Eine Handgeformte Miniaturfigur Mit Sakraler Altencelle, Stadt Celle
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Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte Band Seite Stuttgart 2005 NNU 74 191-194 Konrad Theiss Verlag Eine handgeformte Miniaturfigur mit sakraler Motivik aus Altencelle, Stadt Celle, Ldkr. Celle Von Klaus Breest Mit 2 Abbildungen Zusammenfassung: Die kleine Tonfigur („Beterlein “) aus Altencelle, Stadt Celle, Ldkr. Celle, gehört zur Gruppe der handgeformten Mi niaturfiguren mit sakraler Motivik. Sie treten in der mittelalterlichen materiellen Kultur Norddeutschlands sehr sel ten auf Die Altenceller Miniaturfigur ist das siebente bekannt gewordene Beispiel dieser Art in Norddeutschland und Süddänemark. Funktion und Darstellung der Miniaturfiguren mit sakraler Motivik lassen sich nach bisherigem For schungsstand nicht eindeutig entschlüsseln. Fundgeschichte figur in Erwägung gezogen werden. Betrachtet man die Gegend Altencelle großräumiger, ergibt sich als Fundge Seit 1994 prospektiert W. Krebs, Celle, im Stadtteil Al biet der Tonfigur der Raum zwischen den frühgeschicht tencelle-Burg Ackerflächen nach steinzeitlichen Sied lichen Burganlagen „Burg“ und „Altencelle“ (vgl. lungsspuren. Die Ackerflächen breiten sich am rechten Busch 1990, 23 Abb. 16). Der Fundort der Tonfigur von Talrand der Fuhse, einem Nebenfluss der Aller, aus. W. Altencelle wäre wahrscheinlich am ehesten nahe nörd Krebs konnte mehrere Fundverdichtungen feststellen lich der Ringwallanlage von Burg zu vermuten. (Krebs 2002). Es handelt sich vorwiegend um mittel- und jungsteinzeitliche Spuren. Bei seinen Begehungen fand er neben neuzeitlichen Porzellanfigürchen, alten Die Miniaturfigur Löffeln, Münzen, Murmeln etc. auch eine fragmentari sche Tonfigur, deren kulturgeschichtliche Bedeutung Die handgeformte Tonfigur (Abb. 7) ist nicht vollständig nicht gleich erkannt wurde. W. Krebs übergab die Figur erhalten. Ihr Standfuß muss bereits zur Zeit ihres Ge dem Verfasser zur weiteren Bearbeitung. brauchs abgebrochen gewesen sein. Dafür sprechen röt lichbraune Sedimentreste, die sich an den alten Bruch Ihr genauer Fundort und der Zeitpunkt ihres Auffindens stellen abgelagert und verfestigt hatten. Zusätzlich waren leider nicht vermerkt worden und ließen sich auch entstanden im Bereich der alten Bruchstellen und an her nicht mehr in Erinnerung rufen. Daher kommen ein grö vorstehenden Stellen der Figur wie z.B. den Ohrrändern, ßeres Areal als Fundort und die Jahre von 1994-1998 als an einem der Ellenbogen oder im Bereich der Nase etc. Fundzeitraum für die Tonfigur in Frage. Der Fundort ist rezente Beschädigungen wie Abschürfungen, die sicher im Bereich der Fundstellen Altencelle FStNr. 54 und 65- lich auf mechanische Bewegungen im Boden wie bei 70, Stadt Celle, zu suchen und erhielt wegen der Unsi spielsweise beim Pflügen zurückzuführen sind. An den cherheit die Bezeichnung FStNr. oF 1. Es kann sich ein Handspitzen sind alte Beschädigungen festzustellen. erseits um ein größeres Fundareal südlich des Weges „Breite Wiese“, das sich dann in südöstlicher Richtung Die Länge der ursprünglich aufrecht stehenden Figur be zum „Föscherberg“ am Westrand der Siedlung Burg hin trägt noch etwa 5 cm. Wahrscheinlich war sie als voll zieht, mit den Fundstellen Altencelle FStNr. 