu Daniels (LK. DH, p. mail v. 26. 02. 2010): „Einschränkungen gab es für Teilgebiete, da dort Bomben aus dem Krieg im Untergrund lagern und bisher niemand die Räumung veranlasst hat bzw. finanzieren möchte.“ Diese Situ- Karte der Diepholzer Moorniederung ation bietet aber auch eine Chance für all 2 Im äußersten Westen liegt das Diepholzer Moor, nördlich (auch der B 214) schließen jene hochmoor-untypischen Arten im Die- Heeder- und Lohner- bzw. Aschener Moor an (Grafik: Ute Kaerner n. Unesco 1995) pholzer Moor, die keine Nässe-Toleranz aufweisen (wie die meisten Reptilien und Schmetterlinge wie der Heidekrautbürs- tenspinner, dessen Weibchen nicht fliegen können, sh. Abb.11). Diese Tiere haben deshalb die wenig gestörten und nicht überstauten Hochflächen als Zufluchtsort und Ruhezonen besiedelt. Es ist somit sinnvoll, diese trockenen Areale nicht zu überstauen, jedoch feucht zu halten und die Verwaldung manuell zu unterdrücken (sh. Abb.15). Abgesehen vom historischen extensiven Anbau von Buchweizen oder der Einrichtung von Grünland an einigen Stellen waren diese Areale die Grundlage für die Sicherung der nach der teilweisen Entwässerung weiterhin existierenden Hochmoorflächen (Akkermann 1982). 3 Satellitenauswertung Torfabbau – Pioniertat, 1996 des Diepholzer Nutzen oder Schaden ? und Steinfelder Moores (aus Mumm 2007) Je nach Betrachtung kann die Inkultur- nahme der heimischen Hochmoore aus Sicht der Nutzer als Pioniertat gesehen werden oder aus Sicht des Natur- und Ar- tenschutzes als landschaftlicher Eingriff, als Zerstörungswerk unwiederbringlicher Naturwerte. Beides ließe sich mit Maß und Ziel vertreten, wenn in der Vergan- genheit vorsichtiger zu Werke gegangen wäre. Stattdessen gab es – gerade auch im Bereich der Diepholzer Moorniederung 4 Wiedervernässungs- – erhebliche Konflikte zwischen Moor- Maßnahmen im Diep- schützern und -nutzern, die erst durch holzer Moor zwischen das niedersächsische Moorschutzpro- 1996 und 2002 (AfA Sulingen, Landkreis gramm von 1981 mit Kompromiss-Ab- und Stadt Diepholz) sprachen entschärft wurden. NVN/BSH 1/10 Das ist lange her. Die erste industrielle ORNOW Abtorfung begann im Diepholzer Moor im T Jahre 1976 auf zentral gelegenen trocke- . D. nen Urflächen, ungleich stärker betrieben OTO F im Steinfelder Moor. Das Diepholzer und das Steinfelder Moor sind ganzjährig wichtige Nord-Süd-Korri- dore zwischen dem Barnstorfer und Gol- denstedter Moor im Norden und dem Venner Moor vor dem Wiehengebirge im Süden (Abb. 2). Damit werden der Westen von Diepholz und das Steinfelder Moor im Bereich der Südostgrenze des ehemaligen Landes Oldenburg gut abgeschirmt gegen die flächenhungrige Agrarindustrie. Auch dem wichtigen Aspekt des Erhalts histo- rischer Dokumente im Moor muss Rech- nung getragen werden. So sind im be- nachbarten Heeder Moor nahe dem ➔ Geestrücken Hoher Sühn / B 69 germa- N nische Bohlendämme wertvolle Zeit- 5 Luftbild vom zentralen Naturschutzgebiet Diepholzer Moor mit Blick nach Westen dokumente. Die Fotos und aus- (Steinfelder Moor), die gelbe Linie markiert einen Rundwanderweg. gestellten Figuren-Funde des damaligen Moorarchäologen Dr. die Beseitigung der Birken auf den zentra- h.c. Hayo Hayen (Naturkunde- len Flächen oder deren Absterben infolge museum / heute Landesmuseum Überflutung eine Voraussetzung für die Re- für Natur und Mensch Olden- naturierung von Hochmooren. Dagegen burg) sowie Luftbilder zeigen, wirken Birken, aber auch Weidenbäume, was dort dem Torfabbau geop- Ebereschen und andere Laubbäume an den fert wurde (Hayen in Akkermann Rändern als Puffer gegen die Immissionen 1982). Selbst die noch vorhan- aus benachbarten Kulturflächen und blei- denen „Reststücke“ des Bohlen- ben deshalb oft trotz des Samenflugs und weges VI (Pr) im Heeder Moor Wasserverlustes stehen. sind nach wie vor von der Ab- torfung bedroht (sh. auch www. nafor.de/Presse). Ein politisches 6 Grundkartenauszug des Diepholzer Langsame Signal der Landesregierung in Hannover Moores 2005, fünf Flächen der BSH sind Wiedervernässung umrahmt. (Kartenwerk GLL/LGN) für Denkmal- und Naturschutz im Heeder fördert Torfmoose und Moor ist mehr als überfällig. ten verheideten Plateaus oder nässevariab- Tiervorkommen len Bulten und Schlenken. Auf den Bulten Zwischen Artenarmut wuchs die Erica-Heide. Bäume vertrugen Die Vorgehensweise großflächiger Wie- und Refugium weder das huminsaure Wasser noch fanden dervernässungen wird von Blankenburg sie genügend Halt. Sonnentau-Arten und (2004) beschrieben. Betroffen waren in Hochmoore wie das Diepholzer Moor ha- Wollgräser, Blasenbinse und Sumpfblut- Diepholz zum Teil Hochflächen, die trotz ben sich in Jahrtausenden entwickelt, zwi- auge sind Pflanzen, die die extremen Bedin- vorübergehenden Anbaus mit Buchweizen schen 5- und 18-tausend Jahre hatte seine gungen auf den höheren Flächen des und begrenzter Entwässerungen keine tief- kleinwüchsige Vegetation Zeit, sich im Be- Diepholzer Moores bevorzugen. Die alten greifenden Veränderungen erfahren hat- reich der Stillwasserzonen abgeschmolze- randvoll wassergefüllten Bombentrichter in ten. Außer Reptilien (Schling- oder Glatt- nen Gletscher- und Tundrawassers aufzu- Verlängerung der Startbahn des Fliegerhors- natter, Kreuzotter, wohl auch Ringelnatter bauen (vgl. NLÖ-Poster, sh. Akkermann tes Diepholz zeigten eine entsprechende sowie Zaun- und Mooreidechse) wurden 1982). Torfmoose der Gattung Sphagnum Zonierung bis zum offenen Wasser (Abb.9). auch zahlreiche Insekten, darunter vor gewannen die Oberhand, auch gefördert Je trockener es durch die Entwässerungs- allem moortypische Ameisen und Schmet- durch stärkere Niederschläge. Sie über- gräben wurde, umso stärker wuchsen Bir- terlinge (die jüngste Artenliste umfasst 21 wuchsen weite Flächen und bildeten zwi- ken auf; da im Sommer jeder Baum Wasser Spanner-, 33 Spinner- und Schwärmer- so- schen den sandigen Anhöhen uhrglasartige verdunstet (transpiriert), beschleunigt sich wie 45 Eulen-Arten, darunter 25 gefährde- Gewölbe mit zusammenhängenden