Programm-Deutsches-Requiem.Pdf
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CAMILLA TILLING SOPRAN MARKUS BUTTER BARITON NDR CHOR WERNER HANS HAGEN EINSTUDIERUNG WDR RUNDFUNKCHOR KÖLN PHILIPP AHMANN EINSTUDIERUNG WDR SINFONIEORCHESTER KÖLN SEMYON BYCHKOV DIRIGENT Abo: Chorklang In unserem Haus hören Sie auf allen Plätzen gleich gut – leider auch Husten, Niesen und Handy- klingeln. Ebenfalls aus Rücksicht auf die Künstler bitten wir Sie, von Bild- und Tonaufnahmen während der Vorstellung abzusehen. Wir danken für Ihr Verständnis! 2,50 E »Denn sie sollen getröstet werden.« (2009) 4I5 JOHANNES BRAHMS (1833 – 1897) Ein Deutsches Requiem für Soli, Chor und Orchester op. 45 (1868) Selig sind, die da Leid tragen Denn alles Fleisch, es ist wie Gras Herr, lehre doch mich Wie lieblich sind deine Wohnungen Ihr habt nun Traurigkeit Denn wir haben hie keine bleibende Statt Selig sind die Toten – Ende ca. 21.20 Uhr – 6I7 PROGRAMM »Die Erlöseten des Herrn werden wiederkommen.« (2009) 8I9 TRADITION, TRAUER, TROST Eindruck gemacht«. Für Brahms war der Tod eben nicht der Anfang eines neuen Lebens, sondern JOHANNES BRAHMS EIN DEUTSCHES REQUIEM FÜR SOLI, CHOR UND ORCHESTER OP. 45 ein Ende, ein ewiger Schlaf nach vollbrachter Erdenarbeit. Seine Hoffnung und Überzeugung war es, nach dem Tod »in Gottes Hand« zu sein und nicht mehr zu leiden. Deshalb gibt es bei ihm auch War Brahms ein verstockter Konservativer, wie seine Gegner behaupteten? Oder ganz im Gegen- kein Flehen um Gnade, keine Furcht vor göttlicher Rache, wie sie das ›Dies irae‹ des katholischen teil, wie Arnold Schönberg in seinem Aufsatz »Brahms the Progressive« schrieb, ein Neuerer, der Requiems bestimmt. Die Toten brauchen unsere Fürbitte also nicht, denn sie sind ja selig. Trost manche Errungenschaft des 20. Jahrhunderts vorbereitete? Sicher ist, dass etwas wahrhaft Neues benötigen dagegen die Lebenden, die leidtragenden Hinterbliebenen – allein sie sind es, an die nach seiner Überzeugung nur entstehen konnte, indem man auf dem Alten aufbaute. Deshalb Brahms sich mit seinem Requiem wendet. Dabei ging der Impuls zur Komposition nach überein- studierte er nicht nur Beethovens Sinfonien, sondern auch die Werke Johann Sebastian Bachs oder stimmender Ansicht der Musikforscher von zwei konkreten Trauerfällen aus: Im Juli 1856 starb Heinrich Schütz’, die er vermutlich besser kannte als jeder andere Komponist seiner Zeit. Als Chor- Brahms’ Freund und Mentor Robert Schumann, im Februar 1865 seine Mutter Christina. Über einen leiter versuchte Brahms, das widerstrebende Publikum mit Alter Musik vertraut zu machen. Und entsprechend langen Zeitraum erstreckt sich die Entstehungsgeschichte des Requiems. Zur Zeit seine eigenen, in ihrer Weise durchaus neuartigen Schöpfungen – darunter auch das Deutsche von Schumanns Tod entstanden wohl bereits erste Pläne zumindest für eine Trauerkantate. Im Requiem – erhielten erst durch die Orientierung am Kontrapunkt der Barockzeit polyphone Tiefe. Juli 1861 – Schumanns fünfter Todestag stand bevor – notierte Brahms die Texte der ersten vier Requiem-Sätze, und im Oktober 1866 (also kurz nach Schumanns zehntem Todestag) war eine Doch bei aller Geschichtsverbundenheit gibt es auch etwas, das Brahms