QUERFELDEIN DAS AKTUELLE INTERVIEW

kische Schreibweise: Txikon) sagte bei eurer Ankunft in Madrid, es sei dir plötzlich sehr schlecht gegangen und er habe dich teilweise tragen müssen. Pasaban: Ich war an dem Moment an- : gelangt, in dem der Körper bereits sagt: Es ist vorbei. Ich habe Alex gebe- ten, mich einfach zurückzulassen. Ich FOTOS: NAIRZ „Die Mutterschaft wird mein 15. Achttausender“ wollte nur noch schlafen. Aber Alex Die spanische Extrembergsteigerin Edurne Pasaban hat mit dem Kangchendzönga und Ferran Latorre, der Kameramann von „Al fi lo de lo imposible“ (dem ihren zwölften Achttausender erreicht und beim Abstieg beinahe ihr Leben verloren. Fernsehprogramm, das Edurne spon- Ein Gespräch über den Kantsch, den vermeintlichen Wettkampf und ihre Zukunftspläne. sert und sie auf allen Besteigungen be- gleitet), haben dafür gesorgt, dass ich weiter gekämpft habe. Ich bin Alex FOTOS: FERRAN LATORRE LAND DER BERGE: Du bist nach deinem sehen und endlich ausruhen zu kön- bist du letztlich doch auf den Gipfel gegan- unendlich dankbar. Er hat sogar seinen Edurne Pasaban hat sich den höchsten Bergen der Welt verschrieben. Zwei 8000er fehlen noch. Gipfelsieg am Kangchendzönga und enor- nen. Es ist überwältigend, mit wie viel gen? Rucksack zurückgelassen, um mir men Schwierigkeiten beim Abstieg nun Herzlichkeit und Wärme ich hier Pasaban: Ich hatte mir in der Tat nach helfen zu können, und die ganze siv geworden, weil ich mir nicht sicher ist klar für mich: Die Mutterschaft, wieder zurück in Spanien. Wie fühlst du empfangen werde. Von allen Seiten den Erfahrungen am geschworen, Nacht mit mir in Camp drei ausge- war, ob mir das Bergsteigen so viele das wird mein 15. Achttausender. dich? wird mir Mut zugesprochen. Ich bin in schwierigen Situationen und bei harrt, obwohl er sich dadurch selbst in Opfer wert ist. Jetzt bin ich mir sicher: Edurne Pasaban: Ich bin unglaublich so vielen Menschen Dank schuldig: schlechtem Wetter immer umzukeh- Gefahr brachte. Sobald ich wieder auf den Beinen bin, LDB: Du bekommst von deinen Landsleuten glücklich, wieder hier zu sein. Ich meinem Expeditionsteam, dem Film- ren, und habe das im vergangenen geht es weiter. unglaubliche Unterstützung. Macht es dich habe die wohl schwersten Momente team, meinen Sponsoren, Freunden, Herbst am Shisha Pangma auch ge- LDB: Zwei Sherpas haben dir dann Sauer- stolz, dass du nach deiner Kangchend- meines Lebens hinter mir und bin vor allem aber all jenen, die mich seit macht. Vor dem Aufstieg auf den stoff ins Camp 3 gebracht. LDB: Du willst also wie geplant im Herbst zönga-Besteigung für den wichtigen Prinz- froh, meine Familie und Freunde zu Jahren unterstützen, mir Mails und Kangchendzönga musste ich oft an die Pasaban: Ja, und realistisch betrachtet den Shisha Pangma in Angriff nehmen? von-Asturien-Preis vorgeschlagen wurdest? Briefe aus ganz Spanien schreiben, zu letzte Etappe des K2 zurückdenken, hätte ich die Nacht und den Abstieg Pasaban: Ich muss erst einmal gesund