725 Jahre Holzhausen Schlaglichter Aus Der Geschichte Eines Ederdorfes*
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725 Jahre Holzhausen Schlaglichter aus der Geschichte eines Ederdorfes* Von Andreas Metzing „725 Jahre Holzhausen - Schlaglichter aus der Geschichte eines Ederdorfes“, so habe ich meinen Vortrag genannt, und mehr als Schlaglichter können es eigentlich auch nicht sein, wenn man die Darstellung einer 725-jährigen Geschichte in einen Vortrag von 45 Minuten packen will. Aber ich hoffe, dass es mir trotzdem gelingt, Sie ein wenig vertraut zu machen mit dem, was sich vor 725 Jahren, also im ausgehen- den 13. Jahrhundert, hier in unserer Gegend abgespielt hat, und Ihnen zugleich na- hezubringen, wie die Menschen, die in diesen 725 Jahren das Dorf Holzhausen be- wohnten, gelebt, gelitten, gearbeitet, aber auch gefühlt haben. Begeben wir uns dazu also zunächst einmal in das Jahr 1274, in das Jahr also, in dem das Dorf Holzhausen erstmals urkundlich erwähnt wurde, und da müssen wir gleich eine sehr wichtige Beobachtung machen, bei der insbesondere die hier an- wesenden Damen aufmerksam werden sollten: Denn am Anfang der Geschichte von Holzhausen steht eine Frau! Genaugenommen handelt es sich sogar um eine adeli- ge Dame mit dem wohlklingenden Namen Berta von Schweinsberg - geboren aller- dings als Gräfin von Hatzfeld -, und diese Berta von Schweinsberg geborene von Hatzfeld schenkte - wie wir in der Urkunde erfahren zur Förderung ihres Seelenheils – am 2. Februar des Jahres 1274 ihre Güter in Holzhausen dem Kloster Haina, und mit der aus diesem Anlass ausgestellten Urkunde tritt Holzhausen ins Licht der Ge- schichte.1 Aus dieser Vorgängen des Jahres 1274 ergeben sich für Sie, meine Damen und Herren im Jahr 1999, möglicherweise ein paar Fragen, von denen ich hier wenigs- tens einige zu beantworten versuchen möchte. Erste Frage: Was haben eigentlich ein paar Äcker und Wiesen in einem Bauerndorf an der Eder mit dem Seelenheil ei- 1 * Leicht überarbeitete Fassung eines am 2. Oktober 1999 in Holzhausen anlässlich der Festveranstal- tung zum 725jährigen Dorfjubiläum gehaltenen Vortrages. Bei der Erarbeitung des Manuskripts wurde neben der Sekundärliteratur nur archivisches Material aus dem Staatsarchiv Marburg und dieses auch nur auszugs- weise herangezogen. Eine gründliche Erforschung der Ortsgeschichte Holzhausens unter Zugrundelegung der archivischen Überlieferung des Stadtarchivs Hatzfeld, der Staatsarchive Marburg und Darmstadt sowie des Hauptstaatsarchivs Wiesbaden steht weiterhin aus. Kloster Haina. Regesten und Urkunden, Erster Band: 1144-1300, bearb. von Eckhart G. Franz, Mar- burg 1962 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen und Waldeck 9,5), S. 303, Nr. 601. 1 ner Berta von Schweinsberg zu tun? Nun, das muss man sich so vorstellen, dass das Kloster Haina für die Übertragung dieser Ländereien durch Berta durchaus eine Gegenleistung zu erbringen hatte, zwar nicht in Heller und Pfennig, aber in einer für die mittelalterlichen Menschen mindestens ebenso wichtigen Art und Weise, nämlich in Gebeten, also dadurch, dass die Mönche von Haina in schöner Regelmäßigkeit für unsere Berta von Schweinsberg beteten - und genau dadurch, wie es in der Ur- kunde heißt, für