radikal von seinen fünfsätzige Fassung fertig. Eine sechssätzige Version, die Brahms zunächst als endgültig ansah, Vorgängern scheidet: Er war kein Christ im üblichen Sinn. Zwar kam er aus der Tradition des wurde am 10. April 1868 in Bremen uraufgeführt, das siebensätzige Werk in seiner heute be- norddeutschen Protestantismus und las, wie er mehrfach betonte, täglich in der Bibel. Dennoch kannten Gestalt am 18. Februar 1869 im Leipziger Gewandhaus. lehnte er zentrale Glaubenssätze des Christentums (katholischer wie evangelischer Konfession) für sich ab, und das bestimmte auch seine sehr persönlich geprägte Textauswahl im Requiem. Den ersten Satz widmete Brahms seinem zentralen Anliegen, der Seligpreisung der Leid- Auffällig ist, dass im gesamten Werk nirgends ausdrücklich von Christus die Rede ist, von seinem tragenden. Die Musik beginnt mit tiefen Streichern und Hörnern, und auch im weiteren Verlauf blei- Opfertod, der ja nach christlichem Verständnis die Erlösung des Menschen erst ermöglicht. Der ben die Violinen ebenso wie Klarinetten und Trompeten ausgespart, was einen dunklen, warmen Bremer Dom-Musikdirektor Karl Reinthaler machte Brahms deswegen Vorhaltungen, doch dieser Klang ergibt. Brahms hat darauf hingewiesen, dass dem gesamten Requiem die Choralmelodie gestand ihm ganz offen, er habe entsprechende Bibelstellen »mit allem Wissen und Willen« nicht »Wer nur den lieben Gott lässt walten« aus dem 17. Jahrhundert zugrunde liegt. Sie wird zwar an berücksichtigt. »Hingegen habe ich nun wohl manches genommen, weil ich Musiker bin, weil ich keiner Stelle des Werks genau zitiert, doch eine ganze Reihe von Themen und Motiven ist aus ihr es gebrauchte, weil ich meinen ehrwürdigen Dichtern auch ein ›von nun an‹ nicht abdisputieren entwickelt – so zum Beispiel gleich die erste, bogenförmige Melodiephrase der Streicher. Noch oder streichen kann.« Dieses »von nun an« findet sich im Text zum siebten Satz des Requiems: deutlicher erkennt man die Choralmelodie im zweiten Satz, wenn der Chor unisono die Worte »Selig sind die Toten, die in dem Herren sterben, von nun an.« Die drei Worte spielen eben doch »Denn alles Fleisch, es ist wie Gras« singt. Der starre Totentanz-Rhythmus dieser Stelle und ihr auf den Opfertod Christ an, wurden aber von Brahms nicht aus Glaubensüberzeugung, sondern langsamer Dreiertakt erinnern allerdings auch an das Lied »Es ist ein Schnitter, der heißt Tod«. lediglich aus Respekt vor den »ehrwürdigen Dichtern« vertont. Die Bibel, so erfahren wir aus der Nicht ohne Grund, ist doch das Thema hier die Vergänglichkeit alles Irdischen. Briefstelle nebenbei, war für ihn keineswegs göttliche Offenbarung, die er – wie Schütz oder Bach – musikalisch zu verkünden suchte. Sie galt ihm vielmehr als das Werk von Dichtern, als Der zweite Satz repräsentiert die älteste Schicht des Requiems: Er geht zurück auf das Scher- ein Stück Weltliteratur, das ihn inspirierte, das er verehrte – genauso wie die Werke der großen zo einer Sonate für Klavier zu vier Händen, die Brahms bereits im Frühjahr 1854 schrieb – wohl Komponisten der Vergangenheit. als spontanen künstlerischen Reflex auf Schumanns Selbstmordversuch in den Karnevalstagen dieses Jahres. Die Vergänglichkeitsthematik