Entschädigt dich die Anerkennung vielleicht meinen Vorträgen kommen. Ohne ih- bei der wir durch das schlechte Wetter am nächsten Tag ohne wohl kaum werden, bevor ich weiterplane. Ich sogar ein wenig für das Erlittene? Biografi e Edurne Pasaban ren Rückhalt wäre ich nie so weit ge- ebenfalls enorme Probleme beim Ab- überlebt. Wir sind gerade noch recht- werde aber alles daransetzen, im Sep- Pasaban: Zu sehen, dass so viele Men- kommen. Dass so viele Menschen hin- stieg bekamen. Diesmal hat es wieder zeitig ins Basecamp gekommen, bevor tember auf den Shisha Pangma zu schen hinter dem stehen, was ich tue, Edurne Pasaban Lizarribar, am 1. August 1973 in Tolosa im spanischen Baskenland geboren, begann ter mir stehen, hat mir in den schwie- sehr stark geschneit und es war sehr das Wetter richtig schlecht wurde. können. Auch mein Arzt hat sich op- gibt mir Kraft, nach vorne zu schauen in guter Bergsteiger-Tradition ihres Volkes bereits rigen Situationen am Kangchendzönga kalt. Das fl ößte mir großen Respekt timistisch geäußert. Im Frühling 2010 und weitermachen zu wollen. Aber im Kindesalter die Berge ihrer Heimat zu erobern. Kraft gegeben. ein. Ich hatte Zweifel und auch etwas LDB: Am K2 hast du dir ebenfalls zwei möchte ich dann die ma- kein Preis der Welt ist es wert, dafür Als Jugendliche bereiste sie die Alpen und Anden. Angst, war aber gleichzeitig sehr mo- Zehen gefroren und bist nur knapp mit dem chen. Ich war schon mal im Jahr 2007 sein Leben zu riskieren. Ich freue mich Heute hat Edurne Pasaban elf der vierzehn Acht- LDB: tausender bestiegen. Ihr fehlen Kangchendzönga, Vor einigen Wochen hast du bereits tiviert. Im Camp drei habe ich dann Leben davongekommen. Beeinträchtigt dich dort – und sie fl ößt mir wegen der allerdings darüber, dass ich gemein- und die Annapurna. Im Jahr 2005 gesagt, der Gipfeltag bereite dir Angst. Dir trotz allem entschieden, es zu versu- diese Erfahrung immer noch? Lawinengefahr ziemlich Respekt ein, sam mit Gerlinde Kaltenbrunner und zeichnete das spanische olympische Komitee Edur- war also klar, dass es Probleme geben chen, zumal uns der Wetterbericht ein Pasaban: Es wird in meinem Leben deshalb mache ich sie ganz am vorgeschlagen wurde. ne Pasaban als beste Sportlerin des Jahres aus. könnte? sehr knappes Zeitfenster gab. immer ein Vor- und ein Nach-dem- Schluss. Edurne Pasaban hat Ingenieurswesen studiert und Pasaban: Ich war ziemlich unruhig, da K2 geben. Darum habe ich damals erst LDB: Gerlinde Kaltenbrunner ist eine gute vier Jahre lang im familieneigenen Betrieb gear- beitet, heute besitzt sie ein eigenes Restaurant im der letzte Kletterabschnitt vor dem LDB: Auch Juanito Oirzabal, der kurz vor einmal zwei Jahre lang ausgesetzt. Ich LDB: Und dann? Was hast du sonst noch Freundin von dir. Ärgert es dich, dass die baskischen Zizurkil. Außerdem hat sie ein Zusatz- Gipfel extrem schwierig ist. Andere dir den Gipfel erreicht hat, sagte, es sei die wollte herausfi nden, ob ich wirklich für große Projekte