Plenarprotokoll 13/241

Deutscher

Stenographischer Bericht

241. Sitzung

Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Inhalt:

Begrüßung der Präsidentin der National-- d) Große Anfrage der Abgeordneten Dr. versammlung der Republik Südafrika, Elke Leonhard, Robe rt Antretter, weite- Frau Dr. Frene Ginwala, und ihrer Dele- rer Abgeordneter und der Fraktion der gation 22175 A SPD Chancen der Globalisierung und Ge- Nachträgliche Glückwünsche zum Ge- staltung der Außenwirtschaftspolitik burtstag des Abgeordneten Engelbert (Drucksachen 13/10306, 13/10996) . . 22176 C Nelle 22175B e) Antrag der Fraktion der SPD Benennung des Abgeordneten Gerd Rü- Beratung über die Umsetzung der be- benkönig als ordentliches und des Abge- schäftigungspolitischen Leitlinien an- ordneten Eike Hovermann als stellvertre- läßlich des Europäischen Rates in Car- tendes Mitglied im Beirat der Regulie- diff am 15./16. Juni 1998 (Drucksache rungsbehörde für Telekommunikation und 13/10602) 22176 C Post 22175B f) Beratung des Antrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Erweiterung und Abwicklung der Tages ordnung 22175 B Für einen neuen Gesellschaftsvertrag: Kooperative und nachhaltige Beschäf- tigungspolitik (Drucksache 13/10963) 22176 C Absetzung von Tagesordnungspunkten 22176B g) Große Anfrage der Abgeordneten K ri Tagesordnungspunkt 5: -stin Heyne, Margareta Wolf (Frank- furt), weiterer Abgeordneter und der a) Abgabe einer Erklärung durch die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Bundesregierung zum Europäischen Beschäftigungsfördernde und umwelt- Rat in Cardiff am 15. und 16. Juni 1998 22176 B verträgliche Wirtschaftsentwicklung b) Antrag der Fraktionen der CDU/CSU (Drucksachen 13/10612, 13/10997) . . 22176D und F.D.P. in Verbindung mit Chancen der Globalisierung nutzen (Drucksache 13/10976) 22176 B Zusatztagesordnungspunkt 6: c) Große Anfrage der Abgeordneten Sieg- mar Mosdorf, Dr. Ingomar Hauchler, a) Zweite und dritte Beratung des von weiterer Abgeordneter und der Frak- den Abgeordneten Rainder Steen- tion der SPD block, Michaele Hustedt, weiteren Ab- geordneten und der Fraktion BÜND- Politische Antworten auf die wirt- NIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten schaftliche Globalisierung (Drucksa- Entwurfs eines Gesetzes zur Einfüh- chen 13/10103, 13/10995) 22176 C rung einer ökologischen Besteuerung Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

von Energie (Energiesteuergesetz) Tagesordnungspunkt 6: (Drucksachen 13/3067, 13/10924) . . 22176D Antrag der Fraktionen der CDU/CSU b) Beschlußempfehlung und Bericht des und F.D.P. Finanzausschusses zu dem Antrag der Zurückweisung des Einspruchs des Abgeordneten Rainder Steenblock, Bundesrates gegen das Vierte Gesetz (Berlin), weiterer Abge- zur Änderung des Hochschulrahmen- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ gesetzes (Drucksache 13/10774) . . . 22228 D DIE GRÜNEN Einstieg in eine ökologisch-soziale Dr. Jürgen Rüttgers, Bundesminister Steuerreform (Drucksachen 13/3555, BMBF 22229 B 13/10924) 22177 A SPD 22230 A in Verbindung mit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 22231 A Zusatztagesordnungspunkt 7: Dr. F.D.P. . . . 22232 B Antrag der Abgeordneten Michaele Dr. Ludwig Elm PDS 22233 A Hustedt, (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Frak- Namentliche Abstimmung 22228 C tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Mit der Energiesteuer Lohnneben Ergebnis 22240 B kosten senken (Drucksache 13/7750) 22177 A Tagesordnungspunkt 7: in Verbindung mit - Agrarpolitische Debatte Zusatztagesordnungspunkt 8: a) Unterrichtung durch die Bundesregie- Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE rung GRÜNEN Agrarbericht 1998 Absenkung der Lohnnebenkosten Agrar- und ernährungspolitischer Be- (Drucksache 13/8591) 22177 B richt der Bundesregierung (Drucksa- Dr. , Bundeskanzler . . . 22177 C chen 13/9823, 13/9824 [Materialband]) 22236 A SPD 22187 A b) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirt- Dr. CDU/CSU . . 22191 D schaft und Forsten Joseph Fischer (Frankfu rt) BÜNDNIS 90/ - zu der Unterrichtung durch die Bun- DIE GRÜNEN 22196 C desregierung Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . 22199 D - zu dem Entschließungsantrag der Dr. F.D.P 22200 C Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. zu dem Entschließungsantrag der Dr. PDS 22202 C - Fraktion der SPD Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 22204 D - zu dem Entschließungsantrag der SPD 22208 B Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜ- NEN Dr. , Bundesminister AA . 22210 C Agrarbericht 1996 Manfred Müller (Berlin) PDS 22212 D Agrar- und ernährungspolitischer Be- Dr. Heiner Geißler CDU/CSU 22213 C richt der Bundesregierung Ottmar Schreiner SPD . . . . 22214 A, 22217 C (Drucksachen 13/3680 und 13/3681 Heidemarie Wieczorek-Zeul SPD . . . . 22218 B [Materialband], 13/3978, 13/3977, 13/ 3997, 13/9845) 22236 A Dr. , Staatsminister (Bayern) 22220 D c) Beschlußempfehlung und Bericht des Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister BMWi 22222 C Ausschusses für Ernährung, Landwirt- Dr. Elke Leonhard SPD 22224 A schaft und Forsten Carl-Ludwig Thiele F.D.P. 22225 D - zu der Unterrichtung durch die Bun- desregierung Kurt Neumann (Berlin) fraktionslos . . 22226 D - zu dem Entschließungsantrag der Namentliche Abstimmung 22233 B Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. - zu dem Entschließungsantrag der Ergebnis 22233 C Fraktion der SPD Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

- zu dem Entschließungsantrag der Weisheit, Horst Sielaff, weiterer Abge- Abgeordneten Ulrike Höfken, Steffi ordneter und der Fraktion der SPD Lemke, Egbert Nitsch (Rendsburg) Forschung und Forschungsförderung und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE des Bundes im Bereich Ernährung, GRÜNEN Land- und Forstwirtschaft, Fischerei - zu dem Entschließungsantrag der und Holzwirtschaft sowie der Ent- Abgeordneten Dr. Günther Ma- wicklung ländlicher Räume (Druck- leuda, Dr. , weiterer Ab- sachen 13/2503, 13/3337, 13/7809, 13/ geordneter und der Gruppe der PDS 9787) 22236 D Agrarbericht 1997 h) Beschlußempfehlung und Bericht des Agrar- und ernährungspolitischer Be- Ausschusses für Ernährung, Landwirt- richt der Bundesregierung schaft und Forsten (Drucksachen 13/6868 und 13/6869 - zu dem Entschließungsantrag der [Materialband], 13/7795, 13/7796, 13/ Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. 7810, 13/7798, 13/9846) 22236 B - zu dem Entschließungsantrag der d) Beratung des Berichts des Rechtsaus- Abgeordneten Dr. Gerald Thalheim, schusses gemäß § 62 Abs. 2 der Ge- (Köln), weiterer Abge- schäftsordnung ordneter und der Fraktion der SPD - zu dem vom Bundesrat eingebrach- - zu dem Entschließungsantrag der ten Entwurf eines Gesetzes zur Än- Abgeordneten Ulrike Höfken, Steffi derung des Grundgesetzes (Staats- Lemke, weiterer Abgeordneter und ziel „Tierschutz") der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE - zu dem von den Abgeordneten Her- GRÜNEN mann Bachmaier, Ma rianne Klap-- - zu dem Entschließungsantrag der pert, weiteren Abgeordneten und Abgeordneten Dr. Günther Maleu- der Fraktion der SPD eingebrachten da, Dr. Christa Luft, weiterer Abge- Entwurfs eines ... Gesetzes zur Än- ordneter und der Gruppe der PDS derung des Grundgesetzes (Veran- zu der Großen Anfrage der Abgeordne- kerung des Tierschutzes im Grund- ten Horst Sielaff, Dr. Gerald Thalheim, gesetz) weiterer Abgeordneter und der Frak- (Drucksachen 13/9723, 13/8597, 13/ tion der SPD 11032) 22236 C Zukunft der Landwirtschaft im Zusam- e) Beschlußempfehlung und Bericht des menhang mit der EU-Agrarreform, Ausschusses für Ernährung, Landwirt- der Osterweiterung und GATT/WTO schaft und Forsten zu dem Antrag der (Drucksachen 13/4205, 13/5333, 13/ Abgeordneten Marina Steindor, Ul rike 7428, 13/7431, 13/7427, 13/7426, 13/ Höfken, weiterer Abgeordneter und 10236) 22237 A der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN i) Große Anfrage der Abgeordneten Dr Gerald Thalheim, Anke Fuchs (Köln), Verbot des Klonens von Tieren weiterer Abgeordneter und der Frak- (Drucksachen 13/7160, 13/9785) . . . 22236 C tion der SPD f) Beschlußempfehlung und Bericht des Stärkung der Einkommenssituation Ausschusses für Ernährung, Landwirt- landwirtschaftlicher Unternehmen schaft und Forsten zu dem Antrag der durch Verbesserung ihrer Situation Abgeordneten Ul rike Höfken, Steffi am Markt (Drucksachen 13/8172, 13/ Lemke, weiterer Abgeordneter und der 9507) 22237 B Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Umsetzung der verbesserten Stan- j) Antrag der Abgeordneten , dards zur Herstellung von Tierkörper- Ulrike Höfken, weiterer Abgeordneter mehlen und Tiermehlen in den EU- und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE Mitgliedstaaten zur Bekämpfung des GRÜNEN Rinderwahnsinns (Drucksachen 13/ 7962, 13/10480) 22236 D Marktposition des ökologischen Land baus stärken (Drucksache 13/9675) . 22237 B g) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirt- j) Antrag der Abgeordneten Dr. Uschi schaft und Forsten zu dem Entschlie- Eid, Steffi Lemke, weiterer Abgeordne- ßungsantrag der Abgeordneten Steffi ter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE Lemke, Ulrike Höfken, Egbe rt Nitsch GRÜNEN (Rendsburg) und der Fraktion BÜND- Nachhaltige Forstwirtschaft durch NIS 90/DIE GRÜNEN zu der Großen Zertifizierung fördern (Drucksache Anfrage der Abgeordneten Matthias 13/10508) 22237 C Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

l) Antrag der Abgeordneten Ilse Janz, Egon Susset CDU/CSU 22247 C , weiterer Abgeordneter und Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 22250 A der Fraktion der SPD Sicherung der Ressortforschung des Günther Bredehorn F.D.P. 22252 A Bundesministeriums für Ernährung, Dr. Günther Maleuda PDS 22254 C Landwirtschaft und Forsten an den Standorten Celle, Wusterhausen und CDU/CSU 22256 A Münster (Drucksache 13/10998) . . . 22237 C Hermann Bachmaier SPD 22256 C m) Beschlußempfehlung und Bericht des Meinolf Michels CDU/CSU 22257 C Ausschusses für Ernährung, Landwirt- schaft und Forsten zu der Unterrich- Steffi Lemke BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 22258 D tung durch die Bundesregierung Ulrich Heinrich F D P. 22259 D Vorschlag für eine Verordnung (EG) (Nordstrand) des Rates zur Änderung der Verord- CDU/CSU 22260 D nung (EWG) Nr. 823/87 zur Festlegung besonderer Vorschriften für Quali- Anke Fuchs (Köln) SPD 22262 D tätsweine bestimmter Anbaugebiete Heinrich-Wilhelm Ronsöhr CDU/CSU 22263 D (Drucksachen 13/10361 Nr. 2.33, 13/ 10684) 22237 C Albert Deß CDU/CSU 22264 D n) Beschlußempfehlung und Bericht des Katrin Fuchs (Verl) SPD (zur Geschäftsord Ausschusses für Ernährung, Landwirt- nung) 22268 B schaft und Forsten zu der Unterrich- tung durch die Bundesregierung Tagesordnungspunkt 8: Vorschlag für eine Richtlinie des Euro-- a) Große Anfrage der Abgeordneten päischen Parlaments und des Rates Klaus Kirschner, Horst Schmidbauer zur Änderung der Richtlinie 64/432/ (Nürnberg), weiterer Abgeordneter EWG zur Regelung viehseuchenrecht- und der Fraktion der SPD licher Fragen beim innergemein- schaftlichen Handelsverkehr mit Rin Qualität im Gesundheitswesen (Druck dern und Schweinen (Drucksachen 13/ sachen 13/9825, 13/10982) 22269 D 10361 Nr. 2.30, 13/10685) 22237 D b) Beschlußempfehlung und Bericht des o) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zu dem Ausschusses für Ernährung, Landwirt- Antrag der Abgeordneten Karl-Her- schaft und Forsten zu dem Antrag der mann Haack (Extertal), Klaus Kirsch- Abgeordneten Ulrike Höfken, Steffi ner, weiterer Abgeordneter und der Lemke, Halo Saibold und der Fraktion Fraktion der SPD BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Rehabilitation, Prävention, Kuren - für Verbesserungen beim Transport von eine vernünftige und moderne Gesund- Schlachttieren in Europa (Drucksa- heitspolitik (Drucksachen 13/7174, 13/ chen 13/9828, 13/10825) 22237 D 9494) 22270 A p) Beschlußempfehlung und Bericht des c) Antrag der Fraktion der SPD Ausschusses für Ernährung, Landwirt- Sofortmaßnahmen gegen die Krise schaft und Forsten von Kur und Rehabilitation (Drucksa- - zu dem Antrag der Abgeordneten che 13/10561) 22270 A Dr. Gerald Thalheim, Anke Fuchs Antrag der Abgeordneten Dr. Ruth (Köln), weiterer Abgeordneter und d) Fuchs, Dr. Heidi Knake-Werner und der Fraktion der SPD der Gruppe der PDS Milchmarktpolitik ab dem 1. April „Notopfers Kranken- 2000 Abschaffung des haus" (Drucksache 13/9386) . . . . 22270 A - zu dem Antrag der Abgeordneten Ulrike Höfken, Steffi Lemke und der e) Antrag der Abgeordneten Horst Schmid- Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- bauer (Nürnberg), Klaus Kirschner, wei- NEN terer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Tragfähige Neuordnung der Milch- marktpolitik Nationaler Aktionsplan Diabetes (Drucksache 13/10822) 22270 A (Drucksachen 13/9761, 13/10277, 13/ 10733) 22238 A f) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- , Bundesminister BML 22238A, Jochen Borche rt wurfs eines Achten Gesetzes zur Ände- 22266 C rung des Arzneimittelgesetzes (Druck- Horst Sielaff SPD 22242 D sachen 13/9996, 13/10122, 13/11020) . 22270 B Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 g) Zweite und dritte Beratung des von der Dr. R. Werner Schuster SPD 22278 C Bundesregierung eingebrachten Ent- Dr. PDS wurfs eines Ersten Gesetzes zur Än- 22280 A derung des Medizinproduktegesetzes Dr. Dieter Thomae F.D.P 22282A (Drucksachen 13/10422, 13/10868, 13/ 11021) 22270 B CDU/CSU . . 22282 C h) Antrag der Abgeordneten Monika Brunhilde Irber SPD 22283 C Knoche, Marina Steindor und der Frak- Editha Limbach CDU/CSU 22284 A tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Horst Schmidbauer (Nürnberg) SPD . 22284 B, Rückkehr zum Sachleistungsprinzip 22294 C bei der Zahnbehandlung (Drucksache 13/10949) 22270 C Marina Steindor BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 22286C, 22294 A i) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, , Bundesminister BMG . . 22288 B Frauen und Jugend Klaus Kirschner SPD 22290 B - zu dem Entschließungsantrag der Dr. SPD 22292 C Abgeordneten Regina Schmidt- Zadel, Klaus Kirschner, weiterer Ab- Horst Schmidbauer (Nürnberg) SPD . 22293 B geordneter und der Fraktion der Susanne Kastner SPD 22295 B SPD Editha Limbach CDU/CSU 22297 C - zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Heidemarie Lüth, Dr. Rolf Olderog CDU/CSU 22299 C Dr. Ruth Fuchs, weiterer Abgeord- neter und der Gruppe der PDS - Antje-Marie Steen SPD 22300 B zu der Großen Anfrage der Abgeord- Susanne Kastner SPD 22300 D neten Regina Schmidt-Zadel, Ing rid Dr. Barbara Höll PDS 22302B, 22303 A Becker-Inglau, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Tagesordnungspunkt 22: Situation der Demenzkranken in der Überweisungen im vereinfachten Ver- Bundesrepublik Deutschland fahren (Drucksachen 13/3343, 13/5257, 13/8723, a) Erste Beratung des von der Bundesre- 13/8719, 13/10499) 22270 C gierung eingebrachten Entwurfs eines j) Beschlußempfehlung und Bericht des Gesetzes zu dem Protokoll vom Ausschusses für Gesundheit zu dem 30. Oktober 1997 zum Abkommen Antrag der Abgeordneten Antje-Ma rie über die Zusammenarbeit und eine Steen, Dr. Ulrich Böhme (Unna), weite- Zollunion zwischen der Europäischen rer Abgeordneter und der Fraktion der Wirtschaftsgemeinschaft und der Re- SPD publik San Marino (Drucksache 13/ 10737) 22305 A Erweiterung des Katalogs der Früh- erkennungs-Untersuchungen um ein b) Erste Beratung des vom Bundesrat ein- spezifisches Hörscreening im Rahmen gebrachten Entwurfs eines Gesetzes der U 1 und U 3 (Drucksachen 13/1001, zur Änderung des Grunderwerbssteu- 13/11022) 22270 D ergesetzes (Drucksache 13/10989) . . 22305 B in Verbindung mit c) Antrag der Abgeordneten Dr. Angelica Schwall-Düren, Michael Müller (Düs- Zusatztagesordnungspunkt 15: seldorf), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. zur aktuellen Situation bei Das Flammschutzmittel Tri(2-chlor- Kuren und Rehabilitationen (Drucksa- äthyl)phosphat aus dem Verkehr zie- che 13/11066) hen (Drucksache 13/10853) 22305 B Dr. Dieter Thomae F.D.P 22271 A, 22277 A Zusatztagesordnungspunkt 9: Dr. CDU/CSU 22271 A Weitere Überweisungen im vereinfachten Gudrun Schaich-Walch SPD 22272 D Verfahren Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid) a) Erste Beratung des von der Bundesre- CDU/CSU 22274 D gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu der am 17. September Monika Knoche BÜNDNIS 90/DIE GRÜ 1997 in Montreal beschlossenen Ände- NEN 22275 D rung zum Montrealer Protokoll vom

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16.ßung September 1987 für über Stoffe, Personen die zu gleichen Ge- einem Abbau der Ozonschicht führen schlechts (Drucksachen 13/2728, 13/ (Drucksache 13/10901) 22305 B 10795) 22306 C b) Erste Beratung des vom Bundesrat ein- (Köln) BÜNDNIS 90/DIE gebrachten Entwurfs eines Gesetzes GRÜNEN 22305 D zur steuerlichen Förderung von Wag- e) - Zweite und dritte Beratung des von niskapital (Drucksache 13/10990) . . 22305 C der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes Tagesordnungspunkt 23: zur Änderung des Strafvollzugs- Abschließende Beratungen ohne Aus- gesetzes (Drucksachen 13/10245, sprache 13/11016) 22308 C a) Zweite und dritte Beratung des vom - Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs ei- Bundesrat eingebrachten Entwurfs nes Gesetzes zur Änderung des Bun- eines ... Gesetzes zur Änderung des deserziehungsgeldgesetzes - (Druck- Strafvollzugsgesetzes (Drucksachen sachen 13/7384, 13/10611) 22307 C 13/117, 13/11016) 22308 C - Zweite und dritte Beratung des vom b) Beschlußempfehlung und Bericht des Bundesrat eingebrachten Entwurfs Ausschusses für Familie, Senioren, eines Gesetzes zur Änderung des Frauen und Jugend Strafvollzugsgesetzes (Drucksachen - zu dem Antrag der Abgeordneten 13/3129, 13/11016) 22308 D Hildegard Wester, Ch ristel Hane- winckel, weiterer Abgeordneter und f) Beschlußempfehlung und Bericht des der Fraktion der SPD Rechtsausschusses zu dem Antrag der - Abgeordneten und der Elterngeld und Elternurlaub für Gruppe der PDS Mütter und Väter Änderung des Strafvollzugsgesetzes - zu dem Antrag der Abgeordneten (Drucksachen 13/1443, 13/11016) . . 22309A Rita Grießhaber und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN g) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- Mehr Zeit und Geld für Kinder wurfs eines Gesetzes über die An- - zu dem Antrag der Abgeordneten passung von Dienst- und Versor- Rita Grießhaber, Marieluise Beck gungsbezügen in Bund und Ländern (Bremen), weiterer Abgeordneter 1998 (Bundesbesoldungs- und -versor- und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE gungsanpassungsgesetz 1998) (Druck- GRÜNEN sachen 13/10722, 13/10942, 13/11018, Elternurlaub als Zeitkonto gestalten 13/11038) 22309 B - zu der Unterrichtung durch die Bun- h) Zweite und dritte Beratung des vom desregierung Bundesrat eingebrachten Entwurfs ei- nes ... Gesetzes zur Änderung des Be- Bericht der Bundesregierung zu der amtenrechtsrahmengesetzes und an- Frage einer Inanspruchnahme des derer dienstrechtlicher Vorschriften Erziehungsurlaubs durch den Vater (Drucksachen 13/8934, 13/11018) . . 22309 C während der Mutterschutzfrist i) Zweite und dritte Beratung des von der (Drucksachen 13/6577, 13/711, 13/4526, Bundesregierung eingebrachten Ent- 13/7206, 13/10611) 22307 D wurfs eines Gesetzes über die Fest- c) Antrag der Abgeordneten Hildegard stellung des Wirtschaftsplans des Wester, Anni Brandt-Elsweier, weiterer ERP-Sondervermögens für das Jahr Abgeordneter und der Fraktion der 1999 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 1999) SPD (Drucksachen 13/10723, 13/11014) . . 22310A Vorlage eines Berichts zur wirtschaft- j) Zweite und dritte Beratung des vom lichen Situation junger Familien unter Bundesrat eingebrachten Entwurfs ei- besonderer Berücksichtigung des Er- nes Gesetzes zur Änderung des Geset- ziehungsgeldes und des Erziehungs- zes über die Statistik im Produzieren- urlaubs (Drucksache 13/10560) . . . 22308 C den Gewerbe (Drucksachen 13/10342, 13/10925) 22310A d) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Volker Beck (Köln), l) Zweite Beratung und Schlußabstim- Marieluise Beck (Bremen), weiteren mung des von der Bundesregierung Abgeordneten und der Fraktion eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einge- zu dem Übereinkommen vom 29. Janu- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur ar 1998 zwischen der Regierung Ka- Einführung des Rechts auf Eheschlie nadas, Regierungen von Mitglied- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Staaten der Europäischen Weltraum- r) Beschlußempfehlung und Bericht des organisation, der Regierung Japans, Auswärtigen Ausschusses der Regierung der Russischen Födera- - zu dem Entschließungsantrag der tion und der Regierung der Vereinigten Abgeordneten Dr. , Staaten von Amerika über Zusammen- (Wiesloch), wei- arbeit bei der zivilen internationalen terer Abgeordneter und der Fraktion Raumstation (Raumstations-Überein- der SPD kommen) (Drucksachen 13/10713, 13/ 11026, 13/11037) 22310B - zu dem Entschließungsantrag der m) Zweite Beratung und Schlußabstim- Abgeordneten Dr. Eberhard Brecht, mung des von der Bundesregierung Dr. Helmut Lippelt, weiterer Abge- ordneter und der Fraktionen SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN zu dem Abkommen vom 16. Dezember 1993 zwischen der Regierung der Bun- zu der Großen Anfrage der Abgeordne- desrepublik Deutschl and und dem ten Gert Weisskirchen (Wiesloch), Dr. Obersten Rat der Europäischen Schu- Eberhard Brecht, weiterer Abgeordne- len über die Europäischen Schulen in ter und der Fraktion der SPD Karlsruhe und München (Drucksachen 13/10115, 13/10999) 22310D Reform der Vereinten Nationen n) Beschlußempfehlung und Bericht des (Drucksachen 13/5055, 13/6773, 13/ Auswärtigen Ausschusses zu dem An- 7915, 13/7941, 13/10477) 22312A trag der Abgeordneten Dr. Wolfgang s) Beschlußempfehlung und Bericht des Freiherr von Stetten, Gert Weisskir- Ausschusses für Familie, Senioren, chen (Wiesloch) und weiterer Abgeord- Frauen und Jugend neter - - Visumfreiheit für die baltischen Staa zu der Unterrichtung durch die Bun- ten (Drucksachen 13/9390, 13/10689) . 22311A desregierung o) Beschlußempfehlung und Bericht des Mitteilung der Kommission an den Ausschusses für Familie, Senioren, Rat und das Europäische Parlament; Frauen und Jugend zu der Unterrich- Europäischer Freiwilligendienst für tung durch die Bundesregierung Jugendliche; Vorschlag für einen Beschluß des Europäischen Parla- Familien und Familienpolitik im ge- ments und des Rates zur Einführung einten Deutschland - Zukunft des Hu- des Gemeinschaftlichen Aktions- manvermögens - Fünfter Familienbe- programms „Europäischer Freiwil- richt - (Drucksachen 12/7560, 13/725 ligendienst für Jugendliche" Nr. 141, 13/4677) 22311 A - zu der Unterrichtung durch die Bun- p) Beschlußempfehlung und Bericht des desregierung Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Pilotaktion: Europäischer Freiwilli- - zu der Unterrichtung durch die Bun- gendienst für Jugendliche; Zweiter desregierung Zwischenbericht - zu dem Entschließungsantrag der (Drucksachen 13/7216 Nr. 2.19, 13/ Fraktion der SPD zu der Unterrich- 9477 Nr. 2.10, 13/10337) 22312 C tung durch die Bundesregierung t) Beschlußempfehlung und Bericht des - zu dem Entschließungsantrag der Ausschusses für Raumordnung, Bau- Abgeordneten Ch ristina Schenk, wesen und Städtebau zu der Unterrich- Heidemarie Lüth, weiterer Abgeord- tung durch das Europäische Parlament neter und der Gruppe der PDS zu der Unterrichtung durch die Bundes- Entschließung des Europäischen Par- regierung laments zum Bericht der Kommis- Dritter Bericht der Bundesregierung sion über die Bauproduktenrichtlinie über die Gleichstellungsstellen in Bund, (Drucksachen 13/9819 Nr. 1.9, 13/ Ländern und Kommunen (Drucksachen 10423) 22312D 13/4021, 13/6497, 13/6494, 13/7056) . . 22311 C u) Bericht des Ausschusses für Wahlprü- q) Beschlußempfehlung und Bericht des fung, Immunität und Geschäftsord- Ausschusses für Raumordnung, Bau- nung zu dem Überprüfungsverfahren wesen und Städtebau zu der Unterach- des Abgeordneten Rolf Kutzmutz ge- tung durch die Bundesregierung mäß § 44 b Abs. 2 des Abgeordneten- Europäisches Raumentwicklungskon- gesetzes (AbgG) zept (EUREK) - Erster offizieller Ent- (Überprüfung auf Tätigkeit oder poli wurf - (Drucksachen 13/8726, 13/8751 tische Verantwortung für das Ministe Nr. 1.1, 13/10304) 22312A rium für Staatssicherheit/Amt für Na- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

tionale Sicherheit der ehemaligen im innergemeinschaftlichen Verkehr Deutschen Demokratischen Republik) (Drucksachen 13/8615 Nr. 2.83, 13/ 10748) 22313 D (Drucksache 13/10498) 22312 D v) Beschlußempfehlung und Bericht des Tagesordnungspunkt 24: Ausschusses für Arbeit und Sozialord- nung Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache - zu dem Antrag der Abgeordneten Andrea Fischer (Berlin), Monika a) Zweite und dritte Beratung des von der Knoche, weiterer Abgeordneter und Bundesregierung eingebrachten Ent- der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE wurfs eines Gesetzes betreffend die GRÜNEN Anrufung des Gerichtshofes der Euro- päischen Gemeinschaften im Wege Solidarische Finanzierung der So- des Vorabentscheidungsverfahrens auf zialversicherung erhalten dem Gebiet der polizeilichen Zusam- - zu dem Antrag der Abgeordneten menarbeit und der justitiellen Zusam- Marieluise Beck (Bremen), Elisabeth menarbeit in Strafsachen nach Artikel Altmann (Pommelsbrunn), weiterer 35 des EU-Vertrages (EuGH-Gesetz - Abgeordneter und der Fraktion EuGHG) (Drucksachen 13/10429, 13/ BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10967) 22314 A Die Arbeitsfähigkeit der Bundesan- b) Zweite und dritte Beratung des von der stalt für Arbeit und der Arbeits- Bundesregierung eingebrachten Ent- ämter wieder herstellen wurfs eines Gesetzes zur Änderung der Haftungsbeschränkung in der Bin- (Drucksachen 13/7086, 13/7521, 13/ nenschiffahrt (Drucksachen 13/8446, 10571) 22313 A 13/11031) 22314 B w) Beschlußempfehlung und Bericht des c) Zweite Beratung und Schlußabstim- Ausschusses für Arbeit und Sozialord- mung des von der Bundesregierung nung zu dem Antrag der Gruppe der eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes PDS zu dem Straßburger Übereinkommen Leistungsgesetz für Menschen mit vom 4. November 1988 über die Be- Behinderungen (Drucksachen 13/8477, schränkung der Haftung in der Bin- 13/10608) 22313 C nenschiffahrt (CLNI) (Drucksachen 13/8220, 13/11031) 22314 C x) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr zu der Unter- d) Zweite und dritte Beratung des von richtung durch die Bundesregierung den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Vorschlag für eine Richtlinie des Euro- Gesetzes zur Beseitigung von Er- päischen Parlaments und des Rates werbsbeschränkungen für ausländi- über Kraftfahrzeuge und Kraftfahr- sche Investoren und Staaten (Druck- zeuganhänger zur Beförderung be- sachen 13/10534, 13/10966) 223140 D stimmter Tierarten und zur Änderung der Richtlinie 70/156/EWG in bezug e) Beschlußempfehlung und Bericht des auf die Typgenehmigung von Kra ft Ausschusses für Verkehr zu der Unter- -fahrzeugen und Kraftfahrzeuganhän- richtung durch die Bundesregierung gern (Drucksachen 13/8615 Nr. 2.55, Vorschlag für eine Richtlinie des Rates 13/10746) 22313 C über Sicherheitsanforderungen für y) Beschlußempfehlung und Bericht des Flugbegleiter und die Bescheinigung Ausschusses für Verkehr zu der Unter- der Befähigung von Flugbegleitern richtung durch die Bundesregierung in der Zivilluftfahrt (Drucksachen 13/8615 Nr. 2.95, 13/10749) 22315 A Entwurf für eine Verordnung (EG) des Rates über die statistische Erfassung f) Beschlußempfehlung und Bericht des des Güterkraftverkehrs (Drucksachen Rechtsausschusses 13/9312 Nr. 1.1, 13/10747) 22313 D - zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Volker Beck (Köln), z) Beschlußempfehlung und Bericht des Rita Grießhaber, weiterer Abgeord- Ausschusses für Verkehr zu der Unter- neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ richtung durch die Bundesregierung DIE GRÜNEN zu der Großen An- Vorschlag für eine Verordnung (EG) frage der Abgeordneten Volker Beck des Rates über die Anerkennung des (Köln), Marieluise Beck (Bremen), Unterscheidungszeichens des Zulas- weiterer Abgeordneter und der sungsmitgliedstaats von Kraftfahr- Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- zeugen und Kraftfahrzeuganhängern NEN Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Bürgerrechtssituation von Schwu- kationstechnik (IT Altgeräte-Verord- len und Lesben in der Bundesrepu- nung - ITV) (Drucksachen 13/10769, blik Deutschland im Vergleich mit 13/10884 Nr. 2.2, 13/11024) 22317 C der rechtspolitischen Entwicklung in den Nachbarländern c) Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu der Unterrich- - zu dem Antrag des Abgeordneten tung durch die Bundesregierung Volker Beck (Köln) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Bericht der Bundesregierung über die praktischen Auswirkungen der im Be- Gleichberechtigung von Schwulen treuungsgesetz enthaltenen Regelun- und Lesben in der Bundesrepublik ' gen zur Sterilisation (Drucksachen 13/ Deutschland 3822, 13/4034 Nr. 2, 13/11033) . . . .. 22317 C - zu der Unterrichtung durch das Europäische Parlament Zusatztagesordnungspunkt 11: Entschließung zur Gleichberechti- Aktuelle Stunde betr. Haltung der gung von Schwulen und Lesben in Bundesregierung zu den Äußerungen der EG ihres Presseprechers Hauser, die Hilfe beim Aufbau im Osten mit Wahlergeb- (Drucksachen 13/2719, 13/5456, 13/ nissen in den neuen Bundesländern in 8062, 13/1822, 12/7069, 13/725 Nr. 33, Verbindung zu bringen 22317 D 13/10522) 22307 A Petra Bläss PDS 22318 A Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 22305 D CDU/CSU . . . 22319 A g) Beschlußempfehlung des Petitionsaus-- Dr. Winfried Penner SPD 22320 C schusses (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE Sammelübersicht 348 zu Petitionen GRÜNEN 22321 C (Drucksache 13/10630) 22315 A Jürgen Koppelin F.D.P 22322 B h) Beschlußempfehlung des Petitionsaus- schusses , Bundesminister BK . . 22323 C Sammelübersicht 349 zu Petitionen SPD 22325 A (Ergänzung der Nr. 7 der Verfahrens- grundsätze des Petitionsausschusses) Dr.-Ing. Paul Krüger CDU/CSU 22325 D (Drucksache 13/10647) . . . 22315B, 22316A Dr. Gregor Gysi PDS 22327 A i) bis q) Erich Maaß (Wilhelmshaven) CDU/CSU 22328 B Beschlußempfehlungen des Petitions- Dr. Uwe Küster SPD 22329 B ausschusses CDU/CSU 22330 B Sammelübersichten 350, 351, 352, 353, 354, 355, 356, 357, 358 (Druck- Hans Georg Wagner SPD 22331 B sachen 13/10834, 13/10835, 13/ 10836, 13/10837, 13/10838, 13/10839, Dr. Friedbert Pflüger CDU/CSU . . . 22332 C 13/10840, 13/10841, 13/10842) 22315B, 22316 B Tagesordnungspunkt 10: Zusatztagesordnungspunkt 10: Beschlußempfehlung und Bericht des a) Beschlußempfehlung und Bericht des 2. Untersuchungsausschusses nach Ar- Ausschusses für Wirtschaft zu der Ver- tikel 44 des Grundgesetzes (DDR-Ver- ordnung der Bundesregierung mögen) (Drucksachen 13/10900) . . . 22333 C Aufhebbare Vierundneunzigste Ver- Volker Neumann (Bramsche) SPD . . . 22333 D ordnung zur Änderung der Ausfuhr- Joachim Gres CDU/CSU . . . . 22335 B, 22349 C liste - Anlage AL zur Außenwirt- schaftsverordnung (Drucksachen 13/ Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜ 10745, 13/10884 Nr. 2.1, 13/10992) . . 22317 B NEN 22337 D b) Beschlußempfehlung und Bericht des Dr. Klaus Röhl F.D.P 22339 B Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der Verord- Wolfgang Bierstedt PDS . . . . 22341B, 23349A nung der Bundesregierung Friedhelm Julius Beucher SPD 22342 D Zustimmungsbedürftige Verordnung Dr. Wolfgang Götzer CDU/CSU . . . . 22343 D über die Entsorgung von Geräten der Information-, Büro- und Kommuni Dr. Willibald Jacob PDS 22345 C Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Hans-Joachim Hacker SPD . . 22346C, 22349 B Begrenzung der Erhöhung der Nut- Dr. SPD 22347 C zungsentgelte fir Erholungsgrund- stücke in Ostdeutschland auf die Friedhelm Julius Beucher SPD . . . 22350 B derzeit übliche Bodenrendite Dr. Christine Lucyga SPD 22350 C - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Uwe-Jens Heuer, Klaus-Jürgen Tagesordnungspunkt 11: Warnick, Dr. Gregor Gysi und der a) Zweite und dritte Beratung des vom Gruppe der PDS Bundesrat eingebrachten Entwurfs ei- Begrenzung des Anstiegs der Nut- nes Gesetzes zur Vereinfachung des zungsentgelte für Erholungsgrund- zivilgerichtlichen Verfahrens und des stücke in Ostdeutschland auf ein so- Verfahrens der freiwilligen Gerichts- zial erträgliches Maß barkeit (Drucksachen 13/6398, 13/ 11042) 22351 B (Drucksachen 13/10329, 13/7304, 13/ 9068, 13/10466, 13/7532, 13/11041) 22352B b) Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem Antrag der Tagesordnungspunkt 12: Abgeordneten Dr. Eckha rt Pick, Dr. Herta Däubler-Gmelin, weiterer Abge- Entwicklungspolitische Debatte ordneter und der Fraktion der SPD a) Beschlußempfehlung und Bericht des Entlastung der Zivilgerichtsbarkeit Ausschusses für wirtschaftliche Zusam- durch vor- bzw. außergerichtliche menarbeit und Entwicklung Streitbeilegung (Drucksachen 13/1749, 13/11042) 22351 B - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Winfried Pinger, Anneliese Au- Zusatztagesordnungspunkt 12: - gustin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie a) Zweite und dritte Beratung des von der der Abgeordneten Roland Kohn, Bundesregierung eingebrachten Ent- Dr. und der wurfs eines Gesetzes zur Bereinigung Fraktion der F.D.P. vermögensrechtlicher und anderer Vorschriften (Vermögensrechtsberei- Mikrofinanzierung als Mittel der nigungsgesetz) (Drucksachen 13/ Armutsbekämpfung 10246, 13/11041) 22352 B - zu dem Antrag der Abgeordneten b) Beschlußempfehlung und Bericht des Adelheid Tröscher, , Rechtsausschusses weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD - zu dem Antrag der Abgeordneten Hans-Joachim Hacker, Rolf Schwa- Armutsbekämpfung durch Mikro- nitz, weiterer Abgeordneter und der finanzierung in der Entwicklungs- Fraktion der SPD zusammenarbeit Hemmnisse und Rechtsunsicherhei- (Drucksachen 13/9601, 13/10027, 13/ ten im Immobilienrecht und beim 10921) 22353 D Nutzerschutz beseitigen b) Beschlußempfehlung und Bericht des - zu dem Antrag der Abgeordneten Ausschusses für wirtschaftliche Zusam- Hans-Joachim Hacker, Dr. Herta menarbeit und Entwicklung Däubler-Gmelin, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der SPD - zu dem Antrag der Abgeordneten ristian Schmidt Mehr Rechtssicherheit und Rechts- , Ch h) und der Fraktion der CDU/ schutz für Nutzer von Freizeit- (Fürt CSU sowie der Abgeordneten Gün- grundstücken in den neuen Bundes- riedrich Nolting, Dr. Irmgard ländern ther F Schwaetzer, weiterer Abgeordneter - zu dem Antrag der Abgeordneten und der Fraktion der F.D.P. Dr. Uwe-Jens Rössel, Dr. Christa Luft, weiterer Abgeordneter und der Verstärkung deutscher Beiträge zur Gruppe der PDS Krisenprävention und Friedenspoli- tik Novellierung des Gesetzes über die Feststellung der Zuordnung von - zu dem Antrag der Abgeordneten ehemals volkseigenem Vermögen Dr. Uschi Eid, Wolfgang Schmitt (Vermögenszuordnungsgesetz) (Langenfeld), weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ - zu dem Antrag der Abgeordneten DIE GRÜNEN Klaus-Jürgen Warnick, Dr. Uwe- Jens Heuer, Dr. Gregor Gysi und der Maßnahmen der Entwicklungszu Gruppe der PDS sammenarbeit als Beitrag zu einer Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Politik der Krisenprävention und zi- ner Schuster, Dr. Emil Schnell, weiterer vilen Konfliktbearbeitung Abgeordneter und der Fraktion der SPD (Drucksachen 13/6389, 13/6713, 13/ 10799) 22354 A Für mehr Verstetigung, Flexibilität und Transparenz der Finanzierung c) Beschlußempfehlung und Bericht des deutscher Entwicklungszusammenar- Auswärtigen Ausschusses zu dem An- beit (Haushalt Einzelplan 23) (Druck- trag der Abgeordneten , Gün- sachen 13/9412, 13/10886) 22354 D ter Verheugen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD h) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche Zusam- Priorität für eine Politik der zivilen menarbeit und Entwicklung zu dem Krisenprävention und Konfliktrege- Antrag der Abgeordneten Gert Weiss- lung (Drucksachen 13/6999, 13/10457) 22354 B kirchen (Wiesloch), B rigitte Adler, wei- d) Beschlußempfehlung und Bericht des terer Abgeordneter und der Fraktion Auswärtigen Ausschusses zu dem An- der SPD Ziviler Friedensdienst - Ex- trag der Abgeordneten Steffen Tip- pertendienst für zivile Friedensarbeit pach, Heinrich Graf von Einsiedel, wei- (Drucksachen 13/6204, 13/10887) . . 22355 A terer Abgeordneter und der Gruppe i) Beschlußempfehlung und Bericht des der PDS Ausschusses für wirtschaftliche Zusam- Zivile und nichtmilitärische Konflikt- menarbeit und Entwicklung zu dem bearbeitung und Friedenssicherung Antrag der Abgeordneten Adelheid (Drucksachen 13/9643, 13/11019) . . 22354 B Tröscher, Dr. R. Werner Schuster, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion e) Beratung der Beschlußempfehlung und der SPD des Berichts des Ausschusses für wirt-- schaftliche Zusammenarbeit und Ent- Reformvorschläge zur Struktur der wicklung Entwicklungszusammenarbeit und Ent- wicklungspolitik (Drucksachen 13/ - zu dem Antrag der Abgeordneten 10230, 13/10922) 22355 A Dr. Winfried Pinger, Detlef Helling, weiterer Abgeordneter und der j) Beschlußempfehlung und Bericht des Fraktion der CDU/CSU sowie der Ausschusses für wirtschaftliche Zusam- Abgeordneten Roland Kohn, Dr. Irm- menarbeit und Entwicklung zu dem gard Schwaetzer und der Fraktion Antrag der Abgeordneten Adelheid der F.D.P. Tröscher, Reinhold Hemker, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der Weiterentwicklung des Zentrums SPD für Internationale Zusammenarbeit in Bonn Entwicklungspolitische Bildung im Zeitalter der Globalisierung (Druck- - zu dem Antrag der Abgeordneten sachen 13/9607, 13/10897) 22355 B Adelheid Tröscher, Dr. R. Werner Schuster, weiterer Abgeordneter k) Beschlußempfehlung und Bericht des und der Fraktion der SPD Ausschusses für wirtschaftliche Zusam- menarbeit und Entwicklung zu dem Weiterentwicklung des Zentrums Antrag der Abgeordneten Dr. R. Wer- für Internationale Zusammenarbeit ner Schuster, Brigitte Adler, weiterer Bonn Abgeordneter und der Fraktion der (Drucksachen 13/10018, 13/9769, 13/ SPD 10898) 22354 C Systematische Erfolgskontrolle von f) Beschlußempfehlung und Bericht des Projekten und Programmen der bila- Ausschusses für wirtschaftliche Zusam- teralen Entwicklungszusammenarbeit menarbeit und Entwicklung zu dem (Drucksachen 13/4120, 13/10857) . . 22355 B Antrag der Abgeordneten Dr. R. Wer- l) Beschlußempfehlung und Bericht des ner Schuster, Adelheid Tröscher, weite- Ausschusses für Wirtschaft rer Abgeordneter und der Fraktion der SPD - zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang Schmitt (Langenfeld), Förderung der Nichtregierungsorga- Dr. Uschi Eid und der Fraktion nisationen in der Entwicklungszusam- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN menarbeit (Drucksachen 13/9603, 13/ 10885) 22354 D Für ein sozial, ökonomisch und ökologisch nachhaltiges multilate- g) Beschlußempfehlung und Bericht des rales Investitionsabkommen (MAI) Ausschusses für wirtschaftliche Zusam- und eine transparente parlamenta- menarbeit und Entwicklung zu dem rische Begleitung des Verhand- Antrag der Abgeordneten Dr. R. Wer lungsverfahrens Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

- zu dem Antrag der Abgeordneten r) Beschlußempfehlung und Bericht des Dr. Winfried Wolf, Rolf Kutzmutz, Ausschusses für wirtschaftliche Zusam- weiterer Abgeordneter und der menarbeit und Entwicklung zu dem Gruppe der PDS Antrag der Abgeordneten , Adelheid Tröscher, weite- Veröffentlichung des Vertragsent- rer Abgeordneter und der Fraktion der wurfs zu dem Multilateralen Inve- SPD stitionsabkommen (MAI) Aktive Bevölkerungspolitik als Schwer- (Drucksachen 13/10410, 13/10083, 13/ punkt in die Entwicklungszusammenar- 11015) 22355 C beit aufnehmen (Drucksachen 13/9608, 13/10771) 22356 B m) Beschlußempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem An- s) Beschlußempfehlung und Bericht des trag der Abgeordneten , Ausschusses für wirtschaftliche Zusam- Dr. R. Werner Schuster, weiterer Abge- menarbeit und Entwicklung ordneter und der Fraktion der SPD - zu dem Bericht des Ausschusses für Europas gemeinsame Verantwortung Bildung, Wissenschaft, Forschung, für Afrika (Drucksachen 13/10035, 13/ Technologie und Technikfolgenab- 10693) 22355 C schätzung gemäß § 56a der Ge- schäftsordnung n) Beschlußempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem An- Technikfolgenabschätzung trag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, hier: Auswirkungen moderner Bio- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P. technologien auf Entwicklungslän- der und Folgen für die zukünftige Unterstützung der neuen Friedensini- - Zusammenarbeit zwischen Indu- tiative zur Beilegung des Westsahara- strie- und Entwicklungsländern konflikts (Drucksachen 13/10025, 13/ 10692) 22355 D - zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang Bierstedt, Dr. Ruth Fuchs, o) Beschlußempfehlung und Bericht des weiterer Abgeordneter und der Ausschusses für wirtschaftliche Zusam- Gruppe der PDS menarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Uschi Zum Endbericht des Technikfol- Eid und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE genabschätzung-Projektes ,,Auswir- GRÜNEN kungen moderner Biotechnologien auf Entwicklungsländer und Folgen Den politischen Neuanfang und den für die zukünftige Zusammenarbeit Wiederaufbau in der Demokratischen zwischen Industrie- und Entwick- Republik Kongo unterstützen - die hu- lungsländern" manitäre Hilfe verstärken (Drucksa- chen 13/7708, 13/10584) 22356 A (Drucksachen 13/4933, 13/7902, 13/ 10552) 22356 C p) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche Zusam- t) Beschlußempfehlung und Bericht des menarbeit und Entwicklung zu dem Ausschusses für wirtschaftliche Zusam- Antrag der Abgeordneten Dr. Willibald menarbeit und Entwicklung zu dem Jacob, Heinrich Graf von Einsiedel, Antrag der Abgeordneten Wolfgang weiterer Abgeordneter und der Gruppe Schmitt (Langenfeld), Dr. Uschi Eid der PDS und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Aufnahme der Entwicklungszusam- menarbeit zwischen der Bundesrepu- Ablehnung einer Weltbankbeteiligung blik Deutschland und der Republik am Tschad/Kamerun Öl- und Pipe- (Drucksachen 13/8321, 13/ Kuba (Drucksachen 13/10067, 13/10927) 22356 A lineprojekt 11017) 22356 D q) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche Zusam- in Verbindung mit menarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Abgeordneten Dagmar Zusatztagesordnungspunkt 13: Schmidt (Meschede), Dr. Christoph Antrag der Abgeordneten Dr. Uschi Zöpel, weiterer Abgeordneter und der Eid, Wolfgang Schmitt (Langenfeld), Fraktion der SPD Dr. Angelika Köster-Loßack und der Stärkung demokratischer Institutionen Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Rolle von Nichtregierungsor- Reform der Entwicklungszusammen ganisationen in den palästinensischen arbeit (Drucksache 13/10965) . . . . 22357 A Autonomiegebieten (Drucksachen 13/ 9249, 13/10858) 22356 B in Verbindung mit Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Zusatztagesordnungspunkt 14: - zu dem Antrag der Abgeordneten Antrag der Abgeordneten Dr. Uschi Eid, Rolf Köhne, Dr. Gregor Gysi und der Wolfgang Schmitt (Langenfeld) und der Gruppe der PDS Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Auflösung der Verträge zur Welt- Friedliche Beilegung des Konfliktes ausstellung EXPO 2000 zwischen Eritrea und Äthiopien (Drucksachen 13/4367, 13/4887, 13/ (Drucksache 13/10964) 22357 A 5058, 13/4668, 13/7964) 22373 D Dr. Winfried Pinger CDU/CSU 22357 A b) Beschlußempfehlung und Bericht des Dr. Ingomar Hauchler SPD 22358 C Ausschusses für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technik- Dr. Uschi Eid BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 22360 D folgenabschätzung zu dem Bericht des Roland Kohn F.D.P. 22361 D Ausschusses für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technik- Carl-Dieter Spranger, Bundesminister BMZ 22363 C folgenabschätzung gemäß § 56a der Dr. Willibald Jacob PDS 22365 A Geschäftsordnung CDU/CSU 22366 A Technikfolgenabschätzung hier: Machbarkeitsstudie zu einem Adelheid Tröscher SPD 22367 B „Forum für Wissenschaft und Tech- Helmut Jawurek CDU/CSU 22368 D nik" Dr. R. Werner Schuster SPD 22369 D (Drucksachen 13/6451, 13/8755) . . . 22374 A

Tagesordnungspunkt 13: Tagesordnungspunkt 15: a) Erste Beratung des von den Abgeord- a) - Zweite und dritte Beratung des von neten Cem Özdemir, Gerald Häfner, der Bundesregierung eingebrachten weiteren Abgeordneten und der Frak- Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ein- Änderung der Bundesnotarordnung gebrachten Entwurfs eines Gesetzes und anderer Gesetze (Drucksachen zur Änderung des Grundgesetzes 13/4184, 13/11034) (Einführung des kommunalen Wahl- - Zweite und dritte Beratung des vom rechts für Ausländerinnen und Aus- Bundesrat eingebrachten Entwurfs länder) (Drucksache 13/9301) . . . . 22373 C eines Gesetzes zur Änderung der b) Erste Beratung des vom Bundesrat ein- Verordnung über die Tätigkeit von gebrachten Entwurfs eines Gesetzes Notaren in eigener Praxis (Druck- zur Änderung des Grundgesetzes sache 13/2023, 13/11034) 22374 D (betr.: Einführung des kommunalen b) - Zweite und dritte Beratung des von Wahlrechts für Ausländerinnen und der Bundesregierung eingebrachten Ausländer) (Drucksache 13/9338) . . 22373 C Entwurfs eines Gesetzes zur Ände- rung der Bundesrechtsanwaltsord- Tagesordnungspunkt 14: nung, der Patentanwaltsordnung a) Beratung der Beschlußempfehlung und und anderer Gesetze (Drucksachen des Berichts des Ausschusses für Wi rt 13/9820, 13/10123, 13/11035) . . . 22375 A -schaft - Zweite und dritte Beratung des - zu dem Antrag der Abgeordneten vom Bundesrat eingebrachten Ent- Dr. Friedbert Pflüger, Kurt-Dieter wurfs eines Gesetzes zur Änderung Grill, und der Frak- der Bundesrechtsanwaltsordnung tion der CDU/CSU sowie der Abge- (Drucksache 13/9610, 13/11035) . . 22375 A ordneten Detlef Kleinert (Hannover), c) Zweite und dritte Beratung des von der Walter Hirche, weiterer Abgeordne- Bundesregierung eingebrachten Ent- ter und der Fraktion der F.D.P. wurfs eines Ersten Gesetzes zur EXPO 2000 Änderung des Umwandlungsgesetzes - zu dem Antrag der Abgeordneten (Drucksachen 13/8808, 13/10955) . . 22375 A Edelgard Bulmahn, , weiterer Abgeordneter und der Tagesordnungspunkt 16: Fraktion der SPD Beschlußempfehlung und Bericht des EXPO 2000 Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit - zu dem Antrag der Abgeordneten Steffi Lemke, Dr. Helmut Lippelt, - zu dem Antrag der Fraktionen der weiterer Abgeordneter und der CDU/CSU und F.D.P. Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Gewässer schützen - Kosten senken NEN - zu dem Entschließungsantrag der EXPO 2000 Fraktion der SPD zur Großen Anfra- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

ge der Abgeordneten Susanne Kast- rich-Wilhelm Ronsöhr, Meinolf Michels, ner, Michael Müller (Düsseldorf), Editha Limbach, , Wilma weiterer Abgeordneter und der Glücklich, Matthäus Seib, Erika Rein- Fraktion der SPD hardt, Klaus Riegert, , Umwelt- und sozialverträgliche Ab- Josef Hollerith, Albert Deß (alle CDU/ wasserbehandlung und -vermei- CSU) zur Abstimmung über die Beschluß- dung empfehlung des Petitionsausschusses zur Sammelübersicht 357 - Petition 3-13-17- - zu dem Antrag der Abgeordneten Eva 2164-01039 Kinderfragen, Jugendweihe Bulling-Schröter, Dr. Uwe-Jens Rös- (Tagesordnungspunkt 24 p) 22382* C sel, weiterer Abgeordneter und der Gruppe der PDS Ökologische und bezahlbare Was- Anlage 6 serversorgung und Abwasserbesei- Erklärung nach § 31 GO der Abgeordne- tigung ten Rosel Neuhäuser (PDS) zur Ab- (Drucksachen 13/3490, 13/1057, 13/ stimmung über die Beschlußempfehlung 3095, 13/3512, 13/3494, 13/11023) . . 22376 A des Petitionsausschusses zur Sammelüber- sicht 357 zu Petitionen (Tagesordnungs- Dr. Barbara Höll PDS 22376 B punkt 24p) 22382* D Kurt-Dieter G rill CDU/CSU 22378 B Anlage 7 Nächste Sitzung 22379 A Zu Protokoll gegebene Reden zu Tages- ordnungspunkt 11 (a - Entwurf eines Ge- Anlage 1 setzes zur Vereinfachung des zivilgericht- Liste der entschuldigten Abgeordneten- . 22381* A lichen Verfahrens und des Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit; b - Beschluß- empfehlung zu dem Antrag: Entlastung Anlage 2 der Zivilgerichtsbarkeit durch vor- bzw. Bessere EDV-Ausstattung der Bundesan außergerichtliche Streitbeilegung) . . 22383* A stalt für Landwirtschaft und Ernährung CDU/CSU 22383* B für die Ermittlung des wirtschaftlichsten Transportweges, insbesondere per Was- Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten CDU/ serweg CSU 22385* A MdlAnfr 1, 2 - Drs 13/10938 Alfred Hartenbach SPD 22386* B SPD -Annette Faße Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE SchrAntw PStSekr Ernst Hinsken BML . 22381* B GRÜNEN 22388' D Dr. Uwe-Jens Heuer PDS 22389* D Anlage 3 Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Bundesmi Fluglärmbelastung im Bereich Konstanz nister BMJ 22390* C durch den Flughafen Zürich Staatsminister Günter Meyer (Sachsen) . 22391* B MdlAnfr 3, 4 - Drs 13/10938 - Karin Rehbock-Zureich SPD Anlage 8 SchrAntw PStSekr Dr. Norbe rt Lammert Zu Protokoll gegebene Reden zu Zusatzta- BMV 22381 D gesordnungspunkt 12 (Vermögensrechts -bereinigungsgesetz) 22392* D Anlage 4 Dr. Michael Luther CDU/CSU 22392* D Erklärung der Abgeordneten Dr. Herta Hans-Joachim Hacker SPD 22394* B Däubler-Gmelin (SPD) zur namentlichen 90/DIE GRÜ Abstimmung über die Beschlußempfeh- Gerald Häfner BÜNDNIS 22395 A lung des Finanzausschusses zu dem An- NEN trag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Dr. Uwe-Jens Heuer PDS 22396* A NEN: Einstieg in eine ökologisch-soziale Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Bundesmini Steuerreform 22382* B ster BMJ 22396* D

Anlage 5 Anlage 9 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordne- Zu Protokoll gegebene Reden zu Tages- ten , Johannes Singham- ordnungspunkt 13 mer, , Peter Keller, Her- bert Frankenhauser, Dr. , (Gesetzentwurf: Änderung des Grund Wolfgang Zöller, Dr. Gerd Müller, Hein gesetzes [Einführung des kommunalen Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Wahlrechts für Ausländerinnen und Aus- nung und anderer Gesetze; b - Entwurf ei- länder]) nes Gesetzes zur Änderung der Bundes- CDU/CSU 22397* B rechtsanwaltsordnung, der Patentanwalts- ordnung und anderer Gesetze, Entwurf ei- Minister Dr. Ekkehard Wienholtz (Schles- nes Gesetzes zur Änderung der Bundes- wig-Holstein) 22399* C rechtsanwaltsordnung; c - Entwurf eines Cern Özdemir BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 22398* D Gesetzes zur Änderung des Umwand- lungsgesetzes) Dr. F D P. 22400 *D Horst Eylmann CDU/CSU 22407* D Ulla Jelpke PDS 22401* D Dr. Bertold Reinartz CDU/CSU 22409* B Alfred Hartenbach SPD 22411 * A Anlage 10 Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE Zu Protokoll gegebene Reden zu Tages- GRÜNEN 22412* B ordnungspunkt 14 (a - Anträge: EXPO 2000; b - Bericht: Technikfolgenabschät- Dr. Uwe-Jens Heuer PDS 22412* D zung hier: Machbarkeit zu einem „Forum Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Bundesmini für Wissenschaft und Technik") ster BMJ 22413' B Dr. Friedbert Pflüger CDU/CSU 22402* B Edelgard Bulmahn SPD 22403* C Anlage 12 Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/DIE Zu Protokoll gegebene Reden zu Tages- GRÜNEN 22405* A ordnungspunkt 16 (Beschlußempfehlung zu den Anträgen: Gewässer schützen - Walter Hirche F.D.P 22405* C Kosten senken, umweit- und sozialverträg- Rolf Kähne PDS - 22406* B liche Abwasserbehandlung und -vermei- Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär dung, ökologische und bezahlbare Was- serversorgung und Abwasserbeseitigung) BMWi 22406* C Susanne Kastner SPD 22414* B Anlage 11 Dr. Jürgen Rochlitz BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 22415* B Zu Protokoll gegebene Reden zu Tages ordnungspunkt 15 (a - Entwurf eines Ge Birgit Homburger F D P. 22416* B setzes zur Änderung der Bundesnotarord Ulrich Klinkert, Parl. Staatssekretär BMU 22417* B

Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22175

241. Sitzung

Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Beginn: 9.00 Uhr

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Guten Morgen, DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes meine Damen und Herren, verehrte Kolleginnen und zur Einführung einer ökologischen Besteue rung von Energie (Energiesteuergesetz) - Drucksachen 13/3067, Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet. 13/10924 -

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des ich auf der Tribüne die Präsidentin der Nationalver- Finanzausschusses (7. Ausschuß) zu dem Antrag der Ab- sammlung der Republik Südafrika, Frau Dr. Frene geordneten Rainder Steenblock, Andrea Fischer (Berlin), Ginwala, Kristin Heyne, weiterer Abgeordneter und der Fraktion und ihre Delegation ganz herzlich begrü- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Einstieg in eine ökolo- ßen. gisch-soziale Steuerreform - Drucksachen 13/3555, (Beifall) 13/10924 - - Sie haben es dem Begrüßungsapplaus entnommen: 7. Beratung des Antrags der Abgeordneten Michaele Hustedt, Marieluise Beck (Bremen), Franziska Eichstädt-Bohlig, wei- Wir freuen uns, daß Sie unsere Einladung nach terer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE Deutschland und in den Deutschen Bundestag ange- GRÜNEN: Mit der Energiesteuer Lohnnebenkosten senken nommen haben. Wir haben in den letzten Jahren mit - Drucksache 13/7750- großer Aufmerksamkeit bei vielen Kontakten die 8. Beratung des Antrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Entwicklung in Ihrem Land verfolgt. Ich brauche hier NEN: Absenkung der Lohnnebenkosten - Drucksache nicht noch einmal zu wiederholen, wie sehr wir die- 13/8591 - sen Prozeß in Südafrika anerkennen und bewundern 9. Weitere Überweisungen im vereinfachen Verfahren und wie froh wir sind über das, was Sie in Ihrem (Ergänzung zu TOP 22) Land neu aufbauen und gestalten. Herzlich willkom- a) Erste Beratung des von der Bundesregierung einge- men! brachten Entwurfs eines Gesetzes zu der am 17. Septem- (Beifall) ber 1997 in Montreal beschlossenen Änderung zum Montrealer Protokoll vom 16. September 1987 über Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen - ich dem Kollegen Engelbert Nelle zu seinem 65. Ge- Drucksache 13/10901 - burtstag, den er am 9. Juni feierte, nachträglich herz- b) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Ent- liche Glückwünsche aussprechen. wurfs eines Gesetzes zur steuerlichen Förderung von Wagniskapital - Drucksache 13/10990 - (Beifall) 10. Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache Sodann ist eine Nachbenennung für die verstor- (Ergänzung zu TOP 23 und 24) bene Kollegin Christine Kurzhals im Beirat der Regu- a) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des lierungsbehörde für Telekommunikation und Post er- Ausschusses für Wirtschaft (9. Ausschuß) zu der Verord- forderlich. Die Fraktion der SPD schlägt als neues or- nung der Bundesregierung: Aufhebbare Vierundneun- zigste Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste dentliches Mitglied den Kollegen Gerd Rübenkönig, - Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung - Druck- der bisher stellvertretendes Mitglied war, und den sachen 13/10745, 13/10884 Nr. 2.1, 13/10992 - Kollegen Eike Hovermann als stellvertretendes Mit- b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des glied vor. Sind Sie damit einverstanden? - Kein Wi- Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktor- derspruch. Dann sind die beiden Kollegen als Mit- sicherheit (16. Ausschuß) zu der Verordnung der Bun- glied bzw. stellvertretendes Mitglied für den Beirat desregierung: Zustimmungsbedürftige Verordnung bei der Regulierungsbehörde benannt. über die Entsorgung von Geräten der Informations-, Büro - und Kommunikationstechnik (IT-Altgeräte-Ver- Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die ordnung - ITV) - Drucksachen 13/10 769, 13/10 884 Nr. 2.2, 13/11024 - heutige Tagesordnung um folgende Ihnen in einer Zusatzpunktliste vorliegenden Punkte erweitert wer- c) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des den: Rechtsausschusses (6. Ausschuß) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregie- 6. a) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten rung über die praktischen Auswirkungen der im Be- Rainder Steenblock, Michaele Hustedt, Kristin Heyne, treuungsgesetz enthaltenen Regelungen zur Sterilisa- weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/ tion - Drucksachen 13/3822, 13/4034 Nr. 2, 13/11033 - 22176 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth 11. Aktuelle Stunde auf Verlangen der Gruppe der PDS: Hal- c) Beratung der Großen Anfrage der Abgeord- tung der Bundesregierung zu den Äußerungen ihres Pres- neten Siegmar Mosdorf, Dr. Ingomar sesprechers Hauser, die Hilfe beim Aufbau im Osten mit Wahlergebnissen in den neuen Bundesländern in Verbin- Hauchler, Ernst Schwanhold, weiterer Ab- dung zu bringen geordneter und der Fraktion der SPD 12. a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregie- Politische Antworten auf die wirtschaft- rung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Berei- nigung vermögensrechtlicher und anderer Vorschriften liche Globalisierung (Vermögensrechtsbereinigungsgesetz - VermBerG) - - Drucksachen 13/10103, 13/10 995 - Drucksachen 13/10246, 13/11041 - b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des d) Beratung der Großen Anfrage der Abgeord- Rechtsausschusses (6. Ausschuß) neten Dr. Elke Leonhard, Robe rt Antretter, - zu dem Antrag der Abgeordneten Hans-Joachim Dr. Eberhard Brecht, weiterer Abgeordneter Hacker, Rolf Schwanitz, Siegf ried Scheffler, weiterer und der Fraktion der SPD Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Hemmnisse und Rechtsunsicherheiten im Immobilienrecht und Chancen der Globalisierung und Gestal- beim Nutzerschutz beseitigen tung der Außenwirtschaftspolitik - zu dem Antrag der Abgeordneten Hans-Joachim Hacker, Dr. Herta Däubler-Gmelin, Hermann Bachmaier, weite- - Drucksachen 13/10 306, 13/10996- rer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Mehr Rechtssicherheit und Rechtsschutz für Nutzer von Frei- e) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD zeitgrundstücken in den neuen Bundesländern Beratung über die Umsetzung der be- - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Uwe-Jens Rössel, Dr. Christa Luft, Rolf Kutzmutz, weiterer Abge- schäftigungspolitischen Leitlinien anläß- ordneter und der Gruppe der PDS: Novellierung des lich des Europäischen Rates in Cardiff am Gesetzes über die Feststellung der Zuordnung von 15./16. Juni 1998 ehemals volkseigenem Vermögen (Vermögenszuord- nungsgesetz) - Drucksache 13/10 602 - - zu dem Antrag der Abgeordneten Klaus-Jürgen Beratung des Antrags der Abgeordneten Warnick, Dr. Uwe-Jens Heuer, Dr. Gregor Gysi und f) der Gruppe der PDS: Begrenzung der Erhöhung der Marieluise Beck (Bremen), Matthias Bernin- Nutzungsentgelte für Erholungsgrundstücke in Ost- ger, Annelie Buntenbach, weiterer Abge- deutschland auf die derzeit übliche Bodenrendite ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Uwe-Jens DIE GRÜNEN Heuer, Klaus-Jürgen Warnick, Dr. Gregor Gysi und der Gruppe der PDS: Begrenzung des Anstiegs der Für einen neuen Gesellschaftsvertrag: Nutzungsentgelte für Erholungsgrundstücke in Ost- Kooperative und nachhaltige Beschäfti- deutschland auf ein sozial erträgliches Maß - Druck- gungspolitik sachen 13/10329, 13/7304, 13/9068, 13/10466, 13/7532, 13/11041 - - Drucksache 13/10963- 13. Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Uschi Eid, Wollgang Schmitt (Langenfeld), Dr. Angelika Köster-Loßack g) Beratung der Großen Anfrage der Abgeord- und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Reform der neten Kristin Heyne, Margareta Wolf Entwicklungszusammenarbeit - Drucksache 13/10 965 - (Frankfurt), Marieluise Beck (Bremen), wei- 14. Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Uschi Eid, Wolf- terer Abgeordneter und der Fraktion gang Schmitt (Langenfeld) und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Friedliche Beilegung des Konfliktes zwi- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schen Eritrea und Äthiopien - Drucksache 13/10964 - Beschäftigungsfördernde und umweltver- Von der Frist für den Beginn der Beratung soll, trägliche Wirtschaftsentwicklung soweit erforderlich, abgewichen werden. - Drucksachen 13/10 612, 13/10 997 - Des weiteren ist vereinbart worden, den Tagesord- ZP6 a) Zweite und dritte Beratung des von den Ab- nungspunkt 9 - Biotechnologie - erst am Freitag geordneten Rainder Steenblock, Michaele nach dem Tagesordnungspunkt 19 - Sekten und Psy- Hustedt, Kristin Heyne, weiteren Abgeord- chogruppen - aufzurufen. Die Tagesordnungspunkte neten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE 18 - Asylbewerberleistungsgesetz - und 23 k - Wahl- GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines statistikaufhebungsgesetz - sollen in dieser Woche Gesetzes zur Einführung einer ökologi- abgesetzt werden. schen Besteuerung von Energie (Energie- Sind Sie auch damit einverstanden? - Kein Wider- steuergesetz) spruch. Wir verfahren so. - Drucksache 13/3067 - Ich rufe die Tagesordnungspunkte 5 a bis 5 g sowie (Erste Beratung 80. Sitzung) die Zusatzpunkte 6 bis 8 auf: Beschlußempfehlung und Bericht des Finanz- 5. a) Abgabe einer Erklärung durch die Bundes- ausschusses (7. Ausschuß) regierung - Drucksache 13/10 924 - zum Europäischen Rat in Cardiff am 15. und 16. Juni 1998 Berichterstattung: Abgeordnete Ludwig Eich b) Beratung des Antrags der Fraktionen der Gisela Frick CDU/CSU und F.D.P. Dr. Barbara Höll Chancen der Globalisierung nutzen Michaele Hustedt - Drucksache 13/10 976 - Peter Rauen Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22177

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler: Frau Präsidentin! Berichts des Finanzausschusses (7. Aus- Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Ta- schuß) zu dem Antrag der Abgeordneten gung des Europäischen Rats in Cardiff war eine Rainder Steenblock, Andrea Fischer (Ber- wichtige Begegnung auf dem Weg zum weiteren lin), Kristin Heyne, weiterer Abgeordneter Ausbau des Hauses Europa. Nach den Beschlüssen und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- zur Erweiterung der Europäischen Union und zur NEN Einführung des Euro haben wir in Cardiff eine Zwi- schenbilanz gezogen und vor allem über den weite- Einstieg in eine ökologisch-soziale Steuer- reform ren Kurs auf dem Weg nach Europa diskutiert. - Drucksachen 13/3555, 13/10924 - Wesentliche Fragen der europäischen Tagesord- nung waren zu behandeln. Berichterstattung: Erstens haben wir intensiv über die Fragen der Abgeordnete Ludwig Eich wirtschaftlichen Entwicklung und der Beschäftigung Gisela Frick gesprochen. Dr. Barbara Höll Michaele Hustedt Zweitens haben wir eine erste und ausführliche Peter Rauen Aussprache zwischen den Staats- und Regierungs- chefs über die künftige Ausrichtung und Gestaltung ZP7 Beratung des Antrags der Abgeordneten der Europäischen Union gehabt. Dies wurde nicht Michaele Hustedt, Marieluise Beck (Bremen), zuletzt durch den gemeinsamen B rief von Staatsprä- Franziska Eichstädt-Bohlig, weiterer Abgeord- sident Jacques Chirac und mir angeregt. neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drittens haben wir ausführlich über die anste- hende Fortentwicklung der europäischen Struktur- Mit der Energiesteuer Lohnnebenkosten politik, der Agrarpolitik und der Finanzen gespro- senken chen. Dies alles verbirgt sich ja hinter dem Begriff - Drucksache 13/7750 „Agenda 2000". Grundlage der Beratungen war ein —Überweisungsvorschlag: erster Zwischenbericht der britischen Präsidentschaft und des Rates. Es konnte dabei nicht um konkrete Finanzausschuß (federführend) Ausschuß für Wirtschaft Entscheidungen gehen. Da die Kommission ihre Vor- Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung schläge zu einer künftigen Finanzwirtschaft erst im Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Spätherbst vorlegen wird, konnten die Gespräche Ausschuß für Fremdenverkehr und Tourismus nur als Zwischengespräche verstanden werden. Wichtig ist, daß wir jetzt einen Zeitplan für das wei- ZP8 Beratung des Antrags der Fraktion BÜND- tere Vorgehen vereinbart haben. NIS 90/DIE GRÜNEN Absenkung der Lohnnebenkosten Viertens haben wir eine Zwischenbilanz über den Stand des Erweiterungsprozesses gezogen. - Drucksache 13/8591 Fünftens wurden gerade in der jetzigen Situation —Überweisungsvorschlag: wichtige Themen der internationalen Politik bespro- Finanzausschuß (federführend) chen, vor allem auch die Krise mit ihren bürger- Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung kriegsähnlichen Entwicklungen im Kosovo. Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Sechstens haben wir Berichte zu wichtigen The- Es liegen zwei Entschließungsanträge der Fraktion men - organisierte Kriminalität, Drogen und Umwelt der SPD vor. - entgegengenommen. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind Meine Damen und Herren, zu den besonders wich- für die Aussprache nach der Regierungserklärung tigen Themen in Cardiff gehörte natürlich die Erörte- drei Stunden vorgesehen. - Kein Widerspruch. Wir rung der wirtschafts- und beschäftigungspolitischen verfahren so. Fragen. Die umfassende Debatte zu diesem Thema hat auch gezeigt, daß wir uns in Deutschland bei na- Bevor ich dem Herrn Bundeskanzler das Wo rt hezu allen wichtigen Kennzahlen der Wirtschaftsent- erteile, weise ich darauf hin, daß wir nach dieser Aus- wicklung im Vergleich zu den EU-Mitgliedsstaaten sprache über einen Antrag auf Zurückweisung eines wiederum in die Spitzengruppe vorgearbeitet haben. Einspruchs des Bundesrates namentlich abstimmen werden. Für diese Abstimmung benötigen Sie neben (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Ihrer Stimmkarte auch Ihren Stimmausweis in der Was besonders erfreulich ist: Diese Daten zeigen ja Farbe gelb. Den Stimmausweis können Sie nachher auch, daß diese Aufwärtsentwicklung weitergeht. Ihrem Stimmkartenfach entnehmen. Das gilt ebenfalls für den schwierigen Bereich des Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung Arbeitsmarktes. Allein in den letzten drei Monaten hat jetzt der Bundeskanzler, Dr. Helmut Kohl. ist die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland um über 600 000 zurückgegangen. (Werner Schulz [Berlin] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Beifall!) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) 22178 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl Damit wird deutlich, daß wir das ins Auge gefaßte Anlaß - eine Größenordnung von über 7 Prozent er- Ziel für dieses Jahr erreichen können. Besonders wartet wurde. kräftig ist die Arbeitslosigkeit in den alten Bundes- Besonders eindeutig fällt der Vergleich mit unseren ländern gesunken. Auch am ostdeutschen Arbeits- Nachbarn in bezug auf die Jugendarbeitslosigkeit markt gibt es eine Erholung, aber sie geht leider sehr aus. Die Quote lag im April 1998 in Deutschland bei viel langsamer vonstatten. Die Normalisierung im 10,8 Prozent und war damit nur halb so hoch wie der Baubereich wird in den neuen Ländern durch die dy- Durchschnitt der EU mit 21,9 Prozent. namische Entwicklung vor allem in der Indust rie zu- nehmend kompensiert. (Manfred Müller [Berlin] [PDS]: Das tröstet aber gewaltig!) In dieser Woche hat das Statistische Bundesamt mitgeteilt, daß die Zahl der Beschäftigten in den ost- Diese 10,8 Prozent sind natürlich noch viel zu hoch; deutschen Industriebetrieben im Ap ril dieses Jahres darüber kann es keinen Zweifel geben. Aber trotz- erstmals seit 1991 wieder gestiegen ist. Das ist eine dem ist es eine sehr beachtenswerte Zahl - gerade im höchst erfreuliche Feststellung. Vergleich zu anderen Ländern. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Es ist unübersehbar - das ist auch in der Diskus- Selbstverständlich geben wir uns mit dieser Zahl sion in Cardiff deutlich geworden und anerkannt nicht zufrieden. worden -: Der Wirtschaftsaufschwung in Deutsch- Aber wenn man nun die Lage in Deutschland be- land gewinnt weiter an Fahrt. Das ist für EU-Europa trachtet, ist es schon sinnvoll, einmal darauf hinzu- von ganz großer Bedeutung. Dabei ist es besonders weisen, daß die Unterschiede zwischen den einzel- erfreulich, daß zusätzlich zur dynamischen Auslands- nen Bundesländern auch etwas über die regionale zum Export, inzwischen der Investitions- nachfrage, Strukturpolitik und deren Erfolge aussagen. motor ebenfalls angesprungen ist. Damit erhält der Aufschwung endlich ein zweites Standbein. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Ich habe mit großem Interesse die Regierungserklä- rung des gerade neugewählten Ministerpräsidenten Alle Prognosen der nationalen wie der internatio- von Nordrhein-Westfalen und die Ankündigung der nalen Institutionen - dies sagt nicht zuletzt auch die notwendigen Reformen zur Kenntnis genommen. In Europäische Kommission - bestätigen, daß wir in diesem Zusammenhang frage ich mich schon, warum Deutschland in diesem Jahr ein Wachstum in der man damit im Vergleich zu anderen Bundesländern Größenordnung von über 2,5 bis in die Nähe von so lange gewartet hat. 3 Prozent erreichen werden. Das ist eine höchst posi- tive Entwicklung. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Joseph Fischer [Frankfu rt] [BÜNDNIS 90/ Hierzu wird das Wachstum von 3,8 Prozent im ersten DIE GRÜNEN]: Westerwelle! Neuland! Vierteljahr beitragen. Es ist das höchste Wachstum Dazu können wir mal Guido zitieren!) seit der Wiedervereinigung. Darüber können wir uns - Ich glaube nicht, Herr Abgeordneter Fischer, daß ganz besonders freuen. Sie zu diesem Thema jemals etwas beigetragen ha- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) ben. Zwischenrufe sind so ziemlich das einzige, was Sie dazu beitragen können. Auch im europäischen Vergleich kommen wir Meine Damen und Herren von der SPD, die Zahlen beim Abbau der Arbeitslosigkeit voran. Dies ändert sprechen für sich; Sie müssen sie schon ertragen. Die natürlich überhaupt nichts an der Tatsache, daß die Jugendarbeitslosigkeit liegt in Niedersachsen bei Arbeitslosigkeit überall in Europa nach wie vor zu 11,2 Prozent, in Nordrhein-Westfalen bei 11,3 Prozent hoch ist und daß dies die große Herausforde rung für und im Saarland bei 11,4 Prozent; das ist die T rilogie, die Europäische Union bedeutet. Die Europäische die Sie vorweisen können. In Baden-Württemberg Kommission erwartet auf der Grundlage von Zahlen liegt sie dagegen bei 6,6 Prozent und in Bayern bei des Statistischen Amtes der Europäischen Gemein- 5,9 Prozent. schaften für Deutschland in diesem Jahr eine Ar- beitslosenquote von unter 10 Prozent - genau 9,8 Pro- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) zent. Dabei ist es wichtig, in diesem Hause einmal darauf hinzuweisen, wie die Zahlen in anderen Län- Wenn man berücksichtigt, daß die gleichen Gesetz- dern aussehen. mäßigkeiten und Grundbedingungen in der ganzen Bundesrepublik gelten, stellt sich schon die Frage - (Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.]: So ist es!) wenn wir auf den Vergleich mit anderen Ländern in Europa angesprochen werden -, was die Landesre- Ich nenne die Vergleichszahlen: Für Frankreich er- gierung in Niedersachsen in diesen ganzen Jahren wartet die EU-Kommission in diesem Jahr eine Ar- getan hat beitslosenquote in Höhe von 11,9 Prozent, für Italien von 12 Prozent, für Spanien von 19,7 Prozent und für (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Großbritannien eine Arbeitslosenquote in der Grö- Joseph Fischer [Frankfu rt] [BÜNDNIS 90/ ßenordnung von 6,6 Prozent. Sie wissen, daß für DIE GRÜNEN]: Was hat Jacques Chirac Großbritannien vor einem Jahr - aus einem anderen dazu gesagt?) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22179

Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl und was die Landesregierung in Nordrhein-Westfa- Tat, wenn wir bei der Preisstabilität auf dieser Linie len getan hat. Was die Landesregierung im Saarland weiter vorankommen. getan hat, das wissen wir aus langer Erfahrung. Das ist so bekannt, daß man es nicht kommentieren muß. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Noch etwas ist von großer Bedeutung: Die langfri- Tatsache ist, daß es für den neugewählten Mi- stigen Zinsen sind in Deutschland im Moment auf nisterpräsidenten von Nordrhein-Westfalen viel zu dem niedrigsten Niveau seit über drei Jahrzehnten. tun gibt, wenn er und seine Landesregierung die Er- Das ist die beste Voraussetzung für arbeitsplatzschaf- folge von Baden-Württemberg und Bayern wenig- fende Investitionen - übrigens nicht zuletzt im Woh- stens annähernd erzielen wollen. Das ist ein Weg, nungsbau. Dazu will ich Ihnen ein konkretes Beispiel den zu gehen ich ihn ausdrücklich ermutigen will. nennen. Wer heute ein Eigenheim baut, bekommt sein Baugeld für zehn Jahre zu Zinsen von unter (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) 6 Prozent. Da jetzt oft der Zeitraum 16 Jahre genannt wird, will ich einmal darauf hinweisen, daß der Zins- Meine Damen und Herren, auch bei der Diskussion satz vor 16 Jahren statt 6 Prozent 10 Prozent betrug. um das, was wir voneinander übernehmen können - Das heißt ganz konkret: Ein Baudarlehen von 200 000 gerade bei dem Thema Jugendarbeitslosigkeit -, ha- DM kostete damals 1 670 DM im Monat, und heute ben wir viel Grund, noch einmal darauf zu verwei- sind es 1 000 DM. Das sind nur 60 Prozent im Ver- sen, wie wichtig es ist, daß wir das duale System der gleich zu den Kosten von 1982. Ich finde, das ist eine Berufsausbildung beibehalten und daß wir diese Fra- imponierende Leistung im sozialen Bereich und för- gen in einer freiheitlichen Ordnung regeln und nicht dert die Entwicklung zu Eigentum in unserem Land. zu einer Ausbildungsabgabe kommen. Das ist mit großer Deutlichkeit gesagt worden. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Meine Damen und Herren, all das war nur durch viel Arbeit und durch viel gemeinsames Tun möglich. Für uns Deutsche ist bei dieser Debatte wichtig, Dabei ist eines vor allem wichtig: Unsere Reformen daß ein Vorgang, der uns in unserem Lande große und Veränderungen tragen Früchte. Die Bundesre- Sorgen machen muß, auch in den europäischen gierung hat - wie jeder in diesem Haus weiß - diese Nachbarländern zu beobachten ist. Es handelt sich Reformen in diesen Jahren gemeinsam mit der Koali- um das Problem für ältere Arbeitnehmer, aus der Ar- tion gegen zum Teil erbitterte Widerstände durchge- beitslosigkeit herauszukommen und einen neuen Ar- setzt. Wenn Sie noch einmal überlegen, wieviel Zeit beitsplatz zu finden. Ich bleibe dabei, daß das eine und Kraft notwendig waren, um die Privatisierung der Herausforderungen ist, die uns mit am meisten der Post, die Liberalisierung des Telekommunika- beschäftigen muß. Es ist unerträglich, daß jeman- tionsmarktes und vieles andere auf den Weg zu brin- dem, der 50 oder 51 Jahre alt ist, mitgeteilt wird, er gen, dann wissen Sie, wie richtig diese Bemerkung sei für eine neue Verwendung zu alt. Ich glaube, daß ist. Diese Reformen haben zu Unternehmensneu- insoweit eine soziale Herausforderung besteht, die gründungen geführt. Damit sind zusätzliche Impulse außerordentlich wichtig ist. Wir haben in den be- für neue Arbeitsplätze in diesem wichtigen Zukunfts- schäftigungspolitischen Leitlinien festgelegt, daß ge- sektor geschaffen worden. rade diese Frage im europäischen Kontext besonders Der Präsident der Europäischen Kommission, Jac- intensiv bearbeitet werden muß. ques Santer, hat bei der Tagung in Cardiff darauf (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) hingewiesen, daß die Beschäftigtenzahl allein im Te- lekommunikationsbereich im Gebiet der EU um jähr- Meine Damen und Herren, auch die anderen wirt- lich 8 Prozent zunimmt. So kann jeder erkennen, daß schaftlichen Grunddaten sind in Deutschland so gut die notwendigen Schritte auch gute Früchte tragen. wie seit langem nicht. Im Mai dieses Jahres betrug Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die der Preisanstieg in Deutschland trotz der vorange- Fortsetzung der Gesundheitsreform, die seit 1. Juli gangenen Erhöhung der Mehrwertsteuer nur 1,3 Pro- 1997 in Kraft ist, und die Rentenreform, die 1999 in zent. Ich betone das, weil wir bei der Diskussion um Kraft treten wird. Beides sind Entscheidungen, die die Erhöhung der Mehrwertsteuer hören mußten, dazu beitragen, daß der Anstieg der zu hohen Lohn- welche katastrophalen Preisentwicklungen uns ins zusatzkosten, die auf Arbeitsplätzen lasten und den Haus stehen würden. Jetzt verzeichnen wir einen Arbeitsmarkt belasten, dauerhaft begrenzt wird. Ei- Preisanstieg in einer Größenordnung, der auch im nige Krankenkassen - ich will das hier feststellen - europäischen Vergleich eine Spitzenposition dar- haben inzwischen Beitragssenkungen angekündigt. stellt. Ich halte all dies für gute Signale für mehr Beschäfti- gung in Deutschland. Für uns ist die Preisstabilität vor allem als Teil der Sozialpolitik wichtig. Gerade Rentner, Bezieher ge- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) ringerer Einkommen und Sparer sind ganz besonders Wer in diesen Tagen und Monaten diese Reformen, darauf angewiesen, daß ihr Geld seinen Wert behält. die - das erkennt jeder - überfällig sind, und diese Im übrigen ist Preisstabilität ein wichtiger Teil einer Veränderungen, die notwendig sind, auf Grund von guten Konjunkturpolitik. Auf unsere Verhältnisse be- Wahlversprechen wieder rückgängig machen will, zogen bedeutet ein Prozentpunkt weniger Inflation der zerstört Aufschwung und Arbeitsplätze. einen Kaufkraftgewinn von rund 18 Milliarden DM pro Jahr. Deswegen ist es eine ganz wichtige soziale (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) 22180 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl Um unsere Ziele zu erreichen, müssen wir insbe- drucksvoll: In den letzten Jahren wurde aus dem Dol- sondere alles tun, um unseren Standort Deutschland largebiet in Großbritannien fast achtmal mehr inve- in der veränderten Welt für in- und ausländische In- stiert als bei uns in Deutschland. Wir brauchen in vestoren attraktiver zu machen. Ich glaube, daß un- den neuen Ländern jeden Dollar und jede Mark für sere Chancen gut sind. Wenn Sie die Entwicklung neue Investitionen. Durch Ihre Blockadepolitik wird gerade in diesen Tagen, vielleicht sogar in diesen das gestoppt und verhindert. Stunden in Asien, nicht zuletzt in Japan, beobachten, dann sehen Sie, daß Deutschland ein Standort von (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) hoher Qualität ist. Wir sollten das auch nach außen Ohne ein international wirklich wettbewerbsfähiges deutlich machen. Wir müssen a lles tun, um unseren Steuersystem können wir unsere Ziele nicht errei- Sozialstaat finanzierbar zu halten, damit auch in Zu- chen. Deswegen bleibt unser Steuerkonzept richtig kunft Wohlstand und soziale Sicherheit gewährleistet und muß durchgesetzt werden. werden. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) und der F.D.P.) Meine Damen und Herren, wenn der Ministerprä- Um es einfach zu sagen: Die Bundesregierung und sident von Nordrhein-Westfalen auch nur einen Teil die Koalition von CDU/CSU und F.D.P. stehen dafür dessen, was er gestern zugesagt hat, durchsetzen ein, daß der eingeschlagene Weg für mehr Beschäfti- will, kann er jetzt schon sagen, daß er im Bundesrat gung und damit für die Sicherung der Zukunft fort- für die große Steuerreform stimmt. gesetzt wird. (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Für unsere!) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.) Das ist die entscheidende Voraussetzung auch für sein eigenes Land. Auf diesem Weg sind fünf konkrete Schwerpunkte zu berücksichtigen: - (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Erstens. Die große Steuerreform - im Sinne der Zweitens. Natürlich muß auch angesichts der de- Vorlage, die gemeinsam erarbeitet wurde und die mographischen Entwicklung in unserem Land die der Bundestag im übrigen beschlossen hat -, ist über- Arbeit an der Rentenreform fortgesetzt werden. fällig; sie muß endlich durchgesetzt werden. (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Das alles (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) haben Sie in Cardiff besprochen?) Die täglichen Erfahrungen, die wir in Bonn und an- derswo in Gesprächen mit ausländischen Investoren, Niemand will eine Politik zu Lasten der Rentner. vor allem auch mit Investoren aus dem Dollarbereich, Aber so, wie wir Verantwortung für die Rentner und machen, zeigen uns, daß die Besteuerung in unserem die ältere Generation tragen, tragen wir ebenfalls Land eines der entscheidenden Hindernisse für Inve- Verantwortung für die nachfolgende Generation, der stitionen ist. In vielen Gesprächen, die ich führe, höre man nicht die ganze Last der Folgen der demogra- ich immer wieder, daß nahezu alle Daten bei uns als phischen Entwicklung aufbürden kann. erstklassig anerkannt werden: der Gemeinsinn, das (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge Trachten und das Mittun der Arbeitnehmerschaft, ordneten der F.D.P.) der hohe Ausbildungsstandard, die Infrastruktur und vieles andere. Am Ende der Gespräche wird mir Deshalb ist es absolut zwingend, die umlagefinan- dann aber immer die Frage nach der Steuerhöhe ge- zierte Altersversorgung stärker durch eine kapitalge- stellt. Die Verschleppung der Steuerreform, deckte, eigenverantwortliche Vorsorge zu ergänzen. (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Ein Wenn wir das machen wollen - wir müssen es ma- Skandal!) chen -, dann müssen wir den Jungen auch zusagen, daß ihre Eigenleistungen im Rahmen der Steuerre- die jetzt im besten Falle zum 1. Januar 2000 in Kraft form steuerlich berücksichtigt werden. treten kann, hat uns - mit allen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt - ungeheuer geschadet. (Zuruf von der SPD: Cardiff!) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Beides gehört zusammen: Renten- und Steuerreform. Da es in diesen Tagen üblich ist, vor allem den Ver- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge gleich mit Großbritannien anzustellen, will auch ich ordneten der F.D.P.) das tun. Die Briten haben in ihrem Steuersystem ganz bewußt Investitionen besonders schonend be- Drittens. Für die wi rtschaftliche Entwicklung ist es handelt. Das hat nicht nur die letzte konservative Re- entscheidend, daß wir eine neue Gründerwelle auf gierung unter John Major getan; vielmehr tut es den Weg bringen. Nur so erreichen wir dauerhafte auch die New-Labour-Regierung. Auch das ist inter- Beschäftigung. Wir haben deshalb die Startchancen essant. Diese Regierung hat bis jetzt nichts getan, um für Existenzgründer und junge Unternehmer nach- Investitionen zurückzuschrauben; vielmehr tut sie - haltig verbessert - zum Beispiel den Zugang zu Wag- dies zeigt sich auch bei den aktuellen steuerpoliti- niskapital im Zuge des Dritten Finanzmarktförde- schen Diskussionen in London - a lles, um weitere In- rungsgesetzes. Allein 1997 haben sich 530000 Men- vestitionen zu ermöglichen. Das Ergebnis ist ein schen in Deutschland wi rtschaftlich selbständig ge- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22181

Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl macht. Das ist die höchste Zahl seit der Wiederverei- Gerade die Diskussionen im Zusammenhang mit der nigung. Volksabstimmung in der Schweiz in diesem Bereich sollten jedem in Deutschland zeigen, wohin eine (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU Blockadepolitik führt. und der F.D.P.) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Dabei weiß ich so gut wie Sie, daß es neben diesen Neugründungen auch eine ganze Reihe von Schlie- Fünftens. Ich will für die Bundesregierung und für ßungen gegeben hat. Aber für uns ist es entschei- die Koalition noch einmal betonen, daß für uns der dend, daß bei einem Vergleich dieser Zahlen immer Aufbau Ost auch in Zukunft absolute Priorität hat. noch ein Überschuß von knapp 100 000 zugunsten Ich würde es sehr begrüßen, wenn auch von seiten der Existenzgründungen zu verzeichnen ist. Wenn der Sozialdemokraten dieser Satz einmal klar ausge- das Jahr für Jahr so geschehen würde, kämen wir sprochen und durch Taten bekräftigt würde. auch auf diesem Wege voran. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge ordneten der F.D.P.) ordneten der F.D.P.) Morgen wird in Schwerin die Gemeinsame Initia- Viertens. Wir müssen - auch das war in Cardiff ein tive für mehr Arbeitsplätze in Ostdeutschland eine Schwerpunktthema -, um die Arbeitslosigkeit zu be- Zwischenbilanz ziehen. Wir haben die feste Absicht - kämpfen und neue Arbeitsplätze zu schaffen, Ver- und werden entsprechend handeln -, den Ausbau besserungen im Bereich von Bildung und Ausbil- der Infrastruktur und die Förderung der Investitionen dung durchführen. Auf der Jahrestagung der Deut- in den neuen Ländern auf hohem Niveau fortzuset- schen Forschungsgemeinschaft gestern wurde je- zen. Dazu gehört natürlich ebenfalls, daß auch die dem, der dabei war, deutlich vor Augen geführt, was Tarifpartner ihren Beitrag zum Beschäftigungsaufbau jetzt geschehen muß, damit wir fähig werden, die leisten und daß die Tarife moderat und flexibel ge- notwendigen Entscheidungen im Bereich der Hoch- staltet werden. schulen zu treffen. Das gilt aber auch allgemein- für Auf der Tagesordnung in Cardiff stand mit der die Forschung und die Schulen. Wir brauchen die be- Agenda 2000 ein weiterer wichtiger Punkt, der für sten Schulen. Wir können dieses Ziel nur erreichen, die Fortentwicklung der Europäischen Union von wenn wir zur Kenntnis nehmen, daß wir davon ge- großer Bedeutung ist. Es geht darum, der Europäi- genwärtig noch ein gutes Stück entfernt sind. Das schen Union die innere Stabilität und die notwendi- sollten wir uns alle selbstkritisch eingestehen; das gen Mittel zu geben, damit sie auch nach einer Er- gilt für den Bund und in besonders hohem Maße für weiterung im nächsten Jahrhundert ihre Aufgaben die hierfür zuständigen Länder; das gilt unter Be- erfüllen kann. Wir haben dabei klargemacht, daß rücksichtigung der Vorbedingungen im Schulwesen sich die Europäische Union auch in diesen Fragen an auch für die Gemeinden. Deswegen ist es ganz sicher den Grundsätzen von Sparsamkeit und Effizienz, So- richtig, wenn ich sage: Die Reform des Bildungswe- lidarität und fairer Lastenteilung orientieren muß. sens ist eines der besonders wichtigen Themen der Wir haben zu diesen Fragen eine erste Aussprache kommenden Jahre, wenn wir die Zukunft Deutsch- gehabt; denn beim derzeitigen Stand der Arbeiten lands sichern wollen. war - das war auch nicht anders geplant - noch keine Entscheidung in der Sache möglich. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge ordneten der F.D.P.) Die Europäische Kommission hat durch ihren Präsi- denten Santer zugesagt, daß sie den wichtigen Be- Mit dem Hochschulrahmengesetz haben wir einen richt über das künftige Eigenmittelsystem, der die ersten wichtigen Schritt in diese Richtung getan. Wir Grundlage der Debatte bildet, Ende Oktober/Anfang werden heute im Rahmen der Tagesordnung, wie wir November dieses Jahres vorlegen wird. Ich habe - zu Beginn der Sitzung gehört haben, hier im Bundes- wie auch andere Kollegen - keinen Zweifel daran ge- tag den Einspruch des Bundesrates gegen dieses lassen, daß über die einzelnen Aspekte der Agenda wichtige Gesetzesvorhaben zurückweisen. Meine 2000 nur im Rahmen eines Gesamtpakets entschie- Damen und Herren von der Opposition, ich würde es den werden kann. Dazu muß man Kompromisse fin- begrüßen, wenn Sie endlich Ihren Widerstand aufge- den, die sich nur aus der Gesamtschau ergeben. Es ben und die notwendigen Entscheidungen mit her- ist beabsichtigt, die ersten konkreten Gespräche beiführen würden. beim Europäischen Rat in Wien am 11. und 12. De- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge zember 1998 zu beginnen. Unter deutscher Präsi- ordneten der F.D.P.) dentschaft von Januar bis Ende Juni nächsten Jahres werden diese Fragen weiter zu diskutieren und zu Im Bereich von Forschung und Technologie gibt entscheiden sein. es ebenfalls Gutes zu berichten. Bei den Weltmarkt- patenten - diese bilden die wichtigste Gruppe aller Es ist verabredet, daß die deutsche Präsidentschaft Patente - nimmt Deutschland weltweit wieder Platz noch vor Ostern 1999, also etwa in der zweiten März- eins ein. Die Zahl der Biotechnologieunternehmen in hälfte, eine Sondertagung des Europäischen Rates Deutschland hat sich in den letzten beiden Jahren einberufen wird. Dieser Zeitplan ergibt sich zwin- vervierfacht. Wir müssen auf diesem Weg weiter vor- gend auf Grund anderer zeitlicher Vorgaben: Zum ei- ankommen. nen laufen die in Edinburgh 1992 verabredeten Re- geln für die Finanzverfassung der Europäischen (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Union Ende 1999 aus. Das heißt: Noch vor Ende des 22182 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl Jahres 1999 muß der neue Finanzrahmen verabschie- Dabei kann mit Blick auf die Erweiterung jeder er- det werden. Zum anderen findet die Wahl zum Euro- kennen, daß nicht alles so bleiben kann wie bisher. päischen Parlament zwischen dem 10. und 13. Juni des nächsten Jahres statt. Das „amtierende" Parla- Ich will hierzu noch eine andere Bemerkung ma- ment muß aber die Agenda 2000 noch vor diesem chen: Für mich ist immer wieder interessant festzu- Termin verabschieden. Die Lebenserfahrung zeigt, stellen, daß dann, wenn wir - Kollege Waigel, ich daß mindestens vier Wochen vor dem Wahltag das oder andere - über dieses Thema sprechen, sofort Parlament seine Sacharbeit einstellt, weil zu diesem der Vorwurf erhoben wird, wir würden die deutschen Zeitpunkt schon der Wahlkampf läuft. Daraus folgt, Interessen zu entschieden oder - wie es auch heißt - daß der März 1999 der richtige Zeitpunkt für eine zu radikal vertreten. Ich verstehe nicht, wie jemand Sondertagung des Europäischen Rates ist. einen solchen Vorwurf erheben kann. Auch unsere Partner verstehen das nicht. Ich habe in der Europäi- Die Agenda 2000, über die im März nächsten Jah- schen Union bisher noch niemanden getroffen, der res entschieden werden soll, hat auch für die deut- nicht ganz selbstverständlich seine Interessen ver- sche Politik eine enorme Bedeutung, weil der Finanz- tritt. Ich habe auch noch nie festgestellt, daß jemand rahmen, der dann beschlossen wird, von 1999 bis sagt, daß seine Interessen nicht die wichtigsten seien. 2006 gelten soll. Dabei werden Grunddaten für alle Das gehört zu meinen politischen Erfahrungen. Des- Bereiche der Politik in der Europäischen Union fest- wegen ist es unverständlich, daß man als antieuropä- gelegt. Deswegen ist es wichtig, daß die deutsche isch gesonnen bezeichnet wird, wenn man hinsicht- Präsidentschaft das Richtige tut, um das wohlverstan- lich der EU-Finanzierung - und es geht hier um be- dene Interesse Deutschlands durchzusetzen. achtliche Beträge - seine Interessen vertritt. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Diese Bundesregierung und diese Koalition lassen sich in ihrer europäischen Überzeugung von nieman- Wichtig ist auch, daß sich im Hinblick auf die künf- dem übertreffen! Das war immer so, und das bleibt tige Finanzierung der Europäischen Union die große auch so. Mehrheit der Staats- und Regierungschefs in Cardiff - dafür ausgesprochen hat, den derzeitigen Plafond (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) der Eigenmittel von 1,27 Prozent des Bruttoinlands- produkts auch im Rahmen der Erweiterung beizube- Ich glaube nicht, daß man seine europäische Über- halten. Natürlich gibt es in dieser Frage auch andere zeugung dadurch am besten vertritt, daß man die ei- Stimmen. Deutschland ist mit 28 Prozent größter Bei- genen Interessen unterdrückt. Es geht darum, die tragszahler des EU-Haushalts und auch größter Net- deutschen Interessen mit denen unserer Freunde tozahler. Angesichts der wirtschaftlichen Lage in Eu- und Partner in Einklang zu bringen, damit das Ganze ropa und auch angesichts der Bedeutung unseres dem Fortschritt der europäischen Integration dienen Landes, das hinsichtlich der Bevölkerungszahl das kann. mit Abstand größte und hinsichtlich der Wirtschafts- Zu den Vorschlägen der Kommission zur Agrar- kraft das wichtigste Land Europas ist, ist diese Posi- politik hat die Bundesregierung bereits in der Erklä- tion verständlich und richtig. Und wir werden auch rung des Kabinetts vom 18. März 1998 festgestellt, in Zukunft ein großer Nettozahler bleiben. Aber wir daß sie in wesentlichen Teilen den Erfordernissen wollen angesichts der Gesamtentwicklung in Europa der europäischen und den Notwendigkeiten der darauf dringen, daß auch andere begreifen, daß eine deutschen Landwirtschaft nicht gerecht werden. faire und gerechte Lastenteilung - auch im Interesse der deutschen Bürger - gefunden werden muß. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge Deswegen müssen wir über dieses Thema intensiv ordneten der F.D.P.) miteinander sprechen. Es ist eines der schwierigsten Viele europäische Länder haben in den letzten Themen, weil die Ausgangspositionen in den einzel- nen Ländern sehr unterschiedlich sind. Das hat mit zwei Jahrzehnten im sozialen und wirtschaftlichen Bereich enorme Fortschritte gemacht. Der Beitritt zur den jeweiligen Bodenqualitäten, Größenordnungen, Strukturen und Traditionen in der Landwirtschaft zu Europäischen Union - man kann das so einfach sa- gen - war für diese Länder aus allgemeinpolitischen tun. Gründen wichtig, und er hat sich auch gelohnt. Ge- Ich will noch einmal mit aller Entschiedenheit für nau das wollten wir. Das entspricht unserer Intention die Bundesregierung erklären: Hier geht es nicht um bezüglich Europa. ein engstirniges, kurzfristiges Eigeninteresse einer einzelnen Bevölkerungsgruppe, hier geht es viel- Aber den Grundsatz der fairen Lastenteilung an- zuerkennen ist das eine - die Frage, welche prakti- mehr um ein Stück gelebte Solidarität mit der deut- schen Konsequenzen daraus gezogen werden müs- schen Landwirtschaft; denn ohne die Bauern auf ih- sen, ist etwas ganz anderes. Dazu gab es in Cardiff ren Höfen wird dieses L and keine gute Zukunft ha- unterschiedliche Auffassungen, was auch nieman- ben. Sie brauchen unsere Hilfe und unsere Unterstüt- den überraschen kann. - Bekanntlich gibt es ja, zung. wenn Bund und Länder oder die Länder untereinan- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) der über Geld reden, auch ganz unterschiedliche Auffassungen. - So vertraten in Cardiff einige die Im übrigen konnte ich beim letzten Treffen der Bun Meinung, daß alle bisherigen Besitzstände erhalten desregierung mit den Ministerpräsidenten unserer bleiben müssen. Das ist eine relativ einfache Position. Bundesländer feststellen, daß ich in dieser Frage Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22183 Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl auch die einstimmige Unterstützung der 16 Bundes- Die Diskussion hat gezeigt, daß in dieser Frage eine länder habe. große Übereinstimmung besteht. (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Richtig!) (Joseph Fischer [Frankfu rt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Haussmann, was sagt Kin Meine Damen und Herren, ein anderes wichtiges kel dazu?) Thema war der Reformbedarf bei der EU-Strukturpo- litik. Die Bundesregierung begrüßt grundsätzlich die Der europäische Einigungsprozeß wird mit Sicher- Ziele der Reform. Das gilt insbesondere für eine stär- heit nur dann erfolgreich sein, wenn dieses Europa kere Konzentration der Mittel. Ich glaube aber auch, von den Menschen akzeptiert wird. Die Menschen daß die jetzigen Vorschläge noch viele Diskussionen müssen spüren, daß das Haus Europa für sie gebaut erfordern, um zu einem gerechten Interessenaus- wird und daß es ein Haus der gemeinsamen Zukunft gleich zu kommen. Übrigens ist die Forderung nach sein wird. Veränderung besonders deutlich von den deutschen Bundesländern erhoben worden. Denn es kann nicht Wir müssen uns also folgenden Fragen stellen: Er- richtig sein - dies ist dem einen oder anderen Kollegen stens. Wie kann eine erweiterte Europäische Union im Europäischen Rat leider schwer verständlich zu ihre Handlungsfähigkeit nach innen und außen ver- machen -, ein so bewährtes Instrument wie unsere re- bessern? Zweitens. Wie kann sie zugleich ihre demo- gionale Strukturförderung durch Vorgaben der euro- kratische Verankerung weiter stärken und ihre Bür- päischen Ebene zu unterlaufen. Dies widerspräche gernähe verbessern? Jetzt, nach den Beschlüssen eklatant dem Subsidiaritätsprinzip. über den Euro und vielen anderen Entscheidungen, ist sicherlich der richtige Zeitpunkt gekommen, die (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge notwendigen Gespräche zu führen und, falls erfor- ordneten der F.D.P.) derlich, auch Veränderungen vorzunehmen. In der Europäischen Union leben zur Zeit rund Das Ziel ist, auf einen einfachen Nenner gebracht, 370 Millionen Menschen. Ich brauche hier nicht die die Kompetenzen der Europäischen Union klarer und völlig unterschiedlichen Traditionen, die- Geschichte unter konsequenter Beachtung des Subsidiaritäts- und die Strukturen der einzelnen Länder vorzutra- prinzips gegenüber den kommunalen, regionalen - gen. Ich halte es für völlig ausgeschlossen - dies ist wir würden hier von Landesinteressen reden - und gegen den Sinn der föderalen Ordnung in Europa -, nationalen Zuständigkeiten abzugrenzen. Es geht daß es möglich ist, zentral von Brüssel aus zu erken- hier also überhaupt nicht um die Änderung von Ver- nen, welche Strukturpolitik für Mecklenburg-Vor- trägen: weder um eine nachträgliche Änderung des pommern, für Lappland, für Sizilien und die Kanari- Vertrages von Maastricht noch um eine Änderung schen Inseln richtig ist. Wenn wir diesen Weg gehen des Vertrages von Amsterdam. Vielmehr geht es würden, würden wir eine Überbürokratisierung und darum, daß das Protokoll des letzten Vertrages reali- einen europäischen Zentralismus schaffen, der für siert wird. die Idee der europäischen Einigung tödlich wäre. Deswegen müssen wir hier etwas tun. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge In diesem Zusammenhang muß ich Ihnen doch ordneten der F.D.P.) noch einmal sagen, daß dies nicht eine beliebige Frage ist. Der dänische Kollege hat in sehr eindrucks- Ein ganz wichtiger Punkt der nächsten Monate im voller Weise über den Diskussionsstand bei der Zusammenhang mit der Agenda 2000 ist die Frage Volksabstimmung in Dänemark berichtet und darge- der Durchsetzung des Subsidiaritätsprinzips. Auch legt, welche Fragen do rt aufgeworfen wurden. Ich dies war in Cardiff ein zentrales Thema. Wir haben konnte feststellen, daß - ungeachtet der unterschied- eingehend darüber gesprochen, als wir uns mit dem lichen Sprachen - die Fragen in Dänemark genau die Stand und den künftigen Perspektiven der Europäi- gleichen sind wie bei uns. Vor allem geht es ganz schen Union befaßten. Nach den Beschlüssen zur Er- einfach darum, daß die Menschen Fragen nach ihrer weiterung der Europäischen Union, nach den Be- Identität stellen: Bin ich ein Deutscher in Europa? schlüssen zur Einführung des Euro und vor allem Bleibt meine Identität bestehen? auch vor dem Hintergrund der anstehenden Fragen ist dieses ein Thema von entscheidender Bedeutung. Die großartige Formulierung von Thomas Mann „Ich bin ein deutscher Europäer und ein europäi- Ich bin dem Vorsitzenden des Europäischen Rates, scher Deutscher" ist sicherlich die Richtschnur für Premierminister Tony Blair, und auch den anderen den Weg, auf den wir uns begeben - zumal dann, Kollegen dankbar, daß sie die Anregungen von Präsi- wenn wir begreifen, daß das Gefühl für Heimat, die dent Jacques Chirac und mir aufgegriffen haben. Zugehörigkeit zu einer überschaubaren Region (Joseph Fischer [Frankfu rt] [BÜNDNIS 90/ heute zunehmend an Bedeutung gewinnt. DIE GRÜNEN]: Was sagt denn Klaus Kinkel Dieses Europa darf nicht fern von den Menschen dazu?) sein, sondern die Menschen müssen sehen, daß in - Ihre Anregungen können sie ja nicht aufgreifen; Brüssel oder Straßburg nur das entschieden wird, denn Sie haben noch nie welche gemacht. Ihre Tätig- was man dort am besten entscheiden kann; daß im keit in diesem Haus hat tiefe Spuren hinterlassen. nationalen Bereich in Bonn - und später in Berlin - das entschieden wird, was dort für Deutschland am (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU besten und bürgernah entschieden werden kann; und der F.D.P.) und daß in den Landeshauptstädten, ob in München 22184 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl oder in Düsseldorf, das entschieden wird, was in Sa- Meine Damen und Herren, es gilt also, alles zu tun, chen Landespolitik am besten entschieden werden um das Prinzip der Subsidiarität, wie es im Maas- kann. Ich füge ausdrücklich hinzu: Ich wünsche mir, trichter Vertrag und im Protokoll zum Amsterdamer daß in diesen Dreiklang noch stärker als bisher die Vertrag festgelegt ist, mit Leben zu erfüllen. Da es Gemeindeebene einbezogen wird, weil do rt die Bür- viele falsche Vorstellungen von Subsidiarität gibt gernähe am besten gewährleistet werden kann. und viele über Dinge reden, die sie noch nicht einmal zur Kenntnis genommen haben, will ich A rt. 5 des (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Amsterdamer Vertrags zitieren. Do rt heißt es: Meine Damen und Herren, bei dieser Diskussion In den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche geht es überhaupt nicht darum, daß wir Stimmung Zuständigkeit fallen, wird die Gemeinschaft nach gegen Brüssel machen oder gar die Richtung unserer dem Subsidiaritätsprinzip nur tätig, sofern und bewährten Europapolitik ändern wollten. Aber es ist soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maß- doch wahr, daß es Fehlentwicklungen, Überregulie- nahmen auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht aus- rungen und damit unnötige Bürokratie gegeben hat. reichend erreicht werden können und daher we- Ich will von diesem Pult aus klar sagen: Es waren alle gen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen besser daran beteiligt - auf Gemeinschaftsebene erreicht werden kön- nen. (Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.]: Das ist die Wahrheit, richtig!) Ich finde, das ist eine Definition, die jetzt mit Leben erfüllt werden muß, ich bin gegen eine einseitige Schuldzuweisung - : die Europäische Kommission genauso wie die Parla- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) mente - das Europäische Parlament und die nationa- und zwar ohne jede Position der Gegnerschaft zu ir- len Parlamente -, gendeiner europäischen Institution. (Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.]: Die Lan Es gab und gibt Fehlentwicklungen, was auch nie- desregierungen!) - mand in Brüssel und Cardiff bestritten hat. Ich will nur ein Beispiel nennen: Brauchen wir wirklich eine die Regierungen der Mitgliedstaaten und nicht zu- Richtlinie über die Erhebung statistischer Daten im letzt die große Zahl von wirtschaftlichen Interessen- Bereich des Fremdenverkehrs, die die Einführung ei- verbänden und Lobbys. nes umfassenden Informationssystems in der EU vor- (Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.]: Das ist die sieht? In dieser Richtlinie werden die Hoteliers ver- Wahrheit!) pflichtet, vierteljährlich Daten über die Anzahl der Betriebe, Zimmer und Betten, die Anzahl der An- Wir sind also gemeinsam gefordert, und wir waren künfte und Übernachtungen Gebietsansässiger und uns in Cardiff einig, daß die Staats- und Regierungs- Gebietsfremder mit geographischer Untergliederung chefs in dieser Frage eine sehr persönliche Verant- sowie über die Kapazitätsauslastung zu liefern. wortung haben. Unser österreichischer Kollege hat in Meine Damen und Herren, ich habe dieses Beispiel diesem Sinne angekündigt, daß er noch vor dem EU gewählt, weil es ein besonders absurdes Beispiel ist. Rat in Österreich, also Mitte der zweiten Jahreshälfte, Es hilft keinem Menschen in Europa. Es nutzt gar zu einem informellen Treffen über dieses Thema ein- nichts. laden wird. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, alles deutet darauf hin, daß die deutsche Präsidentschaft in diesem Zusam- Der Fremdenverkehr wird hierdurch behindert. Die menhang eine ganz große Bedeutung gewinnt. Kurz Qualität der Gastronomie wird nicht erhöht, die vor den Wahlen zum Europäischen Parlament wird Preise werden nicht gesenkt. Ich kann mir keinen eine wichtige Kursbestimmung vorgenommen. Des- Nutzen für irgend jemanden vorstellen. wegen muß jeder in Deutschland wissen, daß auch (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) bei der Wahl zum Deutschen Bundestag mit über die Kursbestimmung entschieden wird, die dann in Eu- Bei all diesen Fragen - auch das muß klar ausge- ropa stattfindet. sprochen werden - geht es uns überhaupt nicht um Renationalisierung. Wir müssen notwendige Ref or- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) men vornehmen, weil sich die Verhältnisse verändert haben. Es muß doch möglich sein, daß wir auf der Ich füge hinzu, daß diese Diskussion natürlich nur europäischen Ebene prüfen und ohne jegliche Emo- dann vorankommt, wenn wir gemeinsam das Ziel er- tion sagen, was gut gelungen und was nicht gut ge- reichen, den Vertrag von Amsterdam in diesem Jahr lungen ist. Es geht also um eine klare Abgrenzung zu ratifizieren. In Cardiff ist sehr gewürdigt worden, der Aufgaben und zugleich um die Prüfung, ob die daß die Bundesrepublik der erste Mitgliedstaat war, heutige Regelungsdichte wirklich den Erfordernissen der die Ratifikationsurkunde am 7. Mai 1998 hinter- der Zukunft entspricht. legt hat. Ich will mich übrigens bei dieser Gelegen- heit noch einmal bei allen bedanken, die daran mit- Meine Damen und Herren, es gibt auch Bereiche, gewirkt haben. Es war für unsere Position in Europa in denen wir ein Mehr an Integration brauchen. Die sehr wichtig, daß wir die ersten waren. Andere Mit- gemeinsame Währung wird mit Sicherheit die Not- gliedstaaten tun sich sehr viel schwerer, die Ratifika- wendigkeit zu weiteren Gemeinschaftsregelungen tion noch in diesem Jahr vorzunehmen. verstärken. Das gilt in besonderem Maße - jeder Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22185

Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl spürt es doch in diesen Wochen - auch für den Be- Partnern und Freunden werden wir Frieden, Freiheit, reich der Außen- und Sicherheitspolitik. Das enttäu- Wohlstand und soziale Sicherheit auf Dauer sichern schende Verhalten der EU im Jugoslawien-Konflikt können. Das kann nur gelingen, wenn wir das Haus hat doch deutlich gemacht, daß wir hier ein stärke- Europa weiterbauen. res, wirkungsvolleres gemeinsames Vorgehen brau- chen. Bis geschichtliche Erfahrungen in tägliche Dies gilt um so mehr im Blick auf die künftige Entscheidungen einfließen, braucht es seine Zeit. Erweiterung der Europäischen Union. Wir waren Aber gerade in diesen Tagen der Auseinanderset- uns einig, daß in den wenigen Monaten seit den Lu- zungen im Kosovo zeigt sich doch, daß Europa mit xemburger Beschlüssen vom Dezember 1997 zur Ein- sehr viel größerer Kraft handlungsfähig sein muß. In leitung des Erweiterungsprozesses auf diesem Weg diesem Sinne brauchen wir mehr Integration und schon viel geleistet worden ist. Ich will der Kommis- Gemeinsamkeit in der EU. sion, aber auch den Beitrittskandidaten von dieser Stelle aus ausdrücklich dafür danken, daß diese sehr (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) schwierigen Verhandlungen mit sehr viel Geschick und auch zügig vorangebracht werden. Ich sage dies auch - obwohl es manche nicht gem hören - für den Bereich der Innen- und Justizpolitik. Dabei steht außer Frage - wir sind mit diesem Sie können aus dem in Cardiff vorgelegten Bericht Thema mitten in der deutschen Innenpolitik -, daß ersehen: Die Bekämpfung der internationalen Krimi- wir in einzelnen Fragen nicht ohne langfristige Über- nalität ist mit den bisherigen Mitteln allein nicht gangsregelungen auskommen werden. mehr zu bewerkstelligen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge Man brauchte kein Prophet zu sein, um zu erken- ordneten der F.D.P.) nen, daß die Fragen des Asyls, der Immigration, der Ich denke hierbei beispielsweise an die zu Recht viel Zunahme der Gefährdung durch Drogen und inter- diskutierte Frage der Freizügigkeit für Arbeitneh- nationale Kriminalität Schicksalsfragen in Europa mer. sein werden. Hier hat Europa künftig eine besondere - Aufgabe. Die Bürger werden dieses Europa auch un- Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die ter dem Gesichtspunkt betrachten, ob es auf diesen Erweiterung der Europäischen Union nach Mittel- Feldern handlungsfähig ist. Deswegen müssen wir und Osteuropa ist eine entscheidende Frage für das hierfür ohne Zweifel mehr tun als bisher. künftige Gesicht Europas. Wir Deutschen müssen noch mehr als andere leidenschaftlich dafür eintreten (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) und kämpfen, daß der frühere Eiserne Vorhang nicht Ein handlungsfähiges und bürgernahes Europa durch eine neue sogenannte Wohlstandsmauer er- muß ein Europa sein, in dem die Vielfalt der politi- setzt wird. Polen und Ungarn gehören genauso zu schen, kulturellen und regionalen Traditionen ge- Europa wie Spanien und Dänemark. Deswegen wer- wahrt wird. Diese Vielfalt ist eine Quelle der Kraft den wir das Notwendige auf diesem Gebiet tun. und Dynamik für das neue Europa. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Deswegen müssen auch die Reformen der Institu- Die Konflikte der letzten Jahre auf dem Balkan ha- tionen energisch vorangetrieben werden. Wir haben ben uns vor Augen geführt, welche Bedeutung der in Amsterdam vereinbart, daß über die Größe und europäische Integrationsprozeß für den Frieden auf Struktur der Europäischen Kommission, die Gewich- unserem Kontinent hat. Wir haben uns in Cardiff not- tung der Stimmen der Mitgliedstaaten und den ver- wendigerweise auch mit der Frage der Entwicklung stärkten Gebrauch von Mehrheitsentscheidungen im früheren Jugoslawien beschäftigt. Auf der Grund- weiter diskutiert und entschieden werden muß. An lage der Beratungen der Außenminister haben wir diesen kurzen Bemerkungen läßt sich unschwer er- eine Erklärung der Staats- und Regierungschefs zur kennen, welch eine Wucht der Auseinandersetzun- Lage im Kosovo verabschiedet. In ihr sind konkrete gen, auch der nationalen Interessen, sich hinter die- Forderungen formuliert. Ich will einige davon nen- sen Fragen verbirgt. Auch diese Entscheidungen ste- nen: hen während der deutschen Präsidentschaft an. Des- wegen ist es wichtig, daß all diese Fragen rechtzeitig Beendigung der Operationen der Sicherheitskräfte vor dem Wahltermin des Europäischen Parlaments gegen die Zivilbevölkerung und Abzug der hierfür im Juni des nächsten Jahres positiv abgeschlossen eingesetzten Einheiten; Ermöglichung wirksamer und erledigt werden. und ständiger internationaler Überwachung im Ko- sovo; Ermöglichung der Rückkehr a ller Flüchtlinge Meine Damen und Herren, wir alle sind dazu auf- und Vertriebenen in ihre Heimat und des ungehin- gerufen, als Parlamentarier in den Mitgliedstaaten derten Zugangs für humanitäre Organisationen so- der Europäischen Union unseren Beitrag dazu zu lei- wie ein möglichst rascher Fortschritt im Dialog mit sten, daß die Wählerinnen und Wähler Europas mit der Führung der Kosovo-Albaner. einer soliden, zukunftsweisenden Erfolgsbilanz für Europa gewonnen werden. Diese Wahl ist von großer Meine Damen und Herren, für den Fall, daß diesen Bedeutung für die Gestaltung Europas im neuen Forderungen nicht entsprochen wird, wurde ein um- Jahrhundert. fangreicher Katalog von Maßnahmen in Aussicht ge- nommen, von Maßnahmen, die auch ein militäri- Unsere Zukunft, die Zukunft des vereinten sches Eingreifen einschließen. Wir begrüßen und Deutschland, liegt mehr als die aller anderen Länder unterstützen die Initiative Großbritanniens, hierzu im vereinten Europa. Nur gemeinsam mit unseren ein Mandat des UN-Sicherheitsrats zu erreichen. 22186 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl Meine Damen und Herren, bei den Gesprächen Ich weiß - ich sage ganz offen, wie ich es empfinde von Präsident Milosevic am 15. und 16. Juni in Mos- -: Manche sind nicht erfreut, wenn man in diesem kau, die wir von unserer Seite sehr stark mit unter- Zusammenhang darauf hinweist, daß der deutsche stützt haben - nicht zuletzt anläßlich des Besuches Steuerzahler in Bund, Ländern und Gemeinden für von Boris Jelzin letzte Woche bei uns in Bonn -, hat diese spezielle Hilfe fast 15 Milliarden DM aufge- der jugoslawische Präsident in einer gemeinsamen bracht hat. Natürlich geht es hier nicht primär um Erklärung mit der russischen Regierung Verpflich- diese finanzielle Seite, sondern um die moralische tungen im Hinblick auf eine friedliche Lösung über- Pflicht, aber, meine Damen und Herren, ich habe nommen. Er selbst sagte, es seien klare Verpflichtun- auch gesagt: Wenn sich jetzt die Entwicklung im Ko- gen. sovo so zuspitzt und an Stelle der über 200 000 Bos- nien-Flüchtlinge, die Gott sei Dank wieder in ihre Ich will zunächst einmal Präsident Jelzin für seine Heimat zurrückkehren konnten - wir hoffen, daß an- Initiative danken, aber ich will hier doch klar aus- dere auch bald unter f riedlichen Verhältnissen heim- sprechen, daß wir mit großem Interesse und nicht gehen können -, eine neue große Flüchtlingswelle ohne Skepsis - auch das muß gesagt werden - ab- bei uns ankommt, dann ist das eine Frage, die auch warten, ob nun Präsident Milosevic seine Zusagen andere interessieren muß. Wir können in Europa auch wirklich einhält. nicht die Arbeitsteilung haben: Für diese besonderen (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Herausforderungen sind vor allem die Deutschen sowie bei Abgeordneten der SPD und des und dann noch die Österrreicher zuständig, und an- BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) sonsten schauen wir mit Gelassenheit in die Zukunft. Wir Deutschen stehen zu unserer moralischen Ver- Wenn das Ganze nur zur Verschleppung dient, ist pflichtung, aber ich muß schon darauf bestehen, daß das eine völlig inakzeptable Position - wenn es so man auch begreift, daß wir nicht allein eine europäi- sein sollte. sche Last schultern können, sondern daß das eine ge- (Dr. Peter Struck [SPD]: Richtig!) meinsame Herausforderung für alle ist. Wir werden alles aufmerksam beobachten, und wir (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) müssen ihn an seinen Taten messen. Die täglichen Im übrigen war es die völlig einmütige Meinung, Berichte von neuen Morden sind völlig unerträglich. daß die politische Lösung der Krise im Kosovo nur (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P., der auf der Basis einer Autonomie für den Kosovo mög- SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) lich ist. Ein vorrangiges Ziel der Staatengemeinschaft muß Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, nicht einfach sein, daß das Blutvergießen und die völlig zuletzt der erneute Ausbruch von Gewalt und die unerträgliche Brutalität bei den Vorgängen im Ko- kriegerische Entwicklung auf dem Balkan haben uns sovo beendet werden und daß die elementaren Men- noch einmal ins Bewußtsein gerufen, was die eigent- schen- und Minderheitenrechte endlich auch dort liche Zielsetzung, was die großartige Dimension des gewahrt werden. europäischen Einigungswerks ausmacht: Die Eini- gung Europas ist die beste, ja die einzig wirklich dau- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. erhafte Garantie für Frieden und Freiheit in Europa sowie bei Abgeordneten der SPD und des im 21. Jahrhundert, nicht zuletzt und vor allem für BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) die Deutschen. Meine Damen und Herren, ungeachtet der Leiden der ganz unmittelbar betroffenen Bevölkerung ist (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) auch die Feststellung angebracht - auch das habe ich Die Sicherung von Frieden, Freiheit und Stabilität in Cardiff gesagt -, daß unser Land, daß die Bundes- durch ein ganz enges Miteinander der europäischen republik Deutschland bei zunehmenden Flüchtlings- Völker - das ist in Wahrheit der Kern des europäi- strömen mehr als alle anderen in Europa betroffen schen Gedankens. ist. Sicherlich ermöglicht dies einigen unserer Kolle- gen, die dort mit am Tisch sitzen, ein etwas distan- Die Geschichte Europas hat sich in diesem Jahr- zierteres Verhältnis zu dem Problem, weil sie dieses hundert vom Schlimmen zum Guten gewendet. Problem nicht im eigenen Hause haben. Ich habe Wenn man sich in diesen Tagen an den 50. Geburts- dort noch einmal darauf hingewiesen, daß wir aus tag der D-Mark erinnert - das wird ja am kommen- unserer selbstverständlichen moralischen Pflicht und den Samstag der Fall sein - und sich noch einmal in aus unserem Verständnis von Solidarität bereit wa- Erinnerung ruft, wie das Land damals aussah, wie ren, viele Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina auf- die Menschen lebten, wie die Verhältnisse waren, zunehmen. Wir haben das aus gutem Grund getan. dann kann man mit Fug und Recht sagen: Es hat sich Denn wir wissen noch um die schlimmen Verhält- in diesen 50 Jahren auch für uns Deutsche - schon nisse nach dem Zusammenbruch des Naziregimes gar in dem letzten Jahrzehnt mit der deutschen Ein- und am Ende des Zweiten Weltkrieges, als wir Hilfe heit - vom Schlimmen zum Guten gewendet, erst im von anderen erhalten haben. Es hat etwas mit der Westen und dann auch im Osten. moralischen Statur unseres Volkes zu tun, daß wir ungeachtet eigener Probleme bereit sind, anderen zu (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) helfen. Dies wäre nicht möglich gewesen ohne den Aufbruch (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) gleich nach dem Krieg zum Bau des Hauses Europa. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22187

Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl Deshalb ist es wichtig, daß wir, ungeachtet aller Standortgeschwafel in den letzten drei Jahren ge- Auseinandersetzungen im Bereich der Innenpolitik pflegt hat. - die manchmal sein müssen und manchmal auch (Beifall bei der SPD) nicht -, gemeinsam mit ganzer Kraft für die Einigung Europas arbeiten. Wir wollen und wir werden das Daß man, Herr Bundeskanzler, in einer bedrohli- Haus Europa bauen als die Friedens- und Freiheits- chen Situation auch als ausgewiesener Europäer ordnung des 21. Jahrhunderts, als die gemeinsame dazu neigt, die innenpolitischen, sprich: die Wahl- Heimat kommender Generationen in Europa. kampferfordernisse stärker in den Vordergrund zu rücken, ist zwar verständlich; aber das darf nie dazu (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und führen, daß man diesen Bedürfnissen die europäi- der F.D.P.) schen Belange unterordnet. Genau das haben Sie aber getan. (Beifall bei der SPD) Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat jetzt der Fraktionsvorsit- Die wichtigsten Themen, die auf der Tagesord- zende der SPD, der Abgeordnete Rudolf Scharping. nung der europäischen Politik an allererster Stelle stehen müssen, sind die Beschäftigungspolitik, die Rudolf Scharping (SPD): Frau Präsidentin! Meine Schaffung neuer Arbeitsplätze und die Garantie für sehr verehrten Damen und Herren! Daß Europa ein die Ausbildung aller Jugendlichen. kluges Beispiel - wohl das einzige wirklich umfas- (Beifall bei der SPD) sende Beispiel - für zukunftsweisendes Lernen ist, das ist zwischen uns unumstritten. Es sollte auch un- Das, Herr Bundeskanzler, haben Sie mit Hinweisen umstritten sein, daß wir diesem Beispiel klugen Ler- auf Entwicklungen der letzten zwei, drei Monate an- nens am besten dadurch weiterhelfen, daß wir die zusprechen versucht. Tagesordnung der Bürgerinnen und Bürger in Eu- ll Ihnen sagen, daß sich jeder hier im Hause ropa zur politischen Tagesordnung machen. Ich wi - natürlich freut, wenn die Zahl der Arbeitslosen sinkt, (Beifall bei der SPD) ( [CDU/CSU]: Das bezweifle Erst in dem Maße, in dem es uns gemeinsam in der ich!) Europäischen Union, in ihren Mitgliedstaaten, in den daß wir uns natürlich freuen, wenn sich die wirt- Regionen Europas gelingt, die wirklich drängenden schaftliche Lage unseres Landes - wenn auch in klei- Erwartungen, die Sorgen, die Hoffnungen der Men- nen Schritten - verbessert. schen zum Hauptgegenstand der Politik zu machen, erlangt Europa neue, von ihm auch benötigte Glaub- (Zuruf von der CDU/CSU: Ist das wahr?) würdigkeit. (Beifall bei der SPD) Bei aller gemeinsamen Freude über solche Schritte in die richtige Richtung sollten wir aber vielleicht noch Deshalb ist es ja ein großer Fortschritt - übrigens etwas mehr entwickeln, nämlich die gemeinsame ein gegen die deutsche Bundesregierung errungener Verantwortung dafür, daß die 4,2 Millionen Men- Fortschritt -, daß mit dem Vertrag von Amsterdam schen, die noch immer ohne Arbeit sind, eine glaub- zum erstenmal eine gemeinsame Verantwortung der würdige politische Antwort erhalten. Darum geht es Europäischen Union für die Entwicklung von Be- doch! schäftigung, Wirtschaft, Wachstum, Ausbildungsplät- zen und anderem festgeschrieben worden ist. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne ten der PDS) (Beifall bei der SPD) Trotz der Freude über den einen oder anderen Deshalb ist es ja ein großer Fortschritt, daß das Ver- Fortschritt muß ich Ihnen sagen, daß diese weiterrei- einigte Königreich nach dem Wahlsieg von Tony chende Verantwortung von der Bundesregierung Blair dem Sozialprotokoll der Europäischen Union nicht in dem Maße wahrgenommen worden ist, wie beigetreten ist. es erforderlich gewesen wäre. Mit Ihrem sogenann- ten nationalen Aktionsplan zur Beschäftigungspolitik (Zuruf von der SPD: Genau!) haben Sie ein Beispiel für mangelnde Kompetenz, für Deshalb ist es ja ein großer Fortschritt, daß in vie- mangelnde Entschlossenheit, vor allen Dingen für len Mitgliedsländern Europas das Verständnis dafür mangelndes Zielbewußtsein geliefert. wächst, daß man nach der Entscheidung über die ge- (Beifall bei der SPD) meinsame Währung jetzt den Weg zu einer besseren Zusammenarbeit und Koordination der Wirtschafts-, Das ist eine der dünnsten Suppen, die die Mitglied- Finanz- und Steuerpolitik ebnen muß. staaten abgeliefert haben. (Beifall bei der SPD) (Widerspruch bei der CDU/CSU) Es ist ganz deutlich, daß diese Entwicklung hin zu Ich muß Ihnen sagen: Das hat auch seinen guten mehr Zusammenarbeit, hin zu mehr gemeinsamer Grund. Sie haben einen Vergleich der Arbeitslosen- Verantwortung, die signalisiert, daß wir als Europäer zahlen in den europäischen Ländern innerhalb der unsere gemeinsamen Interessen auch nur gemein- letzten zwei, drei Monate angestellt; ich greife das sam vertreten können, dem platten Neoliberalismus ganz bewußt auf. Den Vergleich kann man ziehen; er widerspricht, den die Bundesregierung mit ihrem ist legitim. Vollständig ist er allerdings nur, wenn 22188 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Rudolf Scharping man die Zahlen der gesamten Wahlperiode miteinan- zentriert auf die wirklichen Hauptfragen der gemein- der vergleicht. samen europäischen Zukunft. (Zuruf von der SPD: Und dann sieht es (Beifall bei Abgeordneten der SPD) schlecht aus!) Wer das ändern will, kommt - bei allem Respekt vor Sie sind einmal mit einer Regierungserklärung ge- einer breiten historischen Reminiszenz - mit der al- startet, in der Sie die Erwartung zum Ausdruck ge- lein nicht aus. bracht haben, Sie könnten und wollten die Arbeitslo- sigkeit halbieren. Tatsächlich aber ist die Arbeitslo- (Zuruf von der SPD: Richtig!) senrate in der vergangenen Wahlperiode dramatisch Das historische Bewußtsein dessen, was uns in den gestiegen. Daran müssen Sie sich messen lassen. letzten fünf Jahrzehnten gelungen ist, ist die eine (Beifall bei der SPD) Seite, die man nie vergessen darf. Aber die andere Seite ist, daraus die richtigen Konsequenzen zu zie- Anderen Ländern gelingt es viel besser als uns in hen. Wenn dann ein deutscher Bundeskanzler in Eu- Deutschland - ich sage das mit Bedauern -, die Ar- ropa einklagt - was berechtigt ist -, daß man die Posi- beitslosigkeit zu bekämpfen und vor allen Dingen tion Deutschlands im Zusammenhang mit der Finan- der Jugend eine bessere Chance zu geben. Wer sich zierung der Union in Richtung eines gerechteren La- anschaut, was in Europa vorgelegt worden ist, der stenausgleichs verändern müsse, müßte derselbe weiß: Die Bundesregierung ist nicht so in der Lage, Bundeskanzler eigentlich das bescheidene Maß an wie es erforderlich ist, das wichtigste Thema in Eu- Souveränität haben und sagen: Wir haben in den ropa und in Deutschland - Schaffung neuer Arbeits- letzten Jahren einen Fehler gemacht plätze, Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, die Ausbil- dung der Jugendlichen garantieren - an die erste (Zuruf von der SPD: Ja!) Stelle der politischen Tagesordnung zu rücken. und hoffen auf das Verständnis der Pa rtner, damit dieser Fehler jetzt korrigiert wird. (Zuruf von der CDU/CSU: Clement- will 20 000 entlassen!) (Beifall bei der SPD) Deshalb ist es interessant zu hören, worüber in Herr Bundeskanzler, dieser Fehler ist derselbe Cardiff angeblich intensiv gesprochen worden ist. Fehler wie bei der deutschen Einheit und ihrer inne- Ein gewisses Maß an Information traue ich mir zu, ren Gestalt. aber daß dort intensiv über das Hochschulrahmenge- (Zuruf von der SPD: Ja!) setz in Deutschland oder anderes gesprochen worden wäre, Sie haben 1990/91 einen Überschwang, ich wi ll (Lachen bei der SPD) nicht sagen: erzeugt, Sie sind ihm vermutlich sogar erlegen. Sie haben den Menschen Illusionen vorge- kann ich wirklich nicht feststellen. gaukelt: Es geht ohne Steuererhöhungen, niemand (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ wird belastet, jedem wird es auf keinen Fall schlech- DIE GRÜNEN) ter, vielen bald besser gehen, blühende Landschaften und anderes. Die Tatsache, daß andere Länder in manchen Punkten besser sind, kann man - wie Sie es getan ha- (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Portokasse!) ben - mit einer Orientierung am Durchschnitt relati- Daß Sie das den Menschen in Deutschland gesagt vieren. Ich aber erhebe einen anderen Anspruch: Wir haben - was falsch war, politisch und tatsächlich dürfen uns nicht am Durchschnitt orientieren. Wir falsch war, von der Verantwortung im Umgang mit müssen uns an den jeweils besten Lösungen in Eu- der Einheit falsch war -, hat leider Gottes auch noch ropa orientieren und versuchen, sie für unser Land eine europäische Konsequenz gehabt: Sie haben fruchtbar zu machen. doch 1992 im Finanzprotokoll von Edinburgh Rege- (Beifall bei der SPD und der PDS) lungen zugestimmt, als hätte es die deutsche Einheit gar nicht gegeben. Ja, Europa ist ein kluges, ein zukunftsweisendes Beispiel politischen Lernens aus großen Katastro- (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Genau!) phen. Niemals zuvor in der Geschichte der Men- Sie haben Regelungen zugestimmt, die jetzt dazu schen haben viele Staaten so wie die europäischen führen, daß wir in Europa eine überproportionale Staaten aus einer wirklich großen Katastrophe Kon- Last tragen. Sie haben - das wi ll ich ausdrücklich sequenzen gezogen, von denen auch wir in Deutsch- nicht kritisieren, es muß aber korrigiert werden - in land einen großen Nutzen haben. Niemals zuvor einer Zeit, in der es keinen anderen Weg gab, dem wurde die Hand zur Aussöhnung so schnell und so britischen Beitragsrabatt zugestimmt. konsequent gereicht und wurden darauf schrittweise immer weitere Freundschaft, Integration und Zusam- (Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD]: So ist es!) menarbeit aufgebaut. Jetzt sind Sie wiederum auf dem Weg, die falsche Aber dieses Modell ist einem Risiko ausgesetzt. Konsequenz zu ziehen. Es wird nichts helfen, wenn Dieses Risiko ergibt sich aus der Gestalt, die Europa die Vorschläge des Bundesfinanzministers in die De- jetzt hat, und aus der Art und Weise, wie die Akteure batte eingeführt werden. Man muß auf der Ausga- hier und da mit ihm umgehen. Es ist zu bürokratisch. benseite der Europäischen Union zu Reformen kom- Es ist zu wenig demokratisch. Es ist zu wenig kon men. Genau an dieser Stelle stoßen sich Ihre Interes- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22189

Rudolf Scharping sen als europäischer Staatsmann mit Ihren Interessen Bürgern die Entscheidung direkt und aus eigener als CDU-Parteivorsitzender und Wahlkämpfer. Verantwortung über europäische Fragen zu ermög- lichen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Beifall bei der SPD - Heidemarie Wieczorek Zeul [SPD]: Volksentscheid!) Wenn Sie also sagen, was ja richtig ist - ich betone es noch einmal -, daß auf der Seite der Finanzierung Da lehnt sich dann, wie Sie ja selbst sehr gut wis- fairere Regelungen gefunden werden müssen, dann sen, mancher zurück und sagt: Moment, der deut- wäre es doch auch im Zusammenhang mit Ihrer Posi- sche Bundeskanzler plädiert für Subsidiarität, stär- tion und übrigens Ihrer Glaubwürdigkeit unter den kere Rechte der Bürger, ein bürgernahes Europa - al- europäischen Partnern wichtig, die Konsequenzen les richtig -, aber warum führt er nicht so wie wir in aufzuklären und darüber zu reden. Das haben Sie Dänemark, in Frankreich oder anderenorts ein Refe- nicht getan. Statt dessen haben Sie versucht, eine rendum durch, wenn es um entscheidende europäi- mögliche Gruppe von Betroffenen, nämlich die deut- sche Fragen geht? schen Landwirte, mit einer hübschen Formulierung über die Höfe und die Kulturlandschaft abzuspeisen. (Dr. Peter Struck [SPD]: Richtig!) Das ist erstens alles richtig, aber zweitens nicht der Warum verweigert er das? Der Widerspruch fällt Kern der Sache. Wir brauchen eine Reform der manchen auf - uns übrigens ja auch. Agrarpolitik. Wenn wir sagen, wir wollen da etwas ändern, und (Zustimmung bei der SPD) Europa muß bürgernah sein - ja, Gott im Himmel, es Wir brauchen eine Reform der Strukturpolitik. Wir ist ja für den Außenminister der Bundesrepublik müssen auf der Ausgabenseite der Union etwas än- Deutschland auch nicht unbedingt erfreulich, wenn dern, sonst sind wir nicht mehr in der Lage, auf die man auf einem deutsch-französischen Gipfel sagt, Hauptfragen der europäischen Entwicklung konzen- man werde das Außenministerium beteiligen, und triert zu bleiben. - dann der französische Kollege einen B rief zitiert, von dem der deutsche Kollege nicht einmal genau weiß, (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ daß er abgeschickt worden ist. Das ist ja nun wirklich DIE GRÜNEN - Zuruf von der CDU/CSU: nicht sonderlich überzeugend. Etwas konkreter, bitte!) (Beifall bei der SPD) Das haben Sie mit einem B rief zuzudecken ver- sucht, den Sie gemeinsam mit dem Präsidenten der Ich muß Ihnen sagen, Herr Bundeskanzler: Ich ver- Französischen Republik geschrieben haben. Das ist stehe sehr gut, daß man sich in den europäischen ein interessanter Brief, auch deshalb, weil er ver- Fragen persönlich stark engagiert fühlt, und ich finde sucht, etwas aufzunehmen und für die beiden Unter- das auch glaubwürdig. Allerdings, wenn Sie dann schriftsleistenden zu reklamieren, was in der Euro- beginnen, das persönliche Engagement gewisserma- päischen Union von vielen anderen schon seit länge- ßen mit einer persönlichen Monopolstellung zu ver- rer Zeit diskutiert wird. Ich hätte mir gewünscht, daß wechseln, wird die Sache etwas problematischer. Sie im Zusammenhang mit einem bürgernahen Eu- Denn jeder Regierungschef überfordert sich, wenn er ropa nicht nur ein allgemeines Ziel in gewohnt wol- in allen Fragen der europäischen Entwicklung, übri- kiger Art beschreiben, sondern einmal sagen: Wie gens auch der Entwicklung in Deutschland, gleicher- soll das denn jetzt konkret aussehen? Wie soll es bei- maßen gut informiert und entscheidungsfähig sein spielsweise - und da haben Sie doch bisher über- will. Wozu hat er denn dann Minister? haupt nichts getan - aussehen mit einer Verständi- (Dr. Peter Struck [SPD]: Genau!) gung auf gemeinsame, für die Bürgerinnen und Bür- ger in Europa geltende Grundrechte? Warum haben Daß angesichts der Qualität Ihrer Riege der Verdacht wir keine Debatte über die Grundrechtscharta, die entsteht, Sie müßten alles selbst machen, ist eine na- die Sozialdemokratie hier in diesem Haus und übri- heliegende, aber unzureichende Schlußfolgerung. gens auch in Europa schon mehrfach anzustoßen ver- sucht hat? Warum nicht? (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der SPD) Ich will nur hinzufügen: Wenn es dann um Dinge Wenn wir die Bürgerinnen und Bürger gewinnen geht wie Beschäftigungspolitik, Arbeitslosigkeit, Ju- wollen: Faszination für ein politisches Projekt, Enga- gendarbeitslosigkeit, dann müssen wir uns an den gement und Glaubwürdigkeit entstehen nicht aus Besten orientieren, nicht am Durchschnitt. Wenn es Märkten, sondern nur, wenn man sehen kann, daß darum geht, Europa bürgernah zu gestalten, dann sie so gestaltet und vorangebracht werden, daß alle sollten wir uns in Deutschland vornehmen, zunächst in Europa eine Chance und einen fairen Anteil an einmal bei uns einzulösen, was Sie von Europa ver- der Entwicklung haben. Davon kann überhaupt langen. Das würde unsere Glaubwürdigkeit deutlich keine Rede sein. Warum reden Sie nicht über euro- steigern - sowohl im Sinne eines kooperativen Föde- päische Verfassungsrechte? - Weil Sie nicht bereit ralismus wie auch im Sinne einer Stärkung der Re- sind, das zu tun, was andere europäische Staaten gionen oder der Verantwortung, die man dort wahr- tun. Es ist doch ein eigentümlicher Widerspruch, daß zunehmen hat, wie auch in einer Stärkung der Bür- Sie ein bürgernahes Europa einklagen, in Deutsch- gerrechte. Alles das verweigern Sie in Deutschland. land aber nicht bereit sind, den Bürgerinnen und Deswegen ist Ihre Position nicht sehr überzeugend. 22190 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Rudolf Scharping Es gibt einen dritten großen Komplex: In welchen gen wie der „Charta 77" oder der „Solidarnosc" war. Bereichen sollten wir uns, wenn wir Schwerpunkte Das muß dann aber auch eine politische Konsequenz bilden, in Richtung einer gemeinsamen Politik an- haben, die in die Zukunft weist: Europa ist nur voll- strengen? Über die Reform der Agrarpolitik, der Re- ständig, wenn die mittelosteuropäischen Staaten da- gional- und der Strukturpolitik habe ich schon ge- zugehören und der Europäischen Union angehören. sprochen. Es wird sinnvoller sein, das bei der Ausga- benseite zu gestalten und dabei die Ziele höherer Ef- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) fizienz, höherer Leistungsfähigkeit und übrigens Deshalb ist es auch schändlich, diese historische auch höherer Umweltverträglichkeit zu verfolgen. Perspektive in kurzatmiger Wahlkampfrhetorik zu Jeder weiß, daß die Entscheidungen im Zusammen- verunklaren, wie das manchmal unter Beteiligung Ih- die Voraussetzungen da- hang mit der Agenda 2000 rer Parteifreunde ja auch geschieht. für schaffen - oder die Schaffung solcher Vorausset- zungen erschweren können -, die Europäische Union (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne zu vervollständigen. Neben der Reform der Agrar-, ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) der Struktur- und der Regionalpolitik, neben den Re- formen auf der Ausgabenseite, neben den notwendi- Ich habe deswegen, wohl wissend, daß man mit gen Schritten zur Eindämmung und zum Zurück- solchen Dingen vorsichtig umgehen soll, registriert, drängen von Bürokratie muß ein Zweites treten, daß Sie einen Satz, der in Ihrem Manuskript stand, nämlich der Ausbau der Demokratie in der Europäi- nicht vorgetragen haben, nämlich den Satz, daß der schen Union. Es reicht nicht - ich sage das mit Blick Erweiterungsprozeß zügig gestaltet werden so ll. auf manchen Trend bei der einen oder anderen, auch sozialdemokratisch geführten Regierung in Europa -, (Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl: Das habe wenn nur die intergouve rnementale Zusammenar- ich gesagt! Natürlich!) beit, also die zwischen den Regierungen, verbessert - Wenn wir uns jetzt einig sind, dann ist es ja in Ord- wird. Es ist gut, wenn das gelingt. Hinzukommen nung. Ich will das ja nur klären. muß aber eine Stärkung der Rechte des -Parlaments; hinzukommen muß eine stärkere Demokratisierung (Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl: Natürlich in Europa. habe ich das gesagt!) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne Deswegen sage ich - gerade mit Blick auf manche ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Bedenken, die ich ja eher aus dem südlichen Teil der Denn gerade wir in Deutschland - das gilt aber auch Bundesrepublik höre, konkret: aus Bayern -: für andere europäische Staaten - sollten mit einiger (Joseph Fischer [Frankfu rt] [BÜNDNIS 90/ Sorge sehen - und wir sollten dann die richtigen Kon- DIE GRÜNEN]: Bierzelteuropäer!) sequenzen daraus ziehen -, daß die Wahlbeteiligung bei Wahlen zum Europäischen Parlament viel zu Wer beginnt, die notwendige Reform der Europäi- niedrig ist schen Union und auch die notwendige Erweiterung (Dr. Peter Struck [SPD]: Stimmt!) der Europäischen Union zu einem Gegenstand billi- ger Wahlkampfrhetorik in bayerischen Bierzelten zu und daß der Verdacht viel zu groß ist, daß das Euro- machen, der hat nichts von der historischen Dimen- päische Parlament eigentlich nichts oder jedenfalls sion verstanden, die die Europäische Union auch be- zuwenig zu sagen hätte. halten muß. Deshalb, Herr Bundeskanzler, halte ich es im Hin- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne blick auf die europäische Integration für risikoreich, ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) wenn Sie nur auf die Karte einer besseren Zusam- menarbeit zwischen den Regierungen setzen, ohne Übrigens, ich füge hinzu: Wer wie manche Mitglie- die Stärkung der Rechte des Parlaments mit ins Visier der dieser Bundesregierung beginnt, ganz besonders zu nehmen. schwierige, für zum Beispiel im Kosovo lebende Menschen außerordentlich bedrohliche Entwicklun- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne gen mit einem innenpolitischen Aspekt - wie jenem ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) von den Flüchtlingsströmen - zu diskutieren, der Ich habe gesagt: Beides, die Reform der Institutio- macht denselben Fehler. nen und die Reform wesentlicher Politikbereiche - Wir brauchen eine gemeinsame Innen- und und zwar nach dem Grundsatz der Subsidiarität -, Rechtspolitik in der Europäischen Union, damit wir schafft die Voraussetzungen dafür, daß wir Europa gemeinsam besser fähig werden, der organisierten erweitern können. Wir haben wahrscheinlich alle ge- Kriminalität, dem organisierten Verbrechen und stern daran gedacht, daß es am 17. Juni 1953 das er- manchen anderen Fehlentwicklungen mit Blick auf ste Mal war, daß sich Bürgerinnen und Bürger in Eu- die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger gerechter ropa, in Deutschland gegen eine kommunistische zu werden, als das heute gelingt. Diktatur gewandt und versucht haben, sie abzu- schütteln. Es gibt andere, die das später ebenfalls (Beifall bei Abgeordneten der SPD) versucht haben, in Ungarn und in anderen Ländern Osteuropas. Man muß heute bei einer solchen De- Das brauchen wir dringend, nicht wegen irgendeiner batte noch einmal zum Ausdruck bringen, wie be- äußeren Gefahr, sondern wegen der inneren Sicher wundernswert der Mut von Bürgerrechtsbewegun heit, der Garantie von Freiheit und Unversehrtheit Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22191

Rudolf Scharping der Bürgerinnen und Bürger, die hier in der Europäi- gunsten des europäischen Staatsmannes entschieden schen Union leben. haben. Das aber ist eine wenig überzeugende Hal- tung. Denn der Wahlkämpfer muß dann in Deutsch- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne land genau das erklären, wofür er Europa miß- ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) bräuchlich zu instrumentalisieren versucht. Ich komme nun zur Gemeinsamen Außen- und Si- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ cherheitspolitik. Damit sind dann die vier großen Be- DIE GRÜNEN) reiche genannt: die Reform der europäischen Politik nach Schwerpunkten, die stärkere Demokratisierung Der Bundeskanzler hat hier eine lange, breite Rede der Europäischen Union, die Erweiterung und dann gehalten, die Entwicklung gemeinsamer Politik do rt, wo uns das heute noch nicht gelingt und wo es besonders (Joachim Hörster [CDU/CSU]: Eine gute dringend ist, in der Innenpolitik wie in der Gemein- Rede!) samen Außen- und Sicherheitspolitik. eine Rede, die so überzeugend war, daß der Koalition Wenn man aus den Erfahrungen die richtigen Kon- am Ende nur noch der pflichtbewußte Beifall blieb. sequenzen zieht - da stimmen wir ganz offenkundig (Widerspruch bei der CDU/CSU und der überein -, dann darf sich mit Blick auf den Kosovo F.D.P.) und die Region auf dem Balkan nicht wiederholen, was wir in Bosnien erlebt haben, was die Menschen Wenn ich jetzt einmal von dem absehe, was mit Eu- dort erleiden mußten, was vielen Menschen das Le- ropa zu tun hat, wo wir keine besonderen Streit- ben gekostet hat und wo wir nicht so klar und ein- punkte haben, und das betrachte, was Sie zur Innen- deutig waren, wie wir hätten sein sollen. politik erklärt haben, dann muß ich sagen: Das hatte mehr den Charakter des Abgesangs als der zukunfts- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne weisenden Perspektive. ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) - (Anhaltender Beifall bei der SPD - Beifall Meine Damen und Herren, es ist gut, wenn es über beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei diese Fragen jetzt keinen Streit gibt - ich hoffe, das Abgeordneten der PDS) bleibt so -, in der Zielbestimmung einer Autonomie für diesen Teil auf dem Balkan genauso wie über das Ziel, daß dieser Konflikt nicht auf andere Regionen Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Es spricht jetzt in überschwappen darf. Denn das könnte verheerende der Debatte der Kollege Dr. Gerhard Stoltenberg. Auswirkungen haben, nicht nur in Mazedonien, son- dern auch in Bulgarien und sogar darüber hinaus. Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU/CSU): Frau Präsi- dentin! Meine Damen und Herren! Es ist sicher sinn- Vor diesem Hintergrund ist es notwendig, das All- voll, daß wir die Regierungserklärung des Bundes- gemeine, das über den aktuellen Konflikt Hinaus- kanzlers nach dem Gipfel der Europäischen Union weisende noch einmal zu betonen: Europa sollte eine im Zusammenhang mit einer Reihe von Anträgen der Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik formu- Fraktionen zur wirtschaftlichen Lage - vor allem zur lieren und die Voraussetzungen dafür schaffen, daß Außenwirtschaftspolitik und zur Globalisierung - dis- man diese Politik auch durchsetzen und in inte rnatio- kutieren. nale Organisationen und Zusammenhänge einbrin- gen kann. Wir, die Unionsfraktionen begrüßen die vom Bun- deskanzler geschilderten Fortschritte. Wir begrüßen Meine Damen und Herren, wenn wir es ernst mei- auch die erneut klar formulierten Prinzipien der euro- nen mit der Europäischen Union und auch mit unse- päischen Politik. Wenn Sie, Herr Scharping von einer ren eigenen Interessen, zum Beispiel mit unserem In- langen und inhaltsschwachen Rede des Kanzlers teresse daran, daß man in Europa die Arbeitslosig- sprachen, dann muß ich Ihnen sagen, Ihre Rede war keit bekämpft und die Ausbildung der Jugend si- zwar kurz, aber inhaltlich so schwach, daß die Maß- cherstellt, mit unserem Interesse daran, daß wir - wir stäbe, die Sie fälschlicherweise angelegt haben, auf als exportorientierte Nation noch mehr als andere - Sie selbst zurückfallen. unsere gemeinsamen Belange der zukünftigen wi rt lichen Entwicklung erkennen und entspre--schaft (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) chend handeln, also die Koordination und Zusam- menarbeit verstärken, wenn wir es ernst meinen mit Eine deutsch-französische Initiative hat - was sehr einem Europa der Bürgerinnen und Bürger und den wichtig ist - das Prinzip der Subsidiarität und seine notwendigen Reformen, dann wäre das ein wichtiges notwendige Konkretisierung erneut in das Zentrum gemeinsames Gut. der Beratungen der Union gerückt. Die Zuordnung der Aufgaben an die Gemeinschaft einerseits und an Ich will deswegen am Rande und zum Schluß nur die nationalen Verfassungsorgane und die regiona- anmerken, Herr Bundeskanzler, daß Sie sich bei dem len Körperschaften andererseits muß immer wieder Widerspruch, in dem Sie sich befinden, nämlich auf einmal austariert werden. Wie mir scheint, ist dieses der einen Seite in Deutschland Wahlkämpfer zu sein Bewußtsein in letzter Zeit in allen Fraktionen des und auf der anderen Seite Europa voranbringen zu Deutschen Bundestages größer geworden. In be- wollen - diesen Widerspruch haben Sie sich selbst stimmten, wichtigen Bereichen haben wir - der Bun- zuzuschreiben -, in Cardiff in manchen Teilen leider deskanzler hat es gesagt - mit dem Amsterdamer mehr zugunsten des Wahlkämpfers und weniger zu Vertrag die Europäische Union weiter gestärkt. Zu- 22192 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Dr. Gerhard Stoltenberg gleich geht es aber in der Tat um die Vermeidung ei- gen. Das Ja zum internationalen Wettbewerb, das Ja ner Tendenz zum bürokratischen Zentralismus. Der zur Arbeitsteilung ist Deutschland insgesamt gut be- Bundeskanzler hat das sehr eindringlich und für kommen - seiner Preisstabilität, seinen Verbrau- mich überzeugend gesagt. Er hatte für diese Tendenz chern, seinen Betrieben und seinen Arbeitnehmern. Beispiele genannt, die wir alle nur ablehnen können. Die letzten Jahre haben dann einen enormen Schub Deswegen sollte es eine gemeinsame Anstrengung hin zu noch offeneren Weltmärkten, zur sogenannten aller Fraktionen des Hohen Hauses - gemeinsam mit Globalisierung gebracht. Dieser Schub war vor allem den Kollegen des Europäischen Parlamentes - sein, die Folge einer nachhaltigen Innovationsentwick- daß diese Entwicklung geändert wird und daß sich lung, etwa bei den Verkehrstechniken, bei den Infor- die europäischen Organe wieder auf das Wesentli- mationstechniken und bei der Globalisierung der Fi- che, das Gemeinsame, das Notwendige beschrän- nanzmärkte. ken, denn anders werden wir ein Europa der Bürger überhaupt nicht erreichen. Es waren aber auch politische Entscheidungen, die wir getroffen haben. Ich erinnere daran, daß 1993 die (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Schlußakte, die eine weitere weltweite Liberalisie- Die Neubestimmung der Finanzbeiträge der Mit rung und die Gründung der Welthandelsorganisa- gliedstaaten - und damit ein gerechteres und faireres tion herbeiführte, von mehr als 130 Staaten verein- System - steht nun auf der Tagesordnung. bart wurde. Ich erinnere daran, daß dies fast einstim- mig im Deutschen Bundestag beschlossen wurde. (Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD]: Wo Man muß das hervorheben, weil wir seit einiger Zeit steht das denn?) im Westen, vor allem aber in Deutschland und Frank- Das ist bereits ein erster und wichtiger Erfolg, denn reich, eine Welle des Pessimismus, damit ist von allen anerkannt, daß eine Neuordnung geboten ist. Ich glaube, an dieser Stelle sollte das En- (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Von wem gagement des Bundeskanzlers, des Bundesaußenmi- denn?) nisters und des Bundesfinanzministers anerkannt - eine Welle einer geradezu depressiven und polemi- werden. schen Debatte über die angeblich bedrohlichen Fol- Offen gesagt habe ich, Herr Scharping, nicht ver- gen der Globalisierung haben. Da werden düstere standen, daß Sie jetzt kritisch eine Initiative zu euro- Szenarien entwickelt und neue Reizworte geprägt. päischen Grundrechten und zum europäischen Ver- fassungsrecht anmahnen. Die Realität ist doch eine (Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD]: Eben!) ganz andere. Die Organe der Gemeinschaft haben eine Tagesordnung mit einer Fülle bedeutender und „Der Terror der Ökonomie" lautet der Titel eines Bu- schwierigster Themen vor sich: die Erweiterung der ches von Frau Forrester, das wie ähnliche Publikatio- Europäischen Union, die Agenda 2000, die Konkreti- nen über Wochen auf den Bestsellerlisten stand. Ich sierung der Subsidiarität, die Umsetzung des Amster- erinnere an das Reden von der zügellosen „Gier des damer Vertrages - die steht noch an, auch in den Fra- Marktes" von Herrn Claus Koch. Man könnte diese gen der Harmonisierung des Asylrechts und der Liste fortsetzen. Ich habe den Eindruck, daß in diesen wirksameren Bekämpfung der Kriminalität - und Büchern nicht selten alte antikapitalistische Parolen schließlich die Neuordnung der Finanzbeiträge. Das aus der Mottenkiste des Marxismus eine Rolle spie- wird eine Arbeit sein, von der wir hoffen, daß sie in len, die uns nicht helfen werden. der ersten Hälfte des nächsten Jahres unter deut- schem Vorsitz zu Ergebnissen führen wird. Dennoch (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) wird sie die Organe über das nächste Jahr hinaus Auf der anderen Seite ist es wahr, daß einige Jahre noch voll beschäftigen. Leisten Sie deswegen doch sehr langsamen Wachstums und steigender Arbeits- Ihren Beitrag dafür, daß wir in diesen Punkten zu Er- losigkeit in, Europa bei nicht wenigen Zukunftsäng- gebnissen kommen! Konzentrieren wir die Kräfte ste verursachen. Auch das muß man verstehen und und die Energien für eine gute Entwicklung in Eu- ernst nehmen. Aber zugleich haben wir innerhalb ropa! und außerhalb dieses Hohen Hauses vor falschen (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge Schuldzuweisungen und dem Verschweigen der ordneten der F.D.P.) wirklichen Probleme in Europa zu warnen. Mancher schiebt heute eigenes Fehlverhalten auf den Popanz Seit Ludwig Erhards ersten Initiativen war es im- Globalisierung ab. Stabilität und Fortschritt beginnen mer ein wesentliches Ziel der Bundesrepublik, sich aber noch immer zu Hause. in eine freiheitliche und offene Weltwirtschaft zu in- tegrieren. Dem entsprach auch die schon historische (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Entscheidung, das Engagement der Deutschen bei der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemein- Ich möchte auch daran erinnern, daß, global gese- schaft vor 40 Jahren, daß sie nicht ein abgekapseltes hen, die Politik der immer stärkeren Marktöffnung System sein wollte, die wirksamste Form der Entwicklungshilfe für viele (Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.]: So ist es!) notleidende Völker der dritten und vierten Welt ge- worden ist. Wo sollen sie denn ihre Produkte verkau- daß es nicht zu einer „Festung Europa" gekommen fen, wenn nicht bei den wohlhabenden Nationen des ist, sondern zu einer zunehmenden Öffnung für den Westens? Wie sollen sie die notwendige Kapitalbil- weltweiten Austausch von Waren und Dienstleistun dung erreichen, wenn nicht mit offeneren Märkten Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22193

Dr. Gerhard Stoltenberg und durch den Transfer von Technologie und Kapital gen war es so wichtig, daß wir die schon genannte - zum Vorteil ihrer eigenen Entwicklung? Welthandelsorganisation mit erheblichen Kompeten- zen ausgestattet haben. Allerdings müssen sich auch ( [CDU/CSU]: Sehr wahr!) alle an ihre Entscheidungen halten. Wenn die Welt- Zahlreiche Länder außerhalb Europas haben diese handelsorganisation feststellt, daß die - gegen die Chancen genutzt. Je konsequenter sie auf Lösungen deutsche Stimme in der EU mit Mehrheit beschlos- mit Mitteln der sozialen Marktwirtschaft gesetzt ha- sene - Bananenverordnung rechtswidrig ist, muß die ben, desto bedeutender sind auch ihre Erfolge. Europäische Union daraus die Folgerungen ziehen und darf die Entscheidungen nicht verzögern. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD) Uns helfen keine neuen Stimmungen eines schon recht alten Kulturpessimismus oder einer überzoge- Das erfordert nicht nur das Interesse der Verbrau- nen Zivilisationskritik. cher, sondern auch der Respekt vor den wichtigen Normen, die wir als Elemente einer internationalen (Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.]: Sehr gut!) Rechtsordnung brauchen. Ich möchte daran erinnern, daß vor 20 Jahren Carl Vor dem Hintergrund, daß die Krise in den ostasia- Friedrich von Weizsäcker im Blick auf die kommende tischen Ländern vor allem im Banken- und Versiche- Zeit den Begriff der geprägt hat. „Weltinnenpolitik" rungswesen schwere Folgen nach sich zieht, muß (Siegmar Mosdorf [SPD]: Sehr richtig!) auch über die Einführung weiterer umfassenderer Regelungen in diesem Bereich gesprochen werden. Er hat damals davon gesprochen, die gemeinsame Die Finanzminister erörtern zu Recht eine Erweite- Verantwortung in bezug auf die Menschheitspro- rung der Möglichkeiten des Währungsfonds, etwa bleme, zu denen zunehmend auch bestimmte Aufga- durch ein Frühwarnsystem. Ich glaube aber, man ben des Umweltschutzes gehören, werde größer, sollte auch diskutieren, ob in Zukunft nicht wirksame - auch für die armen und notleidenden Völker. Das hat nationale Gesetze zur Bankenstruktur und Banken- damals bei den Intellektuellen, in den Kirchen und in aufsicht zur Bedingung für die Kreditwürdigkeit den Universitäten ein starkes und positives Echo aus- beim Internationalen Währungsfonds gemacht wer- gelöst. Jetzt, wo dies in einigen wichtigen Bereichen den. zunehmend Realität wird, verfallen manche - nicht alle -, die damals klatschten, in Gejammere und Kla- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge gen. Dies hilft uns überhaupt nicht; denn wir werden ordneten der F.D.P. und der SPD) die nicht einfache, aber lohnende Aufgabe, die Strukturen, Mentalitäten und Verhaltensweisen in Das ist im Grunde nichts weiter als eine erweiterte unserem Land auf diese neuen Bedingungen einzu- Konditionalität, die in anderen Bereichen schon be- stellen, nur meistern, wenn wir für die Menschen steht. auch klare Zukunftskonzeptionen entwickeln. Ich beschränke mich auf diese Beispiele. Hier ist (Beifall bei der CDU/CSU) wirklich Raum für kreative Diskussionen und krea- tive Politik und für den Dialog zwischen Wissen- Man muß auch bestimmte falsche Parolen anspre- schaft, Wirtschaft und Politik. Aber das alles, meine chen. Globalisierung ist keine Abdankung der Poli- Damen und Herren, hebt nun die politische Verant- tik. Sie ist keine Kapitulation vor dem Großkapital wortung, Entscheidungen im eigenen Land zu tref- oder den internationalen Konzernen. Allerdings wer- fen, nicht auf. Trotz der Globalisierung können wir den die Grenzen der nationalen Politik, auch der na- nach wie vor ganz erhebliche Unterschiede und teil- tionalen Tarifpolitik, deutlicher. Daraus muß man Fol- weise gegenläufige Entwicklungen in der westlichen gerungen ziehen. Die notwendigen Reformen unse- Welt feststellen. rer Sozialsysteme stellen keine soziale Demontage, sondern eine erforderliche Anpassung dar, die aus Beschäftigung. In den USA sind in den letzten Jah- inneren Gründen genauso notwendig ist wie als Zu- ren 14 Millionen neue Arbeitsplätze entstanden. rüstung auf die neuen Bedingungen des weltwirt- (Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.]: Das wird schaftlichen Wettbewerbs. doch hier nicht zur Kenntnis genommen!) (Beifall bei der CDU/CSU) Die Dynamik dort ist völlig ungebrochen. Ein nam- Soziale Marktwirtschaft erfordert als internationa- hafter Journalist hat vor kurzem die US-Volkswirt- les System auch einen rechtlichen Ordnungsrah- schaft als eine große Jobmaschine bezeichnet. Natür- men. Ich bin erstaunt, wenn einige Professoren, die lich weiß das jeder, der jetzt hier im Saal ist. Aber ich darüber schreiben, das vergessen haben. Zu den ele- bin der Meinung, daß wir uns gerade auch in der mentaren Grundsätzen und auch zur Handlungspra- Politik noch ernsthafter mit den Gründen für diese xis einer an der sozialen Marktwirtschaft orientierten Erfolge befassen müssen, anstatt sie, wie das immer Politik hat es immer gehört, gegen den Mißbrauch noch geschieht, mit gewissen Schlagworten abzutun. wirtschaftlicher Macht, für wirklichen Wettbewerb, (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) für ein offenes Handelssystem und für den Schutz privater Rechte einzutreten. Dies kann in der Tat Denn in der Tat ist die Zahl der Arbeitsplätze in heute in manchen Bereichen zunehmend nur durch Westeuropa in demselben Zeitraum um 4 Millionen internationale Normen verwirklicht werden. Deswe- zurückgegangen. 22194 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Dr. Gerhard Stoltenberg Jugendarbeitslosigkeit. Der Bundeskanzler hat spiele sind die USA und die Schweiz. Diese Erkennt- dazu bereits Stellung genommen. Sie, Herr Kollege nis bricht sich Bahn, so zum Beispiel bei New Labour. Scharping, haben in diesem Zusammenhang gesagt, Der britische Erziehungsminister Blunkett, dessen anderen Ländern gelinge der Umgang hiermit sehr Biographie durch die Gewerkschaften geprägt ist, viel besser. Sie werden vielleicht zwei oder drei klei- hat vor wenigen Wochen gesagt - ich zitiere das nere Länder finden, die eine noch günstigere Bilanz gerne -: haben; aber wir befinden uns hier unverände rt in der Spitzengruppe vor allem der großen Staaten. Eine Es hat keinen Zweck, daß die soziale Sicherung Quote bei der Jugendarbeitslosigkeit von über für Unternehmen so kostspielig wird, daß sie auf 10 Prozent ist zu hoch. Aber wir müssen einmal dar- Einstellungen verzichten oder ihre Produktions- über diskutieren, woran es liegt, daß die Quote in basis ins Ausland verlagern. Damit zerstören wir Frankreich seit Jahren bei erschreckenden 25 Prozent die Grundlagen unserer Arbeitsplätze, die wir und in Spanien bei 35 Prozent liegt. Wir können ge- doch erhalten wollen. wisse Verhaltensweisen der französischen Politik nur vor diesem Hintergrund verstehen. Ich unterstreiche, (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Der was der Bundeskanzler gesagt hat: Gehen wir alle in Mann hat recht!) diesem Hause schonend und verantwortungsbewußt Wenn wir das in Verbindung mit der Standortde- mit unserem bewährten dualen Ausbildungssystem batte sagen, Herr Kollege Scharping, dann reden Sie um! - so wie heute - von einem „Standortgeschwafel". (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Ich halte diese Einschätzung für vollkommen unan- sowie bei Abgeordneten der SPD, des gebracht und für einen wirklich schweren Fehler. BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Auch die Länder müssen ihre Verantwortung für den Diese alten Phrasen - erlauben Sie mir diese Bemer- schulischen Bereich tragen. - kung -, vieles, was wir von den Herren Schröder und Im Bereich der Teilzeitarbeitsplätze sind wir nicht Lafontaine zu diesen Fragen hören, und auch Ihr ge- an der Spitze. Zwar ist ihr Anteil jetzt auf 16 Prozent meinsames Programm der Beschäftigten gestiegen. Die Niederlande haben (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Furcht aber einen Anteil von 36 Prozent. bar!) (Manfred Müller [Berlin] [PDS]: Sie dürfen bei der Rente nicht bestraft werden!) zeigen, daß Sie in bezug auf Problembewußtsein und Lösungskompetenz im Vergleich etwa zu der briti- - Das hat mehrere Gründe. Im Rahmen eines Zwi- schen Regierung Blair und ihren wesentlichen Expo- schenrufes kann man dieses Problem nicht erörtern. nenten weit zurück sind. Über diesen Punkt eine be- - Die Schaffung von Teilzeitarbeitsplätzen ist natür- sondere Debatte zu führen wäre sehr lohnend, lich zunächst einmal eine Angelegenheit der Tarif- vertragsparteien. Ich erinnere mich noch an eine Zeit (Rudolf Scharping [SPD]: Gerne!) in den frühen 80er Jahren, als führende Funktionäre des Deutschen Gewerkschaftsbundes dies als eine aber die Zeit reicht nicht. Diesen Punkt wollte ich Art minderwertige Arbeit für Frauen disqualifizier- nach Ihrer Bemerkung vom „Standortgeschwafel" ten. noch festhalten. (Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.]: So war es!) (Zuruf von der SPD: Drei Monate reichen Es gibt mittlerweile ein Umdenken bei den Tarifver- nicht! - Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: tragsparteien, Mit Bart waren Sie noch moderner!) (Dr. [F.D.P.]: Das dauert - Das mußte gesagt werden. immer so lange!) Blunkett hat auf einen ganz wichtigen Sachverhalt das weiter gefördert werden muß. Wenn wir hinsicht- verwiesen: Die Politik der sozialen Sicherung auf der lich der Rahmenbedingungen, die der Gesetzgeber einen Seite und die Politik für mehr Investitionen zu setzen hat, noch einiges in diesem Hohen Hause und Arbeitsplätze auf der anderen Seite müssen in zu tun haben, dann sollten wir das zu Beginn der jedem Land optimal abgestimmt werden. Wenn das neuen Wahlperiode in Angriff nehmen. nicht geschieht, entsteht ein Zielkonflikt, in dem (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - beide Seiten Schaden nehmen. Das ist die Realität. Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Das haben wir beantragt!) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Ein genauerer Ländervergleich zeigt: Staaten mit Deshalb haben wir die schon hervorgehobenen Re- einem niedrigen Staatsanteil, einer unterdurch- formen beschlossen. Der Bundeskanzler hat sie im

schnittlichen Steuer- und Abgabenquote, einer vor einzelnen geschildert. Ich brauche sie nicht zu wie- allem - aber nicht nur - auf Stärkung der Angebots- derholen. Auch der erweiterte Spielraum für Tarifver- bedingungen orientierten Politik sind in der Regel - tragsparteien bei der Lohnfortzahlung stieß bei Ih- gerade im Beschäftigungsbereich - erfolgreicher als nen auf erbitterten Widerstand. Die Führung Ihrer andere. Die bekanntesten, aber nicht einzigen Bei- Partei, die Herren Lafontaine und Schröder - in die- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22195

Dr. Gerhard Stoltenberg ser Reihenfolge besteht wohl die Führung und die und Lafontaine, zu Fall gebracht hat, hat nun wirklich Autorität in Ihrer Partei -, jede Legitimation verspielt, sich über solche Praktiken bei Firmen oder Privatleuten aufzuregen. (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Von Führung kann keine Rede sein!) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) sagen, daß sie diese Gesetze rückgängig machen Im übrigen müssen Sie vorsichtig sein, denn die wollen. Vielleicht haben Sie gelesen, daß vor weni- Großunternehmen können leichter als kleine Be- gen Tagen der weitblickende Vorsitzende einer wich- triebe ihre Firmensitze ins Ausland verlagern. Dafür tigen Gewerkschaft, Herr Schmoldt von der IG Che- gibt es schon Beispiele. Wenn es so ist, daß die La- mie, Sie öffentlich gewarnt hat, das zu tun. Er hat ge- bour-Regierung in Großbritannien 39 Prozent als den sagt: Wir können mit diesem umstrittenen Gesetz, höchsten vertretbaren Satz für Firmen und Privatper- nachdem wir es vernünftig ausgelegt haben, leben; sonen ansieht, wenn es so ist, daß der Spitzensteuer- vielleicht muß man hier und da etwas korrigieren. satz in der Schweiz in manchen Kantonen mittler- Sie sind auch hier von den Vordenkern einer moder- weile kaum noch über 30 Prozent liegt, werden Sie nen und aufgeklärten Politik in den deutschen Ge- bei einem Festhalten an den Sätzen von 53 und werkschaften weit entfernt. 48 Prozent immer weiter Firmen und Arbeitsplätze (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) aus Deutschland vertreiben. Das wäre eine destruk- tive Politik. Ich habe mit Interesse gelesen, was Herr Lafon- taine vorgestern auf einem Kongreß zur Steuerpoli- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) tik gesagt hat. Er war subjektiv ehrlich, aber die Aus- Zur positiven Bilanz gehört auch, daß wir seit 1996 sage war falsch. Er hat gesagt: Wir haben keinerlei in weiten Bereichen flexiblere und beschäftigungs- Spielraum für Steuersenkungen, wenn man zugleich freundlichere Tarifverträge erreicht haben. Das ist bestimmte Ausgaben erhöhen will. ein Fortschritt. Nur, es geht darum, diesen Weg zu Steuersenkungen sind so dringend, und eine Re- verstetigen. Da erfüllt es mich mit Sorge, wenn einige form des Steuersystems ist für die Zukunft- so wichtig, Gewerkschaftsführer wieder anfangen, von der 32- daß man in Zukunft möglicherweise auf Ausgabener- und der 25-Stunden-Woche zu reden. Sie haben die höhungen verzichten muß - das ist die richtige Rei- neuen Spielräume für nationale Tarifpolitik unter henfolge der Prioritäten. dem Vorzeichen der Globalisierung überhaupt noch nicht begriffen. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU Statt dessen kündigt Herr Lafontaine eine Steuer- und der F.D.P.) strukturreform ohne Steuersenkungen an, also auf- kommensneutral. Ich sage - mit einigen Erfahrungen Wir haben zur Zeit drei wesentliche Voraussetzun- auf diesem Gebiete - einmal: Das wird nicht gelin- gen für die beginnende wi rtschaftliche Trendwende: gen; das ist ein Weg in eine Sackgasse; das ist die erstens - der Bundeskanzler hat es hervorgehoben - Quadratur des Kreises. Sie müssen das wirklich ein- durch ein ungewöhnlich hohes Maß an Geldwertsta- mal erläutern. Sie haben bei den Auseinandersetzun- bilität, vor allem dank der Bundesbank, aber auch gen über die Steuerreform immer wieder die starke dank des - wie in den 80er Jahren - wieder besseren Entlastung der unteren Einkommensgruppen gefor- Zusammenwirkens von Finanzpolitik und monetärer dert. Jetzt, vor der Wahl, steht in Ihrem Programm, Politik, zweitens durch die politischen Reformen der glaube ich, sogar etwas von einer wesentlichen Bes- Koalition, die die Bedingungen für Investitionen ver- serstellung des Mittelstandes, zur Erweiterung der bessert haben, und drittens durch die von mir er- Wählerbasis. Ja, wer soll denn die Rechnung im wähnten neuen Entwicklungen in der Tarifpolitik. So Saldo bezahlen? gewinnt der Aufschwung jetzt beträchtlich an Kraft und Breite. (Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.]: Das ist der Punkt! - Joseph Fischer [Frankfu rt] (BÜND Da natürlich in solchen Debatten kurz vor Wahlen NIS 90/DIE GRÜNEN]: Mehr netto für alle!) jeder dem anderen mißtraut, würde ich gerne eine Reihe von Zitaten bringen - Sie kennen sie alle, Frau Das müssen Sie, wenn Sie von der aufkommensneu- Matthäus-Maier -, vom Sachverständigenrat, von der tralen Steuerreform sprechen, nun endlich einmal er- Bundesbank, von den wissenschaftlichen Instituten. klären. Ich verweise darauf. (Zuruf des Abg. Dr. Peter Struck [SPD]) Im übrigen ist die Entwicklung in einer ganz klas- - Herr Struck, es gibt einen vorsichtigen Hinweis, den sischen Weise auf dem Wege. Erst kommt der Export. ich nicht unterschlagen will. Lafontaine kritisiert die Dann kommen die privaten Ausrüstungsinvestitio- Chefs von Großunternehmen, die sich damit brüsten, nen mit ganz hohen Zuwachsraten schon seit dem in Deutschland kaum noch Steuern zu bezahlen. Aber letzten Jahr. Das ist übrigens der stärkste Faktor für dieser Hinweis reicht nicht aus, und zwar aus zwei die Beschäftigungsbewegung. Dann kommt ein lang- Gründen. Wir haben im Bundestag mit der Koalition samer Anstieg der privaten Nachfrage. Noch gibt es ein Konzept verabschiedet, das einen wesentlichen einige im Schatten, so zum Beispiel die Bauwirt- Teil der kritisierten Mißstände beseitigen wi ll, auch schaft. Aber es ist überhaupt nicht zu bestreiten, daß die Möglichkeit für Großunternehmen, durch be- wir auf dem Arbeitsmarkt erste positive und nachhal- stimmte Verfahrensweisen die Steuerpflicht stark zu tige Wirkungen haben. Ich unterstreiche noch einmal vermindern. Aber wer das im Bundesrat, wie Schröder das, was der Bundeskanzler hierzu gesagt hat. 22196 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Dr. Gerhard Stoltenberg Gestern gab es aus dem Bereich der neuen Länder Es spricht jetzt in der Debatte der Fraktionsvorsit- eine Agenturmeldung von dem Institut für Wi rt zende des Bündnisses 90/Die Grünen, Joseph Fi- lle. Dieses sehr hoch angese--schaftsforschung in Ha scher. hene Institut - der Leiter ist Professor Pohl; er ist vie- len bekannt - hat bei den Unternehmern in den Joseph Fischer (Frankfurt) (BÜNDNIS 90/DIE neuen Ländern eine umfangreiche Befragung durch- GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Her- geführt. Es hat festgestellt, daß es im Bereich der In- ren! Verehrter Kollege Stoltenberg, gestatten Sie mir, dustrie seit 1990/91 keine so optimistische Einschät- die Gelegenheit zu nutzen, Ihnen für die Zukunft al- zung der Zukunft gegeben hat wie zum jetzigen Zeit- les Gute zu wünschen. Für mich ganz persönlich punkt. Das ist ein Indikator dafür, daß der vom Bun- geht mit Ihrem Abschied ein Stück Geschichte der deskanzler bereits erwähnte Prozeß einer Trend- Bundesrepublik Deutschland zu Ende, die ich oft in wende bei der Beschäftigung auch in den neuen großer Konfrontation mit Ihnen persönlich erlebt Ländern begonnen hat. Darüber sollten wir uns alle habe. Der Name Brokdorf steht als Symbol in diesem miteinander freuen, unabhängig von dem, was wir Zusammenhang bis auf den heutigen Tag an oberster hier politisch miteinander auszutragen haben. Stelle. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Aber es verdeutlicht einen großen Teil der politi- schen Kultur unseres Landes, daß wir trotz aller har- Deshalb ist die Fortsetzung der Politik der Refor- ten Gegensätze - auch der Vergangenheit - heute so men, einer erneuerten sozialen Marktwirtschaft, für weit sind, daß wir sagen können: Wir haben uns oft Deutschland und Europa von größter Bedeutung. Wir um den richtigen und besten Weg gestritten; aber brauchen eine Verbindung von Kontinuität und Inno- insgesamt gesehen ist die Entwicklung der Bundes- vationsfähigkeit. Für diese Verbindung stehen in den republik Deutschland mittlerweile in einem so hohen nächsten Jahren die Koalitionsfraktionen mit ihrer Maße konsensuell, daß der notwendige Parteienstreit Politik und ihren Konzepten. Dafür werden wir in diese Konsense nicht mehr überdecken kann. Darin den kommenden Monaten mit Perspektiven und Ar- sehe ich einen Fortschritt. Ich wünsche Ihnen persön- gumenten werben. - lich alles Gute. Meine Damen und Herren, ich wünsche mir in (Beifall im ganzen Hause) meiner letzten Rede hier im Deutschen Bundestag - meine erste habe ich vor 40 Jahren gehalten -, daß Gestatten Sie mir dennoch, Kollege Stoltenberg, sich der Deutsche Bundestag über diese Wahlperiode daß ich in dieser Debatte, in der über sehr vieles ge- hinaus immer wieder als ein Forum großer Debatten, redet wird - eigentlich sollte über Cardiff geredet klarer Alternativen, aber - wenn nötig - auch ge- werden -, gleich wieder die parlamentarische Klinge meinsamer Verantwortung bewährt. aufnehme und ganz kurz auf den entscheidenden Punkt eingehe, den Sie in Ihrer letzten Rede eben an- Schönen Dank. gesprochen haben, nämlich die Entwicklung am Ar- beitsmarkt, die Frage der Innovationsfähigkeit sowie (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und die Frage, warum wir im Kampf gegen die Arbeitslo- der F.D.P. - Beifall bei Abgeordneten der sigkeit nicht weiter sind und warum die positive SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ Trendwende nicht bereits strukturell erreicht worden NEN - Die Abgeordneten der CDU/CSU ist. und der F.D.P. sowie die Regierungsmit glieder erheben sich - Bundeskanzler (Vorsitz: Vizepräsident Dr. ) Dr. Helmut Kohl und Bundesminister Dazu kann ich Ihnen nur etwas sagen, Kollege Dr. Theodor Waigel gratulieren dem Abg. Stoltenberg - Sie haben die Niederlande angeführt -, Dr. Gerhard Stoltenberg [CDU/CSU]) was von dieser Bundesregierung immer wieder ver- schwiegen wird: Wir wären heute schon weiter, Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Lieber Kollege wenn das niederländische Modell von dieser Bundes- Stoltenberg, Sie haben soeben den Dank der Kolle- regierung umgesetzt worden wäre. ginnen und Kollegen nicht nur der Fraktion der (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN CDU/CSU, sondern - so wage ich zu sagen - a ller sowie bei Abgeordneten der SPD) Fraktionen dieses Hauses erlebt. Sie haben die Poli- tik in Deutschland und Europa seit den 50er Jahren Ich erinnere noch einmal an den Spätwinter 1996, als entscheidend mitgestaltet. ein Bündnis für Arbeit möglich gewesen wäre. Der niederländische Erfolg beruht auf einem fairen Ge- (Beifall im ganzen Hause) ben und Nehmen der Tarifparteien, angeleitet, flan- kiert und abgesichert durch die Politik in einem Das gilt für Parlaments- wie Regierungsämter. Sie Bündnis für Arbeit. Eine neue Bundesregierung muß waren einmal der jüngste Abgeordnete sowie der den Stillstand überwinden, indem endlich ein solches jüngste Minister. Besonders anerkennen möchte ich, Bündnis für Arbeit in der Bundesrepublik Deutsch- daß Sie neben den Tagesfragen die Dinge immer land zustande kommt, so daß wir die positive struktu- wieder sehr prinzipiell angegangen sind und stets relle Trendwende am Arbeitsmarkt erreichen kön- den Mut auch zu unbequemen Wahrheiten zur Un- nen. zeit gehabt haben. Herzlichen Dank für Ihre Arbeit! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall im ganzen Hause) sowie bei Abgeordneten der SPD) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22197

Joseph Fischer (Frankfurt) Wenn Sie, Herr Kollege Stoltenberg, dann aber Wir haben heute eine der bedeutendsten Regie- auch noch die Ehrlichkeit bei der Opposition im Zu- rungserklärungen von Helmut Kohl in dieser Legisla- sammenhang mit der Steuerreform einklagen, dann turperiode gehört; das müssen wir feststellen. Herr kann ich Sie nur daran erinnern, daß hier ein Koaliti- Bundeskanzler, ich wußte gar nicht, worüber nicht onspartner sitzt, der in diesem Wahlkampf „mehr alles auf EU-Gipfeln geredet wird. netto für alle" verkündet. Wie dieses „mehr netto für alle" - durch die Vorschläge der F.D.P. werden prä- (Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ terpropter Löcher in Höhe von 150 bis 200 Milliarden NEN und bei der SPD) DM in den Bundeshaushalt gerissen - gegenfinan- Ich stelle fest: Es wurde do rt über die Versager in ziert werden soll, darüber schweigt diese Partei bis Niedersachsen, in Nordrhein-Westfalen und im Saar- heute. Wenn wir hier also über mehr Ehrlichkeit land gesprochen, reden, dann sollten Sie sich erst einmal an die eigene Nase fassen. In Wirklichkeit wird die Position „mehr (Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl: Ja!) netto für alle" wieder das bedeuten, was dies auch es wurde über die Lichtgestalten in Bayern und bisher bei dieser Bundesregierung bedeutete: Entla- Baden-Württemberg gesprochen, es wurde über das stung bei den oberen und obersten Einkommen und Elend des deutschen Schulsystems gesprochen. Mich Gegenfinanzierung bei den mittleren und unteren würde interessieren, was dazu die Meinung der Einkommen. Diese Ehrlichkeit werden wir im Wahl- Staatschefs war; das wäre ja eine interessante Infor- kampf einklagen. mation für das Hohe Haus gewesen. Es wurden die (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Erfolge der Bundesregierung gefeiert. Ich nehme an, sowie bei Abgeordneten der SPD - Wider Sie haben dort Standing ovations bekommen. Im spruch bei der CDU/CSU und dei F.D.P.) Klartext: Was wir heute erlebt haben, war keine Regierungserklärung zu Cardiff, sondern eine halbe Herr Bundeskanzler, es ist immer wieder ein bewe- Stunde Wahlkampf, eine halbe Stunde Innenpolitik, gendes Ereignis, eine Regierungserklärung von Ih- die nichts mit Europapolitik zu tun hatte. nen hier zur Kenntnis nehmen zu dürfen,- auch wenn dieses Vergnügen zeitlich begrenzt sein wird. (Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.]: Das machen Sie doch auch!) (Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.]: Das wer Herr Bundeskanzler, uns hätte in der Tat schon in- den Sie noch oft erleben!) teressiert, wie Sie den Zustand Ihrer Koalition bewer- - Nein, das werden wir nicht mehr oft erleben. Ich ten. Sie hätten im Rahmen Ihres Rechenschaftsbe- wundere mich, daß ein solcher Zuruf gerade von der richts, Ihres Wahlkampfauftrittes heute zum Beispiel F.D.P. kommt. Herr Westerwelle hat doch verkündet: etwas zu Ihrer Kabinettsumbildung und auch zu die- Kohl muß weg. Oder habe ich das falsch verstanden? sem famosen Herrn Hauser sagen können. Aber bitte, ich möchte Sie nicht überfordern. (Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und bei der SPD) (Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ NEN und bei der SPD) Wenn ich das richtig sehe, darf Herr Westerwelle Nach einer halben Stunde sind Sie dann tatsäch- heute an der Debatte nicht teilnehmen. Er muß im lich zum Thema gekommen - ich habe immerhin nur Dehler-Haus nachsitzen, weil man dem Bundeskanz- fünf Minuten gebraucht -, nämlich zum Gipfel in ler offensichtlich nicht zumuten wollte, daß er hier Cardiff. In der Tat, die Europapolitik verdient es, endgültig öffentlich ausflippt und sich wie in Halle auch in diesem Wahljahr, in diesem Wahlkampf nicht am Ende in Richtung F.D.P.-Fraktion bewegt, so er- innenpolitisch instrumentalisiert zu werden. Cardiff bost, wie er - das gebe ich ehrlich zu - angesichts war - der Bundeskanzler hat das heute auf seine un- dieses Gipfels der Perfidie sein muß. vergleichliche Art klargemacht - europapolitisch ein ( [F.D.P.]: Sie waren auch schon Nullgipfel, ein Optionsgipfel, wie es im Bürokraten besser!) deutsch heißt. (Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: - Nein, es geht nicht darum, ob hier jemand schon Ganz schön arrogant, Herr Fischer!) besser war. Der F.D.P.-Generalsekretär hat öffentlich erklärt, daß dieser Bundeskanzler noch einmal ge- - Nein, das hat mit Arroganz überhaupt nichts zu wählt werden soll, damit er dann aufs Altenteil tun. Ich hätte mir gewünscht, daß man do rt zu Ergeb- kommt; denn er sei bereits zu lange im Amt. In der nissen gekommen wäre. In der Tat ist die Reform der Sache hat Herr Westerwelle völlig recht. Ob es aller- EU-Finanzen ein drängendes Thema, aber weniger, dings richtig ist, als Koalitionspartner so mit dem als Sie es innenpolitisch zu instrumentalisieren versu- Bundeskanzler umzugehen, darüber werden sich der chen unter dem Eindruck bayerischer Bierzelteuro- Bundeskanzler und die CDU/CSU sowie vermutlich päer und des bayerischen Wahlkampfes. Die Frage auch Teile der F.D.P. selber eine Meinung bilden. der Reform der EU-Finanzierung wird ganz entschei- Wenn dies stilbildend ist, dann ist es mit der Ehrlich- dend für die Osterweiterung der Europäischen Union keitsparole, mit der die F.D.P. in den Wahlkampf sein. Darauf komme ich aber später noch zu spre- zieht, nicht weit her. chen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS sowie bei Abgeordneten der SPD) SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD) 22198 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Joseph Fischer (Frankfurt) Was wir gegenwärtig erleben, ist eine innenpoliti- ähnliches geknüpft wird. Da frage ich: Wie verträgt sche Veränderung des europapolitischen Klimas sich das denn mit Ihren bisherigen europapolitischen auch und gerade im konservativen Lager. Was wir er- Positionen? Das ist ebenfalls reine Innenpolitik und leben, ist ein Stück weit die emotionale Verabschie- eine emotionale Verschiebung hin zu verstärkten na- dung von Europa, und zwar unter dem Gesichts- tionalen Tönen. Auch dazu schweigt der Bundes- punkt von neuen nationalen Tönen und mehr Selbst- kanzler beharrlich. bewußtsein. Der Begriff der deutschen Interessen steht plötzlich im Vordergrund. Herr Bundeskanzler, Sie hätten die Gelegenheit nutzen können, uns heute Ihre Vorstellungen zur (Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Strukturreform der EU vorzustellen. Das wäre hoch- Na und? - [CDU/CSU]: Was ist interessant gewesen. Sie haben es am Beispiel der daran falsch?) Bürgernähe mit dem Begriff der Subsidiarität ver- Dann ist da die Frage der Nettozahler; es geht um sucht. Ich habe sehr genau zugehört. Das war ein 23 Milliarden DM. Herr Bundeskanzler, Sie wirken echter Helmut Kohl. Das, was am besten auf europäi- doch nur komisch - ich halte das eher für ein trauri- scher Ebene entschieden werden kann, soll auf euro- ges Bild -, wenn Sie jetzt plötzlich als neuer Kohl ei- päischer Ebene entschieden werden. Richtig! Nur, nen auf Maggy Thatcher machen: „I want my money was ist das Beste? Das hätte mich interessie rt. Das, back." Das nimmt Ihnen in Europa niemand ab. Sie was am besten auf nationaler Ebene entschieden wirken in diesem Punkt nicht glaubwürdig. Und ich werden kann, soll auf nationaler Ebene entschieden finde es gut so, daß Sie da nicht glaubwürdig wirken. werden. Richtig! Es geht aber um die Abgrenzung. Auf der Länderebene und der kommunalen Ebene ist (Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ das genauso richtig. Nur, wie sieht denn die Abgren- NEN und bei der SPD) zung aus? Darauf ist der Bundeskanzler, darauf ist Daß wir aber gegenwärtig die innenpolitische In- die Bundesregierung heute mit keinem Wo rt einge- strumentalisierung dieser Finanzdebatte erleben, gangen. daß Deutschland ein zu starker Nettozahler- sei, be- Subsidiarität dort, wo es heißt, die Kirche im Dorf deutet doch entweder - da kann ich dem Kollegen zu lassen - das ist die deutsche Übersetzung von Scharping nur zustimmen -, daß Sie vorher schon Subsidiarität -, ist völlig richtig. Die Frage ist die Ab- versagt haben, da diese Beschlüsse im Ministerrat grenzung. Da sage ich Ihnen: Die Konsequenz, vor einstimmig gefaßt worden sind, oder aber daß es sich der wir heute stehen, ist eine europäische Verfas- hier um rein nationale Töne zum Zwecke der Mobili- sungsdebatte. Die Überlegungen zur Subsidiarität sierung des rechten Randes, zum Zwecke der Beruhi- werden, wenn sie nicht auf Abwehr einer weiteren gung der CSU handelt. Damit gefährden Sie die eu- europäischen Integration abzielen, sondern ernst ge- ropapolitischen Intentionen, die Sie bisher verfolgt meint sind, auf eine europäische Verfassungsdebatte haben. und auch auf eine weitere Demokratisierung Europas (Michael Glos [CDU/CSU]: Das ist doch hinauslaufen müssen; sonst wird Subsidiarität nicht Unfug, was Sie sagen!) funktionieren können. - Da wacht Michel Glos sofort zu Recht auf. Getrof- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fene - so sage ich es in diesem Falle; ich möchte nicht sowie bei Abgeordneten der SPD) den parlamentarischen Rahmen sprengen - geben Laut. Eine solche Verfassungsdebatte halte ich für drin- gend geboten. Die Konsequenz aus der Europäi- (Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ schen Wirtschafts- und Währungsunion wird sein, NEN sowie bei Abgeordneten der SPD) daß wir endlich beginnen müssen, über die verfaßte Kollege Glos, es ist doch in der Tat so, daß die De- demokratische Finalität Europas nicht nur zu disku- batte nicht unter dem Gesichtspunkt geführt wird, tieren, sondern auch die ersten Entscheidungen zu welche strukturellen Reformen wir brauchen - auch treffen. Aber mich würde natürlich auch interessie- auf der Ausgabenseite -, um die Erweiterung finan- ren, wie die Strukturvorschläge der Bundesregierung zieren zu können. Sie wird vielmehr unter dem Ge- im Rahmen der europäischen Staatschefs, bezogen sichtspunkt geführt, wie wir die deutschen Lasten auf die Osterweiterung, sind. Was die Agenda 2000 zugunsten Europas senken können - und dies nur betrifft, so höre ich vor allem Ablehnung. aus innenpolitischen Gründen -, damit Sie den rech- Nun hatten wir, Herr Bundeskanzler, das Vergnü- ten Rand Ihrer Europakritiker in der CSU beruhigen können. Das ist der entscheidende Unterschied zwi- gen, hier gemeinsam dem bayerischen Ministerpräsi- schen Ihnen und uns. denten zuzuhören. Ich kann Ihnen nur sagen: Für Herrn Stoiber ist die Frage der Agenda 2000 eine Ab- Vieles in der Europapolitik ist bisher im Konsens lehnung für die weitere Osterweiterung der EU. Das geschehen. Ich fürchte nur, daß, wenn diese Regie- heißt im Klartext: Die Finanzdebatte, die Strukturre- rung weiter im Amt bleibt, es noch ein paar andere form, die Osterweiterung werden von Teilen Ihrer Dinge geben wird, zu denen der Bundeskanzler kon- Koalition, namentlich der CSU, angeführt vom baye- sequent schweigt, zum Beispiel darüber, daß die EU rischen Ministerpräsidenten, nicht mehr gewollt. - Osterweiterung Richtung Tschechien und Polen von Das ist der Hauptvorwurf, den ich Ihnen in diesem famosen Vertriebenenfunktionären, die in den Rei- Zusammenhang mache: Ihre Europapolitik ist in Ih- hen der CDU/CSU-Fraktion auch noch ein Mandat ren eigenen Reihen, vor allem bei der CSU, nicht haben, plötzlich an Entschädigungsforderungen und mehr mehrheitsfähig. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22199

Joseph Fischer (Frankfurt) Wenn ich dann noch die Äußerungen jüngerer wußtsein der Mehrheit unserer Bevölkerung ausrich- merkwürdiger Vertriebenenfunktionäre aus Ihren ten. Da ist jede antieuropäische Polemik, da ist jede Reihen hinzunehme, dann sage ich Ihnen: Es baut europakritische Entwicklung, wie wir sie gegenwär- sich im konservativen Lager hier eine Anti-Europa- tig vor allem im bayerischen Wahlkampf erleben, stimmung auf, die sich gegenwärtig noch hinter der hochgefährlich. Ablehnung der Agenda 2000 verbirgt, die in Wirk- lichkeit aber meint: Wir sollten es bei dem heutigen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Integrationsstand belassen und sollten nicht mehr und bei der SPD) weitergehen, schon gar nicht in Richtung einer politi- Denn wenn wir die Osterweiterung nicht bekommen, schen Integration, einer Ich sage politischen Union. wenn wir einen Rückzug machen - ich meine damit Ihnen: Wenn wir auf die politische Union verzichten nicht Nationalismus; ich sage das, damit Sie mich - ich nehme an, da ist die Übereinstimmung zwi- nicht mißverstehen - auf die Position „Deutschland schen uns und Ihnen mittlerweile größer als die zwi- zuerst; unsere Interessen zuerst", dann bleibt festzu- schen Herrn Stoiber und Ihnen -, dann wird Deutsch- halten: Die alte Bundesrepublik West ist doch gut mit land zum großen Verlierer dieser nicht stattfindenden einer Interessenpolitik gefahren, die indirekt und politischen Integration werden. nicht direkter Art war. In dem Moment, in dem (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Deutschland eine direkte Interessenpolitik nach der sowie bei Abgeordneten der SPD und der Devise betreibt „Deutsche Interessen müssen wieder PDS) stärker durchgesetzt werden" - der Bundeskanzler weiß das nur zu gut -, wird das das Gegenteil von Gestatten Sie mir, zum Schluß noch kurz ein Durchsetzungsperspektive für deutsche Interessen Thema anzureißen, das wir morgen länger und um- bedeuten, weil das Mißtrauen und die Widerstände fassender diskutieren werden. Wenn wir die Struk- zunehmen werden. turreform in der EU nicht bekommen, wenn wir die Finanzreform nicht bekommen, wenn wir nicht ener- Deswegen finde ich, daß wir auf diese Kontinuitä- gisch die Osterweiterung betreiben - es wird nicht ten setzen müssen. Ich bin der festen Überzeugung: einfach werden, in unserer Bevölkerung dafür Mehr- Die Osterweiterung ist gerade im Lichte der verschie- heiten zu bekommen; aber um so wichtiger wird es denen Konflikte und der hochgefährlichen Kriegsge- sein, um diese Mehrheiten zu kämpfen -, dann wer- fahren auf dem Balkan unverzichtbar. den wir erleben, daß Deutschland nicht nur ökono- Deswegen sage ich, meine Damen und Herren: misch, sondern auch politisch und kulturell zu den Wenn von Cardiff ein Signal ausgegangen wäre, großen Verlierern gehören wird. Herr Bundeskanzler, dann hätten Sie heute vor allen Wir erleben doch jetzt - da werden wir vermutlich Dingen auch in Richtung Ihrer eigenen Anhänger- gar nicht so weit auseinander sein -, daß wir es ange- schaft klarmachen müssen, daß Deutschland nicht sichts der Krise im Kosovo - ich fürchte, es wird nicht zuviel an Lasten geschultert hat, daß es vielleicht die letzte Krise in dieser Region sein -, daß wir es an- eine falsche Lastenverteilung innerhalb der EU gibt, gesichts des grauenhaften Mordens in Bosnien und daß aber die europäische Perspektive eher ein Mehr der Tatsache, daß do rt mittlerweile unter der Präsenz an Lasten für Deutschland bedeuten wird als ein We- einer multinationalen Friedenstruppe, aber auch un- niger. ter ziviler administrativer Anleitung seitens der Euro- päischen Union so etwas wie ein Wiederaufbaupro- zeß, wie der Beginn eines Zusammenlebens, einer Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Herr Kollege Überwindung der Gräben möglich war, nicht mit ei- Fischer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abge- ner Osterweiterung in dem Sinne zu tun haben, wie ordneten Schäuble? es die bisherigen staatsrechtlichen Beitrittsgesuche von Tschechien, Ungarn und Polen zeigen. Vielmehr Joseph Fischer (Frankfurt) (BÜNDNIS 90/DIE ist festzustellen, daß angesichts der verschiedenen GRÜNEN): Ja. Konfliktregionen auf dem Balkan auch Staaten wie Albanien, wie Mazedonien, die ganz unmittelbar da- von betroffen sind, aber letztendlich auch Serbien Dr. Wolfgang Schäuble (CDU/CSU): Herr Kollege eine europäische Perspektive wird eröffnet werden Fischer, können Sie mir erklären, wie das, was Sie müssen. Wir werden von diesem Problem auf Grund jetzt gerade zu der Notwendigkeit der Stabilisierung unserer Lage und auch auf Grund der Situation, in von Osteuropa gesagt haben, zu dem Beschluß Ihres der sich Deutschland nach der Wiedervereinigung Parteitages paßt, aus der NATO auszutreten, und wie jetzt innerhalb der EU befindet, nicht loskommen. das zu dem Gegröle Ihres Parteivorsitzenden anläß- lich der Gelöbnisfeier der Bundeswehr in Berlin Daraus wird die Konsequenz zu ziehen sein, daß paßt? wir unserer Bevölkerung klarmachen, daß die Oster- weiterung im Rahmen der EU, aber auch die Eröff- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) nung einer europäischen Perspektive für Regionen mit hochgefährlichen Konflikten, die wir dadurch aufzulösen versuchen müssen, nicht billig sein wird Joseph Fischer (Frankfurt) (BÜNDNIS 90/DIE und einen langfristigen Einsatz, auch und gerade ei- GRÜNEN): Ich bedanke mich, Herr Kollege Schäu- nen zivilen Einsatz, erforderlich machen wird. Darauf ble, für die Gelegenheit - da Sie ja immer wieder be- müssen wir das demokratische und politische Be- haupten, unser Parteitag habe beschlossen, daß wir 22200 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Joseph Fischer (Frankfurt) aus der NATO austreten wollen -, Ihnen hier endlich nächsten Jahrhundert werden von der Frage der einmal ein Lichtlein aufzustecken. Osterweiterung und der Rolle, die Deutschland dabei spielt, abhängen. (Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und bei der SPD - Lachen bei der (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - CDU/CSU und der F.D.P. - Horst Zurufe von der CDU/CSU) Kubatschka [SPD]: Das wird nicht helfen!)

- Ja. - Dieser Parteitag, der Sie so umtreibt - dabei Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Meine Kolle- gebe ich ganz offen zu, daß es mich ärgert, daß Sie gen, ehe ich das Wort weitergebe, möchte ich nur für- der Magdeburger Parteitag so umtreibt -, sorglich darauf aufmerksam machen - das sage ich (Zuruf von der CDU/CSU: Zur Sache!) auch für die, die über den Lautsprecher zuhören -, daß am Ende dieser Debatte eine ganze Reihe von hat beschlossen, daß wir gegen einen Austritt aus der Abstimmungen stehen wird, darunter auch eine na- NATO sind, mentliche Abstimmung. Ich sage das, damit sich alle auf die namentliche Abstimmung, die wohl nach (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS 13 Uhr stattfinden wird, einstellen können. SES 90/DIE GRÜNEN) dieser Parteitag hat beschlossen, daß wir keinen Son- Damit gebe ich jetzt dem Abgeordneten Dr. Helmut derweg wollen, dieser Parteitag hat Positionen be- Haussmann das Wort . schlossen, zu denen ich von meiner Seite her sagen kann: Endlich haben wir diese Positionen beschlos- Dr. Helmut Haussmann (F.D.P.): Herr Präsident! sen. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Fischer, ich (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) tue Ihnen nicht den Gefallen, Sie zum Hauptpunkt meiner Rede zu machen. Sie spielen so lange interna- Herr Kollege Schäuble, wir können und werden ja tional keine Rolle, solang Sie einer Partei vorsitzen, morgen die Debatte darüber führen. Sie -haben ja die die nicht in der Lage ist, zu zentralen internationalen unglaublich sinnfällige Art, hier eine Entscheidung, und europäischen Fragen eine klare Position einzu- bei der es um eine wirklich sehr ernste Frage geht, nehmen. Insofern haben Sie hier keine Legitimation. bei der sich jeder einzelne wird prüfen müssen, näm- lich um die Verlängerung des SFOR-Mandats - dazu (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) werden wir eine sehr ernste Debatte über die Lage Wer wie Herr Trittin in Berlin die Bundeswehr ver- im Kosovo zu führen haben -, mit der Debatte über hetzt, wer wie die Grünen gegen die NATO-Oster- ein Gelöbnis zu verbinden. Dazu, daß Sie das disku- weiterung ist, der spielt auf europäischer Ebene tieren, möchte ich Ihnen sagen, daß ich das an Ihrer überhaupt keine Rolle. Stelle genauso machen würde. Die Verbindung aller- dings finde ich mehr als geschmacklos - mit Verlaub (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) gesagt. Wir müssen uns vergegenwärtigen, daß Europa die (Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Nein, nein! entscheidende Zwischenstation ist auf dem Weg, den - Zurufe von der CDU/CSU und der F.D.P.) wir erleben: von der früheren nationalen Wi rtschaft Das andere ist viel zu ernst. zur Weltwirtschaft, von der früher national geprägten Politik zur Weltpolitik. Daher ist und bleibt die Euro- Ich sage Ihnen: Wir werden morgen die Debatte papolitik von Herrn Kohl und Herrn Kinkel ein wich- darüber führen. Für mich ist ganz entscheidend - tiges Erfolgskapitel dieser Regierung. So wird es vielleicht sind wir an diesem Punkt, Kollege Schäu- auch bleiben. ble, einer Meinung -, daß wir in der Verantwortung, die wir in Deutschland für die zukünftige Gestaltung Wenn man sich vergegenwärtigt, wie schwach die des Friedens in Europa haben, an der Osterweite- Mannschaft von Herrn Schröder ist, daß die Namen rung festhalten müssen, daß diese Osterweiterung - längst verklungen sind, dann sollte man sich, Herr und das müssen wir unserer Bevölkerung sagen - Scharping, zurückhalten mit einer Bewe rtung der so- aber ein Mehr an Lasten für Deutschland bedeuten genannten Riege der Koalition. Sie haben auf diesem wird und nicht ein Weniger an Lasten. Gebiet auch international überhaupt nichts zu bie- ten. (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das war nicht die Frage! Es geht um das Gelöbnis!) (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der CDU/CSU - Widerspruch bei der SPD) Ich sage Ihnen: Die zukünftige Europapolitik wird sich daran festmachen - da wird die Scheidelinie sein Das wird ein ganz entscheidender Punkt sein für die -, wie ernsthaft die Osterweiterung der Europäischen Wähler, bei der Bundestagswahl erneut für diese Ko- Union betrieben wird. Zieht man sich auf die Position alition zu votieren. Denn im Jahr 1999 werden wich- zurück: „Wir haben genug an Lasten zu tragen, das tige internationale politische Entscheidungen unter wollen wir nicht, das paßt uns nicht in die Politik", deutscher Führung getroffen. Das kann man Schrö- oder aber betreiben wir diese Osterweiterung ener- der, Fischer und Co. - einschließlich der PDS - nicht gisch? anvertrauen. Ich kann dem Bundeskanzler in diesem Punkt nur (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU - zustimmen. Der Frieden und die Freiheit Europas im Widerspruch bei der SPD) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22201 Dr. Helmut Haussmann Um es gleich am Anfang zu sagen: Auch Tony Blair welch klägliche Rolle Deutschland in Zukunft auf der kocht nur mit Wasser. Aber wir wären schon dankbar internationalen Bühne einnehmen würde. in Deutschland, wenn die Sozialdemokraten einen Tony Blair hätten. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Die deutsche Wirtschaft kommt nun rechtzeitig in (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.) Schwung. Das ist Herrn Schröder natürlich äußerst Herr Schröder ist es nicht. Die Frage ist überhaupt, unangenehm. welche Beziehung er zum deutschen Parlament hat. (Siegmar Mosdorf [SPD]: Nein! Überhaupt Wo ist er heute? Wo ist Schröder? nicht!) (Joseph Fischer [Frankfu rt] [BÜNDNIS 90/ Er gönnt den Deutschen den Aufschwung nicht. DIE GRÜNEN]: Wo ist Westerwelle?) 220000 neue Jobs sind ihm aus Wahlkampfgründen unangenehm. Ich kann voraussagen: Die nächsten Was kann der Grund sein, daß er an dieser entschei- Monate werden immer besser werden. Irgendwann denden Debatte nicht teilnimmt? sind die Wähler es leid, diesem Pessimismus zu fol- gen. Sie werden sich für Optimismus und damit auch Er hat versucht, beim Bundeskongreß des DGB für diese Koalition entscheiden. Beifall zu erheischen, indem er angekündigt hat, alle Reformen wieder rückgängig zu machen: volle Lohn- (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) fortzahlung, keine Flexibilisierung für den Mittel- stand, 620-Mark-Jobs abschaffen, höhere Lohnzu- Herr Scharping, jetzt kommen Sie wieder mit der satzkosten. Wer noch nicht begriffen hat, daß Globa- alten Leier vom Neoliberalismus. Da kann ich nur lisierung, Einführung des Euro und Osterweiterung sagen: Sie melden sich von jeder seriösen wirt- den Reformdruck innenpolitisch erhöhen, daß zuneh- schaftswissenschaftlichen Debatte auf internationaler mend Reformen benötigt werden, daß man das Er- Ebene ab. Haben Sie einmal in das Beschäftigungs- reichte nicht zurücknehmen darf, der- hat für die kapitel von Cardiff geschaut? Do rt steht: Maßnah- Menschen in Deutschland keine Antwort auf die men treffen, um Arbeit statt Abhängigkeit zu fördern; Frage, wie wir dieser Entwicklung begegnen. Flexibilisierung der Arbeitsmärkte; Erhöhung der Re- aktionsfähigkeit der Indust rie auf internationalen (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU - Wandel; moderne Steuersysteme. - Das ist Neolibe- Siegmar Mosdorf [SPD]: Hat er gar nicht ralismus pur. Den vertritt Herr Blair in England. Aber gemacht!) die SPD in Deutschland ist das Reformschlußlicht in Europa. Herr Mosdorf, Sie durften miterleben, daß der sorg- fältige Auftritt von Herrn Schröder beim BDI zum ab- (Beifall des Abg. Ulrich Irmer [F.D.P.] und soluten Flop geraten ist. Außer allgemeinen Sprü- bei Abgeordneten der CDU/CSU) chen, außer Konsensgerede war da nichts. Keine Selbst die französischen Sozialisten sind in Randbe- Zahlen, keine Andeutungen einer Reform - über- reichen weiter als die Sozialdemokraten in Deutsch- haupt nichts! Gut, er bekommt mildernde Umstände, land. weil Beleuchter nicht anwesend waren beim BDI. Das hat die Wirkung natürlich ein bißchen gemäßigt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

(Lachen bei der F.D.P.) Was heißt Bürgernähe? Bürgernähe heißt, daß die großen Entscheidungen in Europa - da knüpfe ich an Angesichts dessen kann man nur sagen: So wird das das an, was Herr Stoltenberg zu Recht gesagt hat -, nicht laufen. hinter denen wir von Anfang an gestanden haben - Euro-Einführung, Ostpolitik, Osterweiterung -, kon- Auch seine Europapolitik zeigt, daß Ihr Kanzler- krete Vorteile für die Bürger bringen müssen. kandidat in wichtigen Fragen der internationalen Politik keine Rolle spielt. Ich erinnere an sein Gerede Ich warne vor der Diskussion, die leider auch von vom „Monopoly-Geld". Ich rede davon, daß er für den Ministerpräsidenten geführt wird: Wenn wir Eu- die Verschiebung eingetreten ist. Ich rede davon, daß ropa auf Bürokratenschelte verengen, wenn wir nur er in London gesagt hat, die Währungsunion komme von der Bananenordnung, von der Länge der Kälber nicht, zumindest jetzt nicht. Ich rede davon, daß Herr stricke, von der Tabakwerbung reden, werden wir Schröder noch im letzten Jahr vor einer Osterweite- die Bereitschaft für mehr Reformen in Europa nicht rung gewarnt hat. Vor Bankiers in London sagte er, erhöhen. der dafür vorgesehene Zeitplan könne überhaupt (Beifall des Abg. Dr. Hermann Otto Sohns nicht eingehalten werden. [F.D.P.] und bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Hochinter Darf ich einmal folgende Frage stellen, meine ver- essant!) ehrten Damen und Herren: Was würde heute ange- sichts der Währungskrisen in Japan und in Rußland Meine Damen und Herren, wer sich in den großen passieren, wenn wir dem gefolgt wären, was Herr internationalen Fragen so verhält, hat nichts zu bie- Schröder und andere Ministerpräsidenten wollten, ten. Das ist zu wenig. Er sagt, Außenpolitik lasse er nämlich die Einführung des Euro verschieben? durch seinen Außenminister machen, in dem Fa ll also durch Herrn Fischer. Man kann sich vorstellen, (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) 22202 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Dr. Helmut Haussmann Dann hätten große innere Probleme von zwei riesigen Gerade in Wahlkampfzeiten kommt es darauf an, die Volkswirtschaften zur Folge, daß die Deutsche Mark Europapolitik nicht zu instrumentalisieren, sondern die und noch mehr die kleinen Währungen in Europa so- Reformbereitschaft der Bürger zu erhöhen. Deutsch- fort unter gewaltigen Druck kämen. Das heißt, der Ex- land muß im März 1999 entscheidende Reformen in portaufschwung wäre gefährdet. Aber die Euro-Ein- Deutschland beschließen. Jede Partei ist aufgefordert, führung zeigt den internationalen Märkten, daß die dafür Bereitschaft beim Bürger zu erzeugen. Europäer bei Währungskrisen in großen Volkswirt- Wir sind eine Partei, die sich immer für Reformen, schaften einen entscheidenden internationalen Stabi- immer für Europa eingesetzt hat. Am Ende des Prozes- litätsbeitrag leisten können. Das ist enorm wichtig. ses muß eine liberale europäische Verfassung stehen. Zur Zinspolitik. Der Bundeskanzler hat darauf hin- Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. gewiesen: Wir haben die niedrigste Inflationsrate seit Jahrzehnten. Das wäre ohne den Euro, ohne (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) europäische Politik nicht denkbar. Das sind konkrete Vorteile für jeden Bürger. Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich gebe dem (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und Abgeordneten Dr. Gregor Gysi das Wo rt. der CDU/CSU) (Zuruf von der CDU/CSU: Jetzt kommt die notarielle Erklärung!) Das ist wahre Sozialpolitik. Herr Lamfalussy hat bei seiner Verabschiedung in Dr. Gregor Gysi (PDS): Herr Präsident! Meine Da- Frankfurt gesagt: Der Millionär, der Großunterneh- men und Herren! Es ist der Vorwurf erhoben worden, mer, der Konzern kann auswandern, aber Europa daß dies bisher gar keine Debatte zum EU-Gipfel kann dem kleinen Mann helfen: durch stabile Preise, war, sondern eher eine Wahlkampfveranstaltung. durch niedrige Zinsen. Das ist das Entscheidende. Das Wenn dies wirklich eine Wahlkampfveranstaltung ist Bürgernähe. Das wäre ohne Europa heute undenk- war, habe ich allerdings das Gefühl, daß die Luft aus bar. Deshalb wendet sich meine Partei gegen- Klein- dem Wahlkampf raus ist oder zumindest offensicht- staaterei, gegen Kirchturmdenken und gegen Provin- lich neu Luft geholt werden muß. zialismus. Niemand in Europa will einen zentralisti- schen Staat. Jede andere Behauptung ist ein Popanz. (Beifall bei der PDS) Herr Santer ist nicht der typische Vertreter Luxem- Das Ganze zeichnete sich durch eine gewisse gäh- burgs, der machtvoll alles an sich reißt. Wir müssen nende Langeweile aus, als ob das Desinteresse über- selbst bereit sein, die Regelungswut abzubauen. Wer wiegt. Das ist traurig angesichts des Themas, um das auf Europa deutet, muß auch bereit sein, auf sich es hier geht. selbst zu deuten. Wer in Deutschland nicht zu Dere- Nun hat uns der Bundeskanzler die Freude ge- gulierung, zu Privatisierung, zu Flexibilisierung be- macht, uns so gut wie nichts über das Gipfeltreffen in reit ist, der hat überhaupt kein Recht, auf Brüssel zu Cardiff zu erzählen. Es ist schwer, als Oppositionspo- deuten. litiker zu einem Treffen Stellung zu nehmen, an dem (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne man nicht teilgenommen hat. Wenn dann derjenige, ten der CDU/CSU) der teilgenommen hat, nichts erzählt, wird es natür- lich noch schwieriger. Bürgernähe beginnt immer zu Hause. Ich kann Ih- Wenn ich es richtig verstanden habe, hat der EU nen nur sagen: Globalisierung, Einführung des Euro Gipfel zum Beispiel die gesamte Reform der Finan- und Osterweiterung werden den Reformdruck ver- zierung der Europäischen Union auf den Herbst ver- schärfen. Sie können sich dem gar nicht mehr entzie- schoben. Wenn ich das wiederum richtig verstanden hen. Das Licht von Herrn Clement leuchtet doch nur habe, heißt das, daß man die deutschen Vorschläge deshalb so stark, weil er etwas selbstverständlich Li- nicht jetzt schon ablehnen wollte, um dem Kanzler berales gesagt hat. Was Herr Clement gesagt hat, ist bei der Wahl nicht zu schaden. Man will sie erst im überhaupt nichts Neues. Herbst ablehnen. Ich glaube, das kann man so über- (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ setzen, unabhängig davon, wie wir zu den einzelnen DIE GRÜNEN]: Linssen!) Vorschlägen stehen. Nur weil sich in Nordrhein-Westfalen 15 Jahre lang (Beifall bei der PDS) nichts mehr bewegt hat, ist er die große Hoffnung. Es wäre natürlich höchste Zeit, jetzt die Weichen in (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ Richtung Osterweiterung der Europäischen Union zu DIE GRÜNEN]: Und Möllemann?) stellen, wenn wir mit der europäischen Integration vorankommen wollen. Aber der Bundeskanzler hat - Meine Damen und Herren, ich rede zu Europa und es vorgezogen, über Innenpolitik zu sprechen. Dazu komme zum Schluß. muß man natürlich einige Bemerkungen machen. (Heiterkeit und Beifall bei der F.D.P. und Er erwähnte laufend den Aufschwung in der Bun- der CDU/CSU - Heiterkeit beim desrepublik Deutschland und wies auf entsprechende BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Joseph Zahlen hin. Dies soll bei den Wählerinnen und Wäh- Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ lern den Eindruck vermitteln: Jetzt läuft alles in die NEN]: Aber bei mir eine dicke Lippe riskie richtige Richtung, die Reformen beginnen zu greifen, ren!) es wäre ein großer Fehler, das Pferd zu wechseln. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22203

Dr. Gregor Gysi Das Problem ist nur, daß wir es mit einem leichten werbslose, nicht Beschäftigungslose; zu tun haben konjunkturellen Aufschwung zu tun haben. Danach die schon. Um so viele handelt es sich. Sie wissen kommt ein konjunktureller Abschwung. Der Kanzler auch, daß wir sie weder im öffentlichen Dienst noch hat nicht erzählt, wohin die Arbeitsplätze, die jetzt in der Privatwirtschaft unterbringen werden. Warum entstehen, wieder entschwinden werden und wie er diskutieren wir nicht - wie die US-Amerikaner - we- dann mit den entsprechenden Zahlen und Fakten nigstens über einen Non-Profit-Sektor, über einen umgehen wird. Es geht hier um notwendige langfri- Sektor, der sozusagen humanitär orientierte Dienst- stige Veränderungen der Politik und nicht um kleine leistungen erbringt, der sich nicht nach Profit richtet, konjunkturelle Veränderungen rauf und runter, die privatrechtlich strukturiert ist, aber öffentlich geför- zum Beispiel im Osten nicht einmal in irgendeiner dert wird? Wir nennen das öffentlich geförderten Be- Form greifen, wie wir das gegenwärtig erleben. schäftigungssektor. Do rt könnten Millionen beschäf- tigt werden. Und bevor wir 1997 - und das Ganze (Beifall bei der PDS) 1998 und 1999 wieder -166 Milliarden DM direkt für Der Kanzler hat die Situation in den neuen Bun- Arbeitslosigkeit ausgeben, wäre es doch sinnvoller, desländern überhaupt nur mit zwei Bemerkungen er- davon einen solchen Sektor zu finanzieren und zu wähnt, und dies - wie ich finde - auch noch ziemlich fördern. Millionen wären dann in dauerhaften Be- albern. Er hat darauf hingewiesen, daß in der Indu- schäftigungsverhältnissen. strie im Osten im Vergleich zum Jahre 1991 zum er- (Beifall bei der PDS) stenmal wieder mehr Menschen beschäftigt worden seien. Dazu kann ich nur sagen: Der Bereich der In- Außerdem könnten wir wichtige Arbeit leisten, die so dustrie ist in den neuen Bundesländern so winzig, liegen bleibt: Kinder- und Jugendarbeit und vieles daß wir kaum noch Zahlen dazu festhalten können. andere mehr. Das ist die eigentliche Tragik. Wir brauchen do rt neue Ansätze für Beschäftigungspolitik; so wie in Eu- Wir beklagen Rechtsextremismus und kürzen die ropa insgesamt. Mittel für Kinder- und Jugendarbeit. Eine so reiche Gesellschaft wie die in der Bundesrepublik Deutsch- Das Problem in bezug auf Ost und West hat sich land ist nach wie vor nicht in der Lage, jeder Jugend- geändert. Sieben Jahre lang sind wir davon ausge- lichen und jedem Jugendlichen nach Schulabschluß gangen, daß der Westen in der Lage sei, den Osten einen Ausbildungsplatz zu garantieren! Das ist doch mit hochzuziehen. Jetzt wird etwas anderes passie- das Mindeste, was man leisten muß, bevor man mit ren: Der Osten wird den Westen runterziehen. In den Kriminalitätsstatistiken kommt. alten Bundesländern werden Dinge keinen Bestand mehr haben, wenn es keinen Aufschwung im Osten (Beifall bei der PDS) gibt. Wer glaubt denn, daß der Flächentarifvertrag Ich sage Ihnen weiter: Wir haben eine Reform des im Westen hält, wenn er im Osten zerstört ist? Wer Lohnnebenkostenmodells vorgeschlagen. Hier reden glaubt denn, daß die Tarifautonomie im Westen hält, alle davon, die Arbeitskosten seien zu hoch, vor al- wenn es sie im Osten kaum noch gibt? Wir haben in lem die Lohnnebenkosten. Dann lassen Sie uns doch den neuen Bundesländern einen dera rtigen Abbruch mal eine Reform machen, aber nicht, indem wir die an Rechten, auch an sozialen Sicherungen, daß ich Mehrwertsteuer erhöhen oder die Mineralölsteuer - behaupte: Das wird das Modell für die schrittweise solche Umverschiebereien bringen doch gar nichts -, Umsetzung auch in den alten Bundesländern sein. sondern indem wir sagen: Gut, die Arbeitnehmerin- Also brauchen wir auch im Interesse des Westens nen und Arbeitnehmer zahlen im Prinzip ihre Bei- den Aufbau im Osten, und zwar so schnell wie mög- träge wie heute - wenn wir sie senken können, um lich. so besser, und je schneller, desto besser -, aber die (Beifall bei der PDS) Unternehmen zahlen nicht mehr die anderen 50 Pro- zent, werden also immer dafür bestraft, daß sie be- Darüber hinaus hätte ich mir sehr gewünscht, Herr sonders hohe Bruttolöhne zahlen oder besonders Bundeskanzler, daß Sie Konzepte für Europa und für viele Beschäftigte haben, sondern die Unternehmen Deutschland vorgelegt hätten, wie wir im Kampf ge- zahlen statt dessen eine Wertschöpfungsabgabe, je- gen die Arbeitslosigkeit wirklich weitermachen wol- des Vierteljahr, immer nach der Wertschöpfung der len. Wie verhalten Sie sich denn zu ein paar Grunder- letzten drei Monate, höchst flexibel. Das heißt, sie kenntnissen: Ist es richtig oder falsch, daß die Ar- zahlen nach ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit beitsproduktivität ständig zunimmt? Wenn es wahr in die Versicherungssysteme, es werden aber nicht ist, daß die Arbeitnehmer in immer kürzerer Zeit im- diejenigen Unternehmen besonders bestraft, die be- mer mehr herstellen, dann ist doch klar, daß wir eine sonders viele Beschäftigte haben, während diejeni- Tendenz zum Abbau von Arbeitsplätzen haben. Mit gen, die über den Einsatz von Technik und Technolo- dieser Tendenz können wir nur umgehen, wenn wir gie riesige Profite machen, kaum noch etwas in die bereit sind, daraus die Schlußfolgerung zu ziehen, Versicherungssysteme einzahlen. daß wir die Arbeit gerechter verteilen müssen, daß wir also die Arbeitszeit verkürzen müssen, und zwar Das wäre eine gerechtere Lösung. Wenigstens in ganz Europa und in Deutschland. Nichts davon durchrechnen lassen könnten Sie das doch einmal, habe ich bei Ihnen gehört. um ein Signal in Richtung Arbeitsplätze zu geben. (Beifall bei der PDS) Sie reden hier immer von einer großen Steuerre- form, womit Sie ja meinen, daß Sie die Vermögen- Sie wissen genausogut wie ich, daß wir in Deutsch- den, die Besserverdienenden immer noch weiter ent- land 7 Millionen Beschäftigungslose haben - Er- lasten und den Reichtum weiter fördern wollen. 22204 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Dr. Gregor Gysi Warum führen Sie nicht wenigstens eine kleine Re- einen Briefkasten in Luxemburg zu entgehen, finan- form durch? Erklären Sie heute einem Unternehmer ziert. Das ist die Rea lität, mit der wir es zu tun haben. einmal folgendes: Weshalb muß er für Geld, das im Unternehmen bleibt und das er für Investitionen ein- (Beifall bei der PDS) setzen könnte, mehr Steuern bezahlen als für das Solange die Politik so ist, wird sich daran auch Geld, das er für p rivate Zwecke entnimmt? Solange nichts ändern. Hinzu kommt, daß wir endlich wieder Sie das so lassen, weisen Sie ihn darauf hin: Bitte, eine Stärkung der Kaufkraft benötigen. Das heißt: entnimm es und investiere es nicht! Das ist das Si- Schluß mit Sozialkürzungen, Schluß mit Zuzahlun- gnal, das der Gesetzgeber setzt. gen bei Medikamenten und anderen ärztlichen Lei- stungen - aus humanitären und sozialen, aber auch (Beifall bei der PDS - Hans Michelbach aus ökonomischen Gründen. [CDU/CSU]: So ein Quatsch!) Der Reichtum hat während Ihrer Regierungszeit - Aber selbstverständlich ist das so. enorm zugenommen. Schauen Sie sich einmal die Statistik der Bundesbank an. Sie besagt - an der Tat- Zweites Beispiel - wieder ein Vergleich mit der In- sache kommen Sie nicht vorbei; die Bundesbank ist vestition -: Wenn heute einer an der Börse spekuliert nun wirklich nicht PDS-nah -, daß von Ende 1990 bis und einen Gewinn von 1 Million DM macht - nach Ende 1997 bei 10 Prozent der Bevölkerung allein das sechs Monaten; das ist die einzige Frist, die er beach- Geldvermögen um 2000 Milliarden DM zugenom- ten muß -, men hat. (Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Mit dem (Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Das müssen Zeug, das er da redet, kann man kleine Kin Sie auch richtig lesen!) der erschrecken!) In der gleichen Zeit wird der Staat ärmer, weil Sie die dann bezahlt er auf diesen Reingewinn überhaupt Vermögenden nicht entsprechend zur Kasse bitten keine Steuern. Aber fragen Sie mal den- Einzelhänd- und weil diese sich ihrer Steuerpflicht entziehen kön- ler, wieviel Steuern er abführen muß, wenn er einen nen. Sakko verkauft! (Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Haben Sie Wenn Sie das miteinander vergleichen, dann wis- einmal gelesen, wie die Sozialausgaben sen Sie, warum in Deutschland immer mehr Geld aus gestiegen sind?) Geld und immer weniger Geld aus Produktion und Zur gleichen Zeit gibt es immer weniger Arbeits- Dienstleistung und damit mit Hilfe von Arbeitskräf- plätze, weil das Geld gar nicht für Investitionen ein- ten gemacht wird. Das ist eines der Probleme, und gesetzt wird. Sie schaffen nur Reichtum, aber Sie lö- das hätten Sie in einer Woche ändern können, wenn sen keine ökonomischen und sozialen Probleme. Sie gewollt hätten. Sie hatten dazu 16 Jahre Zeit und Deshalb wird es höchste Zeit nicht nur für einen Re- haben dieses Steuerrecht nicht umgestellt. gierungswechsel, sondern auch für einen wirklichen Politikwechsel in der Bundesrepublik Deutschland. (Beifall bei der PDS - Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sie haben Steuerrecht bei der (Beifall bei der PDS - Hans Michelbach Stasi gelernt!) [CDU/CSU]: Einziehung des PDS-Vermö gens!) Wenn Sie ernsthaft wollen, daß auch wieder neue Arbeitsplätze in größerem Umfange entstehen, müß- ten Sie mehr in Bildung und Forschung investieren, Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Für die Bun- als Sie es getan haben. Sie müßten darüber hinaus desregierung spricht der Bundesminister der Finan- zulassen, daß sich die Kommunen selbst verwalten, zen, Dr. Theodor Waigel. so daß auch sie in die Lage versetzt werden, regio- nale Wirtschaftskreisläufe in Gang zu setzen, Ar- Bundesminister der Finanzen: beitsplätze zu erhalten und neue zu schaffen. Dr. Theodor Waigel, Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Wir brauchen einen ökologischen Umbau, weil Herren! Ich möchte von diesem Ort aus und bei die- auch er tatsächlich dazu beitragen würde, viele Ar- ser Gelegenheit meinem Vorgänger, Dr. Gerhard beitsplätze zu schaffen. Letztlich bräuchten wir auch Stoltenberg, sehr herzlich Dank und Respekt für eine eine Förderung kleiner und mittelständischer Unter- großartige politische Lebensleistung aussprechen. nehmen. Davon redet die F.D.P., davon reden auch (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. CDU und CSU. In Wirklichkeit aber gibt es eine sol- sowie bei Abgeordneten der SPD und der che Förderung seit Jahren nicht mehr. Vorhin mußte Abg. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜND auch der Sprecher der CDU/CSU, Herr Stoltenberg, NIS 90/DIE GRÜNEN] und Werner Schulz einräumen, daß die großen Unternehmen keine Steu- [Berlin] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) ern mehr zahlen. Die großen Unternehmen haben sich aus der Finanzierung der Bundesrepublik Lieber Herr Kollege Stoltenberg, Sie haben sich Deutschland verabschiedet. Die Bundesrepublik eine ungeheure Achtung in ganz Deutschland über wird nur noch von den Lohnabhängigen und von den alle Parteigrenzen hinweg erworben. Wir danken Ih- kleinen und mittelständischen Unternehmen, die es nen für das, was Sie für die CDU/CSU und für diese sich nicht leisten können, ihrer Steuerpflicht durch Koalition als Bundesminister und als Parlamentarier, Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22205 Bundesminister Dr. Theodor Waigel aber auch als Ministerpräsident geleistet haben. Das Dabei ist entscheidend: Wettbewerbsfähige Ar- ist eine großartige Leistung, vor der wir uns vernei- beitsplätze entstehen nur auf dem ersten Arbeits- gen. markt. Die aktive Arbeitsmarktpolitik hat dabei eine Brückenfunktion. Aber langfristig wettbewerbsfähige (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Arbeitsplätze werden hierdurch nicht geschaffen. Der Europäische Rat von Cardiff stellt mit seinen Entscheidend sind die Rahmenbedingungen. Nicht Orientierungspunkten eine entscheidende Zwi- nur die Koalition, sondern auch die Bundesbank, der schenstation der europäischen Gestaltungsarbeit dar. Sachverständigenrat, die OECD, der IWF, die Welt- Was haben wir erreicht? Die Höhe unseres Finanz- bank, alle sagen: Niedrigere Steuersätze im Sinne beitrages steht jetzt auf der Tagesordnung. Das ist dessen, was diese Regierung, diese Koalition, in den richtig und wichtig, und es ist notwendig und ge- Petersberger Steuerbeschlüssen erarbeitet und was recht. hier im Bundestag miteinander beschlossen wurde, Cardiff erteilt dem Euro-Zentralismus eine klare sind nochmals ein entscheidender Impuls für mehr Absage. Insofern war die Initiative von Bundeskanz- Arbeitsplätze in Deutschland. Und Sie haben das ver- ler Helmut Kohl und vom französischen Staatspräsi- hindert! Mit dieser negativen Verantwortung müssen denten Chirac notwendig und richtig, und sie gibt Sie leben. der künftigen europäischen Politik Strukturen. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Unsere Wirtschafts- und Finanzpolitik erfährt Meine Damen und Herren, der Steuerpolitiker durch die Empfehlungen zu den „Grundzügen der wird der Bevölkerung noch einmal Wirtschaftspolitik" und durch die Aktionspläne zur erklären müssen, was 5 DM für einen Liter Benzin Beschäftigungspolitik eine klare Bestätigung. bedeuten. Entweder stehen Sie zu dem, was Sie ein- Die Gemeinsamkeit bei den internationalen Aufga- mal für richtig erkannt haben - dann sollten Sie auch ben in Asien und Rußland wurde gestärkt. vor Wahlen dazu stehen -, oder Sie sind ein Oppo rtu- nist. Sie reden von Populismus. Wer treibt denn den Die Finanzminister haben bei ihrer Analyse der Populismus auf die Spitze und will die Bürger vor Wirtschaftslage in Europa erfreulicherweise zuneh- den Wahlen dazu anlügen, was er nachher für den mend positive Wirtschaftsdaten feststellen können. Liter Benzin von ihnen verlangen will? Insbesondere gilt dies mit Blick auf die Beschäfti- gung. Wir werden die Zahlen - 3,8 Prozent mehr (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Wirtschaftswachstum gegenüber dem Vorjahr, also Sie müssen schon eine Antwort auf die Frage geben, etwa 1 Prozent mehr gegenüber dem Vorquartal; wie der Bürger die notwendige Mobilität, die wir ihm mehr als 200 000 Arbeitslose weniger - nicht ver- zumuten, bezahlen soll. schweigen. Das sind ganz entscheidende Zahlen; sie sind durch unsere Politik zustande gekommen. Das Meine Damen und Herren, der deutsche Aktions- ist unser Aufschwung, zu dem Sie von der SPD plan erfüllt auch die quantitativen Leitlinien. Die Ju- nichts, aber auch gar nichts beigetragen haben, au- gendarbeitslosigkeit in Deutschland ist Gott sei ßer daß Sie versucht haben, uns Knüppel zwischen Dank nur halb so hoch wie im europäischen Durch- die Beine zu werfen. schnitt. Langzeitarbeitslosen wird innerhalb von sechs Monaten eine Maßnahme zur aktiven Arbeits- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) marktpolitik bzw. zur intensiven Beratung angebo- Das, meine Damen und Herren, werden wir der Be- ten. Der Anteil der aktiven Arbeitsmarktpolitik an al- völkerung in den nächsten Tagen, Wochen und Mo- len Maßnahmen liegt bei über 20 Prozent. naten in aller Klarheit auch mitteilen. Nur, klar muß auch sein: Die Hauptverantwortung (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) für den Arbeitsmarkt und für die Schaffung neuer Ar- beitsplätze liegt bei den Tarifpartnern. Die Politik Wir haben in Cardiff die nationalen Aktionsplane kann die Verantwortung der Tarifpartner nicht über- der Mitgliedstaaten beraten. Diese Aktionspläne ver- nehmen, sondern muß ganz klar auf diese Verant- schaffen der Wirtschaftspolitik neue Impulse im wortung hinweisen. Der Staat darf nicht zum Repara- Kampf gegen die hohe Arbeitslosigkeit. Wir setzen turbetrieb für eine falsche Lohnpolitik werden. damit in Deutschland eine als richtig erkannte Strate- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) gie fort. Der Aktionsplan ist in unsere gesamtwirt- schaftliche Konzeption eingebunden. Diese ist auf Meine Damen und Herren, weitere Strukturrefor- Stabilität, gesunde öffentliche Finanzen und struktu- men sind unverzichtbar. Mit der Einführung des Euro relle Reformen auf den Arbeits- und Gütermärkten fallen Wechselkurse als Ausgleichsmechanismen ausgerichtet. fort. Der Wegfall des Wechselkursschleiers legt damit Standortschwächen und natürlich auch Standortstär- Ich bin sehr dankbar, daß die Staats- und Regie- ken sehr offen dar. rungschefs die Stabilitätserklärung der Finanzmi- nister vom 1. Mai nochmals eindeutig bekräftigt und Die Globalisierung steigert weltweit den Wohl- unterstützt haben. Das ist eine Fortsetzung dessen, stand; sie erhöht aber auch die internationale Ar- was wir in den Kriterien im Vertrag verankert haben, beitsteilung und intensiviert den Wettbewerb. Die was wir durch den Stabilitäts- und Wachstumspakt zu- Flexibilität auf den europäischen Güter-, Dienstlei- sätzlich an Stabilität erreicht haben und was durch die stungs- und Arbeitsmärkten muß deshalb durch wei- Stabilitätserklärung noch einmal erhärtet worden ist. tere Strukturreformen erhöht werden. 22206 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Bundesminister Dr. Theodor Waigel Das findet sich in den Empfehlungen zu den Wir hoffen des weiteren, daß die wirtschaftlichen Grundzügen der Wirtschaftspolitik wieder. Hier wird und politischen Reformen in Indonesien zum Ziel die Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit ganz ein- führen und daß damit in diesem Bereich das erreicht deutig herausgearbeitet. Solche Elemente einer wird, was in Korea und in Thailand mit - wie ich Strukturreformpolitik sind: bessere Aus- und Wei- meine - beachtlichem Erfolg auf den Weg gebracht terbildungsmöglichkeiten, die Beseitigung von büro- worden ist. kratischen Hemmnissen, Deregulierung, Privatisie- Zur künftigen Ausrichtung der Europäischen rung, Senkung der Steuer- und Abgabenlast sowie Union: Wir müssen den institutionellen Rahmen, den Unterstützung von innovativen Unternehmen. wir uns in der EU gegeben haben und der sich über Diese Strukturreformen müssen mit unserer erfolg- Jahrzehnte hin entwickelt hat, einer Revision unter- reichen, stabilitätsorientierten makroökonomischen ziehen. Wir müssen alles daran setzen, eine entschei- Politik Hand in Hand gehen. Die Finanzpolitik wird dungs- und handlungsfähige Europäische Union zu deshalb unverändert auf Konsolidierung ausgerichtet schaffen. Dabei müssen wir die Vielfalt der kulturel- sein. Die Geldpolitik der EZB wird durch Preisstabi- len und regionalen Traditionen als eine Quelle der lität die monetären Grundlagen für ein in flations- Vitalität und Stärke Europas bewahren. Davon hängt freies Wachstum legen. Für die Strukturpolitik sind die Akzeptanz Europas ganz entscheidend ab. Wenn die einzelnen Mitgliedsstaaten zuständig. Diese Zu- wir über das, was die Menschen in ihrer Heimat den- ständigkeiten werden wir nicht verwischen. ken, hinwegehen, wenn die Identifizierung mit der Region, der Heimat, dem Land und auch der Na tion Nach allgemeiner Ansicht kann eine Verbesserung und dem Vaterland nicht erhalten bleibt, dann wird der Risikokapitalmärkte wichtige Impulse zum Ab- die notwendige Akzeptanz Europas nicht gegeben bau der Arbeitslosigkeit geben. In dem Zusammen- sein. Alle drei Dinge sind notwendig: die Identifizie- hang werden wir das fortsetzen, was wir mit dem rung mit der Heimat, das Bewußtsein in der Na tion Dritten Finanzmarktförderungsgesetz begonnen ha- und die Notwendigkeit, zu diesem Europa der Vater- ben. Wir sind - davon bin ich überzeugt - auf dem länder zu stehen. Daneben müssen wir voranbrin- richtigen Weg und unterstützen das, was die Korn- gen, was die Europäische Union bisher noch nicht mission in ihrem Bericht dargestellt hat. Die Einfüh- wirkungsvoll genug getan hat, nämlich eine gemein- rung des Euro Anfang nächsten Jahres wird die Ent- same Außenpolitik, eine gemeinsame Sicherheitspo- wicklung der gesamteuropäischen Kapitalmärkte för- litik und eine gemeinsame Bekämpfung der Krimina- dern. Es ist eine der großen Chancen des Euro, daß lität. Damit können wir dem Bürger sagen, wie not- über ihn einer der größten Finanzmärkte entsteht wendig diese europäische Zusammenarbeit auch für und der Finanzstandort Deutschland damit eine neue die Durchsetzung der Interessen der Bürger ist. er Kraft unterstützen Chance bekommt, die wir mit all (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) werden. Das hat mit Wahlkampf und mit Regionalismus über- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) haupt nichts zu tun. Wir haben das Thema Rußland angesprochen. Für Wir wollen keinen Zentralstaat. Trotz manchem Är- uns ist es von ganz großer Bedeutung, daß dieses ger über den Föderalismus sind wir mit dem Födera- Land wirtschaftlich stabil ist. Deshalb unterstützt die lismus gut gefahren. Wir wollen dieses bewäh rte Europäische Union - bei allen makroökonomischen Strukturelement auch in Europa zum Tragen brin- Stabilisierungserfolgen - nachdrücklich die Absicht gen. Wir wollen kein zentralistisches, sondern ein ge- der russischen Regierung, die Wirtschafts- und gliedertes Europa. Das ist unsere Vorstellung von der Strukturreformen in enger Zusammenarbeit mit den Zukunft in Europa. internationalen Finanzinstitutionen zu intensivieren - besonders mit Blick auf die Stärkung der Steuerver- (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. waltung. Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]) Zur Agenda 2000. Die Kommission geht in der Die Finanzminister haben ihre Sorge über die Lage Agenda 2000 zusammen mit der großen Mehrheit in Japan zum Ausdruck gebracht. Das reale BIP ist der Mitgliedstaaten davon aus, bis zum Jahre 2006 zwei Quartale hintereinander gefallen; auch die Pari- die geltende Eigenmittelobergrenze von 1,27 Prozent tät des Yen zum Dollar hat sich weiter verschlechtert. des gemeinschaftlichen BSP beizubehalten. Die Bun- Insgesamt belastet diese Entwicklung die wirtschaft- desregierung begrüßt diese Aussage. Wir müssen liche Erholung im gesamten südostasiatischen Raum. aber weiter gehen. Niedrigere Ansätze als von der Deshalb ist eine Stärkung des Finanzsystems vor- Kommission vorgeschlagen sind in den großen Aus- dringlich; das ist aus unserer Sicht das wich tigste gabebereichen der mittelfristigen Finanzplanung der Element. Notwendig sind daneben Strukturreformen Europäischen Union notwendig und möglich. Der und die Umsetzung der angekündigten haushaltspo- nicht mit Ausgaben belegte Spielraum unterhalb der litischen Maßnahmen. Die japanische Regierung hat Obergrenze für die EU-Eigenmittel muß aus mehre- gestern angekündigt, Maßnahmen in diesen drei Be- ren Gründen größer ausfallen, als von der Kommis- reichen beschleunigt umzusetzen. Außerdem hat es sion vorgesehen. auf dem Devisenmarkt gestern Interventionen zu- gunsten des Yen gegeben. Wir begrüßen alle Maß- Die Gemeinschaft muß die Konsolidierungsan- nahmen, die zur Belebung der japanischen Binnen- strengungen der Mitgliedstaaten durch strikte Haus- nachfrage und zur Stärkung des Vertrauens von Ver- haltsdisziplin unterstützen. In den letzten Haushalts- brauchern und Unternehmen beitragen. jahren haben wir hier große Fortschritte gemacht, an Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22207

