Vortrag 800 Jahre Helbra 1955 Von Dr.Erich Neuß
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800 Jahre Helbra Festvortrag von Dr. Erich Neuß, gehalten auf der Tagung der Mansfelder Heimatforscher anläßlich der 8oo-Jahr-Feier Helbra 1955 Die 8oo-Jahr-Feier der Gemeinde Helbra ist nicht das erste Jubelfest dieser Art, das nach dem Jahre 1945 in unserer mansfeldischen Heimat gefeiert wird. Die Spangenberg-Feier im vergangenen Jahre in Mansfeld, die 8oo-Jahr-Feier des in jeder historischen Blickrichtung so hochinteressanten und für die Kenntnis ältester Zustände so hochwichtigen Dorfes Heiligenthal im Jahre 1950, endlich die 750-Jahr- Feier des Mansfelder Bergbaues im gleichen Jahre sind all denen, die, daran teilnahmen, gewiß in lebendiger Erinnerung. Es häufen sich überhaupt in diesem unseren 20. Jhdt. solche Ereignisse — Tausendjahrfeiern liegen hinter uns — ich denke an Röblingen, andere werden folgen. Helbra nun hat sich für diese Festtage gerüstet, die zugleich im Tag des Bergmanns, dem heutigen Tage, ihren Höhepunkt gefunden haben, und welche Gemeinde im Mansfelder Lande hätte wohl begründeteren Anlaß, beide Bekundungen — nämlich die der Heimatliche und die der Berufsehre —: freudiger zu feiern als Helbra, die größte Berg- und Hüttenmannssiedlung in Mansfeld. Helbra, das hinsichtlich seiner großen berggeschichtlichen Vergangenheit und hinsichtlich seiner Einwohnerzahl als „Bergstadt" zu bezeichnen wäre? Ganz in dem Sinne, wie die Bergstädte des Harzes und des Erzgebirges, diesen Beinamen führen. Es gibt natürlich immer einige Verdrossene, einige Abseitsstehende, die da sagen, was es schon für einen Sinn habe, irgend ein mehr oder weniger urkundlich belegtes, d. h. aber ein. zufälliges Datum zum Anlaß einer Jubelfeier zu nehmen, der allenfalls durch einen erhöhten Umsatz an Genußmitteln und Vergnügungsgegenständen einige Bedeutung zukomme. Wir dürfen diese Besserwisser getrost übersehen und uns an das halten, was ein solches Fest wirklich bedeutet und — vor allem — was es auslöst.: dankbares Erinnern an das, was die Vorfahren leisteten und litten, dankbares Erkennen dessen, was der Blick auf die vielhundertjährige bewegte Vergangenheit der Stätte gemeinschaftlichen menschlichen Lebens uns lehrt, dankbare Würdigung der Leistungen der Gegenwart und schließlich hoffnungsvolles Streben, in der Zukunft dem Gemeinwesen noch besser zu dienen, es noch mehr in all seinen materiellen und ideellen Werten zu schätzen als bisher. Es auch zu erkennen als einen Teil des größeren Ganzen, ohne den das einzelne Gemeinwesen nur eine namenlose, unbekannte Anhäufung von menschlichen Individuen wäre. Selbstverständlich ist Helbra, darauf deutet schon sein nicht ohne weiteres erklärbarer Name hin und das wissen wir auch aus den zahlreichen Kulturzeugnissen, die in seiner Flur gefunden wurden, weit, weit älter als 800 Jahre. Wir könnten ebensogut sagen: es ist 1000, 2000, 4000 Jahre alt und würden damit Recht behalten. Denn die Menschen, die vor solchen Zeitabschnitten vor uns lebten, waren auch nicht auf den Kopf gefallen und erkannten mit einem Spürsinn, der jedem modernen Raum- und. Siedlungsplaner alle Ehre machen würde, wo die Voraussetzungen für eine dauernde Niederlassung gegeben