ihr Seelenheil sorgten. Dann stellt sich noch eine andere Frage: Wir feiern ja heute 725 Jahre Holzhausen, aber von einer Gründung des Dorfes im Jahr 1274 steht in diese Urkunde gar nichts drin. Wie alt also ist Holzhausen tatsächlich? Holzhausen wird in dieser Urkunde von 1274 so selbstverständlich erwähnt, dass es in der Tat zu diesem Zeitpunkt schon eine Weile bestanden haben muss, aber die eigentlichen Ursprünge des Or- tes liegen leider im Dunkeln und werden es – mangels schriftlicher Zeugnisse – wohl auch bleiben. Wie alt der Ort nun tatsächlich ist, entzieht sich unserer Kenntnis, weil es aus dieser früheren Zeit keine schriftlichen Zeugnisse gibt, die die Existenz des Dorfes belegen würden. Aber die Schriftlichkeit ist nicht alles, und so muss man sich eben auf ein paar andere Anhaltspunkte konzentrieren, wenn man etwas über die Ursprünge von Holzhausen aus der Zeit vor 1274 erfahren will. Da ist vor allem der Ortsname wichtig. Die Bedeutung bedarf an sich keiner näheren Erklärung – eine Siedlung, die sich am Wald befindet –, aber interessant ist nun, dass der Ortsname durchaus auch gewisse Anhaltspunkte über die Gründungszeit dieser Siedlung geben kann. Die Ortsnamenforschung, das ist ein eigener histori- scher Forschungszweig, hat nämlich herausgefunden, dass die Orte, die mit - hausen enden, im Allgemeinen dem Zeitraum des 9. bis 12. Jahrhundert zuzuord- nen sind.2 Und dann gibt es noch Spezialuntersuchungen für den hiesigen Raum, die ergeben haben, dass im Hinterland, zu dem unser Raum historisch zu zählen ist, die -hausen-Orte in der Anfangsphase dieses Zeitraums, also im 9. und frühen 10. Jahrhundert entstehen.3 Wir haben also gute Gründe für die Annahme, dass das Dorf Holzhausen zum Zeitpunkt seiner ersten urkundlichen Erwähnung im Jahr 1274 bereits etwa 350 bis 400 Jahre alt war. Was sich allerdings in diesen dreieinhalb bis 2 Ulrich Lennarz, Die Territorialgeschichte des hessischen Hinterlandes, Marburg 1973 (Untersuchun- gen und Materialien zur Verfassungs- und Landesgeschichte 1), S. 16. 3 Ludwig Lotzenius, Geschichte der hessischen Ämter Battenberg und Wetter. Teildruck: Die Frühzeit (bis 1300), Marburg 1931, S. 16. 2 vier Jahrhunderten vor 1274 in Holzhausen ereignet hat, davon wissen wir über- haupt nichts – es gibt ja keine schriftlichen Quellen. Wir wissen nur aus der allge- meinen Geschichte, dass dieser Raum schon immer zwischen rivalisierenden Mäch- ten sehr umstritten war. Das galt insbesondere für die Zeit um 1274. Den Inhalt der Ersterwähnungsurkunde ha- be ich Ihnen bereits kurz skizziert, und nun sollten wir noch einen Blick auf die damali- gen politischen Rahmenbedingungen in unserer Region werfen. Diese Zeit, das ausgehende 13. Jahr- hundert, war eine sehr bewegte Zeit. Einen einheitlichen deutschen Staat wie wir ihn heute kennen gab es noch nicht, sondern eine Vielzahl einzelner Territorien prägte die Landkarte. Zwar war es in den dreieinhalb Jahrhunderten zuvor einzelnen mächtigen Dynastien wie den Ot- tonen, den Saliern und zuletzt den Staufern durchaus gelungen, eine starke Königs- und Kaisermacht zu begründen und die partikularistischen Machtansprüche der einzelnen Territorialherren zu begrenzen, aber die Staufer waren im Jahr 1254, also genau