Swr2-Musikstunde-20120920.Pdf
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___________________________________________________________________________ 2 MUSIKSTUNDE mit Trüb Donnerstag, 20. 9. 2012 „Hölzerne Worte, magische Bretter: Emanuel Schikaneder zum 200. Todestag“ (4) MUSIK: INDIKATIV, NACH CA. ... SEC AUSBLENDEN Emanuel Schikaneders Werkverzeichnis liest sich wie ein deutscher Zeitschriftenladen: „Der Spiegel von Arkadien“, „Der Stern aus Samarkand“, „Die Zeit der Weisen“ - fehlt eigentlich nur noch „Die Bunte von Bethlehem“. Schikaneder hat mit vielen Komponisten zusammengearbeitet, darunter auch mit sich selbst. Alle sind heute vergessen, außer Mozart natürlich. Mit dem jungen Beethoven plante der Prinzipal „Vestas Feuer“, einmal mehr eine raunend-mystische Zauberoper mit komischen Einlagen; aber was Mozart noch inspirierte, sagte dem knorrig-pragmatischen Beethoven nur Bahnhof: Er fing zwar an zu komponieren, brach dann aber ab; und schlug sich lieber später mit der Menschengeschichte „Eleonore“ beziehungsweise „Fidelio“ herum, ganz ohne magisches Tralala. So wurde, nach Mozarts Tod 1791, dessen Schüler und Assistent Franz Xaver Süßmayr zu Schikaneders Hauskomponisten – da bekam dieser immer noch einen Hauch von Mozart, aber nicht dessen mitunter schwer erträgliches Genie. Süßmayr soll im Hause Mozart wirklich „Männchen für alles“ gewesen sein, außer Kompositionsschüler des Meisters: Er kopierte Stimmen, verwaltete sekretarial die Geschäfte des kränkelnden Mozart, blätterte ihm die Noten um, als er in der „Zauberflöte“ das Hammerclavier schlug, und komponierte auf Bitten von Constanze Mozart das Requiem zu Ende, nachdem der alte Hexenmeister verschieden war. Angeblich soll der 25-jährige Süßmayr Constanze auch als Lustknabe gedient haben, aber das ist mehr als zweifelhaft. Gesichert ist, dass Schikaneder sich den Ersatz-Mozart für sein Bibel-Panorama „Moses oder Der Auszug aus Ägypten“ krallte, und danach für den „Spiegel von Arkadien“, erneut ein Potpourri mit Zaubertränken, Opferritualen, Liebesverwirrungen, ausweglosen Situationen und natürlich Happy- End. Arkadien, das Land, das kein Sterblicher je erreicht, wird natürlich auch hier verfehlt. Es gibt aber noch Süßmayrs Musik in der Fassung für Bläserharmonie – und den Quellen zufolge können wir Schikaneders Texte bequem verschmerzen. MUSIK: SÜSSMAYR, DER SPIEGEL VON ARKADIEN, TRACK 1 (5:16) Der Versuch, nach Mozarts Tod noch Mozartopern zu erschaffen: Emanuel Schikaneder gab seinen Bühnentext „Der Spiegel von Arkadien“ an jemanden, der Mozart in seinen letzten Jahren sehr gut gekannt hatte, der sein Schüler, Sekretär und Assistent gewesen war, der auf Bitten der Witwe Constanze das unvollendete „Requiem“ zuende komponiert hatte, Franz Xaver Süßmayr. Und es 3 hat auch was von Mozart – aber es ist keiner. Die Ouvertüre in Harmoniemusik spielte das Consortium classicum. Emanuel Schikaneder, der geniale Theatermacher, war allerdings nicht unangefochten im Wien auf der Schwelle vom 18. ins 19. Jahrhundert. Da gab es noch einen anderen großen Bühnenzampano, der mit seinen Erfolgen dem Rivalen oft sogar vorgab, was dieser ebenfalls zu bieten hätte: Karl Marinelli, vom Kaiser geadelt zu Karl Edler von