waren. Aber wir Menschen haben nun einmal eine Liebe für die runde Zahl, ja, wir haben uns noch nicht losmachen können und werden uns wohl auch nie losmachen vom geheimen Zauber der Zahl im allgemeinen, bestimmter und runder Zahlen im besonderen. Eine tausendjährige Stadt, ein achthundertjähriges Dorf, die fünfhundertste Wiederkehr eines weltbewegenden Ereignisses, der 100. Todestag eines um die Menschheit und Nation verdienten Menschen, das 50 jährige Dienstjubiläum eines schaffenden Menschen, 25 Jahre in Freud und Leid gemeinsam durchlebte Ehejahre, usw. — all das sind doch Dinge im Ablauf von Zeiträumen , die zu einem Atemholen, zu einem Rückblick, zur Selbstbesinnung geradezu rufen. Und begierig ergreifen wir Menschen solche Gelegenheiten, die nun durch ein scheinbar zufälliges Datum fixiert und präzisiert werden. Und so hat Helbra alle guten Gründe für sich, den Tag festlich zu begehen, da es vor nunmehr 800 Jahren in das urkundlich erhellte Licht der Geschichte trat, freilich in einer für die eigentliche Geschichte Helbras wenig bedeutenden Angelegenheit: ein Ministeriale Walpertus von Halbere und seine Brüder treten als Zeugen in einer Urkunde Erzbischof Wichmanns von Magdeburg für das St. Johannis-Kloster in Halberstadt auf, am 19. Juni 1155 zu Seeburg ausgestellt. Immerhin erfahren wir hieraus, daß es damals bereits ein in Helbra ansässiges und nach diesem Ort sich nennendes niederes Dienstadelsgeschlecht gab, nicht das einzige übrigens; neben denen v. Helbra gab es später noch die Vogte, die Buttelos oder Buttlers und die v. Benndorf. Die v. Helbra scheinen im 14. Jhdt. bereits ausgestorben zu sein. Allein wir haben für das weit höhere Alter Helbras gewichtige Zeugen und gewichtigere Zeugnisse. Gerade diese sind es, die unseren Ort vor andern des Landes weit herausheben und ihn in die vorderste Reihe derjenigen rücken, die schon lange bestanden haben mögen, ehe die Thüringer ihre leben- Dörfer, die Angeln ihre stedt- Dörfer, die Franken ihre hausen-Dörfcr, die Schwaben ihre ingen-Dörfer und die Slawen ihre itz-Siedlungen benamsten bzw. gründeten. Von denjenigen Ortschaften, die schlechthin auf -dorf endigen, ganz zu schweigen. Zu diesen Ur-Großsiedlungen, wie ich sie bezeichnen möchte, zählen im Mansfelder Land mindestens drei, nämlich, Oerner als das Dorf der Ackerbauer und Fruchternter, Helfta als der Ort der vornehmsten Gerichtsstätte des Landes und Helbra als das Dorf der ... Ja, hier stocken wir; denn hier stehen wir vor einem Rätsel, das bis zum heutigen Tage voll befriedigend nicht gelöst wurde. Helbra ist die frühest vorkommende Form, und die Frage ist, ob das „b" zum Stamme oder zur Endung des Wortes gehört. Aber so wenig, wie in Helfta oder in Oerner etwas auf die topographischen Gegebenheiten Bezügliches steht, so sehr müssen wir die Meinung ablehnen, der Ortsname Helbra sei nach einem Bächnamen Helbe gebildet. Denn wo sollte diese Helbe geflossen, wo ihr Name geblieben sein? Überraschend bleiben die gemeinsamen drei ersten Buchstaben h, e und l von, Helfta und Helbra, überraschend, daß diese beiden Orte, die aus ihren Fluren die erstaunlichste Fülle von Vorzeitfunden hergegeben haben, wie übrigens auch Oerner, nebst dem zu Helfla gehörigen Neckendorf einst