zwan- zig Jahre vor der Ersterwähnung Holzhausens, ausgestorben, und nun bestand keine starke Königsmacht mehr in Deutschland. Die einzelnen Territorialherren nutzten diese politische Situation natürlich zur Erweiterung ihrer eigenen Machtbasis aus, und dass es dabei häufig zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Territorialherren kam, die sich um das gleiche Gebiet stritten, liegt auf der Hand. Dieser Prozess, den ich Ihnen hier nur ganz grob skizzieren kann, prägte das gesamte Spätmittelalter, also die Zeit bis etwa zur Reformation im beginnenden 16. Jahrhundert, und man muss sich die- se Rahmenbedingungen immer vor Augen halten, wenn man die Geschichte unserer Gegend zur Zeit der Ersterwähnung Holzhausens verstehen will. Die beiden wichtigsten Territorialherren, die im hiesigen Raum um die politische Macht rangen, waren der Landgraf von Hessen und der Erzbischof von Mainz,4 und Objekt ih- rer Begierde war unter anderem auch das obere Edertal. Hier regierten verschiedene kleinere Adelsfamilien, wie die Grafen von Hatzfeld oder die Grafen von Battenberg, die aber rasch in den Sog der beiden großen Mächte kamen. Holzhausen lag auf dem Ge- 4 Karl E. Demandt, Geschichte des Landes Hessen, Kassel 21980 (Revidierter Nachdruck der zweiten, neubearbeiteten und erweiterten Auflage 1972), S. 322-323; Lennarz, Hessisches Hinterland, S. 116. 3 biet der Battenberger, einer Nebenlinie der Wittgensteiner5. Bereits Jahrzehnte vor der Ersterwähnung Holzhausens hatten die Grafen von Battenberg die Mainzer Lehensho- heit anerkennen müssen,6 und so gehörte Holzhausen zum Zeitpunkt seiner Ersterwäh- nung im Jahr 1274 in den Mainzer Einflussbereich. Aber auch die großen Rivalen der Mainzer Erzbischöfe, die Landgrafen von Hessen, hatten ihren Blick ins obere Edertal gerichtet,7 und für Holzhausen sollte das ernsthafte Konsequenzen haben, wie wir gleich noch sehen werden. Über das Dorf selbst geben uns die Quellen der nächsten zwei- hundert Jahre jedoch nur wenig Auskunft. Eine Urkunde vom 5. März 1294, die man zu- nächst auf Holzhausen bei Battenberg bezog,8 betrifft nicht das Ederdorf, sondern einen wüst gewordenen Ort bei Wildungen.9 So wird unser Dorf während des Mittelalters ledig- lich noch in einer Urkunde vom 31. März 1297 erwähnt, als Einwohner des Dorfes Holz- hausen dem Kloster Haina eine Kornrente verkaufen10. Die Tatsache, dass hier Dorfbe- wohner als vertragschließende Partei erscheinen, deutet darauf hin, dass die Holzhäu- ser des späten 13. Jahrhunderts keine Leibeigene, sondern freie Leute waren.11 Im 14. und 15. Jahrhundert dann schweigen die Quellen, denn das Dorf wurde in dieser Zeit von seinen Bewohnern verlassen, es wurde zu einer Wüstung, und wo keine Men- schen leben, da können natürlich auch keine schriftlichen Zeugnisse entstehen. Bei der Beantwortung der Fragen, die sich im Zusammenhang mit dieser Zeit als Wüstung stel- len, sind wir also wieder einmal auf Vermutungen angewiesen, und die drei Fragen, de- nen es nachzuspüren gilt, sind folgende: Warum wurde Holzhausen zur Wüstung? Wie lange Zeit lag es wüst? Welches waren die Gründe für seinen Wiederaufbau? Zunächst zur ersten Frage, die Gründe für das wüst werden. Mangels Quellen sind, wie gesagt, nur Spekulationen