wird auch im dritten Satz fortgeführt, nun allerdings Unter den Textstellen, die Brahms aus musikalischen Gründen auswählte, ist vor allem jene nicht mehr in allgemeinen Bildern, sondern aus dem Blickwinkel eines Individuums (»Herr, lehre aus dem sechsten Satz zu nennen, die von den Posaunen des Jüngsten Gerichts und der Aufer- doch mich«). Deshalb führt Brahms nun den ersten Vokalsolisten, einen Bariton, ein. Sein Wech- stehung der Toten handelt (1. Korinther 15, 51-55). Brahms vertraute 1896 seinem Biografen Max selgesang mit dem Chor mündet am Ende in die tröstenden Worte: »Der Gerechten Seelen sind in Kalbeck an, »dass er weder damals, als er das Requiem schrieb, noch jetzt an die Unsterblichkeit Gottes Hand und keine Qual rühret sie an.« Bezeichnenderweise fand Brahms diese Textstelle, die der Seele glaubte. Die Apostelstelle habe ihm nur als musikalisch verwendbares Symbol tiefen seinem persönlichen Glauben entsprach, nicht in den kanonischen Büchern der Bibel, sondern 10I11 WERKE »Freude, ewige Freude.« (2009) im apokryphen Buch der Weisheit Salomos. Musikalisch gab er der unendlichen Ruhe, auf die er hoffte, in einem 36 Takte langen Orgelpunkt Gestalt. Über dem unveränderlichen Basston D der Pauken, tiefen Streicher und Bläser intonieren die übrigen Instrumente und der Chor eine Fuge in Bach’scher Manier. Das Thema dieser Fuge übernimmt Brahms in die Eingangsmelodie des Chorsoprans im vierten Satz, der mit seinem Lob der »lieblichen Wohnungen« Gottes auch inhaltlich das Vorangegangene fortsetzt. Allerdings erkennt man das musikalische Thema nicht leicht wieder: Aus dem motorischen Vierer- ist ein schwingender Dreiertakt geworden, aus dem massiven Orchesterklang eine sparsame, fast kammermusikalische Instrumentalbegleitung, aus dem gelehrten Kontrapunkt volksliedhafte Einfachheit. Den ebenfalls kammermusikalisch intimen fünften Satz fügte Brahms erst nachträglich in das Werk ein. Solosopran und Chor stellen die Begriffe »Traurigkeit« und »Trost« noch einmal dicht nebeneinander. Der sechste Satz beginnt klanglich verhalten, textbedingt (»Denn wir haben hie keine bleibende Statt«) aber dennoch in marschartigem Rhythmus. Ein Bariton-Solo leitet den dramatischsten Abschnitt des gesamten Requiems ein; Brahms findet darin sinnfällige musikalische Entspre- chungen für Worte wie »Geheimnis«, »entschlafen«, »plötzlich«, »Posaune« oder »verschlungen«. Eine majestätische Doppelfuge preist am Ende Gott als Schöpfer aller Wesen und Dinge. Nach diesem äußerst wirkungsvollen Schluss erscheint der feierliche siebte Satz wie eine Art Coda, wie ein Nachklang. Er bringt wenig Neues, ist aber gleichwohl notwendig, da er zur Thematik und zur Stimmung des Anfangs zurückführt: »Selig sind die Toten« heißt es nun; »Selig sind, die da Leid tragen« lautete der Beginn des Eingangssatzes. Musikalisch spielt Brahms deutlich auf den ersten Satz an, doch auf subtilere Art sind auch die wichtigsten Motive der übrigen Sätze eingewoben. Erst dieses Finale schließt den Kreis des Requiems, den Kreis von Trauer und Trost. AUDIOPHIL UNSER PROGRAMMHEFTAUTOR JÜRGEN OSTMANN EMPFIEHLT Dass die Orientierung an historischer Aufführungspraxis nicht nur barocken Werken, sondern auch Brahms’ »Deutschem Requiem«