Bundesminister Dr. Theodor Waigel die wir anknüpfen müssen. Diese Notwendigkeit keineswegs isoliert. Wir konnten erreichen, daß La- wird von keinem Mitgliedstaat mehr bestritten. stenteilung von jetzt an Bestandteil der weiteren Ver- handlungen ist. Es ist ja nicht so, daß uns nur vier Auch nach Abschluß der Übergangsphase, die Staaten unmittelbar unterstützen, weil auch sie selbst über das Jahr 2006 hinausreichen wird, müssen die unmittelbar betroffen sind; vielmehr ist es so, daß gesamten Kosten der Erweiterung im Rahmen der auch eine Reihe anderer Staaten, wie zum Beispiel geltenden Eigenmittelobergrenze finanziert werden. Luxemburg, Belgien oder auch Frankreich und die Die Kommission hält die Finanzierung der künftigen Europäische Kommission, anerkennen, daß diese La- Aufgaben im Rahmen der geltenden Eigenmittel- stenteilung auf die Dauer nicht zumutbar ist. Wenn obergrenze für möglich und wird dabei von einer dies so festgestellt wird, brauchen wir Deutschen uns großen Mehrheit von Mitgliedstaaten unterstützt. mit unserer Forderung nach einer gerechten Lasten- Wie zu erwarten war, gibt es jedoch Widerstand von teilung doch nicht zu verstecken. Vielmehr ist es Spanien und Griechenland. ganz normal, wenn wir hier unsere legitimen und be- (Unruhe) rechtigten Anliegen vertreten. - Herr Präsident, wäre es möglich, daß die Bera- (Beifall bei der CDU/CSU) tungen des Präsidiums so erfolgen könnten, daß sich Meine Damen und Herren, vor dem Hintergrund, der Redner auf seine Rede und auf die Reaktion der daß ohne eine Änderung dieses Systems Österreich Mitglieder des Hohen Hauses konzentrieren kann. in wenigen Jahren 0,8 oder 0,9 Prozent seines BIP als Ich äußere nur die höfliche Bitte. Nettozahlung leisten müßte, stellt sich die Frage, ob (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) das gerecht ist gegenüber einem Land, das mit einer überzeugenden Volksabstimmung eine sehr positive Grundstimmung für den Beitritt skandinavischer Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Herr Minister, Staaten zur Europäischen Union herbeigeführt hat. ich habe für Ihre Bemerkung die Uhr angehalten. Insofern liegt die Korrektur dieser überproportiona- (Heiterkeit bei der SPD - Ing rid Matthäus- len, nicht zumutbaren Belastung im Interesse der ge- Maier [SPD]: Irgendwann ist die Uhr abge samten Union und muß deswegen, wie ich meine, laufen!) auch vernünftig umgesetzt werden. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge Dr. Theodor Waigel, Bundesminister der Finanzen: ordneten der F.D.P.) Ich bin Ihnen zutiefst dankbar, Herr Präsident. Ich weiß das zu würdigen. Die Kommission hat zugesichert, die Frage der relativen Haushaltspositionen in ihrem Bericht zum Übereinstimmung besteht aber da rin, daß eine Eigenmittelsystem im Herbst dieses Jahres aufzu- neue finanzielle Vorausschau als mittelfristiger Rah- greifen. Ich bin dankbar, daß der Bundeskanzler men für Haushaltsdisziplin und Ausgabeneffizienz diese Frage im Kreise der Chefs mit aller Klarheit von wesentlicher Bedeutung ist und über Politik- und und Eindeutigkeit angesprochen und für eine Ände- Finanzfragen der Agenda 2000 nur im Paket ent- rung gefochten hat. Es handelt sich um eine schwie- schieden werden kann. rige Frage. Wir können auf die Frage, ob sich Deutschland aus seiner Solidarität verabschiedet, sa- Die gegenwärtige Lastenverteilung in der Europäi- gen: Kein anderes Land hat so viel für die Solidarität schen Union ist von einem Ungleichgewicht geprägt: innerhalb Europas im letzten Jahrzehnt und auch zu- Deutschland trägt seit Jahren mit Abstand die größte vor getan. Last beim Nettoressourcentransfer über den Gemein- schaftshaushalt, den wir - trotz zuletzt großer An- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge strengungen bei der Haushaltsdisziplin - immer noch ordneten der F.D.P.) zu 60 Prozent finanzieren. Im Sinne der Vereinba- rung, die bereits der Europäische Rat von Fontaine- Das betrifft nicht nur unseren Beitrag zur Europäi- bleau im Jahr 1984 getroffen hat, trägt Deutschland schen Union oder unseren Einsatz für Bosnien-Her- eine zu große Haushaltslast. Diese ist integrations- zegowina. Es waren über 50 Milliarden DM, die wir politisch nicht mehr tragfähig. Die einseitige Abhän- für den Wiederaufbau der Demokratie und die Er- gigkeit nur von der finanziellen Leistungsfähigkeit richtung sozialer Marktwirtschaften in Mittel- und eines Partners liegt auch nicht im Interesse der Osteuropa gegeben haben. Es waren über 100 Mil- Gemeinschaft insgesamt. Deutschland sollte deshalb liarden DM, die wir zur Stabilisierung der Nachfolge- - im Interesse a ller Partner - durch eine Korrektur- staaten der früheren Sowjetunion gegeben haben. maßnahme entlastet werden. Damit haben wir weit über unser nationales Interesse hinaus einen Beitrag zu Frieden und zu einer guten (Beifall bei der CDU/CSU) Entwicklung in Europa und in der Welt geleistet. Da brauchen wir uns nirgendwo zu verstecken. Ich denke dabei an einen allgemeinen Korrektur- mechanismus, der generell übermäßige Nettobela- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge stungen einzelner Mitgliedstaaten vermeiden soll. ordneten der F.D.P.) Eine neue Einzelfallregelung wird von Deutschland nicht angestrebt. Eines ist auch klar: In einer so entscheidenden Phase, in einer Zeit so wichtiger Weichenstellungen Wir konnten erfreulicherweise feststellen: Mit un- erwarten auch die Partner von uns Kontinuität und serem Anliegen einer faireren Lastenteilung sind wir Glaubwürdigkeit. Die Vorstellung, daß in der ersten 22208 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Bundesminister Dr. Theodor Waigel Hälfte nächsten Jahres Joschka Fischer Ratspräsi- - Ich werde mir große Mühe geben, mich in den vor- dent wäre, graust nicht nur den Deutschen, sondern nehmen Charakter dieser Debatte behutsam hinein- ganz Europa. zufinden. (Beifall bei der CDU/CSU - Joseph Fischer (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Das [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: reicht nicht!) Wäre Ihnen Jürgen lieber?) Ich will ein paar Bemerkungen zu dem Zusammen- Die nächsten Monate werden hohe Anforderung hang Europa und Beschäftigung machen, weil ich an unsere europapolitische Gestaltungs- und Durch- glaube, das ist das zentrale Thema des Vormittags. setzungsfähigkeit stellen. Es sind nur wenige Mo- Wenn man über Europa und Beschäftigung debat- nate, bis unter deutschem Vorsitz auf dem Europäi- tiert, muß man über die Gesamtbilanz reden, die die schen Rat im März 1999 ein Paket geschnürt werden Bundesregierung am Ende dieser Legislaturpe riode kann. Deshalb muß im Vorfeld, noch unter österrei- in Sachen Beschäftigung und Bekämpfung der Ar- chischem Vorsitz, soviel wie möglich geklärt werden. beitslosigkeit vorzulegen hat. Diese Gesamtbilanz ist Wir werden eine enge Zusammenarbeit mit Oster- allerdings verheerend. Keine Bundesregierung seit reich suchen. 1949 hat eine insgesamt derart verheerende Schluß- bilanz zu präsentieren wie diese Bundesregierung. Am Ende unserer Präsidentschaft im ersten Halb- jahr 1999 wollen wir folgendes erreicht haben: die (Beifall bei der SPD - Zuruf von der CDU/ Verabschiedung eines soliden Finanzrahmens der CSU: So ein Blödsinn!) EU bis 2006 einschließlich einer fairen Lastenteilung Ich will Ihnen das an Hand von wenigen Beispielen bei den EU-Finanzen, die Konsolidierung des euro- deutlich machen: Wir haben am Ende dieser Legisla- päischen Einigungsprozesses, damit die EU die näch- turperiode knapp 1 Million Arbeitslose mehr als am ste Erweiterungsrunde bewältigen kann, und die Ende der letzten Legislaturpe riode. Wohlgemerkt: Verwirklichung der Subsidiarität in allen Bereichen Dies ist immer vor dem Hintergrund des strategi- der europäischen Politik. schen Zieles der Regierung zu sehen, die Arbeitslo- Meine Damen und Herren, wir befinden uns in ei- sigkeit bis zum Jahr 2000 zu halbieren. Nichts ist ner Phase tiefgreifender Veränderungen und Ent- aber halbiert worden. Von Jahr zu Jahr stieg die Ar- scheidungen. beitslosigkeit. Wir sind das einzige Land in der Euro- päischen Union, in dem die Arbeitslosigkeit in den (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ letzten Jahren von Jahr zu Jahr gestiegen ist. Die DIE GRÜNEN]: So etwas!) Holländer haben eine Arbeitslosenquote von unter 5 Prozent; die Dänen haben es geschafft, sie von 13 Anfang 1999 übernimmt Deutschland die Präsident- auf unter 7 Prozent zu halbieren; die Franzosen wie schaft in der Europäischen Union und den Vorsitz der auch die Briten konnten den Anstieg der Arbeitslo- G-7-Staaten, der sieben wichtigsten Industrienatio- sigkeit stoppen. Viele andere Länder haben in die- nen der Welt. In dieser Zeit werden entscheidende sem Bereich Fortschritte gemacht. Das einzige Land, Weichenstellungen für Deutschland, Europa und die in dem die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt von Welt vorgenommen. In dieser Zeit vertrauen die Jahr zu Jahr weiterhin negativ verlief, ist Deutsch- Bürgerinnen und Bürger Deutschlands auf Bundes- land. kanzler Helmut Kohl und auf diese Bundesregierung. Die Reallöhne 1997 waren niedriger als 1990. Das Ich danke Ihnen. ist unter anderem ein Ergebnis der hohen Abgaben- last. Wir haben einen historischen Höchststand, was (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) die Steuer- und Abgabenbelastung der Arbeitneh- merschaft in Deutschland anbelangt. Wir haben die Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich gebe das höchste Staatsverschuldung seit Bestehen dieser Re- Wort dem Abgeordneten Ottmar Schreiner. publik. (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Leider!) Ottmar Schreiner (SPD): Herr Präsident! Liebe Kol- Die Sozialversicherungsbeiträge sowohl im Osten leginnen und Kollegen! Auch ich möchte zunächst wie auch im Westen Deutschlands haben ihrerseits die Gelegenheit nutzen, dem Kollegen Stoltenberg, einen historischen Höchststand mit einem Anteil von den ich trotz aller politischen Gegensätze immer als über 42 Prozent am Bruttoeinkommen erreicht. Das einen untadeligen Parlamentarier empfunden habe, sind die wesentlichen Posten der Schlußbilanz dieser alles Gute für den weiteren Lebensweg zu wün- Regierung. schen. Der Bundeskanzler hatte in den frühen 80er Jahren (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) die von ihm damals intendierte Abwahl der sozialli- Ansonsten geht es heute vormittag hier nicht beson- beralen Koalition im wesentlichen mit drei Motiven ders vornehm zu. Das hat wohl damit zu tun, daß begründet: Erstens hat er gesagt: Diese Regierung keine Wahlkampfreden gehalten werden. muß abgelöst werden, weil die Arbeitslosigkeit in Deutschland viel zu hoch ist. Ich stelle fest: Wir ha- (Heiterkeit bei der SPD - Dr. Wolfgang ben heute allein in Westdeutschland eine mehr als Schäuble [CDU/CSU]: Mal gucken, ob Sie doppelt so hohe Arbeitslosigkeit wie im Jahr 1982, im vornehm sind!) Jahr des politischen Wechsels. Wenn Helmut Kohl Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22209

Ottmar Schreiner seine eigenen Kriterien ernst nehmen würde, müßte Auf der europäischen Ebene bekam das Thema er schon aus diesem einen Grund seinen Rücktritt Beschäftigung zum erstenmal im November letzten einreichen. Jahres auf dem Beschäftigungsgipfel in Luxemburg (Beifall bei der SPD) eine besondere Bedeutung. Man muß der Wahrheit zuliebe sagen, daß dieser Durchbruch, das Thema Zweitens. Der Bundeskanzler hat damals die politi- Beschäftigung zu einem zentralen europäischen sche Wende mit der These begründet, die Abgaben- Thema zu machen, der deutschen Bundesregierung belastung der Menschen sei zu hoch. Ich betone geradezu aufgenötigt werden mußte. Sie hat über nochmals: Die Abgabenbelastung der Arbeitnehme- Jahre versucht, das Thema Beschäftigung als euro- rinnen und Arbeitnehmer hat 1998 einen historischen päisches Thema zu verhindern. Der Weg für den Höchststand erreicht. Im wachsenden Maße haben europäischen Beschäftigungsgipfel in Luxemburg ist viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht überhaupt erst durch die Abwahl der beiden konser- einmal die Hälfte ihres Bruttoeinkommens als verfüg- vativen Regierungen in Großbritannien und Frank- bares Einkommen. Das ist das Ergebnis einer massi- reich frei geworden. Die Bundesregierung konnte ven Umverteilungspolitik dieser Bundesregierung, ihn danach nicht mehr verhindern. die zu Lasten der Menschen geht. Im übrigen hatten wir bereits 1993 ein hervorra- (Beifall bei der SPD - Wolfgang Zöller gendes Weißbuch der Europäischen Kommission mit [CDU/CSU]: Dummes Geschwätz!) dem Titel „Wachstum und Beschäftigung in Europa". Auch aus diesem Grund müßte Helmut Kohl, wenn Das wäre eine tolle Grundlage für einen Beschäfti- er sich beim Wo rt nehmen würde, zurücktreten. gungsgipfel bereits 1994 gewesen. Über Jahre hat die deutsche Bundesregierung alles getan, um den Drittens hat der Bundeskanzler 1982 gesagt: Ein Zusammenhang Europa und Beschäftigung trotz fast wesentlicher Grund für den notwendigen Rücktritt 20 Millionen Arbeitsloser in der Europäischen Union des Kanzlers und der sozialliberalen zu leugnen. Das ist ein schwerer, ein kardinaler euro- Koalition ist die viel zu hohe Staatsverschuldung. Wir papolitischer Fehler dieser Regierung. haben heute eine Staatsverschuldung, die um ein Vielfaches höher ist als 1982. Auch aus diesem Grund Dann konnten Sie aber die Ziele, die in Luxemburg müßte der Kanzler konsequenterweise zurücktreten, vereinbart worden sind, doch relativ deutlich verwäs- wenn er seine eigenen Erklärungen aus den frühen sern. Jedenfalls ist eines festzuhalten: Von der Ver- 80er Jahren ernst nehmen würde. bindlichkeit, mit der in Europa und vor allem von der deutschen Bundesregierung - das ist nicht zu kritisie- (Beifall bei der SPD) ren - um die Stabilitätskriterien von Maast richt ge- Wenn man also die Schlußbilanz dieser Regierung kämpft wurde, sind wir, was die Beschäftigungsziele betrachtet, dann kann man feststellen: Keine Regie- anbelangt, meilenweit entfernt. Ich will versuchen, rung in Europa verfügt über ein dera rt miserables Er- Ihnen das an der Leitlinie 1 von Luxemburg kurz zu gebnis am Ende der Legislaturpe riode. erläutern. Nun zu dem vielbeschworenen Beschäftigungsauf- Die Leitlinie 1 von Luxemburg verpflichtet die Re- schwung. Ich gehöre nicht zu denen, die ökonomi- gierungen, dafür zu sorgen, daß jeder arbeitslose Ju- sche Besserungstendenzen leugnen würden. Ich ge- gendliche im eigenen Land auf Grund eigener Vor- höre auch nicht zu denen, die bestreiten, daß die Da- schläge dieses Landes in einer angemessenen Zeit ten hinsichtlich des Wirtschaftswachstums besser ge- einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz erhält. Ich worden sind. Das ist gut so. Aber es gibt nicht den frage: Wo sind die Vorschläge der Bundesregierung geringsten Anlaß zur Selbstbejubelung, Herr Waigel. im nationalen Aktionsplan, um dieses Leitziel Nr. 1 Es gibt nicht den geringsten Anlaß, von einer grund- des europäischen Beschäftigungsgipfels zu realisie- legenden Trendwende zu reden. ren? Wo sind die Instrumente? Wo ist die Stringenz analog der Stabilitätskriterien, mit der versucht wer- Ich will einmal aus dem Berliner „Tagesspiegel" zi- den soll, Hunderttausenden von arbeitslosen jungen tieren. Das ist eine Zeitung, die, vermute ich, eher in Menschen in Deutschland wieder eine Arbeits- und Ihr Spektrum paßt. Im „Tagesspiegel" vom 10. Juni Lebensperspektive zu geben? dieses Jahres heißt es unter der Überschrift „Aus der Statistik herausgekauft" : Statt dessen wird dieses zentrale Problem in Deutschland von allen Rednern der Koalition klein- Aufschwung am Arbeitsmarkt gleich Rückkehr geredet. Der Bundeskanzler hat soeben davon ge- ins Kanzleramt - damit diese Gleichung aufgeht, sprochen, in Deutschland seien 10,8 Prozent der jun- hat die Bundesregierung tief in die Tasche gegrif- gen Leute arbeitslos; das sei weit weniger als im fen. Im laufenden Jahr können die Arbeitsämter europäischen Schnitt. 11,6 Milliarden DM für sogenannte arbeitsmarkt- politische Maßnahmen ausgeben, fünf Milliarden (Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.]: Stimmt!) mehr als 1997. Die Arbeitslosen werden also ge- wissermaßen aus der Statistik gekauft, in der sie Diese Zahlen, Herr Bundeskanzler, sind falsch. Lesen dann im nächsten Jahr wieder auftauchen. Von Sie den Jahreswirtschaftsbericht Ihrer eigenen Bun- einer nachhaltigen Bekämpfung der Beschäfti- desregierung, über den wir vor der Osterpause hier gungskrise kann keine Rede sein. im Parlament debattiert haben. Im Jahreswirtschafts- bericht der Bundesregierung steht, daß in Deutsch- Soweit der „Tagesspiegel" . Dieser Einschätzung ist land über 530 000 junge Menschen unter 25 Jahren zuzustimmen. weder einen Ausbildungs- noch einen Arbeitsplatz 22210 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Ottmar Schreiner haben; dies sei ein höchst bedauerlicher Zustand. scheide nicht nur über die Gestaltung der Dinge in Punkt, Ende, nichts mehr. Diese 530 000 arbeitslosen unserem Land, sondern sei auch für die weitere Kurs- jungen Menschen unter 25 Jahren sind 13 Prozent ih- bestimmung in Europa wesentlich. Die Bundesregie- rer Generation. rung ist das letzte Bollwerk in Europa, das sich gegen eine koordinierte Beschäftigungspolitik wendet. Die Vor wenigen Wochen hat das Institut für Arbeits- Bundesregierung ist die einzige Regierung, die über markt- und Berufsforschung der Öffentlichkeit eine Jahre immer wieder verhindert hat, daß das Beschäf- ergänzende Untersuchung präsentiert. Tenor: Über tigungsthema zu einem zentralen europäischen die 530 000 hinaus gibt es weitere 140 000 junge Thema wird. Wer das Schicksal von über 20 Millionen Menschen in Deutschland unter 25 Jahren, die nicht Arbeitslosen in Europa zum Zentrum der europäi- erwerbstätig sind, aber in keinen Statistiken mehr schen Politik machen will, der muß das Bollwerk auftauchen. Damit sind wir bereits bei fast 700 000 ar- Bundesregierung schleifen. Dafür besteht am 27. Sep- beitslosen jungen Leuten in Deutschland unter tember dieses Jahres Gelegenheit. 25 Jahren. Das sind dann fast 18 Prozent ihrer Gene- ration. (Beifall bei der SPD und der PDS - Zurufe (Peter Dreßen [SPD]: Hört! Hört!) von der CDU/CSU und der F.D.P.: Oh, Boll werk!) Vor diesem Hintergrund davon zu reden, hier han- dele es sich um kein ernstzunehmendes Problem in Deutschland, geht vollständig an der Wirklichkeit Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Für die Bun- vorbei. desregierung gebe ich dem Bundesaußenminister Dr. Klaus Kinkel das Wo rt. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der (Horst Kubatschka [SPD]: Ist das auch ein PDS - Siegmar Rosdorf [SPD]: Unerhört!) Bollwerk?) Deshalb sage ich Ihnen: Sie nehmen die Leitlinien Bundesminister des Auswärtigen: von Luxemburg nicht ernst. Sie versuchen,- die Pro- Dr. Klaus Kinkel, bleme kleinzureden. Auch dies wäre Grund genug, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! am 27. September dieses Jahres dieser Bundesregie- Herr Kollege Schreiner, ich will gleich am Anfang et- rung und den sie tragenden Parteien die rote Karte was zurückweisen. Sie haben behauptet, über das zu zeigen. europäische Beschäftigungsprogramm sei hier im Deutschen Bundestag nicht diskutiert worden. Das (Beifall bei der SPD) ist eindeutig falsch. Dazu gab es eine ausführliche Nun noch zu den nationalen Aktionsplänen. Wir Debatte. sind so gut wie das einzige Land in Europa, in dem (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Da waren der nationale Aktionsplan diesem Parlament nicht Sie, Herr Schreiner, nicht da!) einmal präsentiert und über den nicht einmal disku- tiert wurde. Der nationale Aktionsplan ist im Stil ei- Der Bundeswirtschaftsminister beispielsweise hat ner geheimdienstlichen Operation nach Brüssel ge- darüber gesprochen und wird nachher die Einzelhei- schleust worden. Es hat überhaupt keine öffentliche ten dazu noch einmal darlegen. Debatte gegeben. Die Eckpunkte sind nirgendwo präsentiert worden. Eine Diskussion über den Inhalt Im übrigen: Daß Sie die Koalition und die Regie- hat nie stattgefunden. Damit haben Sie Ihren natio- rung als Bollwerk bezeichnen, kann nicht falsch sein. nalen Aktionsplan ganz bewußt kleingemacht und in (Beifall bei der Abgeordneten F.D.P. und der Versenkung verschwinden lassen. der CDU/CSU) Keine andere Regierung Europas hat die Verpflich- Herr Kollege Stoltenberg, auch ich möchte mich tung, nationale Aktionspläne zu erstellen, so gering ganz kurz an Sie wenden. Ich möchte Ihnen neben geschätzt wie die deutsche Bundesregierung. Sie hat all dem Dank, der Ihnen bereits ausgesprochen sich auf der europäischen Ebene geradezu blamiert. wurde, für etwas ganz anderes danken, und zwar für Die Europäische Kommission hat Sie nicht offen kriti- etwas, worauf es in einem langen politischen Leben siert. Das ist nicht der Stil der Europäischen Kommis- sehr stark ankommt. Ich möchte Ihnen für Solidität, sion. Aber es gibt nicht einen einzigen Punkt in Ih- für Souveränität und auch für Solidarität in schwie- rem nationalen Aktionsplan, der von der Europäi- rigsten Zeiten danken. Das war etwas, was Sie in schen Kommission positiv bewertet worden ist. Das ganz besonderer Weise ausgezeichnet hat. ist ein verheerender Verriß der Verwaltungsroutine, die Sie in Brüssel abgeliefert haben. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) (Beifall bei der SPD) Ich danke Ihnen auch als Außenminister für sehr viel, was Sie in den verschiedenen Funktionen, die Sie in Ihrem langen politischen Leben ausgeübt haben, für Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ihre Redezeit! Deutschland nach außen getan haben. Herzlichen Dank! Ottmar Schreiner (SPD): Ich bin am Ende meiner (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Bemerkungen und möchte mit meiner ausdrückli- chen Zustimmung zu dem Teil der Rede des Bundes- Meine Damen und Herren, Euro, Erweiterung, Fi- kanzlers schließen, in dem er gesagt hat, die Wahl nanzen, Agrar- und Strukturreform- diese Stichworte zum Deutschen Bundestag am 27. September ent sind heute vielfach genannt worden. Aber dieses Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22211

Bundesminister Dr. Klaus Kinkel Europa ist natürlich nicht nur eine Großbaustelle, son- kommenden Monaten müssen wir den Zug nun auf dern ein Jahrhundertprojekt. In 562 Tagen beginnt das richtige Gleis setzen und Dampf machen. Der das neue Jahrtausend. Die Bedingungen, ja die Welt, Kurs stimmt, aber die Union muß gewaltig an sich ar- in der wir Europäer agieren, hat sich von Grund auf beiten, wenn sie den Globalisierungs-TÜV des gewandelt. Wir müssen Abschied nehmen vom Den- 21. Jahrhunderts bestehen will. ken und Handeln in Dimensionen, die zum 20. Jahr- Das ist der Hintergrund, vor dem wir das heute hundert gehören, die aber keine Antworten mehr auf schon so oft beschworene Arbeitsprogramm der die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts sind. Agenda 2000 sehen müssen. Wir Deutsche müssen Die Dimensionen des 21. Jahrhunderts sind an- dabei Schrittmacher sein. Wir sind das mit weitem dere. Überall auf dieser Welt formieren sich neben all Abstand größte und wirtschaftsstärkste Land in der dem, was sich im politischen Bereich abspielt, gewal- Europäischen Union. Es wird von uns erwartet, daß tige Wirtschaftsräume. Mit den USA im Zentrum um- wir vorangehen. Wir müssen das vor allem ab 1. Ja- fassen die Zusammenschlüsse NAFTA und APEC die nuar 1999 tun, wenn wir die Präsidentschaft in der beiden bevölkerungsreichsten Kontinente. Union in einer nicht ganz einfachen Zeit überneh- men. Der weltweite Wettbewerb hat sich in einem Aus- maß verschärft, wie es noch vor einer Generation un- Vor uns liegt eine europapolitische Herkulesauf- denkbar gewesen wäre. Heute werden die Spielre- gabe. Die Kommission legt im Herbst ihre Überle- geln für die Weltordnung des 21. Jahrhunderts ge- gungen zum Finanzrahmen 2000 bis 2006 vor. Erst macht, wirtschaftlich wie politisch. dann können wir abschließend über die Agrar- und Strukturreform beraten. Diese Debatte über Finanz-, (Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.]: So ist es!) Agrar- und Strukturfragen muß bis Ende März 1999 Für die Exportnation Nummer zwei in der Welt - abgeschlossen sein, wenn sich das Europäische Par- das sind wir Gott sei Dank - ist es von absolut zentra- lament noch vor den Europawahlen im Juni 1999 mit lem Interesse, daß wir dabei ein gewichtiges Wo rt dem Reformpaket befassen soll. - mitreden. Wir kommen im Alleingang allerdings (Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.]: Das wird nicht weit. Als wirtschaftsstärkste Nation Europas eng!) können wir nicht einfach im Windschatten mitsegeln, sondern wir müssen dabeisein. Wir Europäer müssen Wir haben also ein Zeitfenster von sechs Monaten. In deshalb gemeinsam handeln, wenn wir auch in Zu- diesen sechs Monaten wird und muß sich entschei- kunft eine Rolle auf dieser Weltbühne spielen wollen. den, ob Europa gestärkt ins 21. Jahrhundert gehen wird oder ob wir dieses Jahrhundert in einem Zu- (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne stand der Schwäche beginnen, was fatal wäre. ten der CDU/CSU) (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Die künftige Euro-Zone umfaßt 290 Millionen Menschen. Sie wird rund ein Fünftel der weltweiten Die Diskussion in Cardiff hat in diesen schwierigen Wirtschaftsleistung erbringen und auf einen Anteil Fragen erste wichtige Orientierungen erbracht. Wir am Welthandel von fast 19 Prozent kommen. Damit waren uns einig, daß wir die Agrar- und Strukturre- wird sie mit den USA gleichziehen und Japan den formen brauchen. Eines ist klar: Die Vorschläge der Rang als Nummer zwei der Weltwirtschaft abneh- Kommission, so wie sie jetzt vorliegen, sind, was die men. Der Euro wird Europa zu einem Comeback auf deutschen Bauern anbelangt, so nicht hinnehmbar. der weltpolitischen Bühne verhelfen. Fundament die- Darüber muß gesprochen werden; da werden wir ser Euro-Zone ist nun einmal der Gemeinsame deutsche Interessen vertreten. Was das Finanzsystem Markt. Wenn er, wie prognostizie rt wird, jährlich um anbelangt, gilt das, was heute schon mehrfach gesagt 3 Prozent wächst, gewinnt Europa Jahr für Jahr das wurde - das haben wir auch in Cardiff betont -: Wir Sozialprodukt Taiwans und damit sozusagen einen brauchen und wollen eine gerechtere Lastenvertei- kleinen „Tiger" hinzu. lung, insbesondere hinsichtlich der exorbitant zuun- gunsten Deutschlands in Unordnung geratenen Europa braucht - das ist heute mehrfach zu Recht Rückflüsse. gesagt worden - sein Licht wahrhaft nicht unter den Scheffel zu stellen. Wir müssen uns unserer Stärken (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne und unserer Möglichkeiten nur bewußt werden. Die ten der CDU/CSU) Impulse der EU bei der Schaffung des neuen Welt- Meine Damen und Herren, das Programm der elf- handelssystems, unser Erfolg im Handelsstreit mit ten deutschen EU-Präsidentschaft von Januar bis den USA, der Aufstieg der Airbus-Gruppe - drin- Ende Juni 1999 wird so dicht wie nie in der Nach- gend und zwingend erforderlich nach den indust rie- kriegszeit sein. Auf Deutschland ist in dieser Zeit politischen, Zusammenschlüssen in Amerika -, all rtige Belastung zugekommen, wie dies beweist doch: Das Projekt Europa ist zukunfts- noch nie eine dera es im ersten Halbjahr 1999 der Fall sein wird. fähig, wenn wir mit einer Stimme sprechen und alle zusammen an einem Strang ziehen. Aller Voraussicht nach wird der Amsterdamer Ver- trag in Kraft treten und damit erstmals anzuwenden (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne sein. Wir haben - was vorher nicht möglich war - ten der CDU/CSU) gleichzeitig mit der EU-Präsidentschaft auch die Das zeigt am besten das Beispiel Euro. Mit ihm ist WEU-Präsidentschaft. Wir haben den Vorsitz bei G 7 uns ein Quantensprung gelungen. Wir bündeln die bzw. G 8. Wir werden zum Europäischen Rat und europäischen Finanz- und Wi rtschaftskräfte. In den zum Weltwirtschaftsgipfel nach Köln einladen. In 22212 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Bundesminister Dr. Klaus Kinkel Berlin wird das große EU-Asean-Treffen stattfinden daß die Türkei diese Bemühungen anerkennt und und in Stuttgart die Mittelmeerkonferenz sich nicht selber vom europäischen Zug abkoppelt. Barcelona III, die wir gerade in Palermo vorbereitet haben. Deutschland hat erneut die historische Ich habe in New York in der vergangenen Woche Chance, natürlich im engsten Schulterschluß mit ein erstes Gespräch mit dem neuen Außenminister Frankreich, in einem entscheidenden Augenblick des Iran geführt und den Weg für einen vorsichtigen mitzuhelfen, Europa voranzubringen. Wir müssen in Neuanfang in unseren Beziehungen zu diesem wich- diesem Halbjahr unsere gesamte Erfahrung in die tigen Land geebnet. europäische Waagschale werfen. Meine Damen und Herren, die Bürger fragen zu (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Recht: Brauchen wir wirklich immer mehr Integra- tion? Muß denn so vieles in Brüssel entschieden wer- Meine Damen und Herren, wir Deutsche haben die den? - Diese Fragen sind legitim, weil sie zeigen, daß Erweiterung von Anfang an mit vorangetrieben. Sie es den Menschen nicht egal ist, was aus Europa wird, war unser Ziel; wir tragen hier eine ganz besondere weil Europa längst Teil ihres Alltags ist. Verantwortung. Sie ist Wiedergutmachung an der Geschichte und eröffnet unserem Land Chancen, die Wir haben in Cardiff unter dem Stichwort Subsi- vor der Haustür liegen. Diese Erweiterungsrunde diarität eine offene Debatte geführt. Mir ist dabei ei- wird so schwierig werden wie keine zuvor, und zwar nes wichtig: Wir müssen die Diskussion zur Subsidia- deshalb, weil erstmals Länder in die Europäische rität und Kompetenzabgrenzung offen und euro- Union, in ein Wertesystem martkwirtschaftlicher und päisch führen. Sie darf und wird kein Vorwand sein, demokratischer Strukturen, aufgenommen werden das auf europäischer Ebene Erreichte zu demontie- sollen, die über Jahrzehnte hinweg Diktatur und ren oder zurückzurudern. Für uns Deutsche bleibt Kommandowirtschaft hatten. die europäische Integration von zentraler Bedeutung; sie liegt in unserem vitalen Interesse. Ohne Europa Ich werde nicht müde, eines immer wieder zu sa- würde es eiskalt um und für Deutschland. Gerade gen: Wir haben den Menschen in diesen Ländern - weil es für uns zu Europa keine Alte rnative gibt, ihr Freiheitswille hat zur Wiedervereinigung beige- müssen wir als größtes Land in Europa zum Wohle tragen - über Jahrzehnte hinweg zugerufen: Kommt des Ganzen den einen oder anderen Kompromiß ein- in unsere freiheitliche westliche Lebensgemeinschaft gehen. Das müssen wir den Menschen offen und ehr- und Werteordnung! Legt Kommunismus und Marxis- lich sagen. Das gehört zum europapolitischen Tages- mus ab! - Jetzt zu sagen „Für euch ist in diesem geschäft. europäischen Haus kein Zimmer frei" , wäre nicht nur ungeschichtlich, sondern fatal und zutiefst undank- Handlungsfähige und unabhängige europäische bar - gerade von seiten der Deutschen. Institutionen liegen im wohlverstandenen deutschen Interesse. Renationalisierung oder Abkehr von der (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) bewährten Integrationspolitik kommen für uns nicht in Frage. Das wird auch künftig Richtschnur deut- Deshalb darf es keine unnötige Verzögerung im Er- scher Europapolitik sein - zum Wohle Deutschlands, weiterungsprozeß geben. aber auch zum Wohle Europas. Die Bundesregierung vertritt im bilateralen Ver- Vielen Dank. hältnis zu diesen Staaten, die in die Europäische Union wollen und sollen, deutsche Interessen mit (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Nachdruck. Wir werden aber den Beitritt neuer Mit- gliedstaaten zur Europäischen Union nicht unzulässi- Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich gebe das gerweise mit bilateralen Fragen verknüpfen. Wort dem Abgeordneten Manfred Müller. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU sowie der Abg. Heidemarie Wieczorek-Zeul Manfred Müller (Berlin) (PDS): Herr Präsident! [SPD]) Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es hat schon eine Ein Wort zu Rußland. Rußland muß dabeisein, muß gewisse Logik, daß sich der europäische Gipfel von einen Platz in Europa haben. Es war eine der großen Cardiff hauptsächlich mit der Frage des Beitragssy- Leistungen dieser Koalition und dieser Regierung, stems befaßte und die angesetzte Überprüfung der mit dafür gesorgt zu haben, daß dies geschieht. Ruß- nationalen Aktionsprogramme zur Bekämpfung der land einzubeziehen ist zentral wichtig. Das zeigt sich Arbeitslosigkeit in den Hintergrund drängte. Unter jetzt auch in der Kosovo-Frage: Da werden wir bei al- den gegebenen politischen Vorgaben bestehen näm- len sonstigen Schwierigkeiten nämlich nur dann zu lich wesentlich größere Aussichten, die Nettozahlun- einer Lösung kommen, wenn wir Rußland einbezie- gen an den EU-Haushalt zu senken als die Zahl der hen. Das muß unser Ziel bleiben. Arbeitslosen. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU Für die Bundesregierung hat die aufgeschobene sowie der Abg. Katrin Fuchs [Verl] [SPD]) Debatte über die nationalen Aktionsprogramme na- türlich einen unübersehbaren Vorteil; denn im Bun- Ein Wort zur Türkei. Wir haben den Vertretern der destagswahlkampf ist es wesentlich populärer, über Türkei in Cardiff gesagt, daß wir auch die Türkei in zu hohe deutsche Nettozahlungen an die Europäi- der Europäischen Union haben wollen. Es gab große sche Union zu reden als über zu hohe deutsche Ar- Bemühungen, der Türkei zu zeigen, wie ihr der Weg beitslosenquoten. Mit nichts kann der Herr Bundes- nach Europa geebnet werden kann. Ich hoffe sehr, kanzler die Lufthoheit über die deutschen Stammti- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22213 Manfred Müller (Berlin) sche leichter zurückgewinnen als mit der Belebung großzügiger sozialer Abfederung verbinden, dann des alten Stammtischvorurteils, daß uns die europäi- wäre auch zur Sprache gekommen, daß Frankreich sche Einigung zu teuer zu stehen käme. nicht nur Versprechungen zum Abbau der Jugendar- beitslosigkeit abgibt, sondern Zielvorgaben nennt, (Beifall bei der PDS) die Kosten der Maßnahmen auflistet und sich einen Hätte in Cardiff die Debatte über die Umsetzung präzisen Zeitplan gegeben hat, ganz zu schweigen der beschäftigungspolitischen Leitlinien im Vorder- davon, daß Frankreich in das nächste Jahrhundert grund gestanden, dann hätte diese Bundesregierung mit einer gesetzlich festgelegten 35-Stunden-Woche schlecht dagestanden, und zwar einmal weil gehen wird, während unser Arbeitszeitgesetz immer Deutschland beim Kampf gegen die Massenarbeits- noch 60 Stunden erlaubt. losigkeit im Vergleich zu seinen wichtigsten Pa rtnern das Schlußlicht bildet, und zum anderen weil ihr na- Die Bundesregierung hat ihre Hausaufgaben für tionaler Aktionsplan nicht nur enttäuschend, sondern Cardiff schlecht gemacht und sie weiß das. Sie hat geradezu peinlich ausgefallen ist. Dieser Aktionsplan den schludrigen Umgang mit dem Problem der Mas- kostet nichts und er bringt nichts. In freimütiger Of- senarbeitslosigkeit hinter der lautstarken Nettozah- fenheit wird dann auch unter der vielversprechenden lerklage verbergen können. Aber wir werden Ihnen Überschrift „Handlungsfelder" zugegeben, daß es das ebensowenig durchgehen lassen wie die faden- um nichts anderes geht als um die konsequente Wei- scheinige Behauptung, Sie hätten die Trendwende terführung der bisherigen Politik. Es werden die al- auf dem Arbeitsmarkt geschafft. In Cardiff konnten ten neoliberalen Wundermittel bemüht: Kostenredu- Sie Ihr Versagen im Kampf gegen die Massenarbeits- zierung, Senkung von Steuern und Abgaben, Er- losigkeit noch verbergen, im Wahlkampf der näch- leichterung von Existenzgründungen, mehr Druck sten Monate wird Ihnen das nicht gelingen. auf Arbeitslose und Vereinfachung der Verwaltung. Danke schön. Da, wo es um wirklich ernsthafte Vorgaben wie die (Beifall bei der PDS) Verbesserung von Aus- und Weiterbildung geht, bleibt der Aktionsplan bei schönen Worten, edlen Absichten und leeren Versprechungen. Auch in der Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich gebe dem heutigen Debatte kam kein Wort - weder vom Bun- Abgeordneten Dr. Heiner Geißler das Wo rt. deskanzler noch vom Kollegen Stoltenberg - dazu, wie die Massenarbeitslosigkeit in der Bundesrepu- blik Deutschland bekämpft werden soll, wenn einem Dr. Heiner Geißler (CDU/CSU): Herr Präsident! Wachstum von 4 Prozent eine Produktivitätssteige- Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für jeden rung von 4,2 Prozent gegenübersteht. Redner ist es bedauerlich, wenn Redezeit dafür draufgeht, daß man offensichtliche Fehler korrigie- In der heutigen Debatte kam auch kein Wo rt zu ren muß, wie gerade die von Herrn Schreiner. den Auswirkungen des hohen Exportüberschusses der Bundesrepublik Deutschland auf Europa. Es Die Zahlen zur Jugendarbeitslosigkeit, die Sie aus wurde kein Wo rt dazu gesagt, welche Auswirkungen dem Jahreswirtschaftsbericht vorgetragen haben, die Exportüberschüsse in den Ländern haben, in die stammen aus dem letzten Jahr. Meinetwegen war die die Waren exportiert werden, ob damit nicht auch Ar- Zahl vor vier Monaten höher. Jetzt - davon hat der beitslosigkeit exportiert wird. Dies wäre insbeson- Bundeskanzler geredet - sind es nach dem Statisti- dere vor dem Hintergrund der Tatsache erforderlich schen Amt der EU exakt 10,3 Prozent. Wenn man ir- gewesen, daß die Möglichkeit, die Auswirkungen in gendwelche Zahlen nennt und miteinander verglei- diesen Ländern durch eine Währungskorrektur aus- chen will - wir reden hier ja über Cardiff, über das zugleichen, bei einer einheitlichen europäischen Nachfolgetreffen von Luxemburg, das sich ja be- Währung gleich Null sein wird. kanntlich mit Arbeitslosigkeit beschäftigt hat -, dann muß man auch die Eurostat-Zahlen nehmen. Die lie- Auf den 25 Seiten der Regierungsvorlage und in gen nun einmal bei 10,3 Prozent. Darum geht es, und den heutigen Reden wimmelt es von Unverbindlich- davon hat der Bundeskanzler geredet. keiten: Es soll geprüft werden; man wird sich bemü- hen; man will an unzähligen Stellen diesem oder je- Jetzt will ich Ihnen noch etwas sagen - wir haben nem Problem besondere Aufmerksamkeit widmen. ja auch auf dem Katholikentag über Jugendarbeitslo- Hätte man in Cardiff wirklich über europäische Bei- sigkeit und Lehrstellenangebote geredet -: Sie müs- spiele zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit sen, Herr Schreiner, bevor Sie hier solch ein Horror- gesprochen, dann wäre sichtbar geworden, daß es ei- szenario vor dem Deutschen Bundestag ausbreiten nige unserer Nachbarn nicht nur konkreter, sondern - es hören ja auch junge Leute zu -, auch hinzufügen auch besser und erfolgreicher machen, daß 80 Prozent dieser jugendlichen Arbeitslosen in- nerhalb eines halben Jahres, spätestens nach sieben (Beifall bei der PDS) Monaten einen Arbeitsplatz bekommen. dann wäre sichtbar geworden, daß Dänemark seine Unser Problem ist ein ganz anderes. Unser Problem Erfolge auf dem Arbeitsmarkt einem intelligenten ist, daß ungefähr 8 Prozent der jugendlichen Arbeits- Freistellungs- und Urlaubsmodell verdankt und daß losen - das sind etwa 35 000 bis 40 000 - langzeitar- sich die Niederlande beim Abbau der Arbeitslosig- beitslos sind. Um diese müssen wir uns kümmern. keit auf ein wirkliches Bündnis zwischen Staat und Das ist allerdings richtig. Sozialpartnern stützen und sowohl Teilzeitarbeit als auch das Ausscheiden aus dem Arbeitsmarkt mit (Beifall bei der CDU/CSU) 22214 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Dr. Heiner Geißler Aber - darüber ist auch in der Schlußdiskussion mit fünf Wochen der Öffentlichkeit präsentiert. Also sind dem BDKJ am letzten Samstag gesprochen worden - beide Zahlen relativ neuen Datums. das hat nun wieder ganz andere Gründe. Dafür die Können Sie mir folgen, wenn ich kritisiere, daß die Bundesregierung verantwortlich zu machen ist schon Bundesregierung die einzige Regierung in der Euro- leicht komisch. Es hängt nämlich damit zusammen - päischen Union ist, die das Problem der Jugendar- ich finde das außerordentlich bedauerlich -, daß beitslosigkeit vor sich hintreiben läßt? 10,6 Prozent eines Jahrganges von Schülerinnen und Schülern in Deutschland keinen schulischen Ab- (Beifall bei der SPD) schluß schaffen. Wenn Sie heute einmal mit Hand- werkern und Berufsschullehrern reden, dann erfah- Blair legt ein riesiges Sonderprogramm mit mehr als ren Sie, daß diese 10,6 Prozent der Schülerinnen und 10 Milliarden DM auf, auch die Franzosen - - Schüler nicht richtig Bruchrechnen können und kei- nen richtigen Dreisatz rechnen können. Daß aber Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Herr Kollege eine so hohe Anzahl, nämlich ein Zehntel der jungen Schreiner, das kann ich nicht zulassen. Das Instru- Leute eines Jahrgangs, keinen schulischen Abschluß ment der Zwischenfrage ist dazu da, kurze Fragen zu schafft, das erachte ich fast als eine Bankrotterklä- stellen. Sie können nicht während der Rede eines rung des deutschen Bildungssystems, und das ist mit- Kollegen eine Kurzintervention machen. verantwortlich dafür, daß diese jungen Leute als Minderqualifizierte oder Nichtqualifizierte keinen (Ottmar Schreiner [SPD]: Wenn er zustimmt, Zugang zum Arbeitsmarkt haben. sind wir schnell fertig!) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Bitte, Herr Kollege Geißler. sowie des Abg. [PDS]) Dr. Heiner Geißler (CDU/CSU): Ich muß jetzt aber Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Herr Kollege genausolange darauf antworten dürfen. Geißler, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kolle- gen Schreiner? Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich habe Ihre Redezeit angehalten. Dr. Heiner Geißler (CDU/CSU): Bitte schön, Herr Schreiner. Dr. Heiner Geißler (CDU/CSU): Ich kann Ihnen nicht zustimmen; ich kann Ihnen erst recht nicht fol- Ottmar Schreiner (SPD): Herr Kollege Geißler, es gen. macht vermutlich wenig Sinn, jetzt herausfinden zu Unter 25 oder wollen, auf welches Material sich der Bundeskanzler (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: genau bezog. Ich vermute einmal, mit seiner Zahl unter 21?) von zehn Komma noch was meinte er die Zahl der Ich habe mich auf die Statistik der Bundesanstalt für unter 21 jährigen. Arbeit, Referat III a 4, bezogen. Vielleicht erkundigen Sie sich bei Frau Engelen-Kefer, ob die Zahlen stim- Dr. Heiner Geißler (CDU/CSU): Nein, der unter men. Danach waren im Mai 422 000 Jugendliche un- 25 jährigen! ter 25 Jahren arbeitslos. Das ist nach Adam Riese ein Anteil von 10,1 Prozent. Ottmar Schreiner (SPD): Auf der europäischen Unabhängig davon lassen wir doch diese blöde Ebene bezieht man sich ausdrücklich auf die unter Zahlenspielerei, Herr Schreiner - ist diese Zahl in je- 25jährigen, wenn es um die Frage der Jugendar- dem Fall zu hoch. Aber Sie sagen die Unwahrheit, beitslosigkeit geht. Die Bundesregierung selbst - ich wenn Sie behaupten, die Bundesregierung habe sage es nochmals - geht im Jahreswirtschaftsbericht nichts getan. Das kann schon deswegen nicht sein, 1998 exakt von dieser Grenzziehung bei den unter weil wir im internationalen und im europäischen Ver- 25jährigen aus. Sinngemäß heißt es im Jahreswirt- gleich, was den Sektor der Jugendarbeitslosigkeit schaftsbericht, es sei eine äußerst beklagenswerte Si- anbelangt, unbestrittenermaßen sehr gut dastehen. tuation, daß etwa 530 000 junge Menschen unter Andere Länder - die Franzosen haben 20 Prozent, 25 Jahren ohne Arbeits- und Ausbildungsplatz sind. die Spanier 35 Prozent - müssen deswegen vielleicht Das ist dem Parlament vor der Osterpause präsentiert etwas mehr machen als wir, die wir eine an der unte- worden, ist also relativ frisches Mate rial. ren Grenze liegende Jugendarbeitslosigkeit haben. Damit Sie informiert sind, will ich Ihnen sagen: Al- Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Herr Kollege lein im Bereich des Bundesarbeitsministeriums ha- Schreiner, Sie müssen eine Frage formulieren. ben wir die Mittel für jugendspezifische Leistungen 1998 weiter aufgestockt. Das gilt gerade für die Be- Ottmar Schreiner (SPD): Die ergänzende Untersu- nachteiligtenförderung, betrifft also die Gruppe, um chung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsfor- die es geht: jene 7 oder 8 Prozent aller arbeitslosen schung, in der davon gesprochen wird, daß zu dieser Jugendlichen, die langzeitarbeitslos sind. Denen Zahl von etwa 530 000 noch einmal etwa 140 000 muß unsere Sorge gelten. Die anderen bekommen ja nicht erwerbstätige Jugendliche hinzugerechnet einen Job, wenn auch mit einem zeitlichen Abstand. werden müssen, ist noch jüngeren Datums als der Die Mittel für diese Maßnahmen - berufsvorberei- Jahreswirtschaftsbericht. Sie wurde nämlich vor etwa tende Maßnahmen, Beihilfen zur Berufsausbildung - Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22215

Dr. Heiner Geißler sind aufgestockt worden und betragen in diesem hen, die den ganzen Schaden angerichtet hat. Diese Jahr 2,81 Milliarden DM. Das sind ungefähr 300 Mil- Frage müssen Sie einmal beantworten. lionen DM mehr als im vergangenen Jahr. Außerdem haben wir die Mittel auf der Ebene der Arbeitsämter (Beifall bei der CDU/CSU) kompatibel gemacht, indem wir ihnen die Möglich- Mich regt Ihre Zusammenarbeit mit der PDS nicht keit gegeben haben, auf diesem Sektor zusätzlich et- auf; ich habe da eine differenzie rte Auffassung. Aber was zu tun, wenn die Jugendarbeitslosigkeit in ei- mich bewegt schon, warum Sie eine mögliche Koali- nem bestimmten Arbeitsamtsbezirk besonders gra- tion mit der CDU ablehnen. Damit hätten Sie eine vierend ist. - Soweit, Herr Kollege Schreiner, zu Ihrer sehr gute Mehrheit und Möglichkeiten, den Ländern Intervention. zu helfen. Statt dessen entscheiden Sie sich für Min- Wir müssen uns - das ist gar keine Frage - nach derheitenregierungen und lassen sich von der PDS dem richten, was wir in Luxemburg beschlossen ha- tolerieren. Das ist die Frage, die Sie von der SPD be- ben. Der ständige Vorwurf von Ihnen, die Bundesre- antworten müssen. Diese Frage gehört in diesen Zu- gierung wolle kein beschäftigungspolitisches Pro- sammenhang. Wir unterhalten uns nicht mit der gramm, wir hätten uns dagegen gewehrt, daß man PDS. sich in Luxemburg auf europäischer Ebene mit dem (Zurufe von der PDS) Arbeitsmarkt beschäftige, trifft nicht zu. Das ist über- Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist haupt nicht wahr. Wir haben uns nur - und zwar völ- gar keine Frage und gehört zu dieser Debatte über lig zu Recht - dagegen gewehrt, gegen die Arbeitslo- den europäischen Gipfel: Es gibt eine grundsätzliche sigkeit mit schuldenfinanzierten Investitionspro- Wende auf dem Arbeitsmarkt. Herr Kollege Schrei- grammen auf europäischer Ebene anzugehen. Wir ner, Sie haben das in Frage gestellt. Wenn Sie über wissen wirklich aus eigener Erfahrung - gerade aus die besseren Arbeitsmarktzahlen reden, habe ich der Erfahrung, die wir in der Zeit machen mußten, manchmal den Eindruck, daß Ihnen diese Entwick- als Sie die Regierungsverantwortung hatten -, daß lung irgendwie leid tut, als ob Ihnen dadurch irgend- man mit schuldenfinanzierten Investitionsprogram- - ein Wahlkampfkonzept abhanden käme. Ich finde, so men keine neuen dauerhaften Arbeitsplätze schaffen sollten wir nicht miteinander reden. kann. (Beifall bei der CDU/CSU) Natürlich ist eine grundsätzliche Wende auf dem Arbeitsmarkt erkennbar. Ich kann sie Ihnen auch be- Dagegen haben wir die arbeitsmarktpolitischen gründen. Nach anerkannten ökonomischen Grund- Maßnahmen selbstverständlich fortgeführt. Das ist in sätzen können wir feststellen: Wir haben im ersten Luxemburg vom Bundesarbeitsminister und anderen Quartal dieses Jahres zum erstenmal seit langer Zeit Mitgliedern der Bundesregierung deutlich darge- eine Wachstumsrate, die nicht nur bei 2,5 oder stellt worden. 2,8 Prozent liegt, sondern bei 3,8 Prozent. Selbst In Ihrer Negativbilanz, Herr Schreiner, haben Sie wenn Sie die paar Tage herausrechnen, an denen ein unter anderem die Staatsverschuldung angespro- bißchen mehr gearbeitet worden ist, kommen Sie chen. Dazu möchte ich Ihnen sagen: Vor neun Jahren noch auf eine Wachstumsrate von 3,5 bzw. 3,6 Pro- hat ein Ereignis von welthistorischer Bedeutung zent. Dies bedeutet einen grundsätzlichen Wandel stattgefunden. Wir Deutsche hatten eine Aufgabe zu auf dem Arbeitsmarkt. Das muß fortgesetzt werden. erfüllen. Eine Aufgabe solcher Dimension hatte es in Das geht aber nicht, wenn man all das in Frage stellt, der Weltgeschichte bis dahin nicht gegeben. Wenn was zu dieser Veränderung auf dem Arbeitsmarkt Sie schon die Zahlen auf europäischer Ebene verglei- beigetragen hat. chen, müssen Sie folgendes bedenken: Die Zahlen Ich habe die Reden nachgelesen, die am 28. Juni sehen ganz anders aus, wenn Sie nur Westdeutsch- 1996 hier im Parlament in der Debatte zum Wachs- land betrachten. Aber wir christlichen Demokraten tums- und Beschäftigungsförderungsgesetz gehalten machen dies nicht. Wir meinen, Westdeutschland wurden. Mit diesem Gesetz wollen wir die Wirtschaft und Ostdeutschland haben eine Gesamtverantwor- bis zum Jahr 2000 um insgesamt 75 Milliarden DM tung zu tragen; dazu stehen wir auch. entlasten. Bereits ein Jahr nach dieser Debatte, also (Beifall bei der CDU/CSU) 1997, ist die Sozialquote um 0,4 Prozent zurückge- gangen. Wir haben im letzten Jahr zum erstenmal ei- Außerdem ist inzwischen erreicht worden, daß un- nen Rückgang der Lohnzusatzkosten verzeichnen sere Staatsverschuldung im mittleren Bereich liegt. können. Wir haben die seit langem niedrigsten Lohn- Wir nehmen da keine Spitzenstellung ein, von der stückkosten. Sie immer reden. Es ist eine gigantische Aufgabe ge- wesen, die Folgen eines bankrotten sozialistischen Meine sehr verehrten Damen und Herren, dies Systems ökonomisch aufzuarbeiten. Darunter leiden sind die Gründe für die Wende auf dem Arbeits- wir alle bis auf den heutigen Tag. Vielleicht hat man markt. Ich will diesen Zusammenhang deswegen sich in der zeitlichen Perspektive verschätzt. herstellen, weil Sie, Herr Schreiner, Herr Scharping und viele andere, uns, Norbe rt Blüm, mir und vielen Aber gerade weil wir alle miteinander diese Auf- anderen, die hier Verantwortung tragen, sowie der gabe zu erfüllen haben, berührt es uns in einer be- CDU insgesamt, danach in vielen Reden Verrat an sonderen Weise, daß S ie in den neuen Ländern, statt der katholischen Soziallehre vorgeworfen haben. Der zum Beispiel mit der CDU eine Koalition zu bilden, alte Nell-Breuning ist zitiert worden. Man hat uns eine versteckte Koalition mit den Leuten eingehen, moralische Defizite vorgeworfen, weil wir eine solche die sich als Nachfolgeorganisation der Partei verste Politik realisiert haben. Nell-Breuning, lieber Herr 22216 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Dr. Heiner Geißler Schreiner, hat einmal einen Satz gesagt, der Über- noch nicht einmal Palliativmittel. Sie wollen umfinan- schrift für das ist, was wir hier machen. Er sagte: Die zieren. Aber wenn Sie die Strukturveränderungen, Arbeitslosigkeit ist die größte Ungerechtigkeit. Des- die bis zum Jahr 2030 notwendig sind, ausgleichen wegen behaupte ich: Eine Politik der Reformen, und wollen, müssen Sie die Mehrwertsteuer vier- oder zwar der Reformen mit Maß, auch mit sozialem Maß, fünfmal erhöhen. Das müssen Sie den Menschen die zu dem Ergebnis führt, daß die Arbeitslosigkeit in schon erklären. dieser Zeit der großen Herausforderungen und Um- brüche bei uns in Deutschland - auch angesichts der Dann lese ich zu meinem großen Erstaunen - uns nationalen Aufgabe - wieder abgebaut werden haben Sie dafür kritisiert -: Ein Vorschlag ist die Ver- kann, ist gleichzeitig eine Politik der sozialen Ge- längerung der Lebensarbeitszeit. rechtigkeit. So die Definition von Nell-Breuning. (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Hört! (Beifall bei der CDU/CSU) Hört!) Außerdem war es eine Reformpolitik für die klei- Was haben Sie damals zum Vorschlag der CDU/CSU nen Leute, für die Beschäftigten. Das Geld, das wir betreffend Verlängerung der Lebensarbeitszeit ge- dadurch eingespart haben, hat immerhin zu einer sagt? Sie müßten Ihre Reden von damals, die Sie ge- Stabilisierung der Beiträge für die Rentenversiche- gen uns gehalten haben, wieder einsammeln. rung und die Krankenversicherung geführt. Die (Beifall bei der CDU/CSU) Krankenversicherungen haben im letzten Jahr Über- schüsse in Höhe von 6 Milliarden DM gemacht. Das Sie müssen eine Antwort auf die Finanzierungsfrage war eine Politik zur Nettoentlastung von 35 Millionen geben. Beitragszahlern in der Rentenversicherung, von Wir geben eine Antwort darauf. Wir halten den 27 Millionen Beitragszahlern in der Arbeitslosenver- Beitrag fest, sagen aber offen und ehrlich und reden sicherung, von 51 Millionen Beitragszahlern in der nicht darum herum, daß wir die älteren Menschen in Krankenversicherung. Die Menschen hätten heute, einer maßvollen Weise an der Finanzierung der im Juni, netto noch erheblich mehr in der Tasche, durch ihre eigene höhere Lebenserwartung entste- wenn Sie die Steuerreform nicht abgeblockt hätten. henden Kosten beteiligen. (Beifall bei der CDU/CSU) (Vorsitz: Vizepräsidentin Michaela Geiger) Die Steuerreform hat nicht nur die Aufgabe, die Voraussetzungen für mehr Wachstum zu schaffen Ich sage Ihnen noch einmal: Wir machen dies da- und Investitionen aus dem Ausland hereinzuholen, durch, daß die Rentenerhöhung etwas geringer aus- sondern sie hat gleichzeitig die Aufgabe, das Netto- fällt, als sie ausfallen würde, wenn wir sie wie bisher einkommen der Menschen wieder zu erhöhen. Des- ausschließlich an der Nettolohnerhöhung orientieren wegen war die Blockade der Steuerreform auch eine würden. Das ist der Beitrag der Älteren: eine etwas Blockade für höheres Nettoeinkommen der Arbeit- geringere Rentenerhöhung. nehmer. Wer einen langsameren Anstieg der jährlichen Sie wollen jetzt - das muß heute auch erörtert wer- Rentenerhöhungen - darum geht es - als Rentenkür- den - die Voraussetzungen für das wirtschaftliche zung bezeichnet, wie Sie dies nun im ganzen Lande Wachstum und für mehr Arbeitsplätze offenbar wie- tun, der verletzt nicht nur die Grundregeln der Ma- der verändern. Ich habe mir das Wahlprogramm der thematik, sondern auch des menschlichen Anstandes SPD genau angesehen. Es wird auch im Ausland ge- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - lesen. Ich war neulich im Elsaß und habe mit den Widerspruch von der SPD) dort Verantwortlichen über die sozialen Vorausset- zungen diskutiert. Die haben über die SPD gesagt: - das sage ich Ihnen in aller Ruhe -, weil Sie Millio- Die wollen wieder alles rückgängig machen. Denn nen von Rentnerinnen und Rentnern verunsichern inzwischen haben dies die Menschen do rt - sie lesen und auf Ihren Versammlungen nicht die Wahrheit sa- auch deutsche Zeitungen - auch gelesen. gen. Es ist keine Rentenkürzung, sondern es ist eine etwas geringere Anpassung. Ich habe Ihnen das Das Problem in der Rentenversicherung entsteht schon einmal vorgerechnet. Wenn Herr Wiesehügel dadurch, daß die Menschen eine höhere Lebenser- von der IG BAU bei den letzten Tarifverhandlun- wartung haben. Das bedeutet, daß sie mehr Jahre gen 4 Prozent Lohnerhöhung verlangt hat, und in Rente beziehen als bisher. Wenn heute noch die Le- der Schlichtung, im Tarifkonsens sind 2 Prozent benserwartung bestehen würde, die im Jahre 1960 oder 1,5 Prozent herausgekommen, dann geht der bestand, hätten wir einen Beitragssatz von 12 Prozent anschließend auch nicht zu seinen Bauarbeitern und kein Problem. Das Problem ist eine längere Ren- und erklärt, das Ergebnis der Verhandlungen war tenlaufzeit. Das kann jeder Simpel kapieren - auch eine 2prozentige Lohnkürzung. Dann wäre er ja be- daß es Geld kostet, wenn die Zahl der älteren Leute scheuert. - Sie sind bescheuert, wenn Sie so reden. immer größer wird. Dafür muß ich eine Lösung fin- den. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Ich habe in Ihr Programm gesehen. Sie haben für Sie machen es in der Krankenversicherung ja ge- dieses Problem keine Lösung. Soll ich Ihnen das ein- nauso. Sie weichen den eigentlichen Fragen aus. Der mal vorlesen? Sie geben null Antwort auf die entste- medizinische Fortschritt wird teurer, und den wollen henden Fragen. Was Sie zur Entlastung der Renten- wir ja alle. Wenn er teurer wird, müssen Sie die kasse aufzählen - ich kann es Ihnen vorlesen -, sind Finanzierungsfrage lösen. Sie können sie dadurch Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22217 Dr. Heiner Geißler lösen, daß Sie sagen, da gehen halt die Beiträge Dr. Heiner Geißler (CDU/CSU): Doch, doch. Er soll weiter hoch. Hätten wir die Gesundheitsreform nicht ruhig fragen. Jetzt ist es mir recht. gemacht, hätten wir heute einen Beitragssatz von 15 oder 16 Prozent. Und das kann doch wohl nicht (SPD): Herr Kollege Geißler, ich richtig sein. Selbst der dümmste Sozialdemokrat ver- Ottmar Schreiner verzichte bewußt auf eine Kurzintervention - die tritt nicht, daß so etwas richtig sein könnte. könnte ich ja auch machen -, sondern möchte rück- fragen, ob die Sachaussagen in unserem Wahlpro- gramm von Ihnen entweder vorsätzlich oder fahrläs- Vizepräsidentin Michaela Geiger: Herr Abgeordne- sig falsch interpretiert werden, etwa am Beispiel der ter Dr. Geißler, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schreiner? von uns begrüßten Option Verlängerung der Le- bensarbeitszeit als eines denkbaren langfristigen In- struments angesichts der demographischen Entwick- Dr. Heiner Geißler (CDU/CSU): Nein, Entschuldi- lung, daß die Lebenserwartung der Menschen steigt, gung, im Augenblick nicht. aber immer unter dem Vorbehalt, daß die Arbeitslo- sigkeit auf eine vertretbare Größe zurückgeführt Ich will Ihnen das mal kurz erklären. - Herr Schrei- werden kann. Das war immer die Position der SPD in ner, hören Sie mal gut zu! Vielleicht können Sie mir den letzten 15 Jahren, von der Rentenreform 1992 ja nachher in Frageform eine Antwort geben. Sie über die Debatte 1996/97 bis heute, bis zum Wahl- müssen doch die Frage beantworten, wie Sie das fi- programm der Partei. Sie verkürzen ganz bewußt die nanzieren wollen. Die Beiträge können nicht weiter Wahlaussage der SPD, um dann öffentlich dagegen steigen. agitieren zu können.

Dann haben Sie die andere Möglichkeit, nämlich Ich frage Sie zweitens - da Sie uns für bescheuert erklärt haben, die Leistungen zu beschneiden, wie zum Beispiel in England, wo Leute, die älter als 80 Jahre sind, keine (Dr. Heiner Geißler [CDU/CSU]: In dem Bypass-Operation und keinen Herzschrittmacher Punkt!) mehr bekommen, vom Dialyse-Apparat abgeschnallt werden. Das wollen wir nicht. ohne daß es dazu einen Widerspruch von seiten des Präsidiums gab; es ist schon erstaunlich, daß das Prä- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) sidium es hinnimmt, daß Herr Geißler die SPD als be- scheuert bezeichnet -: Wie bewe rten Sie denn die Wir wollen mit der Gesundheitsreform, daß alle, Aussage des Bundesfinanzministers Waigel, der vor unabhängig von ihrem Einkommen und von ihrem wenigen Tagen der Öffentlichkeit mitteilte, das Be- Alter, das medizinisch Notwendige bekommen. ste, was der Koalition passieren könne, sei, daß der Dann müssen wir aber eine Finanzierungslösung vor- Geißler einmal 14 Tage die Klappe halte? schlagen. Das sind die höheren Zuzahlungen, das ist wahr. Und jetzt mache ich Ihnen, Herr Schreiner, ei- (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ nen Vorwurf, Ihnen persönlich, aber auch vielen an- DIE GRÜNEN]: Doppelt bescheuert!) deren, von denen ich erwartet hätte, daß sie dies sa- gen: Sie müssen bei den höheren Zuzahlungen, die Dr. Heiner Geißler (CDU/CSU): Dazu möchte ich zunächst einmal ein Problem sind, den Menschen sa- sagen: Wenn der Kollege Waigel das noch einmal gen, daß dies sozial gerecht geregelt ist: Wer weniger sagt, wird er es vielleicht bereuen. verdient als 1740 DM, der zahlt nicht eine Mark zu. Das sind 22 Millionen Menschen. Kinder leisten (Heiterkeit - Joseph Fischer [Frankfu rt] keine Zuzahlungen. Ist jemand verheiratet, liegt die [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Diese Rede Grenze bei 2300 DM. Ein Rentnerehepaar mit einer kostet wieder 2 Prozent! Wenn Waigel recht Rente von 2300 DM leistet keine Mark an Zuzahlung hat!) für Arzneimittel, Heilhilfsmittel und Transportkosten. Ich glaube, Sie haben das mehr zu fürchten als der Und wer mehr verdient, hat eine Überforderungs- Kollege Waigel. klausel von 2 Prozent - chronisch Kranke von 1 Pro- zent - des Bruttoeinkommens. Ich erwarte jetzt end- Herr Schreiner, mancher argumentiert langfristig; lich einmal von der Sozialdemokratischen Partei - ein anderer argumentiert mittelfristig. Aber richtig ist das erwarte ich auch von den Gewerkschaften -, daß doch, daß man zur Lösung der zwei Probleme, die ich sie in ihren Versammlungen die Patienten nicht äng- eben genannt habe - das ist eine wichtige Vorausset- stigt und verrückt macht, sondern ihnen über das, zung für die Belebung des Arbeitsmarktes; darum was bei uns vorgesehen ist, die Wahrheit sagt. Aber geht es -, diese Reformen, die Gesundheitsreform, was Sie machen, halte ich für unerträglich. die Reform der Krankenversicherung, die Rentenre- form, brauchte. Sie waren eine wichtige Vorausset- (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und zung für die Stabilisierung der Beiträge und damit der F.D.P.) auch für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Sie haben in Ihrem Programm angekündigt, daß Sie ge- nau diese Reformen rückgängig machen wollen. Das Vizepräsidentin Michaela Geiger: Herr Abgeordne- steht dort. Gleichzeitig machen Sie aber keine Vor- ter Dr. Geißler, der Herr Abgeordnete Schreiner war- schläge zur Änderung der Struktur. Man kann nicht tet immer noch auf seine Frage. Ist sie jetzt zugelas- nur umschichten, sondern man muß sowohl in der sen? Oder wollen Sie sie nicht beantworten? Krankenversicherung als auch in der Rentenversi- 22218 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Dr. Heiner Geißler cherung eine sozialverantwortliche Strukturverände- nationalen Beschäftigungsplan die Bundesregierung rung vornehmen, damit man den Menschen langfri- bei der Überprüfung durch die EU-Kommission in stig Sicherheit geben kann. der Sache durchgefallen ist. Insofern können alle Ne- belkerzen, die hier zum Schluß noch geworfen wur- Die Arbeitslosigkeit ist gar nicht so sehr ein Pro- den, nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Bewer- blem des ersten Arbeitsmarktes. Da sind auch von tung der EU-Kommission für den deutschen Aktions- dieser Regierung die entsprechenden Voraussetzun- plan lautet: null Komma null. Das ergibt sich aus all gen geschaffen worden - einige Länder haben in die- dem, was von der Kommission dazu aufgeschrieben ser Richtung ebenfalls etwas getan, andere weniger. worden ist. Es sind Innovationen auf den Weg gebracht worden. Ich habe keine Zeit, das hier darzustellen. Mit den (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne Problemen werden wir fertig; davon bin ich fest über- ten der PDS) zeugt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin erstaunt, (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Das merkt man daß der deutsche Außenminister, der in einer wichti- seit 15 Jahren!) gen Frage der Vorbereitung von Cardiff umgangen worden ist, ausgebremst worden ist, hier über a lles Wir haben ein anderes Problem zu lösen, nämlich gesprochen hat, nur nicht über diese A rt der Demüti- daß es in dieser neuen Welt mit ihren modernen gung, der Entmachtung. Ich bin erstaunt, daß er Technologien für eine große Zahl von Menschen - es nicht deutlich angesprochen hat, daß er im Zusam- sind Millionen - keinen Arbeitsplatz mehr gibt. Sie menhang mit dem sogenannten Subsidiaritätsbrief sind nicht qualifiziert; sie sind minderqualifiziert; es und der Verfahrensweise nicht nur selber entmachtet handelt sich um ältere Langzeitarbeitslose. Ich bin worden ist, sondern daß auch ein Stück der Europa- aber der Meinung, daß in unserer Gesellschaft ein politik, die bisher vom Hause gemeinsam getragen noch nicht ausgeschöpftes Potential an Arbeitsplät- wurde, verändert worden ist. zen vorhanden ist, vor allem im Dienstleistungsbe- reich. Wir brauchen eine höhere Flexibilität- in bezug (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ auf Löhne, Arbeitszeit und Arbeitsbedingungen. DIE GRÜNEN) Wenn in bestimmten Branchen Löhne, die oberhalb Dazu hätte er hier eigentlich etwas sagen müssen. des Sozialhilfeniveaus liegen, nicht gezahlt werden können, dann brauchen wir eine Kombination von Stellen Sie sich doch einmal die Situation vor: Der Arbeitseinkommen und zusätzlichen staatlichen Lei- Außenminister sitzt im Kreise seiner Kollegen und stungen wie Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe. Ich wird nach dem B rief seines Bundeskanzlers zur Bür- meine hier den Kombi-Lohn. Das Problem ist weni- gernähe gefragt! Ausgerechnet seinen eigenen ger, daß die Leute solche Arbeiten nicht übernehmen Außenminister hat Herr Kohl nicht informiert. Da wollen, sondern vielmehr, daß sich die Annahme sol- muß ich sagen: Wenn nur ein Funken von Selbstre- cher Arbeiten für sie nicht lohnt. Deshalb müssen wir spekt und Normalität in dieser Bundesregierung vor- Hilfe zur Arbeit anbieten; das ist der zweite Arbeits- handen wäre, wäre unter normalen Bedingungen ein markt. Rücktritt angesagt gewesen. Die CDU hat ein Programm vorgelegt, das wir aber (Beifall bei der SPD) auf der Bundesebene bekanntlich allein nicht umset- zen können. Vielmehr können wir das nur gemein- Liebe Kolleginnen und Kollegen, daß diese Verän- sam mit den Ländern und Gemeinden tun. Ich derung der europapolitischen Linie vor dem Hinter- möchte Sie bitten - eine solche Debatte sollte ja auch grund passiert, um der Machterhaltung in der Bun- ein Ergebnis haben -: Helfen Sie mit, daß - das gilt desrepublik willen bisher auch von der CDU/CSU für das QUAS-Programm bis hin zur Frage des vertretene europapolitische Positionen zurückzudre- Kombi-Lohns - auf der Ebene der Sozialämter und hen, wird in folgendem deutlich: Helmut Kohl hatte der Arbeitsämter auch den Menschen geholfen wer- 16 Jahre Zeit, um die Probleme, die er hier auf einmal den kann, die darauf angewiesen sind, daß sie im beklagt hat, nämlich das mangelnde Prinzip der Bür- Rahmen des zweites Arbeitsmarktes einen Arbeits- gernähe oder die Frage der EU-Finanzen, sachge- platz bekommen. recht zu lösen. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - (Beifall bei der SPD) Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ Wenn ein Mann, der hundert Tage vor seiner Abwahl DIE GRÜNEN]: Was wärt ihr ohne einen steht, solche Probleme hier anspricht, dann tut er das Heiner Geißler?) nicht in der Erwartung, daß er sie selber noch lösen kann, sondern weil er in dieser Frage eine Stimmung Vizepräsidentin Michaela Geiger: Das Wort hat die gegen die Europäische Union schüren will. Er hätte, Abgeordnete Heidemarie Wieczorek-Zeul, SPD- wie gesagt, 16 Jahre Zeit gehabt, diese Probleme zu Fraktion. lösen. Daß es nicht um Problemlösung, sondern um Stim- Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD): Liebe Kollegin- mungsmache ging, wird auch aus folgendem ersicht- nen und Kollegen! Der Anlaß der Debatte von heute lich: Dieser B rief ist nie vorbereitet worden. An die morgen ist ja die Bewe rtung des Gipfels von Cardiff. Adresse der Abgeordneten von CDU/CSU und F.D.P. Deshalb bin ich außerordentlich dankbar, daß vorhin sage ich: Ich nehme Ihre Argumentation zu mehr deutlich herausgestellt wurde, daß in bezug auf den Bürgernähe in der Europäischen Union nur dann Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22219

Heidemarie Wieczorek-Zeul ernst, wenn Sie heute unserem Antrag zustimmen, genüber den europäischen Bürgerinnen und Bürgern daß es zukünftig die Möglichkeit von Volksentschei- verantwortlich ist. den und Referenden geben muß, damit sich auch die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland mit ihrer (Beifall bei der SPD) Stimme in europapolitische Grundentscheidungen Bei der Währungsunion hatte Helmut Kohl die einschalten können. politische Union gefordert. Mit den Positionen, wie er (Beifall bei der SPD) sie jetzt aufgenommen hat, um seinen Machterhalt in Deutschland zu sichern, hat er die politische Union Weil Sie Bürgernähe nicht wollen - Sie haben ja aufgegeben. Das ist eine Schande, denn er beschä- Angst vor dem Volk -, haben Sie zu Beginn der 90er digt damit sein eigenes europapolitisches Lebens- Jahre den Maastricht-Vertrag nicht mit uns einem werk. Volksentscheid unterziehen wollen. Damit haben Sie den Menschen den Eindruck vermittelt, hier würde (Beifall bei Abgeordneten der SPD) etwas übergestülpt. Sie haben den Europafrust durch Diese Koalition hat sich europapolitisch nichts die Art und Weise, wie Sie Europapolitik bet rieben mehr zu sagen. Es ist gut, einmal die Fakten zu be- haben, selber verursacht. trachten. (Beifall bei der SPD - Ul rich Heinrich [F.D.P.]: Sie reden den herbei! - Zurufe von (Bundesminister Dr. Theodor Waigel macht der CDU/CSU) Anstalten, den Saal zu verlassen) - Ich komme zu dem Punkt noch. - Bleiben Sie ruhig da, Herr Waigel! - Da in dieser ganzen Zeit nichts gemacht worden (Bundesminister Dr. Theodor Waigel: Ob ich ist, was den Bürgerinnen und Bürgern die Möglich- bleibe oder nicht, entscheide ich!) keit der Einflußnahme auch in europapolitischen Fra- Es wird eine hohe Regelungsdichte angedeutet, die gen ermöglicht hätte, geht es der Bundesregierung- abgebaut werden müsse. Liebe Kolleginnen und Kol- nach meinem Eindruck jetzt nicht um Bürgernähe, legen, ich habe einmal herausgesucht, was in 16 Jah- sondern um Wahlkampfnähe. Es ist schofel, wenn die ren Regierungszeit unter Kohl, Waigel und anderen Probleme zum Schluß einfach unerledigt bleiben. an EU-Gesetzen und EU-Initiativen mit deren (Beifall bei der SPD) Stimme beschlossen wurde - Sie können ruhig ein- mal schätzen! -: Von 1983 bis 1997 gab es 932 Richtli- Ein zweiter Punkt. sagt: großer Erfolg nien, 5340 Verordnungen - also unmittelbar gelten- in Cardiff! Jetzt zitiere ich einmal, wie dieser große des Recht - und 2272 Empfehlungen. Das 16 Jahre Erfolg im Zusammenhang mit dem Nettobeitrag lau- lang zu machen und sich dann nicht hinzustellen und tet. In den Schlußfolgerungen des Rates steht: Nach zu sagen, man habe selber etwas falsch gemacht und Auffassung einiger Mitgliedstaaten müssen die La- hätte die eine oder andere Richtlinie nicht beschlie- sten gerechter verteilt werden und muß ein Mecha- ßen sollen, sondern anschließend gegen die Rege- nismus zur Korrektur von Haushaltsungleichgewich- lungsdichte der EU zu reden, das ist scheinheilig in ten geschaffen werden, was von einigen anderen allerhöchstem Maße. Das wird auch von den Bürge- Mitgliedstaaten hingegen abgelehnt wird. - So etwas rinnen und Bürgern erkannt und deutlich gemacht. nennt Theo Waigel „Erfolg" ! Das ist auch kein Wun- der, weil bei dieser Bundesregierung keine Erfolge (Beifall bei der SPD) zu verzeichnen sind. Was ihre eigene Durchset- Im übrigen haben Herr Santer und Herr Dehaene - zungsfähigkeit anlangt, so wird sie sehr gering be- beides Christdemokraten - schon gesagt, was sie da- wertet. Das wird an diesem konkreten Text, wenn von halten: Wahlkampfgeklingel. man sich damit beschäftigt, deutlich. (Beifall bei der SPD) Das Wichtigste, was wir tun können, um dazu bei- zutragen, daß europäische Entscheidungen transpa- Ich sage noch einmal: Es hat eine grundsätzliche renter werden, ist, dafür zu sorgen, daß die Minister- Verschiebung in der Europapolitik stattgefunden. räte öffentlich tagen, wenn sie EU-Gesetze beschlie- Hinter dem Text von Chirac und Kohl verbergen sich ßen. Denn dann kann sich die Lobby nicht in dem unterschiedliche Konzepte. Daneben gibt es - Herr Maße durchsetzen, wie das in den letzten Jahren der Faltlhauser spricht ja nachher - Unterschiede zwi- Fall war. schen dem, was CDU und F.D.P. gesagt haben, und der Position der CSU. Jetzt komme ich zu Autor und Regisseur des Stücks um die Frage des Nettobeitrags. Helmut Kohl Europa wird nicht demokratischer, wenn sich das und Theo Waigel sind nämlich Autoren und Regis- durchsetzt, was sich perspektivisch abzeichnet, näm- seure in einem. Sie haben 1992 auf dem Gipfel von lich daß zukünftig allein die Zusammenarbeit der Re- Edinburgh den Beitragsregelungen zugestimmt, und gierungen besser werden soll. Besser soll sie ruhig zwar unter aktiver Mitwirkung von Helmut Kohl. In werden. Europa wird aber nicht dadurch demokrati- der Regierungszeit von Helmut Kohl - man höre! - scher, daß die Regierungsvertreter im Ministerrat haben sich die Nettobeiträge mehr als verdoppelt; sie und im Europäischen Rat unter Ausschluß der Öf- sind auf 115 Prozent gestiegen: 1987 waren es fentlichkeit kungeln. Vielmehr wird Europa dadurch 10,4 Milliarden DM und 1996 dann 22,5 Milliarden demokratischer, daß die EU-Kommission dem Euro- DM. Das macht ersichtlich, daß Kohl und Waigel Re- päischen Parlament parlamentarisch und damit ge gelungen beschlossen haben, die sie anschließend 22220 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Heidemarie Wieczorek-Zeul anderen anlasten. Also gibt es auch in diesem Be- beteiligt zu sein, dem fällt der Abbau von Subventio- reich nur Stimmungsmache und keine Lösungen. nen naturgemäß schwer. An dieser Stelle möchte ich folgendes sagen - und Das, was Theo Waigel vorgeschlagen hat, ist weiße wenn Sie, Herr Geißler, ehrlich sind, müssen Sie das Salbe, weil jeder weiß, daß es das Einstimmigkeits- einräumen -: Der Unterschied zwischen dem, was prinzip erfordert. Das haben Sie doch selbst in die jetzt von Helmut Kohl zur Frage der Nettozahler öf- Leitsätze hineingeschrieben. Wir brauchen also eine fentlich gesagt wird, und dem, was die CDU - als Regelung - unser Vorschlag beinhaltet eine solche -, Volkspartei - einmal in ihrer Seele hatte, ist deutlich. die festlegt, daß es im Rat keiner Einstimmigkeit be- Dazu will ich etwas zitieren und möchte sehen, ob darf. Mit einer solchen Regelung könnten unsere Sie dann klatschen. Ich zitiere: Vorschläge mit einfacher Mehrheit im Ministerrat durchgesetzt werden. Das geht schnell, das funktio- Ich bin strikt dagegen, daß man die gesamt- niert und beseitigt die Gerechtigkeitslücke, die darin europäische Diskussion jetzt auf das Thema besteht, daß der Agraranteil am Haushalt bei 50 Pro- „Nettozahler oder Nettoempfänger in Euro- zent liegt und die Bundesrepublik Deutschland mit pa" verengt. Europa ist doch mehr als ein einem geringen Anteil im Agrarbereich nur unterpro- Haushalt ... Was soll denn überhaupt diese portional davon profitiert. Deshalb müssen wir dieje- irrsinnige Debatte? - Beifall - In keinem nigen wirtschaftsstarken Länder in die Pflicht neh- Haushaltsposten, auch nicht im EU-Haus- men, die selbst einen hohen Agraranteil haben und halt, wird die einzig relevante Zahl ausge- entsprechend überproportional profitieren. Wer die- wiesen. Ich stelle einfach die Frage: Was sen Zusammenhang aber nicht anspricht und nicht in kostet eine Stunde Frieden? die Diskussion einbezieht, der zeigt, daß es ihm, wie (Armin Laschet [CDU/CSU]: So etwas hätte gesagt, nur um Stimmung und nicht um Lösungen man gern einmal von Schröder gehört!) geht. Das hat Jean-Claude Juncker auf dem CDU-Par- Diese Regierung steht eigentlich - das ist auch auf teitag gesagt, und an dieser Stelle gab- es Beifall. dem Kirchentag sehr deutlich geworden - für einen Sie sollten nur die EU nicht wegen angeblich zu Verlust von Werten und für Entsolidarisierung. Ich hoher Nettobeitragsleistungen der Bundesrepublik möchte dringend davor warnen, daß das Projekt der Deutschland angreifen; vielmehr sollten Sie einmal Europäischen Union, das für uns alle wichtig, wert- deutlich sagen, daß das Geld, das die Bundesrepu- voll und auch in unserem eigenen nationalen Inter- blik in diesen Bereich investiert, sowohl unter dem esse ist, durch eine dera rtige entsolidarisierende Gesichtspunkt einer friedenspolitischen Perspektive Wahlkampfpolitik, wie Helmut Kohl und andere sie als auch dem der Schaffung von Arbeitsplätzen sinn- in der aktuellen Situation betreiben, beschädigt wird. voll angelegt ist. Das Projekt Europa müssen wir bewahren, weiterent- wickeln und reformieren. Sie sind dazu nicht mehr (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne imstande. ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne Sagen Sie das sehr deutlich! ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - (Zurufe von der CDU/CSU) Armin Laschet [CDU/CSU]: O Gott!) - Heute morgen ist hier ja noch ein gewisser Anstand praktiziert worden. Aber Joschka Fischer hat doch Vizepräsidentin Michaela Geiger: Ich erteile das recht, wenn er sagt: Das, was von Cardiff rüberkam, Wort dem Staatsminister des Freistaates Bayern, Pro- war: I want my money back. - Das ist eine schändli- fessor Dr. Kurt Faltlhauser. che Art und Weise, mit den Prinzipien der Europäi- schen Union umzugehen. Staatsminister Dr. Kurt Faltlhauser (Bayern): Frau (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Bundes- kanzler hat in seiner Regierungserklärung ausdrück- Ich möchte etwas zu den Perspektiven der Finan- lich betont - ich zitiere -: Es gilt, die Kompetenzen zierung sagen. Jeder von Ihnen weiß: Wer die EU-Fi- der Europäischen Union klarer ... gegenüber den nanzen grundlegend in Ordnung bringen und refor- kommunalen, regionalen ... und nationalen Zustän- mieren will - wir werden diejenigen sein, die das tun müssen; denn die Probleme, die Sie nicht gelöst ha- digkeiten abzugrenzen ben, werden von uns gelöst werden müssen; Helmut und eine konsequentere Beachtung des Subsidiari- Kohl hat ständig von Oktober und von März nächsten tätsprinzips zu gewährleisten. Damit hat der Bundes- Jahres gesprochen; er muß sich keine Sorgen mehr kanzler nochmals die klaren Worte aus seinem ge- machen, er wird die Probleme nicht mehr lösen müs- meinsamen Schreiben mit dem französischen Präsi- sen; er hat die Probleme vor die Füße der neuen so- denten Jacques Chirac an den Präsidenten des Euro- zialdemokratischen Regierung gelegt, wie übrigens päischen Rates vom 5. Juni aufgegriffen. Für diese alle Probleme in unserem Land; deshalb verhalten klare Position kann man dem Bundeskanzler nur aus- Sie sich nach dem Motto: nach uns die Sintflut -, der drücklich danken. So klar wurde dies noch nie ge- muß die Reform der Agrarpolitik anpacken und der sagt. Es ist gut, daß das in der heutigen Regierungs- muß auch die Mitgliedstaaten stärker in die Finanzie- erklärung noch einmal unterstrichen worden ist. rung der EU einbeziehen. Wer Subventionen nur empfängt, ohne entsprechend an ihrer Finanzierung (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22221 Staatsminister Dr. Kurt Faltlhauser (Bayern) Ich halte den gemeinsamen B rief des Präsidenten Der Bundeskanzler weiß, daß sich die Länderver- der Französischen Republik und des Bundeskanzlers treter - ich war einer der Ländervertreter bei den Ver- vor allem deshalb für ein bedeutendes Dokument, handlungen über den Vertrag von Amsterdam - be- weil Frankreich diese Haltung vor einigen Jahren sonders um das sogenannte Subsidiaritätsprotokoll noch nicht hatte. Daß die beiden großen Länder in bemüht haben. Nicht umsonst hat der Bundeskanzler dieser Frage im gleichen Boot sitzen, halte ich für be- in seiner Regierungserklärung den wichtigen A rt. 5 deutsam. Es wäre wünschenswert gewesen, wenn des Amsterdamer Vertrages hervorgehoben. Wenn in Sie sich, Herr Fraktionsvorsitzender Scharping und Brüssel tatsächlich auf der Basis des Subsidiaritäts- Frau Wieczorek-Zeul, mehr mit dem Inhalt dieses protokolls gearbeitet würde, dann gäbe es tatsächlich Briefes auseinandergesetzt hätten und weniger mit mehr Bürgernähe, und das politische Handeln in Eu- der Art und Weise seines Zustandekommens. Tun Sie ropa wäre demokratisch mehr legitimie rt. Ich stelle das doch einmal und kümmern Sie sich nicht um ir- aber bei Gesprächen und in der konkreten Arbeit auf gendwelche Randerscheinungen! europäischer Ebene bis heute fest, daß Brüssel für dieses Thema immer noch nicht ausreichend sensibi- Herr Scharping, Sie haben in Ihrer Rede wiederholt lisiert ist. von den Bürgern und von Bürgernähe geredet; gleichzeitig haben Sie sich über bayerische Bierzelte Ich will nicht auf die vielen einzelnen Beispiele ge- lustig gemacht. radezu absurder Regelungswut abstellen, von der (Rudolf Scharping [SPD]: Nicht über bayeri Badegewässerrichtlinie über die Baustellenrichtlinie sche Bierzelte, sondern über die Reden, die und die Kälberhaltungsrichtlinie bis hin zur Fischge- Sie da halten!) wässerrichtlinie, die, wenn man sie sich genauer an- sieht oder sie gar laut vorliest, nur Gelächter hervor- Ich kann Ihnen nur sagen: In diesen Bierzelten sitzen rufen. Ich will auf die permanente flagrante Auswei- die Bürger, von denen Sie reden. Sie klatschen uns tung der Zuständigkeit Brüssels abstellen. Da ist als Beifall und nicht Ihren bayerischen Genossen. erster Punkt die ständige extensive Interpretation der Inhalte der ersten Säule des EU-Vertrages zu nen- - (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) nen. Zweitens ist eine Ausweitung unter ver- Herr Fischer hat - er ist gerade nicht da, vielleicht schleiernden Begriffen wie etwa „Europäisches Ge- könnten Sie das Ihrem Vorsprecher mitteilen - die sellschaftsmodell " festzustellen. Vor allem aber ist Behauptung aufgestellt, daß Bayern die Osterweite- bei der Kommission eine konsequente Strategie rung nicht will. Das Gegenteil ist richtig; wir können eigenständiger Ausdehnung der Zuständigkeiten es beweisen. der Kommission zu beobachten. Zwei Beispiele: (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Osterwei Erstens. Ausweitung der Kulturpolitik. Da gibt es terung Bayerns!) ein Bildungsprogramm unter der Überschrift „Für ein Europa des Wissens", das konsequent und nachweis- Vor zwei Jahren haben wir bereits ein umfangreiches bar über die Art. 126 und 127 hinausgeht. Da gibt es Memorandum zur Agrarpolitik in Europa erstellt. Die eine erst kürzlich vorgelegte „Mitteilung der Korn- Reform der Agrarpolitik ist eine Voraussetzung der mission über die Lehrerausbildung mit dem Ziel der Osterweiterung. Vor eineinhalb Jahren haben wir ein Schaffung eines einheitlichen europäischen Rechts- umfangreiches Memorandum zur Strukturpolitik in rahmens zur Lehrerausbildung" . Es reicht mir ja Europa vorgelegt - auch eine Voraussetzung für die schon, wenn der niedersächsische Ministerpräsident Osterweiterung. Weiterhin haben wir viele Vor- einen Bundeskultusminister haben will. Wenn man schläge dazu gemacht, wie man die Osterweiterung jetzt auch noch die Zuständigkeit für die Lehreraus- wirklich realisieren kann. bildung in Brüssel haben will, dann ist es aus mit der (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Zu Tsche föderalen Struktur in unserem Lande. Ich kann nur chien haben Sie etwas gesagt!) sagen: Diesen Tendenzen muß man energisch entge- gentreten. Ich frage Sie: Wo sind denn in dieser Zeit die Vor- schläge aus den sogenannten A-Ländern geblieben? Ein zweites Beispiel. Die Mitteilung der Kommis- Sie sind ja auch bei dieser wichtigen Aussprache hier sion über Leistungen der sogenannten Daseinsvor- so außergewöhnlich präsent. Das dokumentiert ihr sorge, wonach die Förderung von gemeinwohlorien- wirkliches Interesse an Europa. Das sieht man hier tierten Leistungen künftig zu den Aufgaben der EU wieder; ich stelle es auch in allen Konferenzen fest. zählen soll, wurde im September 1996 vorgelegt. Dazu wäre eine Änderung des Vertrages notwendig. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Was ist mit Daseinsvorsorge gemeint? Energie- und Sie tun nichts - wir machen die Arbeit. Europa ist Wasserversorgung, Rundfunk, Medien, Telekommu- nicht nur eine Frage des verbalen Wolkenschiebens, nikation, Verkehr, Wohnungen, öffentliche Schulen, sondern bedarf eben harter Arbeit. Ich kann Sie, Justiz, Bildung, Kindergarten, Kultur, Gesundheit? Herr Kollege Scharping und Herr Kollege Fischer, Das wäre der Startschuß für eine Allzuständigkeit Brüssels. Aus meiner Sicht sollte man eine derartige (Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ Ausdehnung der Zuständigkeit vernünftigerweise DIE GRÜNEN]: Ich habe es mitgeschrieben! nicht durchführen. Ich richte es ihm aus!) Wenn aber die Sensibilität in Brüssel nicht sehr nur auffordern, daran mitzuwirken. Europa verdient ausgeprägt ist, müssen wir uns in den nächsten vier diese Arbeit. bis fünf Jahren fragen, ob das Subsidiaritätsprotokoll 22222 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Staatsminister Dr. Kurt Faltlhauser (Bayern) ausreicht. Ich habe festgestellt, daß der außenpoliti- Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister für Wirtschaft: sche Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Herr Kollege Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir ha- Lamers, vorgeschlagen hat, ein Dokument über eine ben die Debatte über Cardiff und Europa bewußt mit klare Kompetenzverteilung zu erstellen, weil die Zu- der Debatte über die Globalisierung und speziell ständigkeitsaufteilung nach Subsidiaritätsgesichts- über die Antworten, die wir auf die Herausforderun- punkten in der Praxis nicht funktioniert. Ich finde gen der Globalisierung zu geben haben, verbunden. diesen Vorschlag sehr positiv. Wir haben diesen Es ist gut, daß es zwischen diesen Punkten eine Ver- Schritt bisher gescheut, Frau Wieczorek-Zeul, weil bindung gibt, denn Europa und die europäische Inte- wir keine Verfassungsdebatte haben wollten. Aber gration sind ein Stück Globalisierung und gleichzei- wir sollten versuchen - ob wir nun von Verfassungs- tig ein Stück Antwort auf die Globalisierung. debatte oder von Diskussion über ein Dokument oder Wenn wir über Globalisierung sprechen - das über eine Charta sprechen -, eine konkrete Auftei- möchte ich an dieser Stelle tun, nach einer langen lung der Zuständigkeiten zu erreichen, denn die Debatte, in der es immer wieder einen Schlagab- Zielvorstellung lohnt. tausch zu den aktuellen Themen gegeben hat -, Wir brauchen ein bürgernahes und deshalb konse- dann muß zunächst klar sein: Globalisierung erreicht quenterweise ein subsidiär gestaltetes Europa. Wir jeden Arbeitsplatz und jeden Menschen. Wenn wir müssen den großen Zusammenhang sehen: Zum Bei- auf die Globalisierung Anworten geben wollen und spiel sind die Finanzfragen, die in Cardiff so bedeut- sollen, sind das also Antworten, die viele Bereiche sam waren, auch im Zusammenhang mit der Subsi- des Lebens betreffen: die Sozialpolitik, die Umwelt- diarität zu sehen. Wenn wir nicht eine gerechte fi- politik, Sicherheitsfragen, Fragen der Freizügigkeit nanzielle Lastenverteilung erreichen, werden wir und das Leben jedes einzelnen insgesamt. Aber am auch nie eine Begeisterung für die an der Subsidiari- gravierendsten ist die Arbeitswelt durch die Global- tät orientierte Aufgabenverteilung bekommen. Erst isierung betroffen. Hier müssen wir die Antworten wenn man für die Zentralisierung selber zahlen muß, geben, die die Menschen wollen; denn sie haben zu- wird man auf die Probleme aufmerksam - vorher nehmend Ängste und spüren, daß ihre Welt und ihr - nicht. Arbeitsplatz mittelbar oder unmittelbar von der Glo- balisierung, der neuen Konkurrenz, dem Wettbewerb Wir brauchen auch eine Aufgabenverteilung nach erreicht werden. dem Subsidiaritätsprinzip, weil wir nur damit das er- Wir sind gefragt worden: Was sind eure Antworten reichen können, was ein größer werdendes Europa auf die Globalisierung? - Da kann ich für die Bundes- dringend braucht, nämlich die zunehmende Umstel- regierung nur sagen: Wirtschaftspolitik am Ende die- lung auf Mehrheitsbeschlüsse. Wer die gegenwär- ses Jahrhunderts, an der Schwelle zum 21. Jahrhun- tige Situation ändern will, muß natürlich auch die Be- dert, bedeutet im Zeichen der Globalisierung dreier- reitschaft zu Mehrheitsbeschlüssen fördern. Ein in al- lei. Sie bedeutet erstens die Integration unserer len Bereichen zuständiges Brüssel wird aber diese Wirtschaft, der großen und vor allem auch der klei- Bereitschaft mit Sicherheit nicht steigern. nen und mittleren Unternehmen, in die Weltwirt- Nicht zuletzt brauchen wir die subsidiäre Gestal- schaft. Dafür müssen wir konkrete Politik machen tung, weil dadurch ein vitales Interesse an der demo- und einen konkreten Rahmen schaffen. kratischen Legitimation aufrechterhalten wird. Die Sie bedeutet zweitens, daß wir unser Land im Inne- dort droben in Brüssel kennt keiner, und die wählt ren durch Reformen fit machen müssen, damit wir keiner. Wir müssen möglichst viele Aufgaben denen bei der Globalisierung mithalten können, damit wir übertragen, die gewählt und dadurch legitimie rt wur- dem neuen Wettbewerb standhalten können. Das ist den. die Reformpolitik, die jeden Tag unter den Über- schriften Steuerpolitik, Reform der Sozialsysteme, Meine Damen und Herren, der Bundeskanzler hat Deregulierung, Privatisierung und Bildungspolitik bisher die europäische Integration - wie ich meine: diskutiert wird. weitsichtig - wesentlich geprägt. Heute hat er Leitli- nien für die nächsten Jahre vorgelegt, die für mich ei- (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne nen Schluß nahelegen: Dieser Mann muß mit seiner ten der CDU/CSU) Mehrheit auch in der Zukunft die europäischen Ge- Das ist eine Antwort auf die Globalisierung. schicke steuern und verantworten. Dann gibt es noch einen dritten Bereich. Wir kön- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - nen mit den Folgen der Globalisierung für die Ar- Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Einmüti beitsmärkte nur dann fertig werden, wenn wir neue ges Lob der Bayerischen Staatsregierung! Beschäftigungsfelder erschließen. Fazit: Wir müssen Das ist aber selten!) erstens in die Weltwirtschaft integrieren, zweitens Reformen machen und drittens neue Beschäftigungs- felder erschließen. Vizepräsidentin Michaela Geiger: Ich erteile das Wort dem Bundeswirtschaftsminister Dr. Günter Rex- Über Reformen und Integration der Unternehmen rodt. in die Weltwirtschaft ist viel gesprochen worden, auch heute. Wir kennen die Argumente. Ich will (Dr. Barbara Hend ricks [SPD]: Die Minister diese beiden Punkte jetzt einmal außen vor lassen. wollen alle ihre Abschiedsrede halten, so ist Aus unserer Sicht ist es dringend erforderlich, daß das heute nun mal!) wir die Lohnnebenkosten und die Abgaben senken Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22223

Bundesminister Dr. Günter Rexrodt sowie überflüssige Regelungen abschaffen. Ich will Viele der Länder - die Tigerstaaten, Korea und an- diese Punkte, obwohl sie bei den Antworten auf die dere -, die in den letzten Monaten in Schwierigkeiten Globalisierung ein Kernstück sind, bewußt hintan- geraten waren, haben sich auf einen guten Weg be- stellen und, weil das in diesem Hause weniger ge- geben, indem sie endlich die Reformen durchsetzen, schieht, das Thema „neue Beschäftigungsfelder" die dort gebraucht werden, und zwar eine sinnvolle aufgreifen. Überwachung des Finanzsystems, die Herstellung klarer Strukturen und eine Trennung von Staat und Hier macht die Bundesregierung eine Politik, die Wirtschaft über das hinaus, was es do rt bisher gab. konsequent darauf gerichtet ist, im Dienstleistungs- bereich zu neuen Unternehmensgründungen und Es gibt aber in Asien - wir sprechen über Global- neuen Beschäftigungsverhältnissen zu kommen. isierung - einen Giganten, den wir angesichts der Wenn wir uns die Entwicklung der Beschäftigung an- Wachstumsraten in den Tigerstaaten, die uns geblen- sehen, stellen wir fest, daß diese seit 1960 in der In- det haben, ein Stück aus den Augen verloren hatten. dustrie fast linear zurückgegangen und im Dienstlei- Dieser Gigant ist Japan. Japan muß seine Probleme stungsbereich fast linear gestiegen ist. 75 Prozent der lösen. Dies sind Probleme, die darin bestehen, daß Erwerbstätigen in Deutschland üben heute eine sich das Land nicht genügend geöffnet hat, daß das dienstleistende Tätigkeit aus. Deshalb ist es Aufgabe Finanzsystem seit zehn Jahren seine notwendigen auch und gerade der Politik, dafür Freiräume zu Strukturreformen vor sich herschiebt und daß das schaffen. Land nie wie wir in Europa eine Reformpolitik im Sinne einer Anpassung der Steuersysteme und der Deshalb unternehmen wir enorme Anstrengungen, Sozialsysteme betrieben hat. um die Weichen dafür zu stellen, daß im Informati- ons- und Kommunikationsbereich neue Beschäfti- Zu den notwendigen Antworten gehört auch, daß gungsfelder entstehen und daß das Handwerk und wir den Menschen, die nach den Wirkungen der Glo- auch die freien Berufe ihre Beschäftigungsmöglich- balisierung in unserem Lande fragen, sagen, welche keiten behalten. Da gibt es neue Bereiche, zum Bei- Gefahren und welche Chancen von der asiatischen spiel Immobilien- und Gebäudemanagement, Pflege- Entwicklung im Hinblick auf Europa und Deutsch- dienste, Pflege des Menschen, aber auch Pflege von land ausgehen. Einrichtungen, von Infrastruktur. Der Tourismus spielt eine Rolle. (Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.]: Richtig!) Neun von zehn Unternehmensgründungen sind Die krisenhafte Entwicklung do rt ist ernst und noch heutzutage Unternehmensgründungen im Dienstlei- nicht zu Ende. Wir können sie aber, wenn wir in Soli- stungsbereich. Das sind Mosaiksteine, aber auch darität mit den großen internationalen Einrichtungen Bausteine dafür, daß wir mit den Herausforderungen und in Solidarität mit anderen Industrienationen - der Globalisierung in unserem Lande, die jeden Ar- auch mit unseren europäischen Pa rtnern - darauf beitsplatz erreichen, fertig werden. hinwirken, daß dort die notwendigen Anpassungen vorgenommen werden, in den Griff bekommen. Gott sei Dank ist in diesem Land wieder Gründer- Auch das ist eine Antwort, die die Menschen erwar- zeit. Auch das ist ein Kennzeichen der Globalisie- ten. Sie kann nicht mit letzter Gewißheit gegeben rung. Die neue Gesellschaft, die neue Arbeitswelt werden, aber sie muß im Zusammenhang mit der wird eine Arbeitswelt sein, die von sehr viel mehr Globalisierung gegeben werden. Selbständigkeit geprägt ist als die heutige. In dieser durch Selbständigkeit und Selbstverantwortung ge- (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.) prägten Gesellschaft müssen bestimmte Bedingun- Ich will soviel sagen: Die Menschen erwarten von gen und Voraussetzungen erfüllt werden, und zwar der Politik, von uns in diesem Hause, daß wir ihnen unter anderem der Übergang von einer Fremdfinan- ihre Ängste nehmen und daß wir ihnen die Probleme, zierungskultur zu einer Selbstfinanzierungskultur. die im Rahmen der weltweiten Konkurrenz entstan- Auch da hat die Bundesregierung Akzente gesetzt. den sind, erklären. Das können wir nicht, wenn wir Ich will noch einen Aspekt aufgreifen, der für die in der Tagespolitik jedesmal neu einen Schlagab- Menschen im Zusammenhang mit der Globalisierung tausch bezüglich der Steuerreform, der Sozialpolitik eine Rolle spielt. Die Menschen verfolgen, ohne sie und was auch immer vornehmen. Das gehört zwar immer genau zu verstehen, die krisenhaften Erschei- hierher, aber die Menschen erwarten von uns, daß nungen und Turbulenzen in Asien. Sie wollen von wir mehr sagen können zu dem, was sie umtreibt. der Politik auch darauf Antworten haben; denn das, Die Bundesregierung tut das durch ihre Antworten was dort passiert, ist Bestandteil dieser Welt und des und durch ihre praktische Politik. Globalisierungsprozesses. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) In der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit will ich folgendes dazu sagen: Wir befinden uns in der Vizepräsidentin Michaela Geiger: Liebe Kollegin- Weltwirtschaft - insbesondere in den Vereinigten nen und Kollegen, zur Geschäftslage darf ich Ihnen Staaten, aber auch in Europa - in einer überaus gün- mitteilen, daß wir jetzt noch drei Rednerinnen und stigen Entwicklung. Von Asien sind jedoch auch ne- Redner haben. Dann kommen wir zu den Abstim- gative Einwirkungen auf Europa und Amerika zu be- mungen. fürchten. Ich sage aber - dies ist eine Antwort auf die von den Menschen gestellten Fragen -: Die Pro- Ich erteile jetzt das Wort der Abgeordneten Dr. Elke bleme, die wir dort erkennen, sind eindämmbar. Leonhard, SPD-Fraktion. 22224 Deutscher Bundestag - . 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Dr. Elke Leonhard (SPD): Frau Präsidentin! Liebe fehlte Wirtschaftspolitik der Bundesregierung gewor- Kolleginnen und Kollegen! Seit dem Ende des kalten den ist. Das niedrige Niveau der Binnennachfrage Krieges vor zehn Jahren ist die Globalisierung ein spricht eine beredte Sprache. Ohne die Exporterfolge Thema in Wissenschaft und Wirtschaft, ja auch schon der deutschen Wirtschaft stünde die Bilanz der Re- in der Literatur. Aber die Antwort der Bundesregie- gierung am Ende der Ära Kohl noch mehr in den ro- rung auf die Große Anfrage der SPD-Fraktion, die ten Zahlen. Doch lassen wir uns hier nicht täuschen: wir heute diskutieren, ernüchtert in zentralen Punk- Auf den ersten Blick vermitteln die positiven Zahlen ten einmal mehr. Sie sagt wenig, zu wenig über Mög- im Ausfuhrbereich den Eindruck, wenigstens hier sei lichkeiten einer aktiven Gestaltung der deutschen die Welt noch in Ordnung. Die Statistik scheint die Außenwirtschaftspolitik. Sie sagt wenig, zu wenig Stärke deutscher Unternehmen im Ausland zu be- darüber, wie die Chancen der Globalisierung ge- weisen. Aber bei genauer Betrachtung ist unüber- nutzt werden können. sehbar, daß sich auch hier die Probleme der Binnen- wirtschaft widerspiegeln. Bei eingehender Analyse Lassen Sie mich einen Aspekt vorwegnehmen, auf der Ursachen begegnen wir denselben Mängeln und den ich in meinen Ausführungen noch zurückkom- Versäumnissen, die für die Binnennachfrage be- men werde: Es gibt kein wirkungsvolleres Instru- zeichnend sind. Der Überschuß der Handelsbilanz mentarium zur Gewinnung von Direktinvestitionen beruht im wesentlichen auf dem konjunkturellen Ge- als einen effektiven auswärtigen Dienst. Verehrte fälle zwischen den boomenden Ökonomien der wich- Kolleginnen und Kollegen, der ruinöse Umgang mit tigsten Handelspartner in Nordamerika und der dem Netz unserer weltweit agierenden Auslandsver- Europäischen Union und einer wirtschaftlich kran- tretungen ist ein Skandal. kenden Bundesrepublik. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Dies sind Fakten, die der Antwort der Bundesre- gierung auf unsere Große Anfrage deutlich zu ent- Wer Top-Botschafter zum Grüßaugust an Flughäfen nehmen sind. Ebenso deutlich werden trotz aller Ver- degradiert, sie aber zu den entscheidenden Gesprä- suche, in rosaroten Farben zu malen, die strukturel- chen mit den Präsidenten draußen vor der Tür läßt, len Probleme des deutschen Außenhandels. Es sind mag eigenes, freilich degene riertes Machtgebaren im übrigen die gleichen Probleme, die uns aus der befriedigen. Direktinvestitionen und damit den Inter- Binnenwirtschaft leider nur allzu bekannt sind. Tra- essen unserer Bürger dient er auf keinen Fall. ditionell liegt die Stärke in den kapitalintensiven, am (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Elisa- Weltmarkt orientierten Branchen, die seit langem die beth Altmann [Pommelsbrunn] [BÜND- Zeichen der Zeit erkannt haben. Sie brauchen dazu NIS 90/DIE GRÜNEN]) nicht den Staat. Der höhere auswärtige Dienst als eine der tragen- Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, die den Säulen unseres Erscheinungsbildes im Ausland Bundesregierung selber aber weist auf die Problem- wird abgewrackt und ausgedörrt. Wer beispielsweise kinder hin: den Dienstleistungsbereich, die Konsum- nur noch sieben Anwärter im Jahr in die Attachéaus- güterindustrie und die ostdeutsche Wi rtschaft. Auf bildung aufnimmt, handelt Schlichtweg unverant- einen Nenner gebracht heißt das: Gerade do rt, wo wortlich. Arbeitsplätze geschaffen werden könnten und ge- schaffen werden müssen, ist die deutsche Wi rtschaft (Beifall bei Abgeordneten der SPD) unterrepräsentiert. Man muß wissen, daß der Unterbau, der anderen Mi- nisterien durch die Länder zugute kommt, hier fehlt. Einen Schritt weiter in der Analyse stößt man auf die eigentlichen Probleme - sie wurden heute mor- An dieser Stelle lassen Sie mich den Mitarbeiterin- gen oft strapaziert -: Hohe Lohnnebenkosten und nen und Mitarbeitern des auswärtigen Dienstes un- die Produktivitätslücke im Osten machen arbeitsin- seren Dank aussprechen. Trotz widriger Umstände tensive Produkte im Ausland zu teuer und erhöhen und schwieriger Bedingungen vollbringen sie Tag zugleich die Attraktivität von Impo rten. für Tag gute Leistungen. Dafür gebührt ihnen unser Respekt. Bezieht man in diese Problemlage den Bereich der Direktinvestitionen ein, dann erkennt man ein weite- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- res gravierendes Manko: die mangelnde Transparenz ten der CDU/CSU und des Abg. Dr. Helmut der Unternehmensbesteuerung. Ich frage: Welcher Haussmann [F.D.P.]) Investor traut sich in diesen Dschungel von zahllosen Verehrte Kolleginnen und Kollegen, gewiß, die Einzelregelungen, Korrekturgesetzen und ausle- Antwort der Bundesregierung ignoriert keineswegs gungsbedürftigen Verordnungen? sämtliche Fakten. Es wäre zu billig, das zu behaup- ten. Sie geht in der Tat zum Teil auf diese Fakten ein, (Beifall bei Abgeordneten der SPD) zum großen Teil aber an ihnen vorbei. Im Ergebnis ist die Antwort der Bundesregierung wenig hilfreich, Wenn es zutrifft, daß Absatzchancen, Kosten und weil sie vor Schönfärberei nur so strotzt. Steuerbelastung für Direktinvestitionen entschei- dend sind, dann ist die Bilanz für Deutschland er- Tatsache ist, daß der Außenhandel traditionell eine schreckend: fehlende Absatzchancen wegen lah- Stütze der deutschen Wi rtschaft ist. Tatsache ist aber mender Binnennachfrage - wir haben dies oft ange- auch, daß der Export inzwischen nicht mehr die sprochen -, zu hohe Lohnnebenkosten, ein undurch- Stütze, sondern der letzte Rettungsanker für die ver- dringliches Dickicht der Unternehmensbesteuerung. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22225