das gräflich-mansfeldische Unteramt Eisleben gebildet haben. Sollten sich in dieser Tatsache weit ältere Beziehungen zwischen Helfta und Helbra dokumentieren? Ich kann mich mit Größlers Erklärung von Helbra als Ort „zum Gehege des Hei", oder „zum Hellenwalde" nicht ohne weiteres einverstanden erklären,, obwohl der Name Helbra sicherlich ein mythologisches Element enthält, das auf — ich will einmal sagen — einen besonderen Ruf, vielleicht auf; eine besondere Heiligkeit der Stätte hinweist. Weiter spricht für das hohe Siedlungsalter unseres Ortes der Umstand, daß er — nun wieder wie Groß Oerner — eine Stephans- Kirche hat. St. Stephan war der Heilige des um 840 gegründeten Bistums Halberstadt, und in diesem Jahrhundert der ersten, nachhaltigeren Christianisierung und Missionierung kann es sehr wohl möglich sein, ja es ist wahrscheinlich, daß Helbras Stephanuskirche eine von den 35 Volkskirchen ist, die Bischof Hildegrim von Halberstadt (804—827) und seine nächsten Nachfolger erbauten und meist dem Hl. Stephan weihten. Welch ein Ausblick in älteste Zeiten und auf das Alter Helbras! Aber handgreifliche Beweise erlauben uns noch tiefer in die Vergangenheit zu dringen. Zu diesem Zweck müssen wir uns einmal eine Vorstellung von der damaligen Beschaffenheit der Helbraischen Flur zu machen versuchen. Ein Blick auf die Karte zeigt uns, daß der Bereich der durch ihren Namen auf Waldrodung hindeutenden Ortschaften mit den „rode"- Dörfern Siebigerode und Ziegelrode am weitesten nach Osten vorstößt und bei Helbra auf noch heute lebendige Flurnamen trifft, die das Hinreichen der Waldbedeckung bis in die Helbraer Flur bekunden. Es sind dies die Namen Hirschwinkel. und Pfarrholz. Unter diesem Gesichtspunkt gewinnt Größlers vorsichtige Deutung des Namens Helbra als Ort zum Hei-, oder Höllenwalde einiges Gewicht. So daß unser Helbra längst bestand, als noch dichter Wald.— Eichen und Buchen zumeist — den Hirschwinkel bedeckte. Ein Ausläufer des Harz-Urwaldes, dessen einstige Ausbreitung wir — wie gesagt — an der Verteilung der auf „rode" endigenden Ortsnamen genau verfolgen können. Noch 1256 ist von einem großen Wald zwischen Helbra und Klostermansfeld die Rede. Der mittelalterliche Bergbau auf Kupferschiefer und die Verhüttung des Erzes mittels Holzkohlen haben mit diesem Walde gründlich aufgeräumt, vielleicht sogar schon die früh- und vorgeschichtliche Verhüttung des Kupferschiefers, wie das ja neuerdings mit aller wissenschaftlichen Zuverlässigkeit nachgewiesen wurde. Und daneben tritt als Holzverzehrer nun der berühmteste Helbraer Vorzeitfund, das ist die Aufdeckung eines Eisenerz-Rennfeuerofens 1911 im Weißen Tal, also hart südöstlich des Bahnüberganges bei Kloster- Mansfeld auf einem der ehemals Spielbergischen Pläne. Solche Rennfeuerstätten hat man nicht selten gefunden. Nämlich dort, wo sich im sumpfigen Gelände das sogenannte Sumpf- oder Raseneisenerz vorfindet und wo Wald vorhanden ist, der die Holzkohle lieferte. Wie oft ist in der deutschen Sage und im deutschen Märchen von den geheimnisvollen Waldschmieden die Rede, die doch in der Nähe keine Abnehmer für ihre Erzeugnisse haben, wohl aber die Rohstoffe, nämlich das Erz des Waldes und das Holz des Waldes! Solche Rennfeuerstättem — der