Marinelli. Der hatte eine ganz ähnliche Biographie wie Schikaneder: Jesuitenzögling, danach Mitglied einer Wandertruppe, Prinzipal, Schauspieler, Autor, schließlich Theaterdirektor in Wien – nur singen konnte er nicht. Marinellis Theater in der Leopoldstadt war 1781 die erste stehende Volksbühne Wiens, dort wurde die Wiener Lokalposse erfunden, die das Publikum so liebte. Ihr Protagonist war Kasperl, eine buffoneske Figur, die in ihrer Derbheit, aber auch ihrem satirischen Biss über den Harlekin der Commedia dell'Arte weit hinausging. Kasperl tauchte in vielen Masken auf: als Scherenschleifer, Schornsteinfeger, Barbier, Grobschmied – ja, und einmal auch als Vogelfänger. Man erkennt Kasperl noch im „Zauberflöten“- Papageno – Schikaneder war nichts wenn nicht ein gelehriger Schüler. Aber es gibt noch x andere Querverbindungen. Zuerst einmal schafft er sich sein eigenes Kasperl, Anton geheißen, in der Volkskomödie „Der dumme Gärtner aus dem Gebirge oder Die zween Anton“, und er übertrumpft den Rivalen darin, dass Anton singt. Marinelli hat das Privileg des Kaisers, sein Haus kaiserlich- königlich privilegiertes Theater zu nennen, komplett mit dem Doppeladler auf jedem Programmzettel. Diesen Adel zumindest strebt Schikaneder auch an: Er erinnert sich, dass der Kaiser ihm mal Lizenz gab, ein eigenes Theater zu errichten – und gründet seine letzte große Wirkstatt, das Theater auf der Wieden, wo dann auch die „Zauberflöte“ uraufgeführt wird. Was Marinelli macht, macht Schikaneder nach, mal besser, mal weniger gut. Hat der Erfolg mit einer Hamlet-Parodie, parodiert auch Schikaneder diese seine Herzensrolle mit – vermute ich mal – blutendem Herzen. Punktet der Konkurrent in der Leopoldstadt mit Zaubermärchen, liefert sie auch Schikaneder, oft stümperhaft zusammengeschustert, aber voll der ausgeklügeltsten Bühnentricks. Als Marinelli eine besonders üppig-exotische und sensationsgespickte Kostümoper auf die Bretter bringt, „Das Sonnenfest der Brahminen“, kontert Schikaneder mit einem Schnellschuss, den er offenbar schon in der Schublade liegen hatte und den er jetzt, um Zeit zu sparen, im Broadwaystil von fünf Komponisten vertonen lässt, Johann Baptist Henneberg, Benedikt Schack, Franz Xaver Gerl, Schikaneder selber – und Wolfgang Amadeus Mozart, der offenbar ohne Ego-Probleme den Zulieferer spielte. Das Stück heißt „Der Stein der Weisen oder Die Zauberinsel“ und im Untertitel: „Eine Märchenoper aus dem Jahr 1790“. Es ist die Blaupause, die letzte Fingerübung zur „Zauberflöte“, die ein Jahr später entsteht. 4 MUSIK: DIV., DER STEIN DER WEISEN, CD 1, TRACK 1 (4:14) Naja, die Ouvertüre ist hörbar nicht von Mozart ... Aber dennoch: Letzte Station vor der „Zauberflöte“, „Der Stein der Weisen oder Die Zauberinsel“, eine Zauberoper aus dem Jahr 1790, Text von Emanuel Schikaneder, Musik, damit's schnell ging, von Henneberg, Schack, Gerl, Schikaneder – und Mozart; die wackere Ouvertüre eben verfasste Johann Baptist Henneberg, Martin Pearlman dirigierte das Ensemble Boston Baroque. - Schnell musste es gehen, weil Schikaneder seinem größten Wiener Konkurrenten auf den Fersen bleiben wollte, dem Direktor am Theater in der Leopoldstadt, Karl Edler von Marinelli. Der hatte gerade mit der