Dr. Elke Leonhard Das alles zusammen ist der Todesstoß für jede Direkt- onspolitik betreiben, ganz erheblich von den Erwar- investition. tungen mittelständischer und kleiner Firmen, die ei- nen deutlich höheren Beratungsbedarf haben. Mangelnde Reformbereitschaft und fehlende Visio- nen einer von Koalitionsstreitigkeiten und partiellen Es darf - dies ist ein weiterer Ansatzpunkt - außer- Rücksichtnahmen gekennzeichneten Wirtschafts- dem nicht übersehen werden, daß weder unsere Aus- politik der Bundesregierung sind zu einem Standort- landsvertretungen noch unsere Außenhandelskam- risiko allererster Ordnung geworden, das dringend mern in nennenswertem Umfang für ausländische der Abhilfe bedarf. Investitionen in Deutschland werben. Ein wichtiger Grund ist, daß unsere Vertretungen weder über die Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, was dafür nötige Zahl von Mitarbeitern oder entsprechen- ist zu tun, um der Globalisierung als dem Rechnung des Informationsmaterial noch über die dazu erfor- zu tragen, was sie eigentlich ist, als nüchterner öko- derlichen Mittel verfügen. nomischer Tatsache, nicht als Schicksalsschlag oder als wohlfeiler Ausflucht für wi rtschaftspolitische In- Wirkungslos und daher kein Ersatz sind Hoch- kompetenz? glanzbroschüren über Land und Leute, die vom Bun- deswirtschaftsministerium und von den Ländermi- Die Außenwirtschaftsförderung, verehrter Herr nisterien, schlimmstenfalls auch noch ausschließlich Außenminister, kann sich, so fürchte ich, solche in deutscher Sprache, unters Volk gebracht werden. Nummern wie die kürzlich vollzogene Veranstaltung mit zirka 100 Botschaften befreundeter Länder im- Setzen wir endlich das lange vorgesehene Control- Werk eines Flugzeugherstellers nicht leisten. Das ling im Auswärtigen Dienst um! Reformieren wir wirkte abschreckend hilflos. Mein Rat an den Chef- endlich den auswärtigen Dienst und geben dabei der verkäufer: Man fliegt mit Topmaschinen und nicht Außenwirtschaft den Stellenwert, der ihr zukommt! mit der ältesten aller Mühlen, die beim Sta rt dreimal Verehrte Kolleginnen und Kollegen, der Schlüssel Anlauf nehmen muß und bei der Ankunft auf den für die zahlreichen kleinen und mittleren Unterneh- Flughäfen der Welt in erster Linie dadurch auffällt, men unseres Landes - darauf kommt es an - daß, wenn der rote Teppich bereits ausgerollt ist und das Orchester zur Hymne ansetzt, die Türen klem- men. Das ist symptomatisch für diese Bundesrepu- Vizepräsidentin Michaela Geiger: Frau Abgeord- blik. nete, Sie haben Ihre Redezeit weit überschritten. Wer die deutsche Außenwirtschaft wirklich fördern Dr. Elke Leonhard (SPD): - eine Sekunde -, die das will, der muß in vier Bereichen endlich aktiv werden: Rückgrat unserer Wirtschaft bilden und damit für erstens Schaffung attraktiver und transparenter Rah- mehr Ausbildungs- und Arbeitsplätze sorgen, liegt in menbedingungen am Standort Deutschland, zwei- der gezielten Förderung durch unsere Auslandsver- tens Verankerung von verläßlichen Regeln für den tretungen. Mein Appell: Ziehen wir endlich die Kon- Austausch von Waren und Dienstleistungen in Eu- sequenzen und stoppen wir den Aderlaß in Form des ropa und weltweit, drittens gezielte Förderung der Personalabbaus im auswärtigen Dienst. Präsenz von Unternehmen, die in Deutschland pro- duzieren, auf dem Weltmarkt und viertens - ich hatte Ich danke Ihnen. es zu Beginn angesprochen und komme nun darauf (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne zurück - die Reform des auswärtigen Dienstes mit ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN dem Ziel, die Außenwirtschaft zur tragenden Säule und der PDS) zu machen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, von herausra- Vizepräsidentin Michaela Geiger: Liebe Kollegin- gender, meist aber unterschätzter und oft übersehe- nen und Kollegen, ich bitte Sie Platz zu nehmen; ner Bedeutung sind ganz zweifellos die effektive denn es folgen noch zwei Redner, so daß es noch et- Nutzung und die Vernetzung bestehender Struktu- was dauern wird, bis wir zur Abstimmung kommen. ren, die dringend verbesserungsbedürftig sind. Ich denke nicht zuletzt an die enge Zusammenarbeit Ich erteile jetzt das Wort dem Abgeordneten Carl zwischen Botschaft, Generalkonsulat, Außenhan- Ludwig Thiele, F.D.P.-Fraktion. delskammer und BFAI vor O rt. Über eine Neuord- nung und Effektivitätssteigerung muß ernsthaft Carl-Ludwig Thiele (F.D.P.): Sehr geehrte Frau Prä- nachgedacht werden. Ziel ist eine wirkungsvolle Ko- sidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! ordination von Wirtschaftsberichterstattung und Be- Wir stimmen gleich namentlich über einen Antrag ratung export- oder investitionswilliger Unterneh- der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ab. Dieser An- men, eine verbesserte Kommunikation mit ausländi- trag steht heute auf der Tagesordnung des Deut- schen Unternehmen und ein optimierter Austausch schen Bundestages, weil die Fraktion Bündnis 90/Die mit deutschen Firmen vor O rt. Grünen dies so gewollt hat. Er und die anderen An- träge der Grünen tragen die Unterschrift des Frak- Doch es sei an dieser Stelle auch vor Patentrezep- tionsvorsitzenden Joseph Fischer. Beide sind von die- ten nach dem Vorbild von Unternehmensberatungen ser Fraktion und diesem Fraktionsvorsitzenden im gewarnt, die mit immer gleichen Konzepten nur Deutschen Bundestag eingebracht worden. scheinbar gleiche Probleme lösen wollen. So unter- scheiden sich die Ansprüche von Großkonzernen, die (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ eigene Marktforschung, Akquisition und Investiti- DIE GRÜNEN]: Sehr gut!) 22226 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Carl-Ludwig Thiele Die Koalitionsfraktionen beantragen, um der Öf- nicht erheben würden, wenn sie die Möglichkeit ei- fentlichkeit zu verdeutlichen, um was es geht, über ner Regierungsbeteiligung in unserem Land hätten. den Antrag der Grünen auf Drucksache 13/3555 Ein- (Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: stieg in eine ökologisch-soziale Steuerreform - na- mentlich abzustimmen. Ah! Ah!) Gerade Sie, Herr Fischer, haben doch diesen An- Die Partei Bündnis 90/Die Grünen hat auf ihrem trag unterschrieben, und gerade Sie, Herr Fischer, Magdeburger Parteitag unter anderem den Beschluß haben doch diesen Antrag im Deutschen Bundestag gefaßt, den Benzinpreis auf 5 DM pro Liter in zehn eingebracht, und gerade Sie, Herr Fischer, drängen Jahren zu erhöhen. Da das als „soziale Keule" - so doch darauf, daß dieser Beschluß heute im Deut- Frau Röstel - wirkte und die „soziale Enteignungs- schen Bundestag diskutiert wird, und gerade Sie, botschaft" - so Fraktionsvorsitzender Fischer - nicht Herr Fischer, werden doch in der Öffentlichkeit als mehr auftauchen darf, wurde der Beschluß auf dem der große Zampano der Grünen wahrgenommen, kleinen Parteitag der Grünen verschwiegen. (Joseph Fischer [Frankfu rt] [BÜNDNIS 90/ In diesem Antrag, über den wir heute abstimmen, DIE GRÜNEN]: Nur kein Neid!) sind unter anderem folgende Forderungen enthalten: Verdoppelung des Benzinpreises in Deutschland in- und gerade Sie, Herr Fischer, wollen doch Ihre Vor- nerhalb von vier Jahren, 5 DM pro Liter Benzin in stellungen in Regierungspolitik umsetzen. zehn Jahren, nationaler Alleingang beim Einstieg in - (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ eine CO2-/Energiesteuer, DIE GRÜNEN]: Genau!) (Joseph Fischer [Frankfu rt] [BÜNDNIS 90/ Oder ist das alles nur Wischiwaschi, DIE GRÜNEN]: Sehr gut!) (Joseph Fischer [Frankfu rt] [BÜNDNIS 90/ Kürzung der Mittel für den Bundesfernstraßenbau DIE GRÜNEN]: Nein! Nein!) von derzeit 4,5 Milliarden DM um 3 Milliarden DM auf 1,5 Milliarden DM. rein in die Kartoffeln, raus aus die Kartoffeln? Alles nach Beliebigkeit? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Joseph Fischer [Frankfu rt] [BÜNDNIS 90/ Das bedeutet keinen Aufbau Ost, sondern Abbruch DIE GRÜNEN]: Die Kartoffel heißt Thiele!) Ost. Wer dazu klatscht, hat nicht verstanden, worum Herr Fischer, Ihr Wahlkampf wird eine permanente es in den neuen Bundesländern momentan über- Wählertäuschung über die wahren Ziele der Grünen haupt geht. sein. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Es ist weiter beantragt: Abschaffung der Steuerbe- Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müs- freiung für Flugbenzin und damit drastische Verteue- sen doch darüber diskutieren, wie die Inhalte einer rung von Flugreisen. Politik aussehen sollen. Und das ist mehr als eine Medieninszenierung. Weil Sie die Politik maßgeblich (Joseph Fischer [Frankfu rt] [BÜNDNIS 90/ beeinflussen wollen und Vizekanzler und Außenmi- DIE GRÜNEN]: Ist doch Beschluß des Bun- nister werden wollen, ist die Frage erlaubt: Stehen destages!) Sie zu diesen Rezepten? Sie können das gleich in der - Nein, Herr Fischer! Nur die Grünen wollen den na- namentlichen Abstimmung deutlich machen, Herr tionalen Alleingang. Herr Fischer, keine Wählertäu- Fischer. schung! Deshalb sage ich: Es geht jetzt darum, ob die Grü- Es ist ferner beantragt, die Energiesteuer auf nen hier und heute im Deutschen Bundestag zu die- Heizöl, Erdgas und Strom um 7 Prozent pro Jahr zu sen abwegigen Vorstellungen stehen. Dem dient die erhöhen. namentliche Abstimmung. Wer in unserem Land re- gierungsfähig sein will, der darf diesen Antrag der Die Bürger haben verstanden und wissen genau, Grünen nicht unterstützen. was es bedeutet, wenn diese Forderungen umgesetzt (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) würden. Auch einzelne Grüne haben dies erkannt. Deshalb wurde nach dem Magdeburger Parteitag Schadensbegrenzung nach dem Motto geübt: Es ist Vizepräsidentin Michaela Geiger: Das Wort hat der doch alles gar nicht so gemeint, wir wollen den Ben- Abgeordnete Kurt Neumann, fraktionslos. zinpreis doch gar nicht auf 5 DM erhöhen, und wir (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ wollen auch keine nationalen Alleingänge bei der DIE GRÜNEN]: Jetzt kriegen Sie die Ant Besteuerung von Flugbenzin. wort, die Sie verdient haben!) Meine sehr geehrten Damen und Herren: Doch! Es war und es ist genauso gemeint, wie das auf dem Par- Kurt Neumann (Berlin) (fraktionslos): Frau Präsi- teitag beschlossen wurde und wie das der heute im dentin! Meine Damen und Herren! Ich bin nicht er- Deutschen Bundestag zur Abstimmung stehende An- staunt, aber ich muß betonen: Dieses chaotische Vor- trag ausweist. Es soll doch keiner glauben und dem gehen von seiten der Koalition übertrifft das Maß der Traum anhängen, daß die Grünen diese Forderungen Nichtdiskussion, das wir bisher erlebt haben. Auf der Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22227

Kurt Neumann (Berlin) Tagesordnung steht unter anderem der Punkt der darum, soziale, demokratische und ökologische Rah- Globalisierung. menbedingungen für das internationale Wirtschaften auch international umzusetzen, vor allem über die (Zuruf von der CDU/CSU: Retten Sie europäischen Institutionen, auch über die Vereinten Deutschland?) Nationen und ihre Nebenorganisationen sowie über Kaum jemand von seiten der Koalition hat sich die Welthandelsorganisation, WTO. dazu geäußert, obwohl der Wirtschaftsminister dar- Dabei müssen wir darauf achten, daß nicht unter auf hingewiesen hat, daß dieses Thema von erhebli- dem Deckmantel des Freihandels, insbesondere über cher Bedeutung ist. Es geht hier um politisches Han- die WTO, einmal Erreichtes zurückgedreht wird. Ich deln angesichts der nicht ganz neuen, aber weiter nenne beispielhaft den Gesundheitsschutz - wie zunehmenden internationalen Verflechtungen im beim sogenannten Hormonfleisch - oder Gesichts- Handel und zunehmend auch im Bereich der Investi- punkte der aufholenden Entwicklung, wie bei der tionen. Bananenmarktordnung. Da widerspreche ich dem Modisch und eher unzutreffend wird da von Glo- Kollegen Stoltenberg ganz ausdrücklich. balisierung gesprochen. Es geht mir aber nicht um Ich begrüße, daß die Versuche, über die OECD ein die Begriffe. Es geht um die Sache. multilaterales Investitionsabkommen zu etablieren Ich hoffe, eines ist immer noch allgemeine Auffas- und anderen Ländern aufzudrücken, gescheitert sung: Die kapitalistische Wirtschaft mit dem Unter- sind. Das MAI war schon vom Ansatz her verfehlt. nehmensgewinn als Motor und dem Markt als Me- (Beifall bei der PDS) dium führt keineswegs im Selbstlauf zur allgemeinen Wohlfahrt der Menschen. Es war und ist vielmehr nö- Es wollte die privaten Investitionen, teilweise auch tig, daß die Auswirkungen dieser Wirtschaftsweise den Handel, von den Gestaltungsmöglichkeiten der durch Einschränkungen und Rahmensetzungen zu- Nationalstaaten und der regionalen Zusammen- mindest korrigiert und abgemildert werden. Manche schlüsse ausnehmen. Wir brauchen etwas anderes: sprechen insofern von „sozialer Marktwirtschaft" . Wir brauchen eine internationale Wirtschaftsverfas- sung, die sich auf Arbeit und Umwelt, auf Investitio- Ich nenne ohne Anspruch auf Vollständigkeit vier nen und Handel zugleich und gleichrangig bezieht. Bereiche. Durch Schutzvorschriften muß die Gesund- Solange entsprechende Abkommen nicht durchsetz- heit der Menschen bewahrt und damit auch deren bar sind, bleiben die Nationalstaaten und bleiben die Arbeitskraft als Produktionsfaktor erhalten bleiben. europäischen Gemeinschaften die entscheidenden Systeme der sozialen Sicherung müssen die so- Adressaten und Akteure bei der menschlicheren Ge- ziale Existenz der Menschen und damit auch die so- staltung des Wirtschaftens. ziale Stabilität des jeweiligen Wi rtschaftsstandortes Soweit das Wirtschaftsleben gegenwärtig interna- gewährleisten. tional gestaltet wird, haben wir einen ungeheuren Mitbestimmungsrechte der arbeitenden Menschen Prozeß der Entdemokratisierung zu beklagen. Die und ihrer Gewerkschaften müssen den unmittelbar WTO und die OECD nehmen für sich in Anspruch, produzierenden und Dienste leistenden Menschen gegenüber den Nationalstaaten und der Europäi- Gestaltungsmöglichkeiten bieten und damit auch die schen Union höheres Recht zu setzen und durchzu- politische Konsensfähigkeit in der Gesellschaft si- setzen. Ausgehandelt werden dera rtige Abkommen cherstellen. weitgehend im Verborgenen, ohne Unterrichtung oder gar Anhörung parlamentarischer Gremien. Die Bewahrung und die weitere Reproduktion der natürlichen Lebensgrundlagen müssen das Leben Der Deutsche Bundestag wird sich, wenn er sich der Menschen dauerhaft und lebenswert erhalten denn ernst nimmt, Gedanken darüber machen müs- und damit auch die Voraussetzungen für jedes wei- sen, wie er zukünftig solche internationalen Verträge tere Wirtschaften sicherstellen. behandeln will, die entscheidende Auswirkungen auf unsere innere Ordnung haben. Wir brauchen für Die soziale, die demokratisierende und die ökolo- den Bereich der Internationalisierung Regelungen, gische Gestaltung der Wirtschaft - wie unvollkom- die dem Art. 23 des Grundgesetzes und seinen Aus- men und unterschiedlich sie auch realisiert wurde - führungsgesetzen entsprechen. konnte im wesentlichen mit Hilfe des demokratisch verfaßten Staates durchgesetzt werden. Staat ist Ich komme zum Schluß: Bei aller Internationalisie- auch heute noch im wesentlichen Nationalstaat und rung muß die Setzung wirtschaftspolitischer Rah- in zweiter Linie Europa mit seinem zwischenstaatli- menbedingungen in erster Linie von den national- chen Institutionengefüge. Das modische Gerede von staatlichen und den europäischen Institutionen erfol- der Globalisierung und der Deregulierung will hier gen. die Zeit zurückdrehen. Es wird versucht, den moder- nen Sozialstaat abzubauen. Dabei fällt doch jedem Vizepräsidentin Michaela Geiger: Ihre Redezeit ist auf, daß gerade diejenigen die Verschlankung des zu Ende. Bitte kommen Sie zum letzten Satz. Staates einfordern, die sich besonders intensiv für die Ausweitung der repressiven Möglichkeiten und Ap- (Berlin) (fraktionslos): Ein letzter parate des Staates starkmachen. Kurt Neumann Satz: Darüber hinausgehende internationale Wirt- Internationalisierung darf demgegenüber nicht zur schaftsabkommen dürfen nicht mehr allein kapital- Entstaatlichung werden. Im Gegenteil: Es geht orientiert sein. Sie müssen zugleich sozial und ökolo- 22228 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Kurt Neumann (Berlin) gisch gestaltet werden. Unverzichtbar ist, daß ihr Zu- zur Einführung einer ökologischen Besteuerung von standekommen demokratisiert, das heißt insbeson- Energie auf Drucksache 13/3067. Der Finanzaus- dere parlamentarisiert wird. schuß empfiehlt auf Drucksache 13/10924 unter Buchstabe a, den Gesetzentwurf abzulehnen. Ich Ich bedanke mich für die hervorragende Aufmerk- lasse über den Gesetzentwurf der Fraktion samkeit. Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 13/3067 ab- (Beifall bei der PDS) stimmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzent- wurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer Vizepräsidentin Michaela Geiger: Ich schließe die stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist der Ge- Aussprache. - Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich setzentwurf in zweiter Beratung mit den Stimmen bitte Sie, zuzuhören, damit bei den Abstimmungen von CDU/CSU, F.D.P. und SPD gegen die Stimmen nichts durcheinandergeht. Ich muß Ihnen noch fol- von Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der PDS gende Hinweise geben: Wir werden nachher über abgelehnt. Damit entfällt nach unserer Geschäftsord- eine Beschlußempfehlung des Finanzausschusses zu nung die weitere Beratung. einem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Wir kommen zur Beschlußempfehlung des Finanz- zur Ökosteuer nament lich abstimmen. Für diese na- ausschusses zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/ mentliche Abstimmung benötigen Sie Ihren Stimm- Die Grünen zu einem Einstieg in eine ökologisch ausweis noch nicht. Bitte bewahren Sie den Stimm- soziale Steuerreform, Drucksache 13/10924 Buch- ausweis für die später folgende nament liche Abstim- - stabe b. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf mung zum Hochschulrahmengesetz auf. Drucksache 13/3555 abzulehnen. Ich weise darauf Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie- hin, daß wir über die Beschlußempfehlung des Aus- ßungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache schusses abstimmen. Die Fraktion der F.D.P. verlangt 13/10991. Wer stimmt für diesen Entschließungsan- namentliche Abstimmung. Für diese Abstimmung trag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann benötigen Sie Ihren Stimmausweis noch nicht. ist der Entschließungsantrag mit den Stimmen der Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, Koalition gegen die Stimmen von SPD und PDS bei die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Auf Enthaltung der Fraktion der Grünen abgelehnt. Wunsch der Geschäftsführer möchte ich noch einmal Abstimmung über den Antrag der Fraktion der deutlich machen, daß wir über die Beschlußempfeh- CDU/CSU und F.D.P. zur Nutzung der Chancen der lung des Ausschusses abstimmen. Wer dieser Be- Globalisierung, Drucksache 13/10976. Wer stimmt schlußempfehlung zustimmt, muß mit Blau stimmen. für diese Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthal- - Alle Urnen sind besetzt. Dann eröffne ich die Ab- tungen? - Dann ist der Antrag mit den Stimmen der stimmung. Koalition gegen die Stimmen der Opposition ange- Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das nommen. seine Stimmkarte nicht abgegeben hat? - Das scheint Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie- nicht der Fall zu sein. Dann schließe ich die Abstim- ßungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache mung. Ich bitte die Schriftführer, mit der Auszählung 13/11011. Wer stimmt für diesen Entschließungsan- zu beginnen. Das Ergebnis wird Ihnen später trag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - bekanntgegeben.*) Dann ist der Entschließungsantrag mit den Stimmen Wir setzen die Beratungen fo rt. Ich bitte Sie, Platz der Koalition und der PDS gegen die Stimmen der zu nehmen, sonst haben wir keinen Überblick. Es SPD bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen ab- dauert eine Weile, bis wir zur zweiten namentlichen gelehnt. Abstimmung kommen. Es lohnt sich auf jeden Fall, sich niederzusetzen. Es verzögert die Sache nur, Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der wenn sich niemand hinsetzt. Vorher können wir nicht Fraktion der SPD mit dem Titel „Beratung über die weitermachen. Das gilt auch für die Regierungs- Umsetzung der beschäftigungspolitischen Leitlinien bank. anläßlich des Europäischen Rates in Cardiff am 15./ 16. Juni 1998", Drucksache 13/10602. Wer stimmt für Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält auf den Drucksachen 13/7050 und 13/8591 an die sich? - Dann ist der Antrag mit den Stimmen der in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vor- Koalition gegen die Stimmen von SPD und PDS bei geschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt. der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlos- sen. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Für Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 6 auf: einen neuen Gesellschaftsvertrag: Kooperative und nachhaltige Beschäftigungspolitik", Drucksache 13/ Beratung des Antrags der Fraktionen der 10963. Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt CDU/CSU und F.D.P. dagegen? - Wer enthält sich? - Dann ist der Antrag Zurückweisung des Einspruchs des Bundes- mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen rates gegen das Vierte Gesetz zur Änderung von Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung von SPD des Hochschulrahmengesetzes und PDS abgelehnt. - Drucksache 13/10774 - Wir kommen zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen *) Seite 22233 C Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22229

Vizepräsidentin Michaela Geiger Ich bitte zunächst um Ihre Aufmerksamkeit für unsere Hochschulen nicht abgeschottet in einem Bio- einige Hinweise. top verbleiben, das nationalstaatlich organisiert ist. Über den Antrag werden wir namentlich abstim- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - men. Nach Art. 77 Abs. 4 des Grundgesetzes ist für Zuruf von der F.D.P.: Endlich!) die Zurückweisung des Einspruchs des Bundesrates Wer, liebe Kolleginnen und Kollegen, wie Lafon- die Mehrheit der Mitglieder des Deutschen Bundes- tages erforderlich, und das sind mindestens 337 Stim- taine jetzt im Saarland 12 Studiengänge streicht, wer men. Wer den Einspruch zurückweisen will, muß mit die Fächer Volkswirtschaft, Politik und Sozialwissen- Ja stimmen. schaften, Geographie und gar Biologie für überflüs- sig erachtet, wer wie der SPD-Kanzlerkandidat in Sie benötigen außer Ihrer Stimmkarte auch Ihren Niedersachsen bei den Hochschulausgaben auf dem Stimmausweis in der Farbe gelb. Den Stimmausweis vorletzten Platz aller Bundesländer liegt und wer können Sie, soweit noch nicht geschehen, Ihrem jetzt wie die SPD gegen das Hochschulrahmengesetz Stimmkartenfach entnehmen. Bitte achten Sie dar- stimmt, der gibt keine richtige Antwort für das auf, daß die Stimmkarte und der Stimmausweis Ihren 21. Jahrhundert, der läßt die Hochschulen allein. Das eigenen Namen tragen. Bevor Sie nachher Ihre kann nicht so bleiben. Deshalb werden wir heute das Stimmkarte in die Urne werfen, übergeben Sie bitte Hochschulrahmengesetz durchsetzen. Ihren Stimmausweis dem Schriftführer an der Urne. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Die Schriftführerinnen und Schriftführer bitte ich, darauf zu achten, daß Stimmkarten nur von den Kol- Die Bundesregierung geht einen anderen Weg. leginnen und Kollegen in die Urne geworfen werden Wir wollen nicht nur mehr Wettbewerb; wir wollen dürfen, die vorher ihren Stimmausweis abgegeben auch die Finanzausstattung der Hochschulen verbes- haben. sern. Beides gehört zusammen. Die Zahl der Studie- renden wird in den nächsten Jahren von 1,8 Millionen Wie mir mitgeteilt wurde, wird das Wo rt zur Ab- gabe von Erklärungen gewünscht. Ich weise darauf heute auf 2,3 Millionen steigen, und deshalb brau- chen die Hochschulen mehr Geld. Das bedeutet, daß hin, daß diese Erklärungen maximal fünf Minuten wir auch die Mittel des Bundes für die Hochschulen dauern dürfen. erhöhen müssen. Allerdings wollen wir diese Mittel Das Wort zur ersten Erklärung hat der Bundesmi- nicht nach irgendwelchen Bund-Länder-Mechanis- nister Dr. Jürgen Rüttgers. men, nicht nach den Vorschlägen einer Bund-Län- der-Bürokratie verteilen, sondern wir wollen eine lei- (Unruhe) stungsabhängige Hochschulfinanzierung: Wer in - Herr Minister, einen kleinen Moment! Wir müssen den Hochschulen etwas leistet, soll auch mehr Geld erst einmal ein bißchen für Ruhe sorgen. - Liebe Kol- haben. Es soll nicht dabei bleiben, daß man keine leginnen und Kollegen, setzen Sie sich bitte hin! Es Leistung sehen kann und sich nicht bewegen muß. kommen jetzt fünf Erklärungen. Wir müssen unseren Auch Leistung muß in Zukunft Mittel der Bewegung Rednern zuhören; alles andere wäre unfair. Also bitte werden. schön, nehmen Sie Platz und hören Sie zu! (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Deshalb werden wir die neuen Prinzipien Freiheit, Dr. Jürgen Rüttgers, Bundesminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie: Frau Prä- Vielfalt und Wettbewerb stärken und die Hochschulen sidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der heu- in die Eigenverantwortung entlassen. Das soll das tige Tag hat eine große Bedeutung für die Zukunft neue Hochschulrahmengesetz jetzt ermöglichen. Des- der Hochschulen in Deutschland. Wir machen heute halb ist es ein ganz wichtiger Schritt nicht nur für die mit der Kanzlermehrheit den Weg frei für das neue Hochschulen, nicht nur für den Forschungsstandort Hochschulrahmengesetz. Deutschland, sondern auch für die Studierenden an den Hochschulen. Sie sollen die Möglichkeit bekom- Natürlich ist das neue Hochschulrahmengesetz men, ihr Studium endlich schneller zu absolvieren; sie nicht die Hochschulreform, aber sie kann heute be- sollen nicht länger in Studiengänge eingepfercht sein, ginnen, nachdem wir die Hochschulen vom Gängel- in denen ein schnelles Studium gar nicht möglich ist. band des Staates entlassen. Wir verschaffen den ein- Die meisten wollen das; wir ermöglichen das heute zelnen Hochschulen mehr Freiheit, wir stärken die mit diesem Hochschulrahmengesetz. Leitungen der Hochschulen, wir verbessern die Lage der Wissenschaftler und Studenten, und wir ziehen Ich fordere deshalb letztmalig die SPD auf: Stim- einen Schlußstrich unter das überholte Dogma der men Sie diesem Hochschulrahmengesetz zu! Wir ha- Einheitsuniversität in Deutschland. In Zukunft kön- ben alle Vorschriften mit den Ländern, auch den nen die deutschen Hochschulen ein eigenständiges SPD-regierten Ländern, abgestimmt. Es gibt keinen Profil entwickeln. Es ist mehr Vielfalt möglich. Die Grund, heute nein zu sagen - es sei denn, Sie wollen Hochschulen haben die Chance, international attrak- aus ideologischen Gründen den Hochschulen die Zu- tiver zu werden. Wir öffnen das Tor für mehr Wettbe- kunft verbauen. Das ist auf jeden Fall nicht der Weg der Koalition und der Bundesregierung. werb. Es ist doch völlig klar: Wenn die Gesellschaft, (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) wenn die Wirtschaft sich auf die Globalisierung vor- bereiten, wenn sie sich auf die internationale Kon- Vizepräsidentin Michaela Geiger: Das Wort hat die kurrenz im 21. Jahrhundert einstellen, dann können Abgeordnete Edelgard Bulmahn, SPD-Fraktion. 22230 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Edelgard Bulmahn (SPD): Sehr geehrte Frau Präsi- Wir bedauern, daß sich die Koalition in dieser dentin! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! Die Frage keinen Millimeter bewegt hat - und das, ob- SPD will ein modernisiertes Hochschulrahmengesetz, wohl wir mit unserem Vorschlag im Vermittlungsaus- damit die Hochschulgesetzgebung des Bundes nicht schuß für die Aufnahme eines zeitlich bef risteten länger hinter den Entwicklungen, die in den Ländern Verbots von Studiengebühren den Koalitionsfraktio- bereits eingeleitet worden sind, hinterherhinkt. nen eine goldene Brücke gebaut haben. Wir wollten ein Verbot, das rechtlich sicher ist und das den Stu- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- dierenden auch eine Perspektive gibt, auf die sie sich ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) einstellen können. Die Koalition hat dieses Angebot Demzufolge sind auch in dem von der Bundesregie- abgelehnt. rung eingebrachten HRG-Entwurf eine ganze Reihe Liebe Kollegen und Kolleginnen von der Koalition, von SPD-Initiativen aufgegriffen worden. Ich nenne lassen Sie mich eines sagen: Es ist scheinheilig, in die Stärkung der Autonomie der Hochschulen, die Bundestagsdebatten für ein Verbot von Studienge- kontinuierliche Evaluierung von Lehre und For- bühren einzutreten und dann alle bindenden, recht- schung, die leistungsbezogene Finanzierung von lich verläßlichen Regelungen hier im Deutschen Bun- Hochschulen, die in den SPD-regierten Bundeslän- destag zu blockieren. So geht es nicht. dern eingeleitet worden ist, (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE (Zuruf von der SPD: Sie haben wieder ein- GRÜNEN und der PDS) mal abgeschrieben!) - Sie wissen ganz genau, daß ein einfaches Verwal- die Stärkung der Frauenförderung und die Einbezie- tungsabkommen nicht die notwendige rechtliche Si- hung der Weiterbildung in den Aufgabenkatalog der cherheit bietet. Sie wollten noch nicht einmal, daß Hochschulen. dieses Verwaltungsabkommen für alle Bundesländer (Zuruf von der CDU/CSU: Dann stimmen Geltung haben soll. Sie doch zu!) Auch bei der Reform der Ausbildungsförderung Die Novelle hat aber - das ist sehr bedauerlich - hat sich die Koalition keinen Millimeter bewegt. Die gravierende Mängel. Es ist weder gelungen, in den Neuordnung der Ausbildungsförderung ist aber ge- Ausschußberatungen ein bundesweites Verbot von nauso unverzichtbar wie die Reform der Personal- Studiengebühren im Hochschulrahmengesetz zu struktur und des Dienstrechtes. verankern, noch ist es gelungen, in den Ausschußsit- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne zungen- eine zukunftsweisende Personalstruktur ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und Dienstrechtsreform auf den Weg zu bringen; es und der PDS) ist nicht gelungen, eine Öffnungsklausel zu veran- kern; es ist nicht gelungen, die verfaßten Studenten- Wenn Sie, Herr Bundesminister Rüttgers, hier an- schaften bundesweit abzusichern; es ist nicht gelun- kündigen, daß Sie eine Erhöhung der Mittel wollen, gen, die Durchlässigkeit zwischen dem Bachelor- dann kann ich nur sagen: 16 Jahre haben Sie genau und dem Master-Studiengang zu gewährleisten, und dies nicht gemacht. es ist leider auch nicht gelungen, die Notwendigkeit der Zustimmung des Bundesrates im Gesetz klarzu- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ stellen. Dies ist jedoch die Grundlage für die koope- DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der rative Zusammenarbeit von Bund und Ländern in der PDS) Hochschulpolitik. Der Bundesrat hat einstimmig die Zustimmungsbe- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- dürftigkeit der HRG-Novelle festgestellt. Die Sach- ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN verständigen haben dies in der Anhörung unseres und der PDS) Ausschusses nachdrücklich bestätigt. Aber statt in Kooperation mit den Ländern die Hochschulreform Die SPD ist davon überzeugt, daß alle jungen Men- voranzubringen, versucht diese Regierungskoalition schen, unabhängig von ihrer sozialen und wirtschaft- ohne Kompromißbereitschaft, den Ländern ihre ver- lichen Situation, die Chance bekommen müssen, fehlte Haltung in der Frage der Studiengebühren eine ihren Fähigkeiten und Interessen entspre- aufzudrücken. chende Ausbildung zu absolvieren. Wir setzen in der Hochschulpolitik auf Kooperation (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- und Zusammenarbeit, nicht auf Konfrontation und ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN auf billigen Schlagabtausch, wie Sie es auch heute und der PDS) wieder gemacht haben. Deshalb muß durch ein bundesgesetzliches Verbot (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ von Studiengebühren und durch eine entsprechende DIE GRÜNEN) Ausbildungsförderung die Chancengleichheit auch in der Hochschulbildung gewährleistet werden. Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, fordere ich Sie auf: Nehmen Sie im Interesse einer erfolgrei- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- chen und aus unserer Sicht notwendigen Zusammen- ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN arbeit von Bund und Ländern im Bereich der Hoch- und der PDS) schulpolitik die Bedenken des Bundesrates ernst. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22231

Edelgard Bulmahn Wir nehmen sie ernst, und wir lehnen deshalb die Ein zweiter wichtiger Punkt: Wie soll denn, bitte Zurückweisung des Bundesratseinspruches ab. schön, eine Hochschulreform mit einer Personal- struktur aus dem letzten Jahrhundert funktionieren? Vielen Dank. Es kann doch nicht wahr sein, daß Sie allen Ernstes (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE immer wieder von wettbewerbsfähigen Hochschulen GRÜNEN und der PDS) reden und gleichzeitig von Ihrem Versäumnis ablen- ken wollen, daß sich im Bereich der Personalstruktur überhaupt nichts verändert hat. Vizepräsidentin Michaela Geiger: Das Wort hat der Abgeordnete Matthias Berninger, Bündnis 90/Die Moderne Hochschulen funktionieren nur dann, Grünen. wenn man es auch schafft, die nächste Generation von Professoren - vor allem Professorinnen - nach Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): modernen Kriterien einzustellen, das heißt, sie nicht Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Ab- mehr zu verbeamten und sie entsprechend ihrer Lei- stimmung, die heute vor uns steht, entscheidet nicht stung zu finanzieren. All diese Regelungen hätten im über die Hochschulreform. Sie schreibt lediglich fest, Hochschulrahmengesetz Platz gehabt. Sie haben auf welche Art und Weise diese Bundesregierung in sich aber gegen Herrn Kanther nicht durchsetzen den letzten Jahren mit diesem Thema umgegangen können. Auch davon wollen Sie ablenken, Herr Mi- ist. nister Rüttgers. Ich persönlich glaube nicht, Herr Minister Rütt- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gers, daß mit dem, was Sie hier durchsetzen wollen, sowie bei Abgeordneten der SPD und der der Startschuß für die Hochschulreform gegeben PDS) wird. Im Gegenteil, ich glaube, daß am Ende dieser Fast schon bodenlos finde ich, was Sie zum Thema Legislaturperiode deutlich geworden ist, daß wir vier Geld sagen. Diese Bundesregierung hat den Hoch- Jahre verschenkt haben, daß wir vier Jahre für eine schuletat effektiv gekürzt. Sie haben die Mittel nicht Hochschulreform nicht genutzt haben. in die Bildung investiert; Sie haben sich zurückgezo- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, gen. Gelder für den Hochschulbau, für die Sie die bei der SPD und der PDS) Verantwortung tragen, haben Sie sich zum Teil bei den Ländern geliehen. Sie stehen mit fast 2 Milliar- Sie haben es als Minister nicht geschafft - das ist den DM bei den Ländern in der Kreide und stellen einmalig -, sich mit Ihren Länderkollegen zu einigen. sich nun hier hin, als seien Sie der große Hochschul- Sie sind immer wieder mit dem Kopf durch die Wand reformator. Durch Ihre Politik haben Sie die Spiel- gegangen. Sie haben die Bedenken der Länderkolle- räume bei den Ländern eingeengt. Auch vor diesem gen, die Bedenken, die Ihnen von Studierenden, die Hintergrund finde ich es außerordentlich scheinhei- auf die Straße gegangen sind, entgegengehalten lig, daß Sie sich zum Abschluß dieser Legislaturpe- wurden, immer wieder ignoriert. Ich glaube, auch riode als großer Hochschulreformer gerieren. Das das macht deutlich, daß die Politik, die Sie für die wird Ihnen niemand durchgehen lassen, Herr Hochschulen vorschlagen, nicht die Zukunft der Minister Rüttgers. Hochschulen darstellt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) und bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD) Eine Hochschulreform ist dringend nötig. Ich glaube, daß wir eine Hochschulreform brauchen, die Vor knapp einem Jahr sah es so aus, als würden deutlich macht, daß in Zukunft mehr junge Men- sich Bund und Länder in einer Übereinkunft von Bü- schen an die Hochschulen kommen werden. Über rokraten auf eine Reform des Hochschulrahmenge- die Modernität unseres Landes entscheidet die setzes einigen. Ich bin sehr froh, daß das nicht pas- Frage, wie gut unsere Hochschulen sein werden. Wir siert ist. Das verdanken wir vor allem dem Protest der müssen - das gilt für alle Fraktionen - über viele Studierenden; aber das verdanken wir auch der Ein- Schatten springen; viele alte Zöpfe müssen abge- sicht, daß die Substanz, die heute zur Abstimmung schnitten werden. Wenn man das aber schon tut, steht, nicht ausreicht, um wirklich eine Hochschulre- dann muß man ein klares Bekenntnis darüber abge- form in Gang zu setzen. Das möchte ich im folgenden ben, wie die Hochschule der Zukunft aussehen soll. begründen. Ich finde, die Hochschule der Zukunft muß eine Erster Punkt: Es wird eine Hochschulreform ohne Hochschule sein, die im öffentlichen Raum verankert BAföG-Reform nicht geben. Diese Bundesregierung ist. Deswegen ist die Frage der Mitbestimmung kein war es, die die BAföG-Reform immer wieder blok- Larifari. Es ist die Frage, ob man den Studierenden in kiert hat. Sie waren es, die nicht über Ihren Schatten Deutschland die Hand reicht und ob man will, daß gesprungen sind. Sie waren es, die verhindert haben, sie sich an der Hochschulreform beteiligen, oder ob daß Chancengleichheit und das Recht auf Bildung in man eine Hochschulreform über ihre Köpfe hinweg der Bildungspolitik der Bundesrepublik Deutschland machen will. wieder die angemessene Rolle spielen. Herr Minister Rüttgers, Sie schlagen vor, per (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Gesetz zu beschließen, wie kurz Studiengänge in sowie bei Abgeordneten der SPD und der Deutschland sein müssen. Das ist absurd! Durch Ihre PDS) Unterlassungen bei der BAföG-Reform haben Sie die 22232 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Matthias Berninger Studienzeiten in Deutschland verlängert. Das wirft einführen. Zum erstenmal haben die Studenten die Ihnen die Hochschulrektorenkonferenz vor; das wirft Möglichkeit, über ein Leistungspunktesystem all ihre Ihnen die Opposition vor; das wirft Ihnen jeder vor, Studien- und Prüfungsleistungen zu kumulieren, der sich in der bildungspolitischen Debatte auskennt. auch diejenigen, die sie bei einem Auslandssemester Jetzt wollen Sie dieses Versäumnis per Gesetz ve rtu- erbracht haben. Wesentlich ist für uns - auch deswe- schen. Der entscheidende Punkt wird sein, wie man gen geben wir unsere Zustimmung -, weil wir neben Studierende wieder dazu bringt, daß sie sich auf ihr den bekannten akademischen Abschlüssen des Di- Studium konzentrieren können. Das wird nur mit ei- ploms und des Magisters in Deutschland auch die in- ner BAföG-Reform funktionieren. Die BAföG-Reform ternational anerkannten Abschlüsse wie Bachelor haben Sie blockiert. und Master aufnehmen.

Vor diesem Hintergrund haben Sie letzten Endes (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne das Wesentliche versäumt: Sie haben in dieser Legis- ten der CDU/CSU) laturperiode keinen entscheidenden Impuls für die Bildungsreform und für die Hochschule im 21. Jahr- Das wird den Hochschulstandort Deutschland inter- hundert setzen können. Über diese Rea lität können national attraktiv, wettbewerbs- und konkurrenzfä- Sie sich jetzt mit Kanzlermehrheit hinwegsetzen. hig machen. Nach dem 27. September dieses Jahres wird das nicht mehr möglich sein. Dann wird, denke ich, der Die Länder waren, wie Sie ja wissen, an der inhalt- Weg für eine Bildungsreform frei, und zwar für eine, - lichen Ausarbeitung des Hochschulrahmengesetzes die die Hochschulen in den Mittelpunkt stellt. Dann beteiligt und haben diesem heute hier vorliegenden geht es nicht mehr um die Art und Weise, wie der Reformpaket ihre Zustimmung gegeben. Das muß Bund über die Gesetzgebung versucht, von seiner man an dieser Stelle auch einmal sagen. Ein Verbot Verantwortung abzulenken. der Studiengebühren fehlt in dem alten ebenso wie in dem neuen Hochschulrahmengesetz, und zwar Vielen Dank. deswegen, weil die Kompetenz zur Bildungsfinanzie- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN rung der Hochschulen im wesentlichen bei den Län- sowie bei Abgeordneten der SPD und der dern liegt. PDS) Klar und unmißverständlich sage ich für die Frak- tion der F.D.P., daß wir uns, was den ersten Teil der Vizepräsidentin Michaela Geiger: Das Wort hat der akademischen Ausbildung angeht, gegen Studien- Abgeordnete Dr. Karlheinz Guttmacher, F.D.P.-Frak- gebühren aussprechen. Die Abgeordneten dieses tion. Parlaments wissen, daß wir alle gleichermaßen ge- gen die Erhebung von Studiengebühren waren, und Dr. Karlheinz Guttmacher (F.D.P.): Frau Präsiden- es war an diesem Parlament gelegen, begleitend zu tin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Hochschul- der Novellierung des Hochschulrahmengesetzes reform kann nur durchgeführt werden, wenn es uns einen Entschließungsantrag für das Verbot der Stu- gelingt, das Hochschulrahmengesetz so auf den Weg diengebühren einzubringen. Die Kompetenz des zu bringen, daß wir all die Punkte, auf die die Länder Landes in einem Bundesrahmenplan aufzunehmen und die Universitäten warten, sehr schnell regeln. ist aber nicht möglich. Das muß auch Frau Kollegin Die Novellierung des Hochschulrahmengesetzes Bulmahn von der SPD an dieser Stelle zur Kenntnis enthält für den Hochschulbereich wesentliche Ele- nehmen. mente, die auch unseren Reformvorstellungen voll (Widerspruch bei der SPD) entsprechen. Deswegen wird die F.D.P.-Fraktion der Novellierung des Hochschulrahmengesetzes die Zu- Wir bedauern deshalb außerordentlich, daß der stimmung geben. Denn zum ersten Mal sind die lei- Wahlkampf die SPD veranlaßt hat, die Novellierung stungsorientierte Finanzierung der Hochschulen und des Hochschulrahmengesetzes auch zu einer Verfas- auch die Evaluierung von Forschung und Lehre unter sungsfrage werden zu lassen. Beteiligung der Studenten aufgenommen worden. (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne- der CDU/CSU - Wilhelm Schmidt [Salzgit ten der CDU/CSU) ter] [SPD]: Unsinn! Blanker Unsinn!) Wir werden diesem Gesetz unsere Zustimmung ge- ben, weil die Freiheit der Studenten, sich entspre- Bei der Zustimmung zum Hochschulrahmengesetz chend ihren Leistungen, ihren Fähigkeiten und ihren wird sich die Trennung von Spreu und Weizen in be- Neigungen an jeder deutschen Hochschule bewer- zug auf die wirklichen Reformer in diesem unserem ben zu können, deutlich verbessert worden ist und Parlament heute zeigen. Die F.D.P.-Bundestagsfrak- weil die Hochschulen ein Mitspracherecht bekom- tion stimmt der Zurückweisung des Einspruchs des men, so daß sie zu mindestens 25 Prozent an der Aus- Bundesrats zu. wahl der Studenten beteiligt werden. (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne Die F.D.P. wird dem Hochschulrahmengesetz auch ten der CDU/CSU) deswegen die Zustimmung geben, weil das prü- fungsbegleitende Studium zukünftig wieder ver- stärkt wird. Wir werden bei allen Fachrichtungen Vizepräsidentin Michaela Geiger: Das Wort hat der eine Zwischenprüfung nach dem vierten Semester Abgeordnete Dr. Ludwig Elm, PDS. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22233

Dr. Ludwig Elm (PDS): Frau Präsidentin! Meine Da- zu beginnen. Das Ergebnis dieser Abstimmung wird men und Herren! Wir lehnen den Antrag der Koali- Ihnen später bekanntgegeben.*) tion auf Zurückweisung des Einspruchs des Bundes- rates gegen die HRG-Novelle der Bundesregierung Ich gebe Ihnen jetzt das von den Schriftführern aus folgenden Gründen ab: und Schriftführerinnen ermittelte Ergebnis der na- mentlichen Abstimmung zu der Beschlußempfeh- Erstens. Wir teilen die Auffassung des Bundesra- lung des Finanzausschusses zu dem Antrag der Frak- tes, daß die von der Bundesregierung vorgelegte No- tion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 13/ velle zum Hochschulrahmengesetz der Zustimmung 10924 b „Einstieg in eine ökologisch-soziale Steuer- der Länder, also des Bundesrates, bedarf. Die Be- reform" bekannt. Abgegebene Stimmen 646, mit Ja gründung des Bundesrates für die Zustimmungs- haben gestimmt 578, mit Nein haben gestimmt 47, pflichtigkeit halten wir für einsichtig und können uns Enthaltungen 21. Damit ist die Beschlußempfehlung ihr anschließen. des Ausschusses angenommen. Zweitens. Wir unterstützen das Verlangen des Ver- mittlungsausschusses nach Aufnahme eines Verbots von Studiengebühren in das HRG. Endgültiges Ergebnis Werner Dörflinger Hansjörgen Doss (Beifall bei der PDS) Abgegebene Stimmen: 646; Dr. davon Maria Eichhorn Drittens. Der Antrag der Koalition verfolgt das Ziel, ja: 578 den Weg für die Inkraftsetzung der HRG-Novelle nein: 47 freizumachen. Die Gruppe der PDS hat über das feh- Heinz Dieter Eßmann lende Verbot von Studiengebühren hinaus weitere enthalten: 21 Horst Eylmann Gründe, die HRG-Novelle der Bundesregierung und damit auch den Koalitionsantrag abzulehnen. Zu die- Ja sen Ablehnungsgründen gehört vor allem die Nicht- berücksichtigung zahlreicher berechtigter und be- Dirk Fischer (Hamburg) gründeter Forderungen und Vorschläge von Studie- CDU/CSU (Unna) renden und anderen Hochschulangehörigen, wie sie (Hamburg) während der Proteste gegen die Hochschulmisere im Wintersemester 1997/98 artikuliert worden sind. Dr. Gerhard Friedrich Anneliese Augustin Erich G. Fritz Die jüngste Sozialerhebung des Deutschen Stu- Jürgen Augustinowitz Hans-Joachim Fuchtel dentenwerkes belegt eindeutig, daß die Novellierung Dietrich Austermann Michaela Geiger Heinz-Günter Bargfrede Norbert Geis des Hochschulrahmengesetzes zum Zwecke der Re- form der Hochschulen scheitern muß, wenn sie nicht Dr. Heiner Geißler Dr. Wolf Bauer Michael Glos mit einer Reform der Studienfinanzierung verbunden Wilma Glücklich wird, die ein Studium unabhängig von elterlicher. Dr. Reinhard Göhner Hilfe und Nebenjobs ermöglicht. Dr. Sabine Bergmann-Pohl Peter Götz Hans-Dirk Bierling Dr. Wolfgang Götzer (Beifall bei der PDS) Dr. Joseph- Joachim Gres Die nicht zustande gekommene Verbindung dieser Kurt-Dieter Gri ll Dr. Wolfgang Gröbl Reform der Studienfinanzierung, der BAföG-Reform, Hermann Gröhe und der HRG-Novelle ist für uns ein weiterer Grund, Dr. Norbert Blüm Claus-Peter Grotz den Antrag der Koalition abzulehnen. Friedrich Bohl Dr. Maria Böhmer Danke. Horst Günther (Duisburg) Carl-Detlev Freiherr von (Beifall bei der PDS) Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Hammerstein Dr. Wolfgang Bötsch Vizepräsidentin Michaela Geiger: Liebe Kollegin- (Großhennersdorf) Klaus Brähmig nen und Kollegen, wir kommen jetzt zur namentli- Rudolf Braun (Auerbach) Otto Hauser (Esslingen) chen Abstimmung. Das Verfahren mit den gelben Paul Breuer Hansgeorg Hauser Stimmausweisen habe ich Ihnen vorhin schon erläu- (Rednitzhembach) tert. Georg Brunnhuber Klaus-Jürgen Hedrich Klaus Bühler (Bruchsal) Ich bitte jetzt die Schriftführerinnen und Schrift- Hartmut Büttner Manfred Heise führer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen und (Schönebeck) Detlef Helling darauf zu achten, daß alle Urnen besetzt sind. Dr. Renate Hellwig (Emstek) Ernst Hinsken Sind alle Urnen besetzt? - Das scheint der Fall zu Peter Harry Carstensen sein. Ich eröffne die Abstimmung. (Nordstrand) Josef Hollerith Wolfgang Dehnel Elke Holzapfel Sind Mitglieder des Hauses anwesend, die ihre Hubert Deittert Dr. Karl-Heinz Hornhues Stimme noch nicht abgegeben haben? - Das scheint Siegfried Hornung noch nicht zweifelsfrei geklärt zu sein. - Jetzt haben Albert Deß Joachim Hörster alle Mitglieder ihre Stimme abgegeben. Hubert Hüppe Peter Jacoby Ich schließe die Abstimmung. Ich bitte die Schrift- führerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung ') Seite 22240 B 22234 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Vizepräsidentin Michaela Geiger Susanne Jaffke Dr. Gerd Müller Dr. Wolfgang Behrendt Georg Janovsky Elmar Müller (Kirchheim) Dr. Hans Berger Helmut Jawurek Engelbert Nelle Reinhard Freiherr von Hans-Werner Bertl Dr. Dionys Jobst (Bremen) Schorlemer Friedhelm Julius Beucher Dr.-Ing. Rainer Jork Johannes Nitsch Dr. Erika Schuchardt Michael Jung (Limburg) Anni Brandt-Elsweier Dr. Rolf Olderog Dr. Tilo Braune Dr. Egon Jüttner Friedhelm Ost (Schwäbisch Gmünd) Dr. Eberhard Brecht Dr. Harald Kahl Gerhard Schulz (Leipzig) Edelgard Bulmahn Bartholomäus Kalb Norbert Otto (Erfurt) Frederick Schulze Ursula Burchardt Steffen Kampeter Dr. Gerhard Päselt (Sangerhausen) Dr. Michael Bürsch Dr.-Ing. Dietmar Kansy Dr. Peter Paziorek Diethard Schütze (Berlin) Hans Martin Bury Hans-Wilhelm Pesch Clemens Schwalbe Hans Büttner (Ingolstadt) Irmgard Karwatzki Ulrich Petzold Dr. Christian Schwarz Marion Caspers-Merk Volker Kauder Schilling Wolf-Michael Catenhusen Peter Keller Angelika Pfeiffer Wilhelm Josef Sebastian Peter Conradi Dr. Gero Pfennig Horst Seehofer Christel Deichmann Dr. Bernd Klaußner Dr. Friedbert Pflüger Marion Seib Ulrich Klinkert Wilfried Seibel Dr. Marliese Dobberthien Dr. Helmut Kohl Dr. Winfried Pinger Heinz-Georg Seiffert Peter Dreßen Hans-Ulrich Köhler Rudolf Dreßler Freimut Duve (Hainspitz) Dr. Hermann Pohler - Manfred Kolbe Bernd Siebert Ludwig Eich Norbert Königshofen Marlies Pretzlaff Jürgen Sikora Peter Enders Eva-Maria Kors Dr. Johannes Singhammer Hartmut Koschyk Dr. Bernd Protzner Bärbel Sothmann Petra Ernstberger Manfred Koslowski Dieter Pützhofen Margarete Späte Annette Faße Thomas Kossendey Carl-Dieter Spranger Elke Ferner Annegret Kramp Hans Raidel Wolfgang Steiger Lothar Fischer (Homburg) Karrenbauer Dr. Peter Ramsauer Gabriele Fograscher Rudolf Kraus Rolf Rau Dr. Wolfgang Freiherr von Iris Follak Wolfgang Krause (Dessau) Helmut Rauber Stetten Eva Folta Heinz-Jürgen Kronberg Peter Harald Rauen Dr. Gerhard Stoltenberg Norbert Formanski Dr.-Ing. Paul Krüger Otto Regenspurger Andreas Storm Reiner Krziskewitz Christa Reichard (Dresden) Anke Fuchs (Köln) Dr. Hermann Kues Klaus Dieter Reichardt Matthäus Strebl Katrin Fuchs (Verl) (Mannheim) Michael Stübgen Arne Fuhrmann Dr. Karl A. Lamers Dr. Bertold Reinartz Egon Susset Monika Ganseforth (Heidelberg) Erika Reinhardt Dr. Rita Süssmuth Iris Gleicke Hans-Peter Repnik Michael Teiser Uwe Göllner Dr. Roland Richter Dr. Susanne Tiemann Günter Graf (Friesoythe) Helmut Johannes Lamp Dr. Norbert Rieder Gottfried Tröger Angelika Graf (Rosenheim) Armin Laschet Dr. (München) Dr. Klaus-Dieter Uelhoff Dieter Grasedieck Herbert Lattmann Klaus Riegert Gunnar Uldall Achim Großmann Dr. Paul Laufs Dr. Wolfgang Vogt (Düren) Karl Hermann Haack Karl-Josef Laumann Franz Romer Dr. Horst Waffenschmidt (Extertal) Hannelore Rönsch Dr. Theodor Waigel Hans-Joachim Hacker Werner Lensing (Wiesbaden) Alois Graf von Waldburg-Zeil Klaus Hagemann Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Jürgen Warnke Manfred Eugen Hampel Peter Letzgus Dr. Klaus Rose Kersten Wetzel Christel Hanewinckel Editha Limbach Kurt J. Rossmanith Hans-Otto Wilhelm (Mainz) Alfred Hartenbach Walter Link (Diepholz) Adolf Roth (Gießen) Gert Willner Dr. Liesel Hartenstein Eduard Lintner Norbert Röttgen Bernd Wilz Klaus Hasenfratz Dr. Klaus W. Lippold Dr. Christian Ruck ' Willy Wimmer (Neuss) Dr. Ingomar Hauchler (Offenbach) Volker Rühe Jens Heinzig Dr. Manfred Lischewski Dr. Jürgen Rüttgers Dr. Dieter Heistermann Wolfgang Lohmann Roland Sauer (Stuttgart) Dagmar Wöhrl Reinhold Hemker (Lüdenscheid) Ortrun Schätzle Michael Wonneberger Rolf Hempelmann Julius Louven Dr. Wolfgang Schäuble Elke Wülfing Dr. Barbara Hendricks Sigrun Löwisch Hartmut Schauerte Peter Kurt Würzbach Monika Heubaum Heinz Schemken Uwe Hiksch Dr. Michael Luther Karl-Heinz Scherhag Wolfgang Zeitlmann Reinhold Hiller (Lübeck) Erich Maaß (Wilhelmshaven) Gerhard Scheu Benno Zierer Stephan Hilsberg Dr. Dietrich Mahlo Norbert Schindler Wolfgang Zöller Gerd Höfer Erwin Marschewski Dietmar Schlee Jelena Hoffmann (Chemnitz) Frank Hofmann (Volkach) Günter Marten Ulrich Schmalz SPD Dr. Martin Mayer Ingrid Holzhüter (Siegertsbrunn) Christian Schmidt (Fürth) Brigitte Adler Erwin Horn Wolfgang Meckelburg Dr.-Ing. Joachim Schmidt Gerd Andres Lothar Ibrügger Rudolf Horst Meinl (Halsbrücke) Robert Antretter Brunhilde Irber Dr. Andreas Schmidt (Mülheim) Hermann Bachmaier Gabriele Iwersen Dr. Hans-Otto Schmiedeberg Ernst Bahr Renate Jäger Hans Peter Schmitz Ilse Janz Rudolf Meyer (Winsen) (Baesweiler) Dr. Uwe Jens Hans Michelbach Michael von Schmude Gerd Bauer Volker Jung (Düsseldorf) Meinolf Michels Birgit Schnieber-Jastram Ingrid Becker-Inglau Sabine Kaspereit Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22235

Vizepräsidentin Michaela Geiger Susanne Kastner Horst Schmidbauer F.D.P. Marieluise Beck (Bremen) Hans-Peter Kemper (Nürnberg) Ina Albowitz Volker Beck (Köln) Klaus Kirschner (Aachen) Dr. Marianne Klappert (Meschede) Hildebrecht Braun Matthias Berninger Siegrun Klemmer Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (Augsburg) Annelie Buntenbach Hans-Ulrich Klose Regina Schmidt-Zadel Günther Bredehorn Amke Dietert-Scheuer Dr. Hans-Hinrich Knaape Heinz Schmitt (Berg) Jörg van Essen Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Emil Schnell Dr. Dr. Uschi Eid F ritz Rudolf Körper Walter Schöler Gisela Frick Andrea Fischer (Berlin) Nicolette Kressl Ottmar Schreiner Paul K. Friedhoff Joseph Fischer (Frankfurt) Thomas Krüger Gisela Schröter Rita Grießhaber Horst Kubatschka Dr. Mathias Schubert Gerald Häfner Eckart Kuhlwein Schuhmann Richard Hans-Dietrich Genscher Antje Hermenau Helga Kühn-Mengel (Delitzsch) Dr. Wolfgang Gerhardt Ulrike Höfken Konrad Kunick B rigitte Schulte (Hameln) Joachim Günther (Plauen) Michaele Hustedt Dr. Uwe Küster Reinhard Schultz Dr. Karlheinz Guttmacher Dr. Manuel Kiper Werner Labsch (Everswinkel) Dr. Helmut Haussmann Monika Knoche Bri gitte Lange Volkmar Schultz (Köln) Ulrich Heinrich Dr. Angelika Köster-Loßack Detlev von Larcher Ilse Schumann Walter Hirche Steffi Lemke Waltraud Lehn Dr. R. Werner Schuster Dr. Burkhard Hirsch Dr. Helmut Lippelt Klaus Lennartz Dietmar Schütz (Oldenburg) Birgit Homburger Oswald Metzger Dr. Elke Leonhard Dr. Angelica Schwall-Düren - Dr. Kerstin Müller (Köln) Klaus Lohmann (Witten) Ernst Schwanhold Ulrich Irmer Christa Lörcher Rolf Schwanitz Dr. Klaus Kinkel Christa Nickels Erika Lotz Bodo Seidenthal Detlef Kleinert (Hannover) Egbert Nitsch (Rendsburg) Dr. Christine Lucyga Lisa Seuster Roland Kohn Cern Özdemir Dieter Maaß (He rne) Horst Sielaff Dr. Heinrich L. Kolb Gerd Poppe Winfried Mante Erika Simm Jürgen Koppelin Dr. Jürgen Rochlitz Dorle Marx Johannes Singer Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann Halo Saibold Ulrike Mascher Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Christine Scheel Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast Sabine Leutheusser Irmingard Schewe-Gerigk Heide Mattischeck Wieland Sorge Schnarrenberger Albert Schmidt (Hitzhofen) Wolfgang Spanier Uwe Lühr Wolfgang Schmitt Ulrike Mehl Dr. Dietrich Sperling Jürgen W. Möllemann (Langenfeld) Herbert Meißner Jörg-Otto Spiller Günther Friedrich Nolting Ursula Schönberger Antje-Marie Steen Lisa Peters Waltraud Schoppe Dr. Jürgen Meyer (Ulm) Dr. Günter Rexrodt Werner Schulz (Berlin) Ursula Mogg Dr. Peter Struck Dr. Klaus Röhl Marina Steindor Michael Müller (Düsseldorf) Joachim Tappe Helmut Schäfer (Mainz) Christian Sterzing Jutta Müller (Völklingen) Jörg Tauss Cornelia Schmalz-Jacobsen Manfred Such Christian Müller (Zittau) Dr. Bodo Teichmann Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Ludger Volmer Volker Neumann (Bramsche) Margitta Terborg Dr. Irmgard Schwaetzer Helmut Wilhelm (Amberg) Gerhard Neumann (Gotha) Jella Teuchner Dr. Margareta Wolf (Frankfurt) Dr. Edith Niehuis Dr. Gerald Thalheim Dr. Rolf Niese Dr. Max Stadler Doris Odendahl Franz Thönnes Carl-Ludwig Thiele PDS Günter Oesinghaus Uta Titze-Stecher Dr. Dieter Thomae Heinrich Graf von Einsiedel Jürgen Leyla Onur Adelheid Tröscher Türk Dr. Wolfgang Weng Manfred Opel Hans-Eberhard Urbaniak Enthaltungen Adolf Ostertag Siegfried Vergin (Gerungen) Kurt Palis Günter Verheugen Dr. Albrecht Papenroth (Pforzheim) SPD PDS Dr. Wilfried Penner Karsten D. Voigt (Frankfurt) Dr. Dr. Martin Pfaff Hans Georg Wagner Maritta Böttcher Georg Pfannenstein Hans Wallow Andrea Gysi PDS Dr. Eckhart Pick Dr. Konstanze Wegner Hanns-Peter Hartmann Joachim Poß Wolfgang Weiermann Rolf Kutzmutz Wolfgang Bierstedt Hermann Rappe Reinhard Weis (Stendal) Klaus-Jürgen Warnick Petra Bläss (Hildesheim) Matthias Weisheit Dr. Winfried Wolf Eva Bulling-Schröter Karin Rehbock-Zureich Gunter Weißgerber Gerhard Zwerenz Dr. Ludwig Elm Margot von Renesse Gert Weisskirchen (Wiesloch) Dr. Otto Reschke Dr. Ruth Fuchs Lydia Westrich Fraktionslos Bernd Reuter Inge Wettig-Danielmeier Dr. Gregor Gysi Dr. Edelbert Richter Dr. Norbert Wieczorek Kurt Neumann (Berlin) Dr. Uwe-Jens Heuer Günter Rixe Helmut Wieczorek Dr. Barbara Höll Reinhold Robbe (Duisburg) Nein Dr. Willibald Jacob Dr. Hansjörg Schäfer Heidemarie Wieczorek-Zeul Gerhard Jüttemann Gudrun Schaich-Walch Dieter Wiefelspütz SPD Dr. Heidi Knake-Werner Dieter Schanz Berthold Wittich Rolf Köhne Dr. Herta Däubler-Gmelin Rudolf Scharping Dr. Heidemarie Lüth Jann-Peter Janssen Bernd Scheelen Verena Wohlleben Dr. Günther Maleuda Siegfried Scheffler Hanna Wolf (München) Manfred Müller (Berlin) Horst Schild Heidi Wright BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN Rosel Neuhäuser Uta Zapf Gila Altmann (Aurich) Dr. Uwe-Jens Rössel Dieter Schloten Dr. Christoph Zöpel Elisabeth Altmann Christina Schenk Günter Schluckebier Peter Zumkley (Pommelsbrunn) Steffen Tippach 22236 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Vizepräsidentin Michaela Geiger Ich rufe die Tagesordnungspunkte 7 a bis 7 p auf: Agrarbericht 1997 Agrar- und ernährungspolitischer Bericht Agrarpolitische Debatte der Bundesregierung a) Beratung der Unterrichtung durch die Bun- - Drucksachen 13/6868 und 13/6846 (Mate- desregierung rialband), 13/7795, 13/7796, 13/7810, 13/ 7798, 13/9846 - Agrarbericht 1998 Berichterstattung: Agrar- und ernährungspolitischer Bericht Abgeordnete Hans-Ulrich Köhler der Bundesregierung Marianne Klappert - Drucksachen 13/9823, 13/9824 (Material- d) Beratung des Berichts des Rechtsausschus- band) — ses (6. Ausschuß) gemäß § 62 Abs. 2 der Ge- Überweisungsvorschlag: schäftsordnung Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - zu dem vom Bundesrat eingebrachten Ent- (federführend) wurf eines Gesetzes zur Änderung des Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Grundgesetzes (Staatsziel „Tierschutz") Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuß für Gesundheit (Erste Beratung 222. Sitzung) Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit - zu dem von den Abgeordneten Hermann Ausschuß für Fremdenverkehr und Tourismus - Haushaltsausschuß Bachmaier, Marianne Klappert, B rigitte Adler, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs b) Beratung der Beschlußempfehlung und des eines ... Gesetzes zur Änderung des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Grundgesetzes (Verankerung des Tier- Landwirtschaft und Forsten (10. Ausschuß) schutzes im Grundgesetz) - zu der Unterrichtung durch die Bundes- (Erste Beratung 203. Sitzung) regierung - Drucksachen 13/9723, 13/8597, 13/11032 - - zu dem Entschließungsantrag der Fraktio- Berichterstattung: nen der CDU/CSU und F.D.P. Abgeordneter Horst Eylmann - zu dem Entschließungsantrag der Frak- e) Beratung der Beschlußempfehlung des Be- tion der SPD richts des Ausschusses für Ernährung, - zu dem Entschließungsantrag der Frak- Landwirtschaft und Forsten (10. Ausschuß) tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu dem Antrag der Abgeordneten Ma rina Steindor, Ulrike Höfken, Dr. Manuel Kiper, Agrarbericht 1996 weiterer Abgeordneter und der Fraktion Agrar- und ernährungspolitischer Bericht BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Bundesregierung Verbot des Klonens von Tieren - Drucksachen 13/3680 und 13/3681 (Mate- - Drucksachen 13/7160, 13/9785 - rialband), 13/3978, 13/3977, 13/3997, 13/ 9845 - Berichterstattung: Abgeordneter Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Berichterstattung: f) Beratung der Beschlußempfehlung und des Abgeordnete Siegfried Hornung Berichts des Ausschusses für Ernährung, Dr. Gerald Thalheim Landwirtschaft und Forsten (10. Ausschuß) zu dem Antrag der Abgeordneten Ul rike c) Beratung der Beschlußempfehlung und des Höfken, Steffi Lemke, Halo Saibold, Ch ri Berichts des Ausschusses für Ernährung, -stian Sterzing und der Fraktion BÜND- Landwirtschaft und Forsten (10. Ausschuß) NIS 90/DIE GRÜNEN - zu der Unterrichtung durch die Bundesre- Umsetzung der verbesserten Standards zur gierung Herstellung von Tierkörpermehlen und Tiermehlen in den EU-Mitgliedstaaten zur - zu dem Entschließungsantrag der Fraktio- Bekämpfung des Rinderwahnsinns nen der CDU/CSU und F.D.P. - Drucksachen 13/7962, 13/10480 - zu dem Entschließungsantrag der Frak- Berichterstattung: tion der SPD Abgeordneter Siegf ried Hornung - zu dem Entschließungsantrag der Abge- g) Beratung der Beschlußempfehlung und des ordneten Ulrike Höfken, Steffi Lemke, Berichts des Ausschusses für Ernährung, Egbert Nitsch (Rendsburg) und der Frak- Landwirtschaft und Forsten (10. Ausschuß) zu tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dem Entschließungsantrag der Abgeordne- - zu dem Entschließungsantrag der Abge- ten Steffi Lemke, Ulrike Höfken, Egbe rt ordnten Dr. Günther Maleuda, Dr. Christa Nitsch (Rendsburg) und der Fraktion BÜND- Luft, Eva Bulling-Schröter, Dr. Gregor NIS 90/DIE GRÜNEN zu der Großen Anfrage Gysi und der Gruppe der PDS der Abgeordneten Matthias Weisheit, Horst Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22237 Vizepräsidentin Michaela Geiger Sielaff, Anke Fuchs (Köln), weiterer Abgeord- k) Beratung des Antrags der Abgeordneten neter und der Fraktion der SPD Dr. Uschi Eid, Steffi Lemke, Dr. Angelika Forschung und Forschungsförderung des Köster-Loßack, Wolfgang Schmitt (Langen- Bundes im Bereich Ernährung, L and- und feld) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE Forstwirtschaft, Fischerei und Holzwirt- GRÜNEN schaft sowie der Entwicklung ländlicher Nachhaltige Forstwirtschaft durch Zertifi- Räume zierung fördern - Drucksachen 13/2503, 13/3337, 13/7809, - Drucksache 13/10 508 - 13/9787 - Überweisungsvorschlag: Berichterstattung: Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (federführend) Abgeordneter Siegfried Hornung Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit h) Beratung der Beschlußempfehlung und des Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit Berichts des Ausschusses für Ernährung, und Entwicklung Landwirtschaft und Forsten (10. Ausschuß) l) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ilse - zu dem Entschließungsantrag der Frak- Jans, Ernst Bahr, Dr. Peter Struck, weiterer tionen der CDU/CSU und F.D.P. Abgeordneter und der Fraktion der SPD - zu dem Entschließungsantrag der Ab- Sicherung der Ressortforschung des Bun- geordneten Dr. Gerald Thalheim, Anke desministeriums für Ernährung, Landwirt- Fuchs (Köln), Horst Sielaff, weiterer Ab- schaft und Forsten an den Standorten geordneter und der Fraktion der SPD Celle, Wusterhausen und Münster - zu dem Entschließungsantrag der Abge- - Drucksache 13/10 998 - ordneten Ulrike Höfken, Steffi Lemke, m)Beratung der Beschlußempfehlung und des Wolfgang Schmitt (Langenfeld), Ma rina Berichts des Ausschusses für Ernährung, Steindor und der Fraktion BÜNDNIS 90/ Landwirtschaft und Forsten (10. Ausschuß) DIE GRÜNEN zu der Unterrichtung durch die Bundesre- - zu dem Entschließungsantrag der Abge- gierung ordneten Dr. Günther Maleuda, Dr. Christa Vorschlag für eine Verordnung (EG) des Luft, Eva Bulling-Schröter, Dr. Gregor Rates zur Änderung der Verordnung Gysi und der Gruppe der PDS zu der Gro- (EWG) Nr. 823/87 zur Festlegung besonde- ßen Anfrage der Abgeordneten Horst Sie- rer Vorschriften für Qualitätsweine be- laff, Dr. Gerald Thalheim, Anke Fuchs stimmter Anbaugebiete (Köln), weiterer Abgeordneter und der - Drucksachen 13/10361 Nr. 2.33, 13/10684 - Fraktion der SPD Berichterstattung: Zukunft der Landwirtschaft im Zusammen- Abgeordnete Heidemarie Wright hang mit der EUAgrarreform, der Ost- erweiterung und GATT/WTO n) Beratung der Beschlußempfehlung und des - Drucksachen 13/4205, 13/5333, 13/7428, Berichts des Ausschusses für Ernährung, 13/7431, 13/7427, 13/7426, 13/10236 - Landwirtschaft und Forsten (10. Ausschuß) zu der Unterrichtung durch die Bundesre- Berichterstattung: gierung Abgeordneter Albert Deß Vorschlag für eine Richtlinie des Europäi- i) Beratung der Großen Anfrage der Abgeord- schen Parlaments und des Rates zur Ände- neten Dr. Gerald Thalheim, Anke Fuchs rung der Richtlinie 64/432/EWG zur Rege- (Köln), Ernst Bahr, weiterer Abgeordneter lung viehseuchenrechtlicher Fragen beim und der Fraktion der SPD innergemeinschaftlichen Handelsverkehr mit Rindern und Schweinen Stärkung der Einkommenssituation l and- - Drucksachen 13/10361 Nr. 2.30, 13/10685 - wirtschaftlicher Unternehmen durch Ver- besserung ihrer Situation am Markt Berichterstattung: - Drucksachen 13/8172, 13/9507 - Abgeordneter Matthias Weisheit j) Beratung des Antrags der Abgeordneten o) Beratung der Beschlußempfehlung und des Steffi Lemke, Ulrike Höfken, Egbert Nitsch Berichts des Ausschusses für Ernährung, (Rendsburg), weiterer Abgeordneter und Landwirtschaft und Forsten (10. Ausschuß) der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu dem Antrag der Abgeordneten Ul rike Höfken, Steffi Lemke, Halo Saibold und der Marktposition des ökologischen Landbaus Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stärken Verbesserungen beim Transport von Schlacht- - Drucksache 13/9675 - tieren in Europa Überweisungsvorschlag: - Drucksachen 13/9828, 13/10825 - Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Berichterstattung: (federführend) Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Abgeordneter Meinolf Michels 22238 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Vizepräsidentin Michaela Geiger p) Beratung der Beschlußempfehlung und des bedingten Absatzprobleme bei Rindfleisch, aber Berichts des Ausschusses für Ernährung, auch wegen des Preisdrucks bei Milch im Durch- Landwirtschaft und Forsten (10. Ausschuß) schnitt Einkommenseinbußen von 8,4 Prozent hin- - zu dem Antrag der Abgeordneten nehmen. Der Einkommensabstand zu den anderen Dr. Gerald Thalheim, Anke Fuchs (Köln), Betriebsformen hat sich damit weiter vergrößert. Ernst Bahr, weiterer Abgeordneter und Aber für das laufende Wirtschaftsjahr lassen die er- der Fraktion der SPD holten Rindfleisch- und Milchpreise wieder eine Ver- besserung der Einkommenssituation in den Futter- Milchmarktpolitik ab dem 1. April 2000 baubetrieben erwarten. - zu dem Antrag der Abgeordneten Ul rike Höfken, Steffi Lemke und der Fraktion Der Agrarbericht ist mehr als eine Situationsbe- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schreibung. Er zeigt uns auf, in welchen Bereichen Tragfähige Neuordnung der Milch- agrarpolitischer Handlungsbedarf besteht. Ich marktpolitik denke, diese Hinweise sind besonders wichtig in ei- - Drucksachen 13/9761, 13/10277, 13/10733 - ner Zeit, in der mit der Agenda 2000, mit der Oster- weiterung und mit den WTO-Verhandlungen Grund- Berichterstattung: satzentscheidungen über den weiteren Weg der Abgeordneter Peter Bleser europäischen Agrarpolitik vorbereitet werden. Die Bundesregierung hat dabei ein klares und eindeuti- Es folgt die Beratung zahlreicher Vorlagen. Es lie- ges Verhandlungsziel: Wir wollen Rahmenbedingun- gen fünf Entschließungsanträge vor. gen schaffen, die den Fortbestand und die Entwick- Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind -lung einer leistungsfähigen, aber auch tierschutz für die Aussprache zwei Stunden vorgesehen. - Ich und umweltgerechten Landwirtschaft in Deutschland höre keinen Widerspruch. Dann ist dies so beschlos- sichern. Unsere nationale Agrarpolitik orientiert sen. sich schon seit Jahren an diesem Ziel. Wir unterstüt- zen mit unserer Agrarpolitik unsere Bäuerinnen und Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Bun- Bauern bei der strukturellen Weiterentwicklung ihrer deslandwirtschaftsminister, Jochen Borchert, das Betriebe und bei der Erschließung neuer Einkom- Wort. mensmöglichkeiten. Wir entlasten sie mit unserer landwirtschaftlichen Sozialpolitik. Wir setzen uns für Jochen Borchert, Bundesminister für Ernährung, die Anerkennung landwirtschaftlicher Umweltlei- Landwirtschaft und Forsten: Frau Präsidentin! Liebe stungen ein. Kolleginnen und Kollegen! Wer die landwirtschaftli- che Praxis kennt und wer heute mit Bauern und (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Bäuerinnen spricht, der weiß: In weiten Teilen unse- rer Landwirtschaft herrscht eine Aufbruchstimmung. Wir haben in den letzten Jahren in all diesen Berei- Unsere Bauern haben gute Perspektiven. Sie wissen, chen entscheidende Fortschritte erzielt. Wir haben daß wir ihre Interessen in der europäischen wie in die Wettbewerbsfähigkeit unserer Bet riebe durch der nationalen Agrarpolitik erfolgreich vertreten und eine verbesserte Investitionsförderung und durch daß sie sich auf unsere Agrarpolitik und auf die Ver- den Abbau von Investitionshemmnissen gestärkt. tretung ihrer Interessen verlassen können. Wir haben insbesondere die Grenzwerte im Immis- Wie in jedem Jahr gibt auch der Agrarbericht 1998 sionsschutzrecht angehoben, und wir haben die einen Überblick über die wi rtschaftliche Lage und Vieheinheitenstaffel im Bewertungsgesetz den heu- über die Entwicklungsperspektiven der Land-, Forst- tigen Anforderungen angepaßt. Das bringt mehr und Fischereiwirtschaft. Im Mittelpunkt des allge- Entwicklungsspielraum für unsere bäuerlichen Ver- meinen Interesses steht dabei stets die Einkommens- edlungsbetriebe, und es trägt zur Sicherung von entwicklung. Im Wirtschaftsjahr 1996/1997 - wir sind Marktanteilen in Deutschland bei. Auf dieses Signal ja jetzt fast am Ende des folgenden Wirtschaftsjahres haben unsere Bauern gewartet. Sie haben darauf - stieg der Gewinn der als Einzelunternehmen be- reagiert. In Deutschland wird im Veredlungssektor wirtschafteten Haupterwerbsbetriebe in Deutschland wieder mehr investiert. im Durchschnitt um 3,4 Prozent. Hinter diesem An- stieg verbergen sich je nach Produktionsschwer- Auch im Sinne von mehr Umweltschutz in und mit punkt und Region sehr unterschiedliche Entwicklun- der Landwirtschaft sind wir auf einem guten Weg. gen. Unsere Landwirte sind bereit, über das, was gesetz- lich vorgeschrieben ist, hinaus etwas für den Um- An der Spitze der Einkommensskala und der Ein- weltschutz zu tun. Dies zeigt die starke Beteiligung kommensentwicklung stehen die Veredlungsbe- an den Agrarumweltprogrammen. Rund 30 Prozent triebe. Sie konnten vor allem wegen der hohen unserer landwirtschaftlichen Nutzfläche sind bereits Schweinepreise ein deutliches Plus von 36 Prozent darin eingebunden. verbuchen. Aber nach dem Hoch folgt in diesem Wirtschaftsjahr ein Tief. Jetzt kommt es darauf an, Für ein gesundes Miteinander von Landwirtschaft daß wir auch im Tief die Marktposition halten, vertei- und Naturschutz gibt es aber wichtige Voraussetzun- digen und weiter ausbauen. gen. Die zusätzlichen Umweltleistungen der Land- Anders ist die Situation in den Grünlandregionen. wirtschaft müssen auch zusätzlich bezahlt und hono- Hier mußten die Futterbaubetriebe wegen der BSE- riert werden. Deshalb kämpfen wir für die Festschrei- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22239

Bundesminister Jochen Borchert bung der Ausgleichsregelung im Bundesnatur- Wir haben der Kommission schon frühzeitig unsere schutzgesetz. Vorschläge zur Weiterentwicklung der Agrarpolitik mitgeteilt. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Uwe Lühr [F.D.P.] - Anke Fuchs [Köln] (Horst Sielaff [SPD]: Nein!) [SPD]: Der Bund zahlt aber nichts!) - Aber natürlich haben wir sie frühzeitig mitgeteilt. - - Wenn die Länder ausgleichen, Frau Kollegin, müs- Bei den weiteren Verhandlungen werden wir vor al- sen natürlich auch die Länder zahlen. lem folgende Ziele verfolgen: Erstens. Die Landwirte sollen ihr Einkommen auch Dieser Grundsatz ist für uns unverzichtbar. Im künftig soweit wie möglich über den Markt erzielen. Kern geht es hierbei um die Frage, wie mit dem Ei- gentum umgegangen wird. Das Eigentum ist für uns Zweitens. Zur Marktstabilisierung sind auch wei- ein hohes Gut. Deshalb lehnen wir es ab, die Agrar- terhin mengensteuernde Maßnahmen erforderlich. förderung generell, wie es etwa in den Parteitagsbe- schlüssen der SPD vorgesehen ist, mit zusätzlichen Drittens. Stützpreissenkungen dürfen nur in dem Umweltauflagen ohne einen zusätzlichen Ausgleich Maße vorgenommen werden, wie es aus Marktgrün- zu verbinden. Wir wollen, daß sich Bäuerinnen und den unvermeidbar ist. Die dadurch entstehenden Bauern am Markt behaupten und ein angemessenes Einkommenseinbußen sind vollständig auszuglei- chen. Einkommen aus ihrer Arbeit erwirtschaften können. - Viertens. Für zusätzliche Umweltauflagen - das Was die Kommission mit der Agenda 2000 vorhat, heißt Auflagen, die über die gute fachliche Praxis ist kein tragfähiges Konzept für die Zukunft unserer hinausgehen - ist ein gesonderter Ausgleich vorzuse- Landwirtschaft und für die Zukunft unserer ländli- hen. chen Regionen. Die wesentlichen Elemente des Kom- missionskonzeptes sind Verzicht auf Mengensteue- (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Das ist nur rung, drastische und unnötige Preissenkungen, ein recht und billig!) nur teilweiser Ausgleich der Einkommenseinbußen, der Wegfall einer eigenständigen Strukturförderung Fünftens. In den Marktordnungen muß ein ausrei- des ländlichen Raumes und eine noch größere Ab- chender Außenschutz beibehalten werden. Ein ange- hängigkeit der Bauern von Prämienzahlungen. Diese messener Außenschutz muß bei der nächsten Welt Ansätze bieten den Bauern keine Perspektive. Des- handelsrunde verankert werden. halb lehnen wir die Vorschläge ab; wir können sie Meine Damen und Herren, unsere Land- und Er- nicht unterstützen. nährungswirtschaft will ohne Zweifel von der welt- weit wachsenden Nachfrage profitieren. Sie braucht Inzwischen hat die Diskussion, entgegen einem er- den Wettbewerb nicht zu scheuen. Voraussetzungen sten Eindruck, gezeigt, daß die Koalition mit dieser dafür aber sind gleiche und faire Bedingungen im in- Meinung nicht allein dasteht. Die meisten meiner ternationalen Agrarhandel. Da gibt es angesichts der Kollegen aus den anderen europäischen Mitglied- erheblichen Unterschiede etwa bei den Hygienean- staaten sagen zu den jetzigen Vorschlägen in der forderungen, aber auch beim Stellenwert des Ver- Agenda 2000 nein. braucherschutzes noch viel zu tun. Deswegen wer- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - den wir weiterhin den Import von Fleisch ablehnen, Horst Sielaff [SPD]: Aber aus ganz anderen das mit Hormonen produziert worden ist. Gründen!) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Was besonders bemerkenswe rt ist, Herr Kollege Deswegen darf in Genf nicht nur über eine weitere Sielaff: Nach einem anfangs lauten Hurra der SPD- Marktöffnung verhandelt werden. Wir müssen in Bundestagsfraktion - Sie wollten im Agrarbereich Genf internationale Produktions- und Qualitätsstan- viel Geld damit sparen - ist inzwischen klar, daß mit dards im Interesse der Landwirte für einen fairen den Kommissionsvorschlägen alles noch viel teurer Wettbewerb, im Interesse der Verbraucher - um einen wird. Inzwischen hört man auch aus der SPD ganz vorbeugenden Verbraucherschutz durchzusetzen -, andere Töne, im Grunde jeden Tag eine andere Stel- aber auch im Interesse der Gesellschaft insgesamt ver- lungnahme. bindlich festlegen, damit wir über eine flächendek- kende Landbewirtschaftung an allen Standorten eine (Horst Sielaff [SPD]: Das stimmt nicht!) Kulturlandschaft erhalten und pflegen können. Für mich ist interessant, daß Frau Simonis und Herr ( Vo r s i t z: Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch) Stolpe mich auf den Landesbauernversammlungen nachdrücklich gebeten haben, alles zu tun, um Bela- Wir wissen aus Umfragen, daß unsere Mitbürgerin- stungen für ihre Bauern zu verhindern. nen und Mitbürger die vielfältigen Leistungen unse- rer bäuerlichen Landwirtschaft zu schätzen wissen Nach den Landwirtschaftsministern der Länder ha- und daß sie diese für die Zukunft bewahren möchten, ben in der vergangenen Woche auch die Regierungs- die Leistungen einer Landwirtschaft, die wesentlich chefs aller Länder bei den Beratungen mit dem Bun- mehr bedeutet als eine möglichst kostengünstige deskanzler betont, daß die agrarpolitischen Vor- Produktion von Nahrungsmitteln und Industrieroh- schläge in der Agenda für die deutsche Landwirt- stoffen, einer Landwirtschaft also, die die Kulturland- schaft unzumutbar seien. schaft als unverzichtbares Kulturgut erhält und pflegt 22240 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Bundesminister Jochen Borchert I und die die Lebens- und Entwicklungsfähigkeit länd- Endgültiges Ergebnis Dr. Heiner Geißler licher Regionen sichert. Michael Glos Abgegebene Stimmen: 645; Wilma Glücklich (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) davon Dr. Reinhard Göhner ja: 341 Peter Götz Ich denke, dieses gewachsene und bewäh rte Land- Dr. Wolfgang Götzer wirtschaftsmodell verdient es, über das Jahr 2000 hin- nein: 304 Joachim Gres aus bewahrt zu werden. Wir müssen dafür in den vor Kurt-Dieter Grill uns liegenden Verhandlungen in Brüssel wie in Genf Ja Wolfgang Gröbl die notwendigen Voraussetzungen schaffen. Dies ist Hermann Gröhe und bleibt unser wichtigstes agrarpolitisches Ziel. Claus-Peter Grotz Manfred Grund CDU/CSU Gestatten Sie mir im Anschluß noch ein persönli- Horst Günther (Duisburg) ches Wort. Die agrarpolitischen Sprecher der CDU/ Carl-Detlev Freiherr von Ulrich Adam Hammerstein CSU, Egon Susset, der F.D.P., Günther Bredehorn, Peter Altmaier Gottfried Haschke und der SPD, Horst Sielaff, werden heute zum letz- Anneliese Augustin (Großhennersdorf) tenmal im Bundestag im Rahmen einer Agrardebatte Jürgen Augustinowitz Gerda Hasselfeldt sprechen. Zweifellos lebt die Agrarpolitik von den Dietrich Austermann Otto Hauser (Esslingen) Persönlichkeiten, die sie tragen und gestalten. Heinz-Günter Bargfrede Hansgeorg Hauser Franz Peter Basten (Rednitzhembach) Dr. Wolf Bauer Du, lieber Egon, bist nicht nur eine Persönlichkeit, - Klaus-Jürgen Hedrich die Agrarpolitik gestaltet hat. Du bist in den Jahren Brigitte Baumeister Helmut Heiderich Meinrad Belle Manfred Heise deiner Mitarbeit im Bundestag sozusagen zu einer Dr. Sabine Bergmann-Pohl agrarpolitischen Instanz geworden. Nur wenige ha- Detlef Helling Hans-Dirk Bierling Dr. Renate Hellwig ben wie du die Agrarpolitik über Jahrzehnte geprägt. Dr. Joseph-Theodor Blank Ernst Hinsken Ich möchte dir heute für das, was du hier im Interesse Renate Blank Peter Hintze der Bäuerinnen und Bauern geleistet hast, sehr herz- Dr. Heribert Blens Josef Hollerith lich danken. Peter Bleser Elke Holzapfel Dr. Norbert Blüm Dr. Karl-Heinz Hornhues (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P., der Friedrich Bohl Siegfried Hornung SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dr. Maria Böhmer Joachim Hörster Jochen Borchert Hubert Hüppe Ich danke aber auch dir, lieber Günther Bredehorn, Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Peter Jacoby sehr herzlich für die vertrauensvolle Zusammenar- Wolfgang Bosbach Susanne Jaffke beit. Du hast dein Wirken stets am eigenverantwortli- Dr. Wolfgang Bötsch Georg Janovsky chen landwirtschaftlichen Unternehmer ausgerichtet. Klaus Brähmig Helmut Jawurek Rudolf Braun (Auerbach) Dr. Dionys Jobst Damit hast du für die Politik und für die Landwirt- Paul Breuer schaft wichtige Marksteine gesetzt. Dr.-Ing. Rainer Jork Monika Brudlewsky Michael Jung (Limburg) Auch Sie, sehr geehrter Herr Sielaff, kandidieren Georg Brunnhuber Ulrich Junghanns Klaus Bühler (Bruchsal) nicht mehr für die nächste Legislaturpe riode. Die Re- Dr. Egon Jüttner Hartmut Büttner Dr. Harald Kahl gierungspolitik wird bekanntlich von einer konstruk- (Schönebeck) Bartholomäus Kalb tiven Oppositionspolitik belebt. Mit Ihnen, sehr ge- Dankward Buwitt Steffen Kampeter ehrter Herr Kollege Sielaff, gab es eine konstruktive Manfred Carstens (Emstek) Dr.-Ing. Dietmar Kansy und auch in schwierigen Situationen faire Zusam- Peter Harry Carstensen Manfred Kanther menarbeit. Dafür möchte ich Ihnen persönlich sehr (Nordstrand) Irmgard Karwatzki herzlich danken. Wolfgang Dehnel Volker Kauder Hubert Deittert Peter Keller (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P. und Gertrud Dempwolf Eckart von Klaeden der SPD) Albert Deß Dr. Bernd Klaußner Renate Diemers Ulrich Klinkert Ich wünsche mir, daß wir auch in der nächsten Le- Wilhelm Dietzel Dr. Helmut Kohl gislaturperiode eine so konstruktive Oppositionsar- Werner Dörflinger Hans-Ulrich Köhler beit der SPD erleben. Hansjürgen Doss (Hainspitz) Dr. Alfred Dregger Manfred Kolbe Herzlichen Dank. Maria Eichhorn Norbert Königshofen Wolfgang Engelmann Eva-Maria Kors (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU Rainer Eppelmann Hartmut Koschyk und der F.D.P.) Heinz Dieter Eßmann Manfred Koslowski Horst Eylmann Thomas Kossendey Anke Eymer Annegret Kramp Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich gebe das Ilse Falk Karrenbauer von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermit- Jochen Feilcke Rudolf Kraus telte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über Ulf Fink Wolfgang Krause (Dessau) die Zurückweisung des Einspruchs des Bundesrates Dirk Fischer (Hamburg) Heinz-Jürgen Kronberg gegen das Vierte Gesetz zur Änderung des Hoch- Leni Fischer (Unna) Dr.-Ing. Paul Krüger schulrahmengesetzes bekannt. Es sind 645 Stimmen Klaus Francke (Hamburg) Reiner Krziskewitz Herbert Frankenhauser Dr. Hermann Kues abgegeben worden. Mit Ja haben gestimmt 341, mit Dr. Gerhard Friedrich Werner Kuhn Nein 304, keine Enthaltung. Damit ist der Antrag auf Erich G. Fritz Dr. Karl A. Lamers Zurückweisung angenommen. Hans-Joachim Fuchtel (Heidelberg) Michaela Geiger Karl Lamers (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Norbert Geis Dr. Norbert Lammert Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22241

Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch Dr. Norbert Rieder Gottfried Tröger Dr. Max Stadler Armin Laschet Dr. Erich Riedl (München) Dr. Klaus-Dieter Uelhoff Carl-Ludwig Thiele Herbert Lattmann Klaus Riegert Gunnar Uldall Dr. Dieter Thomae Dr. Paul Laufs Dr. Heinz Riesenhuber Wolfgang Vogt (Duren) Jürgen Türk Karl-Josef Laumann Franz Romer Dr. Horst Waffenschmidt Dr. Wolfgang Weng Vera Lengsfeld Hannelore Rönsch Dr. Theodor Waigel (Gerlingen) Werner Lensing (Wiesbaden) Alois Graf von Waldburg-Zeil Dr. Guido Westerwelle Christian Lenzer Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Jürgen Warnke Peter Letzgus Dr. Klaus Rose Kersten Wetzel Editha Limbach Kurt J. Rossmanith Hans-Otto Wilhelm (Mainz) Nein Walter Link (Diepholz) Adolf Roth (Gießen) Gert Willner Eduard Lintner Norbert Röttgen Bernd Wilz Dr. Klaus W. Lippold Dr. Christian Ruck Willy Wimmer (Neuss) SPD (Offenbach) Volker Rühe Matthias Wissmann Dr. Manfred Lischewski Dr. Jürgen Rüttgers Dr. Fritz Wittmann Brigitte Adler Wolfgang Lohmann Roland Sauer (Stuttga rt) Dagmar Wöhrl Gerd Andres (Lüdenscheid) Ortrun Schätzle Michael Wonneberger Robert Antretter Julius Louven Dr. Wolfgang Schäuble Elke Wülfing Hermann Bachmaier Sigrun Löwisch Hartmut Schauerte Peter Kurt Würzbach Ernst Bahr Heinrich Lummer Heinz Schemken Cornelia Yzer Doris Barnett Dr. Michael Luther Karl-Heinz Scherhag Wolfgang Zeitlmann Klaus Barthel Erich Maaß (Wilhelmshaven) Gerhard Scheu - Benno Zierer Gerd Bauer Dr. Dietrich Mahlo Norbert Schindler Wolfgang Zöller Ingrid Becker-Inglau Erwin Marschewski Dietmar Schlee Wolfgang Behrendt Günter Marten Ulrich Schmalz Hans Berger Dr. Martin Mayer Bernd Schmidbauer BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN Hans-Werner Bertl (Siegertsbrunn) Christian Schmidt (Fürth) Friedhelm Julius Beucher Wolfgang Meckelburg Dr.-Ing. Joachim Schmidt Wolfgang Schmitt Anni Brandt-Elsweier Rudolf Meinl (Halsbrücke) (Langenfeld) Tilo Braune Dr. Michael Meister Andreas Schmidt (Mülheim) Dr. Eberhard Brecht Dr. Angela Merkel Hans-Otto Schmiedeberg Edelgard Bulmahn Friedrich Merz Hans Peter Schmitz F.D.P. Ursula Burchardt Rudolf Meyer (Winsen) (Baesweiler) Dr. Michael Bürsch Hans Michelbach Michael von Schmude Ina Albowitz Hans Martin Bury Meinolf Michels Birgit Schnieber-Jastram Dr. Gisela Babel Hans Büttner (Ingolstadt) Dr. Gerd Müller Dr. Andreas Schockenhoff Hildebrecht Braun Marion Caspers-Merk Elmar Müller (Kirchheim) Dr. Rupert Scholz (Augsburg) Wolf-Michael Catenhusen Engelbert Nelle Reinhard Freiherr von Günther Bredehorn Peter Conradi Bernd Neumann (Bremen) Schorlemer Jörg van Essen Dr. Herta Däubler-Gmelin Johannes Nitsch Dr. Erika Schuchardt Dr. Olaf Feldmann Christel Deichmann Claudia Nolte Wolfgang Schulhoff Gisela Frick Karl Diller Dr. Rolf Olderog Dr. Dieter Schulte Paul K. Friedhoff Dr. Marliese Dobberthien Friedhelm Ost (Schwäbisch Gmünd) Horst Friedrich Peter Dreßen Eduard Oswald Gerhard Schulz (Leipzig) Rainer Funke Rudolf Dreßler Norbert Otto (Erfurt) Frederick Schulze Hans-Dietrich Genscher Freimut Duve Dr. Gerhard Päselt (Sangerhausen) Dr. Wolfgang Gerhardt Ludwig Eich Dr. Peter Paziorek Diethard Schütze (Berlin) Joachim Günther (Plauen) Peter Enders Hans-Wilhelm Pesch Clemens Schwalbe Dr. Karlheinz Guttmacher Gernot Erler Ulrich Petzold Dr. Christian Schwarz- Dr. Helmut Haussmann Petra Ernstberger Anton Pfeifer Schilling Ulrich Heinrich Annette Faße Angelika Pfeiffer Wilhelm Josef Sebastian Walter Hirche Elke Ferner Dr. Gero Pfennig Horst Seehofer Dr. Burkhard Hirsch Lothar Fischer (Homburg) Dr. Friedbert Pflüger Marion Seib Birgit Homburger Gabriele Fograscher Beatrix Philipp Wilfried Seibel Dr. Werner Hoyer Iris Follak Dr. Winfried Pinger Heinz-Georg Seiffert Ulrich Irmer Eva Folta Ronald Pofalla Rudolf Seiters Dr. Klaus Kinkel Norbert Formanski Dr. Hermann Pohler Johannes Selle Detlef Kleinert (Hannover) Dagmar Freitag Ruprecht Polenz Bernd Siebert Roland Kohn Anke Fuchs (Köln) Marlies Pretzlaff Jürgen Sikora Dr. Heinrich L. Kolb Katrin Fuchs (Verl) Dr. Albert Probst Johannes Singhammer Jürgen Koppelin Arne Fuhrmann Dr. Bernd Protzner Bärbel Sothmann Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann Monika Ganseforth Dieter Pützhofen Margarete Späte Dr. Otto Graf Lambsdorff Iris Gleicke Thomas Rachel Carl-Dieter Spranger Sabine Leutheusser Uwe Göllner Hans Raidel Wolfgang Steiger Schnarrenberger Günter Graf (Friesoythe) Dr. Peter Ramsauer Erika Steinbach Uwe Lühr Angelika Graf (Rosenheim) Rolf Rau Dr. Wolfgang Freiherr von Jürgen W. Möllemann Dieter Grasedieck Helmut Rauber Stetten Günther Friedrich Nolting Achim Großmann Peter Rauen Dr. Gerhard Stoltenberg Dr. Karl Hermann Haack Otto Regenspurger Andreas Storm Lisa Peters (Extertal) Christa Reichard (Dresden) Max Straubinger Dr. Günter Rexrodt Hans-Joachim Hacker Klaus Dieter Reichardt Matthäus Strebl Dr. Klaus Röhl Klaus Hagemann (Mannheim) Michael Stübgen Helmut Schäfer (Mainz) Manfred Hampel Dr. Bertold Reinartz Egon Susset Cornelia Schmalz-Jacobsen Christel Hanewinckel Erika Reinhardt Dr. Rita Süssmuth Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Alfred Hartenbach Hans-Peter Repnik Michael Teiser Dr. Irmgard Schwaetzer Dr. Liesel Hartenstein Roland Richter Dr. Susanne Tiemann Dr. Hermann Otto Sohns Klaus Hasenfratz 22242 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch Dr. Ingomar Hauchler Dr. Winfried Penner Günter Verheugen Christa Nickels Jens Heinzig Dr. Martin Pfaff Ute Vogt (Pforzheim) Egbert Nitsch (Rendsburg) Dieter Heistermann Georg Pfannenstein Karsten D. Voigt (Frankfurt) Cern Özdemir Reinhold Hemker Dr. Eckhart Pick Hans Georg Wagner Gerd Poppe Rolf Hempelmann Joachim Poß Dr. Konstanze Wegner Dr. Jürgen Rochlitz Dr. Barbara Hendricks Rudolf Purps Wolfgang Weiermann Halo Saibold Monika Heubaum Hermann Rappe Reinhard Weis (Stendal) Christine Scheel Uwe Hiksch (Hildesheim) Matthias Weisheit Irmingard Schewe-Gerigk Reinhold Hiller (Lübeck) Karin Rehbock-Zureich Gunter Weißgerber Albert Schmidt (Hitzhofen) Stephan Hilsberg Margot von Renesse Gert Weisskirchen (Wiesloch) Ursula Schönberger Gerd Höfer Otto Reschke Lydia Westrich Waltraud Schoppe Jelena Hoffmann (Chemnitz) Bernd Reuter Inge Wettig-Danielmeier Werner Schulz (Berlin) Frank Hofmann (Volkach) Dr. Edelbert Richter Dr. Norbert Wieczorek Marina Steindor Ingrid Holzhüter Günter Rixe Helmut Wieczorek Christian Sterzing Erwin Horn Reinhold Robbe (Duisburg) Manfred Such Lothar Ibrügger Dr. Hansjörg Schäfer Heidemarie Wieczorek-Zeul Helmut Wilhelm (Amberg) Brunhilde Irber Gudrun Schaich-Walch Dieter Wiefelspütz Margareta Wolf (Frankfurt) Gabriele Iwersen Dieter Schanz Berthold Wittich Renate Jäger Rudolf Scharping Dr. Wolfgang Wodarg Jann-Peter Janssen Bernd Scheelen Verena Wohlleben PDS Ilse Janz Dr. Hermann Scheer Hanna Wolf (München) Dr. Uwe Jens Siegfried Scheffler Heidi Wright Wolfgang Bierstedt Volker Jung (Düsseldorf) Horst Schild Uta Zapf Petra Bläss Sabine Kaspereit Otto Schily Dr. Christoph Zöpel Maritta Böttcher Susanne Kastner Dieter Schloten Peter Zumkley Hans-Peter Kemper Günter Schluckebier Eva Bulling-Schröter Klaus Kirschner Horst Schmidbauer Heinrich Graf von Einsiedel Dr. Ludwig Elm Marianne Klappert (Nürnberg) BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN Siegrun Klemmer Ulla Schmidt (Aachen) Dr. Dagmar Enkelmann Dr. Ruth Fuchs Hans-Ulrich Klose Dagmar Schmidt (Meschede) Gila Altmann (Aurich) Dr. Hans-Hinrich Knaape Wilhelm Schmidt (Salzgitter) Elisabeth Altmann Andrea Gysi Walter Kolbow Regina Schmidt-Zadel (Pommelsbrunn) Dr. Gregor Gysi Fritz Rudolf Körper Heinz Schmitt (Berg) Marieluise Beck (Bremen) Hanns-Peter Hartmann Nicolette Kressl Dr. Emil Schnell Volker Beck (Köln) Dr. Uwe-Jens Heuer Thomas Krüger Walter Schöler Angelika Beer Dr. Barbara Höll Horst Kubatschka Ottmar Schreiner Matthias Berninger Dr. Willibald Jacob Eckart Kuhlwein Gisela Schröter Annelie Buntenbach Gerhard Jüttemann Helga Kühn-Mengel Dr. Mathias Schube rt Amke Dietert-Scheuer Dr. Heidi Knake-Werner Konrad Kunick Schuhmann Richard Franziska Eichstädt-Bohlig Rolf Köhne Dr. Uwe Küster (Delitzsch) Dr. Uschi Eid Rolf Kutzmutz Werner Labsch Brigitte Schulte (Hameln) Andrea Fischer (Berlin) Heidemarie Lüth Brigitte Lange Reinhard Schultz Joseph Fischer (Frankfurt) Dr. Günther Maleuda Detlev von Larcher (Everswinkel) Rita Grießhaber Manfred Müller (Berlin) Waltraud Lehn Volkmar Schultz (Köln) Gerald Häfner Rosel Neuhäuser Klaus Lennartz Ilse Schumann Antje Hermenau Dr. Uwe-Jens Rössel Dr. Elke Leonhard Dr. R. Werner Schuster Ulrike Höfken Christina Schenk Klaus Lohmann (Witten) Dietmar Schütz (Oldenburg) Michaele Hustedt Steffen Tippach Christa Lörcher Dr. Angelica Schwall-Düren Dr. Manuel Kiper Klaus-Jürgen Warnick Erika Lotz Ernst Schwanhold Monika Knoche Dr. Winfried Wolf Dr. Christine Lucyga Rolf Schwanitz Dr. Angelika Köster-Loßack Gerhard Zwerenz Dieter Maaß (Herne) Bodo Seidenthal Steffi Lemke Winfried Mante Lisa Seuster Dr. Helmut Lippelt Dorle Marx Horst Sielaff Oswald Metzger Fraktionslos Ulrike Mascher Erika Simm Kerstin Müller (Köln) Christoph Matschie Johannes Singer Winfried Nachtwei Kurt Neumann (Berlin) Heide Mattischeck Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Markus Meckel Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast Ulrike Mehl Wieland Sorge Herbert Meißner Wolfgang Spanier Ich gebe nun das Wo rt dem Abgeordneten Horst Angelika Mertens Dr. Dietrich Sperling Sielaff. Dr. Jürgen Meyer (Ulm) Jörg-Otto Spiller Ursula Mogg Antje-Marie Steen Michael Müller (Düsseldorf) Ludwig Stiegler Horst Sielaff (SPD): Herr Präsident! Meine Damen Jutta Müller (Völklingen) Dr. Peter Struck und Herren! Herr Borche rt, es tut mir natürlich leid, Christian Müller (Zittau) Joachim Tappe Volker Neumann (Bramsche) Jörg Tauss daß ich nach Ihren abschließenden freundlichen Gerhard Neumann (Gotha) Dr. Bodo Teichmann Worten nicht ganz so freundlich bleibe. Aber wir ha- Dr. Edith Niehuis Margitta Terborg ben ja in der Sache oft ha rt miteinander gerungen. Dr. Rolf Niese Jella Teuchner Das ist auch notwendig, um in der Öffentlichkeit Doris Odendahl Dr. Gerald Thalheim deutlich zu machen, wo es unterschiedliche Akzente Günter Oesinghaus Wolfgang Thierse gibt. Leyla Onur Franz Thönnes Manfred Opel Uta Titze-Stecher Meine Damen und Herren, der Agrarbericht muß Adolf Ostertag Adelheid Tröscher Kurt Palis Hans-Eberhard Urbaniak sicherlich differenzie rt betrachtet und kann auch un- Albrecht Papenroth Siegfried Vergin terschiedlich interpretie rt werden. Ich glaube, dar- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22243

Horst Sielaff über sind wir uns einig. Sicherlich ist es selbstver- die Visionen einzelner wahr werden, die für die Zu- ständlich, wenn sich die Bundesregierung aus dem kunft von wenigen hochspezialisierten Großbetrie- Agrarbericht die „Rosinenzahlen" heraussucht und ben ausgehen, die in rein industriellem Sinne auf sie rosarot zurechtinterpretiert. Aber einige Zahlen sehr großen Flächen wirtschaften. und Fakten des Agrarberichtes sprechen eine deutli- che Sprache und müssen uns allen große Sorgen be- (Zustimmung bei der SPD) reiten, wenn wir es mit der Absicht ernst meinen, Wir akzeptieren die gewachsenen großen Struktu- eine flächendeckende, umweltfreundliche bäuerli- ren in den neuen Ländern und wollen sie in keiner che Landwirtschaft zu erhalten. Weise behindern, wenn die Bet riebe ökologisch sinn- Leider war auch die Berichterstattung über den voll wirtschaften und ihre Tiere artgerecht halten. Agrarbericht in den Medien für die Landwirtschaft Daran gibt es nach meiner Meinung keinen Zweifel. teilweise wenig hilfreich, weil oft sehr einseitig von (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Ul rike Gewinnen berichtet wurde. Eine größere deutsche Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Tageszeitung berichtete im Februar von „starken Ge- winnen der Bauern". Es war keine Rede davon, daß Sehr große Strukturen dürfen aber nicht zur Richt- der starke Gewinnanstieg bei den Veredlungsbetrie- schnur werden für alle, die Landwirtschaft betreiben ben, den der Agrarbericht ausweist, von einem sehr wollen. Wir wollen kleineren und mittleren Bet rieben niedrigen Niveau ausging. Die Aussage, die Land- vor allem in den benachteiligten Gebieten eine wirtschaft habe „abgesahnt", ist durch nichts zu - Chance geben. rechtfertigen, meine Damen und Herren. (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Richtig!) (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der F.D.P.) Dafür brauchen wir auch in Zukunft Fördermittel in ausreichender Höhe. Im Gegenteil, die Futterbaubetriebe mußten gegen- über dem Vorjahr große Gewinnrückgänge hinneh- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne men. Aber davon war in der Presse kaum etwas zu ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) lesen. Dies sichert die Erhaltung der Kulturlandschaft und Hinter den Durchschnittsgrößen bei den erzielten die Bereitstellung von Arbeitsplätzen, übrigens auch Gewinnen verbergen sich mehr denn je große Streu- von Ausbildungsplätzen in der Landwirtschaft. ungen und große Unterschiede zwischen den Pro- duktionszweigen und den Betriebsformen. Eines ist Noch sind 1,35 Millionen Menschen in der Land- aber sicher: Wo Erzeugnisse keinen einengenden wirtschaft tätig. Das sind aber wieder 4 Prozent weni- Marktordnungen unterliegen, können Gewinne ge- ger als im Vorjahr. Von den Arbeitsplätzen, die in macht werden, weil Entwicklungsmöglichkeiten für den neuen Ländern verlorengegangen sind, und der die Landwirte bestehen. Diese Tatsache sollte uns dadurch frustrierenden Arbeitslosenquote in den mehr als zu denken geben. ländlichen Räumen im Osten brauche ich nicht wei- ter zu reden. Wir alle kennen das. (Beifall bei der SPD) Das Fehlen einer ausreichend großen Zahl von In den 80er Jahren haben jährlich 2 bis 2,5 Prozent Hofnachfolgern und die verbreitete Resignation un- der Betriebe in der Landwirtschaft aufgegeben. Das ter den Landwirten haben sicherlich vielfältige galt damals schon als enormer Strukturwandel. Seit Gründe. Einer davon ist wohl die scheinbar fehlende 1990 geben jährlich 3,5 Prozent aller Bet riebe auf. Zukunftsperspektive für die Landwirtschaft. Den Waren es in den 80er Jahren noch die Betriebe mit ei- Landwirten fehlen Planungssicherheit und das Ge- ner Größe von bis zu 30 Hektar, so gelten heute be- fühl der Verläßlichkeit politischer Vorgaben wie etwa reits 50 Hektar als sogenannte Wachstumsschwelle. in der Milchmarktpolitik und bei der Dauerhaftigkeit Interessant ist auch, daß der Agrarbericht schätzt, von Ausgleichszahlungen. daß in den nächsten zehn bis 15 Jahren zwischen 25 000 und 50 000 Menschen aus der Landwirtschaft (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Wenn Sie ausscheiden werden. Es werden aber nur 10 000 bis aber die Agenda 2000 nicht unterstützen, 15 000 Neuzugänge erwartet. Das heißt, wir bekom- wird dies noch schlechter!) men einen noch stärkeren erzwungenen Struktur- ed Hornung, hat die Bundesregierung wandel, weil es nicht genügend Hofnachfolger gibt. - Lieber Siegfri hier nicht Zukunftsängste geweckt bzw. bestärkt? (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Das ist nicht der Grund!) (Beifall bei der SPD) Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat Ich nenne Beispiele: Die Bundesregierung sagt bei es versäumt, hier vorzusorgen, oder sie hat es sogar der Realisierung der Agenda 2000 Einkommensrück- billigend in Kauf genommen. gänge von 15 bis 20 Prozent voraus, während unab- hängige Wissenschaftler von Verlusten in Höhe von Dies alles sind Fakten, die uns nachdenklich stim- 3 Prozent ausgehen. men müssen. Natürlich konnten und können wir Strukturwandel in einem gewissen Maß nicht verhin- Entnervend für potentielle Hofnachfolger sind dern. In einigen Bereichen war er auch notwendig auch die ständigen Kürzungen, die die Bundesregie- und hat eine zukunftsgerichtete Entwicklung von Be- rung an der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung trieben ermöglicht. Wir müssen aber verhindern, daß der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" vor- 22244 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Horst Sielaff nimmt. Wie sollen die Länder da noch Mittel für Inve- Die Vorschläge der EU-Kommission zur stitionen zur Verfügung stellen? Ohne Investitions- Agenda 2000 halten wir für eine Reform in Teilen für förderung aber werden sich nur wenige Hofnachfol- geeignet. Die Bundesregierung hat die Vorschläge ger zur Übernahme eines Betriebes bereit erklären. dagegen kategorisch abgelehnt, Damit schließt sich der Kreis. (Ulrich Heinrich [F.D.P.]: Welche Teile Hinderlich für junge Landwirte ist auch das System denn?) der derzeitigen Milchquote. Hier muß ich der Bun- desregierung schwere Versäumnisse zu Lasten der aber bisher keine eigenen Ideen vorgebracht. Die Milcherzeuger vorwerfen. Vorlagen sind uns erst am 15. Juni zugeschickt wor- den. (Beifall bei der SPD) Die Mitglieder der Welthandelsorganisation - Lange Zeit wollte man das Problem aussitzen. Die dazu, meine Damen und Herren aus der Regierungs- Bundesregierung hat damit zugelassen, daß be- koalition, gehört auch die Bundesregierung - haben trächtliche Geldmengen aus der Landwirtschaft ab- sich dazu verpflichtet, im Jahre 1999 Verhandlungen geflossen sind. Sie haben geduldet, daß viel Kapital über den Abbau interner Stützungen und den Au- zum Erwerb von Quoten gebunden worden ist und ßenschutz aufzunehmen. Bis zum Jahre 2003 läuft damit nicht für Investitionen zur Verfügung steht. noch die Friedensklausel. Vergessen wir also nicht, Jetzt fragen uns die Landwirte, egal wohin wir kom- daß die EU-Kommission mit der Vorlage der Agenda men: Wie sollen wir unter diesen Bedingungen Milch einen Auftrag der Regierungschefs, auch des deut- erzeugen? Was geschieht mit der Quote? schen Regierungschefs, aus der Uruguay-Runde er- füllt. Zwei Drittel aller Landwirte sind direkt oder indi- rekt von dieser Unsicherheit betroffen. Im März 2000 (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ läuft die jetzige Quotenregelung aus. Wie wir gestern DIE GRÜNEN) vom EU-Agrarkommissar Fischler erfahren haben, ist eine Fortführung der Quotenregelung bis zum Jahr Über Änderungen im Detail werden wir aber wei- 2006 keineswegs gesichert, wie es die Bundesregie- ter mit der Kommission und auch mit der Regierungs- rung gelegentlich verkündet. Es ist derzeit keine koalition streiten müssen; da sind wir uns einig. Im qualifizierte Mehrheit zur Fortsetzung dieser Rege- Hinblick auf die WTO-Runde kommen wir also an ei- lung in der jetzigen Form in Sicht. Wir Sozialdemo- ner Senkung der Stützpreise nicht vorbei. kraten waren es, die hier gedrängt und Anträge ein- (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Das ist gebracht haben, weil wir wissen, wie wichtig die Pla- doch Unsinn!) nungssicherheit für die Landwirte ist. Dafür muß es direkte Einkommensübertragungen (Beifall bei der SPD) zum Ausgleich der Verluste geben. Siegfried Hor- Herr Borche rt, Sie sind im Juni 1993 angetreten mit nung würde ich wirklich einmal empfehlen, die Pa- piere der WTO-Verhandlungen und des GA einem künftigen Weg und viel gutem Wi llen, der TT zu le- Landwirtschaft eine Zukunft zu geben. Der gute sen und nicht einfach dazwischenzurufen, ohne Wille war wohl vorhanden. Leider ist es aber bei dem Kenntnis davon zu haben. geblieben, was ich schon damals vermutet habe, (Beifall bei der SPD) nämlich bei einem Papiertiger - mangels wirk lich neuer Ideen und sicherlich auch mangels einer not- Wir sind uns auch darüber im klaren, daß Lebens- wendigen Unterstützung durch das Kabinett. mittel schon heute extrem preiswert und im täglichen Leben die Hauptinflationsbremse sind. Insofern ist (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Aber jetzt eine Preissenkung eigentlich ein falsches Signal. Die hören wir ein paar neue Ideen!) Bedingungen des Weltmarktes lassen uns aber der- zeit leider keine andere Wahl. In Brüssel präsentiert sich die Bundesregierung bei der Fortentwicklung der europäischen Agrarpolitik Bei der Umsetzung der Agenda-Vorschläge sehen vielfach als Verweigerer. Wir befürworten die weitere wir allerdings noch Änderungsbedarf. Sie müssen in Reform der gemeinsamen Agrarpolitik. Nur so kön- weiten Bereichen, was den bürokratischen Aufwand nen wir eine funktionsfähige Landwirtschaft in betrifft, abgespeckt werden; da sind wir uns einig. Deutschland als wesentliches Kernelement für die -Die von der Kommission vorgeschlagenen Rinder Wirtschaft des ländlichen Raumes erhalten und den und Kuhprämien können wir nicht akzeptieren. Wir WTO-Verhandlungen und der EU-Osterweiterung bevorzugen statt dessen eine an der erforderlichen vorbereitet begegnen. Die Bundesregierung will Arbeit orientierte Flächenprämie. Das im Gefolge der ebenfalls die Osterweiterung und forde rt gleichzeitig EU-Agrarreform 1992 zwischen Marktfruchtbetrie- höhere Rückflüsse aus der EU-Kasse. Zur gleichen ben und beschäftigungsintensiven Futterbaubetrie- Zeit aber erweckt sie in der Landwirtschaft den Ein- ben entstandene Ungleichgewicht bei der Prämien- druck, daß die derzeitigen Finanzhilfen weiter in zahlung muß abgebaut werden. gleicher Höhe gezahlt werden könnten. (Beifall bei der SPD) Das kann nicht funktionieren. Das ist - wie wir alle wissen - auch nicht ganz redlich. Preisausgleichszahlungen und Prämien müssen in ihrer Ausgestaltung die sehr unterschiedlichen struk- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- turellen und natürlichen Ausgangsbedingungen in ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) den Regionen Deutschlands beachten. Auch mögli- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22245