in Planung? Medien eine Wiederholung des erbitterten studium in Wirtschaftsmanagement absolviert und Achttausender haben ihre anspruchs- schwierigste Besteigung seines Lebens gewe- noch überzeugt vom Bergsteigen war Pasaban: Oh, ich habe noch viel im Wettlaufs, den sich in den siebziger und berät Unternehmen in Sachen Teamfähigkeit und vollsten Kletterstellen weiter unten. sen. Das will etwas heißen, da er schließlich oder bereits nur der Erwartung der Kopf. Was mich allerdings schon lange achtziger Jahren Reinhold Messner und Jerzy Motivation. Hier jedoch kommen der hohe tech- den Weltrekord von 24 erreichten Achttau- Öffentlichkeit genügen wollte. Der Kukuczka geliefert haben, herbeischreiben? Seit einem Jahr lebt sie in Matadepera am Fuße beschäftigt, ist der Wunsch, eine Fami- des katalanischen Nationalparks von Sant Llorenç nische Anspruch und die enorme sendergipfeln hält und schon zuvor auf dem Druck, der mit dem Projekt der vier- lie zu gründen. Ich habe eigentlich ein Pasaban: Das macht mich sehr wü- del Munt. Höhe zusammen. Kangchendzönga stand. zehn Achttausender einhergeht, macht großes Bedürfnis nach Sesshaftigkeit tend. Die Medien inszenieren ein Pasaban: Ja. Es war für uns alle hart. mir heute noch Angst. Man will nicht und einem warmen Nest. Mit dreißig Konkurrenzverhältnis zwischen mir Größte Erfolge: LDB: Du warst schon vor dem Aufstieg Beim Aufstieg hatten wir noch das die Hoffnungen so vieler Menschen hatte ich eine schwere Krise durchzu- und Gerlinde, das überhaupt nicht ■ 2009 Kangchendzönga ■ 2008 , schwer erkältet, es hat stark geschneit und Gefühl, es läuft eigentlich ganz gut. enttäuschen. Am K2 habe ich gelernt, stehen. Der Wunsch, Mutter zu wer- existiert. Wir sind gute Freunde und ■ 2007 gestürmt. Im Basecamp sagtest du noch, Erst beim Abstieg, kurz vor dem Camp dass es im Zweifelsfall besser ist, um- den, wurde unerträglich groß und es stehen in regelmäßigem Kontakt. ■ 2005 dass dir das Wetter Sorge bereite und du vier, wurde es wirklich kompliziert. zukehren. Das hat sich nun bestätigt. gelang mir nur mit Mühe, mich davon Kürzlich saßen wir in München nach ■ 2004 K2 in keinem Fall das Risiko weiterer Erfrie- Es hat immer wieder stark geschneit zu überzeugen, dass der richtige Zeit- einer Bergsteigermesse in einem Café ■ 2003 , Gasherbrum II, rungen eingehen wollest. Nun hast du Er- und ich war völlig entkräftet. LDB: Wirst du dich auch jetzt wieder für punkt noch nicht gekommen war. Im und wurden gefragt, ob wir etwa un- ■ 2002 , ■ 2001 frierungen zweiten Grades am Daumen längere Zeit zurückziehen? Moment kann ich mit dem Thema et- sere „Feindschaft“ beigelegt hätten. und an drei Zehen davongetragen. Wieso LDB: Dein Teampartner Alex Chicón (bas- Pasaban: Nein, damals bin ich depres- was entspannter umgehen. Doch eines Da konnten wir uns vor lauter Lachen

10 04 2009 04 2009 11 QUERFELDEIN DAS AKTUELLE INTERVIEW

Achttausender im Vordergrund. Und das kann ich eben nur über die Nor- malrouten erreichen.