Ausstattungsorgie „Das Sonnenfest der Brahminen“ gepunktet, ergo musste Schikaneder etwas Vergleichbares hinterherschießen – eben den „Stein der Weisen“. Dass der Direktorenkrieg nahe der Wiener Burg Wirkung zeigte, belegt eine Intrige, hinter der vermutlich Marinelli steckte. In der Vorweihnachtszeit 1798 gibt es Alarm in Schikaneders Theater auf der Wieden: Mitten im Stück brüllt ein kleines Kind los, auf der Galerie werden Holzbänke umgeworfen und lautstark aufeinander geschichtet, irgendjemand kreischt, das Theater stürze ein – vor allem aber verbreitet sich ein Ruf, als wär' er die Sache selber: „Feuer! Feuer!“ Schikaneders Haus ist tatsächlich gefährdet, der Geschäftseinbruch vor Weihnachten scheint programmiert. Der Prinzipal annonciert sofort in der Zeitung, sein Theater sei „unter Aufsicht der Obrigkeit (...) ganz neu und fest“ abgesichert worden, das Publikum „wie in Abraham's Schoß“. Nach dem Tumult finden sich übrigens Programmzettel von Marinelli in der obersten Galerie ... Imgrunde trifft sich im „Stein der Weisen“ bereits das ganze Personal der „Zauberflöte“, auf der Bühne und in der Kulisse. Das Paar Königin der Nacht/Sarastro erscheint hier in zwei Götterbrüdern, der eine ein böser Zauberer, der andere ein guter. Sarastro allerdings wird aufgespalten in zwei Figuren: Er ist auch Sadik, der weise Beherrscher „eines arkadischen Landes“. Dessen adoptierter Sohn Nadir liebt dessen leibliche Tochter Nadine, da haben wir Tamino und Pamina. Und das Buffopaar Papageno/Papagena heißt hier Lubano und Lubanara, statt der Vogelfängerei betreibt es Waldschratentum, jedenfalls sehr ähnlich. Im Stab, wie gesagt, ging das weiter: Neben Mozart und Schikaneder selber, der wie später Papageno hier schon den Lubano spielt und singt, ist auch Johann Baptist Henneberg mit von der Partie, als Komponist und Dirigent des „Steins“, später Dirigent der „Zauberflöte“. Benedikt Schack, ebenfalls Komponist des „Steins“ und Darsteller des guten Zauberers Astromonte, gibt in der „Zauberflöte“ den Tamino, sein Kollege Franz Xaver Gerl, der böse Eutifronte im „Stein“, wird in der „Zauberflöte“ Sarastro. Urban Schikaneder, der ältere Bruder, wechselt vom Sadik zum Ersten Priester der „Zauberflöte“ - und so 5 weiter. Auf der Suche nach Mozarts erstem Beitrag zum „Stein der Weisen“ findet sich im zweiten Akt ein reizendes kleines Duett zwischen Lubana und Lubanara, dem Waldmeisterpärchen. Nachdem in einem Dialog der beiden die Geschichte vorangetrieben wurde, verwandelt der böse Eutifronte das Waldmädchen rasch in eine Katze, parallel der „Alten Frau“ in der „Zauberflöte“. Mozart, 1790 natürlich bereits im Zenith seiner Kunst, macht hier mit leichter Hand quasi Operette – fünfzig Jahre, bevor es so etwas überhaupt gab. MUSIK: MOZART, DER STEIN DER WEISEN, CD 2, TRACK 8 (2:06) Mozart, sein erster Beitrag zu Emanuel Schikaneders „Der Stein der Weisen oder Die Zauberinsel“, unmittelbarem Vorläufer der „Zauberflöte“. Das Buffopaar, dort Papageno/Papagena, hieß hier noch Lubano/Lubanara und wurde gesungen von Kevin Deas sowie Jane Giering de Haan, dazu Boston Baroque, die Gesamtleitung hatte Martin Pearlman. Dass wir überhaupt den „Stein der Weisen“ heute noch haben, noch aufführen können, die einzige