Horst Sielaff che Degressionen dürfen existierende Strukturen vorzunehmen. Ich habe dies auch aus den Ausfüh- nicht behindern; das sage ich ausdrücklich. rungen des Agrarministers herausgehört. Wir warnen davor, die Milchmenge zu erhöhen, so- Wir fordern, daß die in der Europäischen Union lange wir 20 Prozent Überschüsse haben und nicht geltenden hohen sozialen und hygienischen Stan- mehr Milch exportiert werden kann. dards im Rahmen der anstehenden WTO-Verhand- lungen abgesichert werden. Ich würde es für not- (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Das steht wendig halten, daß wir gemeinsam über die Partei- auch in der Agenda!) grenzen hinweg dafür einträten und kämpften. Ich Wer die aktiven Milcherzeuger wirk lich stärken will, glaube, nur dann können wir erfolgreich sein. muß ihnen Planungssicherheit auch über das Jahr (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ 2006 hinaus geben. DIE GRÜNEN) (Beifall bei der SPD) Die Ausdehnung auf dem Weltmarkt mit den Ver- Dazu müssen wir die Quoten entkapitalisieren und heißungen einer liberalen Weltwirtschaftsordnung von den Flächen lösen. Die Flächenbindung der Tier- muß sich zuerst daran messen lassen, ob sie zur haltung muß aber weiterbestehen. Sicherung der Nahrung und der Ernährung auf der ganzen Welt beiträgt: Kann sie die Zahl der Wir begrüßen, daß die bisher zur Stützung der Hungernden oder die Zahl der Landlosen und Ab- Agrarpreise eingesetzten Mittel künftig der Finanzie- - hängigen verringern, meine Damen und Herren? rung von Maßnahmen im Rahmen der regionalen Strukturpolitik dienen können. Wir müssen zur Flan- Können Liberalisierung und Globalisierung das kierung des Strukturwandels Arbeitsplätze auch au- nicht, dann brauchen wir für den Sektor Ernährung ßerhalb der Landwirtschaft schaffen, um den ländli- und Landwirtschaft andere Regeln und Ernährungs- chen Raum zu stärken. sicherungsprogramme, um die Armen der Welt vor unberechenbaren Nahrungsmittelmärkten zu schüt- (Beifall bei der SPD - Albe rt Deß [CDU/ zen. CSU]: So wie in Bayern!) (Zuruf von der CDU/CSU: Aha, das ist - Sie haben recht, Herr Deß: Es ist nicht alles falsch, schon etwas anderes!) was in Bayern ist. Das gestehe ich durchaus zu. Aller- Wettbewerbsfähigkeit darf nicht das Leitprinzip dings hat Bayern eine ganz andere Ausgangsposition der Visionen, Strategien und Handlungen der Men- als andere Bundesländer. Das muß man dazusagen. schen in dieser Übergangszeit sein. Sie ist machtlos (Zurufe von der CDU/CSU) gegenüber den globalen sozioökonomischen Schlüs- selproblemen wie der wachsenden Armut, der Ab- Die Agenda 2000 muß und wird kommen. Bislang koppelung der reichen Länder vom Rest der Welt treten die Meinungsverschiedenheiten zwischen den und der Umweltzerstörung. - So die Gruppe von Lis- Koalitionären offen zutage: sabon in ihrem Papier „Grenzen des Wachstums". (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Hört! Diese Maxime gilt für mich in besonderem Maße Hört!) für die Nahrungssicherung und die Landwirtschaft. Hier sind neben ökonomischen insbesondere ethi- Kinkel ist dafür, Borche rt dagegen. Ich zitiere den sche und ökologische Akzente zu setzen. Unser ent- Außenminister: Fundamentalopposition gegen die scheidender Erkenntnisfortschritt muß in der Einsicht Agenda ist unangebracht. - Er sieht positive Ansätze. liegen, daß ökonomische, soziale und ökologische (Zuruf von der F.D.P.: Sehr richtig!) Entwicklungen nicht voneinander getrennt oder gar gegeneinander ausgespielt werden dürfen. Land- Ich kann nur hoffen, daß diesem Gezanke rechtzei- wirtschaft und Umwelt und Naturschutz dürfen keine tig zum Antritt der deutschen EU-Präsidentschaft am Gegensätze sein. 1. Januar 1999 durch einen Politikwechsel endlich ein Ende gemacht wird, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Zuruf von der CDU/CSU: Gerade bei uns müssen Landwirte und Umwelt- Rotgrün!) schützer im Grunde das gleiche Ziel haben, und wenn sie schlau sind, dann schließen sie sich zu einer Unsere Position zu den notwendigen Reformen in Allianz zusammen. der Agrarpolitik findet sich in unserem Entschlie- ßungsantrag zum Agrarbericht 1998, für den ich aus- (Ulrich Heinrich [F.D.P.]: Das sind immer drücklich um Ihre Zustimmung werben möchte. Das große Reden hier im Haus, und im Bundes gilt auch für unseren Entschließungsantrag zur „Stär- rat wird das Gegenteil beschlossen!) kung der Einkommenssituation landwirtschaftlicher - Lieber Herr Hein rich, Sie haben von mir nichts an- Unternehmen durch Verbesserung ihrer Situation am deres gehört Markt" . (Ulrich Heinrich [F.D.P.]: Von Ihnen nicht, Meine Damen und Herren, ich wiederhole: Die aber von anderen!) Bundesregierung hat seinerzeit die geltenden GATT Vereinbarungen mit beschlossen. Sie zwingen uns auf Bauernveranstaltungen, auf Veranstaltungen von alle dazu, eine noch stärkere Orientierung am Markt Umweltverbänden oder hier im Plenum. Denn ich 22246 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Horst Sielaff bin überzeugt: Nur miteinander haben sie bei sin- die Menschheit vor ungeahnte Herausforderungen kenden staatlichen Zuweisungen eine Chance, ihre stellen wird, nämlich die Sicherung der Ernährung gesellschaftspolitische Bedeutung zu stärken. weltweit. Die übermäßige Intensivierung der agrar- ischen Produktion hat Böden weltweit in enormem Wir Sozialdemokraten haben betont, daß die Aus- Maße beeinträchtigt, hat sie versalzen lassen, hat wirkungen von Umweltauflagen, die durch Produkti- Wasservorräte geplündert und unbrauchbar ge- onsbeschränkungen entstehen und zu Einkommens- macht. Noch gibt es Zuwachsraten in der weltweiten verlusten führen, ausgeglichen werden müssen. Die Produktion; aber das wird in Zukunft nicht mehr rei- Konkretisierung der „guten fachlichen Praxis" ist, chen. Die Zuwächse sind nur noch halb so hoch wie wie die Novelle des Pflanzenschutzgesetzes gezeigt beim Bevölkerungswachstum. hat, im Moment nicht praktikabel. Die Bundesregie- rung hätte sich an den Erfahrungen der Länder kri- Die weltweite Versorgungslage ist zeitweise orientieren sollen, die größtenteils längst Entschädi- tisch. Das ruft nun wieder diejenigen auf den Plan, gungen zahlen. Aber das war wohl politisch nicht ge- die dies als Rechtfertigung für eine weitere Intensi- wollt. Die Finanzierung scheitert ja lediglich daran, vierung der Produktion sehen. Das war die Strategie (Ulrich Heinrich [F.D.P.]: Weil die Länder der letzten 40 Jahre, und sie hat da auch funktioniert. zahlen müssen!) Diese Rechnung wird aber zukünftig nicht mehr auf- gehen, aus vielerlei Gründen, die ich hier im einzel- daß der Streit darum, woher das Geld kommen kann, nen sicherlich nicht aufführen kann. In den meisten nicht beigelegt werden kann. - Ländern müssen die Bauern feststellen, daß bereits die maximal mögliche Düngemenge eingesetzt wird. (Ulrich Heinrich [F.D.P.]: Natürlich!) Weitere technische Fortschritte in der Ausnutzung Es sollte uns allen ungeheuer peinlich sein von Düngung und bei der Auswahl verbesserter Sor- ten und optimierter Anbauverfahren erlauben viel- (Ulrich Heinrich [F.D.P.]: Ja, Ihnen!) leicht noch eine gewisse Ertragsverbesserung. Wich- tiger erscheint in den armen Ländern die Sicherung - so meine ich, Herr Heinrich -, daß dies auf dem einer genügend großen Eigenversorgung, trotz Frei- Rücken der Landwirte und zum Schaden eines fo rt handel, Agrobusineß und Lebensmittelhilfen. Ange- -schrittlichen Naturschutzes ausgetragen wird und sichts der prekären Lage müssen wir schleunigst dar- Bund und Länder sich hier gegenseitig den Schwar- zen Peter zuschieben. über nachdenken, wie wir unsere Verantwortung hier wahrnehmen. (Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU/ CSU) (Beifall bei der SPD) Wir haben, Herr Carstensen, dazu im vergangenen Lassen Sie mich ein Letztes sagen: Agrarpolitik ist Jahr verschiedene Vorschläge diskutiert; denn wir keine Lobbypolitik für die Landwirtschaft mehr al- sehen durchaus noch Posten im Haushalt, aus denen lein. Sie muß sich zur Politik für den ländlichen Raum wir Naturschutzauflagen bedienen könnten. Hierzu und den bäuerlichen Landwirtschaftsbetrieb entwik- bedarf es aber noch der konkreten Abstimmung mit keln, wenn sie ihre Existenzberechtigung für die Zu- den anderen Resso rts. Sie sehen, wir machen Ernst kunft erhalten will. mit der Verzahnung der verschiedenen Politikberei- (Zuruf des Abg. Günther Bredehorn [F.D.P.]) che, auch wenn es manchmal - das gebe ich zu - schwerfällt. - Ich habe da ein paar andere Vorstellungen als Sie. Künftige Förderungen in der Europäischen Union Wenn ich mir anschaue, wer in Ihren Reihen alles müssen prinzipiell folgende Bedingungen erfüllen - Agrarpolitik macht, muß ich feststellen, daß wir da ich nenne vier -: Die knappen öffentlichen Mittel wahrscheinlich unbefangener als Sie sind. müssen vorrangig einen Beitrag zur Verbesserung ei- Manche werden das wohl erst begreifen, wenn wir ner umweltverträglichen Produktionsweise leisten. keine - ich gebrauche diesen Reizbegriff ganz be- Sie müssen zur Erhaltung von Arbeitsplätzen dienen wußt - bäuerliche Landwirtschaft mehr haben. Land- bzw. Beschäftigung sichern und zur Verbesserung wirte, Verbraucher, Naturschützer und die Men- der Wettbewerbsfähigkeit in Produktion und Ver- schen, die die ländlichen Räume bewohnen, müssen marktung einen Beitrag leisten können und damit di- sich gleichfalls in der Agrarpolitik wiederfinden. Wir rekt Investitionen zur Erhaltung und zum Ausbau müssen Agrarpolitik als Gesellschaftspolitik verste- ländlicher Wertschöpfung und Beschäftigung ansto- hen, nicht nur als Wirtschaftspolitik. ßen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne ten der CDU/CSU und der Abg. Lisa Peters Nicht zuletzt müssen sie den künftigen WTO-Bedin- [F.D.P.]) gungen genügen, dürfen also nicht mehr allein an die Produktion gebunden werden. Nur so können wir möglichst viele für den Erhalt von (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Ul rike Landbewirtschaftung in der derzeitigen Form verant- Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) wortlich machen und den Landwirten in schwierigen Zeiten eine breite Solidarität erhalten. Die gesell- Meine Damen und Herren, bei allem Verständnis schaftspolitische Komponente von Landwirtschaft für die Probleme der Landwirtschaft in Deutschland und Agrarpolitik kommt im parlamentarischen Ta- und der EU gibt es eine andere große Aufgabe, die gesgeschäft, so scheint es, zu kurz gegenüber der Re- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22247 Horst Sielaff gelung von Detailfragen, die oft nur landwirtschaftli- Landwirtschaft. Das konnten wir Ihrer Rede gerade che Insider betreffen. noch einmal entnehmen. Ich möchte Ihnen den Dank des Hauses aussprechen. Ich habe mich in meiner Funktion auch als Vermitt- ler zwischen Landwirtschaft und Gesellschaft ver- (Beifall im ganzen Hause) standen. Ich hoffe, trotz mancher Kritik und unter- schiedlicher Einstellung zu dem einen oder anderen Ich habe Ihnen einmal auf einer Reise versprochen, Problem haben auch Sie dieses durchaus so gesehen. Sie im Plenum mit dem Titel Hodscha anzureden, den Sie sich damals in Samarkand ehrlich erworben (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ hatten. Ich möchte das bei dieser Gelegenheit aus- DIE GRÜNEN sowie des Abg. Günther Bre- drücklich nachholen. dehorn [F.D.P.]) (Heiterkeit und Beifall im ganzen Hause) Zum Schluß gibt es vielen zu danken. Ich danke den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ministeri- Dieses vorausgeschickt gebe ich das Wo rt dem Ab- ums, die uns intensiv zugearbeitet haben. Der Mi- geordneten Egon Susset. nister und der Staatssekretär haben in den Ausschüs- sen umfangreiche Berichte abgegeben und waren je- Egon Susset (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Prä- derzeit offen für unsere Anliegen. sident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst herzlichen Dank für die Dankesworte, die Mein besonderer Dank gilt natürlich den Aus- durch den Minister und den Kollegen Sielaff ausge- schußmitgliedern. Wir haben - wie übrigens auch im sprochen wurden. Plenum - oft ha rt und heftig um die Belange der Landwirtschaft gestritten. Ich denke aber gerne Wenn in der Öffentlichkeit über Landwirtschaft ge- daran zurück, weil der Streit um die Sache, so meine sprochen wird, dann geschieht dies in der Regel pau- ich, immer fair war. Das war auch ein Verdienst der schal. Aber mit dem vorliegenden Agrarbericht der Ausschußvorsitzenden, wofür ich ihnen danke. Bundesregierung haben wir wieder ein hervorragen- Ebenso danke ich den Ausschußmitarbeitern. des Werk zur detaillie rten Analyse der wirtschaftli- chen Situation der deutschen Landwirtschaft zur Ver- Zwei Ausschußmitglieder möchte ich namentlich fügung. Er ist nicht bloß Ritual, sondern verläßlicher nennen. Lieber Egon Susset, lieber Günther Brede- Gradmesser der Entwicklung für agrarpolitische Ent- horn, wir haben nun einige Zeit Verantwortung für scheidungen. Auch deshalb möchte ich allen - von unsere jeweiligen Fraktionen getragen. Da gab es Testbetrieben bis zu den Mitarbeiterinnen und Mitar- manche Gespräche, heftige Diskussionen und hartes beitern in den Ministe rien - danken, die diese Fleiß- Ringen um die Sache. Aber, ich glaube, wir sind uns aufgabe jedes Jahr leisten. immer mit großem, gegenseitigem Respekt begeg- net. Auch das ist nicht überall selbstverständlich. Der Bericht - das wurde schon gesagt - weist für Deshalb möchte ich das hier ausdrücklich vermer- den Durchschnitt der landwirtschaftlichen Betriebe ken. eine Einkommenssteigerung von 3,4 Prozent aus. Da- bei sind in den verschiedenen Produktionsbereichen Ich möchte meiner eigenen Fraktion Dank ausspre- große Unterschiede zu verzeichnen. Der Gewinnan- chen, die mir diese Funktion übertragen und ihr Ver- stieg ist vor allem auf die gestiegenen Umsatzerlöse trauen geschenkt hat. Sie werden Verständnis dafür in der Schweine- und Geflügelhaltung sowie im haben, daß ich ganz besonders den Mitgliedern der pflanzlichen Bereich bei Getreide und Zuckerrüben SPD-Fraktion und ihren Mitarbeitern danke, die mir zurückzuführen. Bedenklich sind die Einkommens- in meiner Arbeitsgruppe Ernährung, Landwirtschaft verluste bei Milch- und Rindfleischprodukten. Die und Forsten in schwierigen Zeiten solidarisch Frei- Futterbaubetriebe sind sowohl von den gesunkenen raum gaben und manches mitgetragen haben, was Milchpreisen als auch vom BSE-bedingten Preisver- nicht ihren Vorstellungen entsprach. Aber, ich fall beim Rindfleisch besonders ha rt getroffen. glaube, wir sind gut miteinander ausgekommen. Ich bedanke mich ausdrücklich für diese Solidarität. In den neuen Ländern ist die Situation laut Agrar- bericht sehr unterschiedlich. Rückläufige Umsatzer- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) löse in der Pflanzenproduktion haben sich insbeson- Ich hoffe, daß die Agrarpolitik ein wichtiges Thema dere in Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und deutscher Politik bleibt. Ich möchte den künftigen Thüringen negativ ausgewirkt. Agrarpolitikern viel Glück und viel Unterstützung Im Bereich der Sonderkulturen haben die Wein derGesellschaft wünschen. - und Gartenbauern einen guten Gewinnanstieg ver- Ich danke für die Aufmerksamkeit. zeichnen können. Aber gleichzeitig muß man in die- sem Zusammenhang feststellen, daß der Anbau von (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem Sonderkulturen ohne den Einsatz ausländischer Sal- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der F.D.P.) sonarbeitskräfte in Deutschland zusammenbrechen würde. Herr Kollege Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: (Siegfri Sielaff, der Landwirtschaftsminister hat Ihre Verdien- ed Hornung [CDU/CSU]: Das ist traurig!) ste in diesem Hause schon dargestellt. Sie gehören dem Bundestag immerhin seit 1980 an. Sie haben die Deshalb sollte sich jeder für die Zukunft die damit Interessen Ihres Wahlkreises Frankenthal ebenso verbundenen Konsequenzen vor Augen führen. Viele fair, sachlich und engagiert vertreten wie die der Betriebe, wertvolle Kulturlandschaften, aber auch 22248 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Egon Susset viele Arbeitsplätze im verarbeitenden Bereich gingen von Unter-Einstandspreisverkäufen, die Einführung verloren, wenn diese Arbeit nicht geleistet würde. des Roß-und-Reiter-Prinzips sowie weitere Maßnah- Wir haben festgestellt, daß die anfallende Arbeit men mit deutschen Arbeitnehmern allein - soweit man (Horst Sielaff [SPD]: Unsere Anträge!) das bis jetzt absehen kann - nicht bewältigt werden kann. stärken entscheidend einerseits den Absatz von land- wirtschaftlichen Produkten zu fairen Preisen und an- (Beifall bei der CDU/CSU - Ulrich Heinrich dererseits die Position der überwiegend mittelstän- [F.D.P.]: Soziale Hängematte!) disch geprägten Ernährungswirtschaft auf dem Im laufenden Wirtschaftsjahr setzt sich - das freut Markt. uns - der positive Trend insgesamt fo rt. Die Gewinne (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) der Haupterwerbslandwirte werden voraussichtlich um 1 bis 4 Prozent steigen. Höhere Erlöse sind bei Was man aber durch die Verbesserung von wirt- Getreide, Ölsaaten und Kartoffeln sowie bei Rind- schaftlichen Rahmenbedingungen erreicht, kann fleisch und Milch zu erwarten. man durch überzogene umwelt- und ordnungspoliti- sche Maßnahmen wieder einbüßen. Ich glaube, ein Ebenso wie die übrige Wi rtschaft kann die Politik Paradebeispiel dafür - Herr Kollege Sielaff, ich habe auch für die Agrarwirtschaft natürlich nur Rahmen- zwar wenig Zeit, komme aber trotzdem jetzt kurz zu bedingungen gestalten. Dies sollte jedem immer be- Ihnen - ist die Umsetzung der FFH-Richtlinie. Die wußt sein. Wir wissen, daß sich unsere Landwirte von uns geforderte Ausgleichsregelung ist doch und die Erwerbstätigen in der Ernährungswirtschaft mehr als gerecht. Staatlich auferlegte Nutzungsbe- gegenüber den Kollegen aus dem Landwirtschafts- schränkungen von land- und forstwirtschaftlichem bereich der übrigen EU-Mitgliedstaaten behaupten Besitz bedeuten wirtschaftliche Verluste für den ein- müssen. Unsere Landwirte stellen sich dieser Her- zelnen Betrieb. Wir respektieren das Bodeneigentum. ausforderung. Ihre hervorragende Ausbildung ist die Die Landwirtschaft hat keinen Nachhilfeunterricht in Voraussetzung für eine effiziente Unternehmensfüh- Naturschutz nötig. Wir betonen, daß der Schutz von rung. Ihr unternehmerischer Geist sorgt auch für Boden, Luft und Wasser ureigenes Interesse der qualitativ hochwertige Produkte und einen markt- Landwirte selbst ist. orientierten Absatz. Ihre bet riebswirtschaftlichen Fä- higkeiten nutzen sie zum einen zur kostengünstigen Lieber Kollege Sielaff, die SPD treibt in dieser Produktion und zum anderen dazu, neue Einkom- Frage eigentlich ein etwas durchsichtiges Spiel. mensquellen außerhalb der Landwirtschaft zu er- schließen. (Horst Sielaff [SPD]: Liegt mir doch gar nicht!) Aber die Politik darf unsere Landwirte nicht allein lassen. Zusammen mit der Bundesregierung hat die - Ich habe die SPD angesprochen, nicht unbedingt CDU/CSU-Bundestagsfraktion, haben die Koaliti- Herrn Sielaff. onsfraktionen die Bedingungen für unsere Landwirt- schaft kontinuierlich verbessert. Mit der Erhöhung (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Er gehört aber der Durchschnittsätze für die Vorsteuer der Forst- dazu!) und Landwirtschaft ab 1. Juli ist es uns gelungen, die - Er gehört dazu, ja, das werde ich überhaupt nicht erhöhte Vorsteuerbelastung auszugleichen. bestreiten. Die Anpassung der Vieheinheitenstaffel verschafft Im Ernährungsausschuß wird der Ausgleich aner- unseren wachstumswilligen Veredlungsbetrieben kannt, aber nachher im Plenum und im Bundesrat mehr Luft für die Betriebsentwicklung. Der umwelt- gerechte Viehbesatz je Hektar und die Düngung lehnt man dies ab. nach der guten fachlichen Praxis werden wie bisher (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Doch nur, weil durch die Düngeverordnung garantiert. Folglich die Länder das bezahlen sollen!) kann das Argument, hier würde gegen Umweltbe- stimmungen verstoßen, nicht zum Tragen kommen. Wer wie SPD und Grüne die Landwirtschaft - und solche Reden wurden hier gehalten - in eine Mu- Die Einführung des Euro ist nun beschlossene Sa- seumslandwirtschaft umwandeln will, der gefährdet che. Die Landwirtschaft hat schon lange auf eine ein- die Existenz vieler bäuerlicher Bet riebe und vernich- heitliche Währung in Europa gedrängt. Mit dem tet viele Dauerarbeitsplätze im ländlichen Raum. Wegfall der währungsbedingten Agrarpreissenkung und der Wechselkursrisiken steigen die Chancen der (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - deutschen Landwirtschaft. Man darf nicht vergessen, Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Bauen daß 70 Prozent des deutschen Agrarexports im Wert Sie doch keinen Popanz auf!) von etwa 40 Milliarden DM in andere EU-Länder ge- hen. Die Bundesrepublik ist nach wie vor der viertgrößte Agrarexporteur, und jeder achte Arbeitsplatz hängt Die Arbeit und die Produkte unserer Landwirte von der Agrarwirtschaft und allen Zweigen, die da- sind jedoch nichts wert, wenn die Produkte nicht ver- mit verbunden sind, ab. Deshalb ist das auch ein Ar- kauft werden können. Deshalb haben wir durch beitsmarktproblem. nachhaltiges Drängen eine Änderung des Kartell- rechts erreicht. Die Erleichterung von Kooperationen, (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - die Beibehaltung der Abwägungsklausel, das Verbot Horst Sielaff [SPD]: Einverstanden!) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22249

Egon Susset Seit März dieses Jahres liegen die Vorschläge der gen. Dafür drücke ich Ihnen persönlich meinen Dank Kommission zur künftigen Orientierung der gemein- und Respekt aus. Aber mit Ihrer Presseerklärung zur samen Agrarpolitik in der Agenda auf dem Tisch. Agenda 2000 unter dem Titel „Fischler mit guten An- Wir sagen ja zu Reformen do rt, wo sie notwendig und sätzen - Borche rt in der Sackgasse" geben Sie natür- sinnvoll sind. Wir sagen aber nein zu unnötigem und lich der Wahrheit nicht die Ehre. hektischem Aktionismus, und wir sagen nein zur Ab- kehr von den bewährten Prinzipien der gemeinsa- Herrn Schröders einzige mir bekannte agrarpoliti- men Agrarpolitik. Das heißt für uns: Insbesondere sche Äußerung ist die, Herr Funke sei der beste die Brüsseler Politik für Rindfleisch und Milch kann Landwirtschaftsminister Deutschlands. Das sollte so nicht hingenommen werden. wohl eine humoristische Einlage sein. Das ist ge- nauso, als wenn Sie einen Lada zum Auto des Jahres (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) wählen würden.

Die EU hat sich trotz unseres langjährigen Drän- (Heiterkeit bei der CDU/CSU und F.D.P.) gens auf eine Stabilisierung des Rindfleisch- und Milchmarktes und gegen die anhaltenden Einkom- Ich kann ja verstehen, daß Sie in Zeiten des Wahl- mensverluste der Futterbaubetriebe stur und taub kampfs Ihren populistischen Neigungen nachgeben. gestellt. Die jetzigen Vorschläge für Milch und Rind- fleisch führten auf jeden Fall bei der Bullenmast und Meine Redezeit ist zu Ende. Ich möchte namens der Milcherzeugung zu existenzgefährdenden Ein- der CDU/CSU-Fraktion erklären, daß die Agrar- kommensverlusten. So sind die beabsichtigte Sen- wirtschaft auch künftig die günstigen Voraussetzun- kung der Stützpreise für Butter und Magenmilchpul- gen des Agrarstandorts Deutschland wird optimal ver um 15 Prozent sowie die gleichzeitige EU-weite nutzen können. Wir werden die Weiterentwicklung Aufstockung der Milchquoten um durchschnittlich der Betriebe unterstützen und eine flächendek- 2 Prozent geradezu widersinnig. kende Landbewirtschaftung auch in Zukunft ermög- lichen. Wenn der Kollege Sielaff soeben der Bundesregie- rung und uns vorgeworfen hat, in der Milchquoten- Ich möchte zum Schluß noch einige Anmerkungen politik keine Änderungen herbeigeführt zu haben, machen. Es wurde heute schon darauf hingewiesen: (Horst Sielaff [SPD]: Keine Konzepte gehabt Nach 29 Jahren verlasse ich das Parlament. Ich hatte zu haben!) in dieser Zeit vierundzwanzigmal die Gelegenheit, zum Agrarbericht der Bundesregierung erst als Op- so muß ich Ihnen sagen: Die Konzepte sind da. Aber positionsredner und in den letzten 16 Jahren als Ko- wir wissen - und das hat gestern auch die Diskussion alitionsredner zu sprechen. Einer meiner Nachfolger mit Herrn Fischler bewiesen -: Solange man in der in Berlin wird das ebenfalls als Vertreter der Regie- Europäischen Union nicht bereit ist, die Milchquote rungskoalition tun. von der Bodenbindung zu lösen, so lange kann man all das, was heute an Vorschlägen auf dem Tisch (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU liegt, und der F.D.P. - Lachen bei der SPD - Horst Sielaff [SPD]: Wünsche kann man äußern!) (Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Hat er nicht gesagt!) Wir haben zusammengearbeitet. Ich möchte mich herzlich bei allen bedanken, bei den Mitarbeiterin- nicht rechtskräftig durchsetzen. nen und Mitarbeitern des Bundestages, der Ministe- (Zustimmung bei der CDU/CSU und der rien, der Fraktionen und auch meines eigenen Büros. F.D.P. - Günther Bredehorn [F.D.P.]: So, wie Mein Wunsch ist, daß es auch in den künftigen Le- die Grünen es wollen, geht es nicht!) gislaturperioden genügend engagierte Frauen und Männer geben möge, für die Agrarpolitik und Politik Wir fordern eine Abkehr von der existenzvernichten- für den ländlichen Raum eine Angelegenheit ist, für den Preispolitik, und wir fordern die Fortführung der die es sich lohnt, mit heißem Herzen und kühlem Milchquotenregelung über das Jahr 2000 hinaus. Verstand und mit Leidenschaft zu kämpfen. Denn (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Von unsere Landwirte, die Frauen und Männer, die Land- wem fordern Sie das?) jugend und die Bewohner des ländlichen Raums ha- ben die Unterstützung verdient. Sofern die Kommission weiter vorschlägt, daß die Gewährung von Ausgleichszahlungen an die Erfül- Ich bedanke mich. lung zusätzlicher Umweltauflagen geknüpft werden kann, ist dies nicht nur ein System-, sondern auch ein (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P., der Wortbruch gegenüber unseren Landwirten. Aber in SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) diese Richtung gehen ja bekanntlich auch die Vor- stellungen von SPD und Grünen, welche die gesamte Agrarförderung an die Erfüllung umweltorientierter Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Herr Kollege Mindeststandards durch die Bauern gebunden sehen Susset, auch Ihre Verdienste hat Minister Borche rt wollen. schon gewürdigt. Sie gehören dem Hause, wie Sie selber eben gesagt haben, seit 1969, also seit 29 Jah- Herr Kollege Sielaff, wir haben lange Jahre im Er- ren an. Sie haben sich - das muß auch jemand sagen, nährungsausschuß manche Entscheidung im Inter- der nicht in der Landwirtschaftspolitik tätig ist - mit esse der deutschen Landwirtschaft gemeinsam getra- Ihrer Arbeit in allen Fraktionen Anerkennung, Re- 22250 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch spekt und - das will ich hinzufügen - auch Zunei- Angesichts dessen, daß 80 Prozent der „Subventio- gung erworben. Ich möchte Ihnen den Dank des nen" bei nur 20 Prozent der Betriebe ankommen, Hauses aussprechen. kann man sich ungefähr ausrechnen, in welcher Si- tuation die Betriebe - auch die mittleren Bet riebe, die (Beifall im ganzen Hause) bis vor kurzem noch für wachstumsfähig gehalten Damit gebe ich das Wort der Abgeordneten Ul rike wurden - inzwischen sind. Die Bundesregierung hat Höfken. nichts getan, eine höhere Wertschöpfung für die Landwirtschaft zu erreichen. Ganz im Gegenteil: (Lisa Peters [F.D.P.]: Das ist keine Ab- Schaut man sich die Gemeinschaftsaufgabe an, stellt schiedsrede! - Günther Bredehorn [F.D.P.]: man fest, daß immer es mehr Absenkungen ohne Leider nicht!) Konzept gegeben hat.

Was wir fordern, ist eine Effektivierung und eine Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und vernünftige Förderung, um das zu erreichen, was Herren! Herr Kollege Sielaff, Herr Kollege Susset, man erreichen kann, nämlich eine Abschöpfung der Herr Kollege Bredehorn, wir werden Sie im Ausschuß Nachfrage nach qualitativ hochwertigen, auch ökolo- vermissen. Sie werden uns bei der Arbeit fehlen. Ich gischen Produkten. möchte mich auch persönlich für die gute Zusam- (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Das macht menarbeit bedanken. Ich hoffe, daß es in der näch-- sten Sitzung des Ausschusses noch eine Gelegenheit die Landwirtschaft doch schon die ganze geben wird, sich zu verabschieden. Zeit!) Erstens. Die Agenda 2000 ist ja ein richtiges Wahl- Es ist doch zu sehen, daß uns inzwischen die Nach- kampfgeschenk für die Bundesregierung und Mi- barländer davonlaufen: Dänemark, Schweden, nister Borchert. Etwas Besseres hätte wirklich nicht Österreich usw. Frankreich geht in die Offensive. passieren können. Sie lenkt von dem Desaster ab, Nur Deutschland schläft weiter vor sich hin und läßt wie es im Grunde auch im Agrarbericht dargestellt aus reiner ideologischer Verblendung zu, daß diese ist. Denn auch ohne die Agenda und ihre Wirkungen interessanten Märkte mit der Möglichkeit, höhere Er- mit allen möglicherweise negativen Folgen ist die Bi- zeugerpreise zu erzielen, von anderen abgeschöpft lanz furchterregend, fahren die Bauern mit ihren Be- werden. trieben sozusagen an die Wand. (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Quatsch!) (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Schuld sind nur die Grünen!) Inzwischen zahlt eine Durchschnittsfamilie 1500 Immer mehr landwirtschaftliche Bet riebe geben DM pro Jahr an Agrarsubventionen. Würde dieses auf und machen dicht; von 1990 bis 1996 über 20 Pro- Geld über höhere Erzeugerpreise an die Bauern ge- zent. 40 bis 50 Bet riebe am Tag, das kann doch keine geben, hätten alle etwas davon: die Steuerzahler, die Erfolgsbilanz sein. Verbraucher und auch die Landwirte. Aber es gibt überhaupt keinen Ansatzpunkt, eine solche Entwick- Zweitens. Die Einkommensentwicklung: Selbst lung einzuleiten und einen wirklichen Markt zu wenn es jetzt in einigen Bereichen positive Entwick- schaffen. Auch wenn das jetzt in den Punkten, Herr lungen gegeben hat, so ist - das Jammern ist ja nicht Minister Borche rt, die Sie genannt haben, gefordert zu überhören - die Mehrzahl der Beschäftigten ge- wird: Eine solche Entwicklung einzuleiten bleibt messen an dem Arbeitseinsatz, der pro Arbeitskraft reine Theorie. geleistet wird, deutlich unterbezahlt und weit von dem gewerblichen Vergleichslohn entfernt. Viertens. Arbeitsplätze: 550 000 Arbeitsplätze sind in den letzten sieben Jahren abgebaut worden. Was (Beifall bei der SPD) jetzt noch erschwerend dazukommt: Wir erleben ei- Im Grunde ist es doch so, daß viele nicht mehr be- nen Abbau der noch vorhandenen regulären Arbeits- kommen, als sie durch Sozialhilfe bekämen, würden plätze in der Landwirtschaft zugunsten von Saisonar- sie denn ihre Stundenlöhne wirklich einmal ausrech- beitsplätzen und zugunsten von immer mehr i llegaler nen. Herr Geißler hat heute morgen von Kombilöh- Beschäftigung. Spargelkriege gibt es inzwischen. nen gesprochen. Ich glaube, das würde auf die Land- Nicht daß wir uns mißverstehen: Wir sind absolut da- wirtschaft zutreffen. gegen, daß man Arbeitslose zu Zwangsarbeit auf den Feldern verdonnert. (Ulrich Heinrich [F.D.P.]: Leider Gottes!) Ein großer Teil der Bet riebe lebt von der Substanz, (Ulrich Heinrich [F.D.P.]: Ein bißchen Lei wie ebenfalls dem Agrarbericht zu entnehmen ist. stung wäre nicht schlecht!) Drittens. Erzeugerpreise: Minus 23 Prozent seit Aber diese Bundesregierung hat doch die Verantwor- 1991; die Betriebsmittelpreise sind aber dafür um tung dafür, daß Arbeitskräfte inzwischen unbezahl- 7 Prozent gestiegen. Inzwischen sind Subventionen bar geworden sind und daß die Landwirtschaft auf und Ausgleichszahlungen eigentlich nur noch zu einem Einkommensniveau herumkrebst, das es nicht Durchlaufposten geworden, die bei den Bet rieben zuläßt, sie zu bezahlen. Das heißt, würde es hier end- kaum mehr hängengeblieben sind. Je höher die Zah- lich einmal zu einer Politik kommen, die Lohnneben- lungen, desto geringer die Erzeugerpreise. kosten senkt und Arbeit wieder bezahlbar macht, Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22251

Ulrike Höfken dann hätten wir auch eine andere Situation in der Siebtens. Zum Thema Umwelt: In den Berichten Landwirtschaft. des Landwirtschaftsministers heißt es immer, wir hät- ten in diesem Bereich eine Verbesserung erreicht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Wir stellen aber fest, daß es keine positive Ausgangs- und bei der SPD) situation gibt. Immer noch gibt es die Nitratüber- Was dazukommen muß, ist eine Unterstützung der schüsse - das ist der einzige We rt , der für die Bewer- Ausbildung und der Anleitung in diesem Bereich. tung wirklich interessie rt -, und wir müssen jährlich Dann ist es auch ein interessanter Job und Beruf, wie 1 Milliarde DM für Trinkwasserreinigung ausgeben, ich ihn selber habe. um Pestizide und Nitrat wieder aus dem Trinkwasser zu entfernen. Das ist eine absurde volkswirtschaftli- Fünftens. Verbraucher: Verbraucher profitieren che Fehlentwicklung, die es im Interesse von Um- überhaupt nicht von dieser Entwicklung, die in den welt, Steuerzahlern und Verbrauchern zu beseitigen letzten Jahren eingeleitet und unterstützt worden ist. gilt. Sie haben vordergründig weniger Ausgaben, geben (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nur noch 13 Prozent ihres Einkommens für Nah- und bei der SPD) rungsmittel aus, und das einschließlich Gaststätten- konsum. Das heißt, marginale Ausgaben nur noch Ein Wort zur Agenda. Darüber haben wir viel dis- für Lebensmittel. Aber Skandale prägen den Lebens- kutiert, und ich möchte nicht noch einmal auf alles mittelmarkt: Salmonellen, Antibiotika, BSE. Das sind im Detail eingehen. Eine Reform ist notwendig, sie alles noch ungelöste Probleme. muß vorangebracht und auch von der Bundesregie- rung unterstützt werden. Bei dieser Reform brauchen Die Bundesregierung hat keine wirklichen Konse- wir Planungssicherheit, eine tragfähige Finanzierung quenzen gezogen, die an die Ursachen gehen. Viel- und WTO-Konformität, die wir mit der „Greenbox", mehr warten wir beispielsweise immer noch darauf, also mit den Umweltstandards ausdrücklich wün- daß es eine Etikettierung des Herkunftsortes an der schen. Wir lehnen Erzeugerpreissenkungen in der Ladentheke gibt. Alles andere ist bürokratisch auf ei- vorgesehenen Form ab, weil sie nichts mit Markt, nem Weg abgewickelt, der höchste Langsamkeit ver- sondern nur etwas mit Weltmarktdumping zu tun ha- spricht. Man hätte ja der Landwirtschaft damit eine ben. Chance gegeben, regionale Produkte gut zu ver- (Horst Sielaff [SPD]: Richtig!) markten. All das ist verpaßt und vermasselt worden. Wir sind für einen schrittweisen Abbau von Sub- Sechstens. Der Tierschutz: Dazu werden wir noch ventionen und Marktordnung, um genau die Markt- eine eigene Debatte führen; einiges zu diesem gerechtigkeit, von der Herr Borche rt gesprochen hat, Thema werde ich aber schon heute sagen müssen. Es wirklich schaffen zu können. Wir sind dafür, einen ist ein Beispiel ohnegleichen von Behinderung parla- Außenschutz qualitativ zu sichern und ökologisches mentarischer Arbeit. Wir haben ein neues Tierschutz- und soziales Dumping zu verhindern. Zudem sind gesetz. wir dafür, daß im Rahmen der Agenda Arbeitsplätze (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Ein vor- geschaffen und entsprechend verankert werden. Da- bildliches!) mit meinen wir keine nominalen, sondern konkrete Änderungen in bezug auf real vorhandene Arbeits- Die Koalition blockiert mit der Verhinderung der Dis- plätze in den Betrieben. Schließlich sind wir dafür, kussion um die Aufnahme des Tierschutzes in die daß die Umweltstandards auf einem hohen Niveau Verfassung zugleich die Möglichkeit darüber, daß ausgelegt werden, so daß es in diesem Bereich das ein neues Tierschutzgesetz überhaupt zur Geltung gibt, was Herr Fischler gestern gesagt hat, nämlich gebracht werden könnte. einen Grundlevel und nicht etwa eine Wettbewerbs- verzerrung. Wenn es darüber hinaus etwas gibt, ha- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ben wir selbstverständlich nichts dagegen, aber wir und bei der SPD) sind für eine Verabschiedung von Umweltstandards Das ist eine Wählerverdummung, eine Wählertäu- durch die EU. schung. Die Mehrheit der Bevölkerung ist für die Milchquoten als letztes: Die jetzige Entwicklung Aufnahme des Tierschutzes in die Verfassung, ist fatal. Die Erhöhung der Quoten ist kontraproduk- (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Weil Sie tiv. Wir sind dafür, daß die aktiven Milcherzeuger - ihr dummes Zeug erzählen!) wie wir das nennen - wieder eine vernünftige Aus- gangsposition bekommen, daß die Kapitalbindung weil sie ihrer ethischen Verantwortung für den der Quote endgültig abgeschafft wird und daß die re- Schutz der Tiere gerecht werden will. Wir reden von gionale Bindung erhalten bleibt. Das letzte ist sicher Forschung, Kunst und Eigentum, die im Grundgesetz das Allerwichtigste, damit Grünland wieder eine Zu- stehen. Durch die Aufnahme des Tierschutzes in die kunft erhält. Wie Herr Sielaff schon gesagt hat, brau- Verfassung werden diese Grundrechte überhaupt chen wir hier - das glaube auch ich - in Zukunft ei- nicht beeinträchtigt. nen interfraktionellen Konsens, um eine positive, konstruktive Gestaltung der Agenda vorzunehmen. (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Im Tier- schutzgesetz steht alles d rin!) Danke schön. Es geht vielmehr um eine Abwägung und um eine (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Verankerung der Ethik. bei der SPD und der PDS) 22252 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich gebe dem nen. Das ist wichtiger als Ausgleichszahlungen, Sub- Abgeordneten Günther Bredehorn das Wo rt. ventionen oder Prämien.

(Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und Günther Bredehorn (F.D.P.): Herr Präsident! Liebe der CDU/CSU) Kolleginnen und Kollegen! Zunächst ein herzliches Wort des Dankes, Herr Minister, Frau Höfken, liebe Die EU-Kommission hat ihre Vorschläge zur Wei- Kolleginnen und Kollegen, für die guten Worte. terentwicklung der Agrarpolitik mit der Agenda 2000, die bei uns zur Zeit heftig diskutiert Zum Ende der 13. Legislaturpe riode und nach und auch kritisiert wird, vorgelegt. Aus meiner Sicht 18 Jahren Arbeit als Abgeordneter im Deutschen sind die Vorschläge der EU in der Agenda 2000 eine Bundestag ziehe ich eine positive Bilanz unserer Fortsetzung der Agrarreform 92 und gehen einerseits agrarpolitischen Arbeit. Unsere leistungsfähige im Grundsatz in die richtige Richtung. Landwirtschaft erzeugt hochwertige Qualitätsnah- rungsmittel und produziert umweltfreundliche Roh- (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Aber in stoffe. Sie dient der Pflege und Erhaltung der natür- vielen Punkten nicht!) lichen Lebensgrundlagen. Gesundes Wasser, gesun- der Boden und gesunde Luft gibt es nur mit einer Sie sind andererseits teilweise in sich widersprüch- funktionierenden Landwirtschaft. - lich. Positiv sind sicherlich die stärkere Marktorien- (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) tierung, die Öffnung zu den Weltmärkten, die Förde- rung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und Die Landwirtschaft erhält und gestaltet unsere viel- die verstärkten Möglichkeiten, Umweltleistungen zu fältige, in Jahrhunderten gewachsene Kulturland- honorieren, zu bewe rten. schaft. Es ist richtig und notwendig, die Subventionierung Andererseits - das muß auch gesagt werden - setzt der Produktpreise zurückzunehmen und zu mehr Di- sich der Strukturwandel fort. Mit heute 525 000 land- rektzahlungen zu kommen. Es ist nämlich nicht mehr wirtschaftlichen Bet rieben hatten wir im letzten Jahr möglich, mit dem Mittel der Agrarpreissubventionie- wieder einen Rückgang von 3 Prozent zu verzeich- rung eine zukunftsgerichtete Agrarpolitik, Struktur- nen. Im Jahr 1980, zu Beginn meiner Tätigkeit, hat- politik, Regionalpolitik und Sozialpolitik für unsere ten wir noch rund 800 000 Betriebe in Deutschland. Bauern und den ländlichen Raum zu gestalten. Auf Die Zahl der Vollerwerbsbetriebe ging in dieser Zeit der anderen Seite fehlt die ordnungspolitische Ge- von rund 390 000 auf 220 000 zurück. radlinigkeit in den Vorschlägen, insbesondere durch die Vielzahl von Ausgleichszahlungen und Prämien. (Horst Sielaff [SPD]: Und ihr ward an der Allein bei der Milchkuhprämie gibt es vier verschie- Regierung! - Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Und dene Varianten. Dies führt zu noch mehr Bürokratie wer hat regiert?) und Kontrollaufwand. Hier bedarf es noch erhebli- cher Korrekturen. Ich sage hier auch ganz klar: Dieser Strukturwandel wird sich auch im nächsten Jahrhundert fortsetzen. Eine Totalverweigerung nützt allerdings nichts. Er hat ohne große Verwerfungen und sozialverträg- Die Bundesregierung, vertreten durch Bundesmi- lich stattgefunden. Auch das ist sicherlich eine Folge nister Jochen Borche rt, sollte mit klaren Forderungen unserer vernünftigen Agrarpolitik. und Zielen in die Verhandlungen gehen, um Mehr- Die Landwirtschaft in Deutschland und in Europa heiten zu finden. Dabei hat die Bundesregierung un- steht an der Schwelle zum 21. Jahrhundert vor gro- sere Unterstützung. ßen Herausforderungen. Die Öffnung der EU für die mittel- und osteuropäischen Staaten sowie die ab (Beifall des Abg. Peter Harry Carstensen 1999 stattfindende zweite WTO-Runde wird zu einer [Nordstrand] [CDU/CSU]) weiteren Liberalisierung der Agrarmärkte führen. Die Reform ist notwendig, um die weitere europäi- Die Globalisierung ist bereits heute Realität. Sie birgt Risiken; vor allem bietet sie aber auch Chancen. sche Integration durch die EU-Osterweiterung zu Wir haben das schon in der Debatte heute morgen verwirklichen und bei der nächsten Runde der WTO gehört. Verhandlungen positive Ergebnisse für unsere Land- wirtschaft zu erreichen. Beide Prozesse können mei- (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne- nes Erachtens nur mit einer rechtzeitigen Anpassung ten der CDU/CSU) der Rahmenbedingungen landwirtschaftlicher Erzeu- gung beantwortet werden, zu der im wesentlichen Die deutsche und die europäische Agrarwirtschaft die Stärkung der marktwirtschaftlichen Ausrichtung müssen sich aktiv beteiligen, denn es geht um der Landwirtschaft gehört. Marktanteile. Ich bin fest davon überzeugt, daß un- sere gut ausgebildeten unternehmerischen Land- Zukünftige liberale Agrarpolitik will den weiteren wirte die Chancen nutzen werden. Wir sollten unsere Abbau von Protektionismus, staatlichen Interventio- künftige Agrarpolitik deshalb rechtzeitig auf diese nen und subventionierten Agrarexporten. Die Förde- Entwicklung ausrichten. Unsere Landwirte brauchen rung der Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der Planungssicherheit, damit sie rechtzeitig handeln landwirtschaftlichen Bet riebe hat für uns höchste und ihre betrieblichen Entscheidungen treffen kön- Priorität, denn Landwirtschaft hat Zukunft. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22253

Günther Bredehorn Der Bereich der Nahrungsmittelproduktion ist ei- müssen wir einmal deutlich sagen; das wird auch in ner der wichtigsten und sichersten Wachstums- der Politik teilweise noch gar nicht so richtig wahrge- märkte in der Welt. nommen. (Beifall der Abg. Lisa Peters [F.D.P.]) Ich will kurz auf die Milchquotenregelung einge- hen. Sie kennen alle meine Meinung, daß sie ihr Ziel Die Weltbevölkerung heute mit knapp 6 Milliarden nicht erreicht hat. Menschen wird im Jahr 2020 auf zirka 8 Milliarden Menschen angewachsen sein. Jährlich werden mehr (Beifall des Abg. Dr. Gerald Thalheim als 80 Millionen Menschen zusätzlich ernährt wer- [SPD]) den. Der Getreideverbrauch wird in den nächsten Jahren drastisch steigen. Der Fleischverbrauch Die seinerzeit verkündete Philosophie „Mengen run- wächst zur Zeit jährlich um 3 Prozent. Bei der Milch ter, Preise rauf" hat sich als Flop erwiesen. Wir sollten rechnet man in den nächsten Jahren mit einer welt- nicht weiterhin den Eindruck erwecken - das wird weiten Zunahme des Verbrauchs um 25 bis 35 Millio- immer noch von allen Seiten gemacht -, daß wir mit nen Tonnen. Der wachsende Bedarf kann nur durch einer Mengenregulierung oder mit dieser Garantie- eine effiziente, moderne Agragproduktion gedeckt mengenregelung die Herausforderungen der Zu- werden. Da landwirtschaftliche Nutzflächen nicht kunft bewältigen werden. mehr vermehrbar sind, ist in den nächsten 20 Jahren (Horst Sielaff [SPD]: Es ist schon interessant, nach Aussagen von Experten ein Produktivitäts- - was da herauskommt!) zuwachs von 50 Prozent notwendig. Der steigende Verbrauch wird vor allem aus Regionen bedient Ich kann nur hoffen, daß sich Bundesminister Bor- werden, die durch Nutzung der Biotechnologie, chert mit seinen Bemühungen, eine Korrektur und durch technisch-organisatorische Fortschritte und Neugestaltung der Milchquotenregelung zugunsten durch strukturelle Verbesserungen Produkte zu der aktiv melkenden Landwirte zu erreichen, in Brüs- niedrigen Kosten in hoher Qualität produzieren kön- sel durchsetzen kann. Das ist ja auch Grundlage des nen. F.D.P.-Modells vom Mai 1996. Deutschland ist von den natürlichen Voraussetzun- (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Aber mit gen her ein hervorragender Agrarstandort: Wir ha- einer Mengenregelung!) ben ein günstiges Klima, guten Boden und immer ge- nügend Wasser. Wir sollten diesen Vorteil nicht durch Er hat dabei unsere volle Unterstützung. Ich werde flächendeckende Extensivierung oder durch Flä- mich persönlich auch weiterhin immer dafür einset- chenstillegungen aufgeben. zen, daß mittelfristig in diesem Bereich wieder mehr Marktwirtschaft herrscht. (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der CDU/CSU) (Horst Sielaff [SPD]: Dann können Sie unse ren Antrag unterstützen!) Es ist meines Erachtens überhaupt nicht zu verant- worten, hier freiwillig Marktanteile aufzugeben. Des- Die Politik sollte eigentlich schon heute das klare Si- halb ist aus meiner Sicht der Vorschlag in der gnal setzen, daß diese Milchquotenregelung, die nun Agenda 2000, die obligatorische Flächenstillegung wahrlich keine Erfolgsstory ist, spätestens im Jahre auf null zu senken, zu begrüßen. 2006 ausläuft. Wenn wir wollen, daß die deutsche Land- und (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und Agrarwirtschaft von der allgemein erwarteten positi- der SPD) ven Weltmarktentwicklung profitiert, müssen wir und die EU bei den kommenden WTO-Verhandlun- Das derzeitige System der Ausgleichszahlungen, gen die Interessen der deutschen und europäischen das durch die Vorschläge der Agenda 2000 noch wei- Agrarwirtschaft offensiv vertreten und dafür sorgen, ter ausgebaut wird, ist an den Anbau bestimmter Pro- daß Handelshemmnisse auf den Weltmärkten abge- dukte oder die Haltung von Tieren gebunden. Auch baut werden. Ein entscheidendes Kriterium für den hier sollten wir uns überlegen, ob im Rahmen der Erfolg auf den Weltmärkten wird die Verbesserung Fortentwicklung der europäischen Agrarpolitik nicht der Wettbewerbsfähigkeit sein. Es muß sich dann alle Flächen- und Tierprämien in eine produktions- zeigen, ob wir uns in Zukunft auch ohne Ausfuhrsub- unabhängige Einheitsprämie je Hektar landwirt- ventionen auf den Märkten behaupten können. schaftlicher Fläche überführt werden könnten. Die Gewährung einer solchen flächenbezogenen Trans- Aber auch auf dem Binnenmarkt wird durch die ferzahlung wäre ein Ausgleich für die in der EU be- zunehmende Marktöffnung der Wettbewerb stärker. sonders hohen Umweltanforderungen an die Agrar- Die deutsche Landwirtschaft hat in den letzten Jah- produktion. Mit unserem deutschen Pflanzenschutz-, ren leider teilweise Marktanteile verloren. Daher ist Naturschutz-, Düngemittel-, Tierschutz- und Boden- es eine wichtige Aufgabe deutscher Agrarpolitik, die schutzgesetz und den entsprechenden Verordnun- Veredelungsproduktion in Deutschland zu sichern. gen haben wir einschneidende kostentreibende Re- In der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft gelungen zum Schutze der Menschen und der natür- und in den ihr vor- und nachgelagerten Bereichen lichen Ressourcen getroffen. Die Vorteile für die Le- werden über 12 Prozent des Bruttoinlandsproduktes bensqualität unserer Verbraucher auf der einen Seite erwirtschaftet und sind 4,2 Millionen Menschen be- bringen auf der anderen Seite erhöhte Kosten für die schäftigt. Das heißt, jeder achte Arbeitsplatz in Landwirtschaft mit sich. Von daher ist ein gewisser Deutschland ist in diesem Bereich angesiedelt. Das Außenschutz auch in Zukunft notwendig. 22254 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Günther Bredehorn Eine wichtige Aufgabe der Agrarpolitik im näch- - den herzlichen Dank des Hauses aussprechen. sten Jahrzehnt muß es sein, den ländlichen Raum Danke schön. funktionsfähig zu erhalten und fortzuentwickeln. - Ich möchte das jetzt ein wenig abkürzen. - Dazu ha- (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem ben wir die verschiedenen Förderungsmöglichkeiten BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der F.D.P. über die Gemeinschaftsaufgabe „Städtebauförde- sowie des Abg. Dr. Günther Maleuda [PDS]) rung", das Dorferneuerungsprogramm und auch die Ich gebe das Wort dem Abgeordneten Dr. Günther Strukturfonds der Europäischen Union. Maleuda. Die europäische Agrarpolitik wird sich in den nächsten Jahren auf eine Reihe einschneidender Ver- Dr. Günther Maleuda (PDS): Herr Präsident! Meine änderungen einstellen müssen. Ziel zukünftiger libe- Damen und Herren! Zur Beratung steht der vierte raler Agrarpolitik sollte es sein, die inte rnationale und damit letzte Agrarbericht dieser Wahlperiode. Konkurrenzfähigkeit einer unternehmerischen deut- Die Bundestagsgruppe der PDS hat dem Agrarbe- schen Land- und Agrarwirtschaft zu verbessern. reich stets eine große Aufmerksamkeit gewidmet Dazu gehört, wie gesagt, die Förderung der Wettbe- und in den zurückliegenden Jahren jährlich einen werbsfähigkeit,- die Verbesserung der Verarbeitungs kritischen Kommentar zum Agrarbericht, Studien zur und Vermarktungsstrukturen, die aktive Erschlie- Agenda 2000 und das Agrarkonzept der PDS öffent- ßung von Exportmärkten und auch eine Korrektur lich gemacht. überzogener Auflagen im Umwelt- und Baurecht. Der Agrarbericht 1998 gibt uns die Gelegenheit, (Beifall bei der F.D.P.) Bilanz über die Agrarpolitik der Bundesregierung in Die jetzige EU-Agrarpolitik führt zu mehr Bürokra- der zurückliegenden Wahlperiode und die Entwick- tie, Verwaltungs- und Planwirtschaft im Agrarbe- lung der Landwirtschaft unter den durch die Regie- reich. Daher brauchen wir eine zukunftsorientierte rung geschaffenen Rahmenbedingungen zu ziehen. Agrarpolitik, die zu mehr Marktwirtschaft führt und Beide Bilanzen fallen unterschiedlich aus. damit den Spielraum für eine wettbewerbsfähige In einer Zeit gesellschaftlicher Veränderungen und Agrarwirtschaft und eine gesunde unternehmerische struktureller Umbrüche haben sich die Bäuerinnen Landwirtschaft erhöht. Landwirtschaft hat Zukunft. und Bauern in ihren Ein- und Mehrfamilienbetrieben Dazu will die liberale Agrarpolitik einen Beitrag lei- als verantwortungsbewußte, kluge Landwirte und sten und den Weg ebnen. Unternehmer erwiesen. Mit großer Geduld und in (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne- aufopferungsvoller Arbeit haben sie die vielfältigen ten der CDU/CSU und der SPD) Demütigungen bezüglich ihrer Arbeit und ihrer Bau- ernehre abgewehrt und den Tisch so reich mit hoch- Liebe Kolleginnen und Kollegen, dies ist meine wertigen Nahrungsmitteln gedeckt wie noch nie in letzte Rede im Deutschen Bundestag. Ich möchte der Vergangenheit. Über 100 Menschen werden von mich pauschal bei allen Kollegen für vielerlei Hilfe einem Landwirt versorgt. Über 84 Prozent der Fläche und Unterstützung, für manchen guten, freund- in Deutschland werden von Bauern so gepflegt, daß schaftlichen Rat, auch für manche Diskussion und für Urlauber und Ausflügler in der Kulturlandschaft Er- das Ringen um eine gute Entscheidung - manchmal holung und Entspannung finden können. Das wird auch leidenschaftlich und ha rt, aber immer an der leider nicht in gebührender Weise öffentlich geach- Sache orientiert - ganz herzlich bedanken. Es hat tet. viel Spaß gemacht; es war für mich die Erfüllung mei- nes Wunsches, meine Vorstellungen und Gedanken Es ist gut, daß die Bäuerinnen und Bauern in ihrem einmal in der Politik umzusetzen. Verband eine starke Interessenvertretung haben. Ohne dessen aktive Arbeit wäre die Landwirtschaft Ich wünsche Ihnen allen zum Schluß - das sage ich schon zu einem Restposten geworden. Als Volkswirt- nun auf plattdeutsch meiner oldenburgischen Hei- schaftszweig, der bei der europäischen Einigung mat -: Dat goat ju good. eine Vorreiterrolle gespielt hat, muß die Landwirt- schaft die erreichten Ergebnisse heute gegen jene (Beifall bei der F.D.P., der CDU/CSU, der verteidigen, die zukünftig alle Bereiche der Gese ll SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -schaft der bloßen Kapitalverwertung unterordnen sowie des Abg. Rolf Kutzmutz [PDS]) wollen. Immer mehr findet der Appell von Bauernpräsident Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Lieber Kollege Sonnleitner Gehör, in dem er auffordert: Bredehorn, es ist ja schon mehrfach von allen Seiten darauf hingewiesen worden, welche Verdienste Sie Alle Formen der Kooperation gilt es auch inner- sich in der Landwirtschaftspolitik erworben haben. halb der Landwirtschaft zu nutzen. Überbetriebli- Sie gehören dem Bundestag, ebenso wie der Kollege che Zusammenarbeit bietet eine Chance, Kosten Sielaff, seit 1980 an. Man hat Ihren Reden und Ihren zu senken und neue Einkommensquellen zu er- Entscheidungen immer angemerkt, daß Sie nicht nur schließen. Die Kooperation und Zusammenarbeit die Landwirtschaftsverwaltung kennen, sondern daß mit anderen Unternehmen ist daher ebenfalls Sie selbst aktiver Landwirt sind. , entscheidend für die Zukunftsfähigkeit Deutsch- lands. Ich möchte Ihnen - ich kann das nicht auf platt- deutsch tun und möchte es nicht auf sächsisch sagen Ich meine, ein richtiges Wo rt zur rechten Zeit. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22255

Dr. Günther Maleuda Die ostdeutschen Bäuerinnen und Bauern haben Es ist auch nicht zu verstehen, warum die Bundes- dieses Konzept zur Grundlage des Transformations- republik 1998 1 Million Ferkel aus Dänemark impor- prozesses gemacht. Ihrer Weitsicht und Hartnäckig- tieren wird. Der Zusammenbruch des Schweineex- keit ist es zu verdanken, daß unter den komplizierten ports nach Südostasien und der damit verbundene politischen und ökonomischen Bedingungen der er- Verfall der Schweinepreise um ein Drittel gegenüber sten Nachwendejahre nicht alle Gemeinschaftsunter- dem Vorjahr sind ein Vorgeschmack auf die Folgen, nehmen auseinanderbrachen. In einem nervenauf- die der deutschen Landwirtschaft mit der in der reibenden und verlustreichen Prozeß, der bis heute Agenda 2000 verfolgten Weltmarktöffnung bevorste- nicht abgeschlossen ist, wurden kurzfristig Anpas- hen. sungsstrategien entwickelt und die Unternehmen neu organisiert. Auch die allseitig unterstützten Wie- Wenn von Landwirtschaft die Rede ist, dann muß der- und Neueinrichter waren überwiegend klug ge- auch von Umweltschutz gesprochen werden. Bei die- nug, ihre Unternehmen als Familienbetriebe oder ge- sem Thema brauchen wir eine wesentliche Versachli- meinsam in Personengesellschaften in wettbewerbs- chung der Diskussion und eine klare Benennung der fähigen Größen aufzubauen, Infrastruktur aus DDR- Ursachen, um einen ökologischen Umbau der Agrar- Zeiten zu nutzen und mit benachbarten Gemein- produktion herbeizuführen. schaftsunternehmen zu kooperieren. (Beifall bei der PDS sowie des Abg. Egbe rt Nitsch [Rendsburg] [BÜNDNIS 90/DIE Zwar ist in der Wahlperiode der Gewinn je Bet rieb GRÜNEN]) um 25 Prozent gestiegen. Angesichts eines Rück- - gangs der Anzahl der Bet riebe um über 70 000 hat al- Unbestritten ist, daß die Bauern ohne verantwor- lerdings nur eine Umverteilung stattgefunden. Das tungsbewußten Umgang mit der Natur keine Zu- ergibt sich auch daraus, daß die Nettowertschöpfung kunft haben. in der Landwirtschaft in der Wahlperiode im wesent- lichen nicht gestiegen ist. Nach den Berechnungen Unbestritten ist aber auch, daß die Vorstellungen des DBV liegt das Unternehmensergebnis je Fami- darüber, was umweltgerecht ist, wissenschaftlich lienarbeitskraft um 27 Prozent unter dem gewerbli- noch ungenügend untersucht sind. Wissenschaftler chen Vergleichslohn. Nach dem Agrarbericht errei- der Landesuntersuchungs- und Forschungsanstalten chen nur etwa 17 Prozent der Bet riebe die Ver- haben nachgewiesen, daß auf den verschiedensten gleichsansätze. Würde die Vergütung des Faktors Ar- Standorten intensive Produktion ebenso wie exten- beit in den übrigen Bet rieben an das Vergleichsein- sive nachhaltig sein kann, aber nicht sein muß. Die kommen herangeführt, müßten ihre Einnahmen um Hauptursache für die sehr unterschiedlichen Ergeb- 9 Milliarden DM höher sein. Mit diesem Betrag ver- nisse fanden sie in der Qualität der Leitung des je- billigen sie letztlich die Nahrungsgüter der Verbrau- weiligen Unternehmens. Leider war nicht Gegen- cher. stand ihrer Untersuchungen, wovon diese Qualität abhängt. Die Bundesregierung hat damit ihren gesetzlichen Auftrag, die wirtschaftliche Existenz einer bäuerli- Meine Damen und Herren, da ich heute meine chen Familie zu gewährleisten, nicht erfüllt. Mehr letzte Rede vor diesem Hohen Hause halte, erlaube noch: Sie trägt mit ihrer Politik aktiv zum Verlust von ich mir, der Bundestagsverwaltung sehr herzlich für weiteren Zehntausenden von Hofstellen in der Zu- eine korrekte und umfassende Unterstützung zu dan- kunft bei. Die Weichen dafür hat sie mit ihrer Strei- ken. chung bei der Gemeinschaftsaufgabe von über 1 Mil- Minister Borche rt, ich habe es als angenehm emp- liarde DM in der zur Ende gehenden Wahlperiode funden, daß Sie selbst uns und mir gegenüber auf eingeleitet. Statt auf Unterstützung der Kooperation konkrete Fragen und Probleme korrekt geantwortet setzt sie auf einzelbetriebliche Förderung der wachs- haben. tumsfähigen Betriebe. Sicher wäre beides zusammen richtiger und notwendiger. Wenn ein Hof doch auf- Mein besonderer Dank gilt den Mitgliedern und gegeben werden muß, dann sind auch die Arbeits- Mitarbeitern des Agrarausschusses, dem Vorsitzen- plätze endgültig verloren. Mit jedem Arbeitslosen den Peter Harry Carstensen, der Stellvertreterin Ma- entsteht der Gesellschaft aber die Last von 40 000 rianne Klappert und den agrarpolitischen Sprechern DM, wie der Bauernverband in seinem Situationsbe- der Fraktionen für eine Atmosphäre, die konstruktiv richt ausgerechnet hat. Die verlorengegangenen Ar- und sehr offen war. Sie hat sich wohltuend von der beitsplätze können auch nicht durch eine Expo rt unterschieden, die die Abgeordnetengruppe der PDS -orientierung der Agrarproduktion zurückgewonnen hier im Parlament vier Jahre lang ertragen mußte, ei- werden; denn das ist der Weg in die Intensivierungs- ner Atmosphäre, die weitgehend von Ausgrenzung falle und den Kampf um die Märkte, der weitere Bau- und Intoleranz geprägt war. ernexistenzen und Arbeitsplätze zerstören wird. Ich danke Ihnen. Die Alternative muß darin bestehen, auf den um- (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordne fangreichen Impo rt von Futtermitteln zu verzichten ten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE und so einen Beitrag zur Bekämpfung des Hungers GRÜNEN und der F.D.P.) in der Welt zu leisten.

(Beifall bei der PDS sowie des Abg. Egbe rt Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Herr Kollege Nitsch [Rendsburg] [BÜNDNIS 90/DIE Maleuda, Sie haben hier Ihre letzte Rede gehalten GRÜNEN]) und werden nach dieser Legislaturpe riode wieder 22256 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch aus dem Deutschen Bundestag ausscheiden, dem Sie den wird, bedaure ich. Dies scheint mir auch darauf nur eine Periode angehört haben. Sie haben in dem zurückzuführen zu sein, daß uns die Gesetzentwürfe anderen Teil Deutschlands eine eindrucksvolle politi- relativ spät zugewiesen worden sind. Das letzte sche Laufbahn hinter sich gebracht. Wenn man sie halbe Jahr vor einer Wahl ist keine günstige Zeit für betrachtet, merkt man, wie unterschiedlich unsere Verfassungsänderungen, die eine besonders sorgfäl- Schicksale gewesen sind. Ich möchte Ihnen meinen tige Abwägung verlangen und andererseits ein Dank für Ihre politische Arbeit in diesem Hause nach Thema berühren, das, wie wir wissen, in unserer Ge- der deutschen Wiedervereinigung aussprechen. sellschaft hohe Emotionen zu wecken pflegt. (Beifall im ganzen Hause) Ich danke Ihnen. Damit gebe ich dem Kollegen Horst Eylmann das (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Wort. Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich gebe das Horst Eylmann (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Wort dem Kollegen Hermann Bachmaier. sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktion der SPD hat gemäß § 62 Abs. 2 der Geschäftsordnung ei- Hermann Bachmaier (SPD): Herr Präsident! Meine nen Zwischenbericht des Rechtsausschusses über Damen und Herren! Ich möchte zunächst dem Vorsit- den Stand der Beratungen zweier Gesetzentwürfe - zenden des Rechtsausschusses, Herrn Eylmann, sehr zum Staatsziel Tierschutz beantragt. Als Vorsitzen- herzlich für diesen fairen und im wahrsten Sinne des der des Rechtsausschusses erstatte ich diesen Bericht Wortes unparteiischen Bericht danken. wie folgt: Es ist ein Trauerspiel, daß es auf Grund des ha rt Der Deutsche Bundestag hat diese beiden Gesetz- -näckigen Widerstandes der Koalition, vor allem von entwürfe am 13. November 1997 in erster Lesung be- CDU und CSU, bis zum heutigen Tag nicht gelungen raten und hat sie federführend dem Rechtsausschuß ist, den Tierschutz als Staatsziel im Grundgesetz zu und zur Mitberatung drei weiteren Ausschüssen verankern. überwiesen. Die mitberatenden Ausschüsse haben noch keine Stellungnahme abgegeben. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg. Gerhard Jüt Der Rechtsausschuß hat die Beratungen der Ge- temann [PDS]) setzentwürfe am 14. Januar dieses Jahres auf genom- men und zu diesen Gesetzentwürfen sowie zu zwei Seit mehr als einem halben Jahr liegen dem Bundes- weiteren gleichlaufenden Gesetzentwürfen der tag Gesetzentwürfe vor, deren Ziel es ist, dieses Bündnisgrünen und der Gruppe der PDS eine öffent- längst überfällige Staatsziel endlich in die Verfas- liche Anhörung beschlossen. Diese wurde am 1. April sung aufzunehmen. Bereits in der letzten Legislatur- dieses Jahres durchgeführt. Ein früherer Termin war periode hat eine Mehrheit der Mitglieder der Verfas- nicht möglich. Ich darf darauf verweisen, daß wir in sungskommission von Bundestag und Bundesrat die diesem Jahr neben dem üblichen starken Arbeitsan- Aufnahme dieses Staatszieles empfohlen. Damals hat fall gegen Ende der Legislaturpe riode schon sieben es neben den Verbandsäußerungen auch über öffentliche Anhörungen durchgeführt haben. 100 000 Eingaben zugunsten dieses Staatszieles ge- geben. Es wurden zehn Personen angehört. Hinsichtlich des Ergebnisses der Anhörung nehme ich auf das Alle Versuche, eine Umsetzung dieser damaligen Protokoll der Sitzung Bezug. Das Protokoll konnte Empfehlung im Bundestag mit der notwendigen leider erst am 25. Mai an die Mitglieder des Rechts- Zweidrittelmehrheit zu erreichen, wurden von CDU ausschusses versandt werden, also nahezu zwei Mo- und CSU abgeblockt. Statt dessen hat die Koalition nate später. Die starke Arbeitsbelastung des Sekreta- eine unverbindliche Entschließung durchgesetzt, de- riats und die dortige personelle Situation ließen eine ren Ziel ausschließlich darin bestand, die Verweige- frühere Fertigstellung des Protokolls nicht zu. Der rungshaltung der Koalition vor der Öffentlichkeit zu Stenographische Dienst steht uns, von Ausnahmen verschleiern. abgesehen, nicht mehr zur Verfügung. In Kürze wird der Tierschutz in acht Landesverfas- Der Rechtsausschuß hat die Beratungen noch vor sungen verankert sein. Die erst jüngst in die bayeri- der Versendung des Protokolls am 6. Mai wieder auf- sche Verfassung aufgenommene Formulierung - sie genommen und am 27. Mai, also sogleich nach Ver- wurde über eine Volksabstimmung herbeigeführt - sendung des Protokolls, fortgeführt. Er hat sich auch ist fast wortgleich mit den Formulierungen, die im gestern mit der Angelegenheit befaßt und mit der Gesetzentwurf der SPD und des Bundesrates enthal- Mehrheit der Koalitionsfraktionen beschlossen, die ten sind und die sich eng an § 1 des Tierschutzgeset- Beratungen nicht mit einer Beschlußempfehlung zu zes anlehnen. Dort heißt es wörtlich, daß es Zweck beenden und auch in der nächsten Woche das Thema des Tierschutzgesetzes sei, „aus der Verantwortung nicht auf die Tagesordnung zu setzen. des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen" . Niemand Meine Damen und Herren, es ist nicht meine Auf- dürfe „einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmer- gabe als Vorsitzender, die Standpunkte der Fraktio- zen, Leiden oder Schäden zufügen". nen zu diesem Thema vorzutragen. Daß nach Lage der Dinge die Gesetzentwürfe der Diskontinuität an- Diese im Tierschutzgesetz und in immer mehr Lan- heimfallen und deshalb in der Sache nicht entschie- desverfassungen verankerten Ziele bleiben aber Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22257

Hermann Bachmaier weitgehend unverbindlich, wenn der Tierschutz zustimmen möchten und die ihnen vielleicht auch zu- nicht endlich auch im Grundgesetz festgeschrieben gestimmt hätten, wenn Sie mit Ihrer Verfahrensmehr- wird und dort seinen angemessenen Platz erhält. Nur heit nicht bis zum heutigen Tage eine Sachentschei- dann kann er sich auch bei den oft schwierigen Ab- dung im Bundestag verhindert hätten. Auf die stän- wägungsentscheidungen von Gerichten und Behör- digen Versuche, Ihre wahren Absichten zu verschlei- den gegenüber anderen verfassungsrechtlich ge- ern, fällt allerdings niemand mehr herein. Alle, die schützten Belangen wie der Forschungs- und Wis- Ihre taktischen Spielchen auch nur am Rande ver- senschaftsfreiheit, aber auch der Berufsfreiheit und folgt haben, wissen nunmehr, daß Sie einen wirksa- der Eigentumsgarantie, um nur einige zu nennen, im men, verfassungsrechtlich abgesicherten Tierschutz Konfliktfall wenigstens einigermaßen behaupten. So- letztlich nicht wollen und de facto ablehnen. Daß alle lange aber der Tierschutz noch nicht einmal als schönen Reden und edlen Vorsätze in Landesverfas- Staatsziel Eingang in das Grundgesetz gefunden hat, sungen ohne nennenswerte Wirkung bleiben, ist Ih- wird er bei schwierigen Abwägungsentscheidungen, nen aus den Debatten der zurückliegenden Jahre wie dies verschiedene neuere Gerichtsurteile bele- hinlänglich bekannt. gen, gegenüber verfassungsrechtlich geschützten Belangen ins Hintertreffen gelangen. Alle hehren Ich hoffe, meine Damen und Herren, daß wir in der Zielvorstellungen des Tierschutzgesetzes und der nächsten Legislaturperiode - und dann möglichst Landesverfassungen nützen dann herzlich wenig. bald - endlich unser Ziel erreichen und der Tier- schutz den Platz in der Verfassung erhält, der ihm ge- Zu welchen Ergebnissen dies führt, belegt der oft bührt. unverantwortliche Umgang mit Tieren. Beispiele fin- den wir leider allzuoft: unnötige und qualvolle Tier- Herzlichen Dank. versuche, grausame Tiertransporte und Formen der (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Massentierhaltung, die jedwedem Tierschutz Hohn DIE GRÜNEN) sprechen, neuerdings in größerem Umfang auch ent- setzliche Qualzüchtungen. Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich gebe dem Nur dann, wenn der Tierschutz Verfassungsrang Abgeordneten Meinolf Michels das Wo rt. erlangt, muß er in den häufigen Konfliktfällen be- rücksichtigt und in die Abwägungsprozesse einbezo- gen werden. Weder die Zielvorstellungen des Tier- Meinolf Michels (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr schutzgesetzes noch die Regelungen in den Landes- Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! verfassungen können sich gegenüber grundgesetz- Herr Bachmaier, ich gehe gleich auf den Bereich lich geschützten Belangen im Konfliktfall behaupten. Tierschutz ein, möchte aber zunächst, da wir eben Deshalb müssen alle, die einen wirksamen Tier- die letzte Rede unseres Kollegen Egon Susset wie schutz wollen, endlich Farbe bekennen und den Tier- auch anderer Kollegen gehört haben, noch etwas zu schutz im Grundgesetz als Staatsziel verankern. Egon Susset sagen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ 29 Jahre gehört Egon Susset nun diesem Parlament DIE GRÜNEN) an. Ich glaube, Sie alle stimmen mit mir in der Fest- stellung überein, daß Egon Susset sich stets um Fair- Wer sich - wie die Koalition - bis zum heutigen Tage neß bemüht hat und stets die gesamte Politik im Zu- diesem Ziel verweigert, muß sich den Vorwurf gefal- sammenhang sah und nicht nur einseitig auf Agrar- len lassen, verfassungsrechtlich wirksamen Tier- politik fixiert war. Natürlich waren für ihn, aus einem schutz, der sich vor allem im Konfliktfall bewäh rt - Weinbaugebiet stammend, die speziellen Gegeben- das ist der entscheidende Punkt -, letztlich nicht zu heiten des Weinbaus von besonderer Bedeutung. Ich wollen. darf hier feststellen - ich glaube, mit Ihrer a ller Zu- (Beifall bei der SPD) stimmung -: Egon Susset hat sich als Abgeordneter um die Menschen des ländlichen Raumes verdient Die heutige Debatte ist der traurige Beleg dafür, gemacht. daß sich vor allem CDU und CSU dem zentralen An- (Beifall im ganzen Hause) liegen des Tierschutzes wieder einmal verweigert ha- ben. Trotz der Tatsache, daß Sie, meine Damen und Lassen Sie mich angesichts der Kürze der Zeit nur Herren von der CDU/CSU, ganz genau wissen, daß auf drei Punkte eingehen; die allgemeine Übersicht die erdrückende Mehrheit der Bevölkerung vom Ge- über den Agrarbericht hat Egon Susset eben gege- setzgeber die Aufnahme des Tierschutzes in das ben. Grundgesetz schon lange erwartet, drücken Sie sich wiederum vor einer klaren Entscheidung. Vor allem Mit großer Verwunderung haben wir gestern die bedingungslose Unterstützung der Interessen abend die Aussage von Kommissar Franz Fischler zur von Wirtschaft und Forschung auf der einen Seite Kenntnis genommen, der auf präzise Nachfrage hin und die Angst vor Stimmenverlusten bei den Tier- gesagt hat, daß die Milchquotenregelung über das schützern auf der anderen Seite sind wohl die Ursa- Jahr 2000 hinaus keineswegs als sicher eingestuft che für diese nun schon zum wiederholten Male werden könne; eine Mehrheit dafür sehe er noch praktizierte Hinhaltetaktik. nicht. Solche Unsicherheiten in einer so grundsätzli- chen Frage, ausgesprochen von dem zuständigen Wir wissen natürlich, meine Damen und Herren, EU-Kommissar, sind für die milchproduzierenden daß es auch in Ihren Reihen sehr viele Abgeordnete Landwirte alles andere als die notwendige Planungs- gibt, die lieber heute als morgen unseren Anträgen sicherheit. 22258 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Meinolf Michels Ich weiß, sehr geehrter Herr Minister, daß Sie sich Zum Abschluß möchte ich noch einige Sätze zum außerordentlich darum bemüht haben, hier entspre- Tierschutz sagen. Viele Mitbürger unterstützen in chend einzuwirken. Ich bin auch sicher, daß es Ihnen gutem Glauben die Aktion der Tierschutzverbände, gelingt, diese Vorlage so, wie es für die bäuerliche den Tierschutz als Staatsziel im Grundgesetz zu ver- Landwirtschaft notwendig ist, zu verändern. Aber es ankern. Doch können wir dieser Forderung aus muß schnellstens Klarheit herbeigeführt werden. Auf grundsätzlicher rechtlicher Erwägung nicht folgen. keinen Fall darf bei all den Bemühungen die Quote in den einzelnen Mitgliedsländern - wie vorgesehen (Ulrich Heinrich [F.D.P.]: Du bist doch auch - unterschiedlich angehoben werden; denn wir wol- dafür! Gib es doch zu!) len eine Stärkung der Milcherzeuger. Eine Kontin- Meine Damen und Herren, wir haben es uns bei gentierung bedeutet letztendlich auch eine an den diesem hochsensiblen Thema bestimmt nicht leicht- Verbrauch angepaßte Menge. Ansonsten funktio- gemacht; denn wir müssen feststellen, daß wir uns niert die Quote nicht. Sowohl die Vorschläge des Mi- hier an der Praxis vorbei bewegen würden. Aber wir nisteriums für Ernährung, Landwirtschaft und For- müssen auch feststellen, daß noch zu keiner Zeit sten als auch das vom Deutschen Bauernverband vor- Tierschutz so intensiv bet rieben worden ist wie wäh- geschlagene Modell können bei Wegfall - das ist rend der letzten 15 Jahre. wichtig - der Flächenbindung und der Altpachtrege- lung zu neuen Realitäten führen. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Auf dem Getreidesektor stehen wir zu Beginn der In keinem anderen Land der Welt muß die Regierung Ernte vor einem ganz besonderen Problem, welches alle zwei Jahre über den aktuellen Stand des Tier- einzig und allein durch die EU-Kommission selbst schutzes in Form eines Tierschutzberichtes Auskunft herbeigeführt worden ist. Bei Getreide wurden durch geben. Die Bundesregierung wird auch weiterhin un- die zögerliche Exportpolitik insbesondere im ersten ablässig bemüht sein, den Tierschutz in Europa auf Halbjahr dieses Wirtschaftsjahres wichtige Export- ein gleich hohes Niveau zu bringen. Doch zum akti- möglichkeiten nicht genutzt. Das Ergebnis sehen wir ven Tierschutz ist auch jeder einzelne aufgefordert; derzeit: Die Interventionsbestände sind innerhalb ei- denn nur wir alle zusammen können die Tiere schüt- nes Jahres auf fast 15 Millionen Tonnen angestiegen zen. Und wer die Tiere liebt, der liebt auch die Men- - und dies, wie schon gesagt, zu Beginn einer neuen schen. Ernte. Schönen Dank. Dabei hat die Kommission teilweise ganz gezielt (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) gegen den Markt spekuliert und sich dabei verspe- kuliert. Im Wirtschaftsjahr 1996/97 wurde trotz nied- Ich gebe der riger Lagerbestände 21,7 Prozent mehr Getreide ex- Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Abgeordneten Steffi Lemke das Wort. portiert als im laufenden Jahr.

Ich frage mich auch: Warum hat die Kommission Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr Exportabgaben verlangt, obgleich sie genau wußte, geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kol- daß wir dadurch mit übergroßen Beständen in die legen! Ich bedanke mich für meine Fraktion für die neue Ernte gehen würden? Obwohl ich weiß, Herr Zusammenarbeit mit den Kollegen Susset, Sielaff, Bundesminister Borchert, daß Sie sich für eine verläß- Bredehorn und Maleuda in den vergangenen vier liche Exportpolitik eingesetzt haben, möchte ich Sie Jahren. Die Arbeit im Ausschuß mit Ihnen war ange- von dieser Stelle aus nachdrücklich bitten, alle Mög- nehm. Wir werden als einzige Fraktion, bei der der lichkeiten zu nutzen, damit das Fehlverhalten der agrarpolitische Sprecher nicht ausscheidet, die Konti- Kommission den ohnehin schon gedrückten Getrei- nuität im Ausschuß - sicherlich mit Ihrer Unterstüt- depreis nicht noch weiter absacken läßt. zung - wahren können. Bei dieser Gelegenheit möchte ich Ihnen, Herr Mi- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - nister, recht herzlich dafür danken, daß Sie im letzten Zuruf von der SPD: Das hätte keiner Jahr durch Ihre entschlossene Haltung gegenüber gedacht!) der Kommission erreicht haben, daß die beabsich- tigte Kürzung der Flächenausgleichszahlung nicht - Das hätte keiner gedacht, aber um so besser für die zum Tragen gekommen ist. Ohne Ihr energisches Agrarpolitik des Deutschen Bundestages. Ich wün- Vorgehen hätten die Landwirte in der EU bereits in sche Ihrer Fraktion, Herr Susset, da Sie die Frauen diesem Jahr weitaus geringere Ausgleichszahlungen und Männer im Agrarausschuß angesprochen haben, erhalten. daß Ihnen eine Frau im Amt nachfolgen möge. Ich habe allerdings meine Zweifel, ob das klappt. (Beifall bei der CDU/CSU - Siegf ried Hor- nung [CDU/CSU]: So ist das!) Ich sagte, die Arbeit im Ausschuß ist angenehm gewesen. Gestern haben wir allerdings das Gegen- Wir sehen, wie abhängig jeder einzelne von den teil erlebt. Die Debatte zur Aufnahme des Tierschut- Entscheidungen in Brüssel ist. Aus diesem Grund zes ins Grundgesetz, die gestern im Agrarausschuß sind wir gegenüber den Vorschlägen der Agenda gelaufen ist, hat weder dem Parlamentarismus noch 2000 mehr als skeptisch. Es fehlt an der richtigen, dem Ansehen der Koalitionsfraktionen, noch dem langfristigen Verläßlichkeit. Bei einer siebenjährigen Tierschutz einen Dienst erwiesen. Im Gegenteil, es Laufzeit haben wir es mit einer dreijährigen Verunsi- ist eine traurige Debatte gewesen. Ich denke, daß cherung zu tun. Wer kann da noch investieren? insbesondere die F.D.P., die bekennt, daß sie inhalt- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22259

Steffi Lemke lich die Aufnahme des Tierschutzes ins Grundgesetz Diese innerdeutschen Auseinandersetzungen wer- will, dann jedoch der Absetzung der Behandlung den insgesamt überschattet von der Diskussion um dieses Themas im Ausschuß zugestimmt hat, die zukünftige Ausgestaltung der EU-Agrarpolitik, wie sie von der EU-Kommission vor einem Jahr mit (Ulrich Heinrich [F.D.P.]: Der ist gar nicht der Agenda 2000 vorgezeichnet worden ist. Wir se- zuständig, Entschuldigung!) hen in dem Vorschlag zur Flächendegression, so wie kein gutes Bild abgegeben hat. Meines Wissens ist es er derzeit in der Diskussion ist, eine Gefährdung für üblich, daß ein mitberatender Ausschuß vor dem fe- die ostdeutschen Bet riebe. Wir lehnen diese Degres- derführenden Ausschuß berät. Deshalb ist die Be- sion ab. Ich denke, wir könnten nach der Agrarmi- gründung, die Sie gestern dazu geliefert haben, un- nisterkonferenz unter den Landwirtschaftspolitikern ter der Würde des Ausschusses gewesen. der Fraktionen in diesem Hause eine gemeinsame Position finden, wenn das ernsthafte Bemühen um Ich möchte jetzt zu den anderen heute auf der Ta- die ostdeutsche Landwirtschaft erkennbar ist. gesordnung stehenden Themen zurückkommen. Der Agrarbericht 1998 ist der zweite gesamtdeutsch ab- Ich möchte zum Schluß den Antrag „Marktposition gefaßte Agrarbericht; das heißt, die spezifische Ent- des ökologischen Landbaus stärken" ansprechen, wicklung der landwirtschaftlichen Bet riebe in den den meine Fraktion in dieses Haus eingebracht hat. neuen Bundesländern wird nicht mehr gesondert Der ökologische Landbau hat in den vergangenen ausgewiesen. Dies suggeriert eine Annährung der Si- zehn Jahren stark zugenommen; ich will die Zahlen tuation im ländlichen Raum zwischen Ost und West, im einzelnen nicht aufführen. Ich denke, auch seine die so nicht gegeben ist. Die Bundesregierung spricht Bewertung im Parlament und im Bauernverband hat von einem weitgehend abgeschlossenen Umstruktu- inzwischen eine Wandlung erfahren. Generalsekre- rierungsprozeß der Landwirtschaft in den neuen tär Born hat dem ökologischen Landbau im vergan- Ländern. genen Jahr sogar eine Vorbildfunktion für die ge- samte Landwirtschaft zugebilligt. Ich denke, daß wir uns noch einmal vor Augen füh- ren sollten, daß wir in den neuen Bundesländern Re- (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Aber nicht gionen mit über 40 Prozent Arbeitslosigkeit im länd- so, wie Sie das meinen!) lichen Raum haben, daß dort für viele, vor allem für ältere Menschen, eine Perspektive und in gewisser Insofern wird die Diskussion doch wesentlich anders Weise auch ihr Lebenswerk nicht mehr existent sind, geführt, als das noch vor wenigen Jahren der Fall daß die jungen Menschen dort abwandern und wir war. gemeinsam nach Alternativen suchen sollten. Von daher ist das, was die Koalitionsfraktionen in den ver- Doch die Bundesregierung hat daraus bisher keine gangenen vier Jahren gemacht haben, für die Land- Konsequenzen gezogen. Ich hoffe, daß das, was wirtschaft in den neuen Bundesländern nicht hilf- Staatssekretär Hinsken auf der Grünen Woche, wo reich gewesen. die Thematisierung des ökologischen Landbaus in der Biomarkthalle einiges für seine Entwicklung er- Ich erinnere an die Altschulden und an die De- reicht hat, zum Ökolandbau gesagt hat, Eingang in batte, die wir darüber geführt haben. Die Bundesre- das Handeln der Bundesregierung finden wird. Wir gierung hat hier Entwicklungschancen verschenkt, haben in unserem Antrag Vorschläge zur Stärkung indem sie keine Entschuldung der Altkredite aus der Marktposition vorgelegt. Dabei geht es nicht DDR-Zeiten vorgenommen hat. Die Landwirte in darum, eine unsinnige Dauersubvention für den Ostdeutschland sind - so denke ich - zu Recht dar- Ökolandbau aufzubauen, sondern darum, den Fla- über empört, daß sie, nachdem die DDR untergegan- schenhals „Vermarktung der Produkte des ökologi- gen ist, die Kredite, die ihnen dieser Staat aufge- schen Landbaus" im Interesse von Landwirtschaft zwungen hat, nun an eine westdeutsche Bank abbe- und Verbrauchern passierbarer zu machen. zahlen sollen. Das schafft nicht nur für die Landwirt- schaft Probleme, sondern letztlich auch für den Bund Danke. und die Steuerzahler, weil so über die aufgelaufenen Zinsen nur höhere Kosten entstehen und sich ledig- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN lich die DG-Bank als lachende Dritte über die land- sowie bei Abgeordneten der SPD und der PDS) wirtschaftlichen Altschulden saniert hat. Wir fordern daher die Bundesregierung auf, eine schnelle Lösung der Altschuldenproblematik herbei- Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich gebe das zuführen. Von dieser Bundesregierung erwarte ich Wort dem Abgeordneten Ulrich Heinrich. sie allerdings nicht mehr. Die Fraktion der CDU/CSU hat statt dessen viele Initiativen darauf verschwen- (F.D.P.): Herr Präsident! Meine lie- det, für den niedersächsischen Landtagswahlkampf Ulrich Heinrich ben Kolleginnen und Kollegen! Die Landwirtschaft in ein Kampfpapier unter Federführung von Verfas- Europa befindet sich im Umbruch. Wir in der Bun- sungsrechtler Scholz aufzulegen, das rechtlich zwei- desrepublik Deutschland sind mitverantwortlich für felhafte Vorschläge enthielt, die inzwischen jedoch den Rahmen, der vorgegeben wird. Da ist es um so genauso wie die zum Landwirtschaftsanpassungsge- wichtiger, daß aus unserer Verantwortung heraus setz wieder eingestampft worden sind. Aber das ist nicht zusätzliche Irritationen kommen. Völlig unver- sicherlich richtig so. ständlich ist für mich deshalb die Haltung von Rot- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) grün in der Frage des Naturschutzes. 22260 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Ulrich Heinrich Lieber Herr Sielaff, Sie haben in Ihrer Rede zum Wir müssen dafür sorgen, daß der Rindfleischver- wiederholten Male die Bereitschaft Ihrer Bundestags- brauch wieder zunimmt. fraktion zu dem notwendigen Ausgleich für Verän- derungen in der Landwirtschaft bekundet. Das atte- Um die Schwierigkeiten auf dem Rindfleischmarkt stiere ich Ihnen sehr wohl. Aber ich darf Sie doch bit- wirklich bewältigen zu können, ist neben der Reform ten, zur Kenntnis zu nehmen, daß nicht wir alleine der Marktordnung auch eine gewisse Beweglichkeit zuständig sind, sondern auch der Bundesrat seinen unserer Rindermäster erforderlich. Ich sage hier ganz Teil beitragen muß, um dem Bundesnaturschutzge- klar und deutlich: Wir werden die Strukturen, die wir setz zum Durchbruch zu verhelfen. Der Bundesrat ist, heute im Bullenmastbereich, im Rindermastbereich wie Sie wissen, von einer SPD-Mehrheit bestimmt. haben, nicht auf Dauer erhalten können. Deshalb Insofern liegt es ausschließlich an der Bereitschaft müssen wir uns Gedanken darüber machen, den Be- der SPD-geführten Länder, die notwendige Aus- trieben mit einer Ausstiegshilfe eine soziale Abfede- gleichsregelung, wie sie auch von Ihnen gefordert rung zu bieten, um die notwendige Strukturreform wird, durchzusetzen. durchführen zu können. Wir können es drehen und wenden, wie wir wollen: Wir müssen von diesem (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: So ist es!) Platz aus bereit sein, die Dinge offen und klar anzu- sprechen, auch wenn sie unangenehm sind. Dem Ganzen wird noch eines draufgesetzt, wenn eine SPD-Umweltministerin wie Frau Griefahn in be- - Meine Damen und Herren, wir haben in der Gen zug auf diese Ausgleichsregelung sagt, dann könne und Biotechnikgesetzgebung in dieser Legislaturpe- man gleich ein Ladendiebstahlentschädigungsgesetz - riode ein großes Pensum an Verbesserungen ge- verabschieden: Lieber gebe ich dem Ladendieb schafft. Mit der Novellierung des Tierschutzgesetzes Geld, als daß er klaut. - Wie verträgt sich diese Aus- und des Pflanzenschutzgesetzes und mit dem Rind- sage mit dem, was Sie, lieber Herr Kollege Sielaff, fleischetikettierungsgesetz haben wir dafür gesorgt, hier sagen? daß unser ohnehin schon sehr hoher Umwelt- und Verbraucherschutzstandard noch erhöht worden ist. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne Hier muß man die Kirche schon im Dorf lassen und ten der CDU/CSU) die Verantwortlichkeit klar benennen. Hier sind positive Entwicklungen vorangebracht (Beifall bei der CDU/CSU) worden. Es ist aber notwendig weiterzumachen. So kann man nicht Politik machen. Sie betrügen die Zum Schluß möchte ich noch den Tierschutz an- Leute im wahrsten Sinne des Wortes. sprechen. Herr Präsident, es sei noch ein Wo rt er- laubt. Wenn wir von Rahmenbedingungen sprechen, ha- ben wir uns intensiv mit der Agenda 2000 auseinan- (Hermann Bachmaier [SPD]: Hoffentlich ein derzusetzen. Ich stelle fest, daß ihre Auswirkungen gutes!) auf die Landwirtschaft und den ländlichen Raum im- - Ich bin überzeugt, daß es ein gutes ist, Herr Kollege mer mehr wahrgenommen werden und deshalb auch Bachmaier. Ich glaube, wir sind hier einer Meinung. die Kritik lauter wird. Zudem stellen wir fest, daß Ich trete für meine Fraktion energisch für eine Veran- nicht nur in Deutschland laute Kritik daran geübt kerung des Tierschutzes im Grundgesetz ein. Ich bin wird, sondern in fast allen Mitgliedstaaten der Euro- mir ganz sicher, daß wir das schaffen werden - wenn päischen Union; denn das, was die Kommission vor- nicht mehr vor der Wahl, dann danach, gelegt hat, wird ihren eigenen Zielen nicht gerecht, verfehlt ihre eigenen Ziele total. (Beifall bei der SPD) Hier kann man sehr viele Punkte aufzählen. Einer und zwar mit der jetzigen Regierung; da bin ich mir der wichtigsten ist für mich die Frage der Finanzie- völlig sicher. Ich möchte hier noch einmal deutlich rung. Es wird immer wieder behauptet, wir könnten unterstreichen, daß sowohl Forscher als auch Tierhal- die Osterweiterung der Europäischen Union nur mit ter mit einer Verankerung des Tierschutzes im dieser Reform durchführen, weil damit Geld gespart Grundgesetz leben können; denn wir werden die sie werde. Genau das Gegenteil ist der Fall. Nach Anga- begleitenden Gesetze in einer sinnvollen A rt und ben der Kommission geben wir in dem Bereich allein Weise ausgestalten. innerhalb der Europäischen Union mehr als 6 Milliar- Herzlichen Dank. den DM aus. Wir sind also weit von einem Einsparpo- tential entfernt, das uns die Erweiterung nach Osten (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU ermöglichen könnte. sowie bei Abgeordneten der SPD) Genausowenig stimmt das, was hier zu den erfor- derlichen Reformen auf dem Rindfleisch- und dem Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich gebe das Milchmarkt gesagt worden ist. Der Rindfleischsek- Wort dem Abgeordneten Peter Carstensen. tor, der noch immer unter der Rinderseuche BSE lei- det, muß grundlegend reformiert werden. In erster Peter Harry Carstensen (Nordstrand) (CDU/CSU): Linie muß das Vertrauen der Verbraucher zurückge- Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und wonnen werden. Erst gestern wurde gesagt, daß der Herren! Eines der Rituale bei der Beratung des Rindfleischverbrauch jährlich noch um 2 bis 3 Prozent Agrarberichts im Deutschen Bundestag ist offensicht- zurückgehe. Das ist eine ganz beachtliche Marge. lich die Kritik der SPD an unserem Agrarminister Jo- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22261

Peter Harry Carstensen (Nordstrand) chen Borche rt. Ich bin immer wieder erstaunt, mit - Ich werde das im O riginal vortragen, denn ich kann welcher Selbstgerechtigkeit diese Kritik von einer ja Englisch lesen, Kollege Sielaff. Partei erbracht wird, die selbst noch nie einen Agrar- minister in einem Bundeskabinett gestellt hat Ms Wieczorek-Zeul said that a future SPD govern- ment would support radical reforms of the EU (Zuruf von der SPD: Das kann sich ja Common Agricultural Policy as part of the process ändern!) of controlling the budget costs of Brussels. und das auch nie tun wird, lieber Herr Kollege. Denn Das ist es, was Sie wollen. Sie wollen die Kosten sen- „Gildo" Schröder hat bei der Vorstellung seiner ken; Sie wollen die Agrarhaushalte herunterfahren. Kernmannschaft nicht einmal Andeutungen über die Trotzdem reden Sie von Mehrausgaben für die Land- Besetzung eines eigenständigen Ministe riums für Er- wirtschaft. Das ist nicht redlich. nährung, Landwirtschaft und Forsten gemacht. Ich Die Zeiten für unsere Landwirte werden wahrlich verwette mein volles Haupthaar, nicht einfacher werden. Mehrere Schwerter des alten (Heiterkeit) Herrn Damokles schweben über unseren Bauern, Schwerter, von denen wir nicht wissen, wie und was daß wir im Herbst dieses Jahres keinen SPD-Land- sie schneiden werden. Wenn aber die Zeiten schwe- wirtschaftsminister haben werden. rer werden, so wird es um so notwendiger sein, der Landwirtschaft zu helfen, um sie für die Herausforde- (Lachen und Widerspruch bei der SPD - - rungen fit zu machen, die auf sie zukommen: erstens Günther Bredehorn [F.D.P.]: Bärbel Höhn?) Entlastung von Auflagen und Wirtschaftserschwer- nissen; zweitens Förderung und Unterstützung wirt- Wie sieht es in den Bundesländern aus? In Hessen schaftender Bet riebe; drittens Stärkung der Verarbei- hat der Innenminister den Pa rt des Landwirtschafts- tung und Vermarktung bei uns in Deutschland. ministers mit übernommen; im Saarland findet Agrar- politik überhaupt nicht statt; in Schleswig-Holstein Keine Landwirtschaft in Europa - und wohl auch wird ein Bürgermeister, Klaus Buss - den ich sehr gut nicht in der Welt - hat mit einer solchen Flut von Re- kenne und sehr schätze für seine offene und fröhliche glementierungen zu tun wie die deutsche. Unter- Art -, Nachfolger von Hans Wiesen. Klaus Buss hat schiedliche Auflagen und Bestimmungen in den ver- gesagt, daß er etwas von Landwirtschaft verstehe; er schiedenen Bundesländern führen zu einer Wettbe- habe nämlich einmal neben einem Bauernhof ge- werbsverzerrung auch innerhalb Deutschlands - und wohnt. Hans Wiesen hat man seinerzeit die gestalte- das, obwohl die Wettbewerbsverzerrungen in der EU rische Grundlage für die Agrarpolitik genommen und weltweit kaum noch zu tragen sind. Dies ist für und an den Grünen-Umweltminister abgegeben. In die Landwirte ein unerträglicher Zustand, der ab- Brandenburg reiht sich der ehemalige Minister Zim- gebaut gehört. Es ist schon bezeichnend, wenn in der mermann in die Riege der Kabinettsaffären ein. Der Agrarministerkonferenz von der Bundesregierung einzige aus der SPD, der noch einigermaßen ver- ein Bericht zu dem Thema Wettbewerbsverzerrun- sucht, Agrarpolitik zu machen, nämlich Karl-Heinz gen bestellt wird, der aber dann, wenn er vorliegt Funke in Niedersachsen, darf im Namen der SPD zu und einigen nicht paßt, - so wird es gefordert -, unter dem Thema im Osten gar nichts und im Westen Verschluß gehalten wird. Der Bericht muß auf den lieber nichts sagen. Ausgerechnet dem hat sein Lan- Tisch und muß Grundlage für den Abbau von Wett- desvater den Etat in den letzten acht Jahren um bewerbsverzerrungen und -beschränkungen wer- 50 Prozent zusammengestrichen. Seine Kollegin den. Griefahn darf die Bauern ungestraft mit Ladendieben vergleichen. Ich finde, das ist schon ein unerhörter (Vorsitz : Vizepräsident Hans-Ulrich Klose) Zustand. Das Menschenrecht auf Nahrung gebietet, daß der Produktion von Nahrungsmitteln ein ebenso hoher (Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: moralischer und politischer Stellenwert eingeräumt Unverschämtheit!) wird wie dem Naturschutz. Meine Damen und Herren von der SPD, Sie sollten (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sich mit Ihrer Kritik an Minister Borche rt etwas mehr und der F.D.P.) zurückhalten. Wer nichts in die Suppe reinzukrümeln hat, sollte wenigstens nicht reinspucken. Wie nötig die Finanzierung eines Ausgleichs für Auflagen ist - diese Finanzierung ist auch von seiten (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU der Bundesländer nötig, die die Auflagen ja ver- und der F.D.P.) fügen -, zeigen auch die schon jetzt gezahlten För- Wie Sie beabsichtigen, Agrarpolitik zu gestalten, derbeträge in den einzelnen Bundesländern. Ich wi ll einmal zitieren, was dort gezahlt wird: Aus Agrar- habe ich heute durch einen Zeitungsartikel, der mir auf den Tisch gelegt wurde, erfahren. Ich bin kein re- umweltprogrammen werden in Schleswig-Holstein 29 DM pro Hektar gezahlt, in Niedersachsen 42 DM gelmäßiger Leser der „Financial Times", weil sie lei- der nicht auf Plattdeutsch oder Hochdeutsch er- pro Hektar scheint. In der Ausgabe vom 2. Juni können Sie fol- (Günther Bredehorn [F.D.P.]: Donnerwetter!) gendes lesen: und in Nordrhein-Westfalen 21 DM pro Hektar. Das (Horst Sielaff [SPD]: Können Sie das denn alles sind Länder, die immer laut über ihre Umwelt lesen?) leistungen räsonieren. In Bayern werden 329 DM pro 22262 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Peter Harry Carstensen (Nordstrand) Hektar gezahlt, in Sachsen 407 DM pro Hektar und stein sehen wir, wie es bei unserem Nachbarn Däne- in Baden-Württemberg - das ist die Spitze - 428 DM mark läuft. pro Hektar. (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Wie denn?) Meine Damen und Herren, hier sollten Sie Ihren Somit muß es ein Anliegen sein, vor der Entwicklung historischen agrarpolitischen Fehler wiedergutma- offenerer Märkte die Strukturdefizite, die bei uns in chen und im Bundesrat für unser Naturschutzgesetz der Verarbeitung und Vermarktung bestehen, zu be- und die Ausgleichsregelung stimmen. seitigen. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) (Horst Sielaff [SPD]: Das bestreiten wir ja gar nicht!) Das zweite sind die öffentlichen Mittel, die wir brauchen, um die Betriebe fitzumachen. Sie kommen Die größte Molkerei in Dänemark, MD-Foods, steht im wesentlichen aus der Gemeinschaftsaufgabe in Europa an vierter Stelle, die größte Meierei in „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küsten- Deutschland, die MZO, steht, glaube ich, an 22. oder schutzes". 23. Stelle. Unsere Molkereikapazitäten sind nicht ausgelastet. Im Schlachthofsektor sieht es noch (Horst Sielaff [SPD]: Die wird ja abgebaut!) schlechter aus. Und ich halte es schon für kontrapro- duktiv, wenn hier mit staatlicher Hilfe die Überkapa- Leider trifft es zu, Herr Kollege Sielaff, daß die Mittel zitäten noch zusätzlich ausgeweitet werden. wegen der angespannten Haushaltslage abgebaut sind. Ich halte diese Entwicklung für außerordentlich (Horst Sielaff [SPD]: Wer hat das gemacht?) bedenklich, weil es notwendig sein wird, den wirt- schaftenden Betrieben so viel Hilfe wie möglich für Nein, das Gebot der Stunde heißt auch hier Ko- ihre Entwicklung zu geben. steneinsparung durch Strukturbereinigung, Fusio- nen und Kapazitätsabbau. (Günther Bredehorn [F.D.P.]: Das ist genau (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Aha!) der Punkt! Richtig!) Gleichzeitig ist es nötig, den Verarbeitern eine stär- Wenn ich mir dann Ihre Rede anhöre und mir an- kere Wettbewerbsposition im Markt gegenüber den schließend die Zahlen ansehe, die in den Haushalten Handelsriesen im Lebensmittelmarkt zu ermögli- der Länder stehen, dann kommt mir schon das Grau- chen. sen. Da sind 1995 rund 147 Millionen DM nicht aus- (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Wie denn?) gegeben worden - und das, obwohl Bayern seinerzeit Mehrausgaben von 20 Millionen DM hatte. Knapp 90 Millionen DM gingen an den Finanzminister zu- Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Achten Sie bitte rück. 1996 wurden 165 Millionen DM nicht ausgege- auf die Zeit! ben, und der Bundesfinanzminister freute sich über 100 Millionen DM. So hat im Jahr 1996 das Land Peter Harry Carstensen (Nordstrand) (CDU/CSU): Nordrhein-Westfalen 13,5 Millionen DM für die Ja, ich bin gleich fertig, Herr Präsident. Landwirte nicht ausgegeben und somit auf 8 Millio- nen DM Bundesmittel verzichtet. Schleswig-Holstein Dieser Prozeß ist zwar in erster Linie Aufgabe der sparte 11 Millionen DM zu Lasten der Landwirte ein. Wirtschaftsunternehmen, sollte aber von der Politik 1997 hat allein Schleswig-Holstein nach Umschich- durch die entsprechende Ausgestaltung rechtlicher tung, wo schon 11 Millionen DM Bundesmittel zu- Rahmenbedingungen begleitet werden. rückgegeben wurden, zusätzlich noch auf 5,6 Millio- Meine Damen und Herren, wir machen Landwirt- nen DM verzichtet. Das sind, zusammen mit den Ei- schaft in einem vom Herrgott durch Klima und Boden genmitteln, 25 Millionen DM, die der Landwirtschaft gesegneten Land. Wir werden Herausforderungen nicht zuflossen. Und wenn Sie eine Investitionsrate an die Landwirtschaft bekommen. Einer acke rt bei von 25 Prozent annehmen, sind das 100 Millionen uns, und 110 werden satt. Ich finde, das ist eine ge- DM an Investitionen, die nicht zugunsten der Land- waltige Leistung, wofür unseren Landwirten zu dan- wirtschaft stattfinden. ken ist. (Zustimmung bei der CDU/CSU) Herzlichen Dank. Dann aber, lieber Herr Sielaff, dürfen Sie dem Bun- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) desminister hier nicht einen Vorwurf machen. Klop- fen Sie Ihren Ministern in den Ländern mal ordent- Das Wort hat die lich auf die Hörner, daß sie zumindest das Geld aus- Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Kollegin Anke Fuchs, SPD. geben, das Bonn hier zur Verfügung stellt.