LDB: Haben Frauen am Berg nicht auch viele Vorteile? Pasaban: Ich glaube schon. Wir haben vielleicht nicht die Muskelkraft der Männer, dafür sind wir zäher und lei- densfähiger. Mediziner haben belegt, dass sich Frauen auch besser akklima- tisieren. Außerdem reagieren wir in schwierigen Situationen oft überlegter als unsere männlichen Kollegen. Ihr Stolz und die Tendenz zur Selbstüber- schätzung macht es Männern oft un- möglich umzukehren, auch wenn ih- nen die Vernunft genau dieses gebie- tet. Da muss ich manchmal hart Entgegen allen Gerüchten: Gerlinde Kaltenbrunner und Edurne Pasaban sind gute Freundinnen. durchgreifen, aber hinterher sind mir alle dankbar. nicht mehr halten. Es wäre doch ab- Erfahrung und Ausdauer meiner Be- surd und gefährlich, Höhenbergstei- gleiter geschafft. Dabei trage ich die- LDB: Bereitest du dich auch psychisch auf gen als ein Wettrennen zu betrachten. selbe Menge an Material und nicht deine Expeditionen vor? Ich will eine zufriedene alte Greisin zuletzt mich selbst den Berg hinauf. Pasaban: Ja. Ich bin der Auffassung, werden und nicht mein Leben aufs dass dies deutlich wichtiger ist, als das Spiel setzen, um irgendeinen Rekord LDB: Die spanische Presse, aber auch deine körperliche Training. Anfangs hatte aufzustellen. Ich weiß, dass das auch männlichen Kollegen werfen dir oft vor, du ich dafür sogar einen Coach. Heute für Gerlinde gilt. Für mich ist ganz seiest keine kreative Bergsteigerin. Ist dies weiß ich selbst, worauf es ankommt klar: Ich bin dieselbe Edurne Pasaban, auch ein Beispiel dafür, dass die Leistungen und wo meine Schwächen liegen. ob ich nun die vierzehn Achttausender von Bergsportlerinnen mit einem anderen schaffe oder nicht. Und wenn ich Maß gemessen werden als die von männ- LDB: Fühlst du dich privilegiert, von dem merke, dass es mir keinen Spaß mehr lichen Bergsteigern? leben zu können, was dir am meisten Spaß bereitet, muss ich aufhören. Pasaban: Es heißt immer, ich solle macht? mehr Erstbesteigungen machen. Ich Pasaban: Und ob. Ich bin unglaublich LDB: Stoßt du als Frau noch immer auf würde das ja gerne tun, es entspricht dankbar. Kürzlich habe ich im Basis- Schwierigkeiten im männerdominierten aber derzeit nicht meiner Risiko- lager des Kangchendzönga einen Bergsport? bereitschaft und meinem bergsteige- Abendspaziergang gemacht, um den Pasaban: Ich war immer die einzige rischen Können. Da brauche ich nie- Sonnenuntergang zu sehen, und bin Frau im Team. In dieser absolut mas- mandem etwas vormachen. Ich bin richtig sentimental geworden. Vor lau- kulinen Welt bin ich inzwischen eini- kein Kukuczka. Ich muss die vierzehn ter Glück, hier sein und dieses Leben germaßen akzeptiert, und mit meinen Achttausender so gehen, wie es mei- führen zu dürfen, kamen mir sogar die Expeditionskollegen gibt es ohnehin nen Möglichkeiten entspricht. Aber Tränen. Ich bin an außergewöhnlich keine Probleme. Aber ich musste im- auch die Mehrzahl der dreizehn Män- schönen Orten gewesen, habe die mer mehr Einsatz zeigen als meine ner, die nach Messner alle vierzehn Chance gehabt, große Momente zu männlichen Kollegen. Wir Frauen Achttausender bestiegen haben, hat erleben. Ich kann mir ein Leben ohne müssen uns ständig unter Beweis stel- die Normalrouten gewählt. Und kei- Bergsteigen nicht mehr vorstellen. len. Als Unbekannte in eine Expedi- ner hat ihnen dies zum Vorwurf ge- tion aufgenommen zu werden, ist sehr macht. Ich jedoch muss mich ständig LDB: Was war für dich die schönste Bestei- schwer. Einem Mann traut man viel dafür rechtfertigen, „nur“ Normal- gung? eher zu, dass er den Gipfel erreicht. routen zu gehen. Es ist ein großer Zu- Pasaban: Jeder Berg hat seine Reize. Oft wird es in der Bergsteigerszene kunftstraum von mir, mehr Erstbestei- Jedes Mal habe ich viel gelernt. und der Presse so dargestellt, als hätte gungen zu machen. Aber zunächst ich eine Besteigung nur aufgrund der einmal steht das Ziel der vierzehn Annika Müller

12 04 2009