67-70, Stadt ständige Figur um 5,5 cm lang gewesen. Der Standfuß Celle, handeln. Andererseits muss aber auch das sich betrug mehr als 1,8 cm Breite im Durchmesser. Die brei nahe der Fuhse ausbreitende Gelände „Hinter dem Ha teste Stelle des Körpers misst maximal 2,1 cm im Be berwinkel“ (Altencelle FStNr. 66, Stadt Celle) bzw. reich der Ellenbogen. Das Figürchen besteht aus weiß müssen die südlicher liegenden Ackerfluren beiderseits gelblicher Keramik, für die ein fein geschlämmter Ton des Weges „Eiklint“ in Richtung zum Fuhsetal (Alten verwendet worden war. Nach neueren Untersuchungen celle FStNr. 54 u. 65, Stadt Celle) als Fundort der Ton der Keramik aus der mittelalterlichen Bergbau- und Hüt- 191 Abb. 1 Altencelle, Stadt Celle, Ldkr. Celle, FStNr. oF 1. Handgeformte Miniaturfigur mit sakraler Motivik M. 1:1. tensiedlung am Johanneser Kurhaus bei Clausthal-Zel von einem unregelmäßig geformten Wulst umgeben lerfeld (Alper, Römer-Strehl, Schuster 2000, 182 wird, als gingen Lippen und Kinn ineinander über. Mit Abb. 8) könnte die Beschreibung der Keramik der welchem Arbeitsmittel dieser Einstich ausgeführt „ Gruppe 1 “ auch auf die Keramik des Altenceller Figür wurde, lässt sich nicht genau ermitteln, vielleicht mit chens zutreffen. Vom Johanneser Kurhaus gehört z.B. einem Holzstäbchen. die Spielzeugfigur (Mönch) zu „der glasierten gelben Irdenware (Gruppe 1)“. Augen und Hinterkopf sind Blickt man auf das Gesicht, wirken die Augen-/Ohren- durch Kreisstempel gekennzeichnet, ähnlich wie die partien lappenartig, wobei die linke Augen-/Ohrpartie Augen des Altenceller Exemplars. Im heute überliefer durch Beschädigungen kürzer überliefert ist. Auch hier ten Erhaltungszustand kann die Färbung der Oberfläche verschmelzen Körperteile bzw. -merkmale ohne deutli der gesamten Altenceller Figur als hellgelblich beschrie che Abgrenzungen miteinander. Die Nase tritt extrem ben werden, die in vielen begrenzten Bereichen in röt breit und lang hervor, wobei eine Oberlippe nicht zu er lichbraun gefärbte Zonen übergeht. Eine intensivere röt kennen ist. Nasenbein und Stirn gehen ineinander über lichbraune Färbung wird besonders im Nasenbereich, und laufen, sich kegelförmig verjüngend zum Hinter am sich kegelförmig verjüngend auslaufenden Hinter kopf hin aus, so dass der Eindruck entsteht, der Kopf sei kopf, an Händen, Schultern, linkem Rücken und zum mit einer Kapuze bedeckt. Der mächtige Hals und obere Standfuß hin angetroffen. Die Figur erweckt den Ein Rücken sind in fließender Form angedeutet, die im druck, als wäre sie durch häufigen Gebrauch „abgegrif Standfuß ausläuft. In Schulternhöhe treten die Arme fen“ worden, so dass der Körper stellenweise etwas hervor, als hinge eine Kutte oder ein ähnliches Gewand glänzt. über den Schultern, das die schon erwähnte fließende Gestaltung des Körpers erklären würde. Die Arme sind Die Oberflächenstrukturen am gesamten Körper weisen enganliegend am Körper dargestellt, leicht erhoben bis vielfältige Spuren auf, die nur beim Kneten der Tonmas kurz unterhalb des Halses, wo dann die Hände in beten se mit den Händen entstehen können. Es werden jedoch der Haltung erscheinen und