(Horst Sielaff [SPD]: Das mache ich auch! - Anke Fuchs (Köln) (SPD): Herr Präsident! Meine Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: Das Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst den hat aber bisher nicht geholfen!) Dankesworten für die ausscheidenden Kollegen Sie- laff, Bredehorn, Susset und Maleuda anschließen. Meine Damen und Herren, wer im Markt bestehen soll, braucht starke Marktpartner, Pa rtner in Verar- Sie werden sich fragen, wieso ich heute hier rede. beitung und Vermarktung. Gerade in Schleswig-Hol- Ich bin als stellvertretende Fraktionsvorsitzende Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22263

Anke Fuchs (Köln) auch zuständig für den Bereich Landwirtschaft und Ich denke, man muß sagen: Bundestag und Bun- Forsten, desrat müssen gemeinsam eine Strategie entwickeln, mit der man sich auf die europäische Entwicklung (Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: einstellen kann. Ich bedauere, daß zwischen Bundes- Das ist schlimm genug!) tag und Bundesrat nicht jene Übereinstimmung her- gestellt werden konnte, die wir alle wollten. Beim Wirtschaft, Umwelt und Verkehr, und mein Kollege Bundesnaturschutzgesetz lag das ja nicht daran, daß Sielaff hat mich gebeten, hier heute zu sprechen, was wir die Ausgleichsabgabe nicht wollen, sondern es ich gern tue, weil ich ihm und den anderen Kollegen, lag daran, daß die Länder nicht mehr bereit sind - die ausscheiden, sowie dem scheidenden Minister das verstehe ich -, Bundesgesetze mitzutragen, für Borchert meinen Respekt und meine Anerkennung die sie dann finanziell einstehen müssen. Das kann ausdrücken möchte. nicht Sinn der Geschichte sein, und deswegen waren (Beifall bei der SPD) sie an diesem Punkt zu Recht anderer Meinung als Sie. Ich bin Horst Sielaff deswegen dankbar, weil diese (Beifall bei der SPD) Arbeitsgruppe mir als stellvertretender Fraktionsvor- sitzenden die Arbeit wirklich sehr leicht gemacht Wir stehen zu der Idee dieser Ausgleichsabgabe. hat. Denn er hat konstruktiv gearbeitet, hat Vor- Deswegen muß es uns gemeinsam gelingen - das schläge gemacht. Deshalb darf ich, glaube ich, hier sage ich auch an die Adresse der Minister -, im Hin- am Ende dieser Debatte Ihnen ein paar Tips geben, - blick auf die weitere Entwicklung in der Europäi- weil ich mir unter dem Aspekt der politischen Koordi- schen Union eine gemeinsame deutsche Linie zu fin- nierung die Frage stelle: Was muß eigentlich gemein- den. Denn sonst kommen wir dort unter die Räder, sam getan werden, damit die Landwirtschaftspolitik und das kann auch der Landwirtschaft nicht nützen. aus dem Verdacht herauskommt, es ginge nur um Subventionen? Wir müssen doch die Frage beantwor- (Beifall bei der SPD) ten: Wie soll Agrarpolitik der Zukunft aussehen? Vizepräsident Frau Kollegin Die derzeitige Agrarpolitik ist in den 50er Jahren Hans-Ulrich Klose: Fuchs, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kolle- konzipiert worden, als es noch eine Unterproduktion gen Ronsöhr? gab. Jetzt gibt es eine Überproduktion. Seitdem ist hin und her gebastelt worden, mal mit einer Schlachtprämie, dann mal mit einer Flächenprämie, Anke Fuchs (Köln) (SPD): Aber mit Vergnügen. sogar mit der „Herodes-Prämie". Die Antworten wa- ren immer sehr blumig, aber es hat im Ke rn keine transparente zukunftsorientierte Agrarpolitik gege- Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Bitte. ben. Ich würde Sie gern bitten, mit mir darüber nach- zudenken, was wir gemeinsam wollen. Heinrich-Wilhelm Ronsöhr (CDU/CSU): Frau Kol- Diejenigen, die mich aus meiner koordinierenden legin Fuchs, können Sie mir bestätigen, daß die SPD Arbeit im Vermittlungsausschuß auf dem Gebiet des Mehrheit im Bundesrat beschlossen hat, daß jede Naturschutzes und des Bodenschutzes kennen, wis- Ausgleichsmaßnahme beim Naturschutz eine Ver- sen, daß die Landwirte keinesfalls ein Feindbild für schlechterung des Naturschutzes selbst darstelle? mich sind. Vielmehr möchte ich die Frage beantwor- ten: Was können wir tun, damit wir als Bundesrepu- Anke Fuchs (Köln) (SPD): Nein. Wie kommen Sie blik Deutschland auf transparente Weise gemeinsam denn darauf? Ich erinnere mich an die Diskussion im etwas in die Zukunft hinein für unseren ländlichen Vermittlungsausschuß. Wir waren uns einig. Wir hat- Raum erreichen können? Denn ich glaube, es geht ten sogar die Ausgleichsmechanismen miteinander nur gemeinsam und nicht gegeneinander. besprochen. Dann haben Sie draufgesattelt, und (Beifall bei der SPD) daran ist die ganze Geschichte gescheitert. Das be- dauere ich sehr. Herr Kollege, ich sage noch einmal Wir wollen eine flächendeckende Landbewirt- im Namen der Sozialdemokratischen Partei: Die Fra- schaftung, und wir wollen natürlich die Einkommen gen waren: Wie können Ausgleichsregelungen aus- der Menschen, die dort tätig sind, sichern. Das heißt, sehen? Wer finanziert sie? Angesichts der Finanz- sie wollen auch Geld. Hochinteressant ist es nun, schwierigkeiten der Länder konnten Sie von ihnen wenn man sich anschaut, was F.D.P. und CDU/CSU nicht erwarten, daß sie wieder einmal ein Bundesge- dazu sagen. Es stellt sich ja die Frage: Welche Prinzi- setz mittragen, das sie selber finanziell ausstatten pien gelten eigentlich? Manche sagen: Es ist der Li- müssen. Dazu sind sie nicht in der Lage. beralismus; darum wollen wir kein Geld ausgeben. Ich sage: Es wird darauf ankommen, daß man fragt: (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Nach welchen Prinzipien soll diese Politik gemacht werden? Ich finde, daß es da bei der F.D.P. ganz inter- Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Frau Kollegin essante Widersprüche gibt. Auf der einen Seite heißt Fuchs, gestatten Sie dem Kollegen eine weitere Zwi- es: Liberalisierung ja; auf der anderen Seite heißt es: schenfrage? Einkommenssicherung ja. Ebenfalls wird gesagt: Öf- fentliche Investitionen ja, aber Subventionsabbau soll es auch geben. Anke Fuchs (Köln) (SPD): Aber sicher doch. 22264 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Heinrich-Wilhelm Ronsöhr (CDU/CSU): Frau Kol- und dann darf Herr Rexrodt nicht immer behaupten: legin Fuchs, sind Sie bereit, nach dieser Debatte ein Alles, was bei der WTO geschieht, ist Protektionis- entsprechendes Protokoll des Bundesrates entgegen- mus. Ich bin mit Ihnen hier für eine gemischte Strate- zunehmen, das das als Inhalt hat, was ich eben ange- gie, die die internationalen Organisationen nutzt, um sprochen habe? Kriterien aufzustellen, eine Strategie, die eine Über- lebenschance für diesen Bereich und überhaupt eine Anke Fuchs (Köln) (SPD): Ich glaube nicht, daß Sie Zukunftsorientierung gibt. den Inhalt richtig wiedergeben. Ich sage Ihnen auch, warum. Sie wissen ja, daß ich (Horst Sielaff [SPD]: Wahrscheinlich einen von Haus aus Sozialpolitikerin bin und um manche Satz herausgenommen!) Rechte gekämpft habe. Wenn ich Ihre Interessenver- tretung wäre - was ich zusammen mit Horst Sielaff Aber ich bin natürlich gern bereit, mir ein Protokoll für unsere Fraktion bin - , dann ginge es mir darum, anzuschauen, und werde es auch sorgfältig durchle- daß wir das, was wir wollen, so transparent machen, sen. daß eine Akzeptanz in der Bevölkerung da ist; Mein Punkt war - darauf will ich noch einmal hinwei- (Horst Sielaff [SPD]: Richtig!) sen -: Die Agrarpolitik wollen wir in die Zukunft hin- überretten - und zwar mit einem neuen Konzept. Das denn die schwankt hin und her. ist wichtig. Deswegen ist es verkehrt, wenn Sie sa- gen: Mit der Agenda 2000 wird eine völlig falsche (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Richtung eingeschlagen. Vielmehr sollten wir für ent- sprechende Vorschläge offen sein, und wir sollten Ich bin mit meiner Kollegin Heidemarie Wieczo- miteinander darüber sprechen, was wir da eigentlich rek-Zeul nicht einer Meinung. Das sage ich ganz of- einbringen wollen. Ich habe schon die flächendek- fen. Vielmehr müssen wir wissen, daß dieser Bereich kende Landbewirtschaftung und die Einkommenssi- auch in Zukunft Geld braucht. cherung genannt. Als weiteren Punkt möchte ich (Horst Sielaff [SPD]: Richtig!) nennen: Natürlich sagen wir zur Osterweiterung ja. Aber wir sind uns doch wohl klar darüber, daß das Dieser Bereich muß aber dann transparent in eine mit dem jetzigen Instrumentarium gar nicht funktio- richtige Richtung orientiert werden. Daran sollten Sie nieren kann. Deswegen sind wir alle gehalten, zu mit gemischten Instrumenten herangehen. Ich überlegen, was wir machen können, da wir ja nicht glaube, das tut uns allen hier gut. In diesem Sinne pauschal nein sagen wollen. Vielmehr geht es darum, will ich gerne weiter mithelfen. Der Nachfolger von daß wir darüber sprechen sollten, welche vernünfti- Horst Sielaff wird mir dabei auch helfen. gen Instrumente es da geben kann. (Ulrich Heinrich [F.D.P.]: Nachfolgerin!) Die Kernaussage muß lauten: Soviel Staat wie nö- tig, soviel Markt wie möglich. Das gilt auch für den Nehmen Sie bitte insofern mit, daß wir von Ja- jetzt zur Debatte stehenden Politikbereich. Da wird Nein-Diskussionen, von der Beschimpfung der Land- man allein mit liberalen Grundsätzen nicht über die wirtschaft und der Steuermittel, die dort hineinflie- Runden kommen. Deswegen besteht, glaube ich, ßen, wegkommen müssen. Aber wir müssen für die Übereinstimmung, daß wir öffentliche und einkom- Zukunft bereit sein, durch Umschichtung, aber vor menssichernde Mittel brauchen sowie Instrumente, allen Dingen durch andere Ideen die Balance zwi- die die ökologische Landwirtschaft vorantreiben. schen Markt und vernünftiger Regulierung im Auge Wenn das drei Punkte wären, wären wir ein Stück- zu behalten. chen weiter. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS) Dann habe ich mich über die Frage des Außen- schutzes sehr gewundert. Ich bitte doch die F.D.P.- Kolleginnen und -Kollegen, wirklich auf den Wi rt Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat der -schaftsminister einzugehen. Ich bin eine Anhängerin Kollege Albert Deß, CDU/CSU. des Weges nach Europa, aber auch der neuen Spiel- regeln des freien Welthandels hin zu einem fairen Welthandel. Da ist die WTO für mich das wichtigste Albert Deß (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kol- Instrument. Das gilt natürlich ganz besonders für die leginnen und Kollegen! Frau Kollegin Fuchs, ich Landwirtschaft. gebe Ihnen ja recht, daß wir von der Beschimpfung der Landwirtschaft wegkommen sollten. Aber Sie müssen sich auch entscheiden. Wollen Sie, daß die WTO, was Landwirtschaft anbelangt, (Horst Sielaff [SPD]: Sehr gut!) Kriterien aufstellt, die Außen- und sozialen Schutz und Ausschluß von Kinderarbeit bedeuten? Ich bin Leider sind es Mitglieder Ihrer Fraktion, die immer dafür, aber Sie müssen auch Ihre Vertreter mit einer wieder unseren Berufsstand beschimpfen. solchen Maßgabe in die WTO-Gremien schicken. Ich glaube, das muß man so sagen dürfen, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Horst Sielaff [SPD]: Albert Deß, es gibt (Beifall bei Abgeordneten der SPD) überall schwarze Schafe, selbst bei uns!) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22265 Albert Deß Ich habe hier ein Protokoll vom 4. Februar 1993. Wenn Dr. Fischler bei seinen Vorschlägen zur Dort sagt die Kollegin Mehl - ich zitiere, Herr Präsi- Agenda 2000 von einer Fortsetzung der Agrarreform dent -: von 1992 spricht, so entspricht das nicht der Wahr- heit. Das wirkungsvollste Instrument der Agrarre- Aber Naturschutz scheint ja ein Luxusthema zu form 1992 mit dem Ziel, Agrarüberschüsse in Europa sein; deshalb braucht sich ja auch kein Politikbe- abzubauen, war die Flächenstillegung. Gerade auf reich in Bonn ernsthaft damit zu befassen, außer dieses Instrument verzichtet Dr. Fischler. Ich bin der man kann Geld herauspressen, wie es die Land- Meinung, dieser Brüsseler Zauberlehrling ist kein wirtschaft versucht. Vertreter der europäischen Bauern, sondern ein Lob- Mich als praktizierenden Landwirt, der ich mich tag- -byistenvertreter der Getreidegroßhändler, des Groß täglich der Umwelt verpflichtet fühle, schmerzen sol- und Außenhandels und bestimmter Frachtunterneh- che Äußerungen. mer, die ein Interesse daran haben, daß möglichst viele landwirtschaftliche Massengüter hin und her (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU transportiert werden. und der F.D.P.) Was die WTO-Verhandlungen anbelangt, Frau (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Kollegin Fuchs, darf ich aus einer Drucksache des Diese Politik von Dr. Fischler liegt nicht im Interesse Deutschen Bundestages vor den letzten WTO-Ver- unserer Bauern und Bäuerinnen und unserer Um- handlungen vom 12. Dezember 1991 zitieren. Hier - welt. hat die SPD gefordert: Von der allgemeinen Zielsetzung, einen freien (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Welthandel mit offenen Grenzen zu schaffen, darf der EG-Agrarbereich nicht ausgenommen Er ist - wir haben ihn gestern erlebt - mit seiner Arro- werden. ganz und seiner Überheblichkeit ein Negativbeispiel, das Politikverdrossenheit fördert. Das genau ist eine SPD-Forderung, der ich wider- sprechen muß. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Das geht so nicht, Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Zeit- Herr Kollege! Damit schaden Sie nur!) raum des Agrarberichtes, dem Wirtschaftsjahr 1996/ 97, gab es starke Gewinne für die Veredelungsbe- Wer die europäische Landwirtschaft auf dem Altar triebe. Wie schnell sich die Situation ändert, sieht des Weltmarktes opfert, beleidigt Millionen Bäuerin- man daran, daß es do rt inzwischen wieder starke nen und Bauern, die sich tagtäglich große Mühe ge- Einkommenseinbußen gibt. ben, unsere Verbraucher mit hochwertigen Nah- Gegenläufig ist es bei den Futterbaubetrieben. rungsmitteln sicher zu versorgen. Während hier im Berichtsjahr 1996/97 Einkommens- verluste zu beklagen waren, ist im laufenden Wi rt (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) -schaftsjahr mit einer positiveren Entwicklung zu rechnen. Die Schlachtvieh- und Kälberpreise haben In keiner Region der Welt sind hochwertige Nah- sich etwas erholt. Auch die Milchpreise sind bei vie- rungsmittel im Verhältnis zur Kaufkraft so billig wie len Molkereien etwas angestiegen. bei uns in Deutschland. Der bäuerliche Berufsstand hat durch seine Produktivitäts- und Leistungssteige- Bei meiner Molkereigenossenschaft ist der Milch- rung einen enormen Beitrag zur Wohlstandssteige- preis in den ersten vier Monaten des heurigen Jahres rung in unserem Land geleistet. Auch das muß ein- um über 4 Pfennig höher als im gleichen Zeitraum mal gesagt werden. des Vorjahres. Bei durchschnittlichem Fett- und Ei- weißgehalt der Anlieferungsmilch erhalten unsere Umgekehrt ist es für unsere Bauern: Sie mußten Bauern einschließlich Mehrwertsteuer und erwirt- 1969 30 kg Weizen verkaufen, um eine Handwerker- schafteter Nachzahlung zur Zeit 71 Pfennig Milch- stunde bezahlen zu können. Heute müssen sie die preis. zehnfache Menge, nämlich mindestens 300 kg Wei- zen, verkaufen, damit sie diese Handwerkerstunde Diese Zahlen zeigen, daß durchaus eine positive bezahlen können. Wer da wie die Kommission sagt, Preisentwicklung möglich ist. Um so unverständli- daß die Agrarpreise weiter abgesenkt werden müs- cher sind die Vorschläge der EU-Kommission, die sen, beschreitet einen falschen Weg. durchaus auf Preissenkung der Agrarprodukte hin- auslaufen. Die EU-Kommission in Brüssel unterliegt Daß die SPD diesen Weg unterstützt, zeigt, wie we- einer für uns Bauern unverständlichen Fehleinschät- nig sie von agrarpolitischen Zusammenhängen ver- zung, wenn sie der Meinung ist, daß diese Preissen- steht und wie widersprüchlich ihre Aussagen sind. kungen im Hinblick auf die geplante Osterweiterung und die nächste WTO-Runde notwendig sind. Die (Beifall bei der CDU/CSU - Horst Sielaff aktuelle Entwicklung am Getreidemarkt zeigt, daß [SPD]: Jetzt werden Sie aber nicht dreist! die Kommission mit ihrer Preisdruckpolitik für die Diese Arroganz übertrifft bei weitem die Bauern einen falschen Weg beschreitet. Wäre sie bei von Herrn Fischler!) einem Flächenstillegungssatz von 15 Prozent oder darüber geblieben, wären am Markt wesentlich bes- Da wird, Herr Sielaff, in einem SPD-Entschließungs sere Getreidepreise zu erreichen. antrag vom 24. September 1997 gefordert: „Die Vor- 22266 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Albert Deß stellungen der EU-Kommission zur weiteren Reform Ich hoffe, daß wir deine Arbeit hier in Bonn fortset- der EU-Agrarpolitik gehen in die richtige Richtung, zen können. reichen jedoch nicht aus." Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Horst Sielaff [SPD]: Richtig! - Anke Fuchs (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. [Köln] [SPD]: Sehr wahr!) sowie der Abg. Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]) Dabei wissen wir alle, daß die Agenda-2000-Vor- schläge mehr kosten. Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat Herr Bundesminister Jochen Borche rt. Die stellvertretende SPD-Parteivorsitzende Wiec- zorek-Zeul forde rte am 11. Juni 1997 im Deutschen Bundestag: „Es geht um Umschichtungen im EU- Jochen Borchert, Bundesminister für Ernährung, Haushalt: weg von Agrarpreissubventionen, die Landwirtschaft und Forsten: Herr Präsident! Liebe Theo Waigel die ganze Zeit praktiziert und mitbe- Kolleginnen und Kollegen! Ich will in der Kürze der schließt, hin zu sinnvoller Strukturpolitik ... " In die- Zeit gern noch auf einige Fragen antworten. sem Punkt sind wir anderer Meinung. Ich bedanke Herr Sielaff, Sie haben kritisiert, daß wir Einkom- mich bei Herrn Minister Borche rt und bei seinem Par- mensrückgänge von 15 bis mehr als 20 Prozent pro- lamentarischen Staatssekretär Hinsken, daß sie diese gnostizieren, die Wissenschaft 3 Prozent. Sie wissen, Vorschläge ablehnen. - wo die Unterschiede liegen. Die Wissenschaft geht davon aus, daß die Preissenkungen der Kommission (Beifall des Abg. Dr. Gerd Müller [CDU/ nicht voll auf die Erzeugerpreise durchschlagen. CSU]) Wenn aber der Kommissar in einem Interview der „Berliner Zeitung" erklärt: „Ziel der Agenda ist es, Eine vernünftige Perspektive muß auch in der daß die Preissenkungen voll bis zu den Verbraucher- Agrarproduktion auf Mengenbegrenzungssysteme preisen weitergegeben werden", dann muß ich da- setzen. Die Wirtschaft praktiziert Mengenbegren- von ausgehen, daß die Erzeugerpreise um minde- zung: Unsere Autofirmen zum Beispiel produzieren stens den gleichen Prozentsatz sinken. Dann kom- doch auch nicht unbegrenzt. Ein großer Anteil der men Sie unstreitig zu den von uns prognostizie rten Produktion - bei manchen Firmen über 90 Prozent - Einkommensrückgängen. sind bereits verkauft, bevor die Produktion über- haupt beginnt. Brüssel muß umdenken. Solange am Ihr zweiter Kritikpunkt lautet, daß wir in der Frage Weltmarkt keine Agrarpreise erzielt werden, die für der Milchquote nichts unternommen hätten und das eine umweltfreundliche, zu hohe Standards produ- Problem aussitzen würden. Herr Sielaff, Sie wissen zierende europäische Landwirtschaft notwendig genausogut wie ich, daß man die rechtlichen Rah- sind, muß die Antwort lauten: Menge begrenzen statt menbedingungen der Milchquote erst immer am hochwertige Agrarprodukte zu Ramschpreisen ver- Ende des geltenden Rechtszeitraums regeln kann. schleudern. Man kann nicht in der laufenden Pe riode in be- stehende Verträge eingreifen. Damit diese Politik in Brüssel mehrheitsfähig wird, muß das EU-Agrarfinanzierungssystem geändert (Horst Sielaff [SPD]: Das ist richtig!) werden. Statt 100 Prozent Finanzierung aus Brüssel Wir haben in Deutschland, in der Kommission und in ist ein Kofinanzierungssystem auch bei den Aus- Europa sehr frühzeitig eine Verlängerung der Quo- gleichszahlungen erforderlich. Damit steigt auch für tenregelung über das Jahr 2000 hinaus gefordert. die Nettoempfängerländer die Verantwortung für Wir haben unsere Vorschläge dafür präzisiert. Wir eine Agrarpolitik in Brüssel, die die Steuerzahler haben also alles andere getan, als das Problem aus- weniger kostet und den Bauern mehr bringt. Die zusitzen. CSU-Landesgruppe und die bayerische Staats- regierung werden einen Weg in diese Richtung Ich möchte gern noch zur Agenda 2000 kommen. einfordern. Auch in der CDU wird über einen solchen Frau Kollegin Fuchs, ich greife gern Ihre Anregung Weg diskutiert. Nicht die Freiheit des Weltagrar- auf. Natürlich sollten wir uns bemühen, erstens unser handels ist das höchste Gut, sondern die Würde Vorgehen transparent zu machen und zweitens auch unserer Bäuerinnen und Bauern. Von Brüssel wird zu einem Konsens zu kommen. Ich begrüße es ja diese Würde durch die Agenda 2000 mit Füßen ge- auch, daß wir uns in dem Ziel einig sind, eine flä- treten. chendeckende Landbewirtschaftung aufrechtzuer- halten und auch einen Einkommensanspruch der (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Landwirte zu sichern. Unsere Schwierigkeit ist nur: Lisa Peters [F.D.P.]) Wenn wir versuchen, mit Ihnen einen Kompromiß zu- stande zu bringen, dann weiß ich nicht, was gilt; Am Ende dieser Agrardebatte - gleich spricht noch denn zur Agenda 2000 gibt es bei Ihnen sehr unter- der Herr Landwirtschaftsminister - darf ich mich bei schiedliche Äußerungen. Egon Susset, Günther Bredehorn, Horst Sielaff und (Katrin Fuchs [Verl] [SPD]: Bei Ihnen doch auch Günther Maleuda für die faire Zusammenarbeit auch!) im Agrarausschuß bedanken. Gerade Egon Susset habe ich in der Fraktion sehr oft erlebt. Ich habe in - Bei uns nicht, bei uns ist die Position klar. Wir ha den letzten acht Jahren viel von ihm gelernt. ben sie inzwischen auch mit den Landwirtschaftsmi- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22267

Bundesminister Jochen Borchert nistern der Länder geklärt. Bei Ihnen sind die Positio- werden. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der nen noch sehr unterschiedlich. Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. (Horst Sielaff [SPD]: Herr Minister, auch wir Abstimmung über die Beschlußempfehlung des sind uns einig!) Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und For- sten zu dem Agrarbericht 1996; das sind die - Sie sind weit davon entfernt. Frau Fuchs hat gesagt Drucksachen 13/3680, 13/3681 und 13/9845 und Sie haben gesagt, die Agenda 2000 sei ein Buchstabe a. Der Ausschuß empfiehlt Kenntnis- Schritt in die richtige Richtung. In Ihrem Parteipro- nahme. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - gramm haben Sie beschlossen, daß dazu vor allem Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschluß- die Subventionen in der gemeinsamen Agrarpolitik empfehlung ist einstimmig angenommen. der Europäischen Union drastisch gesenkt werden müssen. Beschlußempfehlung des Landwirtschaftsaus- schusses zu dem Entschließungsantrag der Fraktio- (Horst Sielaff [SPD]: Exportsubventionen!) nen der CDU/CSU und der F.D.P. zum Agrarbericht - „Drastisch gesenkt werden" steht d rin. - Die 1996 auf Drucksache 13/9845 Buchstabe b. Der Aus- Agenda 2000 beinhaltet eine deutliche Aufstockung schuß empfiehlt, den Entschließungsantrag auf der Subventionen und keine Senkung. Auf der ande- Drucksache 13/3978 anzunehmen. Wer stimmt für ren Seite sagen Sie - ich verweise auf Äußerungen diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Ihres Europaabgeordneten Detlev Samland -, bei der Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Landwirtschaft müßten mindestens 15 Milliarden Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stim- DM eingespart werden. men der Opposition angenommen. Frau Wieczorek-Zeul hat erklärt: Die jetzige Form Beschlußempfehlung des Landwirtschaftsaus- der Agrarpolitik ist nicht im Interesse der Europäi- schusses zu dem Entschließungsantrag der Fraktion schen Union, der SPD zum Agrarbericht 1996 auf Drucksache 13/ 9845 Buchstabe c. Der Ausschuß empfiehlt, den Ent- (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Richtig!) schließungsantrag auf Drucksache 13/3977 abzuleh- vor allen Dingen nicht im Interesse Deutschlands. nen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Das deutsche Interesse liegt im Bereich des Handels Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschluß- und der Dienstleistungen. - Das heißt, daß hier die empfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfrak- Landwirtschaft völlig abgeschrieben wird. Folglich tionen gegen die Stimmen der SPD-Fraktion bei kann es keinen Konsens geben; in dieser Frage müs- Stimmenthaltung von Bündnis 90/Die Grünen und sen wir anderer Meinung sein. Ich denke, daß Sie PDS angenommen. erst einmal innerhalb der eigenen Partei klären müs- Beschlußempfehlung des Landwirtschaftsaus- sen, was Sie wollen. Wahrscheinlich eifern Sie Ihrem schusses zu dem Entschließungsantrag der Fraktion Kanzlerkandidaten nach, bei dem man zu jedem Pro- Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 13/9845 blem sowohl ja als auch nein hört. Buchstabe c. Der Ausschuß empfiehlt, den Entschlie- Herr Sielaff, ich weiß nicht, wie Sie Ihre positive ßungsantrag auf Drucksache 13/3997 abzulehnen. Darstellung der Landwirtschaft in den neuen Län- Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Ge- dern mit dem vereinbaren wollen, was Ihr Kanzler- genprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfeh- kandidat gesagt hat. Er hat ausweislich der Zeit- lung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen schrift „Das Landvolk" in Niedersachsen im Februar gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen bei erklärt: Stimmenthaltung von SPD und PDS angenommen. Im Osten sind die früheren LPGs mit den Leuten Beschlußempfehlung des Ausschusses für Ernäh- besetzt, die das Wort Bauer kaum schreiben kön- rung, Landwirtschaft und Forsten zu dem Agrarbe- nen. richt 1997; es handelt sich um die Drucksachen 13/ 6868, 13/6869 und 13/9846 Nr. 1. Der Ausschuß emp- Schlimmer kann man die Betriebe in den neuen Län- fiehlt Kenntnisnahme. Wer stimmt für diese Be- dern nicht diffamieren. schlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltun- Herzlichen Dank. gen? - Die Beschlußempfehlung ist einstimmig ange- nommen. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Beschlußempfehlung des Landwirtschaftsaus- schusses zu dem Entschließungsantrag der Fraktio- Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Ich schließe die Aussprache. nen der CDU/CSU und der F.D.P. zum Agrarbericht 1997 auf Drucksache 13/9846 Nr. 2. Der Ausschuß Interfraktionell wird Überweisung des Agrar- empfiehlt, den Entschließungsantrag auf Drucksache berichts 1998 auf den Drucksachen 13/9823 und 13/ 13/7795 anzunehmen. Wer stimmt für diese Be- 9824 an die in der Tagesordnung aufgeführten Aus- schlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltun- schüsse vorgeschlagen. gen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Op- Die Entschließungsanträge der Fraktionen der position angenommen. CDU/CSU und der F.D.P. auf Drucksache 13/10987, der Fraktion der SPD auf Drucksache 13/11006 und Beschlußempfehlung des Landwirtschaftsaus- der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache schusses zu dem Entschließungsantrag der Fraktion 13/11007 sollen an dieselben Ausschüsse überwiesen der SPD auf Drucksache 13/9846 Nr. 3. Der Ausschuß 22268 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Vizepräsident Hans-Ulrich Klose empfiehlt, den Entschließungsantrag auf Drucksache Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Wird zu diesem 13/7796 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschluß- Geschäftsordnungsantrag das Wo rt gewünscht? - empfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstim- Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der mung. Wer stimmt diesem Geschäftsordnungsantrag Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von SPD zu? - Wer stimmt dagegen? - Dieser Geschäftsord- und PDS bei Stimmenthaltung von Bündnis 90/Die nungsantrag, Frau Kollegin Fuchs, ist mit den Stim- Grünen angenommen. men der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition abgelehnt worden. Beschlußempfehlung des Landwirtschaftsaus- schusses zu dem Entschließungsantrag der Fraktion (Horst Kubatschka [SPD]: Große Sprüche Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 13/9846 reißen und dann kneifen! - Lachen bei der Nr. 4. Der Ausschuß empfiehlt, den Entschließungs- CDU/CSU und der F.D.P. ) antrag auf Drucksache 13/7810 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegen- Wir kommen jetzt zu der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und For- probe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen sten zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu einem Verbot des Klonens von Tieren. die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS Das ist die Drucksache 13/9785. Der Ausschuß emp- bei Stimmenthaltung der SPD angenommen. fiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/7160 abzuleh- Beschlußempfehlung des Landwirtschaftsaus- nen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - schusses zu dem Entschließungsantrag der Gruppe Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschluß- der PDS auf Drucksache 13/9846 Nr. 5. Der Ausschuß empfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfrak- empfiehlt, den Entschließungsantrag auf Drucksache tionen gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grü- 13/7798 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschluß- nen und PDS bei Stimmenthaltung der SPD ange- empfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - nommen. Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Beschlußempfehlung des Landwirtschaftsaus- Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die schusses zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Stimmen der PDS bei Stimmenthaltung von Grünen zur Umsetzung der verbesserten Standards Bündnis 90/Die Grünen angenommen. zur Herstellung von Tierkörpermehlen zur Bekämp- Mir ist ein Geschäftsordnungsantrag angekündigt fung des Rinderwahnsinns, Drucksache 13/10480. worden. Er müßte jetzt gestellt werden. - Bitte schön, Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache Frau Kollegin Fuchs. 13/7962 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschluß- empfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - (Heiterkeit) Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposi- tion angenommen. Katrin Fuchs (Verl) (SPD): Vielen Dank, Herr Präsi- dent! Ich hätte mich in dem Moment gemeldet, in Beschlußempfehlung des Landwirtschaftsaus- dem Sie den entsprechenden Tagesordnungspunkt schusses zu dem Entschließungsantrag der Fraktion aufgerufen hätten. Bündnis 90/Die Grünen zur Großen Anfrage zu For- (Heiterkeit) schung und Forschungsförderung im Bereich Ernäh- rung, Land- und Forstwirtschaft, Drucksache 13/ 9787. Der Ausschuß empfiehlt, den Entschließungs- Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Ich helfe gern. antrag auf Drucksache 13/7809 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegen- probe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung (Verl) (SPD): Ich danke vielmals. Katrin Fuchs ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen Für die SPD-Fraktion stelle ich zu dem die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen. Tagesordnungspunkt 7 d einen Geschäftsordnungs- Beschlußempfehlung des Landwirtschaftsaus- antrag, der folgenden Wortlaut hat: schusses zu dem Entschließungsantrag der Fraktio- Der Deutsche Bundestag wolle beschließen: Der nen der CDU/CSU und der F.D.P. zur Großen An- Rechtsausschuß wird aufgefordert, den Gesetzent- frage zur Zukunft der Landwirtschaft im Zusammen- wurf des Bundesrates eines Gesetzes zur Änderung hang mit der EU-Agrarreform, Drucksache 13/10236 des Grundgesetzes (Staatsziel Tierschutz) sowie den Nr. 1. Der Ausschuß empfiehlt, den Entschließungs- von der SPD-Fraktion eingebrachten Entwurf eines antrag auf Drucksache 13/7428 anzunehmen. Wer Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Veran- stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegen- kerung des Tierschutzes im Grundgesetz) umgehend probe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung zu beraten und dem Deutschen Bundestag die Be- ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen schlußempfehlung so rechtzeitig vorzulegen, daß die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen. diese noch in dieser Legislaturpe riode entschieden Beschlußempfehlung des Landwirtschaftsaus- werden kann. schusses zu dem Entschließungsantrag der Fraktion Vielen Dank. der SPD zu der genannten Großen Anfrage; das ist die Drucksache 13/10236 Nr. 2. Der Ausschuß emp- (Ulrich Heinrich [F.D.P.]: Da lacht ihr fiehlt, den Entschließungsantrag auf Drucksache 13/ selbst!) 7431 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschluß- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22269 Vizepräsident Hans-Ulrich Klose empfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegen- Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der probe! - Enthaltungen? - Ich stelle fest, daß diese Be- Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von schlußempfehlung den Wein betreffend einstimmig Bündnis 90/Die Grünen und SPD bei Stimmenthal- angenommen worden ist. tung der PDS angenommen. (Ulrich Heinrich [F.D.P.]: Jetzt folgt die Kost- Beschlußempfehlung des Landwirtschaftsaus- probe!) schusses zu dem Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Drucksache 13/10236 Nr. 2. Beschlußempfehlung des Landwirtschaftsaus- Der Ausschuß empfiehlt, den Entschließungsantrag schusses zu einem Richtlinienvorschlag der Europäi- auf Drucksache 13/7427 abzulehnen. Wer stimmt für schen Union zur Regelung viehseuchenrechtlicher diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Fragen beim innergemeinschaftlichen Handelsver- Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den kehr mit Rindern und Schweinen. Wer stimmt für Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stim- diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - men von Bündnis 90/Die Grünen bei Stimmenthal- Enthaltungen? - Auch diese Beschlußempfehlung ist tung von SPD und PDS angenommen. einstimmig angenommen. Beschlußempfehlung des Landwirtschaftsaus- (Horst Kubatschka [SPD]: Nicht nur bei schusses zu dem Entschließungsantrag der Gruppe Alkoholika sind wir uns einig!) der PDS, Drucksache 13/10236 Nr. 2. Der Ausschuß empfiehlt, den Entschließungsantrag auf Drucksache - Das war nun nicht nötig. 13/7426 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschluß- (Heiterkeit) empfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Beschlußempfehlung des Landwirtschaftsaus- Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der PDS bei schusses zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Stimmenthaltung von SPD und Bündnis 90/Die Grü- Grünen zu Verbesserungen beim Transpo rt von nen angenommen. Schlachttieren in Europa, Drucksache 13/10825. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/ Wir kommen damit zur Abstimmung über 9828 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschluß- den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/ empfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - CSU und der F.D.P. auf Drucksache 13/10988. Wer Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Die Ge- Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposi- genprobe! - Enthaltungen? - Der Entschließungs- tion angenommen. antrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen an- Beschlußempfehlung des Landwirtschaftsaus- genommen. schusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD zur Milchmarktpolitik ab dem 1. April 2000, Drucksache Damit kommen wir zur Abstimmung über den Ent- 13/10733. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf schließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksa- Drucksache 13/9761 abzulehnen. Wer stimmt für che 13/11008. Wer stimmt für diesen Entschließungs- diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - antrag? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koali- Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stim- tionsfraktionen gegen die Stimmen des Hauses im men von SPD und PDS bei Stimmenthaltung von übrigen abgelehnt. Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen Beschlußempfehlung des Landwirtschaftsaus- auf den Drucksachen 13/9675 und 13/10508 an die schusses zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vor- Grünen zu einer tragfähigen Neuordnung der Milch- geschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist marktpolitik, Drucksache 13/10733. Der Ausschuß der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlos- empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/10277 ab- sen. zulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfeh- Dann kommen wir jetzt zur Abstimmung über den lung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Be- Antrag der Fraktion der SPD zur Sicherung der Res- schlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koali- sortforschung des Bundesministeriums für Ernäh- tionsfraktionen gegen die Stimmen von Bündnis 90/ rung, Landwirtschaft und Forsten an den Standorten Die Grünen bei Stimmenthaltung von SPD und PDS Celle, Wusterhausen und Münster. Es handelt sich angenommen. um die Drucksache 13/10998. Wer stimmt für diesen Antrag? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Dann rufe ich jetzt die Tagesordnungspunkte 8 a Antrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bis 8j auf: gegen die Stimmen des Hauses im übrigen abge- lehnt. a) Beratung der Großen Anfrage der Abgeord- neten Klaus Kirschner, Horst Schmidbauer Beschlußempfehlung des Ausschusses für Ernäh- (Nürnberg), Ingrid Becker-Inglau, weiterer rung, Landwirtschaft und Forsten zu einem Verord- Abgeordneter und der Fraktion der SPD nungsvorschlag der Europäischen Union zur Festle- gung besonderer Vorschriften für Qualitätsweine be- Qualität im Gesundheitswesen stimmter Anbaugebiete, Drucksache 13/10684. Wer - Drucksachen 13/9825, 13/10982 - 22270 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Vizepräsident Hans-Ulrich Klose b) Beratung der Beschlußempfehlung und des h) Beratung des Antrags der Abgeordneten Berichts des Ausschusses für Gesundheit Monika Knoche, Marina Steindor und der (14. Ausschuß) zu dem Antrag der Abgeord- Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN neten Karl-Hermann Haack (Extertal), Rückkehr zum Sachleistungsprinzip bei Klaus Kirschner, Susanne Kastner, weiterer der Zahnbehandlung Abgeordneter und der Fraktion der SPD - Drucksache 13/10949 - Rehabilitation, Prävention, Kuren - für eine vernünftige und moderne Gesund- i) Beratung der Beschlußempfehlung und des heitspolitik Berichts des Ausschusses für Familie, Se- - Drucksachen 13/7174, 13/9494 - nioren, Frauen und Jugend (13. Ausschuß) Berichterstattung: - zu dem Entschließungsantrag der Abge- ordneten Regina Schmidt-Zadel, Klaus rie Steen Abgeordnete Antje-Ma Kirschner, Petra Ernstberger, weiterer Ab- c) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD geordneter und der Fraktion der SPD Sofortmaßnahmen gegen die Krise von Kur - zu dem Entschließungsantrag der Abge- und Rehabilitation ordneten Heidemarie Lüth, Dr. Ruth Fuchs, Rosel Neuhäuer, Dr. Gregor Gysi - Drucksache 13/10561 - und der Gruppe der PDS d) Beratung des Antrags der Abgeordneten zu der Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. Ruth Fuchs, Dr. Heidi Knake-Werner Regina Schmidt-Zadel, Ingrid Becker-In- und der Gruppe der PDS glau, Dr. Ulrich Böhme (Unna), weiterer Ab- Abschaffung des „Notopfers Kranken- geordneter und der Fraktion der SPD haus" Situation der Demenzkranken in der Bun- - Drucksache 13/9386 - desrepublik Deutschland Überweisungsvorschlag: - Drucksachen 13/3343, 13/5257, 13/8723, Ausschuß für Gesundheit (federführend) 13/8719, 13/10499 - Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Haushaltsausschuß Berichterstattung: e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Abgeordnete Christa Lörcher Horst Schmidbauer (Nürnberg), Klaus Heidemarie Lüth Kirschner, Dr. Wolfgang Wodarg, weiterer Erika Reinhardt Abgeordneter und der Fraktion der SPD Irmingard Schewe-Gerigk Nationaler Aktionsplan Diabetes j) Beratung der Beschlußempfehlung und des - Drucksache 13/10822 - Berichts des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuß) zu dem Antrag der Abgeord- f) Zweite und dritte Beratung des von der neten Antje-Ma rie Steen, Dr. Ulrich Böhme Bundesregierung eingebrachten Entwurfs (Unna), Petra Ernstberger, weiterer Abge- eines Achten Gesetzes zur Änderung des ordneter und der Fraktion der SPD Arzneimittelgesetzes Erweiterung des Katalogs der Früherken- - Drucksachen 13/9996, 13/10122 - nungs-Untersuchungen um ein spezifisches (Erste Beratung 222. Sitzung) Hörscreening im Rahmen der U 1 und U 3 Beschlußempfehlung und Bericht des Aus- - Drucksachen 13/1001, 13/11022 - schusses für Gesundheit (14. Ausschuß) Berichterstattung: - Drucksache 13/11020 - Abgeordnete Antje-Ma rie Steen Berichterstattung: Es liegen zwei Entschließungsanträge der Fraktion Abgeordneter Dr. Dieter Thomae der SPD und ein Entschließungsantrag der Fraktion g) Zweite und dritte Beratung des von der Bündnis 90/Die Grünen vor. Bundesregierung eingebrachten Entwurfs Interfraktionell ist vereinbart, die heutige Tages- eines Ersten Gesetzes zur Änderung des ordnung um den Zusatzpunkt 15 Medizinproduktegesetzes (1. MPG-ÄndG) - Drucksachen 13/10422, 13/10868 - Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. zur aktuellen Situation (Erste Beratung 230. Sitzung) bei Kuren und Rehabilitationen Beschlußempfehlung und Bericht des Aus- - Drucksache 13/11066 - schusses für Gesundheit (14. Ausschuß) - Drucksache 13/11021 - zu erweitern. Der Antrag soll in der jetzt folgenden Gesundheitsdebatte mitberaten werden. Sind Sie mit Berichterstattung: der Erweiterung der Tagesordnung einverstanden? - Abgeordneter Wolfgang Lohmann (Lüden- Das scheint der Fall zu sein. Dann ist das so beschlos- scheid) sen. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22271

Vizepräsident Hans-Ulrich Klose Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind Daher müssen wir auch anstreben, daß der Arznei- für die Aussprache zwei Stunden vorgesehen. - Wi- mittelversand weltweit eingeschränkt wird. Um so derspruch gibt es nicht. Dann ist so beschlossen. mehr ist es verwunderlich, wenn aus Brüssel zu hö- ren ist, daß das Versandhandelsverbot für Arzneimit- Ich eröffne die Aussprache und gebe zunächst an tel, das in Deutschland mit der 8. AMG-Novelle ein- den Kollegen Dr. Thomae als Berichterstatter das geführt werden soll, und der freie Handel über Tele- Wort. - Bitte. shopping oder Internet nicht zusammenpassen wür- den - und das auf Kosten des erstgenannten. (F.D.P.): Herr Präsident! Meine Dr. Dieter Thomae (Horst Schmidbauer [Nürnberg] [SPD]: Ban sehr geehrten Damen und Herren! Ich muß noch ei- gemann läßt grüßen!) nen Änderungsantrag der CDU/CSU und F.D.P. hin- zufügen. Es geht um Art. 2 Nr. 1 Buchstabe b des Aber zurück zur 8. AMG-Novelle: Wie ein roter Fa- Entwurfes eines Achten Gesetzes zur Änderung des den, meine Damen, meine Herren, zieht sich auch Arzneimittelgesetzes. Hiermit wird redaktionell klar- durch diese Novelle das Streben nach mehr Sicher- gestellt, daß es im Rahmen der Erinnerungswerbung heit im Arzneimittelbereich. Bereits der Entwurf der außerhalb der Fachkreise, in Printmedien, bei der Bundesregierung, aber auch die Stellungnahme des bisherigen Rechtslage bleibt. Bundesrates belegen das. Was den Bundesrat an- geht, wurden viele Punkte aus seiner Stellungnahme Ich bedanke mich, daß Sie einverstanden sind. - in Form von Änderungsanträgen im Gesundheitsaus- schuß beschlossen. Jetzt hat das Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Gleichwohl werden wir stets an Grenzen stoßen; Wort der Kollege Dr. Wolf Bauer, CDU/CSU. denn eine absolute Sicherheit wird es nicht geben. So ist der Konflikt vorgezeichnet: Einerseits erwarten Dr. Wolf Bauer (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine wir von der Industrie, daß sie alle Anstrengungen un- sehr verehrten Damen! Meine Herren! In den letzten ternimmt, innovative Arzneimittel zur Behandlung Wochen haben die Urteile des Europäischen Ge- von Krankheiten auf den Markt zu bringen, gegen richtshofes vom 28. April dieses Jahres für viel Un- die es heute noch keine wirksamen Arzneimittel gibt. ruhe in der deutschen Gesundheitspolitik gesorgt. Es Auf der anderen Seite verlangen wir ein Höchstmaß war gut, daß unser Gesundheitsminister Horst See- an Sicherheit. Hier ist der Gesetzgeber gefordert, hofer sofort klargestellt hat, daß die Urteile nicht auf einen Rahmen zu schaffen, der all diesen Aspekten unser Gesundheitssystem übertragbar sind. So heißt so optimal wie eben möglich gerecht wird. es mit Recht in einer Pressemitteilung vom 5. Juni dieses Jahres: Um diesem Ziel näherzukommen, wird mit der 8. AMG-Novelle erreicht, daß es innerhalb der EU zu Nationalstaatliche Regelungen dürfen überall einer stärkeren Zusammenarbeit der einzelnen Be- dort die Waren- und Dienstleistungsfreiheit ein- hörden kommt und die Auskunfts- und Prüfungs- schränken, wo sie nachweisbar erforderlich sind, pflichten geregelt werden. Der Datenaustausch zwi- um einen bestimmten Umfang der medizinischen schen den diversen Zulassungs- und Überwachungs- und pflegerischen Versorgung oder ein bestimm- behörden wird insbesondere durch ein für Bund und tes Niveau der Heilkunde im Inland insoweit zu Länder beim Deutschen Institut für medizinische Do- erhalten, als es für die Gesundheit der Bevölke- kumentation und Information zu errichtendes daten- rung erforderlich ist. bankgestütztes Informationssystem erleichtert. Der Grund dafür, daß ich heute diese Urteile an- Wenn wir, meine Damen, meine Herren, einerseits spreche, ist, daß im Zusammenhang mit diesen Urtei- anerkennen müssen, daß es keine absolute Sicher- len leider wieder verstärkt über die Verschärfung des heit geben kann, dann müssen wir andererseits dafür Versandhandelsverbotes diskutiert wird. Ich lege da- Sorge tragen, daß die Fachöffentlichkeit und die Öf- her Wert auf die Feststellung, daß aus Gründen der fentlichkeit vernünftig und zuverlässig über Arznei- Arzneimittelsicherheit - diese ist nicht zuletzt auch mittelrisiken informiert werden. Trefflich läßt sich unter „Niveau der Heilkunde" zu subsumieren - mit darüber streiten, wie ein Stufenplanverfahren ablau- der Änderung des § 43 des Arzneimittelgesetzes ein fen soll. Viel wichtiger allerdings ist, daß das Zusam- wichtiger Schritt in die richtige Richtung getan wird. menspiel zwischen Bundesoberbehörde, nachgeord- Daran werden wir festhalten. neten Behörden und dem Stufenplanverfahren selbst reibungslos funktioniert. Dabei ist zu bedenken, daß (Beifall bei der CDU/CSU) vorschnelle und undifferenzie rte Informationen auch Wenn wir das Niveau unserer Arzneimittelversor- zu einer Verunsicherung des Verbrauchers führen gung aufrechterhalten bzw. noch verbessern wollen, können. brauchen wir als wesentlichen Teil dieser Arzneimit- (Beifall bei der CDU/CSU - Jürgen W. Möl telversorgung die öffentlichen Apotheken als letztes lemann [F.D.P.]: Das ist wahr!) Kontroll- und Beratungsorgan vor der Abgabe von Arzneimitteln an die einzelnen Patienten. Nur dann, Trotz aller erdenklichen und mit äußerster Sorgfalt wenn sichergestellt ist, daß ein Arzneimittel persön- zu treffenden Vorkehrungen wird es sich leider nicht lich abgegeben wird, besteht die Möglichkeit, den ganz vermeiden lassen, daß es zu Zwischenfällen Patienten individuell zu beraten, auf mögliche Wech- kommt, bei denen - ich zitiere aus § 84 AMG - „ein selwirkungen und Gefahren hinzuweisen und einem Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit Arzneimittelmißbrauch entgegenzuwirken. eines Menschen nicht unerheblich verletzt" wird. 22272 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Dr. Wolf Bauer Weiter ist in § 84 AMG festgelegt, daß der pharma- zwangsläufig zu der Erkenntnis, daß die alte Formu- zeutische Unternehmer, der das Arzneimittel in den lierung die beste ist. Verkehr gebracht hat, verpflichtet ist, dem Verletzten den daraus entstandenen Schaden zu ersetzen. Es ist (Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ für mich und sicherlich auch für viele andere meiner CSU]: So ist es!) Kolleginnen und Kollegen eine äußerst deprimie- Den Anhängern der Phytotherapie, der Homöopa- rende Erkenntnis, daß wir ganz offensichtlich mit thie und der Anthroposophie muß an dieser Stelle al- dieser Schadensersatzpflicht auch mit der 8. AMG- lerdings ganz deutlich gesagt werden, daß ihre Arz- Novelle nicht zu einer zufriedenstellenden Lösung neimittel zuallererst einer von der SPD geforderten kommen, zu einer Lösung, mit der die Geschädigten Positivliste zum Opfer fallen würden. Unsere Frak- leben können. tion hingegen lehnt auch aus diesem Grund eine Positivliste ganz entschieden ab. Was die Gefährdungshaftung angeht, so drängt sich mir der Verdacht auf, daß es für den einen oder (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) anderen wichtiger sein könnte, daß sein juristisches Weltbild in Ordnung ist, als daß den Betroffenen Die Therapievielfalt ist eine Stärke unseres Gesund- schnell und effektiv geholfen wird. heitswesens. Wir wollen sie erhalten. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Noch eine kurze Bemerkung zur Änderung des Medizinproduktegesetzes. Wichtigste Ziele sind hier, Nicht zuletzt als Gesundheitspolitiker hätte ich in der neben einer Abverkaufsregelung für Medizinpro- 8. AMG-Novelle gerne einerseits eine Verbesserung dukte und einer Abgrenzung vor allem zwischen der Beweisführung durch einen Auskunftsanspruch Arzneimittel und Medizinprodukt die Schaffung des Geschädigten und andererseits das Bereitstellen einer Eilverordnungsermächtigung zur Abwehr von eines Schmerzensgeldes gesehen. Risiken zu erreichen. So oder so wäre zu begrüßen gewesen, wenn wir Interessant wäre natürlich auch, noch auf das Heil- wenigstens einen Einstieg geschafft hätten. Bei einer mittelwerbegesetz einzugehen, weil wir hier eine weiteren Novellierung des AMG hätten wir dann Angleichung der Printmedien an die audiovisuellen entsprechende Verbesserungen vornehmen können. Medien erreichen wollen. Neben den bereits genannten gibt es aber noch Meine Damen, meine Herren, in Verbindung mit eine ganze Reihe anderer interessanter Punkte in der der Arzneimittelsicherheit sprach ich bereits von dem 8. AMG-Novelle, auf die es sich einzugehen lohnt. Rahmen, den der Gesetzgeber schaffen muß, um al- So wird das Inverkehrbringen, das Verschreiben und len Aspekten so optimal wie eben möglich gerecht zu Anwenden von Arzneimitteln zum Doping ausdrück- werden. Unser Gesundheitsminister, Horst Seehofer, lich verboten. Hierdurch soll erreicht werden, daß die formulierte es einmal so: Gesundheit der Sportler und insbesondere die der Die neuen Rahmenbedingungen im Gentechnik- sporttreibenden Kinder und Jugendlichen geschützt gesetz, Transplantationsgesetz und im Arzneimit- wird. telrecht helfen mit, daß Deutschland in der Medi- Ein weiterer wichtiger Punkt ist eine Verfahrens- zin eine Spitzenstellung behält und die medizini- vereinfachung für die klinische Prüfung von Arznei- sche Forschung eine zukunftsgerichtete Perspek- mitteln. Diese Vereinfachung soll dadurch erreicht tive hat. werden, daß allein das Votum der für den Leiter der Das ist eine erfolgreiche Gesundheitspolitik, die klinischen Prüfung zuständigen Ethik-Kommission wir auch in der 14. Legislaturpe riode fortsetzen wer- genügt. Da von § 40 AMG die Berufsordnung der den. Den vorliegenden Gesetzesänderungen stimmt Ärzte ohnehin nicht betroffen ist, bleibt dieses stan- die CDU/CSU-Fraktion zu. desrechtliche Instrument voll erhalten. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Wenn wir der pharmazeutischen Indust rie hier ei- nen größeren Spielraum geben, um mehr forschen und an neuen Arzneimitteln arbeiten zu können, so Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat die hoffen wir natürlich auch auf entsprechende Erfolge Kollegin Gudrun Schaich-Walch, SPD. - vor allem zugunsten der Betroffenen, die Krankhei- ten haben, gegen die es noch keine Arzneimittel Gudrun Schaich-Walch (SPD): Sehr geehrter Herr gibt. Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Dieses Parlament beschäftigt sich zum letztenmal mit der Einen breiten Raum in der Diskussion um die Gesundheitspolitik der Bundesregierung. Wir müs- 8. AMG-Novelle nahmen die Arzneimittel der beson- sen feststellen, daß die finanziellen Probleme der ge- deren Therapierichtungen ein. Die öffentliche Anhö- setzlichen Krankenversicherungen trotz einer Flut rung vom 1. April dieses Jahres hat gezeigt, daß die von Verordnungen und Gesetzen offensichtlich nicht Meinungen der verschiedenen Sachverständigen geregelt sind. nach wie vor weit auseinandergehen. Der grundsätz- liche Streit - Schulmedizin kontra bestimmte Thera- Das Minus von 580 Millionen DM in den Kassen ist pierichtungen - prägte auch diese Diskussion. Da zwar bis jetzt noch nicht der letzte Stand. Aber zur meine Fraktion die Palette der unterschiedlichen Beruhigung tragen diese Zahlen beim besten Willen Therapierichtungen erhalten will, kamen wir nahezu nicht bei. Die Beitragssätze sind zwar stabil geblie- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22273

Gudrun Schaich-Walch ben. Aber wir müssen letztlich fragen, zu welchem System liegen und wo Unwirtschaftlichkeiten auszu- Preis und auf wessen Kosten das geschehen ist. machen sind. Daran haben Sie letztlich nichts geän- dert. Wie ich aus der Antwort herauslesen kann, ha- (Beifall bei der SPD) ben Sie auch nicht vor, daran etwas zu ändern; denn Herr Seehofer, Sie werden nicht müde, immer wie- darin führen Sie aus - ich zitiere wörtlich -: „Quali- der zu betonen, daß wir die notwendige medizinische tätssicherung ist keine Aufgabe des Staates." Diese Versorgung und den Fortschritt nur dann noch be- Aussage durchzieht die Antwort wie ein roter Faden. zahlen können, wenn Versicherte kräftig zuzahlen. Sie verweisen auf die zuständige Kooperation der Selbstverwaltung und vertrauen - wie in dieser Ant- (Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Entspre- wort immer wieder zu lesen ist - den Kräften des chend ihrer Leistungsfähigkeit!) Marktes. Statt in diesem Bereich einmal nachzuschauen, wie In einem Bereich stimme ich Ihnen zu: Wir Politiker es denn wirklich aussieht, haben Sie sich eindeutig dürfen und können nicht die Inhalte der Leitlinien auf die Seite derer geschlagen, die Leistungen anbie- und Standards bestimmen. Aber die Regierung hat ten und die sich darauf verlassen konnten, daß sie die Aufgabe, den gesetzlichen Rahmen festzulegen, nicht in entsprechender Art und Weise kontrolliert in dem alle, die im Gesundheitswesen tätig sind, ge- wurden. Statt do rt tätig zu werden, haben Sie den meinsam handeln können und damit die Maßnah- Krankenkassenbeiträgen letztlich noch drastische men erst herbeiführen, die zur Sicherstellung der Zuzahlungen durch die Versicherten hinzugefügt.- Qualität notwendig sind. Das ist das, was ich besonders ärgerlich finde. Es wird in der Debatte hier immer so getan, als wären Eines aber muß ganz deutlich und sehr klar sein: die Zuzahlungen das einzige, was die Kranken zu lei- Qualitätssicherung in unserem Gesundheitswesen sten hätten, als würden sie nicht schon sehr hohe kann nicht einseitig nur eine Aufgabe der Ärzte- Versicherungsbeiträge zahlen; und ansonsten kämen schaft sein. die Segnungen des deutschen Krankenhaus- und Gesundheitswesens glatt über sie. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der SPD) Aus dieser Antwort kommt auch heraus: Der aktu- Sie haben in der Beantwortung der Großen An- ellen Gesundheitspolitik liegt die Annahme zu- frage meiner Fraktion zur Qualitätssicherung festge- grunde, daß Wettbewerb auch in der sozialen Kran- stellt, daß wir Ihnen bei Ihrem Vorhaben nicht zur kenversicherung Effizienz und Qualität der Versor- Seite gestanden haben. Ich bekräftige das: Wir wer- gung verbessern kann. Sie befürworten den Wettbe- den nie jemandem zur Seite stehen, der die Lasten werb insbesondere da, wo er sich zum Nutzen der einseitig verteilt Patienten und Versicherten auswirkt, sagt die Regie- (Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ rung in ihrer Antwort. CSU]: Das ist doch Unsinn!) (Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ und unsere solidarische gesetzliche Krankenversi- CSU]: Das ist richtig!) cherung aushöhlt. - Na wunderbar. - Dann tun Sie doch etwas, damit (Beifall bei der SPD - Wolfgang Lohmann dieser Wettbewerb tatsächlich unter fairen Bedin- [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Das stimmt gungen stattfindet. Es reicht nämlich nicht aus, den doch nicht! Das wissen Sie ganz genau!) Krankenkassen die Verhandlungen um immer billi- gere Leistungen nahezulegen, ihnen jedoch die Statt dessen werden wir im Herbst alle Kraft darauf Möglichkeiten der Einflußnahme, die sie brauchen, verwenden, die notwendigen strukturellen Verände- nicht zu geben. Denn die Krankenkassen müssen in rungen herbeizuführen und die Schieflage, in der wir der Lage sein, die Leistungen auszuwählen, und sie uns zur Zeit befinden, zu beseitigen; müssen dann, wenn die Qualität der Leistungen (Beifall bei Abgeordneten der SPD - Wolf- nicht hinreichend ist, auch in der Lage sein, diese gang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Leistungen abzulehnen, sie nicht in Anspruch zu Das fehlte gerade noch!) nehmen oder sie nicht zu bezahlen. denn Qualität und Wi rtschaftlichkeit - das sagen Sie (Beifall bei der SPD) in der Antwort - sind zwei Seiten einer Medaille. Da Wenn Sie glauben, daß Sie dieses Angebot und bin ich mit Ihnen einer Meinung. Aber die Frage ist dieses System über Nachfrage verbessern können, doch, welche Schlüsse Sie daraus ziehen. Das bleibt dann müssen Sie tatsächlich den Sachwaltern der In- für uns und für die Patientinnen und Patienten leider teressen der Versicherten mehr Rechte einräumen, im dunkeln. als das jetzt der Fall ist. Obwohl wir ein grundsätzlich hervorragendes Ge- (Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ sundheitswesen haben, CSU]: Noch mehr?) (Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ Sie müssen ihnen die Möglichkeit geben, die Quali- CSU]: Aha!) tät zu prüfen und dann entsprechend zu handeln. verfügen wir immer noch nicht über Erkenntnisse, Wenn man das tatsächlich will, dann geht es nicht, die uns aufzeigen, wo denn die Qualitätsmängel im daß man diese Möglichkeiten durch die Einführung 22274 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Gudrun Schaich-Walch der Kostenerstattung, wie zum Beispiel im Bereich - Es ist einfach so, und es ist meiner Einschätzung des Zahnersatzes, herbeiführt. nach auch locker gesprochen; denn Sie sind ja letzt- lich diejenigen, die das Sachleistungsprinzip, von Was hat denn jetzt Ihre Kostenerstattungsregelung dem Sie selber sagen, daß es das Bollwerk gegen gebracht? Patientinnen und Patienten müssen sich eine unerwünschte Harmonisierungsbestrebung ist, dann, wenn sie unsicher sind, eines Gutachters be- zerlöchert haben. Das ist ungefähr so, als würden Sie dienen. Dafür müssen sie erst einmal kräftig in die Löcher in Ihre Hose schneiden und hinterher erstaunt Tasche langen und zuzahlen. reagieren, daß sie jetzt kaputt ist. (Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne CSU]: Nein, die gehen wie bisher zu ihrer ten der PDS - Jürgen W. Möllemann Krankenkasse!) [F.D.P.]: Das war jetzt aber einmal ein Sie sind verunsichert, sie haben bei Zahnarztrech- geniales Bild!) nungen das Problem, daß - wie ich aus der Presse- Mit dieser Haltung werden Sie aber auf die weitere mitteilung des Ministers entnehmen konnte - ein Entwicklung Europas keinen Einfluß nehmen. Es ist Drittel aller Rechnungen überhöht sind. Die Kassen nicht Politikgestaltung, wenn man darauf wartet, daß können dann ihren Patienten zu Hilfe eilen, aber sie man durch ein deutsches Urteil gezwungen wird, et- müssen ihren Patienten nicht zu Hilfe kommen, was zu tun, sondern Politikgestaltung ist es, wenn ich (Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ - wirklich zur Kenntnis nehme, daß der freie Waren- CSU]: Selbstverständlich!) verkehr und der Dienstleistungsverkehr in Zukunft in Europa - und dieses Europa hat doch Ihre Partei weil Sie ihnen den Privatversichertenstatus gegeben auch immer gewollt - die Normalität sein werden. haben, und Sie haben ihnen so den notwendigen Dann wird es die Aufgabe der Politik sein, Qualitäts- Schutz schlicht und einfach geraubt. anforderungen an diesen Warenverkehr und an die- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- sen Dienstleistungsverkehr zu knüpfen. Es ist doch ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - auch gar nicht so, daß wir noch gar nichts hätten. Wir Zurufe von der CDU/CSU - Peter Dreßen haben die Richtlinie für Medizinprodukte, wir haben [SPD]: Privatorgie der F.D.P.! - Jürgen inzwischen eine gemeinsame Zulassung im Arznei- W. Möllemann [F.D.P.]: Wenn sich eine mittelsektor, wir haben gemeinsame Richtlinien für Kasse so benimmt, würde ich einfach her- die Ausbildung in den medizinischen Berufen. Es ist ausgehen! Dann würde ich in eine andere doch nicht so, daß es in anderen Bereichen keine gehen!) Qualität gäbe und daß eine Bedrohung gegeben wäre. - Wenn Sie den Kassen das Recht zur Beratung weg- nehmen, wenn Sie sie in einen Wettbewerb zwingen, Dieses Urteil besagt doch nicht, daß wir harmoni- der unsinnig ist, weil es letztlich nicht um die Quali- sieren müssen. Dieses Urteil besagt einfach, daß tät der Leistungen geht, und wenn die Krankenkas- auch in diesem Bereich die Regeln des Warenver- sen dann auch nicht dafür Sorge tragen können, daß kehrs anzuwenden sind. der Patient und die Patientin die Leistungen, die sie (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Seit wann brauchen, tatsächlich bekommen, dann ist das doch sind denn Leistungen Warenverkehr?) der Dreh- und Angelpunkt, an dem wir hier sind. Die Ausgestaltung unseres Gesundheitssystems ist (Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ und bleibt nach wie vor unsere Aufgabe in diesem CSU]: Welche Krankenkasse meinen Sie Land. denn?) Sie nehmen jetzt einfach das ganz erstaunt zur Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Frau Kollegin Kenntnis, was passiert ist, aber Sie haben nicht den Schaich-Walch, gestatten Sie dem Kollegen Loh- Mut, wirklich einzuschreiten. Dann gibt es noch ei- mann eine Zwischenfrage? nen anderen Punkt, Herr Minister, bei dem Sie jetzt erstaunt zur Kenntnis nehmen, was passiert. Sie schauen nämlich auf das EuGH-Urteil zu Kohl und Gudrun Schaich-Walch (SPD): Ja. Decker und rufen laut: Unsere Krankenversicherung ist gefährdet. Sie schauen nicht nach den Chancen, die es dort vielleicht gibt. Sie sagen allerdings auch: Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Bitte. Dieses Urteil gilt nicht für unser Land; dieses Urteil ist für Luxemburg gesprochen worden. Luxemburg Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid) (CDU/CSU): hat ein Kostenerstattungssystem. Das haben wir ja Frau Kollegin Schaich-Walch, es würde uns sicher letztlich nicht. Infolgedessen kann dieses Urteil nicht gemeinsam helfen, wenn in der Öffentlichkeit man- für uns gelten. ches deutlicher würde. Sie haben eben gesagt, wir Ich denke, es ist schon sehr erstaunlich, wenn man hätten den Krankenkassen das Recht zur Beratung sich das reinziehen muß - so sage ich das wirklich geraubt. Könnte man sich darauf einigen, zu sagen: einmal. „Wir haben dafür gesorgt, daß die Krankenkassen kein Genehmigungsrecht mehr haben. Aber selbst- (Jürgen W. Möllemann [F.D.P.]: Na, das ist verständlich dürfen sie in der Verantwortung für ihre ein bißchen locker!) Versicherten eine Beratung anbieten"? Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22275

Gudrun Schaich-Walch (SPD): Die Beratung haben Zu was hat das geführt? Die Selbstmedikation ist - die Versicherten sehr wohl; da haben Sie recht. Nur, darüber hat sich die F.D.P., haben vielleicht auch Sie die Frage ist einfach, wie und wo man die Beratung sich sehr gefreut - gewaltig angestiegen. Aus Krei- letztendlich durchsetzen kann. Erst einmal muß man sen der Ärzte höre ich aber auch, daß viele Patientin- zahlen, und dann muß man auf privatrechtlicher nen und Patienten anfangen, an ihren Krankheiten Ebene sein Recht durchzusetzen versuchen. Und selbst herumzukurieren. Dies ist eindeutig auf den eben das kann doch nicht sein. Dies muß einfach in Verlust bei der Verordnung von Arzneimitteln und der Verpflichtung der Krankenkasse bleiben und mit bei der Arzneimitteltherapie zurückzuführen. Sie dem notwendigen Druck durchgesetzt werden. Der machen die Patientinnen und Patienten zu Selbsthei- Heil- und Kostenplan muß vorher bekannt sein; das lern. Konsequenz werden unter Umständen gesund- darf nicht alles erst irgendwann hinterher kommen. heitliche Schäden sein. Die Folgekosten wiederum werden die Krankenversicherungen zu zahlen ha- (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Der ist doch ben. vorher klar!) Das Ganze überschreiben Sie mit einem Mehr an Er muß verbindlich sein und bleiben. Es darf nicht im Eigenverantwortung. Eigenverantwortung ist etwas Risiko desjenigen liegen, der zum Zahnarzt geht, daß anderes. Die Eigenverantwortung gestärkt hätte er das Ganze selbst herbeiführen und vielleicht sogar man, wenn Sie dazu beigetragen hätten, den ganzen einklagen muß. Präventionsbereich sauber zu organisieren, zu struk- (Beifall bei der SPD) - turieren In Sachen Europa möchte ich noch sagen: Die Ele- (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Wer hinde rt mente der Privatisierung haben Sie in unser System die Krankenkassen daran?) eingeführt, alles stückweise im letzten Jahr. Sie ha- ben die Zuzahlungen erhöht und damit letztendlich und vorhandene Auswüchse zu vermeiden. Dies ein Stück weit die Solidarität dieses Systems unter- hätte dazu beigetragen, daß die Menschen eigenver- graben. Jährlich sind 20 Milliarden DM an Zuzahlun- antwortlich zum Wohle ihrer Gesundheit handeln gen zu leisten. Von einer hälftigen Finanzierung könnten. kann da nicht mehr die Rede sein. Auf das, was im (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie Bereich Kur und Rehabilitation passiert ist, will ich der Abg. Halo Saibold [BÜNDNIS 90/DIE gar nicht eingehen. GRÜNEN]) In der Summe komme ich zu dem Ergebnis: Dieses Auch an diesem Punkt haben Sie doch den notwen- Gesundheitssystem ist nicht von Europa bedroht, digen Gestaltungswillen vermissen lassen. Das ist sondern der Feind sitzt hier, in Gestalt dieser Bundes- aber nicht der einzige Bereich. regierung. Damit haben Sie letztendlich den Rückzug aus der (Beifall bei der SPD - Dr. Peter Ramsauer Verantwortung in der Gesundheitspolitik begonnen. [CDU/CSU]: Wenn Sie so reden, gehören Das werden wir im Herbst zurückzuführen haben. Sie nicht in dieses Parlament! Wer von der Wir werden dazu beitragen, daß aus unserer gesetz- Bundesregierung als dem Feind spricht, lichen Krankenversicherung wieder das wird, was sie gehört nicht in dieses Parlament!) einmal war: eine solidarische Krankenversicherung, Daß das so ist, kann man an einigen Punkten der die mit entsprechenden Strukturreformen wetterfest Privatisierung belegen. Ich rege mich ganz furchtbar für die Zukunft gemacht wird. über den Tatbestand auf, daß alle, die nach dem (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne 31. Dezember 1978 geboren sind, keinen Zahnersatz ten der PDS - Zuruf von der CDU/CSU: mehr bezahlt bekommen. Darüber rege ich mich Genau die erhalten wir!) ganz maßlos auf. Das ist eine starke Form der Lei- stungsausgrenzung, bei der keiner mitreden konnte. Das ist einfach so passiert. Sie selbst und der Minister Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat die haben doch noch vor kurzer Zeit hier die Auswüchse Kollegin Monika Knoche, Bündnis 90/Die Grünen. im Bereich der Zahnersatzleistungen beklagt. Diese Regelung muß einfach zurückgeführt werden, und Monika Knoche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): das werden wir tun. Wir werden das Sachleistungs- Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren und Da- prinzip in diesem Bereich wieder einführen. Dann ist men! Als wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, klar geregelt, wer die Qualitätskontrolle übernimmt wie völlig unstrukturiert, uneinheitlich und ohne und wer der Sachwalter der Interessen von Patientin- Rechtsklarheit die Gesundheitspolitik in den letzten nen und Patienten ist. Jahren verlaufen ist, zeigt die Auseinandersetzung (Beifall bei der SPD) um das EuGH-Urteil in Verbindung mit der innenpo- litischen Auseinandersetzung um den Zahnersatz Ein weiterer Problembereich sind die Arzneimittel. ganz klar: Es gibt keine qualitative Steuerung ohne Bei rund einem Viertel der Arzneimittel übersteigen Sachleistungsprinzip. Kostenerstattung und Quali- die Zuzahlungen die Apothekenpreise. tätssicherung gehen nicht zusammen. (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Bei Ihrer Ich finde es sehr erstaunlich, daß unser Bundesge- Positivliste wäre die Prozentzahl noch sundheitsminister mit großer, theatralischer Rhetorik höher! Da wären es 30 Prozent!) den Zusammenbruch des deutschen Solidarsystems 22276 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Monika Knoche am Beispiel der Kostenerstattung beim Zahnersatz verteilt, und wie wird die finanzielle Solidität des Sy- hinsichtlich des EuGH-Urteils beklagt. Er selbst hat stems wiederhergestellt? das deutsche Sachleistungssystem mit der Kostener- stattung zur Disposition gestellt. Er hat den Weg be- (Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ schritten, daß Krankheitsversorgung einen Waren- CSU]: Verteilung und Umverteilung, das ist charakter bekommt, daß es das auf betriebswirt- Ihr Kredo!) schaftliche Ergebnisse reduzierte Dienstleistungsge- Wenn Sie aber das System der Umverteilung nach schehen Gesundheitswesen gibt. unten einführen, so daß Kranke die Folgen der Ein- Was spielt sich denn konkret in der Auseinander- nahmeimplosion durch Arbeitslosigkeit zu bezahlen setzung um die Regelung des Zahnersatzes und die haben, dann haben Sie vor allen Dingen eines ge- Kostenerstattung ab? Sie haben ein Gesetz gemacht, macht: Sie haben die Arbeitgeber aus der Verantwor- mit dem Sie unter anderem gesagt haben: Der Zahn- tung für die Sozialstaatlichkeit entlassen und alles ersatz ist kein Sachleistungsbereich mehr; ihr, meine weitere Geschehen den Versicherten und den Kran- sehr verehrten Versicherten, habt nicht mehr den ken übertragen. Rechtsschutz der gesetzlichen Krankenkassen. Das ist der Systembruch, den Sie eingeleitet ha- (Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ ben. Er wirkt sich jetzt auf fatale Weise aus. CSU]: Das ist doch nicht wahr!) (Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ Ihr seid Privatkunden und habt mit den Zahnärzten CSU]: Wo denn?) auszuhandeln, welche Möglichkeiten, Qualität und Glauben Sie nicht, daß die Versicherten nicht ver- Preis zusammenzubringen, es gibt. - Dafür gibt es standen haben, welchen Placeboeffekt Sie sich mit schlichtweg keine Regelung. Die Versicherten sind Ihrer Überschrift „erfolgreiche Gesundheitspolitik" dem Marktgeschehen unterworfen. selbst geben. Alle wissen, was sie zu zahlen haben. (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Deshalb wol- Alle erleben an den Apothekenkassen, daß sie, weil len Sie es im Ausland zulassen! Das ist doch sie krank geworden sind und das Solidarsystem in widersprüchlich!) Anspruch nehmen müssen, zusätzlich zahlen müs- sen. Das sind Bestrafungsrituale, die als solche er- Die Zahnärzte haben sehr wohl begriffen, daß sich kennbar sind. hier ein Sektor eröffnet, in dem das Prinzip „Krank- heit als Ware" festgelegt worden ist. Jetzt wirken na- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN türlich die Wirkungen des EuGH-Urteils auf und bei Abgeordneten der PDS) Deutschland zurück. Es wird befürchtet, daß diese Kommen Sie mir bitte nicht mit dem scheinheiligen Leistungen auch im europäischen Ausland einge- Argument, Sie hätten die große soziale Absicherung kauft werden können. erreicht, weil 20 Millionen Menschen nicht zuzahlen (Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ müssen. Die große Gefahr besteht in diesem Zusam- CSU]: Weil die Voraussetzungen im Aus- menhang darin, daß Sie die Akzeptanz in bezug auf land andere sind!) das Solidarsystem aushöhlen. Die große Gefahr be- steht darin, daß Menschen von einem paritätisch or- Damit wird eine große Gefahr beschworen. ganisierten System, in das sie einzahlen, eine Absi- cherung erwarten und dann erfahren müssen, daß, Ich kann Ihnen nur eines sagen: Wenn Sie das wenn sie krank sind, dieses System die Sachleistun- deutsche Gesundheitswesen qualitativ steuern wol- gen nicht mehr gewährleistet. Wenn das eintritt, len, wenn Sie diese Entwicklungen nicht haben wol- schwindet die Akzeptanz. Das ist gesellschaftspoli- len, dann nehmen Sie Ihre Gesetze zurück. Das ist tisch in der Tat eine sehr große Gefahr, die Sie ohne eine ganz einfache Regelung: Nehmen Sie das Prin- ökonomische Not in dieses System hineingetragen zip „Krankheit als Ware" zurück, und führen Sie den haben. Sachleistungskatalog wieder ein. Geben Sie den Ver- sicherten diesen Leistungsanspruch zurück. Dann (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Sie würden haben Sie dieses desolate Geschehen im Bereich der am liebsten Urlaub auf Krankenschein zahnmedizinischen Versorgung in der Bundesrepu- bezahlen lassen!) blik Deutschland ein für allemal beendet, und die Versicherten wissen wieder, was Recht ist und was Das haben die Menschen sehr wohl verstanden. ihr Anspruch ist. Das, was Sie jetzt gemacht haben, Was ich an dieser Stelle noch hinzufügen möchte, schafft doch keine Rechtsklarheit. ist ein Gedankengang, der mich und meine Partei (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sehr stark beschäftigt und viel mit qualitativer Ver- sowie bei Abgeordneten der SPD und der sorgung, Patientenrechten und -schutz zu tun hat. PDS - Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Wollen Durch die Art der Privatabrechnung und der Ausglie- Sie behaupten, Privatpatienten würden derung sowie Ausgrenzung von Leistungsbereichen, schlechter behandelt? Das ist doch ein die medizinisch notwendig und unabdingbar sind Widerspruch in sich selbst!) und auch wirtschaftlich erbracht werden könnten - das haben Sie im Zahnbereich schon exemplarisch Wenn es in der Gesundheitspolitik um ein ganz eingeführt -, hat die deutsche Ärzteschaft begonnen, wichtiges Prinzip geht, dann ist es tatsächlich die den Weg über die IGEL-Liste zu gehen. Wenn diese Qualitätssicherung und qualitative Erneuerung. Es sogenannten individuellen Gestaltungsleistungen stellt sich natürlich die Frage: Wie werden die Gelder zur Grundlage für Privatabrechnungen bei den Kran- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22277

Monika Knoche ken oder Patienten werden, dann kann gar kein bracht. Sie werden staunen, wie im Rahmen des System und kein Gesetz mehr garantieren, daß die Wettbewerbs der Krankenkassen Modellversuche verordneten Leistungen wirklich indikationsbezo- und Strukturverträge zu Kosteneinsparungen führen gen, notwendig, wirtschaftlich und qualitativ auf ho- werden, obwohl die Qualität auf keinen Fall verän- hem Niveau sind. Damit nehmen Sie den Versicher- dert wird. Wenn Sie sich diese Modellversuche und ten auch ein Stück Sicherheit im System. Wir wollen Strukturverträge anschauen - sei es nun der Bereich nicht, daß die Gesellschaft diesen Preis bezahlen der Ärzte, der Krankenhäuser oder der Rehabi lita- muß. Deshalb muß es das Bestreben sein, diese Ge- tion -,,dann werden Sie feststellen, daß hier erfolgrei- setze alsbald rückgängig zu machen. che Wege beschritten werden. Danke. Ich will nun die nächste Thematik „Kostenerstat- ansprechen. Wir ha- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN tung oder Sachleistungssystem" sowie bei Abgeordneten der SPD und der ben im Zahnersatzbereich die Kostenerstattung ein- Abg. Dr. Ruth Fuchs [PDS]) geführt. Daß es Anfangsschwierigkeiten gab, daß die Krankenkassen nicht begeiste rt waren, war klar, war auch mir klar. Dennoch denke ich, daß der Weg in Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat der die Kostenerstattung auf Grund der Alterspyramide Kollege Dr. Dieter Thomae, F.D.P. und des technischen Fortschritts auf Dauer einfach nicht aufzuhalten ist. Wir werden sicherlich darüber Dr. Dieter Thomae (F.D.P.): Herr Präsident! Meine nachdenken müssen, auch in anderen Bereichen die sehr geehrten Damen und Herren! Das zweite Neu- Kostenerstattung einzuführen, zumal auch wir wol- ordnungsgesetz in der gesetzlichen Krankenversi- len, daß der Patient endlich erfährt, welche Kosten cherung hat den Kurs „Weg von der Budgetierung" entstehen. Damit hat er auch eine Kontrolle, welche eingeleitet. Denn die Budgetierung bedeutet einen Leistungen erbracht worden sind. Dies wollen wir Weg in die Sackgasse. Globale Budgetierung bedeu- unbedingt realisieren. tet letztlich Rationierung von Gesundheitsleistungen. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Wenn Sie dies wollen, müssen Sie auch sagen, wie Sie das Problem der Altersgrenze angehen wollen. In Ich will gar nicht verhehlen, daß es in verschiede- allen Staaten, in denen es eine lange Tradition mit nen Bereichen noch Probleme gibt. Es gibt auch Pro- Globalbudgets gibt, ist diese Frage so beantwortet bleme im Bereich der Rehabilitation und der Kuren. worden: Es gibt dort Altersgrenzen. Das müssen Sie Wir hatten das Problem, daß wir die Beitragssätze den deutschen Bürgern sagen: Bitte, entscheiden Sie stabil halten müssen. Das Ziel war sogar: keine wei- sich zwischen Altersgrenze oder Eigenverantwor- tere Steigerung! Dies haben wir durch unsere Ge- tung. setzgebung realisie rt. Wir hatten im letzten Jahr (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne- keine Steigerung, wir haben in diesem Jahr keine ten der CDU/CSU - Wolfgang Zöller [CDU/ Steigerung, und wir werden, wie es aussieht, auch CSU]: Das ist der gravierende Unterschied im nächsten Jahr keine Steigerung des Beitragssat- zum Sozialstaatsprinzip der SPD!) zes haben. Die Koalition ist den Weg der Eigenverantwortung (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) gegangen. Das bedeutet - das bekenne ich -, daß die Das ist das Entscheidende, um Arbeitsplätze in Patienten mit einer Eigenbeteiligung einbezogen Deutschland zu sichern. werden, aber wir haben - im Gegensatz zu den Vor- stellungen in bezug auf ein Globalbudget - auch Ein weiterer Punkt ist, meine Damen und Herren, eine Härtefallregelung und eine Überforderungsre- daß wir uns auf das medizinisch Notwendige kon- gel eingeführt. Das bedeutet also, daß wir den sozial zentrieren müssen. Die medizinischen Leistungen in Schwachen schützen und niemanden ausgrenzen. Deutschland sind umfangreich. Schauen Sie sich in Das macht den himmelweiten Unterschied zu der Europa um! Welches gesetzliche System bietet eine Thematik „Globalbudgets und Eigenverantwortung" Rehabilitation? Sie finden kein gesetzliches System, deutlich. das Kur und Reha überhaupt bezahlt. Wir haben im (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Jahr 1996 in der gesetzlichen Krankenversicherung 5,3 Milliarden DM ausgegeben, in der Rentenversi- 20 Millionen Bürger, darunter auch chronisch cherung von 1991 bis 1995 9,8 Milliarden DM, im Kranke, fallen unter die Härtefallregelung und kön- Jahr 1997 waren es 4,3 Milliarden DM in der Kran- nen die Überforderungsregel und außerdem die Re- kenversicherung und in der Rentenversicherung gelung für chronisch Kranke in Anspruch nehmen. 7,9 Milliarden DM. Das ist zu verantworten. Daß das vielleicht problematisch war, bekenne ich. Ein weiterer wichtiger Punkt. Wir wollen die am- Sie wissen aus meinen Reden, daß ich lieber eine bulante Versorgung stärken, weil sie preislich gün- Stufenregelung realisie rt hätte. Aber dafür habe ich stiger ist und eine hohe Qualität hat, und wir damit in meiner Partei und in unserer Koalition nicht die Kosten einsparen können. Das heißt, daß wir im Mehrheit gefunden. Ich stehe zu den getroffenen Krankenhausbereich Betten abbauen müssen, die Entscheidungen. nicht notwendig sind, und daß das Geld der Leistung folgen muß. Um dies umzusetzen, haben wir Struk- Dennoch sage ich Ihnen: Wenn Sie es ganz nüch- turverträge und Modellversuche auf den Weg ge- tern betrachten, meine Damen und Herren, stellen 22278 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Dr. Dieter Thomae Sie fest: Wir haben heute in der Anschlußheilbe- Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Herr Dr. Thomae. handlung wieder eine Steigerung zu verzeichnen. (Susanne Kastner [SPD]: Ist doch klar!) Dr. Dieter Thomae (F.D.P.): - Moment. - In der Tat ist die ambulante Kur eine der preisgünstigsten. In - Moment, nicht so heftig! Wir haben in der An- diesem Bereich gibt es einen dera rt nennenswerten schlußheilbehandlung eine Steigerung, weil wir es Rückgang, daß wir in der Tat gegensteuern müssen. durch vernünftige Konzepte geschafft haben, die Lie- Dazu bekenne ich mich. Wir werden innerhalb der gezeiten im Krankenhaus zu verkürzen. Dies ist von Koalition, aber auch mit den Versicherten und den der Koalition gewollt, weil es kostengünstiger, effek- Krankenkassen uns darüber verständigen, wie wir tiver und sicherlich auch von der Qualität her nicht hier aktiv werden können. Ich nenne nur das Stich- schlechter ist, sondern eher besser. wort „Kompaktkuren". Das ist ein wichtiger Bereich, den wir anpacken werden. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Probleme gibt es im Bereich der Rehabilitation Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Ist es Ihnen jetzt chronisch Kranker. Hier haben wir noch keine opti- genehm, eine Zwischenfrage zuzulassen? male Lösung gefunden. Aber die Modellversuche, die gegenwärtig beispielsweise im Bereich Diabetes, Dr. Dieter Thomae (F.D.P.): Bitte schön. im Bereich Psychosomatik, im Bereich Rheuma ange- packt werden, zeigen, daß wir do rt im Rahmen der Bitte, Herr Modellversuche auf einem guten Weg sind. Die Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Dr. Schuster. Krankenkassen gehen neue Wege, und hier in die- sem Bereich - das möchte ich betonen -, wenn es me- dizinisch notwendig ist, muß die Vierjahresfrist nicht Dr. R. Werner Schuster (SPD): Herr Kollege Tho- eingehalten werden. Vielmehr kann man in solchen mae, ich verstehe, daß in der vorletzten Sitzungswo- Fällen - wenn es medizinisch notwendig ist - die me- che vor der Sommerpause der Wahlkampf in den dizinische Rehabilitation früher in Anspruch neh- Vordergrund tritt und die ideologischen Unter- men. Wir müssen auch nicht die Dreiwochenfrist ein- schiede deutlich werden. Bevor wir über Leistungs- halten; das ist eine Richtlinie. einschränkungen reden, (Susanne Kastner [SPD]: Nur wenn das (Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ Budget ausreicht!) CSU]: Das tun Sie doch dauernd!) sollten wir uns mit aller Macht darum bemühen, - Wir müssen das nicht machen, sondern es steht im Wirtschaftlichkeitsreserven, die bisher brachliegen, Gesetz: Wenn es medizinisch notwendig ist, wird es durch eine verbesserte Zusammenarbeit auszuschöp- gemacht - so die Ausnahmeregelung. fen. Ich bekenne: Budgets gehören nirgendwo in das (Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ Gesetz, auch nicht in die Rentenversicherung. Sie CSU]: Beispiele?) wollen es ja überall haben. Wir werden nach der Bundestagswahl darüber nachdenken, wie wir die Anders formuliert: Warum streiten wir uns über un- Budgets abschaffen und durch intelligentere Lösun- terschiedliche Konzepte, statt uns zusammenzuset- gen in allen Bereichen ablösen können, sowohl in zen und da etwas zu machen, wo wirklich ohne Lei- der Krankenversicherung wie in der Rentenversiche- stungseinbußen etwas zu erben ist, und durch Zu- rung. Wir sind da ganz ruhig und optimistisch. Bud- sammenarbeit Synergieeffekte nutzbar zu machen? gets wollen Sie! Wir müssen den Bürgern sagen: (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Wenn die SPD Budgets will, werden sie noch weni- ger medizinische Leistungen sowohl in der Rehabili- tation im Rahmen der Rentenversicherung als auch Dr. Dieter Thomae (F.D.P.): Herr Schuster, das ist in der Krankenversicherung in Anspruch nehmen vielleicht ein interessanter Vorschlag. Aber ich sage können. Was Sie über Budgets versprechen, werden Ihnen: Die gesundheitspolitischen Vorstellungen von Sie nie einhalten können, weil Sie dabei die Alters- Ihnen und uns sind völlig unterschiedlich, so daß ich pyramide und den technischen Fortschritt nie be- im Grunde genommen kaum Chancen dafür sehe, rücksichtigen. Oder Sie reduzieren die Leistungen hier zusammenzuarbeiten. In der Tat behaupten Sie, und die Honorierung der Leistungsträger; dann wird es gebe noch große Wirtschaftlichkeitsreserven in die medizinische Versorgung in Deutschland erheb- allen Bereichen. Ich sage: Ich sehe diese großen Wi rt lich schlechter. Sie müssen draußen deutlich sagen, -schaftlichkeitsreserven eben nicht mehr. Daß es hier wie Sie dieses Problem lösen wollen. und da noch welche gibt, mag sein. (Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ Weiter zum Thema Rehabilitation. Für den Bereich CSU]: Sie müssen sagen, wo!) der chronisch Kranken sagte ich: Ich möchte, daß die Ergebnisse der Modellversuche mehr in die Praxis Die Koalition war ja auch intelligent genug, Struktur- umgesetzt werden. Wir können neue Wege gehen. verträge und Modellversuche auf den Weg zu brin- Aber ich möchte - ich sage das sehr deutlich - ver- gen, um gerade in diesen Bereichen diese Möglich- stärkt die Krankenkassen auffordern, auch im ambu- keiten zu nutzen. Wir nutzen sie ja auch. Ich darf lanten Bereich mit den Versicherten die entsprechen- Ihnen einmal ein Beispiel nennen, an dem Sie sehen, den Möglichkeiten zu nutzen. daß es noch Möglichkeiten gibt: Diabetes wird bisher Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22279 Dr. Dieter Thomae in der Regel, wenn sie nicht ambulant behandelt Ich möchte dem Patienten diese Freiheit lassen. wird, stationär im Krankenhaus behandelt. Viele sind der Auffassung, man könnte das besser in einer Spe- Wenn Sie schon über die Positivliste reden, dann zial-Rehaklinik machen. müssen Sie den Bürgern auch sehr deutlich sagen, daß ein ganz großer Teil der Naturheilmittel - das (Susanne Kastner [SPD]: Billiger!) betrifft fast alle - ausgegrenzt und nicht mehr über die gesetzliche Krankenversicherung finanziert Die Krankenkassen, die dieser Auffassung sind, würde. praktizieren das jetzt auch. Eine Krankenkasse in Deutschland beispielsweise hat jetzt ein Konzept ent- (Beifall bei der CDU/CSU) wickelt, nach dem sieben Zentren bundesweit aufge- Dann haben Sie den Mut, den Bürgern zu sagen, daß baut werden sollen. Sie erwartet nennenswerte Ein- die Therapiemöglichkeiten so eingeengt werden, sparungen in diesem Bereich. Die Qualität und der daß der Staat diese quasi vorgibt. Das paßt nicht zu Grad der Versorgung sind deswegen nicht schlech- einem freiheitlichen System, zu einem freiheitlichen ter. Wenn eine einzige Krankenkasse mit einer sol- Denken wie in unserem Lande. Von daher lehne ich chen Konzeption 300 Millionen DM einspart, dann die Positivliste rigoros ab. frage ich Sie, welche Einsparmöglichkeiten wir noch nutzen können, wenn wir andere Indikationen her- (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und anziehen. der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Meine Damen und Herren, ein weiterer Punkt, den ordneten der F.D.P. - Wolfgang Zöller ich hier zum Schluß ansprechen möchte. [CDU/CSU]: Das haben wir gemacht mit dem Strukturvertrag!) Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Wollen Sie noch Ich bekenne, daß es da noch Einsparmöglichkeiten eine Zwischenfrage des Kollegen Schmidbauer zu- gibt. Das sage ich ja auch deutlich. Aber Sie können lassen? nicht mehr pauschal sagen: In jedem Krankenhaus gibt es Wirtschaftlichkeitsreserven. Das wäre aber Dr. Dieter Thomae (F.D.P.): Nein. der Fall, wenn Sie ein Globalbudget vorlegen, weil man mit einem Globalbudget alle trifft. Wir wollen Ich komme zum Thema Europa. Meine Damen und aber an jedes Haus einzeln herangehen, weil wir Herren, wir sollten hier nicht in große Hektik verfal- len. Das glauben, daß wir dieses Problem auf diese Weise ge- Urteil des Europäischen Gerichtshofes hat rechter lösen können. uns in zwei Bereichen Vorgaben gemacht. Ich per- sönlich bin der Meinung, daß dieses Urteil zu akzep- (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) tieren ist. Meine Damen und Herren, wenn Sie mit Fachleuten sprechen - ich habe das an der deutsch- Das ist der himmelweite Unterschied zwischen Ihrem holländischen Grenze getan und do rt sehr intensiv Ansatz und unserem Ansatz. Wir sind mit Modellver- diskutiert -, dann sehen Sie, daß es im Grunde ge- suchen und Strukturverträgen auf dem richtigen nommen überhaupt keine Schwierigkeiten gibt. Also Weg. Ihn werden wir weiter verfolgen, weil dieser besteht auch kein Anlaß, in große Aktionen zu verfal- Weg adäquater ist. len. Vielmehr befinden sich an der deutsch-holländi- Wir haben in dieser Wahlperiode die Vertragsge- schen Grenze Krankenkassen, Krankenhäuser und staltungsmöglichkeiten verbessert. Wir haben eine Ärzteschaft in einem sehr guten Kooperationsverhält- Quorumsregelung eingeführt. Verträge zwischen nis. den einzelnen Krankenkassen können im ambulan- Ich kenne die Sorgen des Ministers. Wenn wir das ten Sektor abgeschlossen werden. Man muß darüber Urteil des Europäischen Gerichtshofes auf alle ande- diskutieren, ob das ein realistischer und vernünftiger ren Bereiche übertragen, entstehen natürlich große Weg ist oder ob wir den einzelnen Krankenkassen Probleme. Ich nenne nur folgende Stichworte: Be- noch mehr Freiheit geben können. Aber eines sage darfsplanung, Vertragsarzt/Nichtvertragsarzt; wenn ich ebenfalls: Es wird keine Einkaufsmodelle mit die- wir noch weiter denken, kommt das Thema duale/ ser Koalition geben. monistische Finanzierung auf, ebenso das Thema (Beifall bei der CDU/CSU) Qualität. Vielmehr verbleibt der Sicherstellungsauftrag bei der (Bundesminister Horst Seehofer: Kuren!) kassenärztlichen Vereinigung und der kassenzahn- ärztlichen Vereinigung. Wir werden also die Ein- - Auch Kuren. kaufsmodelle, die Sie wollen, nicht mitmachen. Das sind natürlich schwierige Probleme, dennoch Dann gibt es die große Thematik der Positivliste. sage ich: Auch wenn Probleme vor der Tür stehen, Sie glauben, da das Heil zu finden. Sie glauben, Sie können wir das deutsche Gesundheitswesen mit sei- würden in großem Umfang Einsparungen erzielen. ner Größe, können wir das Gesundheitswesen der Ich sage Ihnen, warum wir gegen die Positivliste Bundesrepublik Deutschland mit Gütern und Dienst- sind. Der entscheidende Grund ist: Ich möchte, daß leistungen nicht gegenüber Europa abschotten. Es im Einvernehmen zwischen Patient und Arzt unter- wird keine Harmonisierung geben - das wollen wir schiedliche Therapiemöglichkeiten bestehen, um die nicht -, aber daß es Koordinierungsmaßnahmen ge- Krankheitsbilder zu bekämpfen. ben muß, ist für mich selbstverständlich. Wir müssen das Thema ruhig und besonnen anpacken. Rom ist (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) auch nicht an einem Tag erbaut worden. Wir werden 22280 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Dr. Dieter Thomae dieses Thema innerhalb der Koalition vielleicht auch mehr oder weniger nützlichen Hilfsmitteln sein. mit Ihnen vernünftig in den Griff bekommen. Wunder sollten von ihnen nicht erwartet werden. Denn das ärztliche Denken und Handeln läßt sich (Wolfgang Zöller [CDU/CSU): Das kann nur im begrenzten Umfang in das Korsett vorgegebe- man mit Ihnen überhaupt nicht machen! - ner Handlungsanweisungen zwängen. Der Mensch Zuruf von der SPD: Aber nicht mit Ihnen!) ist Gott sei Dank nun einmal keine Maschine; - Ich denke, Sie werden unseren Vorschlägen zu- (Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ stimmen. Ich habe die Koalition hinter mir; keine f al CSU]: Das habt ihr zwar 40 Jahre versucht, -schen Hoffnungen. ist aber nicht gelungen!) Letzter Punkt, der mir ebenfalls am Herzen liegt, kein Patient gleicht dem nächsten und kein Krank- den auch Frau Schaich-Walch genannt hat: Wir heitsbild exakt einem anderen. Gerade die Erken- reden permanent über Rehabilitation. Dabei denken nung und Behandlung des einzelnen Krankheits- wir an die Rehabilitation, bezahlt durch die Renten- schicksals in seiner unverwechselbaren Individuali- versicherung, und an die Rehabilitation, bezahlt tät macht seit jeher das Wertvollste und Kreativste durch die Krankenversicherung. Ein Thema müssen des ärztlichen Handelns aus. wir unbedingt anpacken: Rehabilitation vor Pflege. Herr Lohmann, wenn Sie mich beschimpfen, dann (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) habe ich nichts dagegen; wenn Sie aber Tausende Ich denke, das ist ein entscheidendes Thema, das wir von Ärzten, die auch in der DDR eine gute Gesund- in der nächsten Wahlperiode angehen müssen. heitspolitik im Interesse der Patienten gemacht ha- ben, angreifen, dann müssen Sie das selber verant- Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. worten. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) (Beifall bei der PDS - Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Ich habe die Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat die gemeint, die aus ihnen Maschinen machen Kollegin Dr. Ruth Fuchs, PDS. wollten!) Eine Gesellschaft, die aus Standards oder Leit- Dr. Ruth Fuchs (PDS): Herr Präsident! Meine Da- linien auch nur im Ansatz Fesseln für das ärztliche men und Herren! Lieber Kollege Thomae, dem letz- Denken werden läßt, wird sich eines Tages wundern, ten Satz, den Sie gesagt haben: Reha vor Pflege, welche unerwünschte und gewissermaßen entseelte kann ich absolut zustimmen. Gerade deshalb ver- Art der Medizin dabei herauskommen kann. stehe ich Ihre Politik bezüglich des Kurwesens nicht. Zu einem weiteren Moment, das beachtet werden (Beifall bei der PDS, der SPD und dem sollte. Wenn die grundlegenden Rahmenbedingun- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) gen für eine qualitativ hochstehende Medizin nicht stimmen, dann müssen alle noch so gut gemeinten Doch zum Thema. Spezielle Maßnahmen einer Maßnahmen einer Qualitätssicherung zu erheblichen Qualitätsanalyse und Qualitätssicherung, eines be- Teilen ins Leere laufen und am Ende möglicherweise sonderen Qualitätsmanagements oder auch Leit- mehr Frustration als berufliche Bef riedigung erzeu- linien sowie Standards für die medizinische Arbeit gen. Gewährleistet beispielsweise ein Gesundheits- sind heute notwendiger, ja unverzichtbarer gewor- wesen nicht mehr für alle Menschen gleiche Zu- den. Das ist vor allem deshalb so, weil es ansonsten gangschancen, dann erledigt sich für viele die Frage kaum noch möglich ist, das unüberschaubar gewor- nach der Qualität ihrer medizinischen Versorgung dene, jeweils aktuelle und gesicherte medizinische von selbst. Wissen dem einzelnen Patienten tatsächlich zugute kommen zu lassen. Vordergründige ökonomische Wir alle wissen, daß falsche ökonomische Anreize Gesichtspunkte, die zweifellos auch eine Ro lle spie- seit längerem das ärztliche Handeln permanent in len, sollten stets hinter das vorrangige Ziel der Quali- eine völlig irrationale Mengendynamik treiben. Aber tätserhöhung beim unmittelbaren Handeln am Pa- damit sind nicht nur die Hauptansatzpunkte für die tienten zurücktreten. Nutzung der großen Rationalisierungsreserven des Systems benannt. Die Besonderheit der gegenwärti- Man kann die Entwicklung auf diesem historisch gen Situation besteht darin, daß mit ihrer Erschlie- relativ jungen Gebiet mit großen Erwartungen oder ßung entscheidende Voraussetzungen für die Siche- auch mit einer guten Portion Skepsis betrachten. Si- rung und Erhöhung der Qualität der medizinischen cher ist, daß die angesprochenen Leitlinien und Stan- Arbeit geschaffen würden, weil erstens die Mengen- dards im Zuge des medizinischen, wissenschaftli- dynamik für die Patienten längst risikobehaftet und chen und technischen Fortschritts unvermeidlich ge- potentiell qualitätsgefährdend geworden ist und weil worden sind und daß sich verantwortliche Gesund- es zweitens nicht darum geht, freiwerdende Mittel heitspolitik klar zur Förderung dieser im eigenen einfach einzusparen, sondern darum, sie sinnvoller Land oft noch unterentwickelten Instrumentarien be- im Interesse einer qualitativ besseren Versorgung kennen muß. der Bevölkerung einzusetzen. Dabei muß naturge- (Beifall bei der PDS) mäß vor allem an jene Gebiete gedacht werden, auf Allerdings - auch das sollte im Rahmen einer grund- denen bisher noch immer Unterversorgung vor- sätzlichen Betrachtung nicht untergehen - dürfte herrscht und die mit gravierenden Qualitätsminde- ihre Funktion im medizinischen Bereich eher die von rungen des Gesamtsystems einhergehen. Ich nenne Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22281

Dr. Ruth Fuchs in diesem Zusammenhang nur die Versorgung durch stungsprinzip fordert, setzt deshalb völlig berechtigt Hausärzte, den Mangel an Pflegepersonal und an an einem für die gesamte GKV zentralen Punkt an. langjährig berufserfahrenen Ärzten in den Kranken- häusern, die psychosoziale Betreuung und die Prä- Als ein besonderer Treppenwitz wird das inzwi- vention und Gesundheitsförderung. schen berühmt-berüchtigte „Notopfer Kranken- haus"- in die Geschichte der bundesdeutschen Sozial Natürlich besteht eine der elementarsten Voraus- und Gesundheitspolitik eingehen. In einer von der setzungen für die Qualität der Medizin in einem PDS beantragten Aktuellen Stunde ist von allen Op- hohen und gesicherten Niveau der Aus-, Weiter- und positionsparteien noch einmal seine ganze Absurdi- Fortbildung der Ärzte und der Personen, die in an- tät deutlich gemacht worden. deren Gesundheitsberufen stehen. Aber gerade auf diesen Gebieten liegt infolge jahrelanger Versäum- (Dr. Dieter Thomae [F.D.P.]: Was sagen nisse bekanntlich vieles im argen. Darüber besteht denn die in den neuen Bundesländern ausnahmsweise ein so breiter Konsens in diesem dazu?) Hohen Hause, daß es sich wohl erübrigt, dies im ein- Ich appelliere hier an die Koalitionsfraktionen, und zelnen zu belegen. ich hoffe, daß dies der letzte Appell an Sie als die die Regierung stützenden Fraktionen ist: Wahren Sie we- In der zurückliegenden Legislaturpe riode haben nigstens einen Rest Ihres Gesichtes, und ziehen Sie fast alle politischen Eingriffe und sogenannten Re- dieses „Meisterwerk" gesundheitspolitischer Kaba- formansätze im Gesundheitswesen die Arbeit der Ärzte und anderer Beschäftigter zunehmend er- rettkunst noch aus eigener Kraft aus dem Verkehr! schwert und die Voraussetzung für Qualitätsarbeit in (Beifall bei der PDS - Wolfgang Zöller der Medizin tendenziell verschlechtert. Das Beitrags- [CDU/CSU]: Wir brauchen in Baye rn kein entlastungsgesetz und die Gesetze zur dritten Stufe Notopfer zu zahlen!) der Gesundheitsreform markieren dabei traurige Höhepunkte. Steigende Selbstbeteiligung und Lei- Der Antrag der SPD, einen Nationalen Aktions- stungskürzungen, plan Diabetes ins Leben zu rufen, findet natürlich unsere Unterstützung. Allerdings müssen Sie mir (Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ schon die Bemerkung gestatten, daß all das, was jetzt CSU]: Leistungskürzungen nirgendwo!) für die Bundesrepublik unter Berufung auf die St.- Vincent-Deklaration gefordert wird, im Diabetiker- die weitere Einführung von Kostenerstattungen in betreuungssystem der DDR schon jahrzehntelang die gesetzliche Krankenversicherung und ein das Praxis war. Dieses System wurde übrigens von dem Leistungsgeschehen nicht fachlich steuernder, son- in der Nachkriegszeit inte rnational führenden und dern fiskalisch knebelnder Koppelungsmechanismus weltberühmten Diabetologen Professor Katsch aus zwischen Beitrags- und Zuzahlungserhöhungen - Greifswald gemeinsam mit seinen Schülern entwik- das ist die Erfolgsbilanz der Regierung Kohl und kelt - was es jedoch ebenfalls nicht davor bewahren ihres Gesundheitsministers Seehofer bei der Quali- konnte, mit gnadenloser Arroganz zerschlagen zu tätsentwicklung in der medizinischen Versorgung. werden. Richtig wäre es, endlich einmal in bezug auf (Dr. Dieter Thomae [F.D.P.]: Frau Doktor, dieses und vergleichbare Gebiete auf jene und an- aber stabile Beitragssätze, Arbeitsplätze, dere Mitarbeiter des Gesundheitswesens in den auch in den neuen Bundesländern!) neuen Bundesländern zuzugehen, die für bestimmte Betreuungsformen die Erfahrungs- und Leistungsträ- - Ja, weil die Versicherten mittlerweile schon zwei ger waren. Drittel dessen bezahlen, was ausgegeben wird, und zwar leider nur diejenigen Versicherten, die chro- Herr Kollege Thomae, Sie haben gesagt, die sieben nisch krank sind. Das „leider" möchte ich nicht Zentren, die jetzt im Rahmen der Diabetikerbetreu- falsch verstanden wissen. Ich meine das in dem ung eingerichtet werden, hätten schon jetzt 300 Mil- Sinne, daß sie besonders belastet sind. lionen DM gespart. Das Kur- und Rehabilitationswesen wurde mit (Dr. Dieter Thomae [F.D.P.]: Erwartet man!) politisch verfehlten und handwerklich stümperhaften - Erwartet man. Wir haben die Statistik. Das wäre Maßnahmen in die schwerste Krise seiner Existenz schon möglich gewesen. Sie hätten im Prinzip schon getrieben. Die Anträge der SPD-Fraktion, die darauf sieben Jahre lang in diesem Bereich Millionen sparen abzielen, mit raschen Hilfen wenigstens das können. Schlimmste zu verhüten, finden unsere Unterstüt- (Beifall bei der PDS) zung. Die Einführung der Kostenerstattung bei Zahnersatz, die dem Minister dann auch noch aus Sie hätten auch die Diabetespatienten vor schweren dem Ruder gelaufen ist, hat eine schwere Bresche in Folgeerscheinungen schützen können. das Sachleistungssystem geschlagen und damit den Weg für weitere Privatisierungen medizinischer Be- (Dr. Dieter Thomae [F.D.P.]: Die Länder handlungen frei gemacht. haben leider nicht zugestimmt!) (Dr. R. Werner Schuster [SPD]: Das wollte Ein besonders bedrückendes Kapitel der Gesund- der Herr Thomae!) heitspolitik der Koalition beinhaltet der heute eben- falls zur Abstimmung anstehende Entwurf eines Ach- Der vorliegende Antrag der Fraktion Bündnis 90/ ten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgeset- Die Grünen, der die sofortige Rückkehr zum Sachlei- zes. Diese Bewertung gilt auch dann, wenn man kei- 22282 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Dr. Ruth Fuchs neswegs übersieht, daß viele der neuen Regelungen Betroffenen gegenüber den Interessen der Versiche- nützlich sind. rungswirtschaft und der Pharmaindustrie we rt ist. (Dr. Dieter Thomae [F.D.P.]: Die SPD hat das Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Frau Kollegin abgelehnt!) Dr. Fuchs, gestatten Sie dem Kollegen Dr. Thomae eine Zwischenfrage? Wir werden der Novellierung des Arzneimittelgeset- zes nicht zustimmen können, weil eben diese Seite nicht geklärt worden ist. Dr. Ruth Fuchs (PDS): Gerne, Herr Kollege Tho- mae, Ihnen gestatte ich das. Die Änderungen am Medizinproduktegesetz sind durchgehend sinnvoll und werden auf diesem Gebiet künftig eine sachgerechtere Arbeit ermöglichen. Al- Dr. Dieter Thomae (F.D.P.): Bisher war es nur mög- lich, Patienten, die an Diabetes erkrankt sind und lerdings ist entgegen dem ursprünglichen Entwurf nicht mehr ambulant behandelt werden können, ins daraus ein Artikelgesetz geworden, in dem nun auch Krankenhaus einzuweisen. Eine andere Möglichkeit Sachverhalte aus dem Bereich des BSHG und weite- gab es nicht. Durch unser Reformwerk, in das wir ren Gebieten des Sozialrechts neu geregelt werden. Modellversuche eingebaut haben, ist dieser neue Weg möglich. Auf diese Art und Weise hoffen wir, Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Frau Kollegin finanzielle Mittel einsparen zu können. Dr. Fuchs, Sie müssen jetzt zum Schluß kommen.

Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Jetzt müssen Sie Dr. Ruth Fuchs (PDS): Ich komme zu meinem letz- aber zur Frage kommen. ten Satz. - Deshalb wird von unserer Gruppe am Schluß dieser Debatte eine Erklärung zum Abstim- mungsverhalten abgegeben werden. Dr. Dieter Thomae (F.D.P.): Könnten Sie mir also zu- stimmen, daß es erst durch die Gesetzgebung dieser Danke für Ihre Aufmerksamkeit. Koalition möglich ist, diese neuen Wege zu gehen? (Beifall bei der PDS) Dr. Ruth Fuchs (PDS): Lieber Kollege Thomae, Sie werden sich wundern: Ich stimme Ihnen zu; aber ich Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat habe darauf hingewiesen, daß Sie im Prinzip schon jetzt der Kollege Johannes Singhammer, CDU/CSU. acht Jahre lang die ambulante Betreuung von Diabe- tikern in der Bundesrepublik Deutschland hätten Johannes Singhammer (CDU/CSU): Herr Präsi- einführen können, wenn man an dieser Stelle wirk- dent! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Las- lich diese Betreuung übernommen hätte. sen Sie mich anläßlich der vorliegenden Anträge (Beifall bei Abgeordneten der PDS, der SPD zum Kur- und Rehabereich die drei Ziele darlegen, und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) die wir mit unserer Politik verfolgen. Ich glaube, in einem Bundesland gibt es auch noch Erstens. Wenn Kur- und Rehamaßnahmen medizi- diese Dispensairbetreuung; sie gibt es auch bei nisch notwendig sind, dann müssen sie auch gewährt Rheumakranken und anderen. Von daher ist mein werden. Die Behauptungen, Patienten müßten immer Hinweis zu verstehen, daß man vielleicht doch ein- nach drei Wochen eine Kur- oder Rehaeinrichtung mal darüber nachdenken sollte, weil es wirklich Geld verlassen oder eine neue bzw. wiederholende Kur sei sparen würde. Der Diabetikerbund selber hat von ausnahmslos erst nach vier Jahren möglich, sind Un- Reserven in der Größenordnung von 30 Millionen sinn. oder 30 Milliarden DM - genau weiß ich das nicht (Zuruf von der SPD: Das ist der Unterschied mehr - gesprochen, die durch eine ordentliche, flä- zwischen Theorie und Praxis!) chendeckende ambulante Betreuung von Diabeti- kern eingespart worden wären. Tatsache ist, daß es keine starren Fristen gibt. Das Gesetz sieht Regelfristen vor; Kuranträge dürfen aber Ich komme noch einmal zurück zum Arzneimittel- nicht unter Hinweis auf diese Fristen abgelehnt wer- gesetz. Ich hatte gesagt, daß die achte Novelle zum den. Entscheidend bei der Genehmigung von Kuran- Arzneimittelgesetz im Prinzip ein bedrückendes Ka- trägen ist allein die dringende medizinische Notwen- pitel in der Gesundheitspolitik darstellt, auch wenn digkeit einer Maßnahme. viele Regelungen, die darin vorgesehen sind, gut sind. Schlimm finde ich aber, daß der von allen Par- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) teien dieses Hauses gemeinsam getragene Auftrag Soweit aus gesundheitlichen Gründen eine Kur, die des 3. Untersuchungsausschusses zu HIV-Infektio- länger als drei Wochen dauert, notwendig ist, muß nen mit Blut und Blutprodukten, das bisherige Arz- sie gewährt werden. Ebenso muß dann auch das neimittelhaftungsrecht noch in dieser Legislaturpe- Vierjahresintervall nicht abgewartet werden. Allein riode zugunsten der durch Arzneimittel geschädigten der Arzt entscheidet. Opfer zu verändern, nicht erfüllt wurde, obwohl wir alle eigentlich etwas tun wollten. Da muß sich die Zweitens. Wir wollen einen Anstieg der Beiträge F.D.P., auch wenn ich Sie vorhin gelobt habe, Herr zu den Sozialversicherungen vermeiden. Alles, was Kollege Thomae, daß Sie nach acht Jahren einsichtig für Kur- und Rehamaßnahmen ausgegeben wird, geworden sind, fragen lassen, was ihr das Leid der muß zuvor auch einbezahlt werden. Bezahlt wird Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22283

Johannes Singhammer über die Lohnnebenkosten. Mittlerweile ist auch wurde - wen wundert es - von der SPD-Mehrheit im dem letzten klargeworden, daß es einen negativen Bundesrat blockiert. Zusammenhang zwischen dem Anstieg der Lohnne- benkosten, dem Standort Deutschland und der Si- (Beifall bei der CDU/CSU) cherung und Neuschaffung von Arbeitsplätzen gibt. Zwischen 1991 und 1996 sind die Leistungsausgaben Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Herr Kollege in der Krankenversicherung beispielsweise um Singhammer, gestatten Sie eine Zwischenfrage der 77 Prozent und in der Rentenversicherung um 46 Pro- Kollegin Irber? zent angestiegen. Solche Steigerungsraten sind nicht allein medizinisch begründbar. Deshalb war eine Re- form notwendig. Johannes Singhammer (CDU/CSU): Aber sehr gerne. Jetzt haben wir bei den Ausgaben in der Renten- versicherung etwa wieder das Niveau des Jahres Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Bitte. 1993 und in der Krankenversicherung das Niveau des Jahres 1994 erreicht. Wohl niemand kann seriö- serweise behaupten, daß Deutschland in den Jahren Brunhilde Irber (SPD): Herr Singhammer, Sie ha- 1993 oder 1994 eine Kur- oder Rehabilitationswüste ben gerade gesagt, es sei notwendig, neue Vermark- gewesen wäre. Wer dagegen allen alles verspricht tungsstrategien zu fahren, andere Gäste zu werben, und ein „Weiter so!" propagiert, der wird am Schluß Direktbuchungen im Reisebüro zu ermöglichen und nichts von seinen Versprechungen halten können. Berufsgruppen für Kuren zu gewinnen. Wie soll das finanziert werden? Aus welchen Ministe rien gibt es Geld für eine solche Marketingstrategie? Oder sollen Drittens. Wir wollen die Kurorte und Heilbäder unterstützen, wo immer das möglich ist. Für eine die Kureinrichtungen diese Mittel selber aufbringen? Reihe von Heilbädern hat der Rückgang der Kuren Gibt es hierfür Mittel für die Fremdenverkehrsver- vom hohen Niveau der Jahre 1995 und 1996 schwer- bände? Können Sie mir sagen, aus welchem Etat wiegende Probleme aufgeworfen. Der Hauptgrund diese Maßnahmen bezahlt werden sollen? war aber, daß die Zahl der Anträge auch deshalb zu- rückgegangen ist, weil viele der potentiellen Antrag- Johannes Singhammer (CDU/CSU): Frau Kollegin steller befürchten mußten oder befürchtet haben, daß Irber, zunächst ist es natürlich Aufgabe der einzelnen sie möglicherweise Nachteile an ihrem Arbeitsplatz Heilbäder und der Kurorte selbst, Werbemaßnahmen erleiden, wenn sie einen Kurantrag stellen und dann zu ergreifen. Dabei werden sie unterstützt. Die Un- diese Kur wahrnehmen. terstützung ist von Bundesland zu Bundesland unter- schiedlich. In Bayern gibt es meines Wissens eine Seit Beginn dieses Jahres sind 500 000 neue Ar- Reihe von Zuschüssen, die gewährt werden. beitsplätze in Deutschland geschaffen worden. Die zunehmende Entspannung des Arbeitsmarktes wird (Susanne Kastner [SPD]: Welche denn?) auch Auswirkungen auf die Anzahl der gestellten Es wird auch logistische Unterstützung gewährt, um Anträge haben. Allein bei den bayerischen Landes- spezielle Kurangebote in Gang zu bringen und mehr versicherungsanstalten ist die Zahl der Anträge im Kurgäste zu gewinnen. Ich denke, daß wir auf einem ersten Quartal 1998 im Vergleich zum Vorjahreszeit- richtigen Weg sind. Das kann natürlich nicht heißen raum um 10 Prozent gestiegen. Dieser Vorgang spie- - das sage ich auch -, daß alle diese Maßnahmen von gelt auch die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt wi- öffentlichen Geldgebern finanziert werden. Es muß der. Je besser sich der Arbeitsmarkt entwickelt, desto im Einzelfall entschieden werden. mehr Kuranträge werden gestellt. Hier sind wir auf einem hervorragenden Weg. (Brunhilde Irber [SPD]: Darf ich noch eine Frage stellen?) Wir brauchen aber auch eine Neuorientierung vor - Aber gerne. Ort. Durch konkurrenzfähige Produkte und profes- sionelle Vermarktung sollen mehr selbstzahlende Gäste für deutsche Gesundheitsleistungen in den Bä- Brunhilde Irber (SPD): Mich würde schon interes- dern gewonnen werden. Wir brauchen neue Marke- sieren, Herr Kollege Singhammer, warum gerade im tingstrategien, zum Beispiel: Buchung von Kuren un- Bayerischen Landtag vier Anträge gestellt werden, mittelbar in Reisebüros, Schnupperwochenenden, um den Zustand vor der Gesetzesänderung wieder Pauschalangebote, Kuren für spezielle Berufsgrup- herbeizuführen. Es sind Ihre Kollegen von der CSU, pen, Sonderkonzepte für Selbsthilfegruppen. Hier die diese Anträge gestellt haben, und nicht die geg- gibt es eine Menge zu tun, und der Kreativität sind nerischen Kollegen. wenig Grenzen gesetzt. Johannes Singhammer (CDU/CSU): Frau Kollegin Wir bedauern, daß eine gleichmäßige Auslastung Irber, es ehrt Sie, daß Sie sich über die Geschlossen- von privaten Kureinrichtungen und Einrichtungen heit der CSU Gedanken machen. Wir wissen, daß die der Landesversicherungsanstalten und der Bundes- Geschlossenheit ein sehr wichtiges Gut ist. Wir wer- versicherungsanstalt durch Gesetz nicht möglich den daran festhalten. Davon können Sie ausgehen. war, denn das geplante Ergänzungsgesetz zum Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz (Lachen bei der SPD) 22284 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Johannes Singhammer Wir werden zu einer geschlossenen Haltung kom- nichts mit Qualitätsverbesserung im Arzneimittelbe- men. Ich wünsche Ihnen, Frau Irber, diese geschlos- -reich, zweitens nichts mit einem besseren Patienten sene Haltung auch bei der Abstimmung über das und Verbraucherschutz, drittens nichts mit Innovatio- Asylbewerberleistungsgesetz. nen im Arzneimittelbereich, viertens nichts mit ei- nem sozialstaatlichen Haftungsrecht, das wir ange- (Katrin Fuchs [Verl] [SPD]: Das war nichts!) strebt haben, und fünftens schon gar nichts mit einer Rechtsdurchsetzungsparität für die Opfer von Arz- Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Gestatten Sie neimittelschäden zu tun hat. noch eine Zwischenfrage? (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Johannes Singhammer (CDU/CSU): Jawohl. Frau Die SPD hatte Ihnen Hilfestellungen gegeben. Wir Limbach, bitte sehr. haben im Gesundheitsausschuß sieben Änderungs- anträge und einen Haftungsrechtsgesetzentwurf ein- gebracht, also ein Angebot unterbreitet. Aber man Editha Limbach (CDU/CSU): Herr Kollege, könn- mußte den Eindruck gewinnen, daß Sie in diesen ten Sie mir zustimmen, daß es durchaus erlaubt ist, zentralen Fragen keinen Konsens wollten. Deshalb eine Kur privat zu absolvieren, wie es auch unsere haben Sie unsere Vorschläge abgebügelt. Freunde in den Partnerländern in der Europäischen (Vorsitz : Vizepräsidentin Michaela Geiger) Union tun? - Wenn wir uns also heute bei der Abstimmung zur Johannes Singhammer (CDU/CSU): Frau Kollegin achten Änderung des AMG der Stimme enthalten, Limbach, ich stimme Ihnen hier uneingeschränkt zu dann hängt das vor allem damit zusammen, daß da- und begrüße das: Je mehr Gäste im p rivaten Bereich von Bereiche betroffen sind, die wir unterstützen und gewonnen werden, desto besser geht es unseren geregelt haben wollen, ob es der Dopingbereich oder Kur- und Heilorten. das Verbot des Versandhandels ist, um nur zwei Bei- (Beifall bei der CDU/CSU - Dr. Sabine spiele zu nennen. Wir stimmen den Regelungen Bergmann-Pohl [CDU/CSU]: Anstatt ins grundsätzlich zu, enthalten uns aber, weil keine Fo rt Ausland zu fahren!) Verbraucherschutz statt--entwicklungen in Richtung gefunden haben. Lassen Sie mich noch einen Satz zum Schluß sa- gen. Wir bedauern, wenn von der Opposition in der Wir wollen mit unserem Entschließungsantrag Öffentlichkeit verunsichernd der Eindruck erweckt deutlich machen, wie es mit der Blockadehaltung der wird, die Kuren würden nicht mehr im bisherigen Koalition beim Patientenschutz bestellt ist. Das wol- Umfang gewährt; es habe keinen Sinn mehr, Anträge len wir auch nach draußen dokumentieren. zu stellen. Das Gegenteil ist richtig: Wir müssen dazu (Beifall bei der SPD) ermuntern und auffordern, daß Kuranträge gestellt werden. Diejenigen, die Kuren brauchen, werden sie Zurück zur Qualitätssicherung. Auch von interna- auch erhalten. Machen wir das gemeinsam: Werben tionaler Seite erhält das deutsche Gesundheitswesen wir für Kuranträge; das ist das Beste, was wir für die keine guten Noten mehr. Die OECD stellt in ihrem Kur- und Heilorte tun können. Wirtschaftsbericht 1997 erstmals fest, daß die deut- schen Gesundheitsausgaben im Vergleich zu den Danke schön. Ausgaben im OECD-Durchschnitt erhöht sind, die (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Gesundheitsergebnisse allerdings nur dem OECD Durchschnitt entsprechen. Für die Bundesregierung mag das - wie aus der Antwort zu ersehen ist - eine Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat Überraschung sein, für Insider aber sicherlich nicht. jetzt der Kollege Horst Schmidbauer, SPD. Beispiele gibt es genug, die dieses Insiderwissen be- legen. Horst Schmidbauer (Nürnberg) (SPD): Herr Präsi- Ich möchte aus dem Fachbereich der operativen dent! Meine Damen und Herren! Ob geplant oder Gynäkologie ein Beispiel herausgreifen, das mich nicht: Es sieht so aus, daß die Qualitätssicherung der bewegt hat. Denn es ist besonders makaber, daß aus- gemeinsame Nenner für die heutige Debatte ist, weil gerechnet der Bundesminister für Gesundheit in die- es schon einen gewissen Sinn macht, wenn man den sen Tagen zu diesem Bereich eine Studie zur Quali- Gemischtwarenladen, der heute von Reha über Qua- tätssicherung veröffentlicht hat. Renommierte Wis- litätssicherung und Diabetes letztendlich bis zum senschaftler, vor allem die zuständige Fachgesell- Medizinproduktegesetz reicht, unter dieser Ober- schaft, haben festgestellt, daß 20 Prozent aller Mut- schrift behandelt. termundoperationen und zirka 40 Prozent aller Ope- Aber logisch ist für uns natürlich, daß wir beim An- rationen an den Eierstöcken und Eileitern nicht erfor- forderungsprofil der Qualitätssicherung auch die derlich waren. achte AMG-Änderung und den nationalen Diabetes- (Dr. Wolfgang Wodarg [SPD]: Das ist Kör plan auf den Prüfstand stellen. Wenn man einmal die perverletzung!) Meßlatte der Qualitätssicherung, wie wir sie in der Großen Anfrage der SPD formuliert haben, bei der Noch extremer ist ein Beispiel aus Hamburg: Do rt hat achten Änderung des Arzneimittelgesetzes anlegt, ein Gynäkologe die schockierende Zahl veröffent kann man feststellen, daß die Änderung erstens licht, daß von 400 kleinen Eierstockzysten, die im Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22285