unterhalb des Kinns ihren z.B. im Nasenbereich ein Hölzchen oder vielleicht auch Abschluss finden. Eine Andeutung der Finger wie z.B. der scharfe Rand eines abgeschnittenen Strohhalmes bei der Figur von Köterende, Ldkr. Wesermarsch lässt beim Modellieren der Nase eingesetzt worden sein, zu sich aufgrund von Beschädigungen nicht feststellen. erkennen an schrammenartigen Strukturen. Aufgrund scharfer Ränder an den Augen zur Nase hin dürften die Die Wirkung der Figur auf uns heutige Menschen könn etwa kreisförmigen Augen erst nach dem Modellieren te als grotesk beschrieben werden. Die Figur besitzt eine der Nase eingestempelt worden sein. Zu den Ohrrändern Ausstrahlung, die unheimliche oder befremdende Ge hin wirken die Stempeleindrücke leicht verwischt, als fühle auslösen könnte. Sicherlich liegt das an der grob wäre hier nach dem Einstempeln der Augen an den ausgeführten Gesichtspartie mit dem breiten übergroßen Ohren weiter geknetet worden. Inmitten der kreisförmi schiefen Mund, der weit hervortretenden überproportio gen Augen befinden sich jeweils zwei rundliche Einsti nal großen Nase, den merkwürdigen kreisförmigen che, die die Iris darstellen. Den Mund kennzeichnet ein Augen und dem kapuzenartig gestalteten Hinterkopf. breiter schräg verlaufender Einstich in die Tonmasse, der 192 Vergleichsfunde Übereinstimmung wird zu Datierungsfragen erreicht. Ein Zitat aus Both (1997, 278-279) beleuchtet die Pro Die Miniaturfigur aus Altencelle gehört zur Gruppe blematik der Deutung dieser Figürchen: „Schwierigkei kleiner Keramikfiguren aus dem späten Mittelalter des ten bereitet nach wie vor die funktionale Ansprache der 13./14. Jahrhunderts. Unter diesen Objekten fällt eine Figuren mit sakralem Charakter. Die Deutung reicht von kleine Sondergruppe handgeformter (z. T. bleiglasierter) Votiv- oder Weihegaben bis hin zu einer Verwendung bei Miniaturfiguren mit sakraler Motivik in Norddeutsch der Nachgestaltung biblischer Szenen (Schulz 1995. land auf, die nach derzeitigem Forschungsstand mit nur 126).“ ... „So sollte im Falle der mittelalterlichen wenigen Exemplaren vorliegt (vgl. Both 1997; Hesse, Mönchsfigiirchen der Gliederung des Spielzeuges von Rolke 2003; Alper 2003). Von sechs bisher bekannten Hoffmann (1996, 133) gefolgt werden, die Tonfigürchen Figuren lässt sich die sogenannte Mönchsfigur, die auch mit sakralem Charakter wertneutral als Spielzeug für als „Beterlein“ bezeichnet wird, von Köterende, Ldkr. Fiktionsspiele einordnet. „Hier werden Handlungen und Wesermarsch (Both 1997, 277 Abb. 1) am besten mit Verhaltensweisen anderer nachgeahmt...Fiktionsspiele der Altenceller Figur vergleichen. Zu anderen handge sind jedoch nicht nur „Kinderspiele“. Theaterauffüh formten bleiglasierten Miniaturfiguren in betender Kör rungen, Passionsspiele und ähnliches gehören auch in perhaltung können ebenfalls Ähnlichkeiten in der Größe diesen Bereich und zeigen, dass auch Erwachsene Fik und teilweise in der Gestaltung festgestellt werden, be tionsspiele machen. Den größten Teil der Spielzeuge bil sonders: Bassum, Ldkr. Diepholz nach Hücker 1995, den solche Fiktionsspiele. “ 108 Abb. 60; Marienwerder, Ldkr. Uckermark nach Schulz 1995, Nr. 1101. Publikationen über diese Fund Nach Hesse/Rolke