Horst Schmidbauer (Nürnberg) Laufe eines Jahres von einem ambulanten Operateur Vielleicht verstehen Sie jetzt, daß für uns Sozialde- zur Untersuchung geschickt worden waren, ganze mokraten Qualitätssicherung eine große Herausfor- drei krankhaft verändert waren. derung ist und für uns eine zentrale Aufgabe nach dem 27. September dieses Jahres werden wird. Ich finde, das ist schlimm, vor allem wenn man an das Schicksal der Frauen denkt, die einen unnötigen (Beifall bei der SPD) Eingriff erfahren haben. Wenn man weiterdenkt Für uns ist klar: Wer Qualitätsprobleme in den Griff - das ist ja unsere Aufgabe -, ist zu fragen: Wie kön- bekommt, senkt die Kosten. Wer nur spart, senkt die nen wir durch Qualitätssicherung solche Fehlent- Qualität. wicklungen für die Zukunft vermeiden? (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Basis für die Qualitätssicherung ist die „evidence ba- DIE GRÜNEN) sed medicine". Dadurch wird die Versorgung der Be- Das Gesundheitswesen ist, wenn man solche Bei- völkerung erheblich verbessert. Die Einhaltung und spiele betrachtet - man könnte aus vielen medizini- Kontrolle all der Erfordernisse einer „evidence based schen Bereichen Beispiele anführen -, weniger effi- medicine", also die Qualität, kostet natürlich Geld. zient geworden. Es ist punktuell schlechter gewor- Fehler jedoch verursachen weitere unnötige Mehr- den. Diese Schwächen und Mängel beruhen nicht kosten. nur auf den allseits erkannten strukturellen Mängeln (Lilo Blunck [SPD]: So ist es!) der Versorgung. Es fehlt vielmehr ein wirkungsvolles Fehler verteuern die Versorgung. Fehler führen zu Qualitätsmanagement. Da bin ich ausnahmsweise Unwirtschaftlichkeit. Wer also Qualitätsprobleme in mit dem Gesundheitsminister einer Meinung, der den Griff bekommt, senkt die Kosten. Wer nur spa rt, 1992 bei der Beratung des Gesundheitsstrukturgeset- senkt die Qualität. zes sagte - ich zitiere ihn -: (Beifall bei der SPD) (Klaus Kirschner [SPD]: Das ist sechs Jahre her! - Dr. Wolfgang Wodarg [SPD]: Das Nicht nur die Ethik im Sinne des Nürnberger waren noch Zeiten!) Ärzte-Codes verpflichtet alle, medizinisches Handeln an Qualitätskriterien auszurichten. Qualitätsmanage- Eine wesentliche Ursache sind unwirtschaftliche ment ist der entscheidende Beitrag zur Mobilisierung Strukturen. Die vorhandenen Strukturen führen von Wirtschaftlichkeitsreserven im Gesundheitswe- zu Irrationalitäten. Deshalb müssen wir sie durch- sen, die von Seehofer mit 25 Milliarden DM beziffert brechen. werden. Das ist für uns der wesentliche Deckungs- beitrag für die Veränderungen, die wir im Gesund- So, wie der Minister redet, wird zur Zeit viel geredet. heitswesen brauchen, um in Zukunft der üblen Ab- Es wird schon zu lange nur geredet und zu wenig ge- kassiererei ein Ende bereiten zu können. handelt. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Aber, meine Kolleginnen und Kollegen, im Umkehr- schluß müssen die Krankenkassen mehr Handlungs- Dabei sollte Qualitätssicherung bereits seit langem spielraum erhalten und neue Wege in der Versor- ein selbstverständlicher Bestandteil des medizini- gung ihrer Versicherten gehen können. schen Handelns sein. Die Medaille Qualitätssicherung hat zwei Seiten. (Beifall der Abg. Lilo Blunck [SPD]) Die eine besagt: Die unwirtschaftlichen Strukturen müssen trockengelegt werden, weil erhebliche Res- Aber man hat den Eindruck, daß der Akteur im Bun- sourcen verschwendet werden. Die zweite Seite der desministerium nach dem Motto handelt: Es muß Medaille besagt: Unnötige und überflüssige medizi- etwas geschehen, aber es darf nichts passieren. nische Leistungen verursachen viel menschliches Leid. Beide Seiten der Medaille kann man besonders (Beifall bei der SPD) an der Diabetes-Versorgung darstellen. Es ist noch dramatischer: Nach 1996 sieht es so Heute ist ein ganz besonderer Tag, weil es das er- aus, als ob den Herrn Minister in Sachen Qualitäts- ste Mal ist, daß das Anliegen von 6 Millionen Men- sicherung die Sprachlosigkeit befallen hätte. 1996 schen das Plenum des Deutschen Bundestages er- stellte er letztmals fest - ich zitiere aus der „Welt am reicht. 6 Millionen Menschen ist eine abstrakte Zahl. Sonntag" vom 4. Februar 1996 -: „Wir könnten Aber auf jeden erkannten Zuckerkranken kommt 25 Milliarden sparen, aber wir haben versagt". nach Schätzung von Experten ein unerkannter oder eine unerkannte. Jeder fünfte Bürger wird im Laufe (Klaus Kirschner [SPD]: Hört! Hört!) seines Lebens mit Diabetes konfrontiert werden. Der Ja, es ist richtig: Wir könnten 25 Milliarden DM spa- Anteil der Personen in der bundesdeutschen Bevöl- ren. Richtig ist auch, Herr Minister: Sie haben bei der kerung mit dieser Erkrankung wird sich bis zum Jahr Qualitätssicherung versagt. 2010 nahezu verdoppeln. Aber schon vor neun Jah- ren hat die Weltgesundheitsorganisation festgestellt, (Beifall bei der SPD - Dr. Sabine Bergmann- daß sich in Mitteleuropa und insbesondere in Pohl [CDU/CSU]: Haben Sie schon einmal Deutschland der Diabetes mellitus zu einer Volks- etwas von Selbstverwaltung gehört?) krankheit entwickelt hat. Europaweit signalisieren 22286 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Horst Schmidbauer (Nürnberg) explodierende Zahlen dringenden Handlungsbedarf. als SPD wollen nach all den Jahren der Tatenlosig- Statt der heute angenommenen 20 Milliarden DM keit endlich handeln, endlich säen. Wir wollen hier droht nun eine Kostenlawine von mehr als 40 Milliar- und heute aber auch ein Bekenntnis zum nationalen den DM auf das Gesundheitswesen zuzurollen. Diabetikerplan. Ich denke, wir sind uns in diesem Hause einig: Die Menschen warten darauf, und sie 1989 verpflichtete sich die Bundesregierung mit haben es verdient, daß ihnen geholfen wird. der Unterzeichnung der St. Vincent-Erklärung, daß die diabetesbedingten Amputationen um die Hälfte (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ reduziert werden und die Erblindungen und die Fälle DIE GRÜNEN) von Nierenversagen um ein Drittel reduziert werden, daß die Sterblichkeitsrate zurückgeht und daß die Diabetikerinnen kein höheres Schwangerschaftsri- Vizepräsidentin Michaela Geiger: Das Wort hat siko als Nichtdiabetikerinnen haben sollten. Heute jetzt die Abgeordnete Ma rina Steindor, Bündnis 90/ ist die Situation aber genau ins Gegenteil verkehrt. Die Grünen. Die Versorgung der Diabeteskranken ist heute nicht besser geworden, sondern hat sich verschlechtert - Marina Steindor (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): verschlechtert, weil jede dritte Neuerblindung einen Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Diabetiker oder eine Diabetike rin trifft, verschlech- Herren! Am Ende der Legislaturpe riode bearbeiten tert, weil seit 1990 zwei Drittel aller in Deutschland wir ein wahres Sammelsurium von Anträgen. Ich durchgeführten Amputationen bei Diabetikern hätte mir weiß Gott mehr Redezeit gewünscht, um durchgeführt wurden, weil jede bzw. jeder zweite die Gesundheitspolitik dieser Legislaturpe riode noch neuandialysierte Patientin bzw. Patient eine Diabeti- einmal Revue passieren zu lassen kerin oder ein Diabetiker ist. (Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ Mein persönliches Schlüsselerlebnis war ein Be- CSU]: Das wäre ja Quälerei!) such der Universität Düsseldorf. Die dortige diabeti- sche Fußambulanz stand in einem direkten fünfjähri- und Ihre rein fiskalische und schrittweise privatisie- gen Vergleich mit dem Krankenhaus in Ratingen, rende, jedoch nicht an Gesundheitszielen orientierte das 25 Kilometer entfernt ist. Bei der gleichen Dia- Gesundheitspolitik zu durchleuchten. gnose verließ in Ratingen nur noch ein Drittel der Pa- tienten mit ihrem Bein das Krankenhaus, bei der Ich möchte mich auf drei Punkte beschränken. Der kompetenteren Versorgung in Düsseldorf zwei Drit- erste Punkt meiner Rede gilt dem Kur- und Rehabili- tel. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist ein tationswesen. Skandal, weil es zu Lasten schlecht behandelter Zuk- Sie haben sich, den bayerischen Landtagswahl- kerkranker geht. Schlecht behandelte Zuckerkranke kampf fest vor Augen, die Mühe gemacht, hier im kostet die Krankheit zwischen acht und zehn Jahre Parlament noch einen längeren Entschließungsan- ihres Lebens. Schlecht behandelte Zuckerkranke ko- trag vorzulegen. sten die Solidargemeinschaft der Krankenkassen Milliardenbeträge, die besser eingesetzt oder gespart (Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Der ist werden könnten. gut!) (Beifall bei der SPD) Ich muß wirklich sagen: Ich hatte Ihnen, ehrlich ge- sagt, mehr politische Klugheit zugetraut. Ich habe Wenn eine optimale Versorgung möglich ist, dann mir gar nicht vorstellen können, daß Sie ein derarti- haben Menschen mit Diabetes die gleiche Lebenser- ges Dokument der Unbelehrbarkeit in dieses Parla- wartung wie der Durchschnitt der Bevölkerung. Das ment einbringen, wie Sie es zu Beginn dieser Debatte ist der entscheidende Punkt, auf den wir abheben getan haben. müssen. Was zunächst auffällt, ist, daß Sie in diesem Antrag Wenn wir in Deutschland die Mittel, das Wissen nur noch feststellen. Sie stellen überhaupt keine par- und die Instrumente, über die wir verfügen, nicht lamentarischen Forderungen. Politisch sind Sie der- einsetzen, dann stellt sich die Frage, ob wir uns nicht art unter Druck, daß Sie mit semantischen T ricks ar- der Körperverletzung schuldig machen. Ziel muß es beiten müssen. So zitieren Sie beispielsweise, daß sein, daß jeder Diabetiker eine wohnortnahe, inter- Parteien, Gewerkschaften und Arbeitgeber der über- disziplinäre und fachlich kompetente Versorgung be- einstimmenden Überzeugung seien, daß man die kommt. Ziel muß ein Netz aus kooperierenden Haus- Lohnnebenkosten nicht weiter steigen lassen dürfe. ärzten, qualifizierten Fachärzten und Krankenhäu- Wollen Sie damit etwa suggerieren, daß die Gewerk- sern sowie der selbstbewußte Patient sein. Verant- schaften einer Lohnnebenkostensenkung zustimmen wortliche Politiker müssen mehr Weitblick entwik- würden, die mit Massenarbeitslosigkeit erkauft wird? keln. Prävention muß das Feuerlöscherprinzip erset- Das ist doch keine politische Korrektheit mehr, son- zen. Verantwortliche Politiker müssen Verantwor- dern ein unglaublicher semantischer Trick. tung übernehmen. Der Gewinn liegt bei den Lebens- jahren, die diabeteskranke Patienten gewinnen. Der (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Gewinn liegt bei den Milliardenbeträgen für vermie- Walter Hirche [F.D.P.]: Ein ökonomischer dene Folgekosten. Unsinn wird da erzählt!) Unser Motto heißt deswegen, liebe Kolleginnen Sie wissen genau, daß es andere Wege gibt, die und Kollegen: Wer ernten will, muß vorher säen. Wir Lohnnebenkosten zu senken, als die sozialen Siche- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22287 Marina Steindor rungssysteme kaputtzusparen oder zu privatisieren, Sie aber die Zuzahlungen im Bereich der gesetzli- wie Sie es tun, chen Krankenversicherung begründen wollen, dann vergessen Sie den demographischen Wandel nicht. (Walter Hirche [F.D.P.]: Alle unsere Nach- Darüber sollten Sie einmal nachdenken. barn erzielen auf diese Weise nachweisbare Erfolge!) Im Rest Ihres Antrages verfallen Sie in Beschwich- tigungs- und Aufschwungsrhetorik nach dem Motto: beispielsweise durch eine ökologische Steuerreform, Es wird ja alles besser. Das alles ist hier schon vorge- auf die Bündnis 90/Die Grünen zur Lösung dieses Problems setzt. tragen worden. Ich gehe davon aus, daß Ihnen das auch die Bürgerinnen und Bürger in Bayern nicht ab- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - nehmen. Fakt ist, daß Sie einen florierenden perso- Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: 5 DM für nenbezogenen Dienstleistungssektor schwer beschä- einen Liter Benzin! Damit können Sie nicht digt haben und dort Massenarbeitslosigkeit hervor- einmal mehr zum Arzt fahren! - Heiterkeit gerufen haben. bei der CDU/CSU) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN In Ihrem Antrag nennen Sie, semantisch formuliert, und bei der SPD) die durch Ihre Regierungspolitik hervorgerufene Ar- beitslosigkeit - da gibt es nichts zu lachen - zyni- Ich möchte jetzt zum zweiten Teil meiner Rede scherweise „Umstellungsprozeß". Und dann unter- kommen, nämlich zu der einfachen Frage: Was hat stellen Sie der Opposition, daß sie mit ihrem Protest - die Regierungskoalition für den Patientenschutz in den Kur- und Rehabilitationseinrichtungen mehr ge- dieser Legislaturperiode zustande gebracht? schadet habe als Sie mit Ihrer Regierungspolitik. (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Verbesserung (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Nein, durch der Härtefallregelung!) Falschaussagen! Das ist ein Unterschied!) Kurz zusammengefaßt könnte man sagen: ein Abkas- Das darf doch wohl nicht wahr sein. Sie haben doch siermodell und Leistungseinschränkungen, sonst ist mit Ihrer Mißbrauchsdebatte Kuren und Rehabilita- nichts dabei herausgekommen. tionen derart schlechtgeredet, daß sich die Bürgerin- (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS nen und Bürger gar nicht mehr getraut haben, An- SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD) träge zu stellen. Sie haben es trotz der Anträge und der qualitativ (Halo Saibold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: hochrangigen Anhörung, die wir im Bundestag hat- Sehr richtig!) ten, tatsächlich fertiggebracht, die Verbesserung der In Ihrem Entschließungsantrag wagen Sie es nach Haftungsregelungen im Arzneimittelgesetz die all den Jahren Debatte weiterhin, die falschen Zah- ganze Legislaturperiode über zu verschleppen. Sie len zu präsentieren. Sie reden noch immer davon, haben in diesem Bereich nichts getan. Statt den daß es damals keine medizinischen Gründe für die Schutz der Patienten zu erhöhen, verringern Sie den Steigerungsraten gab. Schutz durch die Änderung des § 40 in der 8. AMG Novelle sogar noch. Sie nennen das Verfahrensver- (Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ einfachung. CSU]: Stimmt haargenau!) Ich kome zu meinem dritten Punkt. Sie werden mit Sie verschweigen noch heute, daß ungefähr ein Drit- Ihrer Politik der rasanten Entwicklung der modernen tel der Steigerungsraten durch die deutsche Eini- Biologie und Medizin nicht gerecht. Wahrscheinlich gung bedingt ist, meinen Sie, daß Sie durch eine Streiterei über die Ra- (Halo Saibold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: tifizierung der Bioethik-Konvention schon den bio- Genau!) ethischen Notwendigkeiten gerecht würden. Aber nicht überall dort, wo Bioethik draufsteht, ist auch weil man in den ostdeutschen Kur- und Rehabilitati- Bioethik drin. Gerade bei der klinischen Prüfung onseinrichtungen aufgebaut hat muß ein Land wie die Bundesrepublik Deutschland, (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Das hat das so viele forschende Arzneimittelhersteller hat, damit nichts zu tun!) ganz besonders klarmachen, daß es nicht die Politik ist, Patientenschutzinteressen hinter Industrieinteres- und diese von den Bürgerinnen und Bürgern in An- sen zu stellen, sondern daß genau andersherum Poli- spruch genommen worden sind. tik gemacht werden muß. Des weiteren verschweigen Sie in Ihrem Antrag (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN noch heute, daß ungefähr 20 Prozent des Anstiegs sowie bei Abgeordneten der SPD) durch eine gesetzesinduzierte Ausweitung der Ko- sten in der Rentenversicherung auf Grund Ihrer Durch den immensen wirtschaftlichen Druck im 10. AFG-Novelle zustande gekommen sind. Auch die Bereich der klinischen Prüfungen, die mittlerweile übrigen sachlich-faktisch vorliegenden Gründe für sogar Hauptgrund für Fusionen von Pharmakonzer- die damalige Steigerung negieren Sie weiterhin. nen sind, gerät die ethische Begutachtung und gera- ten die Ethik-Kommissionen in den Fokus von Wirt- Die besondere Pikanterie ist, daß Sie den demogra- schafts- und Standortpolitik. Da sind Sie bereit, die phischen Wandel, der für ein Fünftel der Steigerung Interessen der Patientinnen und Patienten sowie der verantwortlich ist, einfach vernachlässigen. Wenn Probanden auf dem Altar Ihrer Standortpolitik zu op- 22288 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Marina Steindor fern. Damit werden Sie noch nicht einmal der euro- rung hält und anschließend an der Debatte nicht päischen Regelung gerecht, sondern Sie überreagie- mehr teilnimmt. ren in Ihrem Vorschlag, wie Sie es auch bei der (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - 5. AMG-Novelle gemacht haben, mit der Sie uns Hirche [F.D.P.]: Das ist ein Stil, den durch eine Überreaktion all diese Probleme mit den Walter die Öffentlichkeit bemerkt!) besonderen Therapierichtungen eingehandelt ha- ben, die Sie jetzt zu korrigieren versuchen. Frau Kollegin Schaich-Walch, mit Ihnen möchte ich beginnen; denn Sie haben die These aufgestellt, An dieser Stelle wird erneut klar, daß Sie in der die finanziellen Probleme in der deutschen Kranken- Gesundheitspolitik verdeckt Wirtschaftspolitik be- versicherung seien noch nicht gelöst. Dazu möchte treiben und daß Sie die bioethischen Belange einer ich einige Fakten anführen, die man auch in Wahl- zukunftsorientierten Politik nicht wahrnehmen. kampfzeiten nicht ganz unter den Tisch kehren (Walter Hirche [F.D.P.]: Wirtschafts- und sollte. Gesundheitspolitik müssen immer zusam Erstens. In meinem ersten Ministerjahr 1993 lag menpassen! Die findet nämlich nicht im der durchschnittliche Beitragssatz in der gesetzli- luftleeren Raum statt!) chen Krankenversicherung Deutschland West bei - Selbstverständlich nicht! 13,4 Prozent; jetzt liegt er bei 13,6 Prozent. Wir wer- den auch im Jahre 1998 Beitragssatzstabilität haben. (Dr. Dieter Thomae [F.D.P.]: Aber bei den - Ich kann mich nicht erinnern, daß in der jüngeren Grünen!) Geschichte der deutschen Krankenversicherung In den nächsten Jahren - ich sage das hier mit gro- sechs Jahre nacheinander stabile Beitragssätze ge- ßem Ernst - wird die Zahl der klinischen Prüfungen herrscht haben. sehr stark zunehmen und damit auch die sogenann- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - ten unerwünschten Ereignisse. Dahinter verstecken Widerspruch bei der SPD - Abg. Klaus sich auch vermeidbare Todesfälle. Sie leisten es sich Kirschner [SPD] meldet sich zu einer Zwi als Staat weiterhin, überhaupt nicht zu wissen, wie schenfrage) viele solcher unerwünschten Ereignisse es gibt; denn Sie weigern sich wiederum, in der Bundesbehörde - Lassen Sie mich erst die Zahlen nennen. Dann er- einen Meldekopf einzurichten, um überhaupt einen übrigt sich vielleicht die Zwischenfrage; denn die Überblick darüber zu bekommen. Das ist um so skan- kann ja nur lauten: Wer hat die Beitragssatzstabilität dalöser, als das auch schon Gegenstand der Beratung finanziert? in der letzten Legislaturperiode war. Man sieht daran (Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ ganz klar, daß Sie die Interessen der Pharmaindustrie CSU]: Ja, eben!) in den Vordergrund stellen. Zweitens: Rücklage in der gesetzlichen Kranken- Sie nehmen auch keine Rücksicht darauf und ver- versicherung West zum 31. Dezember 1997 7,7 Mil- suchen nicht zu durchleuchten, wie stark die Arznei- liarden DM. Das sind 90 Prozent mehr, als die gesetz- mittelbegutachtungen und klinischen Prüfungen liche Mindestrücklage beträgt, die bei 4 Milliarden schon jetzt durch finanzielle Zuwendungen der Phar- DM liegen würde. Die positive Botschaft, die sich da- maindustrie manipuliert sind. Das ist kein Weg für mit verbindet, ist - das möchte ich einmal der Kolle- die Zukunft. Das ist nicht unsere Politik. Deshalb gin Fuchs sagen -, daß die gesetzlichen Krankenkas- werden wir uns dagegen wenden. sen West auf Grund dieser hohen Rücklage in der (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Lage sind, den gesetzlichen Krankenkassen Ost mit Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ der Folge zu helfen, daß es im Osten auch stabile Bei- CSU]: Wieso „werden"? Sie haben sich tragssätze und gleichwohl erstklassige Medizin und doch gerade dagegen gewandt!) Pflege für die Menschen dort gibt. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Ich erteile das Vizepräsidentin Michaela Geiger: Dritte Bemerkung zu den Fakten. Es heißt, es gebe Wort jetzt dem Bundesgesundheitsminister Horst nur die Versicherten oder die Patienten, die belastet Seehofer. seien. Die Leistungsausgaben in der gesetzlichen Krankenversicherung sind in ganz Deutschland in Horst Seehofer, Bundesminister für Gesundheit: den ersten drei Monaten dieses Jahres praktisch Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zur nicht gestiegen. Hier gibt es eine bescheidene Zu- Stunde findet im Saarland die Konferenz der Ge- wachsrate von 0,1 Prozent. Das ist als Botschaft des- sundheitsminister der Länder statt. Ich habe das Gre- halb wichtig, weil sich dahinter verbirgt, daß alle Be- mium um Verständnis dafür gebeten, daß ich mit Re- teiligten im deutschen Gesundheitswesen - die spekt vor diesem Parlament erst anschließend dort- Ärzte, die Apotheker, die Pharmaindustrie, die Kran- hin fliegen werde. kenhäuser - massiv gespart und damit ihren Beitrag zur Stabilität der Beiträge geleistet haben. (Klaus Kirschner [SPD]: Wollen wir hoffen!) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Vor diesem Hintergrund halte ich es für eine grobe Unhöflichkeit, daß die Kollegin Knoche hier eine Meine Damen und Herren, wir verschweigen gar Rede mit massiven Angriffen gegen die Bundesregie nicht, daß wir auch die Selbstbeteiligung erhöht ha- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22289

Bundesminister Horst Seehofer ben. Die Selbstbeteiligung zahlen in der Tat die kran- Horst Seehofer, Bundesminister für Gesundheit: ken Menschen. Obwohl ich sehr diskussionsfreudig bin, lasse ich jetzt aus den Reihen der Grünen eine Zwischenfrage (Zurufe von der SPD: Ja! - Wolfgang Loh nicht zu, weil ich es als ungeheuerlich empfinde, daß mann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Das ist hier eine Rede abgeliefert, anschließend der Saal ver- doch selbstverständlich!) lassen und der Diskussion mit uns ausgewichen wird. Das halte ich für ungeheuerlich. Aber man muß hinzufügen, daß wir ohne diese Selbstbeteiligung die Erreichung unseres obersten (Beifall bei der CDU/CSU - Klaus Kirschner politischen Zieles, nämlich erstklassige Medizin und [SPD]: Das hatten wir schon einmal! - Wei Pflege für kranke Menschen in Deutschland, in den terer Zuruf der Abg. Manna Steindor letzten Monaten nicht hätten sicherstellen können. [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) - Nein, trotz Gesundheitsministerkonferenz habe ich nicht gesagt, die Parlamentarische Staatssekretärin Auch die Selbstbeteiligung ist solidarisch gestaltet. solle mich vertreten, obwohl sie das ganz hervorra- gend gemacht hätte, sondern ich habe gesagt, der (Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ Respekt vor diesem Thema gebietet es, daß ich hier- CSU]: Eben!) bleibe. 16 Minister warten im Saarland auf mich. 30 Prozent der Versicherten sind von jeder Zuzah- - Nun zu Ihnen, Frau Fuchs. Ich halte es für sehr gut, lung zu Arzneimitteln völlig befreit; in den neuen daß wir ein Sonderprogramm zur Deckung des Nach- Bundesländern sind es 34 Prozent. Selbst beim böse- holbedarfs im Bereich der Krankenhausinvestitionen sten Willen wird man vor dem Hintergrund, daß ein in den neuen Ländern aufgelegt haben und daß wir Drittel der Bevölkerung von jeder Zuzahlung bei Arz- die 20 DM erheben, damit die Instandhaltung der nei- und Heilmitteln befreit ist, nicht behaupten kön- Krankenhäuser in den neuen Ländern stattfinden nen, daß wir auf die kleinen Leute und insbesondere kann. Aber eines kann man nicht machen: die aus auf die kleinen Rentner nicht Rücksicht genommen unserer Sicht notwendigen Hilfen in Milliardenhöhe hätten. zur Reparatur dessen, was dort 40 Jahre vernachläs- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) sigt worden ist, in Anspruch nehmen und anschlie- ßend hier vor dem Deutschen Bundestag den Finan- Jetzt möchte ich einmal an die Adresse der Anhän- zierungsweg kritisieren. Das geht nicht. ger der Positivliste etwas sagen. Frau Steindor, rich- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) ten Sie bitte der Frau Kollegin Knoche aus: Gäbe es eine Positivliste, also eine Liste, die nach Ihren Vor Damit, Frau Fuchs, kein falscher Zungenschlag ent- tellungen Arzneimittel in einer Größenordnung von -s steht: Ich halte das im Interesse einer guten Versor- 6 Milliarden DM aus dem Leistungskatalog der ge- gung der Menschen in den neuen Ländern für not- setzlichen Krankenversicherung ausgrenzte, wären wendig und richtig. Aber Sie müssen sagen, wie das damit zwei Botschaften verbunden. Erstens müßte finanziert wird, ohne daß die Arbeitskosten erhöht man dann der Bevölkerung sagen, daß alle Natur- werden. Wir haben die Antwort gegeben. heilrichtungen aus dem Leistungskatalog der gesetz- Zum Europäischen Gerichtshof. Es gibt zwei Eck- lichen Krankenversicherung verschwinden würden. punkte; ansonsten stimme ich dem Ergebnis der Alle! Analyse von Dieter Thomae zu, das Thema in Ruhe (Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ zu diskutieren. Der erste Eckpunkt ist und bleibt für CSU]: Jawohl, so ist es!) mich und die CDU/CSU: Wir wollen kein zentrali- stisch-bürokratisches Europa, das in Brüssel ent- Zweitens: Wenn man 6 Milliarden DM einsparen scheidet, wo in Deutschland welche Arztpraxis be- wollte, hieße dies im Klartext, in der Größenordnung steht und welches Krankenhaus an der Versorgung von 6 Milliarden DM würden Arzneimittel für die teilnimmt. Menschen nicht mehr verordnet, das heißt weniger (Beifall bei der CDU/CSU - Ina Albowitz Arzneimittel. [F.D.P.]: Wir auch nicht! Wir machen das Jetzt sage ich Ihnen einmal: Die Erhöhung der alles hier!) Selbstbeteiligung, die wir durchgeführt haben, Der zweite Eckpunkt: Wie lösen wir das Span- bringt der Krankenversicherung 5 Milliarden DM, nungsverhältnis zwischen einem freien Waren- und und Sie möchten Leistungen in der Größenordnung Dienstleistungsverkehr einerseits und der von uns von 6 Milliarden DM ausgrenzen, die dann die Versi- gewollten nationalen Gestaltungskompetenz in der cherten zu 100 Prozent selbst zu bezahlen hätten. Sozialpolitik auch in der Zukunft andererseits? Wir Deshalb setzen Sie sich wieder hin, und halten Sie wollen, daß diese Problematik, die es unzweifelhaft uns keine Vorträge über die soziale Ausgewogen- gibt, politisch aufgearbeitet wird und nicht durch heit. ständige Entscheidungen der Kommission und des (Beifall bei der CDU/CSU) Europäischen Gerichtshofes verwaltet wird, was nur dazu führen kann, daß es zu tiefen Fehlentwicklun- gen auf diesem Sektor kommt. Vizepräsidentin Michaela Geiger: Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Steindor? Ina Albowitz [F.D.P.]: Nicht nur da!) 22290 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Bundesminister Horst Seehofer Es ist schon überraschend: bayerische Landtagswahl glauben, Sie müßten hier schon eine Wahlkampfrede halten. Die saarländische Gesundheitsministerin und der- zeitige Vorsitzende der Gesundheitsministerkon- (Ina Albowitz [F.D.P.]: Ihr macht das natür ferenz ..., Barbara Wackernagel-Jacobs (SPD), lich nicht!) - die ich sehr schätze - Aber ich habe die gleiche Agenturmeldung da, die auch Sie in Händen halten. Ich kann leider nicht er- hat sich für die Kostenübernahme von Gesund- kennen, daß die Frau Ministerin Barbara Wackerna- heitsleistungen im EU-Ausland durch die Kassen gel-Jacobs da erklärt, daß das Kostenerstattungsprin- ausgesprochen. zip das beste sei. Vielmehr hat sie lediglich darauf hingewiesen - ich bitte Sie, mir zu sagen, ob das Meine Damen und Herren, man kann uns in stimmt oder nicht -, daß das Urteil des Europäischen Deutschland - heute wieder hier im Parlament - nicht Gerichtshofes nichts anderes bedeutet, als daß die vorhalten, die Einführung der Kostenerstattung beim Patientinnen und Patienten einen Anspruch darauf Zahnersatz sei sozialer Kahlschlag, wenn die Vorsit- haben, die Kosten für solche Leistungen im Ausland zende der Gesundheitsministerkonferenz die Kosten- erstattet zu bekommen. Es geht hier um Zahnersatz erstattung für ganz Europa als Zukunftsmodell vor- und um Brillen. stellt. Das geht nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU - Walter Hirche - Horst Seehofer, Bundesminister für Gesundheit: [F.D.P.]: Die SPD plaudert durcheinander!) Noch einmal: Das werden wir auch nicht durchgehen lassen. Die saarländische Gesundheitsministerin und derzeitige Vorsitzende der Gesundheitsminister- In geraden Wochen sagt die SPD: Wir haben in konferenz... hat sich für die Kostenübernahme Deutschland so viele Ärzte, das ist das Hauptpro- von Gesundheitsleistungen im EU-Ausland blem; dieser lahme und schwache Gesundheitsmi- durch die Kassen ausgesprochen. nister schafft es nicht, das Problem zu lösen. (Klaus Kirschner [SPD]: Das ist das Urteil!) (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sehr - Ich bin noch nicht fertig. gut!) Wackernagel-Jacobs widersprach damit Bundes- In den ungeraden Wochen sagt die gleiche SPD: Ob- gesundheitsminister Horst Seehofer (CSU), der wohl wir in Deutschland so viele Ärzte haben und bei einer EU-weiten Kostenerstattung das die Ursache für die Kostendynamik im deutschen Gesundheitswesen ist, können alle Ärzte in Europa - jetzt geht es um die Kostenerstattung - an der Versorgung der deutschen Bevölkerung teil- eine Zunahme der Arztbesuche und damit stei- haben, und die deutsche Krankenkasse bezahlt das. gende Kosten vorhergesagt hatte. Diese Logik wird in Bayern nicht einmal an einer Im Saarländischen Rundfunk sagte Wacker- Grundschule gelehrt. Wir wollen sie hier im Deut- nagel-Jacobs ... Ohne der rechtlichen Klärung schen Bundestag auch nicht einführen. einer möglichen Kostenerstattung durch die (Beifall bei der CDU/CSU) Krankenkassen vorzugreifen sei derzeit kein Grund erkennbar, den Patienten die Inanspruch- Frau Kollegin Schaich-Walch, wenn Sie sagen, nahme von kostengünstigeren Leistungen zu ver- weil wir die Kostenerstattung beim Zahnersatz ein- wehren. geführt haben, gebe es dieses Problem auf Europa- ebene, so ist das falsch. Wir haben das gleiche (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Na also! Das Thema bei den Brillen. Da gibt es keine Kostenerstat- ist eindeutig!) tung, und trotzdem treten manche Kassen und man- Das ist für politische Verhältnisse eine sehr klare che SPD-Politiker für die Übertragung des Systems Äußerung. ein. (Zuruf von der SPD: Man kann doch im Ausland gar keine anderen Leistungen als Vizepräsidentin Michaela Geiger: Herr Minister, die der Kostenerstattung annehmen!) gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kirschner? Sie können uns nicht vorhalten, daß die Kostenerstat- tung in Deutschland unsozial sei, wenn Ihre Spreche- rin, die Vorsitzende der Gesundheitsministerkonfe- Horst Seehofer, Bundesminister für Gesundheit: renz, heute erklärt, sie sei im Gegensatz zum Ge- Jetzt kommt der Kollege Kirschner. Ja. sundheitsminister dafür, daß die Kostenerstattung EU-weit angewandt wird. So einfach ist das.

Vizepräsidentin Michaela Geiger: Bitte schön, Herr Jetzt komme ich zu den Kuren. Auch hier zu den Abgeordneter. Fakten: In den Jahren 1991 bis 1996 sind die Ausga- ben der Krankenkassen für Kuren und Rehabilitati- onsleistungen um knapp 80 Prozent von 3 Milliarden Klaus Kirschner (SPD): Herr Minister, ich habe DM auf 5,3 Milliarden DM gestiegen. Nach Inkraft- großes Verständnis dafür, daß Sie im Hinblick auf die treten des Beitragsentlastungsgesetzes sind die Aus- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22291

Bundesminister Horst Seehofer gaben im Laufe des Jahres 1997 um 1 Milliarde DM medizinische Notwendigkeit und nicht irgendwelche zurückgegangen. Jetzt haben wir also wieder Ausga- Budgets oder ökonomische Orientierungsgrößen im ben von 4 Milliarden DM. Diese 4 Milliarden DM lie- Vordergrund stehen. Wir haben den Krankenkassen gen immer noch um 40 Prozent über den Kurausga- die Möglichkeit gegeben, bestimmte Indikationen ben des Jahres 1991. Dazu kommt, daß im ersten zu definieren, damit dem Bürger nicht zugemutet Quartal dieses Jahres, 1998, die Kur- und Rehabilita- werden muß, im Einzelfall ein Gutachten einzuholen, tionsausgaben in Deutschland um 4 Prozent gestie- nach dem beurteilt werden kann, ob eine Frist von gen sind. Über einen Zeitraum von sechs Jahren ha- drei oder vier Wochen bzw. drei oder vier Jahren ben wir in diesem Bereich eine jährliche Steigerung richtig oder falsch ist. Das ist möglich. Ich fordere die von im Durchschnitt 6 Prozent. Selbstverwaltung auf, endlich die Definition der Indi- kationen vorzunehmen, damit das Verfahren auf die- Deshalb teile ich uneingeschränkt die Auffassung sem Sektor unbürokratischer wird. des Kollegen Singhammer, der sagt: Wenn 1 Milliarde DM eingespart wird und wir damit in etwa wieder (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) das Ausgabenniveau des Jahres 1994 erreichen - was wir politisch wollen, weil das Dazwischenlie- Es ist sicher richtig, daß es trotz der Steigerungsra- gende medizinisch nicht indiziert war -, dann kann ten über sechs Jahre hinweg eine Strukturverschie- man nicht von einem sozialen Kahlschlag reden. Das bung innerhalb der einzelnen Sektoren gegeben hat: war ein notwendiger Konsolidierungskurs. starke Rückgänge bei den ambulanten Kuren, weni- ger starke Rückgänge bei den stationären Kuren - im (Beifall bei der CDU/CSU) Moment fast eine Stagnation - und massive Zu- wächse bei der Anschlußheilbehandlung von zur Ich teile auch seine Meinung, die These haben wir Zeit 19 Prozent. immer vertreten -, daß der Rückgang der Kuranträge auch und vor allem mit der hohen Arbeitslosigkeit in Ich muß jetzt aber auch einmal sagen: Es ist nicht der Bundesrepublik Deutschland zusammenhängt, der Bundesgesundheitsminister, der eine bestimmte weil viele in Sorge um ihren Arbeitsplatz überhaupt Kur verordnet bzw. bewilligt, sondern das machen keinen Kurantrag gestellt haben. die Ärzte und die Krankenkassen. Wenn sich die Krankenkassen als Anwälte ihrer Versicherten ver- Vizepräsidentin Michaela Geiger: Herr Minister, stehen, sollen sie die Strukturen so gestalten, daß die gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Halo ambulante Badekur wieder eine größere Chance hat, Saibold? und nicht die Zuschüsse für die ambulante Badekur zusammenstreichen. Das ist der Punkt.

Horst Seehofer, Bundesminister für Gesundheit: (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Nein. Die Krankenkassen sind Anwälte ihrer Versicher- Deshalb ist die beste Antwort die Frucht unserer ten. Keine Kur wird ohne Zustimmung der Kranken- Politik, nämlich daß innerhalb von zwei Monaten des kasse genehmigt. Es ist nicht wie bei einem Arznei- Jahres 1998 die Zahl der Arbeitslosen um 500 000 zu- mittel, das ein Arzt verordnet und die Krankenkasse rückgegangen ist. Deshalb werden auch wieder bezahlen muß. Bei einer Kur und Rehabilitation ist mehr Kuranträge gestellt. die Genehmigung der Krankenkasse notwendig. Wir haben im Gesetz alle Möglichkeiten gegeben. Wir (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) haben sogar gesagt: Der medizinische Versorgungs- Ich bin sehr dafür - dieses Bekenntnis lege ich bedarf geht der Beitragssatzstabilität vor. Diese Mög- auch heute wieder ab -, daß die Kur- und Rehabilita- lichkeiten muß man nutzen. Soviel zu den Kuren. tionsleistungen einen hohen Stellenwert behalten, Ich wünsche Frau Wackernagel-Jacobs und Ihnen sowohl in der Rentenversicherung wie auch in der viel Vergnügen: Nach dem Urteil des Europäischen Krankenversicherung. Wir wollen, daß eine Kur oder Gerichtshofs die Auslandsleistungen zuzulassen ist Rehabilitation dort, wo sie medizinisch notwendig ist der Todesstoß für die deutschen Kurorte. - nach einem Schlaganfall, nach einer schweren Operation, nach einem Herzinfarkt -, zur Vermei- (Beifall bei der CDU/CSU) dung der Erwerbsunfähigkeit und zur Vermeidung Wir werden in den nächsten Wochen draußen sagen, der Pflegebedürftigkeit gewährt wird, und das mit daß die SPD-Bundestagsfraktion die Inanspruch- hoher Qualität. nahme der Gesundheitsleistungen im Ausland für Deshalb teile ich jede Meinung, die davon ausgeht, richtig hält. Ich brauche kein Prophet zu sein, um zu daß bei der Gewährung einer Kur oder Rehabilitation sehen, daß im Zweifel eine Kur an der Algarve oder die Regelfrist von drei Wochen und die Wiederho- in der Toskana einer Kur im Bayerischen Wald vorge- lungsfrist von vier Jahren zwar eine Orientierung im zogen wird, und dies zu Lasten der Krankenversiche- Gesetz sind, daß es aber primär auf die medizinische rung. Begreifen wir doch endlich: Jede Million, die Notwendigkeit ankommt, was wir bewußt ins Gesetz ins Ausland geht, fehlt für die Versorgung der Bevöl- geschrieben haben. kerung im Inland. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Ich würde mir wünschen, daß wir im Gesundheits- Jetzt noch zu einigen Wahrheiten: Angeblich gibt wesen endlich wieder dazu kommen, daß auch bei es keine Kostenübernahme mehr beim Zahnersatz der Gewährung von Rehabilitationsleistungen die für Menschen unter 18 Jahren. Das ist falsch. Wir ha- 22292 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Bundesminister Horst Seehofer ben die Prophylaxe stark verbessert. Wir haben eine sagen: Natürlich kommt eine Erhöhung der Beitrags- geschlossene Prophylaxe vom Kleinstkind bis zum bemessungsgrenze. Ich glaube, der „Wum" hat im Erwachsenen - übrigens mit riesigem Erfolg: Heute Fernsehen immer gesagt: Wie denn? Wo denn? Was gibt es 70 Prozent weniger Karies als 1980. Der Zahn- denn? - Also: Was denn, SPD? Ich kenne mich nicht ersatz wird auch für Jugendliche weiter bezahlt, mehr aus. Ich weiß nicht, was Sie wollen. wenn Grundlage des Zahnersatzes ein Unfall oder eine Erkrankung der Mundhöhle mit Zahnverlust ist Vizepräsidentin Michaela Geiger: Herr Minister, es oder wenn eine Kieferfehlstellung korrigiert werden besteht schon wieder der Wunsch nach einer Zwi- muß, was nur durch Zahnverlust erfolgen kann. In schenfrage. diesen drei Fällen wird der Zahnersatz weiter be- zahlt. Im übrigen ist die einfachste Antwort auf diese Fragen der Kinder und Jugendlichen und damit auch Horst Seehofer, Bundesminister für Gesundheit: von uns Eltern: Der zuzahlungsfreie Zahnarztbesuch Herr Professor Pfaff, natürlich. Er ist aus dem Frei- und die Prophylaxe bei Kindern und Jugendlichen staat Bayern. Er ist zwar ein Schwabe, aber trotzdem sind der beste Schutz gegen späteren Zahnersatz. erhält er die Möglichkeit zu einer Zwischenfrage. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Vizepräsidentin Michaela Geiger: Bitte schön, Herr Ich prüfe immer, ob das, was die SPD hier im Bun- Kollege Pfaff. destag sagt, mit dem übereinstimmt, was in ihrem Wahlprogramm steht, das Gerhard Schröder ge- (SPD): Ich hätte mir ja gewünscht, schrieben hat. Dr. Martin Pfaff Herr Bundesminister, daß Sie aus der Lektüre unse- (Walter Hirche [F.D.P.]: Hat er das?) res Wahlprogramms mehr Nutzen gezogen hätten. Darin steht nämlich erstens: Wir werden die solidari- Er hat die Bundestagsfraktion dabei völlig ausge- sche Krankenversicherung erhalten und wiederher- blendet, weil er die politische Mitte erreichen will. stellen. Ich habe geprüft, ob das, was Gerhard Schröder ins Wahlprogramm geschrieben hat, mit dem, was hier (Lachen bei der CDU/CSU und der F.D.P.) gesagt und beantragt wird, übereinstimmt. Ich stelle Darin steht zweitens: Wir werden alle Zuzahlungen fest - das werden wir in den nächsten Wochen immer überprüfen. Es steht drittens d wieder sagen -: An keiner einzigen Stelle im SPD- rin: In einem ersten Schritt werden wir die Zuzahlungen für chronisch Wahlprogramm steht die Rücknahme der Kurmaß- Kranke und ältere Menschen zurücknehmen. Ich nahmen durch die SPD. An keiner einzigen Stelle frage Sie: Wer zahlt denn die Zuzahlungen? Sind es steht die Aufhebung des Krankenhausnotopfers. die Jungen, die Gesunden? Alles andere, was Sie an- (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sie sprechen, werden Sie zu einem guten Teil im Regie- haben ja nicht einmal ein Wahlprogramm!) rungsprogramm, nicht im Wahlprogramm finden. Sind Sie bereit, dies zur Kenntnis zu nehmen? An keiner einzigen Stelle steht die generelle Rück- nahme der Zuzahlung. An keiner einzigen Stelle (Beifall bei Abgeordneten der SPD) steht, daß der Festzuschuß und die Kostenerstattung beim Zahnersatz zurückgenommen werden. An kei- Horst Seehofer, Bundesminister für Gesundheit: ner einzigen Stelle steht, daß der Koppelungsmecha- Herr Professor Pfaff, „Wir werden die solidarische nismus Beitragserhöhung/Zuzahlungserhöhung zu- Krankenversicherung erhalten" - ein furchtbar auf- rückgenommen wird. regender Satz! Das ist ungefähr so, als würde man Wir müssen mit dieser Politik der Beliebigkeit hineinschreiben: Wir garantieren, daß man Kranken- Schluß machen: versicherung auch künftig mit K schreibt. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Hier im Bundestag sagt man, wie stark man ist und was man alles machen will. Wenn es aber um den Was soll denn eine solche Aussage? Kanzlerkandidaten geht, der die politische Mitte er- Wenn Sie der Öffentlichkeit sagen, Sie nehmen für reichen will, hat man nicht den Mut, das in der Öf- Rentner und chronisch Kranke etwas zurück, dann fentlichkeit zu sagen, weil man weiß, daß man dann möchte ich klipp und klar wissen: in welcher Höhe? die Beiträge erhöhen muß. Wenn man die Beiträge Das muß nachprüfbar sein, meine Damen und Her- erhöht, bekommt man aber keine einzige Stimme ren. Diese nebulösen Aussagen wie „Wir prüfen mal vom Mittelstand, vom Handwerk und vom leistungs- die Zuzahlung" reichen mir nicht. Das Regierungs- bereiten Arbeitnehmer mehr. programm reicht mir auch nicht, weil Sie nie in die (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Lage kommen werden, dieses Regierungsprogramm zu realisieren. So einfach ist das. Das gleiche habe ich auf dem Katholikentag er- lebt. Da geht Herr Müntefering, immerhin Wahl- (Abg. Dr. Martin Pfaff [SPD] meldet sich zu kampfmanager der SPD, zu einer privaten Veranstal- einer weiteren Zwischenfrage) tung der Krankenversicherung in Würzburg und er- - Jetzt keine Zwischenfrage mehr. klärt: Mit uns kommt eine Erhöhung der Beitragsbe- messungsgrenze nicht in Frage. Jetzt wird auf dem Meine Damen und Herren, noch ein Wo rt zum Kol-

AOK- Bundeskongreß darüber diskutiert, und andere legen Schmidbauer. Herr Kollege Schmidbauer, was Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22293

Bundesminister Horst Seehofer die Arzneimittelhaftung betrifft, nur eines, damit Herr Kollege Schmidbauer, in allem Ernst: Sie wer- sich keine Legenden bilden: Wir als Koalition haben fen uns vor, in dieser Periode nicht gehandelt zu ha- Ihnen ein Angebot gemacht, die Arzneimittelhaftung ben. Diesen Vorwurf muß ich zurückweisen. In Ihrer gemeinsam zu gestalten. Sie haben dieses Angebot Anwesenheit habe ich Ihnen das Angebot gemacht. rundweg abgelehnt; es hat nicht einmal eine Ver- Sie haben mit uns nicht einmal darüber verhandelt. handlung darüber gegeben. Nur zur historischen (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Ganz genau Wahrheit! so war es!) Zweitens. Sie haben sicher recht: Natürlich gibt es Sie hätten ja auch aus Ihrer Sicht zu 80 Prozent Rich- in jedem System, auch im deutschen Gesundheitswe- tiges mittragen können. Ab dem 27. September - sen, Fehler, auch Qualitätsmängel, Kunstfehler von wenn Sie an das glauben, was Sie uns täglich erzäh- Ärzten. Aber, Herr Kollege Schmidbauer, erstens len - hätten Sie dann die restlichen 20 Prozent reali- dürfen wir durch diese pauschale Feststellung, wie sieren können. Aber daß es nicht einmal zu diesen 80 Sie sie getroffen haben, nicht die ganz große Mehr- oder 70 Prozent kam, haben Sie zu verantworten, heit von Ärzten, Ärztinnen, Schwestern und Pflegern weil Sie unser Verhandlungsangebot ausgeschlagen beleidigen, die nach Ihren Ausführungen eigentlich haben. glauben müßten, im deutschen Gesundheitssystem sei jeden Tag alles marode. Das ist falsch. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) - Vizepräsidentin Michaela Geiger: Wollen Sie noch Zweitens. Wenn wir Qualität verbessern wollen, ist eine weitere Zwischenfrage beantworten, Herr Mi- die erste und wichtigste Voraussetzung, daß wir die nister? Approbationsordnung für Ärzte verändern, mit dem Ziel, daß eine praxisorientiertere Ausbildung der (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Von solchen Ärzte erfolgt, daß die Ärzte, die ausgebildet werden, Fragen kann er noch ein paar stellen!) auch an den Patienten herankommen. Die Bundesre- gierung hat die Approbationsordnung verabschiedet. Horst Seehofer, Bundesminister für Gesundheit: Sie liegt im Bundesrat. Die Gesundheitsminister der Ich habe damit begonnen; jetzt mache ich auch wei- Länder unterstützen sie. Die Kultusminister machen ter. Schwierigkeiten. Die Mehrheit bei den Kultusmini- stern haben Sie. Deshalb fordere ich Sie auf: Lösen Vizepräsidentin Michaela Geiger: Ihre Redezeit ist Sie das Problem, indem Sie der Approbationsord- ohnehin zu Ende. nung über die SPD-Länder im Bundesrat zustimmen. Dann haben wir kein Problem mehr. Horst Schmidbauer (Nürnberg) (SPD): Herr Mi- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) nister, ich möchte noch einmal feststellen - ich denke, Sie können das bestätigen -: Sie haben in dem Gespräch erklärt, daß es eine inhaltliche Verän- Vizepräsidentin Michaela Geiger: Herr Minister, eine weitere Zwischenfrage wird gewünscht. derung nicht gibt und daß darüber nicht verhandelt werden kann. Ich bitte Sie darum, daß Sie dem Parla- ment bestätigen, daß dem so ist. Horst Seehofer, Bundesminister für Gesundheit: Er ist auch ein Bayer, aber ein Franke. Horst Seehofer, Bundesminister für Gesundheit: Wissen Sie, Sie sind ja doch ein alter Fuhrmann. (Nürnberg) (SPD): Herr Mi- Horst Schmidbauer (Horst Schmidbauer [Nürnberg] [SPD]: Ja nister, Sie haben die Frage der Haftung angespro- oder nein!) chen. Können Sie bestätigen, daß das, was Sie uns als Angebot vorgelegt und wozu Sie erklärt haben, - Nein. daß es inhaltlich keine Veränderung erfahren darf, in der Wirkung nicht den Ansprüchen gerecht wird, de- (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Schlagen Sie nen das Parlament durch seine gemeinsame Empfeh- Ihre Frau immer noch? Ja oder nein!) lung Rechnung getragen hat, nämlich: Nicht nur in Sie haben rundweg nein gesagt. Sie haben nicht ja der Überschrift soll stehen, daß die Menschen in Zu- gesagt und dann hinzugefügt: Man müßte über die- kunft Anspruch auf Schmerzensgeld haben; und die ses oder jenes reden. Nein haben Sie gesagt. Das Hürden sollen nicht so aufgebaut werden, daß die kann ich Ihnen bestätigen. Menschen letztendlich keinen Schmerzensgeldan- spruch realisieren können. Meine letzte Bemerkung. Bei allem Streit über Ein- zelfragen sollten wir nicht ganz aus dem Auge verlie- ren, daß unser deutsches Gesundheitswesen einen Horst Seehofer, Bundesminister für Gesundheit: Standard aufweist, um den uns viele auf dieser Welt Nein, diese Meinung teile ich nicht. Denn wenn es beneiden. Wenn wir über Gesundheitspolitik reden, keine Verbesserung wäre, hätten wir den Gesetzent- sollten wir immer an die Betroffenen denken, an die wurf nicht eingebracht. Kranken, die auf dieses Gesundheitswesen angewie (Lachen bei der SPD) sen sind. Wir sollten nicht ständig den Eindruck er- wecken, als müßte man sich davor fürchten, auf die- Wir haben das verhandelt. ses deutsche Gesundheitswesen angewiesen zu sein. 22294 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Bundesminister Horst Seehofer Die Deutschen, die im Ausland erkranken, haben ei- wählt, die besonderen Therapierichtungen selbstver- nen Wunsch, nämlich in die Obhut des deutschen ständlich hinten herunterfallen können. Gesundheitswesens zurückzukommen. Das ist eine viel schönere Einschätzung durch die Bevölkerung, Wenn Sie, verehrter Herr Minister, hier rheto rische als das jede Einlassung der Opposition sein kann. Spitzen gegen politische Parteien vorzubringen wa- gen, die bereits jetzt ein Programm vorgelegt haben, (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) auf das Sie sich beziehen können und mit dem Sie dann hier versuchen können, alle gegeneinander auszuspielen, dann möchte ich doch darauf hinwei- Vizepräsidentin Michaela Geiger: Ich erteile zu ei- ner Kurzintervention das Wo rt der Abgeordneten sen, daß die Unionsparteien auf Grund interner Diffe- Marina Steindor. renzen bislang noch gar nicht in der Lage waren, ein Programm vorzustellen. (Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Auch das noch! Uns bleibt heute Vielen Dank. nichts erspart!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Marina Steindor (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): PDS) Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Mi- nister! Sie haben dadurch, daß Sie meine Zwischen- Vizepräsidentin Michaela Geiger: Herr Minister, frage nicht zugelassen haben, bewirken können, daß möchten Sie antworten? - Dann erteile ich das Wo rt ich ungefähr 15 Minuten später zu Wort komme als zu einer weiteren Kurzintervention dem Abgeordne- vorgesehen. Ich halte es für eine sehr gute parlamen- ten Schmidbauer. Bitte schön. tarische Gepflogenheit, daß es Ministern nicht mög- lich ist, Abgeordnete mundtot zu machen. (Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Ich beantrage jetzt Schmerzensgeld, (Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ Frau Präsidentin!) CSU]: Das ist doch bei Ihnen gar nicht mög- lich!) (Nürnberg) (SPD): Meine Kol- Ich möchte als ersten Punkt meines Beitrags die Horst Schmidbauer leginnen und Kollegen! Ich will zu der Darstellung von Ihnen angesprochene Abwesenheit meiner Kol- von Herrn Seehofer folgendes anmerken: Erstens. legin thematisieren. Meine Kollegin Monika Knoche Wir haben im Parlament nach dem Arzneimittelskan- nimmt derzeit an einem fraktionsübergreifenden dal im Zusammenhang mit den Blutpräparaten und Treffen von Frauen in diesem Hohen Hause teil. Aids einstimmig eine beschlossen und Daran nimmt auch die Präsidentin des Parlaments Empfehlung sind damit den Empfehlungen des 3. Untersuchungs- teil. Es geht um eine Initiative mit dem Thema: ausschusses gefolgt. Daraus ergibt sich, denke ich, 50. Jahrestag des Grundgesetzes aus frauenpoliti- für den Minister die Verpflichtung - genauso wie wir scher Sicht. Sie hat in diesem Zielkonflikt so ent- sie als Parlamentarier haben -, diesen Empfehlungen schieden. Das kann man persönlich bewerten. Ich des Parlaments Rechnung zu tragen. bin der Auffassung, daß man das respektieren muß. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- Wenn ein Gesetzentwurf, den er vorlegt, diesen SES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der nicht annähernd entspricht, dann darf er nicht umge- PDS) kehrt der Opposition, die einen Gesetzentwurf vor- gelegt hat, der den Empfehlungen des Parlaments Ich wollte Ihnen eigentlich die Frage stellen, ob Ih- voll entspricht, den Vorwurf machen, sie hätte eine nen bekannt ist, daß sich Bündnis 90/Die Grünen ve- unzureichende Lösung für die Aufgabenstellung vor- hement für die Stärkung der besonderen Therapie- geschlagen. richtungen einsetzen. Zum zweiten. In dem Gespräch, das mit den Mi- (Dr. Dieter Thomae [F.D.P.]: Da lachen wir nistern stattfand, wurde von ihm auf mein Befragen uns tot!) hin ausdrücklich erklärt, daß beim Vorschlag der Regierung keine inhaltlichen Änderungen mehr Gerade in der Stellungnahme des Bundesrates zu der möglich sind. von Ihnen ausgearbeiteten 8. AMG-Novelle wurden Sie mit Änderungsanträgen des rotgrün regierten (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Hört! Landes Hessen im Bereich der besonderen Thera- Hört!) pierichtungen konfrontiert, in denen eine weitere Ausweitung der Zahl der zulässigen Medikamente Zum dritten darf ich feststellen, daß wir uns ge- gefordert wurde. stern im Gesundheitsausschuß bemüht haben, un- sere Kompromißbereitschaft an den Tag zu legen, Ich möchte an dieser Stelle des weiteren darauf weil es uns darum ging, auch in dieser Legislaturpe- hinweisen, daß Bündnis 90/Die Grünen öffentlich - riode eine Regelung zu finden. Wir haben ausdrück- das konnte man nachlesen, auch Sie, Herr Minister - lich dem Kompromißvorschlag des Kollegen Scheu für eine Positivliste eintreten, auch im Bereich der zugestimmt, dafür allerdings nicht die Mehrheit ge- besonderen Therapierichtungen. Es ist dabei von uns funden, die wir erwartet haben. Ich denke, man muß von vornherein thematisiert worden - das haben Sie die Dinge hier deutlich benennen: In Wirklichkeit ist hier festgestellt -, daß dann, wenn man nur eine kein Bestreben vorhanden, auf der inhaltlichen Seite Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22295

Horst Schmidbauer (Nürnberg) für Opfer eine Regelung zu finden, die ihren Proble- Herr Minister Seehofer, Sie waren einer von denje- men auch wirklich gerecht wird. nigen, die den Bau der Rehakliniken in den neuen Bundesländern favorisiert und gewollt haben, und Wir müssen aus mehreren Arzneimittelskandalen die dann durch das Gesetz für mehr Wachstum und endlich einmal Lehren ziehen. Wir haben zwei in der Beschäftigung genau diesen Kliniken das Aus ge- Republik erlebt. Ich möchte nicht den dritten erfah- setzt haben, im übrigen auch mit Bürgschaftsbeteili- ren, bei dem letztendlich der Staat eine sozialstaatli- gung des Wirtschaftsministeriums. che Regelung bezahlen muß, weil wir keine ordentli- che Individualhaftung im Lande geschaffen haben. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Außerdem darf ich feststellen, daß ich in meinem Beitrag mit keiner Silbe erwähnt habe, daß eine Ver- Zu Ihrer Aussage, daß die Deutschen jetzt zur Re- letzung oder eine Verunglimpfung der Ärzteschaft hamaßnahme in die Toskana und an die Algarve fah- oder des Pflegepersonals in diesem Lande stattgefun- ren: Lieber Herr Minister Seehofer, Ihnen müßte den hat. Ich habe auf Situationen aufmerksam ge- eigentlich bekannt sein, daß die Bezahler von Reha- macht, die der Minister selbst durch sein Ministe rium maßnahmen die Kranken- und Rentenversicherungs- publiziert hat. träger sind. Diese haben Qualitätsprogramme, die Kuraufenthalte im Ausland verbieten. Wir in Ich denke, es ist unsere Aufgabe im Parlament, zu- Deutschland haben nämlich ein hohes Qualitäts- mindest die Dinge offenzulegen, die der Minister niveau. Herr Minister Seehofer, ich hätte eigentlich selbst in eigenen Qualitätsstudien dargestellt hat. - erwartet, daß Sie das an dieser Stelle einmal sagen. Damit gehen keinerlei Verletzungen irgendeiner Be- (Beifall bei der SPD) rufsgruppe einher. Im Gegenteil: Ich denke, wir ha- ben alle Respekt vor dem, was in Deutschland im Ge- Tatsache ist aber, daß die von der Bundesregierung sundheitswesen geleistet wird. mutwillig und bewußt herbeigeführte Krise in den Heilbädern und Kurstätten fortschreitet. Mehr als (Beifall bei der SPD) 250 Kliniken haben ihre Tore bereits geschlossen. Die nächste Schließungswelle steht an. Vizepräsidentin Michaela Geiger: Herr Minister Die Sanatorien und die Kurkliniken verzeichnen Seehofer, möchten Sie antworten? fast ein Drittel weniger Übernachtungen. Ihre Bet- tenauslastung sank von 81,9 Prozent auf 57,9 Prozent. Horst Seehofer, Bundesminister für Gesundheit: Fragen Sie doch einmal die Rehaklinikbetreiber, ob Nein. sie mit dieser Auslastung das nächste Jahr noch überstehen können. Ich glaube, nicht. Bürgermeister, die sich nicht nur mit den menschli- Vizepräsidentin Michaela Geiger: Das ist nicht der Fall. Dann erteile ich jetzt der Abgeordneten Su- chen Schicksalen der Arbeitsplatzverluste in ihren sanne Kastner, SPD-Fraktion, das Wort. Gemeinden, sondern auch mit der Schließungswelle von Sanatorien und Kurkliniken auseinandersetzen müssen, erzählen uns, daß sie finanziell vor dem Aus Susanne Kastner (SPD): Frau Präsidentin! Liebe stehen. Sie sind Schlichtweg pleite und haben keine Kolleginnen und Kollegen! Gestern gab es eine große Möglichkeit, die notwendige Infrastruktur in ihren Konferenz des Deutschen Hotel- und Gaststättenver- Gemeinden aufrechtzuerhalten. Man kann in der bandes zur Situation im Kur- und Rehabereich sowie Hauptsaison durch die Kurorte laufen und muß mit über die Auswirkungen auf Rehakliniken, Hotels Entsetzen feststellen, daß viele Läden kurz vor der und Gaststätten. Schließung stehen oder schon geschlossen sind und daß viele Hotels nur noch zu 28 Prozent ausgelastet Herr Minister Seehofer, in diesem Zusammenhang sind - auch Sie wissen, daß ein Hotelbetrieb mit hätte ich mir gewünscht, daß von der Bundesregie- 28 Prozent Auslastung nicht möglich ist - und damit rung nicht immer nur der Wirtschaftsminister anwe- kurz vor dem Konkurs stehen. send ist, sondern daß sich vielleicht auch einmal der Gesundheitsminister darüber informiert, nicht nur (Ina Albowitz [F.D.P.]: Werden die von den wie die Stimmung, sondern auch wie die Sachlage in Beitragszahlern bezahlt?) diesem Bereich ist. - Nein, die werden nicht von den Beitragszahlern be- Herr Minister Seehofer, ich muß Ihnen sagen: Das, zahlt, sondern von den Besuchern derer, die in den was Sie gerade erklärt haben, schien mir sehr dema- Rehakliniken sind, sehr geehrte Frau Kollegin Babel. gogisch. Sie haben von der Zunahme der Zahl der (Ina Albowitz [F.D.P.]: Wie? Babel? - Wolf Rehakuren gesprochen, in diesem Zusammenhang gang Zöller [CDU/CSU]: Frau Babel sitzt aber verschwiegen, daß es sich um Zahlen von 1991 gar nicht hier!) bis 1995 gehandelt hat. - Entschuldigung! (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Das hat er gerade gesagt!) Die Wirtschaftskraft in den Kur- und Heilbädern ist nachhaltig geschädigt. Besonders schwer wirkt - Jetzt lassen Sie mich doch einmal ausreden. - In sich die Krise auf dem Arbeitsmarkt in diesen struk- diesem Zusammenhang beinhaltet das natürlich turschwachen Gebieten aus. Durch die Kurpolitik der auch die Zahlen der neuen Bundesländer. Bundesregierung haben bereits mehr als 80 000 Men- 22296 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, tien 18. Juni 1998

Susanne Kastner schen ihren Arbeitsplatz verloren. Herr Minister See- das gesundheitlich verkraftet und wer die Kosten da- hofer, da muß man doch einmal eine Rechnung auf- für übernimmt. machen. Sie haben damals gemeinsam mit dem Mi- nisterium von Minister Blüm geplant, in diesem Be- Es gibt die Aussage eines F.D.P.-Abgeordneten, reich 3,2 Milliarden DM einzusparen. Wenn man den der folgendes gesagt hat: „Mit der notwendigen Re- Aussagen von Herrn Jagoda glauben kann, nach de- form des deutschen Kur- und Heilbäderwesens nen ein Arbeitsloser 40 000 DM kostet, dann wird die wurde über das Ziel hinausgeschossen. Diese Über- auf diese Weise eingesparte Summe durch die von reaktion wirkte sich als verhängnisvolle Vollbrem- Ihnen verursachte Arbeitslosigkeit jetzt aus der Ar- sung aus." Recht hat er, der Herr Feldmann, seine beitslosenversicherung finanziert. Ich möchte doch Aussage ist absolut zutreffend. Allerdings hat er einmal wissen, wo da das wunderbare Sparmodell diese Gesetze immer brav mit verabschiedet. der Bundesregierung ist. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE Das Chaos, das die Herren Blüm und Seehofer zu GRÜNEN und der PDS) verantworten haben und das Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition, mitgetragen haben, erin- Nun haben Sie uns heute einen druckfrischen An- nert mich fatal daran, wie schlecht Sie Politik machen trag vorgelegt. Sie weisen in diesem Antrag darauf und wie wenig Sie Politik im Dialog betreiben. Ich hin, daß die Situation auf die unverantwo rtliche Pa- glaube, es täte Ihnen einmal ganz gut, innezuhalten nikmache vor allem der SPD und der sie unterstüt- und darüber nachzudenken, wie die Situation in den zenden Organisationen zurückzuführen sei. deutschen Kur- und Heilbädern für die Patienten, für (Editha Limbach [CDU/CSU]: Ja, das trägt die Arbeitnehmer und für die Kommunen tatsächlich dazu bei!) ist. Wenn ich, Frau Kollegin Limbach, die Äußerungen (Vorsitz : Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch) der Bayerischen Staatsregierung und von CSU-Land- Ich glaube, eines muß man Ihnen erklären: Sie sa- tagsabgeordneten in den letzten Monaten betrachte, gen immer wieder, die Reduzierung von Kuren dann kann das für mich eigentlich nur heißen: Die würde zu Einsparungen führen. Es gibt aber Berech- Bayerische Staatsregierung ist nach Ihrer Auffassung nungen der BfA, die zeigen, daß Prävention und Re- also eine Unterstützerorganisation der SPD. Anders -habilitation zur Vermeidung von Berufsunfähigkeits kann ich mir das nicht erklären. und Erwerbsunfähigkeitsrenten führen. 1989 waren (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das dies immerhin 2,5 Milliarden DM. Die erfolgreich Re- haben wir schon immer befürchtet! - Wolf- habilitierten waren nach der Reha in der Lage, wei- gang Zöller [CDU/CSU]: Das hättet ihr wohl terhin Beiträge in Höhe von 2,4 Milliarden DM zu lei- gerne!) sten. Dem standen Reha-Ausgaben von 2,7 Milliar- den DM gegenüber. Wenn man halbwegs rechnen Noch schlimmer aber empfinde ich die Situation, kann, dann weiß man, daß durch eine vernünftige wenn man sieht, wie inzwischen mit den Patienten, und sinnvolle Rehabilitation allein die BfA im Jahr den rehabedürftigen Menschen, umgegangen wird, 1989 ein Plus von 2,2 Milliarden DM erzielt hat. weil der Kampf zwischen den privaten Rehakliniken und denen der Rentenversicherungen jetzt auch bei (Beifall bei Abgeordneten der SPD) der Anschlußheilbehandlung voll entbrannt ist. Herr Machen Sie also Schluß mit diesem Quatsch, immer Minister Seehofer, auch bei diesem Thema muß man wieder zu erzählen, daß die Rehabilitation, wenn einmal mit einer Legende aufräumen. Die Zahl der man sie ändern würde, wieder teurer würde. Sie Anschlußheilbehandlungen ist in der Vergangenheit rechnet sich. auch deshalb so gestiegen, weil viele Verantwortli- che die Leute nicht mehr in Rehamaßnahmen ge- Wir diskutieren heute einen Antrag, der dem Ge- steckt - deswegen sind die entsprechenden Zahlen sundheitsausschuß zwar schon lange vorliegt, den auch gesunken -, sondern gleich in Anschlußheilbe- Sie aber aus wahltaktischen Gründen nicht hatten handlungen geschickt haben, weil die für die Patien- einbringen wollen. Der Herr Kollege Feldmann hat ten preiswerter sind und die Rehakliniken gefüllt ha- gestern davon gesprochen, daß die heutige Debatte ben. eine Show-Veranstaltung werde. (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Sinnvoll!) (Uwe Hiksch [SPD]: Da hat er recht!) Vielleicht hat er damit die Regierungskoalition ge- Schließlich haben die meisten Rehakliniken eine meint. Ich bin fest davon überzeugt, daß die Doppelbehandlung in der Anschlußheilbehandlung Situa- tion für die lieben Kolleginnen und Kollegen von der und in der Rehabehandlung. Welche Blüten das CSU besonders fatal ist. Ich hätte sie heute einzeln treibt, wird an folgendem Beispiel deutlich: Ein An- schlußheilbehandlungs-, also ein Rehapatient wird in namentlich begrüßen können, weil so wenige da sind. Im Bayerischen Landtag werden in diesen Ta- eine private Rehaklinik überwiesen. Als er in dieser gen die Anträge der CSU-Abgeordneten Miller, Kob- privaten Klinik ankommt, erklärt ihm der Rentenver- ler, Kiesel und Neumeier, mit denen sich die CSU im sicherungträger, er könne nicht in dieser Klinik blei- Landtagswahlkampf von ihrem eigenen Bundesge- ben und müsse in eine rentenversicherungseigene sundheitsminister deutlich absetzt, diskutiert und si- Klinik überwiesen werden. Zwei Tage später fährt cherlich auch verabschiedet. dieser Patient in eine andere Kurstadt in eine LVA- Klinik, ohne daß sich jemand darum kümmert, wie er (Zuruf von der SPD: Hört! Hört!) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22297

Susanne Kastner Einer dieser Anträge lautet „Kurgewährung nach sollte Ihnen wieder einmal egal sein, wie die Arbeits- medizinischer Indikation". Warum wird im Bayeri- platzverluste in strukturschwachen Regionen aufge- schen Landtag dieser Antrag gestellt, wenn Sie sa- fangen werden können und wie die betroffenen mit- gen: Das ist längst möglich? Attestieren Sie Ihren telständischen Bet riebe über die Runden kommen, Kollegen im Bayerischen Landtag, daß sie die Ge- dann bleibt den Bürgerinnen und Bürgern nur die setze des Herrn Seehofer nicht beg riffen haben? Hoffnung - (Halo Saibold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das kann schon sein!) Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Sie müssen zum Schluß kommen. Unter anderem steht in diesem Antrag: Der Landtag wolle beschließen: Die Staatsregie- Susanne Kastner (SPD): - auf einen Regierungs- rung wird gebeten, auf der Bundesebene initiativ wechsel in Bonn am 27. September. Ich denke, auch zu werden mit dem Ziel, daß Frau Stamm wird sehr froh sein, wenn die Sozialde- mokraten in Bonn an der Regierung sind. 1. anstelle des bisher geltenden vierjährigen Wie- derholungsintervalls und der dreiwöchigen Re- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ gelkurdauer bei der Gewährung von Kuren in Zu- DIE GRÜNEN - Walter Hirche [F.D.P.]: So kunft ausschließlich auf die medizinisch notwen- viele Illusionen in einem Satz!) dige Indikation abgestellt wird und - 2. der Zuschuß zur ambulanten Badekur von bis- Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich gebe das her 15 DM je Tag auf 25 DM erhöht wird. Wort der Abgeordneten Editha Limbach. Heißt das denn nun, daß Sie Ihren bayerischen Kolle- Editha Limbach (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe gen nicht beigebracht haben, daß das alles schon Kolleginnen und Kollegen! Auf eines können Sie sich möglich ist? Oder heißt es umgekehrt, daß die bayeri- bestimmt verlassen, Frau Kastner: Die bayerische Mi- schen Kollegen vielleicht doch recht haben, Herr Mi- nisterin wird sich auf keinen Fall freuen, wenn Sie re- nister Seehofer, und eine medizinische Indikation im gieren würden. Aber da Sie ja nicht regieren werden, Augenblick noch nicht möglich ist? Ich glaube, daß wird diese Behauptung hinterher gar nicht zu über- letzteres der Fall ist. prüfen sein. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ein anderer Antrag der CSU lautet „Überforde- Bei der Diskussion über die Gesundheitspolitik rungsklausel für medizinische Reha" . Darin steht: heute im Deutschen Bundestag merken wir ganz Die Staatsregierung wird gebeten, über den Bun- deutlich, daß es bei den Meinungsverschiedenheiten desrat darauf hinzuwirken, daß die Zuzahlungen zwischen CDU/CSU und Rotgrün nicht so sehr bei medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen darum geht, wie man Organisationsformen effektiver und Müttergenesungskuren in die Überforde- macht oder welche Maßnahmen am vordringlichsten rungsklausel nach § 62 SGB V einbezogen wer- sind, sondern eigentlich darum, welche Rolle der den. Staat im Gesundheitswesen zu übernehmen hat. Außerdem wird die Förderung der ambulanten Bade- (Dr. Dieter Thomae [F.D.P.]: So ist es!) kur durch die Sozialkassen gefordert. Der SPD wirft Davon haben wir offensichtlich eine ganz andere man dagegen immer wieder vor, Regionalpolitik über Vorstellung, weil wir ein ganz anderes Menschenbild Sozialkassen zu betreiben. als Sie haben. Die zuständige bayerische Sozialministerin Stamm (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) läuft bereits seit Monaten durch die bayerischen Re- gionen und erklärt, daß sie eine Bundesratsinitiative Es ist wichtig, sich das einmal unvoreingenommen einbringt. Sie hat es bis heute nicht getan. Wir haben anzuschauen, damit es auch die Bürgerinnen und bereits im Ap ril unseren Antrag „Sofortmaßnahmen Bürger erkennen. gegen die Krise von Kur und Rehabilitation" einge- Wenn man Ihre Große Anfrage unvoreingenom- bracht und freuen uns natürlich, daß die Bayerische men liest, stolpert man über einen Satz, der ähnlich Staatsregierung jetzt gleiches forde rt. Wenn sich die erhellend ist wie Ihre Aussage, daß die soziale Kran- Kolleginnen und Kollegen der CSU heute einmal die kenversicherung Mühe machen, darüber nachzudenken, was in dieser Frage in Baye rn passiert, dann fällt es ihnen viel- (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Solida leicht nicht allzuschwer, die Hand auch für den SPD- rische!) Antrag zu heben. erhalten bleiben muß. Er heißt: Wir wollen Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen Die Patientinnen und Patienten müssen im Mit- von der CSU, heute mit unserem Antrag noch einmal telpunkt des Gesundheitswesens stehen. die Chance geben, die richtigen Einsichten Ihrer Bayerischen Staatsregierung und Ihrer Landtagskol- Freilich, für wen sonst bräuchten wir es? Sie sagen, legen auch in die Tat umzusetzen. Ein einfaches die Patientinnen und Patienten stehen im Mittel- Handheben an der richtigen Stelle reicht uns völlig punkt; wenn es aber um die Realisierung von Maß- aus. Sollten Sie jedoch wieder einmal kneifen und nahmen und um Entscheidungen geht, dann trauen 22298 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Editha Limbach Sie plötzlich den Bürgerinnen und Bürgern über- Wir wollen, daß auch in Zukunft derjenige, der eine haupt nichts zu. teure Dialyse oder einen teuren Herzschrittmacher braucht, diese Leistungen bekommt. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der F.D.P.) (Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Auch wenn er alt ist!) Sie trauen ihnen nicht zu, daß sie fähig sind, selbst- - Ganz richtig, unabhängig vom Alter oder vom verantwortlich zu handeln. Sie trauen den Selbstver- Geldbeutel. - Weil wir das wollen, müssen wir natür- waltungsgremien der Krankenkassen nicht zu, daß lich überlegen: Wie können wir das auch in Zukunft sie in der Lage sind, selbstverantwortlich zu handeln. erreichen? Sie trauen den Ärzten und anderen Leistungserbrin- gern nicht zu, zum Beispiel über die Selbstverwal- Es ist ganz unbestreitbar, daß wir uns eigentlich ei- tungsorgane der Ärzte selbstverantwortlich zu han- nig sind - das ist einer der wenigen Punkte, in denen deln. Sie trauen ihnen all das nicht zu, sondern mei- ich noch keine Widersprüche zwischen den einzel- nen, nur wenn der Staat die Aufgaben übernimmt, nen Rednern der SPD und uns feststellen konnte -, kann es richtig und gut sein. Das meinen wir nicht. daß höhere Lohnzusatzkosten für den Arbeitsmarkt und damit für das Beitragsaufkommen der sozialen (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Sicherungssysteme schädlich sind. Deshalb wollen wir eine Steigerung der Lohnzusatzkosten, zum Bei- Diese Meinung teilen wir deshalb nicht, weil die spiel in Form von Beitragserhöhungen, vermeiden. Geschichte gezeigt hat, daß überall da, wo so etwas versucht worden ist - zum Beispiel in sehr stark staat- Auf der einen Seite haben wir das Ziel, bestimmte lich regulierten Gesundheitssystemen, aber erst recht Leistungen allen Versicherten anzubieten. Auf der in sozialistischen Gesundheitssystemen -, die Patien- anderen Seite haben wir das gleichwe rtige Ziel, die tinnen und Patienten auf der Strecke geblieben sind. Lohnzusatzkosten nicht steigen zu lassen. Der Mi- Im Gegensatz zu uns versuchen Sie, den Bürgern nister hat ausgeführt, wie gut es uns gelungen ist, die durch von Ihnen geschürte Ängste oder durch Argu- Beitragssatzstabilität zu halten. Wenn man aber diese mente, die nichts mit der Wahrheit zu tun haben, ein- beiden Ziele erreichen will, dann muß man fragen: zureden, es gehe bei der Politik dieser Bundesregie- Wo kommt das Geld her? Sie haben auf Wirtschaft- rung und der sie tragenden Koalitionsparteien lichkeitsreserven hingewiesen. Ich erinnere mich damm, Leistungsausgrenzung und Zwei-Klassen- noch an Zeiten, als uns beim Versuch, Wirtschaftlich- Medizin zu betreiben. Sie bauen da doch einen Po- keitsreserven zu mobilisieren, vorgeworfen wurde, panz auf! wir würden das Gesundheitssystem ausquetschen, uns totsparen und - so wurde weiter gesagt - das (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) ganze System kaputtsparen. Entscheidungen müssen gefällt werden. Ich halte Zwei-Klassen-Medizin gibt es bei uns nicht. Sie es für richtig und ehrlich, den Menschen zu sagen, wissen genausogut wie ich und wie die anderen hier welche Lösungen machbar sind. Sie diffamieren die im Saal, daß allein schon nach dem Sozialgesetzbuch notwendigen Maßnahmen als Abzockerei oder Ab- die Versorgung dem aktuellen Stand des ärztlich-me- kassiererei. Ich kann Ihnen dazu nur sagen: Ich finde dizinischen Wissens entsprechen und den Menschen, es verantwortungsvoller und auch richtiger, den die gesetzlich krankenversichert sind, ohne Ansehen Menschen folgendes zu sagen: Weil wir auf der einen von Alter, Geschlecht und Herkunft zur Verfügung Seite eine demographisch schwierige Situation und gestellt werden muß. Über 90 Prozent der Menschen auf der anderen Seite - erfreulicherweise - Fo rt in der Bundesrepublik Deutschland sind in diesem -schritte in der Medizin haben, die aber Geld kosten System krankenversichert. Sie wissen ganz genau, und allen zur Verfügung stehen sollen, muß man bei daß die medizinische Versorgung fest geregelt ist. den Leistungen, bei denen es zumutbar und sozial Über diesen Punkt gibt es eigentlich keinen Streit. verträglich ist, über den Beitrag hinaus eine Eigenlei- Ich frage mich nur: Warum reden Sie den Menschen stung verlangen. ein, daß es bezüglich der medizinischen Versorgung Meinungsverschiedenheiten gibt? (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Das halte ich für besser als das, was Sie machen: (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Herr Schmidbauer erklärt vor den Apothekern, es gebe kein Einkaufsmodell. Aber Herr Dreßler sagt, Man kann im Gegenteil feststellen: In den Staaten, es gebe eins. Herr Müntefering sagt vor dem passen- in denen es Budgetierungen und weitere Reglemen- den Publikum, nämlich den privaten Krankenversi- tierungen gibt, kommt man immer an eine Grenze cherungen, die Beitragsbemessungsgrenze werde des Systems, an der gefragt werden muß: Muß aus- nicht angehoben. Aber von anderen prominenten gegrenzt werden? Vertretern der SPD hört man, daß sie für eine Anhe- bung sind. (Dr. Dieter Thomae [F.D.P.]: So ist es!) Ich finde es besser, wir sagen den Menschen ehr- Wir wollen eben nicht ausgrenzen. lich, wofür wir sind und welche Maßnahmen wir durchführen wollen. Wir müssen leider Selbstbeteili- (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Das ist der gungen verlangen. Der Minister hat vorhin schon entscheidende Unterschied!) darauf hingewiesen - aber ich will es wiederholen, Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22299 Editha Limbach weil Sie es offenbar nicht glauben wollen -, daß wir antwortung der Menschen, auf die die Demokratie diese Selbstbeteiligungen sozialverträglich gestalten. auch im Gesundheitswesen nicht verzichten kann. Wenn über 20 Millionen Versicherte, also 30 Prozent der Versicherten - - (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) (Klaus Kirschner [SPD]: Darunter sind auch Kinder!) Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Frau Kollegin Limbach, Sie setzen den Reigen der Abgeordneten - Selbstverständlich sind auch Kinder darunter. Sind fort, die hier ihre letzte Rede halten und am Ende die- die denn nicht versichert? ser Legislaturpe riode aus dem Bundestag ausschei- (Weiterer Zuruf des Abg. Klaus Kirschner den, dem Sie seit 1987 angehören. Man muß dazu sa- [SPD]) gen, daß Sie eigentlich eine im Pulverdampf ergraute Kommunalpolitikerin sind; denn von 1975 bis 1990 - Lieber Herr Kirschner, vergessen Sie bitte nicht: waren Sie im Rat der Stadt Bonn - was sich viele auf Die Kinder, die natürlich nichts zuzahlen - das ist Grund Ihrer Aktivitäten denken können -, wo Sie auch richtig so; das war unser Wille -, zahlen keinen auch stellvertretende Fraktionsvorsitzende waren. Beitrag. Sie sind nämlich bei ihren Eltern mitversi- Sie haben sich durch Ihre engagierte Arbeit auf vie- chert. Diese Tatsache müssen Sie in Ihre Rechnungen len Gebieten die Achtung aller Fraktionen erworben. einbeziehen. Sie sagen doch immer, die Maßnahmen Ich möchte Ihnen für Ihre parlamentarische Arbeit seien unsozial. Nein, diese Maßnahmen sind sozial! den Dank des Hauses aussprechen. Auch Geringverdiener sind ausgenommen. Uns wurde gerade vom Gericht bestätigt, daß dieses Zu- (Beifall im ganzen Hause) zahlungssystem sozial verträglich ist. Damit gebe ich das Wo rt dem Abgeordneten Natürlich sind Zuzahlungen nicht erfreulich. Mei- Dr. Rolf Olderog. nen Sie, wir hätten Spaß daran, diese zu beschließen? Wir würden lieber sagen: Hört zu, liebe Wähler und Wählerinnen, ihr bekommt alles, und zwar umsonst. Dr. Rolf Olderog (CDU/CSU): Herr Präsident! Allerdings muß ich eines sagen: Das würden uns die Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kol- Wählerinnen und Wähler genausowenig glauben, leginnen und Kollegen! Vielleicht am Schluß noch wie sie Ihnen glauben, daß Sie alles besser machen, einige Anmerkungen aus meiner Sicht als Touris- aber alles weniger kostet. Das geht nämlich nicht; muspolitiker. Auch ich hätte es lieber gesehen - ich das liegt weit neben dem Möglichen. bekenne mich schuldig -, wenn wir den Stopp nicht so abrupt und plötzlich vorgenommen hätten, son- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) dern ein bißchen Zeit zur Anpassung gewährt hätten. Nun gut, es ist anders gewesen. Wir haben es heute Ich möchte noch etwas dazu sagen, daß es gele- mit Überkapazitäten zu tun. Für mich als Touris- gentlich auch konstruktive Zusammenarbeit über muspolitiker ist die Frage: Gibt es Möglichkeiten, Parteigrenzen hinweg gibt. Ich habe zwar bedauert, diese Potentiale für Selbstzahler zu nutzen und damit daß das nur manchmal möglich ist, aber heute haben Arbeitsplätze zu erhalten oder wiederzugewinnen? wir einen solchen erfreulichen Fall, nämlich die Er- Meine Antwort ist: Ja. weiterung der Früherkennungsuntersuchungen um ein Hörscreening. Das war eine Initiative aus Ihren (Dr. Dieter Thomae [F.D.P.]: Ja!) Reihen, Frau Steen; ich will das gar nicht verschwei- gen. Aber wir sind im Gesundheitsausschuß zu ei- Wir können den Verantwortlichen Mut machen. Es nem gemeinsamen Antrag gekommen, den wir auch gibt sicher keine Patentrezepte, aber es gibt für Klini- gemeinsam beschließen können. Dies ist etwas, was ken und Hotels durchaus alternative Angebote für Familien mit Kindern, speziell den Kindern, zugute Selbstzahler. kommt. Wir hoffen, daß die Modellversuche dazu führen, daß das bald ein normaler Bestandteil der Daß das so ist, haben wir gerade auf der jüngsten Früherkennungsuntersuchungen sein wird. Tagung des Deutschen Hotel- und Gaststättenver- bandes in Bad Breisig vorgeführt bekommen. Do rt (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. gab es eine Reihe von Einzelbeispielen, die uns vor- sowie bei Abgeordneten der SPD) gestellt worden sind und die das belegt haben. Da geht es um kombinierte Angebote, gemeinsam er- Ich bin ganz sicher: Auch im kommenden Bundes- stellt von Kliniken und Hotels. Da geht es insbeson- tag werden gesundheitspolitische Themen kontro- dere auch um die Angebote der Deutschen Zentrale vers diskutiert werden, und es werden notwendige für Tourismus, die jetzt im Rahmen gesundheitsorien- Entscheidungen getroffen werden müssen. Ich wün- tierter Angebote im Ausland vermarktet werden, und sche mir zugunsten der Versicherten, zugunsten der es geht um vereinzelte Angebote für privat bezahlte Patientinnen und Patienten sowie zugunsten der Bei- stationäre Kuren. tragszahler insgesamt, daß wir auch in Zukunft nach den gerechten Grundprinzipien der Krankenversi- Ich möchte darauf hinweisen, daß es bei den so- cherung vorgehen. Sie beinhalten Solidarität, aber eben genannten Angeboten um medizinisch sub- auch Subsidiarität sowie ein ausgewogenes Verhält- stantielle Angebote geht, aber nicht um verdeckte nis zwischen den notwendigen staatlichen Rahmen- Hotelangebote durch Kliniken. Die gibt es leider regelungen, die der Fürsorgepflicht des Staates auch. Daß solche Angebote unter Preis gemacht wer- Rechnung tragen, und der erforderlichen Eigenver- den, wird vom Gastgewerbe in Deutschland zu Recht 22300 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Dr. Rolf Olderog als Ärgernis empfunden. Das ist nicht in Ordnung; klinische Rehabilitation bezieht, und daß wir do rt vor das ist nicht zulässig. ganz schweren Problemen stehen, da in unserem Fall das, was Sie soeben geschildert haben, gar nicht zu- (Beifall der Abg. Brunhilde Irber [SPD]) trifft? Welche Empfehlungen geben Sie der Klinik Für die Kliniken gibt es eine Reihe von gesetzlichen Mühlenberg in Malente, die zwar eine Nachsorgekli- Sonderregelungen. Sie brauchen keine Verbrauch- nik, aber auch eine Klinik mit einem weit umfangrei- steuer zu zahlen. Sie erhalten besondere Zuschüsse cheren medizinischen Angebot ist, in bezug auf eine und Subventionen im Rahmen ihrer Investitionen. Umstrukturierung, um zum Beispiel eine Art Hotel- Ich kann verstehen, daß sich das Hotel- und Gaststät- betrieb zu werden? 160 Arbeitsplätze stehen do rt auf tengewerbe mit dieser Wettbewerbsverzerrung nicht dem Spiel. Sie wissen ganz genau, daß es do rt Be- abfinden will. triebsschließungen geben wird. Halten Sie das von Ihnen soeben Geschilderte wirklich für ein adäquate- Nun zu den erwünschten Selbstzahlerangeboten. res Angebot als das, was wir in unserem Antrag for- Es gibt in Deutschland eine bemerkenswe rte Bereit- dern, nämlich wieder zu Prävention und Rehabilita- schaft, in eigener Verantwortung etwas für die Ge- tion zurückzukehren? sundheit zu tun und dafür auch selbst zu zahlen. Das Kieler Institut für Tourismus- und Bäderforschung in Nordeuropa hat dies untersucht. Befragt wurden In- Dr. Rolf Olderog (CDU/CSU): Ich behaupte nicht, teressenten für eine der üblichen Kuren in Deutsch- Frau Steen, daß jede Klinik in ein Hotel umgewan- land. Von diesen haben 18 Prozent, also fast jeder delt werden sollte. Ich sage auch nicht, daß es eine Fünfte, bekundet, daß sie notfalls bereit wären, ihre Patentlösung gibt. Gerade im Rahmen der Dehoga- Kur auch selbst zu bezahlen. Das finde ich sehr be- Tagung haben wir erlebt, daß es auf Kreativität an- merkenswert. Das sollten wir uns merken. Das sind kommt. Uns wurden ganz erstaunliche Beispiele ge- seriöse Zahlen. schildert. Es gibt vergleichbare Kliniken, die inzwi- schen auch Selbstzahler aufgenommen haben. Aber (Horst Kubatschka [SPD]: 80 Prozent kön- ich räume ein: Für jede Klinik bietet sich das nicht nen sie sich nicht leisten!) an, ist das nicht die geeignete Antwort auf die jetzige - Jetzt geht es um die Frage: Wie lösen wir das Pro- Entwicklung. blem der leerstehenden Kapazitäten? Aber ich finde, es ist wichtig, jetzt nicht zu resi- (Peter Dreßen [SPD]: Die sind schon gnieren, sondern den Leuten Mut zu machen, kreativ nach Lösungen zu suchen. Das war gestern die ent- geschlossen!) scheidende Parole auf der Dehoga-Fachtagung. Am Also, es gibt diese Bereitschaft tatsächlich. Viele Vormittag dieser Tagung hat nicht ein einziger der Kliniken haben sich Gedanken gemacht, wie sie Diskussionsteilnehmer die Forderung erhoben, wir Selbstzahlerangebote entwickeln können. Vieles ist sollten zu der alten Regelung zurückkehren. im Fluß. Wichtig ist, daß man den Verantwortlichen in den Kliniken sagt, daß die Angebote ein Stück at- Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Herr Kollege traktiver sein müssen als das, was man normaler- Olderog, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kolle- weise als Patient im Krankenhaus erlebt. Man will gin Kastner? Gast sein; man will sich als Gast aufgenommen und behandelt fühlen, und zwar wie in einem Hotel und nicht wie in einem Krankenhaus. Gefühle der Le- Dr. Rolf Olderog (CDU/CSU): Ja, gerne. bensfreude, der Vitalität und der menschlichen Kon- taktbereitschaft sollten angesprochen werden. Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Bitte schön, Vielleicht wäre es sinnvoll, wenn sich Fachleute Frau Kollegin. aus dem Bereich Touristik und aus den Bereichen Medizin und Sport einmal zusammensetzten und Susanne Kastner (SPD): Herr Kollege Olderog, darüber sprächen, wie gemeinsam Angebote erarbei- sind Sie bereit, den Kolleginnen und Kollegen hier tet werden können, die vielleicht noch ein Stück bes- im Hohen Hause, besonders dem Kollegen Singham- ser sind als das, was gegenwärtig auf dem Markt ist. mer, einmal zu sagen, welche finanziellen Anstren- gungen diese Bundesregierung unternimmt, um die von Ihnen so gepriesene Marketing-Umstrukturie- Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Herr Kollege Olderog, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kolle- rung zu bewältigen? Sind Sie auch bereit, zu sagen, gin Steen? daß die Bundesregierung weder im Wirtschaftsetat noch in anderen Etats eine müde Mark dafür zur Ver- fügung stellt, sondern dies der Deutschen Zentrale Dr. Rolf Olderog (CDU/CSU): Ja, gerne. für Tourismus, dem Deutschen Bäderverband und den Kurstädten aufhalst, die dann ja doppelt bezah- Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Frau Kollegin, len? bitte sehr. Dr. Rolf Olderog (CDU/CSU): Wir stellen der Deut- Antje-Marie Steen (SPD): Herr Dr. Olderog, würden schen Zentrale für Tourismus einen Betrag von über Sie mir zugestehen, daß wir in Ostholstein - wir 35 Millionen DM zur Verfügung, damit sie deutsche beide vertreten ja diesen Wahlkreis - ein ganz ande- touristische Angebote im Ausland vermarktet. Im res Angebot haben, nämlich eines, das sich auf eine Rahmen dieses hohen Millionenbetrages wird auch Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22301

Dr. Rolf Olderog der angesprochene Bereich finanziert. Ich würde Herzlichen Dank. mich allerdings freuen - wir bemühen uns ja gemein- sam darum -, wenn für diese spezielle Aufgabe noch (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) zusätzlich Geld zur Verfügung gestellt würde. Dafür treten wir nachdrücklich ein. Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Damit schließe ich die Aussprache. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir kommen zu den Abstimmungen und Überwei- Ich möchte Ihnen nur sagen, daß die DZT do rt ein sungen, die in großer Zahl vor uns stehen. sehr interessantes Angebot auf die Beine gestellt hat. Sie hat es tatsächlich geschafft, Kliniken und Hotels Wir beginnen mit der Abstimmung über die Be- zusammenzuführen, die nun gemeinsam Angebots- schlußempfehlung des Ausschusses für Gesundheit pakete schnüren. Ich freue mich darüber, daß diese zu dem Antrag der Fraktion der SPD zu Rehabilita- Angebote im Ausland offensichtlich auf große Auf- tion, Prävention und Kuren, Drucksache 13/9494 merksamkeit und auf großes Interesse gestoßen sind. Nr. I. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Druck- Für uns kommt es jetzt darauf an, einen entscheiden- sache 13/7174 abzulehnen. Wer der Beschlußemp- den weiteren Schritt zu machen, nämlich diese Ange- fehlung des Ausschusses zustimmt, den bitte ich um bote auch in Deutschland zu vermarkten und hierauf das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthal- einen Schwerpunkt der Vermarktung zu setzen. Da- tungen? - Dann stelle ich fest, daß die Beschlußemp- mit würden wir den Betroffenen einen noch größeren - fehlung des Ausschusses mit den Stimmen der Koali- Dienst erweisen. tion gegen die Stimmen des Hauses im übrigen an- genommen worden ist. Meine Damen und Herren, viele Hotels sind betrof- (Horst Schmidbauer [Nürnberg] [SPD]: Pyr fen, insbesondere die Hotels, in denen Gäste ge- rhussieg!) wohnt haben, die ambulante Kuren in Anspruch ge- nommen haben, oder in denen Angehörige bei Besu- Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluß- chen oder dann übernachtet haben, wenn sie ihre empfehlung des Ausschusses für Gesundheit unter kurenden Verwandten begleitet haben. Auf der an- Nr. II auf Drucksache 13/9494. Wer der Beschluß- gesprochenen Tagung in Bad Breisig habe ich erfreu- empfehlung des Gesundheitsausschusses zustimmen licherweise feststellen können, daß die Herausforde- möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegen- rung für diese Hotels eher leichter zu bewältigen ist. probe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, Wir haben eine Reihe von Beispielen vor Augen ge- daß die Beschlußempfehlung mit der gleichen Mehr- führt bekommen, die ich so ermutigend fand, daß heit angenommen worden ist. man eigentlich allen nur zuraten kann, sich auch auf dieses Feld zu begeben und kreative Angebote zu Dann kommen wir zur Abstimmung über den An- entwickeln. Es gibt, liebe Frau Kastner, durchaus trag der Fraktion der SPD zu Sofortmaßnahmen ge- auch Chancen für kleine und mittlere Hotels. Ihnen gen die Krise von Kur und Rehabilitation, Drucksa- ist zu empfehlen, daß sie sich zu Kooperationen zu- che 13/10561. Wer dem Antrag der Fraktion der SPD sammenschließen und ihre Angebote gemeinsam zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - vermarkten. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß der Antrag mit den Stimmen der Koalition Meine Damen und Herren, ich bin sicher, daß es gegen die Stimmen des Hauses im übrigen abge- bei Reha und Kuren kein Zurück zu der alten Rege- lehnt worden ist. lung geben wird. Ich erinnere mich daran - Frau Interfraktionell wird die Überweisung des Antra- Kastner, vielleicht darf ich auch das noch einmal sa- ges der Gruppe der PDS zur Abschaffung des „Not- gen -, daß Herr Lafontaine gesagt hat, als er vor zwei opfers Krankenhaus" auf Drucksache 13/9386 an die Jahren gefragt wurde, wo er sparen wolle: Bei den in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vor- Kuren sollen wir sparen. Das war am 3. Mai 1996 in geschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Ich sehe einer dpa-Meldung und am 8. Mai 1996 in der und höre keinen Widerspruch. Dann ist die Überwei- „Bild"-Zeitung zu lesen. sung so beschlossen. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Herr Kollege Fraktion der SPD zu einem Nationalen Aktionsplan Olderog, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Diabetes auf Drucksache 13/10822. Wer dem Antrag der Fraktion der SPD zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? Dr. Rolf Olderog (CDU/CSU): Herr Präsident, ich - Ich stelle fest, daß der Antrag mit den Stimmen komme zum Schluß. der Koalition bei Stimmenthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen des Hau- Auch im Bereich Reha und Kuren kommen wir ses im übrigen abgelehnt worden ist. nicht umhin, an den gesundheitsorientierten Bürger zu appellieren, in finanzieller Eigenverantwortung Dann kommen wir zur Abstimmung über den von etwas für seine Gesundheit zu tun. Wir appellieren der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf an die Verantwortlichen in den Kliniken und in den zur Änderung des Arzneimittelgesetzes; Drucksa- betroffenen Hotels, mit attraktiven Angeboten für chen 13/9996, 13/10122 und 13/11020. Ich bitte dieje- Selbstzahler, um gesundheitsorientierte Bürger in nigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfas- Deutschland und im Ausland zu werben. sung mit der von den Berichterstattern vorgetrage- 22302 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch nen Berichtigung zustimmen wollen, um das Hand- wiesen worden, sondern auch den anderen genann- zeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich ten Ausschüssen zur Mitberatung. stelle fest, daß der Gesetzentwurf in zweiter Bera- tung mit den Stimmen der Koalition gegen die Stim- Üblicherweise wird es der letztlichen Entschei- men der Gruppe der PDS bei Stimmenthaltungen des dung des federführenden Ausschusses überlassen, Hauses im übrigen angenommen worden ist. ob bei einem zwischenzeitlichen Draufsatteln weite- rer Artikelgesetze andere Ausschüsse beteiligt wer- Damit treten wir ein in die den. Üblicherweise gilt diese Verfahrensweise für Änderungen, Ergänzungen und Hinzufügungen, die dritte Beratung in einem sachlichen Zusammenhang mit dem ur- und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die sprünglichen Gesetzentwurf stehen. dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erhe- ben. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann Die vorliegende Beschlußempfehlung entspricht stelle ich fest, daß der Gesetzentwurf in dritter Le- diesem Usus jedoch nicht; denn in der Beschlußemp- sung mit demselben Stimmenverhältnis wie eben an- fehlung des Ausschusses selbst wird darauf hinge- genommen worden ist. wiesen, daß die Einfügungen, insbesondere die ge- nannten Art . 2 und 4, in keinem sachlichen Zusam- Dann kommen wir zur Abstimmung über den Ent- menhang mit dem behandelten Gesetzentwurf ste- schließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksa- hen. Ich zitiere aus der Beschlußempfehlung: che 13/11058. Wer dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zustimmen will, den bitte ich um Die ... in anderen Rechtsmaterien vorgenomme- das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltun- nen Änderungen stellten notwendige Anpassun- gen? - Ich stelle fest, daß der Entschließungsantrag gen an die jeweiligen Entwicklungen dar ... mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen des Hauses im übrigen abgelehnt worden ist. Der Ausschuß selbst sieht damit keinen sachlichen Zusammenhang. Die Änderung des Medizinproduk- Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie- tegesetzes wäre auch ohne diese Hinzufügungen ßungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen realisierbar. Der Ausschuß hat als einzige Begrün- auf Drucksache 13/11059. Wer diesem Entschlie- dung Zeitnot angeführt. In der Beschlußempfehlung ßungsantrag zustimmen will, den bitte ich um das heißt es weiter, daß eigentlich „Novellierungen der Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? jeweiligen Rechtsbereiche" vorgenommen werden - Dann stelle ich fest, daß dieser Entschließungsan- müßten, daß dies aber „aus zeitlichen Gründen" in trag mit den Stimmen der Koalition gegen die Stim- dieser Legislaturpe riode nicht mehr erfolgen könne. men des Hauses im übrigen abgelehnt worden ist. Deshalb habe der Ausschuß diese Änderungen ein- fach mitbeschlossen. Wir kommen zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Ein solches Draufsatteln aus rein zeitlichen Moti- Medizinproduktegesetzes; Drucksachen 13/10422, ven entspricht nicht dem Usus der Geschäftsord- 13/10868 und 13/11021. nung. Wir sollten uns dem schon verpflichtet fühlen. Frau Kollegin Dr. Höll, Sie wollen dazu einen An- Tatsächlich handelt es sich um relativ weitreichende trag zur Geschäftsordnung stellen? - Bitte schön. Änderungen im arbeitsmarktpolitischen und rechts- staatlich-demokratischen Bereich, vor deren Be- schlußfassung ein Votum der Fachausschüsse unab- Dr. Barbara Höll (PDS): Danke, Herr Präsident! Ich dingbar ist. möchte hiermit nach § 82 Abs. 3 der Geschäftsord- nung die Rücküberweisung der vom Präsidenten ge- Wir beantragen daher die Rücküberweisung an die nannten Drucksachen an die Ausschüsse beantra- bezeichneten Ausschüsse. Eine abschließende Bera- gen, und zwar zur Mitberatung an den Ausschuß für tung wäre dann immer noch in der nächsten Sit- Arbeit und Sozialordnung, den Innenausschuß und zungswoche möglich. den Rechtsausschuß. Ich danke Ihnen. Ich begründe das wie folgt: In seiner gestrigen ab- schließenden Beratung hat der Ausschuß für Ge- (Beifall bei der PDS) sundheit eine Reihe von Änderungen zu dem Gesetz- entwurf beschlossen. Insbesondere die neu eingefüg- ten Art. 2 - Änderung des Bundessozialhilfegesetzes Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Sie haben den - und Art. 4 - Änderung des Zehnten Buches Sozial- Geschäftsordnungsantrag auf Rücküberweisung ge- gesetzbuch, Verwaltungsverfahren - berühren die hört. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das ist er- fachliche Zuständigkeit der von mir genannten Aus- kennbar nicht der Fall. schüsse, die aber nicht mehr mitberatend beteiligt Dann treten wir in die Abstimmung ein. Wer dem wurden. Rücküberweisungsantrag der Gruppe der PDS zu- Entsprechend den Gepflogenheiten bei der Über- stimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - weisung von Anträgen und Gesetzentwürfen in die- Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, sem Hause wäre der vorliegende Gesetzentwurf, daß der Antrag gegen die Stimmen der Gruppe der hätte er bei der ersten Lesung die gestern noch ein- PDS bei Stimmenthaltung der Fraktion Bündnis 90/ gefügten Änderungen bereits enthalten, nicht zur al- Die Grünen mit den Stimmen der übrigen Mitglieder leinigen Beratung dem Gesundheitsausschuß über- des Hauses abgelehnt worden ist. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22303

Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch Frau Dr. Höll, Sie haben das Wort. wird damit auch noch mit öffentlichen Zuschüssen honoriert. (Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Das, was Sie betreiben, ist Schikane! - Gegenruf von Die im Gesetzentwurf und in der Begründung vor- der PDS: Lesen Sie einmal die Geschäfts- gesehenen Einschränkungen - „ausnahmsweise", ordnung! - Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: „befristet" und „als Zwischenschritt mit dem Ziel ei- Die kenne ich besser als Sie!) ner umfassenderen Erwerbstätigkeit" - stellen in ih- rer Unbestimmtheit lediglich Kosmetik dar, mit der die Ausnahme zur Regel gemacht wird. Dr. Barbara Höll (PDS): Herr Präsident, ich danke Ihnen für die Worterteilung. Die Streichung des Art. 2, der zudem in keinem Herr Ramsauer, Sie sollten sich noch einmal der sachlichen Zusammenhang mit den Regelungsang- Geschäftsordnung und dann vielleicht meinen Wor- elegenheiten des Medizinproduktegesetzes steht, ten widmen. würde es auch uns möglich machen, dem eigentli- chen Gesetzentwurf zuzustimmen. Da Sie eben unseren Antrag auf Rücküberweisung abgelehnt haben, beantrage ich jetzt mündlich, aus Weil wir dem eigentlichen Gesetzentwurf zustim- der Beschlußempfehlung den A rt. 2 - Änderung des men wollen, möchte ich hier auch noch begründen, Bundessozialhilfegesetzes - zu streichen. warum wir beantragen, neben A rt . 2 auch Art. 4 der - Beschlußempfehlung, Änderung des Zehnten Sozial- (Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ gesetzbuches, zu streichen. CSU]: Das ist das Wichtigste!) (Zurufe von der CDU/CSU: Nein, nein!) Ich begründe das wie folgt: Ich habe das Gefühl, daß viele gar nicht wissen, Wir stimmen grundsätzlich darin überein, daß die worüber hier abgestimmt wird, und daß es nicht „ne- Gewährung von Lohnkostenzuschüssen ein sinnvol- benbei" ist. les Instrument sein kann, um Sozialhilfeberechtigte bei der Aufnahme einer sozialversicherungspflichti- (Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ gen oder selbständigen Beschäftigung zu unterstüt- CSU]: Das Vorlesen reicht doch jetzt! - Wei zen. Das ist aber bereits nach der geltenden Rechts- tere Zurufe von der CDU/CSU - Glocke des lage möglich. Tatsächlich sind es zwei Änderungen, Präsidenten) denen wir - zumindest ohne Beratung im für arbeits- marktpolitische Fragen zuständigen Ausschuß - nicht zustimmen können. Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Eine Sekunde, Frau Kollegin. Ich möchte Sie - ich meine das Haus - Erstens wird in Art . 2 statt der bisherigen Kann-Be- wirklich darauf aufmerksam machen, daß nach der stimmung eine Soll-Vorschrift eingeführt. Den Kom- Geschäftsordnung jeder Abgeordnete berechtigt ist, mumen wird eine - Zitat Beschlußempfehlung - in zweiter Lesung Änderungsanträge einzubringen „weitgehende Verbindlichkeit" auferlegt, aktiv för- und sie auch kurz zu begründen. Ich bitte, das zu re- dernd tätig zu werden. Wir halten diese Soll-Vor- spektieren. schrift für verfehlt, weil sie ein konkurrierendes Ne- beneinander von Arbeits- und Sozialämtern fördert (Zurufe von der CDU/CSU: Kurz, kurz! - und den Sozialhilfeträgern weitere arbeitsmarktpoli- Kurz zu begründen! - Dr. Peter Ramsauer tische Kompetenzen und Aufgaben überträgt, und [CDU/CSU]: Die Kollegin ergaunert sich zwar ohne daß eine verbindliche Kooperation mit Redezeit!) den Arbeitsämtern eingefordert wird und ohne daß den Kommunen für die zusätzlichen Aufgaben auch Frau Kollegin Dr. Höll, Sie haben das Wo rt. Bitte zusätzliche finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt schön. werden. Die Kommunen dürfen hier nicht zu Ersatz- akteuren für die Bundesregierung und nicht zu Er- satzarbeitsämtern für Arbeitslose zweiter Klasse ge- Dr. Barbara Höll (PDS): Danke. - Durch die Neuf as macht werden. sung von § 68 Satz 1 SGB X werden die Soziallei- stungsbehörden in umfassendem Maß zu Erfüllungs- Zweitens enthält die Neufassung eine Öffnungs- gehilfen der Strafverfolgungsbehörden gemacht. klausel, die es ermöglicht, von der Bindung der För- Völlig unspezifisch wird vorgeschrieben - ich zitiere derung an eine sozialversicherungspflichtige oder hier noch einmal -: „Zur Erfüllung von Aufgaben der selbständige Tätigkeit bef ristet abzusehen und auch Polizeibehörden, der Staatsanwaltschaften und Ge- einen Zuschuß bei der Aufnahme einer geringfügi- richte, der Behörden der Gefahrenabwehr, der gen Beschäftigung vorzusehen. Justizvollzugsanstalten ... " sei im einzelnen Fall die Weitergabe von persönlichen Daten, Anschriften und Wir halten es grundsätzlich und ordnungspolitisch Arbeitgebern zulässig. für verfehlt, mit öffentlichen Geldern 620- bzw. 520- DM-Jobs zu fördern, denn diese Förderung trägt nur Das betrifft bei der vorliegenden Formulierung alle dazu bei, daß die solidarische Grundlage sozialstaat- Aufgaben der Strafverfolgungsbehörden und alle licher Regelungen, das Solidar- und Beitragssystem, Aufgaben aller weiteren Behörden, die in irgendei- weiter ausgehöhlt und geschmälert wird. Die Flucht ner Weise etwas mit der Abwehr irgendeiner Gefahr aus der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zu tun haben. Praktisch bedeutet dies, daß die Sozial- 22304 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Dr. Barbara Höll leistungsbehörden hier wirklich zu Erfüllungsgehil- enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ge- fen gemacht werden, gen die Stimmen der Gruppe der PDS angenommen worden ist. (Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Das ist doch nicht wahr! Das ist Wir treten damit in die Unsinn!) dritte Beratung wobei den Verfolgungs- und Abwehrbehörden die Definitionsmacht darüber zukommt, zur Erfüllung und Schlußabstimmung ein. Ich bitte diejenigen, die welcher Aufgaben die Datenweitergabe - ein Tele- dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erhe- fonanruf usw. - erforderlich ist. ben. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß der Gesetzentwurf in dritter Le- In der Begründung der Beschlußempfehlung wird sung mit demselben Stimmenverhältnis angenom- populistisch auf den Straftäter abgestellt, der heute - men worden ist. Zitat - „auf Grund unterschiedlicher Auffassungen in der Praxis" darauf vertrauen könne, „daß die Polizei Dann kommen wir zur Abstimmung über den Ent- von dem Besuch" - auf dem Sozialamt - „nichts er- schließungsantrag der Fraktion der SPD auf der Drucksache 13/11060. Wer dem Entschließungsan- fährt". trag der Fraktion der SPD zustimmt, den bitte ich um Das ist natürlich an sich schon Unsinn; denn dann, das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltun- wenn die Praxis unterschiedlichen Auffassungen gen? - Dann stelle ich fest, daß der Entschließungs- folgt, also unterschiedlich ist, kann niemand auf eine antrag bei Stimmenthaltung der Fraktion Bündnis 90/ bestimmte Praxis vertrauen. Die Grünen und gegen die Stimmen der Fraktion der SPD abgelehnt worden ist. Es ist aber auch nicht einzusehen, warum das nicht hingenommen werden kann - Dann rufe ich die Abstimmung über den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Rückkehr zum Sachleistungsprinzip bei der Zahnbehandlung Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Frau Kollegin, auf; das ist die Drucksache 13/10949. Wer diesem ich muß Sie jetzt bitten, zum Schluß zu kommen. Antrag zustimmt, bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich Dr. Barbara Höll (PDS): - ja -, wie das in der Be- fest, daß der Antrag mit den Stimmen der Koalition schlußempfehlung ausgedrückt wird. gegen die Stimmen des Hauses im übrigen abge- lehnt worden ist. Wir verwahren uns dagegen, daß eine solche weit- reichende Übertragung von Daten an die Polizei und Dann rufe ich die Beschlußempfehlung des Aus- eine Zusammenarbeit möglich sind, ohne daß das schusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend diskutiert ist und ohne daß tatsächlich näher definie rt zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD ist, wie dies geregelt werden soll. zu der Großen Anfrage zur Situation der Demenz- kranken in der Bundesrepublik Deutschland, Druck- Aus diesem Grund beantrage ich hier auch die sache 13/10499 Nr. 1, auf. Der Ausschuß empfiehlt, Streichung des Art. 4. den Entschließungsantrag auf Drucksache 13/8723 Herr Präsident, ich danke Ihnen. abzulehnen. Wer der Beschlußempfehlung des Aus- schusses zustimmt, den bitte ich um das Handzei- (Beifall bei der PDS) chen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß die Beschlußempfehlung mit den Stimmen der Koalition bei Stimmenthaltung der Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Es sind zwei Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen Änderungsanträge gestellt worden. Wird dazu das des Hauses im übrigen angenommen worden ist. Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich nehme an, Frau Dr. Höll, daß Sie damit einverstanden sind, Dann rufe ich die Beschlußempfehlung des Fami- daß wir über die beiden Änderungsanträge gemein- lienausschusses zu dem Entschließungsantrag der sam abstimmen. - Dann stelle ich die beiden Ände- Gruppe der PDS zu der genannten Großen Anfrage rungsanträge gemeinsam zur Abstimmung. Wer den auf; das ist die Drucksache 13/10499 Nr. 2. Der Aus- Änderungsanträgen der Gruppe der PDS zustimmen schuß empfiehlt, den Entschließungsantrag auf will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegen- Drucksache 13/8719 abzulehnen. Wer der Beschluß- probe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, empfehlung des Ausschusses zustimmt, den bitte ich daß die Änderungsanträge abgelehnt worden sind um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthal- mit den Stimmen des Hauses bei Stimmenthaltung tungen? - Dann stelle ich fest, daß die Beschlußemp- der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stim- fehlung mit den Stimmen der Koalition und der Frak- men der Gruppe der PDS. tion der SPD bei Stimmenthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Dann kommen wir zur Abstimmung über den Ge- Gruppe der PDS angenommen worden ist. setzentwurf in der Ausschußfassung. Wer dem Ge- setzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen will, Dann rufe ich die Beschlußempfehlung des Aus- den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - schusses für Gesundheit zum Antrag der Fraktion der Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß der SPD zur Erweiterung des Katalogs der Früherken- Gesetzentwurf in zweiter Lesung mit den Stimmen nungs-Untersuchungen, Drucksache 13/11022, auf. der Koalition und der Fraktion der SPD bei Stimm- Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22305

Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch 13/1001 für erledigt zu erklären. Wer dieser Beschluß- real beschlossenen Änderung zum Mont- empfehlung zustimmt, den bitte ich um das Handzei- realer Protokoll vom 16. September 1987 chen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozon- stelle ich fest, daß die Beschlußempfehlung mit den schicht führen. Stimmen des Hauses angenommen worden ist. - Drucksache 13/10901 — Ich rufe eine weitere Empfehlung auf: Der Aus- Überweisungsvorschlag: schuß für Gesundheit empfiehlt in seiner Beschluß- Ausschuß für Umwelt, Naturschutz empfehlung auf Drucksache 13/11022 des weiteren und Reaktorsicherheit (federführend) die Annahme einer Entschließung. Wer dieser Be- Ausschuß für Verkehr Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, schlußempfehlung des Ausschusses für Gesundheit Technologie und Technikfolgenabschätzung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Ge- b) Erste Beratung des vom Bundesrat einge- genprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich brachten Entwurfs eines fest, daß auch diese Beschlußempfehlung einmütig Gesetzes zur steu- angenommen worden ist. erlichen Förderung von Wagniskapital - Drucksache 13/10990 — Zusatzpunkt 15: Abstimmung über den Antrag der Überweisungsvorschlag: Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. zur aktuellen Situation bei Kuren und Rehabilitationen; Drucksa- Finanzausschuß (federführend) Rechtsausschuß che 13/11066. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte - Ausschuß für Wirtschaft ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimment- Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung haltungen? - Dann stelle ich fest, daß der Antrag mit Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Tech- nologie und Technikfolgenabschätzung den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen des Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO Hauses im übrigen angenommen worden ist. Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen Ich rufe die Tagesordnungspunkte 22a bis c und an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse die Zusatzpunkte 9 a und b auf: zu überweisen. Sind Sie damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann sind diese Überweisungen im vereinfachten Verfahren Überweisungen so beschlossen. 22. a) Erste Beratung des von der Bundesregie- Wir kommen zu den Tagesordnungspunkten 23 a rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- bis z und 24 a bis q sowie zu den Zusatzpunkten 10 a zes zu dem Protokoll vom 30. Oktober 1997 bis 10c. Es handelt sich um die Beschlußfassungen zum Abkommen über die Zusammenarbeit zu Vorlagen, zu denen keine Aussprache vorgesehen und eine Zollunion zwischen der Europäi- ist. schen Wirtschaftsgemeinschaft und der Re- publik San Marino Herr Kollege Beck möchte als Berichterstatter zu den Punkten 23 d und 24 f das Wort nehmen. Ich - Drucksache 13/10737 — möchte das vor die Abstimmungen ziehen. Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Wirtschaft (federführend) Bitte, ich gebe Ihnen das Wo rt zur Berichterstat- Finanzausschuß tung. b) Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Än- Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): derung des Grunderwerbsteuergesetzes Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In aller - Drucksache 13/10989 — Kürze: Bei dem Punkt 23d geht es um einen Gesetz- entwurf unserer Fraktion zur Öffnung der Ehe für Überweisungsvorschlag: gleichgeschlechtliche Paare. Wir haben diesen Ge- Finanzausschuß setzentwurf mit zwei Zielsetzungen eingebracht: c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Gleichberechtigung für diese Bevölkerungsgruppe Dr. Angelica Schwall-Düren, Michael Mül- zu erreichen und massive Rechtsprobleme homose- ler (Düsseldorf), Wolfgang Behrendt, weite- xueller Lebensgemeinschaften endlich einer rechtli- rer Abgeordneter und der Fraktion der SPD chen Klärung zuzuführen. Das Flammschutzmittel Tri(2-chloräthyl) Die Mehrheit der Bevölkerung stimmt diesem Vor- phosphat aus dem Verkehr ziehen schlag inzwischen zu. Das haben wir auch im Aus- - Drucksache 13/10853 — schuß so erörtert. Der Bundesrat wird sich morgen Überweisungsvorschlag: ebenfalls mit diesen Fragen beschäftigen. Wir haben Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und eine Anhörung im Rechtsausschuß durchgeführt, in Reaktorsicherheit (federführend) der die Mehrheit der Sachverständigen unserer Auf- Ausschuß für Wirtschaft fassung zugestimmt hat, daß unser Vorschlag verfas- ZP9 Weitere Überweisungen im vereinfachten sungsrechtlich zulässig ist. Eine noch größere Mehr- Verfahren heit - eigentlich alle bis auf einen Sachverständigen - hat Handlungsbedarf bei diesem Thema ange- (Ergänzung zu TOP 22) mahnt. Damit ist deutlich, daß es um eine Frage des a) Erste Beratung des von der Bundesregie- politischen Willens und nicht des verfassungsrecht- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- lich Möglichen geht, wenn wir heute über diesen Ge- zes zu der am 17. September 1997 in Mont- setzentwurf beschließen. 22306 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Volker Beck (Köln) Beim Tagesordnungspunkt 24f haben wir es mit Die Bundesregierung hat auf die Große Anfrage mehreren Anträgen zu tun, die sich mit der Frage der über die europäische Rechtsentwicklung berichtet. Gleichberechtigung der Schwulen und Lesben in al- len gesellschaftlichen Bereichen und unter anderem mit der Unterrichtung über eine Entschließung des Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Herr Kollege, Europäischen Parlaments in dieser Frage, die 1994 ich mahne Sie noch einmal, sich an die Berichterstat- verabschiedet wurde, beschäftigen. tung zu halten. Es ist keine Debatte vorgesehen. Wenn Sie so fortfahren, muß ich Ihnen das Wo rt neh- In der Bundesrepublik Deutschland - das hat men. die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die (Beifall bei der CDU/CSU) Große Anfrage auch deutlich gemacht - ist diese Entschließung bis zum heutigen Tage ohne Konse- quenzen für die Politik, ohne Konsequenzen für Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): die Situation von Schwulen und Lesben in Ein letzter Satz, Herr Präsident. - Wir haben berichtet Deutschland geblieben. In anderen EU-Staaten hat bekommen, daß sich in den Niederlanden die einge- es mittlerweile umfangreiche Reformgesetzge- tragene Partnerschaft gesetzlich durchgesetzt hat. bungswerke gegeben, zum Beispiel in Schweden Die dortigen Koalitionspartner haben vor wenigen und in den Niederlanden, wo die eingetragene Wochen auch die Öffnung der Ehe beschlossen. Wir Partnerschaft eingeführt wurde, so daß do rt für hoffen, wir kommen auch in diesem Hause in diesem schwule und lesbische Lebensgemeinschaften fak- Punkt ein Stück weiter, vielleicht aber erst ab Sep- tisch das gleiche Recht mit dem Gang zum Stan- tember. desamt wie für Ehepaare gilt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die Oppositionsfraktionen und auch die Fraktion der F.D.P. haben im Ausschuß deutlich gemacht, daß Handlungsbedarf besteht, daß der Gesetzgeber hier Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Wenn Sie da- endlich tätig werden muß. Wir haben auch in Be- mit einverstanden sind, lasse ich über die Tagesord- richterstattergesprächen zwischen den Fraktionen nungspunkte, über die hier eben gesprochen worden versucht, unterhalb der Ebene der Gesetzesvor- ist, zuerst abstimmen. Dann haben wir den Sachzu- schläge unserer Fraktion für Einzelprobleme Lösun- sammenhang erhalten. gen zu finden: im Bereich der binationalen Pa rtner- schaften, wo es darum geht, daß das Aufenthalts- Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 23 d: recht für den ausländischen Lebenspartner möglich ist, und im Bereich des Mietrechtes, weil homosexu- Zweite und dritte Beratung des von den Abge- elle Lebensgemeinschaften noch nicht einmal den ordneten Volker Beck (Köln), Marieluise Beck gleichen rechtlichen Schutz wie nichteheliche hete- (Bremen), Matthias Berninger, weiteren Abge- rosexuelle Lebensgemeinschaften genießen. Leider ordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE war hier auf Grund der Blockadepolitik der CDU/ GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Ge- CSU kein Vorankommen möglich, obwohl die Oppo- setzes zur Einführung des Rechts auf Ehe- sitionsfraktionen bereit waren, von ihren weiterge- schließung für Personen gleichen Ge- henden Vorstellungen zugunsten einer kleineren Re- schlechts form abzugehen. - Drucksache 13/2728 - (Erste Beratung 131. Sitzung) Herr Kol- Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Beschlußempfehlung und Bericht des Rechts- lege, ich möchte Sie bitten, sich an die Berichter- ausschusses (6. Ausschuß) stattung zu halten und keinen Debattenbeitrag zu liefern. - Drucksache 13/10795 - Berichterstattung: Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Ich habe den Beratungsverlauf geschildert. Abgeordnete Dr. Diet rich Mahlo - Die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Margot von Renesse Grünen haben daraufhin im Ausschuß - hier bitte Volker Beck (Köln) ich die Kollegen der SPD noch einmal um Auf- Der Rechtsausschuß empfiehlt auf Drucksache 13/ merksamkeit - einen gemeinsamen Antrag ge- 10 795, den Gesetzentwurf abzulehnen. stellt, in dem wir die Kernpunkte der Entschlie- ßung des Europäischen Parlaments auf deutsche Ich lasse über den Gesetzentwurf der Fraktion Verhältnisse herunterdekliniert haben. Diesen An- Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 13/2728 ab- trag stellen wir heute unter Tagesordnungs- stimmen und bitte diejenigen, die dem Gesetzent- punkt 24 f noch einmal zur Abstimmung. Leider wurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Die hat die Fraktion der SPD ihn nicht unterzeichnet. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich Aber ich hoffe, daß sie dem Antrag, den wir im fest, daß der Gesetzentwurf in zweiter Lesung mit Ausschuß gemeinsam gestellt haben, die Zustim- den Stimmen der Koalition bei Stimmenthaltungen mung nicht verweigern wird und daß hier deutlich aus der Gruppe der PDS gegen die Stimmen des wird, wo Reformen, auch wenn sie nur noch von Hauses im übrigen abgelehnt worden ist. Damit ent- einer Minderheit im Hause getragen werden, fällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Be- möglich sind. ratung. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22307

Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch Ich rufe Tagesordnungspunkt 24 f auf: Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Beratung der Beschlußempfehlung und des Gleichberechtigung von Schwulen und Lesben, Berichts des Rechtsausschusses (6. Ausschuß) Drucksache 13/10522 Buchstabe b. Der Ausschuß - zu dem Entschließungsantrag der Abgeord- empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/1822 für er- neten Volker Beck (Köln), Rita Grießhaber, ledigt zu erklären. Wer der Beschlußempfehlung zu- Joseph Fischer (Frankfu rt), weiterer Abge- stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Ge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ genprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich DIE GRÜNEN zu der Großen Anfrage der fest, daß die Beschlußempfehlung mit den Stimmen Abgeordneten Volker Beck (Köln), Ma rie- der Koalition gegen die Stimmen der Fraktion luise Beck (Bremen), Matthias Berninger, Bündnis 90/Die Grünen bei Stimmenthaltung im weiterer Abgeordneter und der Fraktion übrigen angenommen worden ist. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses zur Bürgerrechtssituation von Schwulen und Unterrichtung durch das Europäische Parlament Lesben in der Bundesrepublik Deutschland über eine Entschließung zur Gleichberechtigung von im Vergleich mit der rechtspolitischen Ent- Schwulen und Lesben, Drucksachen 12/7069 und 13/ wicklung in den Nachbarländern 10 522 Buchstabe c. Der Ausschuß empfiehlt Kennt- - zu dem Antrag des Abgeordneten Volker nisnahme. Wer der Beschlußempfehlung zustimmt, Beck (Köln) und der Fraktion BÜNDNIS 90/ den bitte ich um das s Handzeichen. - Die Gegen- DIE GRÜNEN probe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß die Beschlußempfehlung einmütig angenommen Gleichberechtigung von Schwulen und worden ist. Lesben in der Bundesrepublik Deutschland - zu der Unterrichtung durch das Europäi- Wir fahren nun fo rt mit Tagesordnungspunkt 23 a: sche Parlament Abschließende Beratungen ohne Aussprache Entschließung zur Gleichberechtigung von Schwulen und Lesben in der EG Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur - Drucksachen 13/2719, 13/5456, 13/8062, Änderung des Bundeserziehungsgeldgesetzes 13/1822, 12/7069, 13/725 Nr. 33, 13/10522 - - Drucksache 13/7384 - Berichterstattung: (Erste Beratung 172. Sitzung) Abgeordnete Horst Eylmann Dr. Dietrich Mahlo Beschlußempfehlung und Bericht des Aus- Margot von Renesse schusses für Familie, Senioren, Frauen und Ju- Volker Beck (Köln) gend (13. Ausschuß) Jörg van Essen - Drucksache 13/10 611 - Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses zu Berichterstattung: dem Entschließungsantrag der Fraktion BÜND- Abgeordnete Maria Eichhorn NIS 90/DIE GRÜNEN zu der Großen Anfrage zur Rita Grießhaber Bürgerrechtssituation von Schwulen und Lesben, Heidemarie Lüth Drucksache 13/10522 Buchstabe a. Hildegard Wester Der Rechtsausschuß empfiehlt, den Entschlie- ßungsantrag auf Drucksache 13/8062 abzulehnen. Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Der Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend empfiehlt Dazu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion auf Drucksache 13/10 611 unter Nr. 1, den Gesetzent- Bündnis 90/Die Grünen vor, über den wir zuerst ab- wurf abzulehnen. stimmen. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 13/10958 zu- Ich lasse über den Gesetzentwurf des Bundesrates stimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - auf Drucksache 13/7384 abstimmen. Ich bitte diejeni- Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann gen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um stelle ich fest, daß der Änderungsantrag mit den das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthal- Stimmen der Koalition gegen die Stimmen des Hau- tungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung ses im übrigen abgelehnt worden ist. mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Stimm- enthaltung des Hauses im übrigen abgelehnt. Damit Wir kommen nun zur Abstimmung über die Be- entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere schlußempfehlung des Rechtsausschusses in der vor- Beratung. gelegten Form. Wer der Beschlußempfehlung, den Antrag abzulehnen, zustimmt, den bitte ich um das Tagesordnungspunkt 23b: Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß die Beschlußempfehlung Beratung der Beschlußempfehlung und des des Rechtsausschusses mit den Stimmen der Koali- Berichts des Ausschusses für Familie, Senio- tion bei zwei Stimmenthaltungen der Fraktion der ren, Frauen und Jugend (13. Ausschuß) F.D.P. gegen die Stimmen des Hauses im übrigen an- - zu dem Antrag der Abgeordneten Hil- genommen worden ist. degard Wester, Ch ristel Hanewinckel, 22308 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Vizepräsident Hans-Ulrich Klose Hermann Bachmaier, weiterer Abgeordne- 13/7206 und 13/10611 Nr. 4. Der Ausschuß empfiehlt ter und der Fraktion der SPD Kenntnisnahme. Wer stimmt für diese Beschlußemp- Elterngeld und Elternurlaub für Mütter fehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Be- und Väter schlußempfehlung ist einstimmig, so scheint mir, an- genommen. - zu dem Antrag der Abgeordneten Rita Grießhaber und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Tagesordnungspunkt 23 c: Mehr Zeit und Geld für Kinder Beratung des Antrags der Abgeordneten Hil- - zu dem Antrag der Abgeordneten Rita degard Wester, Anni Brandt-Elsweier, Hans Grießhaber, Marieluise Beck (Bremen), Büttner (Ingolstadt), weiterer Abgeordneter Matthias Berninger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Vorlage eines Berichts zur wirtschaftlichen NEN Situation junger Familien unter besonderer Elternurlaub als Zeitkonto gestalten Berücksichtigung des Erziehungsgeldes und - zu der Unterrichtung durch die Bundesre- des Erziehungsurlaubs gierung - Drucksache 13/10 560 - Bericht der Bundesregierung zu der Frage Wer stimmt für diesen Antrag? - Die Gegenprobe! einer Inanspruchnahme des Erziehungsur- - Enthaltungen? - Der Antrag ist mit den Stimmen laubs durch den Vater während der Mut- der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des terschutzfrist Hauses im übrigen abgelehnt. - Drucksachen 13/6577, 13/711, 13/4526, 13/7206, 13/10611 - Tagesordnungspunkt 23 e: Berichterstattung: - Zweite und dritte Beratung des von der Abgeordnete Maria Eichhorn Bundesregierung eingebrachten Entwurfs Rita Grießhaber eines Viertes Gesetzes zur Änderung des Heidemarie Lüth Strafvollzugsgesetzes (4. StVollzGÄndG) Hildegard Wester - Drucksache 13/10 245 - Zunächst die Beschlußempfehlung des Ausschus- ses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu dem (Erste Beratung 231. Sitzung) Antrag der Fraktion der SPD zu Elterngeld und El- - Zweite und dritte Beratung des vom Bun- ternurlaub für Mütter und Väter auf Drucksache 13/ desrat eingebrachten Entwurfs eines ... Ge- 10 611 Nr. 2. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf setzes zur Änderung des Strafvollzugsge- Drucksache 13/6577 abzulehnen. Wer stimmt für setzes diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den - Drucksache 13/117 - Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stim- (Erste Beratung 24. Sitzung) men des Hauses im übrigen angenommen. - Zweite und dritte Beratung des vom Bun- Beschlußempfehlung des Familienausschusses zu desrat eingebrachten Entwurfs eines Geset- dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit zes zur Änderung des Strafvollzugsgeset- dem Titel „Mehr Zeit und Geld für Kinder", Druck- zes sache 13/10611 Nr. 3. Der Ausschuß empfiehlt, den - Drucksache 13/3129 - Antrag auf Drucksache 13/711 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegen- (Erste Beratung 107. Sitzung) probe! - Enthaltungen? - die Beschlußempfehlung ist Beschlußempfehlung und Bericht des Rechts- mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der ausschusses (6. Ausschuß) SPD gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen. - Drucksache 13/11016 - Beschlußempfehlung des Familienausschusses zu Berichterstattung: dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu Abgeordnete Ronald Pofalla „Elternurlaub als Zeitkonto gestalten", Drucksache Erika Simm 13/10611 Nr. 3. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag Volker Beck (Köln) auf Drucksache 13/4526 abzulehnen. Wer stimmt für Jörg van Essen diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Wir stimmen zunächst ab über den von der Bun- Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD ge- desregierung eingebrachten Entwurf eines Vierten gen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und Gesetzes zur Änderung des Strafvollzugsgesetzes, PDS angenommen. Drucksachen 13/10245 und 13/11016 Buchstabe a. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Beschlußempfehlung des Familienausschusses zu Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Hand- dem Bericht der Bundesregierung zu der Frage einer zeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Inanspruchnahme des Erziehungsurlaubs durch den Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stim- Vater während der Mutterschutzfrist, Drucksachen men der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22309

Vizepräsident Hans-Ulrich Klose bei Stimmenthaltung von Bündnis 90/Die Grünen Berichterstattung: und PDS angenommen. Abgeordnete Meinrad Belle Dritte Beratung Thomas Krüger Rezzo Schlauch und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die Dr. Max Stadler dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erhe- Maritta Böttcher ben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in dritter Lesung angenom- bb) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Aus- men. Die Mehrheitsverhältnisse sind wie vorher. schuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses zu - Drucksache 13/11038 - dem Gesetzentwurf des Bundesrates zur Änderung des Strafvollzugsgesetzes, Drucksache 13/11016 Berichterstattung: Buchstabe b. Der Ausschuß empfiehlt, den Gesetz- Abgeordnete Dr. Klaus-Dieter Uelhoff entwurf auf Drucksache 13/117 für erledigt zu erklä- Ina Albowitz ren. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Uta Titze-Stecher Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschluß- Oswald Metzger empfehlung ist einstimmig angenommen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses zum Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Hand- Gesetzentwurf des Bundesrates zur Änderung des zeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Strafvollzugsgesetzes, Drucksache 13/11016 Buch- Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung einstimmig an- stabe c. Der Ausschuß empfiehlt, den Gesetzentwurf genommen worden. auf Drucksache 13/3129 für erledigt zu erklären. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegen- Dritte Beratung probe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen. und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erhe- Tagesordnungspunkt 23 f: ben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses (6. Ausschuß) zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke Tagesordnungspunkt 23 h: und der Gruppe der PDS - Zweite und dritte Beratung des vom Bun- Änderung des Strafvollzugsgesetzes desrat eingebrachten Entwurfs eines ... Ge- - Drucksachen 13/1443, 13/11016 - setzes zur Änderung des Beamtenrechts- rahmengesetzes und anderer dienstrechtli- Berichterstattung: cher Vorschriften Abgeordnete Ronald Pofalla - Drucksache 13/8934 - Erika Simm Volker Beck (Köln) (Erste Beratung 210. Sitzung) Jörg van Essen Beschlußempfehlung und Bericht des Innen- Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksa- ausschusses (4. Ausschuß) che 13/1443 abzulehnen. Wer stimmt für diese Be- schlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Drucksache 13/11018 - - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Berichterstattung: Koalitionsfraktionen und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und der SPD gegen die Stimmen der Abgeordnete Meinrad Belle PDS angenommen. Thomas Krüger Rezzo Schlauch Tagesordnungspunkt 23 g: Dr. Max Stadler Maritta Böttcher - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs ei- Der Innenausschuß empfiehlt auf Drucksache 13/ nes Gesetzes- über die Anpassung von Dienst 11018 Buchstabe b, den Gesetzentwurf abzulehnen. und Versorgungsbezügen in Bund und Län- Ich lasse über den Gesetzentwurf des Bundesrates dern 1998 (Bundesbesoldungs- und -versor- auf Drucksache 13/8934 abstimmen und bitte dieje- gungsanpassungsgesetz 1998 - BBVAnpG 98) nigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltun- - Drucksachen 13/10722, 13/10942 - gen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Bera- (Erste Beratung 238. Sitzung) tung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der SPD- aa) Beschlußempfehlung und Bericht des In- Fraktion bei Enthaltung der PDS abgelehnt. Damit nenausschusses (4. Ausschuß) entfällt nach der Geschäftsordnung die weitere Bera- - Drucksache 13/11018 - tung. 22310 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Vizepräsident Hans-Ulrich Klose Tagesordnungspunkt i: der Europäischen Weltraumorganisation, der Regierung Japans, der Regierung der Russi- Zweite und dritte Beratung des von der Bun- schen Föderation und der Regierung der Ver- desregierung eingebrachten Entwurfs eines einigten Staaten von Amerika über Zusam- Gesetzes über die Feststellung des Wi rt menarbeit bei der zivilen internationalen -schaftsplans des ERP-Sondervermögens für Raumstation (Raumstations - Übereinkommen) das Jahr 1999 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 1999) - Drucksache 13/10713 - - Drucksache 13/10723 - (Erste Beratung 238. Sitzung) (Erste Beratung 238. Sitzung) aa) Beschlußempfehlung und Bericht des Aus- Beschlußempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Bildung, Wissenschaft, For- schusses für Wirtschaft (9. Ausschuß) schung, Technologie und Technikfolgen- abschätzung (19. Ausschuß) - Drucksache 13/11014 - Berichterstattung: - Drucksache 13/11026 - Abgeordneter Jürgen Türk Berichterstattung: Der Ausschuß für Wirtschaft empfiehlt auf Druck- Abgeordnete Christian Lenzer sache 13/11014, den Gesetzentwurf unverände rt an- Lothar Fischer (Homburg) zunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzent- Dr. Manuel Kiper wurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Die Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf Wolfgang Bierstedt ist damit in zweiter Beratung einstimmig angenom- men. bb) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Aus- Dritte Beratung schuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die - Drucksache 13/11037 - dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erhe- Berichterstattung: ben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit einstimmig angenommen. Abgeordnete Dieter Schanz Steffen Kampeter Tagesordnungspunkt 23j: Antje Hermenau Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Der Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, For- Änderung des Gesetzes über die Statistik im schung, Technologie und Technikfolgenabschätzung produzierenden Gewerbe empfiehlt auf Drucksache 13/11026, den Gesetzent- - Drucksache 13/10342 - wurf unverände rt anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu er- (Erste Beratung 233. Sitzung) heben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Beschlußempfehlung und Bericht des Aus- Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen der Koaliti- schusses für Wirtschaft (9. Ausschuß) m-onsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Sti - Drucksache 13/10925 - men der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Gruppe der PDS angenommen. Berichterstattung: Abgeordnete Jelena Hoffmann Tagesordnungspunkt 23 m: Der Ausschuß für Wi rtschaft empfiehlt auf Druck- Zweite Beratung und Schlußabstimmung des sache 13/10925, den Gesetzentwurf unverände rt an- von der Bundesregierung eingebrachten Ent- zunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzent- wurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom wurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer 16. Dezember 1993 zwischen der Regierung stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzent- der Bundesrepublik Deutschland und dem wurf ist damit in zweiter Beratung einstimmig ange- Obersten Rat der Europäischen Schulen über nommen. die Europäischen Schulen in Karlsruhe und Dritte Beratung München und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die - Drucksache 13/10115 - dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erhe- (Erste Beratung 227. Sitzung) ben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit einstimmig angenommen. Beschlußempfehlung und Bericht des Auswär- tigen Ausschusses (3. Ausschuß) Tagesordnungspunkt 231: - Drucksache 13/10999 - Zweite Beratung und Schlußabstimmung des Berichterstattung: von der Bundesregierung eingebrachten Ent- Abgeordneter Claus-Peter Grotz wurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen Dr. Elke Leonhard vom 29. Januar 1998 zwischen der Regierung Waltraud Schoppe Kanadas, Regierungen von Mitgliedstaaten Ulrich Irmer Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22311

Vizepräsident Hans-Ulrich Klose Der Auswärtige Ausschuß empfiehlt auf Drucksa- Tagesordnungspunkt 23 p: che 13/10999, den Gesetzentwurf unverände rt anzu- nehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf Beratung der Beschlußempfehlung und des zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt da- Berichts des Ausschusses für Familie, Senio- gegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist ein- ren, Frauen und Jugend (13. Ausschuß) stimmig angenommen. - zu der Unterrichtung durch die Bundesre- gierung Tagesordnungspunkt 23 n: - zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zu der Unterrichtung durch die Beratung der Beschlußempfehlung und des Bundesregierung Berichts des Auswärtigen Ausschusses (3. Aus- schuß) zu dem Antrag der Abgeordneten - zu dem Entschließungsantrag der Abgeord- Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten, Gert Weiss- neten Christina Schenk, Heidemarie Lüth, kirchen (Wiesloch), Reinhold Hiller (Lübeck) Rosel Neuhäuser, Petra Bläss und der Grup- und weiterer Abgeordneter pe der PDS zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Visumfreiheit für die baltischen Staaten Dritter Bericht der Bundesregierung über die - Drucksachen 13/9390, 13/10689 - Gleichstellungsstellen in Bund, Ländern und Kommunen Berichterstattung: - Drucksachen 13/4021, 13/6497, 13/6494, 13/ Abgeordneter Klaus Francke (Hamburg) 7056- Gert Weisskirchen (Wiesloch) Gerd Poppe Berichterstattung: Ulrich Irmer Abgeordnete Ilse Falk Christina Schenk Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Druck- Irmingard Schewe-Gerigk sache 13/9390 anzunehmen. Wer stimmt für diese Be- Hanna Wolf (München) schlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist einstimmig angenom- Der Ausschuß empfiehlt, die Unterrichtung auf men. Drucksache 13/4021 zur Kenntnis zu nehmen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegen- probe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung Tagesordnungspunkt 23 o: ist einstimmig angenommen.

Beratung der Beschlußempfehlung und des Abstimmung über den Entschließungsantrag der Berichts des Ausschusses für Familie, Se- Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 13/ nioren, Frauen und Jugend (13. Ausschuß) 11009. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? zu der Unterrichtung durch die Bundes- - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Entschlie- regierung ßungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfrak- tionen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen Familien und Familienpolitik im geeinten abgelehnt. Deutschland - Zukunft des Humanvermögens Beschlußempfehlung des Familienausschusses zu - Fünfter Familienbericht - dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zum Gleichstellungsbericht der Bundesregierung, Druck- - Drucksachen 12/7560, 13/725 Nr. 141, 13/ sache 13/7056 Nr. 2 Buchstabe a. Der Ausschuß emp- 4677 - fiehlt, den Entschließungsantrag auf Drucksache 13/ 6497 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschluß- Berichterstattung: empfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Abgeordnete Anke Eymer Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koaliti- Christel Hanewinckel onsfraktionen gegen die Stimmen von Bündnis 90/ Irmingard Schewe-Gerigk Die Grünen und SPD sowie eines Teils der PDS bei Sabine Leutheusser-Schnarrenberger einer Stimmenthaltung aus den Reihen der PDS an- Heidemarie Lüth genommen. Der Ausschuß empfiehlt Kenntnisnahme. Wer Beschlußempfehlung des Familienausschusses zu stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegen- dem Entschließungsantrag der Gruppe der PDS zu probe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung dem genannten Bericht, Drucksache 13/7056 Nr. 2 ist einstimmig angenommen. Buchstabe b. Der Ausschuß empfiehlt, den Entschlie- ßungsantrag auf Drucksache 13/6494 abzulehnen. Der Familienausschuß empfiehlt unter Nr. 2 seiner Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegen- Beschlußempfehlung auf Drucksache 13/4677 die probe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung Annahme einer Entschließung. Wer stimmt für diese ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltun- SPD-Fraktion gegen die Stimmen der PDS bei gen? - Die Beschlußempfehlung ist einstimmig ange- Stimmenthaltung vom Bündnis 90/Die Grünen ange- nommen. nommen. 22312 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Vizepräsident Hans-Ulrich Klose Tagesordnungspunkt 23 q: Tagesordnungspunkt 23 s: Beratung der Beschlußempfehlung und des Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Raumordnung, Berichts des Ausschusses für Familie, Senio- Bauwesen und Städtebau (18. Ausschuß) zu ren, Frauen und Jugend (13. Ausschuß) der Unterrichtung durch die Bundesregierung Europäisches Rahmenentwicklungskonzept - zu der Unterrichtung durch die Bundesre- (EUREK) gierung - Erster offizieller Entwurf - Mitteilung der Kommission an den Rat und - Drucksachen 13/8726, 13/8751 Nr. 1.1, 13/ das Europäische Parlament 10304 - Europäischer Freiwilligendienst für Ju- Berichterstattung: gendliche Abgeordneter Walter Schöler Hans-Wilhelm Pesch Vorschlag für einen Beschluß des Europäi- schen Parlaments und des Rates zur Ein- Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Ge- führung des Gemeinschaftlichen Aktions- genprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfeh- programms „Europäischer Freiwilligen lung ist einstimmig angenommen. dienst für Jugendliche" - Tagesordnungspunkt 23 r: - zu der Unterrichtung durch die Bundesre- gierung Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses (3. Aus- Pilotaktion: Europäischer Freiwilligen schuß) dienst für Jugendliche - zu dem Entschließungsantrag der Abgeord- Zweiter Zwischenbericht neten Dr. Eberhard Brecht, Gert Weisskir- - Drucksachen 13/7216 Nr. 2.19, 13/9477 chen (Wiesloch), B rigitte Adler, weiterer Nr. 2.10, 13/10337 - Abgeordneter und der Fraktion der SPD Berichterstattung: - zu dem der Abgeord- Entschließungsantrag Abgeordnete Matthias Berninger neten Dr. Eberhard Brecht, Dr. Helmut Lip- Klaus Hagemann pelt, Christa Nickels, Wilhelm Schmidt Helmut Jawurek (Salzgitter), Gert Weisskirchen (Wiesloch) Rosel Neuhäuser und der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Ge- - zu der Großen Anfrage der Abgeordneten genprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfeh- Gert Weisskirchen (Wiesloch), Dr. Eberhard lung ist einstimmig angenommen. Brecht, B rigitte Adler, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion der SPD Tagesordnungspunkt 23 t: Reform der Vereinten Nationen Beratung der Beschlußempfehlung und des - Drucksachen 13/5055, 13/6773, 13/7915, 13/ Berichts des Ausschusses für Raumordnung, 7941, 13/10477 - Bauwesen und Städtebau (18. Ausschuß) zu Berichterstattung: der Unterrichtung durch das Europäische Par- Abgeordneter Armin Laschet lament Dr. Eberhard Brecht Entschließung des Europäischen Parlaments Dr. Helmut Lippelt zum Bericht der Kommission über die Bau- Ulrich Irmer produktenrichtlinie Der Ausschuß empfiehlt, den Entschließungsan- - Drucksachen 13/9819 Nr. 1.9, 13/10423 - trag auf Drucksache 13/7941 anzunehmen. Wer Berichterstattung: stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenpro- be! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist Abgeordnete Dieter Maaß (Herne) einstimmig angenommen. Josef Hollerith Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschus- Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Ge- ses zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der genprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfeh- SPD zur Großen Anfrage zur Reform der Vereinten lung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, Nationen, Drucksache 13/10477. Der Ausschuß emp- der SPD und von Bündnis 90/Die Grünen und bei fiehlt, den Entschließungsantrag auf Drucksache 13/ Stimmenthaltung der PDS angenommen. 7915 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschluß- empfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Tagesordnungspunkt 23 u: Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koaliti- onsfraktionen gegen die Stimmen der SPD bei Beratung des Berichts des Ausschusses für Stimmenthaltung von Bündnis 90/Die Grünen und Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsord PDS angenommen. nung (1. Ausschuß) zu dem Überprüfungsver- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22313

Vizepräsident Hans-Ulrich Klose fahren des Abgeordneten Rolf Kutzmutz ge- Tagesordnungspunkt 23 w: mäß § 44 b Abs. 2 des Abgeordnetengesetzes Beratung der Beschlußempfehlung und des (AbgG) Berichts des Ausschusses für Arbeit und So- (Überprüfung auf Tätigkeit oder politische zialordnung (11. Ausschuß) zu dem Antrag der Verantwortung für das Ministe rium für Staats- Gruppe der PDS sicherheit/Amt für Nationale Sicherheit der Leistungsgesetz für Menschen mit Behinde- ehemaligen Deutschen Demokratischen Repu- rung blik) - Drucksachen 13/8477, 13/10608 - - Drucksache 13/10498 - Berichterstattung: Abgeordnete Birgit Schnieber-Jastram Ich gehe davon aus, daß Sie von dem Bericht Kenntnis genommen haben. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksa- che 13/8477 abzulehnen. Wer stimmt für diese Be- Tagesordnungspunkt 23 v: schlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Beratung der Beschlußempfehlung und des Koalitionsfraktionen, der SPD-Fraktion und von Berichts des Ausschusses für Arbeit und So- Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der PDS zialordnung (11. Ausschuß) angenommen. - - zu dem Antrag der Abgeordneten Andrea Tagesordnungspunkt 23 x: Fischer (Berlin), Monika Knoche, Marieluise Beratung der Beschlußempfehlung und des Beck (Bremen), weiterer Abgeordneter und Berichts des Ausschusses für Verkehr (15. Aus- der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schuß) zu der Unterrichtung durch die Bun- Solidarische Finanzierung der Sozialversi- desregierung cherung erhalten Vorschlag für eine Richtlinie des Europäi- schen Parlaments und des Rates über Kraft- - zu dem Antrag der Abgeordneten Ma rie- fahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger zur luise Beck (Bremen), Elisabeth Altmann Beförderung bestimmter Tierarten und zur (Pommelsbrunn), Matthias Berninger, wei- Änderung der Richtlinie 70/156/EWG in be- terer Abgeordneter und der Fraktion zug auf die Typgenehmigung von Kraftfahr- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zeugen und Kraftfahrzeuganhängern Die Arbeitsfähigkeit der Bundesanstalt für - Drucksachen 13/8615 Nr. 2.55, 13/10746- Arbeit und der Arbeitsämter wieder her- Berichterstattung: stellen Abgeordneter Manfred Heise - Drucksachen 13/7086, 13/7521, 13/10571 - Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Ge- Berichterstattung: genprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfeh- Abgeordnete Ulrike Mascher lung ist einstimmig angenommen. Zunächst zur Beschlußempfehlung des Ausschus- Tagesordnungspunkt 23 y: ses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Antrag der Beratung der Beschlußempfehlung und des Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Erhalt der soli- Berichts des Ausschusses für Verkehr (15. Aus- darischen Finanzierung der Sozialversicherung, schuß) zu der Unterrichtung durch die Bun- Drucksache 13/10571 Buchstabe a. Der Ausschuß desregierung empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/7086 für er- ledigt zu erklären. Wer stimmt für diese Beschluß- Entwurf für eine Verordnung (EG) des Rates empfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die über die statistische Erfassung des Güter- Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koaliti- kraftverkehrs onsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stim- - Drucksachen 13/9312 Nr. 1.1, 13/10747 - men von Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenom- Berichterstattung: men. Abgeordneter Claus-Peter Grotz Beschlußempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Antrag der Fraktion Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Ge- genprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfeh- Bündnis 90/Die Grünen zur Wiederherstellung der lung ist einstimmig angenommen. Arbeitsfähigkeit der Bundesanstalt für Arbeit und der Arbeitsämter, Drucksache 13/10571 Buchstabe b. Tagesordnungspunkt 23 z: Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/7521 für erledigt zu erklären. Wer stimmt für diese Beratung der Beschlußempfehlung und des Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltun- Berichts des Ausschusses für Verkehr (15. Aus- gen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen schuß) zu der Unterrichtung durch die Bun- der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion ge- desregierung gen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und Vorschlag für eine Verordnung (EG) des Ra PDS angenommen. tes über die Anerkennung des Unterschei- 22314 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Vizepräsident Hans-Ulrich Klose dungszeichens des Zulassungsmitgliedstaats Berichterstattung: von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeugan Abgeordnete Dr. Wolfgang Götzer hängern im innergemeinschaftlichen Verkehr Dr. Eckhart Pick - Drucksachen 13/8615 Nr. 2.83, 13/10748 - Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Berichterstattung: Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Hand- Abgeordneter Claus-Peter Grotz zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Ge- setzentwurf ist damit in zweiter Beratung bei Stimm- (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Da enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen mit den spricht man von Abbau der Bürokratie!) Stimmen des Hauses im übrigen angenommen. - Das ist ein Sprachproblem. - Wer stimmt für diese Dritte Beratung Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltun- und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die gen? - Die Beschlußempfehlung ist einstimmig ange- dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erhe- nommen. ben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in dritter Lesung angenom- Tagesordnungspunkt 24 a: men. Abstimmungsverhältnisse wie zuvor. Weitere abschließende Beratungen ohne Aus- Tagesordnungspunkt 24 c: sprache - Zweite und dritte Beratung des von der Bun- Zweite Beratung und Schlußabstimmung des desregierung eingebrachten Entwurfs eines von der Bundesregierung eingebrachten Ent- Gesetzes betreffend die Anrufung des Ge- wurfs eines Gesetzes zu dem Straßburger richtshofes der Europäischen Gemeinschaften Übereinkommen vom 4. November 1988 über im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens die Beschränkung der Haftung in der Binnen- auf dem Gebiet der polizeilichen Zusammen- schiffahrt (CLNI) arbeit und der justitiellen Zusammenarbeit in - Drucksache 13/8220 - Strafsachen nach Artikel 35 des EU-Vertrages (Erste Beratung 194. Sitzung) (EuGH-Gesetz - EuGHG) Beschlußempfehlung und Bericht des Rechts- - Drucksache 13/10429 - ausschusses (6. Ausschuß) (Erste Beratung 230. Sitzung) - Drucksache 13/11031 - Beschlußempfehlung und Bericht des Rechts- Berichterstattung: ausschusses (6. Ausschuß) Abgeordnete Dr. Wolfgang Götzer - Drucksache 13/10967 - Dr. Eckhart Pick Berichterstattung: Der Rechtsausschuß empfiehlt auf Drucksache 13/11031 Buchstabe a, den Gesetzentwurf unverän- Abgeordnete Peter Altmaier Dr. Jürgen Meyer (Ulm) dert anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Ge- setzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Der Rechtsausschuß empfiehlt auf Drucksache Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetz- 13/10967, den Gesetzentwurf unverände rt anzuneh- entwurf ist bei Stimmenthaltung von Bündnis 90/Die men. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zu- Grünen mit den Stimmen des Hauses im übrigen an stimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegen- -genommen. probe! - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist da- mit in zweiter Beratung einstimmig angenommen. Tagesordnungspunkt 24 d: Dritte Beratung Zweite und dritte Beratung des von den Frak- tionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrach- und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die ten Entwurfs eines Gesetzes zur Beseitigung dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erhe- von Erwerbsbeschränkungen für ausländi- ben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der sche Investoren und Staaten Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen. - Drucksache 13/10534 - (Erste Beratung 233. Sitzung) Tagesordnungspunkt 24 b: Beschlußempfehlung und Bericht des Rechts- Zweite und dritte Beratung des von der Bun- ausschusses (6. Ausschuß) desregierung eingebrachten Entwurfs eines - Drucksache 13/10966 - Gesetzes zur Änderung der Haftungsbe- schränkung in der Binnenschiffahrt Berichterstattung: - Drucksache 13/8446 - Abgeordnete Dr. Dietrich Mahlo Dr. Eckhart Pick (Erste Beratung 194. Sitzung) Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Beschlußempfehlung und Bericht des Rechts- Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Hand- ausschusses (6. Ausschuß) zeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - - Drucksache 13/11031- Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung bei Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22315

Vizepräsident Hans-Ulrich Klose Stimmenthaltung der Gruppe der PDS mit den Stim- m) Beratung der Beschlußempfehlung des Peti- men des Hauses im übrigen angenommen. tionsausschusses (2. Ausschuß) Dritte Beratung Sammelübersicht 354 zu Petitionen - Drucksache 13/10838- und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erhe- n) Beratung der Beschlußempfehlung des Peti- ben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der tionsausschusses (2. Ausschuß) Gesetzentwurf ist angenommen, Mehrheitsverhält- Sammelübersicht 355 zu Petitionen nisse wie zuvor. - Drucksache 13/10839- Tagesordnungspunkt 24 e: o) Beratung der Beschlußempfehlung des Peti- tionsausschusses (2. Ausschuß) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr (15. Aus- Sammelübersicht 356 zu Petitionen schuß) zu der Unterrichtung durch die Bun- - Drucksache 13/10840 - desregierung Wir stimmen ab über die Beschlußempfehlungen Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über des Petitionsausschusses, Tagesordnungspunkte 24 g Sicherheitsanforderungen für Flugbegleiter bis o, Sammelübersichten 348 bis 356. Wer stimmt und die Bescheinigung der Befähigung von diesen Punkten zu? - Wer stimmt dagegen? - Enthal- Flugbegleitern in der Zivilluftfahrt tungen? - Die Sammelübersichten 348 bis 356, - Drucksachen 13/8615 Nr. 2.95, 13/10749 - Tagesordnungspunkte 24 g bis 24 o sind mit den Stimmen der Koalitionsfraktion gegen die Stimmen Berichterstattung: des Hauses im übrigen angenommen. Abgeordneter Lothar Ibrügger Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Punkte p und q: Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußemp- fehlung ist gegen die Stimmen der Gruppe der PDS p) Beratung der Beschlußempfehlung des Peti- mit den Stimmen des Hauses im übrigen angenom- tionsausschusses (2. Ausschuß) men. Sammelübersicht 357 zu Petitionen - Drucksache 13/10841 - Tagesordnungspunkte 24 g bis 24 0: q) Beratung der Beschlußempfehlung des Peti- g) Beratung der Beschlußempfehlung des Peti- tionsausschusses (2. Ausschuß) tionsausschusses (2. Ausschuß) Sammelübersicht 358 zu Petitionen Sammelübersicht 348 zu Petitionen - Drucksache 13/10842 - - Drucksache 13/10630 - Wir stimmen jetzt zunächst über den Tages- h) Beratung der Beschlußempfehlung des Peti- ordnungspunkt 24 p ab. Wer stimmt der Beschluß- tionsausschusses (2. Ausschuß) empfehlung des Petitionsausschusses zu? - Gegen- Sammelübersicht 349 zu Petitionen probe! - Enthaltungen? Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die (Ergänzung der Nr. 7 der Verfahrensgrund- Stimmen des Hauses im übrigen - - sätze des Petitionsausschusses) - Drucksache 13/10647 - (Dr. Barbara Höll [PDS]: Die F.D.P. hat uns zugestimmt!) i) Beratung der Beschlußempfehlung des Peti- - Wie hat die F.D.P. gestimmt? tionsausschusses (2. Ausschuß) Sammelübersicht 350 zu Petitionen (Dr. Olaf Feldmann [F.D.P.): Zustimmung! - Zurufe von der SPD und der PDS) - Drucksache 13/10834 - - Sie haben zugestimmt: also mit den Stimmen der j) Beratung der Beschlußempfehlung des Peti- Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des Hauses tionsausschusses (2. Ausschuß) im übrigen angenommen. Sammelübersicht 351 zu Petitionen (Widerspruch bei der SPD und der PDS) - Drucksache 13/10835- - Entschuldigen Sie, es geht um die Beschlußemp- k) Beratung der Beschlußempfehlung des Petiti- fehlung des Petitionsausschuß. Haben Sie da zuge- onsausschusses (2. Ausschuß) stimmt? Sammelübersicht 352 zu Petitionen (Zuruf von der F.D.P.) - Drucksache 13/10836 - - Ja, also; dann stimmt das doch! l) Beratung der Beschlußempfehlung des Peti- (Widerspruch bei der SPD) tionsausschusses (2. Ausschuß) - Aha! - Dann ist die Beschlußempfehlung gegen die Sammelübersicht 353 zu Petitionen Stimmen der CDU/CSU-Fraktion mit den Stimmen - Drucksache 13/10837 - des Hauses im übrigen abgelehnt. 22316 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Vizepräsident Hans-Ulrich Klose Zu der Sammelübersicht 357 gibt es schriftliche Er- Wer stimmt dafür? - Die Gegenprobe! - Enthaltun- klärungen zur Abstimmung nach § 31 unserer Ge- gen? - Sammelübersicht 351 ist mit den Stimmen der schäftsordnung der Kollegen Singhammer und Deh- Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die nel und 18 weiterer Kolleginnen und Kollegen aus Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS ange- dem Bereich der CDU/CSU.*) nommen. Dann gibt es eine Erklärung zur Abstimmung, Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 24 k: auch schriftlich, der Kollegin Rosel Neuhäuser, PDS.* ) Beratung der Beschlußempfehlung des Peti- tionsausschusses (2. Ausschuß) Wir kommen jetzt zur Empfehlung des Petitions- Sammelübersicht 352 zu Petitionen ausschusses zu Tagesordnungspunkt 24 q. Wer stimmt für die Beschlußempfehlung des Petitionsaus- - Drucksache 13/10836 - schusses? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Wer stimmt dafür? - Gegenprobe! - Enthaltungen? Empfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfrak- - Sammelübersicht 352 ist mit den Stimmen der Ko- tionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen von alitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PDS angenommen. Stimmen der PDS bei Stimmenthaltung von Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Tagesordnungspunkt 24 h: Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 241: Beratung der Beschlußempfehlung des Peti- tionsausschusses (2. Ausschuß) Beratung der Beschlußempfehlung des Peti- tionsausschusses (2. Ausschuß) Sammelübersicht 349 zu Petitionen Sammelübersicht 353 zu Petitionen (Ergänzung der Nr. 7 der Verfahrensgrund- sätze des Petitionsausschusses) - Drucksache 13/10837 - - Drucksache 13/10647 - Wer stimmt dafür? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Sammelübersicht 353 ist einstimmig angenommen. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 13/10994 Tagesordnungspunkt 24 m: vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Ent- Beratung der Beschlußempfehlung des Peti- haltungen? Der Änderungsantrag ist mit den Stim- tionsausschusses men der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und (2. Ausschuß) PDS abgelehnt. Wer stimmt für die Beschlußempfeh- Sammelübersicht 354 zu Petitionen lung des Petitionsausschusses? - Gegenprobe! - Ent- - Drucksache 13/10838 - haltungen? - Die Sammelübersicht ist damit mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Frak- Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Ent- tion gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen haltungen? - Sammelübersicht 354 ist mit den Stim- und PDS angenommen. men der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen. Tagesordnungspunkt 24 i: Tagesordnungspunkt 24 n: Beratung der Beschlußempfehlung des Peti- tionsausschusses (2. Ausschuß) Beratung der Beschlußempfehlung des Peti- tionsausschusses Sammelübersicht 350 zu Petitionen - Drucksache 13/10834 - (2. Ausschuß) Sammelübersicht 355 zu Petitionen Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Ent- haltungen? - Sammelübersicht 350 ist mit den Stim- - Drucksache 13/10839 - men der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Ent- bei Stimmenthaltung von Bündnis 90/Die Grünen haltungen? - Sammelübersicht 355 ist mit den Stim- und PDS angenommen. men der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und SPD bei Stimmenthal- Tagesordnungspunkt 24j: tung der PDS angenommen.

Beratung der Beschlußempfehlung des Peti- Tagesordnungspunkt 24 o: tionsausschusses (2. Ausschuß) Beratung der Beschlußempfehlung des Peti- Sammelübersicht 351 zu Petitionen tionsausschusses - Drucksache 13/10835 - (2. Ausschuß) Sammelübersicht 356 zu Petitionen *) Anlage 5 **) Anlage 6 - Drucksache 13/10840 - Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22317

Vizepräsident Hans-Ulrich Klose Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Ent- Zusatzpunkt 10b: haltungen? - Sammelübersicht 356 ist gegen die Stimmen der SPD-Fraktion mit den Stimmen des Beratung der Beschlußempfehlung und des Hauses im übrigen angenommen. Berichts des Ausschusses für Umwelt, Natur- schutz und Reaktorsicherheit (16. Ausschuß) zu der Verordnung der Bundesregierung Tagesordnungspunkt 24 p: Zustimmungsbedürftige Verordnung über die Beratung der Beschlußempfehlung des Peti- Entsorgung von Geräten der Informations-, tionsausschusses Büro- und Kommunikationstechnik (IT-Altge- (2. Ausschuß) räte-Verordnung - ITV) Sammelübersicht 357 zu Petitionen - Drucksachen 13/10769, 13/10884 Nr. 2.2, 13/ 11024 - - Drucksache 13/10841 - Berichterstattung: (Zuruf von der CDU/CSU: Haben wir schon! - Wilhelm Schmidt [Salzgitter] Abgeordnete Steffen Kampeter [SPD]: Weil Sie das vorgezogen haben, Marion Caspers-Merk waren wir so durcheinander! - Andreas Dr. Jürgen Rochlitz Birgit Homburger Schmidt [Mülheim] [CDU/CSU]: Alles dop-- pelt!) Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die - Ich bitte um Nachsicht. Über Sammelübersicht 357 Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußemp- haben wir schon abgestimmt. fehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen ange- nommen. Tagesordnungspunkt 24 q: Beratung der Beschlußempfehlung des Peti- Tagesordnungspunkt 10 c: tionsausschusses Beratung der Beschlußempfehlung und des (2. Ausschuß) Berichts des Rechtsausschusses (6. Ausschuß) Sammelübersicht 358 zu Petitionen zu der Unterrichtung durch die Bundesregie- rung - Drucksache 13/10842- Bericht der Bundesregierung über die prakti Wer stimmt für diese Empfehlung? - Wer stimmt schen Auswirkungen der im Betreuungsge dagegen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 358 ist setz enthaltenen Regelungen zur Sterilisation mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen von Bündnis 90/ - Drucksachen 13/3822, 13/4034 Nr. 2, 13/ Die Grünen und PDS angenommen. 11033 - Berichterstattung: Zusatzpunkt 10 a: Abgeordnete Dr. Wolfgang Frhr. von Stetten Weitere abschließende Beratungen ohne Aus- Margot von Renesse sprache Der Rechtsausschuß empfiehlt auf Drucksache 13/ (Ergänzungen zu TOP 23 und 24) 11033 Buchstabe a Kenntnisnahme. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Beratung der Beschlußempfehlung und des Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist ein- Berichts des Ausschusses für Wi rtschaft stimmig angenommen. (9. Ausschuß) zu der Verordnung der Bundes- regierung Der Rechtsausschuß empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlußempfehlung auf Drucksache 13/ Aufhebbare Vierundneunzigste Verordnung 11033 die Annahme einer Entschließung. Wer stimmt zur Änderung der Ausfuhrliste für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist ein- - Anlage AL zur Außenwirtschaftsverord- stimmig angenommen. nung

- Drucksachen 13/10745, 13/10884 Nr. 2.1, 13/ Ich rufe jetzt den Zusatzpunkt 11 auf: 10992 - Berichterstattung: Aktuelle Stunde Abgeordneter E rich G. Fritz auf Verlangen der Gruppe der PDS Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Wer Haltung der Bundesregierung zu den Äuße- stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschluß- rungen ihres Pressesprechers Hauser, die empfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfrak- Hilfe beim Aufbau im Osten mit Wahlergeb- tionen und der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen nissen in den neuen Bundesländern in Ver- und SPD bei Enthaltung der PDS angenommen. bindung zu bringen 22318 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Vizepräsident Hans-Ulrich Klose Ich eröffne die Aussprache. Das Wo rt hat die Kolle- Radikalisierung, für die Rechtsextremisten in diesem gin Petra Bläss, PDS. Land. (Zuruf von der CDU/CSU: Linksextremi Petra Bläss (PDS): Herr Präsident! Liebe Kollegin- sten!) nen und Kollegen! Von einem neuen Regierungs- sprecher wird zweifellos viel erwartet, Ich verweise auf die gestrige Veranstaltung mit Gre- gor Gysi in Wülfrath, wo es inzwischen ein Rechts- (Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/ bündnis zwischen CDU und Rechtsradikalen gibt, CSU]: So ist es!) das eine antisemitische Hetze gegen einen Abgeord- neten dieses Parlaments betreibt. Da gab es keinen vor allem, daß er seine Worte abwägt. Doch es geht Aufschrei, auch von den anderen Parteien hier im um weit mehr als nur um den Regierungssprecher. Parlament nicht. Ich verweise auch auf die geplanten Solange Kanzler Kohl den Wahlerpressungsversuch Aufmärsche Rechtsradikaler, zum Beispiel am kom- und die unsägliche Gleichsetzung von PDS mit menden Samstag in Berlin. NSDAP unwidersprochen läßt und gar - Zitat - „in Ordnung" findet, muß man davon ausgehen, daß der Die Union sieht derzeit im Osten ihre Felle weg- Regierungssprecher tatsächlich im Namen seines schwimmen und sich offenbar so in der Klemme, daß Chefs gehandelt hat. ihr die miserable Wirkung solcher Sprüche im Osten - total egal ist und sie nur noch auf den Westen sieht. Auch ist Herr Hauser bei weitem nicht der erste Unionspolitiker, der dem Osten mit Liebes- und Die Regierenden werden nicht müde, die Kosten Geldentzug droht. Hausers Worte haben in bemer- der Einheit herauszustreichen. Damit demütigen sie kenswerter Klarheit deutlich gemacht, daß nun auch die Ostdeutschen, und den Westdeutschen reden sie das Bundespresseamt in den sogenannten Rich- fälschlicherweise ein, daß es ihnen ohne die Zahlun- tungswahlkampf integ riert ist, den die CDU auf ih- gen an die neuen Bundesländer viel besser ginge. rem Leipziger Parteitag eingeläutet hat. Sie scheinen noch immer nicht begriffen zu haben, daß die Fördermilliarden für den Osten keine belie- Da macht ein Regierungssprecher die weitere Soli- big disponiblen Almosen sind, daß fast jede zweite darität mit den neuen Bundesländern frank und frei Mark des Nettotransfers auf gesetzlich festgeschrie- vom politischen Wohlverhalten der Ostdeutschen ab- bene Sozialausgaben entfällt, daß nach wie vor ganz hängig. Wer nicht im Sinne der CDU wählt, dem normale Regelleistungen als zusätzlicher Transfer droht Hilfsentzug. Diese anmaßend angedrohte Auf- gelten und daß den Nettotransferleistungen ein Ei- kündigung der Solidarität der alten mit den neuen gentumswechsel von Ost nach West in dreistelliger Bundesländern für den Fall der Wahl der PDS spaltet Milliardenhöhe gegenübersteht. nicht nur zwischen Ost und West, sondern zeugt auch von einem nicht vorhandenen Demokratiever- Fest steht: Die Ostdeutschen sind nicht mit leeren ständnis. Händen in die Einheit gekommen. Wer sie als Bitt- stellerinnen und Bittsteller und Almosenempfänge- (Beifall bei der PDS - Zuruf von der CDU/ rinnen und Almosenempfänger behandelt, wird se- CSU: Das müssen gerade Kommunisten hen, was er davon hat. sagen!) (Beifall bei der PDS) Oder wie soll man sonst den erklärten Willen inter- Auch wir von der PDS leugnen doch nicht, daß im pretieren, Menschen dafür zu bestrafen, daß sie ein Osten in den vergangenen acht Jahren eine Menge Grundrecht in Anspruch nehmen? geschehen ist, und das vor allem dank der Milliar- Meine Kolleginnen und Kollegen von der Koali- dentransfers aus dem Westen, die aber bekanntlich - tion, als ehemalige Vorsitzende der Wahlkommission auf diesen Geburtsfehler haben wir immer wieder der DDR zu den ersten freien und geheimen Wahlen verwiesen - vorwiegend von den abhängig Beschäf- in der DDR im März 1990 weiß ich nur zu gut, wie tigten zu leisten waren, aber auch und vor allem heiß wir uns im Osten freie Wahlen erkämpft haben. durch den unglaublichen Mut, den enormen Erneue- rungswillen, die hohe Einsatzbereitschaft und Flexi- (Lachen bei der CDU/CSU) bilität der Ostdeutschen.

Den Willen der Wählerinnen und Wähler zu respek- Fakt ist: Herr Hauser versteht von Land und Leu- tieren halte ich für die allererste Pflicht von allen in ten im Osten soviel wie die meisten hier im Deut- der Politik Tätigen. Das heißt, auch zur Kenntnis zu schen Bundestag von der Vermehrung von Schild- nehmen, daß in Sachsen-Anhalt mehr als 55 Prozent kröten. der Wählerinnen und Wähler mit ihrer Entscheidung (Lachen bei der CDU/CSU) das Magdeburger Modell und damit vier Jahre ernst- hafte Politik bestätigt haben. Daher bin ich fast versucht, unter den ostdeutschen Abgeordneten zu sammeln, um Ihnen eine Bildungs- Wie peinlich und kleinkariert ist dagegen der reise durch Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Popanz, den Sie gegenwärtig aufbauen. Aber das Thüringen, Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt eigentlich Gefährliche, das Sie mit dieser denunzia- - als Spitzenkandidatin der PDS des Landes Sach- torischen und kriminalisierenden Vorgehensweise sen-Anhalt bin ich durchaus bereit, Sie persönlich zu anrichten, ist, daß Sie die Stichworte geben für eine begleiten - zu finanzieren. Demnächst, wenn Sie Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22319 Petra Bläss nicht mehr Regierungssprecher sind, haben Sie auch gen sie hat sich die f riedliche Revolution von 1989 genug Zeit dafür. gerichtet. (Beifall bei Abgeordneten der PDS) (Beifall bei der CDU/CSU) Hausers Äußerungen sind im übrigen von soviel Die Partei PDS hat das finanzielle Erbe der SED Schlichtheit, daß man im Osten vor lauter Staunen wie selbstverständlich angetreten. Sie hat einen ver- gar nicht mehr den Mund zubekommt, daß so etwas urteilten Wahlfälscher zum Ehrenvorsitzenden er- Regierungssprecher in Bonn sein kann - noch, denn nannt. Die Partei unterstützt Autonome und Gewalt- die Zeit ist überreif für einen Regierungswechsel. täter am „revolutionären 1. Mai" und billigt das Zer- stören von Bahngleisen. (Beifall bei der PDS) (Dr. Barbara Höll [PDS]: Was?) Sie fördert linksextremistische Strukturen in ihren Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat der Reihen. Angestrebt wird ein zweites Parlament. Mit Kollege Dietrich Austermann, CDU/CSU. der PDS zusammenzuarbeiten (Zuruf von der PDS) Dietrich Austermann (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den letzten zwei Wo- - hören Sie zu -, das heißt, die Diktatur von 1949 bis chen gab es Irritationen in einem Teil der Presse über 1989 nachträglich mitzutragen. ein Interview, das der Regierungssprecher einer Zei- (Beifall bei der CDU/CSU) tung in den neuen Bundesländern gegeben hat. Sie gab es vor allem deshalb, weil der neue Sprecher of- Dies kann weder durch Ostalgie noch durch Amne- fensichtlich noch nicht die Routine hat, viel zu sagen, sie, durch Gedächtnisverlust, gegenüber der DDR ohne etwas zu sagen. Das aber wird von ihm hoffent- hinweggewischt werden. lich nicht erwartet, und das erwarten auch wir nicht. Die andere Fragestellung, die Sie zum Gegenstand Wir erwarten, daß er Klares sagt. Wir erwarten von der Aktuellen Stunde machen wollten, war folgende ihm - das zeigt die Solidarität, die Präsenz unserer Frage eines Zeitungsvertreters: „Findet ein solcher Fraktion - eine selbstbewußte Darstellung und Erläu- Linksruck im Westen Verständnis?" Gemeint war terung der guten Regierungsarbeit. Ich habe keinen Sachsen-Anhalt. Die Antwort lautete: „Kaum. Das ist Zweifel, daß dies wahrgenommen wird. ganz schwer zu vermitteln." Der Regierungssprecher hat dann festgestellt: (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Die Westdeutschen unterstützen den Osten wei- Irritationen gab es bei einigen Journalisten vor al- terhin, auch wenn manche das mit der Faust in lem deshalb, weil der Regierungssprecher zwei Fra- der Tasche tun. gen - er hat ja keine Feststellung getroffen - aufge- Wer da alles schon seit Jahren seine Faust in der worfen hat. Die eine Frage bezog sich auf den Ver- Tasche ballt, liegt auf der Hand. Bereits 1990 hat im gleich - nicht auf die Gleichsetzung - zweier totalitä- Landtagswahlkampf in Niedersachsen der SPD-Be- rer Regime unter totalitären, also diktatorisch vorge- werber um das Amt des Ministerpräsidenten gesagt, henden Parteien. Die Haltung der Bundesregierung wer für die Einheit nicht zahlen soll: zu diesem Vergleich, die nicht zwangsläufig Gleich- setzung bedeutet, hat der Bundeskanzler ja deutlich Es darf keine weiteren Belastungen unserer Ar- gemacht. Aber interessanterweise haben Sie dies beitnehmer und Rentner geben ... Es darf keine nicht zum Thema der Aktuellen Stunde gemacht. Steuersenkung für Unternehmen geben. Trotzdem möchte ich es Ihnen nicht ersparen. Diese Frage wäre berechtigt. Offensichtlich ging er davon aus, daß sein Freund Krenz, dem er ja im Jahre 1986 so schön geschrieben In dieser Woche wurde der Schlußbericht der En- hat, das dann schon alles gerichtet hätte. Er hat sug- quete-Kommission „Überwindung der Folgen der geriert, die Einheit sei ohne Steuererhöhung zu La- SED-Diktatur im Prozeß der deutschen Einheit" vor- sten der Arbeitnehmer und der Unternehmen im We- gelegt. Diese Folgen sind noch heute nicht nur finan- sten möglich. Wer sollte sie dann finanzieren? Sollte ziell spürbar. Es gibt eine Dokumentation über Aufar- mit dieser Position nicht zum Ausdruck gebracht beitungsinitiativen und Opfergruppen, die Beratung werden, daß man sich gegen einen steuerfinanzier- und Hilfe bei der Bewältigung der Folgen der SED- ten Wiederaufbau des vom Sozialismus ruinierten Diktatur leisten können. Daß dies möglich ist und Teils unseres Vaterlandes wendete? Wurde damit bei daß dies nötig ist, ist Schuld vor allem einer einzigen vielen in der Bevölkerung nicht der Eindruck ge- Partei, die in ihr Programm geschrieben hat, sie habe schürt, ihnen solle Unrecht geschehen, wenn sie Soli- sich für nichts zu entschuldigen. darität bewiesen? Es wurden Gräben aufgerissen. Immer wieder wurde von der SPD durch Kritik an ho- (Beifall bei der CDU/CSU - Dr. Gregor Gysi hen Sozialabgaben im Westen das Zusammenwach- [PDS]: Wo steht denn das?) sen der Menschen in beiden Teilen des Landes ge- stört. Otto Hauser hat die von Schröder und Lafon- Die PDS besteht laut Verfassungsschutzbericht taine geschürte Stimmung nur beschrieben. noch immer überwiegend aus ehemaligen Mitglie- dern der SED, die mit ihrer Partei Bautzen, Mauer- Meine Damen und Herren, natürlich ist das auf mord und Unfreiheit erst möglich gemacht hat. Ge- einzelnen politischen Veranstaltungen zu spüren. 22320 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Dietrich Austermann Umfragen machen übrigens deutlich, daß viele Men- Dietrich Austermann (CDU/CSU): - letzter Satz -, schen durchaus Verständnis für das haben, was ge- und als Abgeordnete, die auch aus den neuen Bun- sagt worden ist. Der sachsen-anhaltinische Minister- desländern kommen, bei der Aufbauarbeit in den präsident hat durch gewünschte Zusammenarbeit neuen Bundesländern von niemandem übertreffen, mit den Erben des Kommunismus in seinem Bundes- bei einer Aufbauarbeit, die nur nötig ist, weil die land die Gemeinsamkeit aller Demokraten aufge- SED-Diktatur - kündigt, (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Herr Kollege Au- stermann, bitte! die bisher darin bestand, daß ein Zusammengehen mit extremistischen Parteien abgelehnt wurde. Der Regierungssprecher hat sicher die Erfahrungen in Dietrich Austermann (CDU/CSU): - dies offen- seinem eigenen Bundesland, in Baden-Württemberg, sichtlich notwendig gemacht hat. im Kopf, wenn er - wie auch der Bundeskanzler - (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) dieses Vorgehen kritisiert. Seinerzeit verzichtete Mi- nisterpräsident Teufel in Stuttga rt auf eine Wieder- wahl mit den Stimmen der REPs und entschied sich Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat der für eine große Koalition. Kollege Dr. Willfried Penner, SPD. (Beifall bei der CDU/CSU) - Dr. Willfried Penner (SPD): Herr Präsident! Meine Von diesem Ausbrechen Höppners soll nun durch Damen und Herren! Manche Begebenheiten wieder- überzogene Kritik an einem Interviewauszug Hau- holen sich auch im politischen Leben: Im Jahr 1982 sers mit massiver Unterstützung linker Medien abge- wechselte die damalige Bundesregierung den seiner- lenkt werden. Dabei muß besonderes Befremden das zeitigen Pressesprecher aus. Klaus Bölling wurde ge- Verhalten einzelner in den linken Medien hervorru- wissermaßen sein eigener Nachfolger, und doch fen. Offensichtlich erinnert sich niemand an Klaus konnte er nicht verhindern, daß die sozialliberale Ko- Bölling, den Prototypen des parteipolitisch beeinfluß- alition auseinanderbrach. Jetzt ist es wieder soweit. ten Propagandisten. Als Regierungssprecher hat er Auch diesmal hat die Bundesregierung ihren Presse- keinen Hehl aus seiner linken Gesinnung gemacht. sprecher ausgetauscht; das wird nach menschlichem Ich glaube nicht, daß die Bundespressekonferenz ihn Ermessen ihr Ende in gut drei Monaten nicht aufhal- jemals gebeten hat, er möge zum Rappo rt kommen, ten. um das zu erklären, was er in der Pressekonferenz (Beifall bei der SPD und der PDS) gesagt hat. Diesem Klaus Bölling wurde vom Bundes- verfassungsgericht zu reichliche Wahlpropaganda Aber Klaus Bölling ist nicht Otto Hauser; denn Otto bescheinigt. Auch dafür gab es keine Einbestellung Hauser ist einzigartig, Otto Hauser ist ein Solitär. vor die Bundespressekonferenz. (Beifall bei der SPD und der PDS) Er ist nach wenigen Wochen schon zur fleischgewor- Denken Sie bitte Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: denen culpa in eligendo des Bundeskanzlers Helmut an die Zeit. Kohl gereift. Otto Hauser hat es binnen kürzester Zeit geschafft, die Politik von Bundeskanzler Helmut Dietrich Austermann (CDU/CSU): Ja. - Ich erin- Kohl auf den Radius des politischen Bierdeckels fest- nere an das, was einzelne aus dem Hofstaat Schrö- zulegen. ders in der ARD zu bestimmten Themen sagen: die Krauses, die Kunzes, die Schöllers, die Pleitgens, die (Heiterkeit und Beifall bei der SPD - Heiter Schulzes, die Engerts, die Wickerts, die von Haarens keit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und usw., der PDS) (Beifall des Abg. Dr. Uwe Küster [SPD] - Otto Hauser hat es eben in sich und an sich. Otto Dr. Cornelie Sonntag. Wolgast [SPD]: Am Hauser kennt sich aus im Küchenkabinett des Bun- besten die ganze Bundespressekonferenz! - deskanzlers Dr. Helmut Kohl, aus dem Hausers CSU Weitere Zurufe von der SPD) Amtsvorgänger Hausmann ausgesperrt war. „Bericht aus Bonn", „Presseclub", „Bonn direkt". Ist Offen gesagt: Zum allerwenigsten kann man Otto das alles öffentlich-rechtliche Aufklärung, objektiv, Hauser dafür tadeln, daß er in seinem Wirken die Re- unabhängig und unvoreingenommen, oder tun die gierungspolitik in so schöner Offenheit so verkörpert, einfach nur etwas, was sie eigentlich gar nicht dürf- wie sie wirklich ist, mit einem Wort: „hauserig". ten? (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. GRÜNEN und der PDS) Wir lassen uns in der Hilfestellung für die neuen Ich könnte sehr gut verstehen, wenn Wolfgang Bundesländer durch eine Regierung, die auch aus Schäuble und andere Granden der Union Klage dar- den Vertretern aus den neuen Bundesländern über führten, daß es Otto Hauser wohl an der Kraft besteht - gebräche, die Regierung in einem Licht erscheinen zu lassen, in dem sie sich allen widrigen Realitäten Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Herr Kollege, zum Trotze von Stunde zu Stunde unbeirrbarer wer- bitte! dend wähnt. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22321 Dr. Willfried Penner Als politischer Mensch, der kein politischer Nachrede. Ich frage den Großmeister des Lehens- Eunuch sein will, hat sich der treffliche Otto Hauser wesens in Deutschland, ich frage den Bundeskanzler am 3. Juni der Toga des Regierungssprechers kraft- Herrn Dr. Kohl: Erinnern Sie sich wenigstens bei die- voll entledigt, um sich auf die Suche nach seinem ser Ihrer wahrscheinlich letzten kostspieligen Perso- pädagogischen Eros zu machen. nalrochade Hausmann-Hauser daran, daß Sie auch bei dieser nicht einen einzigen Pfennig Ihres eigenen (Heiterkeit bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/ Geldes einsetzen? DIE GRÜNEN und der PDS) Schönen Dank für die Geduld. Er wurde fündig. Objekt seiner politpädagogischen Gelüste: das mißliebige und undankbare Wahlvolk in (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE den ostdeutschen Landen. Adressat von Ottos ruhm- GRÜNEN und der PDS) reichem Wirken: das Zahlvolk oder, anders ausge- drückt, der Steuer- und Beitragszahler der Bundesre- Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat der publik alt. Mittel der pädagogischen Aktion: der Kollege Werner Schulz, Bündnis 90/Die Grünen. Geldhahn, je nach Wahlverhalten des ostdeutschen Wahlvolkes auf- und abzudrehen. Werner Schulz (Berlin) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Spätestens an dieser Stelle ist der Hinweis nötig, NEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ei- daß Otto Hauser die Klaviatur der politischen Klipp-- gentlich sind dieses Thema, dieses Problem und die- schule souverän beherrscht. ser Mann selbst keine Aktuelle Stunde we rt. Seine Äußerungen sind schon einige Tage her; die Bundes- (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE pressekonferenz hat ihn einbestellt und hat ihn auf GRÜNEN und der PDS - Zurufe von der Hausmann-Format gebracht. Der Leutnant der Re- SPD: Bravo!) serve - das sind Sie ja wohl - hat sich also nicht als Er habe ja nicht als solcher, als Regierungssprecher Geheimwaffe, sondern als Rohrkrepierer erwiesen. nämlich, sondern an sich, als Bundestagsabgeordne- Im Wahlkampf wirkt er offensichtlich nicht. ter nämlich, gesprochen. Ein politischer Eunuch sei (Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ er schon gar nicht, hat er die Kundigen im Volk wis- NEN, bei der SPD und der PDS) sen lassen und damit zugleich feinen politischen Stil, sicheren Umgang mit dem Syndrom der politischen Sie, Herr Hauser, amüsieren sich do rt hinten so Bewußtseinsspaltung - „hier bin ich an sich, do rt bin schön. Schmeichelhaft ist doch, was Ihre Kollegen ich als solcher" - durchblicken lassen. aus Ihrer Fraktion über Sie sagen, und es ist interes- sant mitzubekommen, wie über Sie in der eigenen (Heiterkeit und Beifall bei der SPD, dem Fraktion gedacht wird: der Schnösel aus Esslingen, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS) Regierungsschwätzer, Regierungsschwächer. Ich weiß nicht, ob Ihnen das einmal öffentlich gesagt Aber entspricht das wirklich den Tatsachen? Ist es wurde. Wolfgang Schäuble hat das auf seine A rt und tatsächlich so abwegig, daran zu glauben, daß hier Weise unmißverständlich getan: Ich bin nicht dafür, doch der Interpret der Gedanken des Kanzlers, der daß ein Abgeordneter größeren Blödsinn erzählen Regierungssprecher, am Werke war, wo doch jeder- darf als ein Regierungssprecher. Deutlicher kann mann, insonderheit der Bundeskanzler, weiß, daß ein man das wirklich nicht sagen. Hochjazzen einer bestimmten BHE-Befindlichkeit, eines gesamtdeutschen Urgefühls also, immer zu den (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Unterlegenen und Verlierern zu gehören, gerade in und bei der SPD sowie bei Abgeordneten Ostdeutschland wie ein Lebenselixier zugunsten der der PDS) PDS wirkt? Wir brauchen die Frage nicht zu beant- worten. Ein Blick auf den triumphierenden Gysi und Eigentlich hätte ich dem nichts hinzuzufügen, seine Formation offenbart: Besser kann man es nicht wenn nicht dieses furchtbar fruchtbare Zusammen- meinen mit der PDS spiel zwischen Ihnen und der PDS ablaufen würde, was ja beabsichtigt ist. (Beifall bei der SPD) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und ihren politischen Tinkturen aus der Steinzeit so- und bei der SPD) wie den politischen Jeremiaden von heute, als es der Es geht doch um die indirekte Aufwertung der PDS CDU-Vorsitzende Dr. Helmut Kohl getan hat. Erst durch negative Übertragung. Sie beschimpfen die das Göttergeschenk der Händchen-Kampagne von PDS und bringen sie damit ins Gespräch; man Pfarrer Hintze, was nach Gysis Worten schon ha rt ge- möchte sie auf eine gewisse Art und Weise ständig in nug erarbeitet war, und dann noch das Sahnehäub- den Medien halten. Dadurch schaffen Sie es, daß chen Hauserscher Düsterdrohung gen Osten als sich viele im Osten plötzlich mit der PDS solidarisie- Draufgabe - das forde rt Dankbarkeit heraus, Herr ren. Diese Menschen sehen das berechtigterweise Dr. Gysi. Sie sollten diesen Dank Herrn Dr. Kohl und anders als Sie. Sie haben davon wirklich keine Ah- seinen Ohrenbläsern und Gebärdenspähern auch ab- nung, keinen blassen Dunst - davon nicht und von statten, und zwar an Ort und Stelle, hier im Plenum vielen anderen Dingen offenbar auch nicht. des Bundestages, ungeniert und freimütig. Der Vor- sitzende der CDU, Herr Dr. Kohl, hat denselben red- (Klaus Bühler [Bruchsal] [CDU/CSU]: Wer lich verdient, bevor er endgültig abtritt. arbeitet denn mit der PDS zusammen?) 22322 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Werner Schulz (Berlin) - Hören Sie doch einmal zu! Sie könnten an dieser wir in unserer Solidarität mit den neuen Bundeslän- Stelle etwas lernen, was Ihnen vielleicht in Ihrer dern auf keinen Fall nachlassen werden. Wahlkampfstrategie hilft. Ihre Wahlkampfstrategie (Beifall bei der F.D.P.) steckt in dieser Frage in der Klemme; denn Sie möch- ten die PDS aufwerten. Das geschieht. Im Moment So haben die Koalitionsfraktionen auch den Antrag liegt die PDS in den Umfragen vor Ihnen. Noch drei „Wachstum und Beschäftigungspolitik für die neuen Hauser-Äußerungen, und sie wird Ihnen noch weiter Bundesländer fortsetzen" auf Drucksache 13/10821 davongaloppieren. Das werden Sie schaffen. eingebracht, worin dieses wichtige Anliegen noch einmal eindeutig unterstrichen werden soll. In Leipzig konnten Sie das beobachten: Nach dem fulminanten Abschneiden Ihres Oberbürgermeister- Wir Freien Demokraten stehen dazu, daß die kandidaten hat man dort plakatiert: So viel PDS hat neuen Bundesländer in den nächsten Jahren wie bis- die Stadt nicht verdient. Daraufhin ist die CDU noch her auf staatliche Förderung und Unterstützung an- weiter nach unten gerutscht, die PDS aber ist nach gewiesen sind und auch damit rechnen können, daß oben geklettert. Das geschieht durch die Methode wir sie ihnen gewähren. Hauser, durch die Methode der negativen Übertra- gung. (Beifall bei der F.D.P.) Ich sage Ihnen: Was Sie und Ihr Regierungsspre- Ein Beleg, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist der cher hier treiben, ist eine abgestimmte Wahlkampf- Perspektivbericht Aufbau Ost: Seit 1991 sind mehr strategie. Das ist eine ganz raffinierte Zweitstimmen- als 1 Billion DM in die neuen Bundesländer geflos- kampagne für die PDS. sen. Für 1998 stehen Investitionszuschüsse in Höhe von 6,4 Milliarden DM für die Regionalförderung Ost (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Verfügung; der Beteiligungsfonds Ost wird um und bei der SPD) 2 Milliarden DM, der Konsolidierungsfonds um 250 Millionen DM aufgestockt. Das sind Zahlen, die Das sind die eigentlichen Effekte, die Sie erzielen sich sehen lassen können. Das sind die richtigen Si- wollen. gnale. Die F.D.P. bekennt sich dazu, daß diese Si- Das andere ist völlig uninteressant. Was der Regie- gnale notwendig sind. Bundesminister Rexrodt hat rungssprecher ansonsten beizutragen hat, werden dies auch mehrfach deutlich gemacht. wir sehen. Sie werden sich heute als Abgeordneter (Beifall bei der F.D.P.) im Plenum über die Lage als Regierungssprecher äu- ßern. Ich bin sehr gespannt darauf, wie Sie diese Die Freien Demokraten werden auch bei den Bera- Gratwanderung bestehen werden. tungen zum Bundeshaushalt 1999 darauf achten, daß genügend Mittel für Investitionen in den Bereichen Mein erster Reflex war, daß sich Helmut Kohl für Straßenbau, Schienenwege, Wohnungs- und Stadt- Sie eigentlich stark machen bzw. Sie zurückziehen erneuerung für die neuen Bundesländer zur Verfü- müßte. Aber Sie sind für uns ein echter Schatz-Hau- gung gestellt werden. ser; das muß ich Ihnen ehrlich sagen. Denn endlich sagt einmal jemand offen, wie in diesem Kabinett tat- Wir sehen es als zentrale Aufgabe an, daß auch mit sächlich gedacht wird. Daß do rt mit der Faust in der dem Bundeshaushalt 1999 weiter alle Möglichkeiten, Tasche in Richtung Osten gedacht wird, ist für mich die wir seitens der Politik haben, ausgeschöpft wer- eine neue Variante. Ich glaube nicht, daß der Bun- den, um die Arbeitslosigkeit in den neuen Bundes- deskanzler so denkt. Aber ich weiß, daß Sie und ei- ländern zu bekämpfen. nige andere bei Ihnen so denken. Entsprechende Wir Freien Demokraten machen unsere Solidarität Zwischenrufe habe ich bei ähnlichen Diskussionen mit den neuen Bundesländern nicht vom Wahlverhal- hier schon gehört. Lummer und andere bei Ihnen ha- ten der Bürgerinnen und Bürger in den neuen Bun- ben geäußert: Wofür geben wir das Geld? Jetzt wäh- desländern abhängig. len die noch dieses und jenes. - Es ist interessant, daß die Ostdeutschen an ihrem Wahlverhalten ge- (Beifall bei der F.D.P.) messen werden, was den Aufbau Ost anlangt. Für diese Feststellung, Kollege Hauser, bedanken wir Wir werden allerdings gerade in den nächsten Wo- uns recht herzlich. chen deutlich machen, daß eine Partei wie die PDS kein Interesse an einem Zusammenwachsen der al- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ten und der neuen Bundesländer haben kann, daß und bei der SPD) die Politik der PDS darauf gerichtet ist, daß es mög- lichst viele Probleme und Schwierigkeiten beim Zu- sammenwachsen von Ost und West geben muß; Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat der denn allem davon profitiert die PDS, und deswegen Kollege Jürgen Koppelin, F.D.P. schürt sie Unzufriedenheit. (Beifall bei der F.D.P. - Wilhelm Schmidt Jürgen Koppelin (F.D.P.): Herr Präsident! Liebe [Salzgitter] [SPD]: Sagen sie doch mal was Kolleginnen und Kollegen! Ich will gar nicht speku- zu Herrn Hauser!) lieren, ob der Regierungssprecher es mit seiner Aus- sage wirklich so gemeint hat, wie er es gesagt hat, Natürlich weiß die PDS: Je schneller Ost und West oder ob er sich nur mißverständlich ausgedrückt hat. zusammenwachsen, je mehr Arbeitsplätze wir in den Ich will für die Freien Demokraten feststellen, daß neuen Bundesländern schaffen, je mehr die Wi rt- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22323

Jürgen Koppelin schaft in den neuen Bundesländern an Dynamik ge- den neuen Bundesländern solidarisch. Wir werden winnt, desto mehr wird der PDS der Boden für Agita- alles in unseren Kräften Stehende tun, um die Situa- tion entzogen. Deswegen wollen wir weiterhin alle tion in den neuen Bundesländern weiter zu verbes- Kraft einsetzen, um die neuen Bundesländer zu un- sern. Vieles ist bereits erreicht worden. terstützen. Wir wollen erfolgreich für bessere Bedingungen in (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Was den neuen Bundesländern arbeiten. Wir werden die- sagen Sie zu Herrn Hauser? - Gegenruf des ses Ziel erreichen, und je schneller wir es erreichen, Abg. Dr. Klaus Röhl [F.D.P.]) desto weniger Resonanz wird die PDS zukünftig bei den Wählern finden. Das ist unser Ziel. - Nun warten Sie doch ab! Seien Sie doch ganz ru- hig! Sie haben nie Geduld. Das ist Ihr Problem. Sie Vielen Dank für Ihre Geduld. werden bei der Bundestagswahl erleben, daß die Ko- alition gewinnt, weil Sie einfach keine Geduld ha- (Beifall bei der F.D.P. und der SPD) ben. (Lachen bei der SPD) Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat der Liebe Kolleginnen und Kollegen, es soll Eltern ge- Bundesminister Friedrich Bohl. ben, die ihren Kindern, wenn sie nicht so richtig pa- rieren, das Taschengeld kürzen. So etwas würde ich Bundesminister für besondere Auf- - Friedrich Bohl, als Vater nie tun; das ist nicht mein Stil. Ich halte gaben: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! auch nichts davon, in der Politik so zu verfahren. Ich Als Chef des Presse- und Informationsamtes der Bun- meine, die Aussage des Regierungssprechers, über desregierung möchte ich zu dieser Debatte folgendes die wir jetzt diskutieren, hat etwas von dem Verhal- sagen. Wenn man die Aussagen des Kollegen Hauser ten solcher Eltern, die gern das Taschengeld ihrer in der „Freien Presse" vorurteilslos liest, wundert Kinder kürzen, um sie zu disziplinieren. Ich sage man sich, was auch in der heutigen Debatte daraus noch einmal: Davon halten wir nichts. Für die F.D.P. gemacht worden ist. ist die Herstellung gleicher Lebensverhältnisse in Ost und West Verfassungsauftrag und nicht abhängig (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. vom Wahlverhalten. Dr. Olaf Feldmann [F.D.P.]) (Beifall bei der F.D.P.) Meine Damen und Herren, um das ganz deutlich zu sagen: Im Zentrum dieser Äußerungen - das ist Regierungssprecher Hauser kommt aus Baden- unstreitig zu belegen - steht die Sorge um die Solida- Württemberg. Dort im Landtag sitzt, Herr Kollege rität in Deutschland. Der Ausgangspunkt der Fragen Hauser, eine rechtsradikale Partei, die die Wählerin- und der Antworten war die Regierungsbildung in nen und Wähler in Baden-Württemberg gewählt ha- Magdeburg. Es kann gar keine Frage sein, daß diese ben. Regierungsbildung in Magdeburg ein Angriff auf die Wenn Regierungssprecher Hauser das gemeint Solidarität in Deutschland und ein Verstoß gegen die hat, was er wohl in Richtung neue Bundesländer ge- gebotene Solidarität der Demokraten ist. sagt hat, dann müßte er allerdings genauso sein Bun- desland Baden-Württemberg in seine Bemerkungen (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. mit einbeziehen. Dr. Olaf Feldmann [F.D.P.]) (Zustimmung bei der SPD) Bisher galt über alle Parteigrenzen hinweg: keine Bündnisse mit Extremisten von rechts oder links. Das Die Freien Demokraten - das haben wir auch öf- hat die SPD in Magdeburg über Bord geschmissen; fentlich gemacht - haben die Aussagen des Regie- rungssprechers kritisiert. (Zuruf von der CDU/CSU: Pfui!) (Zuruf von der CDU/CSU: Abenteuerlich!) das ist ein Verrat an der Bürgerrechtsbewegung, die gegen die SED auf die Straße gegangen ist, und das Auch - das will ich bei dieser Gelegenheit betonen - beschädigt die innere Einheit Deutschlands - ein ist der Vergleich der PDS mit der NSDAP nicht zu bil- Ziel, das auf den Satz gebracht hat: ligen. „Jetzt wächst (Zuruf von der CDU/CSU: Aber mit der Das ist unsolidarisch gegenüber denjenigen Ost SED!) und West, die immer die Einheit wollten. Kurt Bie- denkopf hat recht, wenn er sagt: „Die PDS ist der or- Ignatz Bubis, unser Parteifreund, hat sehr richtig ganisierte Widerstand gegen den Erfolg der deut- gesagt, daß er davon überzeugt sei, daß sich die PDS schen Einheit. " als SED-Nachfolgerin bisher nicht zu einer demokra- tischen Partei gewandelt hat. Aber angesichts des (Beifall bei der CDU/CSU) millionenfachen Mordes unter der Nazidiktatur ver- Meine Damen und Herren, der erneute Hände- bietet sich für jeden anständigen Politiker der unsäg- druck der SPD mit der PDS ist der eigentliche Skan- liche Vergleich der NSDAP mit der PDS. dal. (Zustimmung bei der SPD) (Lachen bei der SPD - Wolf-Michael Caten Meine Damen und Herren, wir Freien Demokraten husen [SPD]: Das ist jetzt Hauser auf geho bekennen uns uneingeschränkt mit den Menschen in benem Niveau!) 22324 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Bundesminister Friedrich Bohl Vor diesem Hintergrund ist auch das zu verstehen, tes der Bundesregierung. Ich bin ganz sicher, daß er was Otto Hauser gesagt hat, und das treibt viele im in seiner Aufgabe Erfolg haben wird. Westen wie im Osten um. Unsere Sorge muß doch sein, meine Damen und Herren, daß die Bereitschaft (Beifall bei der CDU/CSU) zur Solidarität, auch zur finanziellen Solidarität, nicht Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir soll- nachlassen darf. Eine solche Sorge öffentlich anzu- ten gemeinsam über die Solidarität in Deutschland sprechen, das ist nicht nur erlaubt, sondern - wie ich nachdenken, um gegen Vorurteile anzugehen und finde - auch geboten. die innere Einheit Deutschlands zu stabilisieren. Das bedeutet nicht, daß die Leistungen für die neuen (Beifall bei der CDU/CSU) Länder zurückgefahren oder vom Stimmverhalten an Meine Damen und Herren, Otto Hauser hat selbst der Urne abhängig gemacht würden. Das hat nie- öffentlich gesagt, daß er gute Ratschläge annimmt. mand behauptet, auch Otto Hauser nicht. So haben wir hier erst vor kurzem gemeinsam beschlossen, die (Lachen bei der SPD - Wolf-Michael Caten- Förderung der neuen Länder bis 2004 auf hohem Ni- husen [SPD]: Er hat sie auch nötig!) veau fortzusetzen. Der Aufbau Ost hat für uns unver- ändert höchste Priorität. Das hat der Bundeskanzler Er hat es - das sollte an der Stelle auch einmal ge- in den letzten Monaten mehrfach wiederholt und mit sagt werden - öffentlich gesagt. Ich finde, man sollte Nachdruck bekräftigt. Das wird er auch morgen auf ihm vor diesem Hintergrund auch die Chance der fai- dem Wirtschaftstag in Schwe rin tun. ren Behandlung in dieser Debatte heute geben und sie nicht in der Form führen, wie Sie es hier getan ha- Eine solche Aussage, daß der Aufbau Ost höchste ben. Priorität hat, habe ich bisher von Herrn Schröder nicht gehört. Von Herrn Schröder habe ich vielmehr (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. gehört: Wir können den Osten nicht an Polen abtre- Dr. Olaf Feldmann [F.D.P.]) ten. Noch eines: Diejenigen, die jetzt den Regierungs- (Joachim Hörster [CDU/CSU]: Er weiß gar sprecher attackieren, ihm einen Mangel an Neutrali- nicht, wo das ist!) tät vorwerfen, darf ich daran erinnern, daß auch Meine Damen und Herren, ich muß schon sagen: Wir Sprecher von SPD-Regierungen - Herr Kollege Pen- haben keine Belehrungen von der SPD und Herrn ner hat darauf ja schon abgestellt - nicht zimperlich Schröder in Sachen Aufbau Ost nötig. waren. „Auch als Regierungssprecher höre ich nicht auf, Sozialdemokrat zu sein", so Klaus Bölling, der (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - hier vom Kollegen Penner schon genannt wurde. Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Das hatte ja schon fast Hauser-Niveau!) Meine Damen und Herren, ich will an der Stelle Tatsache ist, daß die Bundesregierung handelt. Der auch ein Wort zu dem Thema NSDAP und SED sa- Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regiona- gen. Es ist völlig richtig: Hier ist keine Gleichsetzung len Wirtschaftsstruktur" steht in den neuen Ländern vorzunehmen. SED und NSDAP sind verschiedene im Jahre 1998 ein Bewilligungsrahmen von 6,4 Mil- Parteien und sind differenziert zu betrachten. Den- liarden DM zur Verfügung. Der Beteiligungsfonds noch haben wir den Bericht der Enquete-Kommission Ost - bisheriges Volumen: 1,5 Milliarden DM - wird „Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED- über 1998 hinaus verlängert und mit jeweils 1 Mil- Diktatur in Deutschland" hier im Deutschen Bundes- liarde DM aufgestockt. Der Konsolidierungsfonds für tag verabschiedet: die neuen Länder wird, sofern diese zustimmen, um In der Diskussion zwischen den Professoren ... 250 Millionen DM erhöht. Die Verkehrsprojekte wurde Einvernehmen darüber erzielt, daß ein Deutsche Einheit werden ohne Abstriche umgesetzt. Vergleich beider Diktaturen zulässig ist ... Beide In den kommenden Jahren sind für die neuen Länder verletzten systematisch Menschen- und Bürger- rund 43 Prozent aller Verkehrsinfrastrukturinvestitio- rechte, beiden fehlte die Begrenzung der Macht nen vorgesehen; das sind rund 9 Milliarden DM jähr- durch Recht und Gesetz. lich. Die Sanierung der ökologischen Altlasten wird auf hohem Niveau fortgesetzt. Für den Zeitraum Seite 282. 1998 bis 2002 werden weitere 6 Milliarden DM zur Verfügung stehen. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Allein 1998 werden für arbeitsmarktpolitische Dieser von der SPD unterschriebene Text kann doch Maßnahmen in den neuen Ländern 20,3 Milliarden nicht nur deshalb falsch sein, weil ihn der Sprecher DM angesetzt. Wenn Sie angesichts dieser Zahlen der Bundesregierung, Otto Hauser, wiederholt. und der Tatsache, daß die ostdeutsche Wi rtschaft in den vergangenen Jahren deutlich an Wettbewerbsfä- (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das so higkeit gewonnen hat und die Exportwirtschaft der aus dem Zusammenhang zu reißen ist neuen Länder derzeit Zuwachsraten von rund 20 Pro- schon sehr interessant!) zent verzeichnet, davon sprechen, daß die Bundesre- gierung ihre Unterstützung der neuen Länder von Meine Damen und Herren, ich finde, daß Otto Wahlwohlverhalten abhängig mache, so ist das ge- Hauser Anspruch auf faire Behandlung hat. Ich kann radezu absurd. Ihnen nur sagen: Er hat die volle Unterstützung durch mich als Chef des Presse- und Informationsam- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22325

Friedrich Bohl Gestern gedachten wir des 45. Jahrestages des Das hat viel zu lange gedauert und war in der Form, 17. Juni 1953. Damals walzten sowjetische Truppen in der es abgelaufen ist, viel zu dreist. den Volksaufstand in der DDR nieder, um das ver- Nein, man muß sich fragen: Worauf zielte denn haßte SED-Regime zu retten. Dank der friedlichen das? Wem nützte denn das, was do rt passiert ist? Die Revolution verlor die SED 1989 die Macht. Ohne die Antwort auf diese Fragen kann man aus dem Ergeb- Menschen in den neuen Ländern, aber auch ohne nis selbst ablesen: Der Osten wurde ganz massiv pro- diesen Kanzler und seine Regierung gäbe es die Ein- voziert. Ich habe in den letzten acht Jahren zu kei- heit nicht. Für diese Koalition hat der Aufbau Ost un- nem Thema einen vergleichbaren Aufschrei erlebt. verändert oberste Priorität. Das ist so und das bleibt so. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Es gab einen ganz massiven Mitleidseffekt gegen- über der PDS in Ostdeutschland - ich behaupte, auch Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat der in Teilen von Westdeutschland. Es gab so etwas wie Kollege Rolf Schwanitz, SPD. eine Sympathiebewegung gegenüber der PDS in- folge dieser Aussagen. Das sind die Ergebnisse dieser unseligen Tage von Rolf Schwanitz (SPD): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bohl, ich bin ent- Herrn Hauser. täuscht. Wenigstens etwas an kritischen Bemerkun- (Hans Büttner [Ingolstadt] [SPD]: Das will gen gegenüber dem, was da gelaufen ist und was der der doch!) Regierungssprecher nicht einmal, sondern mehrmals, dann auch noch betonend, vom Stapel gelassen hat, Das wirft die Frage auf: Warum macht das die hätte ich mir eigentlich gewünscht. CDU? Der Grund ist, so denke ich, ganz klar: Es geht ganz einfach um simple Wahlarithmetik. Die CDU (Beifall bei der SPD) weiß: Es wird keine sozialdemokratisch geführte Bundesregierung geben, die von den Stimmen der Es ist ja nicht so, daß es in Ihren eigenen Reihen PDS abhängig ist. keine Kritik gäbe. Das sieht man nicht zuletzt an der zahlreichen Teilnahme der CSU an dieser Debatte. (Beifall bei der SPD - Widerspruch bei der Vielleicht heben die Kollegen der CSU einmal die CDU/CSU und der F.D.P.) Hände; ich sehe überhaupt niemanden von der CSU. - Selbstverständlich ist das so. Die CDU weiß das Es gibt tiefe Probleme. Das sollte man einfach nicht ganz genau. Wenn Sie Zweifel an diesen Aussagen verleugnen. hätten, dann würden Sie eine intensive Auseinander- Sie haben Sachsen-Anhalt angesprochen. Ich tue setzung mit der PDS führen und keine Unterstüt- mich gar nicht schwer, hier zu bekennen, daß ich da- zungskampagne machen. Das ist die Situation. mit durchaus meine Schwierigkeiten hatte. Sie wis- (Beifall bei der SPD) sen das, da gab es öffentliche Äußerungen. Aber zur Wahrhaftigkeit gehört natürlich auch etwas anderes. Sie haben - das ist der Kern - den Osten parteipoli- Sie von der CDU haben in der letzten Legislaturperi- tisch abgeschrieben. Sie haben den Osten abge- ode interfraktionelle Anträge mit der PDS in den schrieben. Sie setzen eindeutig auf die Wählerstim- sachsen-anhaltinischen Landtag eingebracht. Wenn men in den alten Bundesländern, und do rt möglichst Sie hier dann noch nicht einmal ein Gespräch akzep- am westdeutschen Stammtisch. Es ist einfach tak- tieren, zeigt das, daß Sie überhaupt kein Interesse tisch sinnvoll für Sie, die PDS in Ostdeutschland zu daran hatten, daß eine große Koalition zustande stärken. Das tun Sie auch auf dem Rücken und zu La- kommt. sten Ihrer eigenen Landesverbände in Ostdeutsch- land. Die Kronzeugen dafür sind doch nicht bei uns (Beifall bei der SPD) zu finden. Ich muß wohl Herrn de Maizière oder Herrn Heitmann zitieren oder auf die Weigerung des Es paßte nicht in Ihre Wahlkampfstrategie. Das war sächsischen CDU-Landesverbandes hinweisen, do rt die Situation. Ihre Hände-Kampagne zu vollziehen. Das sind die Die öffentliche Entrüstung über die Aussagen von Kronzeugen dafür, daß das der tiefere Kern Ihrer Herrn Hauser ist die eine Seite der Medaille. Ich will Kampagne ist. Deswegen prophezeie ich Ihnen noch etwas zu der zweiten Seite der Medaille sagen. Ich einen massiven Widerstand in Ihren eigenen Reihen bin der Auffassung, daß es sich hier nicht um einen in Ostdeutschland. rhetorischen Ausrutscher eines einzelnen gehandelt Herzlichen Dank. hat. Ich meine, daß diese Gleichsetzung der PDS mit der NSDAP und die These, man könne Transfers (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ oder Unterstützungen vom Wohlverhalten und von DIE GRÜNEN) der Artigkeit der Ostdeutschen an der Wahlurne ab- hängig machen, keine einfältigen Behauptungen Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat der und Thesen einer Einzelperson waren. Kollege Dr. Paul Krüger, CDU/CSU. (Ulrich Heinrich [F.D.P.]: Nehmen Sie doch das zur Kenntnis, was Herr Minister Bohl Dr.-Ing. Paul Krüger (CDU/CSU): Herr Präsident! gesagt hat!) Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Be- 22326 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Dr.-Ing. Paul Krüger zugspunkt der heutigen Debatte ist ein Interview des Trotz ständiger Unkenrufe von Ihrer Seite haben Regierungssprechers, dessen Kernsatz lautet: „Bei wir in den Hilfen für die neuen Bundesländer nie uns hat der Aufbau Ost weiter Vorrang. " Das ist ein nachgelassen: Wir haben bei den Nettotransfers in Zitat aus diesem Interview. diesem Jahr einen Spitzenwert von 139 Milliarden DM erreicht. Wir haben vor einigen Wochen das Son- Die heutige Debatte - das macht mich besorgt - derwohngeld Ost hier erneut in voller Höhe verlän- birgt die Gefahr, Verunsicherung über den Fortgang gert. Wir haben arbeitsplatzwirksame Investitionen der gemeinsamen Aufbauanstrengungen in Ost und in den neuen Ländern wo immer möglich forciert. West zu schüren. Ich bedaure dies, weil eine solche Herr Bohl hat hier eben einige Beispiele genannt. Verunsicherung zuallererst den ostdeutschen Inter- essen schadet. Warum tun Sie das, meine Damen Wir haben die steuerliche Wirtschaftsförderung als und Herren von der linken Seite? Ich befürchte Scha- Kernbereich der Förderung bis zum Jahre 2004 konti- den für die Motivation der Menschen im Osten ge- nuierlich fortgeschrieben. nauso wie für die Solidaritätsbereitschaft der Men- schen im Westen. Das ist das Ergebnis einer kontinuierlich guten Ar- beit dieser Bundesregierung für die neuen Bundes- Deswegen scheint es mir notwendig, noch einmal länder. ausdrücklich festzuhalten, daß niemand so sehr Ga- rant für die innerdeutsche Solidarität zwischen Ost (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) und West war und ist - Diese Arbeit beginnt Früchte zu tragen: Wir hatten im letzten Monat in den neuen Bundesländern etwa (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Wie Herr 100 000 Arbeitslose weniger. Das ist der höchste Hauser!) Rückgang der Arbeitslosigkeit in den neuen Bundes- wie diese Bundesregierung unter Führung des Bun- ländern seit der Wende. Wir haben im letzten Monat deskanzlers Helmut Kohl. erstmals einen Anstieg der Beschäftigung im verar- beitenden Gewerbe gehabt. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Wür Jeder, der ein wenig Ahnung hat, weiß, wie sehr sich den Sie mit solchen Werten auch in Ost Helmut Kohl immer wieder persönlich hierfür einge- deutschland auftreten?) setzt hat und dies auch heute noch tut. Wir haben im ersten Vierteljahr 1998 das höchste - Erinnern wir uns: Die Schaffung der Wirtschafts gesamtdeutsche Wirtschaftswachstum. Diesmal hat und Währungsunion vor acht Jahren war ein wichti- das Wachstum im Osten das im Westen erstmals seit ger Schritt, war eine wichtige Entscheidung für die langer Zeit überholt. Leistungsträger im Osten ist Menschen in den neuen Bundesländern. Unsolida- mittlerweile das verarbeitende Gewerbe, das im er- risch haben sich damals das Saarland und Nieder- sten Quartal ein Plus von 20 Prozent verbucht hat. sachsen verhalten. Herr Schröder und Herr Lafon- Erstmals seit 1991 trug das verarbeitende Gewerbe taine haben gegen die Wirtschafts- und Währungs- einen größeren Beitrag zur Bruttowertschöpfung in union gestimmt. Ostdeutschland bei als das Baugewerbe. Dies sind al- (Beifall bei der CDU/CSU) les Erfolge, die wir mittlerweile erreichen. Herr Schwanitz, damals haben Herr Schröder und Im verarbeitenden Gewerbe war im letzten Monat Herr Lafontaine den Osten im Stich gelassen, nicht ein Auftragsplus von über 30 Prozent zu verbuchen. diese Bundesregierung. (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Schade, (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) daß Sie die Wahrheit über Herrn Hauser nur der Presse sagen und nicht mir hier!) Seit der Wiedervereinigung ist ein kontinuierlicher Aufbauprozeß gestaltet worden. Es geht - auch dank unserer Hilfen - im Osten wieder voran. Das lassen wir uns von Ihnen nicht kaputtreden. (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Von Herrn Hauser?) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Der Bund hat mit Nettotransfers von über 600 Milliar- Allerdings bleibt es eine Daueraufgabe der Politik, den DM die Hauptlast getragen, während die alten den Bürgern zu erklären, daß mit dem Steuergeld Länder nur einen bescheidenen Beitrag von etwas verantwortlich umgegangen wird. Hier muß man im- über 70 Milliarden DM getragen haben. mer wieder an die Verantwortung der Länder für die Strukturpolitik und für die Schaffung von Arbeits- Die Kollegin Justizministerin Schube rt hat Anfang plätzen erinnern. Wenn Sie sich die Entwicklung der dieses Jahres, am 24. Februar 1998, in der „Welt" ge- neuen Länder anschauen, sehen Sie, daß es sich do rt sagt: ähnlich wie in den alten Ländern verhält. Überall Leider hat sich Niedersachsen im Gegensatz bei- dort, wo die CDU regiert oder an der Regierung be- spielsweise zu den Ländern Rheinland-Pfalz oder teiligt ist, haben wir die höchste Erwerbstätigen- Baden-Württemberg, die in Sachsen personelle quote. Wir haben leider in Sachsen-Anhalt, wo seit Aufbauhilfen leisten, längst aus der Helferstel- einigen Jahren die SPD zusammen mit der PDS re- lung herausgeschlichen. giert, den höchsten Rückgang der Erwerbstätigen quote. Das wirtschaftliche Wachstum ist do rt völlig Hier hat Herr Schröder bewiesen, wie er zu den zum Erliegen gekommen. In diesem Sinne ließe sich neuen Bundesländern steht. noch eine ganze Reihe von Beispielen aufzählen. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22327

Dr.-Ing. Paul Krüger Meine Damen und Herren, das Fazit lautet: Die auf der anderen Seite hat die SED genauso Politik der Bundesregierung und der CDU-regierten Schlimmes gemacht. Länder für wirtschaftliches Wachstum und für mehr Arbeitsplätze ist in der Sache ohne Alternative. (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!) - Sie sagen auch noch „sehr richtig" ! Das müssen Sie Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Achten Sie bitte sich mal überlegen: Das ist kein Vergleich mehr, das auf die Zeit! ist eine völlige Gleichsetzung von Unrecht in der DDR und Unrecht in der Nazizeit. Das ist schlimm Dr.-Ing. Paul Krüger (CDU/CSU): Ja, Herr Präsi- und hat zwei verschiedene Aspekte. dent. Ich bin gleich zu Ende. - Hierüber hatten wir auch schon Konsens. Leider wurde dieser Konsens Der eine Aspekt ist - das kann ich nicht lustig zunehmend verlassen. Deshalb kann man nur sagen: finden, und ich kann auch nicht satirisch darüber Wir sollten versuchen, wieder an diesen Konsens, reden -: Wir haben eine Menge ganz alter Mitglie- den wir zum Beispiel bei der steuerlichen Wi rt der, die noch im KZ gesessen haben oder noch in der -schaftsförderung erreicht hatten, anzuknüpfen. Statt Emigration waren. Sie müssen sich mal überlegen, die Menschen zu verunsichern und zu demotivieren, was es für diese Menschen bedeutet, wenn Sie einen ist es richtiger und besser, den Menschen in Ost und solchen Satz sagen. West weiter Mut zu machen, den Wiederaufbau in Der zweite Aspekt ist - und das ist noch viel ent- den neuen Bundesländern weiterhin kontinuierlich- scheidender -: Daß die SED Unrecht begangen hat, voranzubringen. das ist wahr. Daß man das verurteilen darf, ist auch Vielen Dank. wahr. Aber wenn Sie sagen „genauso Schlimmes", dann sagen Sie auch: Die NSDAP hat nichts Schlim- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) meres gemacht als die SED. Das heißt, Sie bagatelli- sieren die Verbrechen der Nazizeit in ungeheuerli- Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat der cher Art und Weise! Kollege Dr. Gregor Gysi, PDS. (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordne ten der SPD) Dr. Gregor Gysi (PDS): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Austermann, Sie haben Es gab in der DDR kein Auschwitz, es gab keinen gesagt, was die Geschichte der SED und der DDR zweiten Weltkrieg durch die DDR. betrifft, habe die PDS in ihrem Programm stehen: Wir haben uns für nichts zu entschuldigen. (Lebhafte Zurufe von der CDU/CSU und der F.D.P. - Zuruf von der CDU/CSU: Tote (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Richtig!) an der Mauer!) - Das ist eine glatte Unwahrheit. Es gibt nicht ein ein- - Es gab kein Auschwitz in der DDR, selbstverständ- ziges Programm der PDS, in dem ein solcher Unsinn lich! Sie haben ja überhaupt keine Ahnung, was da steht. In unserem Parteiprogramm gibt es einen gan- in der Nazizeit gelaufen ist. zen Abschnitt der kritischen Auseinandersetzung mit der Geschichte. Das kann ungenügend sein. Damit Ihr Regierungssprecher hat auch noch gesagt, die mögen Sie sich auseinandersetzen; das wäre Ihr gutes Tolerierung der SPD-Regierung in Sachsen-Anhalt Recht. Aber zu behaupten, daß wir einen solchen Un- durch die PDS sei in etwa so, als ob eine Nachfolge- sinn geschrieben hätten, das ist einfach falsch. Das organisation der NSDAP hier in der alten Bundesre- steht in keinem einzigen Programm der PDS. publik nach 1945 mitregiert hätte. Darf ich Ihnen dazu sagen: Wenn Sie dieses Thema ansprechen, (Beifall bei der PDS) sollten Sie vorsichtig sein; denn die CDU/CSU hatte Meine Vorrednerinnen und Vorredner, insbeson- nie Schwierigkeiten damit, alte Nazis nach 1945 mit- dere Bundesminister Bohl, aber auch Sie, Herr regieren zu lassen. Austermann und Herr Koppelin, haben sich zu der NSDAP-Äußerung des Regierungssprechers verhal- (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordne ten. Deshalb will ich auch dazu etwas sagen. Da ist ten der SPD) kein Vergleich angestellt worden, wobei man auch Das ist einfach eine Wahrheit, und das kriegen Sie Vergleiche für unzulässig halten kann; denn die auch nicht weg. Ich kann Ihnen hier die Namen auf- haben ja einen bestimmten Sinn. Formal kann man zählen, und Sie kennen sie auch alle selbst. theoretisch alles vergleichen, aber es geht ja um den politischen Sinn von Vergleichen. Aber das war kein (Zurufe von der CDU/CSU und der F.D.P.) Vergleich. Auch die Äußerung zu Ostdeutschland, Herr Ich lese Ihnen jetzt nicht aus einem Inte rview vor, Austermann, haben Sie absichtlich unvollständig sondern Sie haben als Regierungssprecher auf der zitiert. Denn an der Stelle geht es weiter. Da sagt Bundespressekonferenz wörtlich folgendes gesagt: nämlich Herr Hauser: Die NSDAP hat während der nationalsozialisti- Die Menschen in Ostdeutschland sollten aber schen Zeit Schlimmes gemacht. Da ist nichts ent- wissen, daß die Hilfsbereitschaft mit der Wahl schuldbar. Aber - von Extremisten nicht überstrapaziert werden schon dieses „aber" ist sehr merkwürdig - darf. 22328 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Dr. Gregor Gysi Das ist doch eine glatte Drohung! Denn vorher hat Ich bin selber mit meiner Mutter 1947 „schwarz" er ja klar gesagt, daß er mit Extremisten die PDS über die Grenze in Walkenried im Harz gegangen; meint. Damit sagt er doch: Wenn die PDS gewählt ich habe am Todesstreifen gelebt und habe alles mit- würde, wäre das eine Überstrapazierung, und dann erlebt. Wenn Sie sich heute hier mit reinem Gewissen gäbe es eine Reduzierung von Solidarität oder von hinstellen wollen und sagen, daß Sie Ihre Hände in Hilfsbereitschaft, wie er das formuliert, und damit Unschuld waschen können, dann ist das eine Unver- der Mittel für Ostdeutschland. Das heißt: Eine demo- schämtheit und eine Dreistigkeit! Denken Sie doch kratisch gewählte Regierung, die im Osten gerade bitte an Buchenwald! Das ist ein Symbol für die dafür plädiert, daß man sich an Demokratie gewöhnt, Nachfolgepartei, die Sie heute noch verkörpern. Ent- daß man alles überwindet, was mit Diktatur zu tun schuldigen Sie bitte, aber wenn ich mir Ihr Verhalten hat, stellt sich hin und sagt: Wenn ihr aber nicht so in der Enquete-Kommission „Aufarbeitung von Ge- wählt, wie wir es wollen, dann hat das Folgen für schichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutsch- euch! - Das ist natürlich das Gegenteil einer demo- land" unter dem Vorsitzenden Rainer Eppelmann be- kratischen Wahl, das ist die Ersetzung einer demo- trachte, dann möchte ich Rainer Eppelmann in die- kratischen Wahl durch Erpressung! sem Zusammenhang zitieren: (Beifall bei der PDS - Zuruf von der F.D.P.: Eine Partei, die sich so zu den Opfern der SED Unerträglich!) Diktatur äußert, hat den Boden des antitotalitären Konsenses der demokratischen Parteien noch Ich füge noch etwas hinzu. - nicht erreicht und kommt deshalb bis auf weiteres (Zuruf von der CDU/CSU: Unerträglich!) für parlamentarische Bündnisse und Absprachen auf Regierungsebene nicht in Betracht. Es wird im übrigen auch ganz falsch dargestellt. Sie tun so, als ob der Aufbau Ost über Spenden finan- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge ziert würde. Der Solidaritätszuschlag ist eine knall- ordneten der F.D.P.) harte Steuer, die man in Ost und West bezahlen muß, Aber was ist in Magdeburg geschehen? Was hat unabhängig davon, ob man sich besonders solida- Herr Höppner dort gemacht? Dort wird der PDS die risch verbunden fühlt oder nicht. Das heißt, nur Sie Hand gereicht zum Vergessen. Das ist der wahre als Gesetzgeber hätten die Möglichkeit, die Bela- Skandal. Die Sozialdemokraten kündigen hier den stung zu reduzieren. Sie appellieren an ein Gefühl, über die Parteigrenzen hinausgehenden Konsens um das es im Zusammenhang mit dieser Frage nie auf, der darin besteht, daß keine Bündnisse mit ging. Sie haben doch niemanden gefragt, als Sie den Rechts- und Linksextremisten geschlossen werden. Solidaritätszuschlag eingeführt haben, sondern Sie Sie haben die PDS salonfähig gemacht. haben das mit Mehrheit im Bundestag beschlossen. Also: Nur Sie haben die Möglichkeit, diese A rt der Ihr Bundesgeschäftsführer Müntefering hat ein Solidarität zu reduzieren. Folglich drohen Sie mit Ge- weiteres fatales Signal gesetzt, als er gesagt hat, daß setzesänderungen für den Fall, daß nicht so gewählt er das Magdeburger Modell noch auf andere Bun- wird, wie Sie sich das vorstellen. Das ist ungeheuer- desländer übertragen will. Es ist schon schlimm, wie lich. Deshalb hoffe ich, daß genügend Menschen so- man hier versucht, Desinformationen in die Öffent- viel Stolz besitzen und sagen: dann erst recht. lichkeit hineinzutragen. Herr Koppelin, eines muß ich Ihnen auch noch sa- Ich möchte noch einen weiteren Punkt ansprechen. gen. Sie haben gesagt: Aufbau Ost bleibt Priorität. Der Kanzleramtsminister hat es vorhin schon gesagt: Sie haben außerdem gesagt: Mehr Arbeitsplätze und Die PDS - hier zitiere ich - ist der or- mehr Aufschwung werden dazu führen, daß die PDS ganisierte Widerstand gegen den Erfolg der deut- - die ja angeblich davon lebt, daß dieses alles noch schen Einheit. Das ist genau der Punkt, bei dem die nicht eingetreten ist - weniger gewählt wird. Deshalb Demokraten aufpassen müssen. Ich fordere die SPD bleibe dies auch weiterhin Ihre Priorität. Wenn das so auf, wieder auf die Grundposition der Demokraten stimmt, dann haben wir auf jeden Fall einen Sinn. zurückzukommen. Denn mit Ihren Äußerungen erklären Sie ja, daß es (Beifall bei der CDU/CSU) ohne die PDS diese Anstrengungen der Regierung nicht geben würde. Aber wegen uns werden Sie sich Folgendes gehört ebenfalls zu diesem Konsens. weiterhin bemühen müssen. Wenn das stimmt, dann Über das muß auch noch gesprochen werden. gab es uns in den letzten acht Jahren nicht umsonst. Ich glaube, daß das so auch in den nächsten Jahren (Zuruf des Abg. Wolf-Michael Catenhusen bleibt. [SPD]) (Beifall bei der PDS) - Herr Catenhusen, Sie können soviel schreien, wie Sie wollen - Recht bleibt Recht. Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat der Im jüngsten Urteil des Bundesgerichtshofes be- Kollege Erich Maaß, CDU/CSU. kommt der Ministerpräsident Stolpe ebenfalls eine Quittung dafür. Ein so hohes Amt wie das des Mi- Erich Maaß (Wilhelmshaven) (CDU/CSU): Herr nisterpräsidenten darf nicht ins Zwielicht geraten. Es Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! gehört zur demokratischen Hygiene, daß so etwas auf- Die Dreistigkeit von Herrn Gysi verschlägt einem die gearbeitet und nicht unter den Teppich gekehrt wird. Sprache. (Beifall bei der CDU/CSU - Zurufe von der (Beifall bei der CDU/CSU) SPD) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22329

Erich Maaß (Wilhelmshaven) - Auch wenn Sie noch soviel schreien und versuchen, Hand in Hand mit der SED haben diese Funktionäre die Sachen noch so sehr zu verdrehen, sage ich Ihnen ihren Teil der Verantwortung für die Unterdrükungs- trotzdem eines: Die Wahrheit zu ertragen tut weh. mechanismen in der DDR getragen. Vorhin hat der Kanzleramtsminister gesagt, wie (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Wo sich Gerhard Schröder in der „Leipziger Volkszei- sind Sie denn?) tung" am 15. Januar geäußert hat: „Wir können die Seien Sie doch einmal ganz ehrlich, meine Herren: ja schließlich nicht an Polen abtreten." Er hat am sel- Das waren doch keine Opfer des Systems. ben Tag noch einen draufgesetzt: „Manchmal wünschte man den Südkoreanern eine Wiederverei- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) nigung mit dem Norden, damit die auf den Welt- CDU-Funktionäre und Funktionäre der Bauern- märkten etwas schwächer werden." Das ist die Ge- SED waren Stellvertreter Honeckers und stellvertre- sinnung und der Geist Ihres Kanzlerkandidaten. tende Präsidenten der Volkskammer. Die Ost-CDU (Lachen bei der SPD) rechtfertigte und unterstützte die Niederschlagung des Arbeiteraufstands von 1953, den Mauerbau von Meine Damen und Herren, Sie können noch soviel 1961, die Einführung des Wehrkundeunterrichts an versuchen: Ein Helmut Kohl geht als Kanzler der den Schulen im Jahre 1978, Wiedervereinigung in die Geschichte der Bundesre- (Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/ publik Deutschland ein. Wir werden nicht nachlas- CSU]: Wo kam Grotewohl denn her?) sen, unserer Aufgabe gerecht zu werden. die Fälschung der Kommunalwahl im Jahre 1989 und (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Frie- Ich fordere Sie an dieser Stelle auf: Statt Zwietracht dens in Peking im Jahre 1989. Lesen Sie die Zeitzeu- zu streuen, kommen Sie wieder auf die Basis der De- gen nach. mokraten zurück, die Sie in Magdeburg beginnen zu Meine Damen und Herren, die Bürgerrechtsbewe- verlassen! gung der DDR hielt sich aus gutem Grund von der Ost-CDU fern. Ihr sächsischer Minister (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - kann Ihnen davon ein Lied singen. Alle Aufarbei- Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Gerade tungsversuche der CDU in Ostdeutschland sind an Sie!) den Ost-Kadern gescheitert, die Sie do rt haben. Sie haben aus der Vergangenheit keine Konsequenzen gezogen. Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat un- ser Kollege Uwe Küster, SPD. (Widerspruch bei der CDU/CSU) (Dr. Wilfried Penner [SPD]: Uwe, erzähl Für die vielen Blockparteifunktionäre, die auch mal was von Magdeburg!) heute noch hohe Verantwortung tragen, möchte ich stellvertretend zwei nennen. Ul rich Junghanns: Er trat 1974 in die Bauern-SED ein und war unter ande- Dr. Uwe Küster (SPD): Herr Präsident! Meine sehr rem führendes Mitglied des Parteivorstandes des De- verehrten Damen und Herren! Der PDS wird völlig mokratischen Bauernverbandes der DDR. Ihr Kollege zu Recht vorgeworfen, daß sie sich als SED-Nachfol- Junghanns verteidigte noch am 3. Juli 1989 - ich wie- gepartei zu ihrer SED-Vergangenheit nicht deutlich derhole: des Jahres 1989 - die Mauer. Ich zitiere: genug verhält, nicht in die Verantwortung eintritt und die Vergangenheit nicht konsequent aufarbeitet. Was die Mauer betrifft, so lassen wir uns nicht de- Es gibt dort Versuche, aber die Partei als Ganzes ren Schutzfunktion ausreden - ganz einfach, weil steht noch nicht deutlich genug da, wo sie hin muß. wir den Schutz spüren vor all dem, was hinter der Mein Kollege Stephan Hilsberg hat gestern deutlich Mauer an brauner Pest wuchert. in der Debatte zum 17. Juni gesagt, wie wir uns eine Wie gesagt, 1989 Ihr Fraktionskollege. Geschichtsaufarbeitung seitens der PDS vorstellen. Aber auch niemand aus den ehemaligen Ostparteien Ihr Kollege Rolf Rau, der seit 1976 Ost-CDU-Mit- CDU, LDPD, NDPD und der Bauern-SED, niemand glied ist. dieser ehemaligen SED-Funktionäre hat sich ent- (Dr. Winfried Penner [SPD]: Aha!) sprechend verhalten und versucht, Aufarbeitung zu betreiben. Seit 1987 saß er im Hauptvorstand der Ost-CDU - wirklich an der Spitze - und gehörte auch zum Natio- (Peter Dreßen [SPD]: Sehr wahr!) nalrat der Nationalen Front der DDR. Wissen Sie, Wichtige ehemalige DDR-Funktionäre sitzen heute was der Nationalrat war? Das war die Volksfront in für die CDU und für die F.D.P. im Bundestag, aber der DDR. Do rt hat er gesessen. auch in den Landtagen und in den Landesregierun- Am 13. Oktober 1989, also zu einem Zeitpunkt, zu gen. dem schon viele Menschen unterwegs waren, unter- zeichnete Ihr Kollege mit anderen Vertretern der (Beifall bei Abgeordneten der SPD - Volksfront in der DDR folgendes: Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast [SPD]: So ist es! - Ulrich Heinrich [F.D.P.]: Was habt Alle Parteien und Massenorganisationen legten denn ihr gemacht?) Vorstellungen dar, wie der in Gang gesetzte Dia- 22330 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Dr. Uwe Küster log im Bezirk in der Breite geführt werden muß. in unserem Land auseinandergetrieben werden. Ge- Dafür haben wir alle erforderlichen Formen und nau das hat der Ministerpräsident von Sachsen-An- Foren der sozialistischen Demokratie. halt aber getan. Gratulation! Weiter heißt es an anderer Stelle: (Widerspruch bei der SPD) Ein untauglicher Platz für jedes Gespräch ist die Er hat die Menschen mit dem Argument getrennt, Straße, ist die öffentliche Demonstration. daß die letzten 40 Jahre die gemeinsame Substanz Das ist ein klares Bekenntnis gegen die Montagsde- weitgehend zerstört hätten. Es kann sich doch jeder monstrationen. selbst ausmalen, welche Wirkungen eine solche Aus- sage auf die Menschen im Westen Deutschlands ha- (Beifall bei der SPD - Zuruf von der SPD: ben kann. Hört! Hört!) Wenn die SPD dann mit denjenigen gemeinsame Ihr Kollege Rolf Rau stand noch im Oktober 1989 Sache macht, die diese nationale Spaltungstendenz dort, wo er politisch immer gestanden hat: fest und zum politischen Programm erhoben haben, so ist das treu an der Seite der SED. ein Angriff auf die nationale Solidarität. (Zuruf von der CDU/CSU: Sagen Sie doch (Beifall bei der CDU/CSU - Lachen bei der einmal etwas zur PDS!) PDS) Bundeskanzler Helmut Kohl hat offenbar keine - Darauf hat Regierungssprecher Hauser mit seiner Probleme damit gehabt, sich 1990 und 1994 von die- Äußerung in der Chemnitzer „Freien Presse" hinge- sen ehemaligen Volksfront-Funktionären zum Kanz- wiesen. Die Reaktionen der Bevölkerung zeigen, daß ler wählen zu lassen - wählen zu lassen von jenen die von Otto Hauser ausgesprochene Sorge begrün- Abgeordneten, die ihre Loyalität zur SED-Diktatur det ist. Es ist doch wahr, daß das Kapital aus dem We- auch noch bekundeten, als die Menschen längst auf sten im Osten nicht einen neuen Sozialismus auf- der Straße waren, um für Freiheit und Demokratie zu bauen will, wie es die „FAZ" vor einigen Tagen for- kämpfen. muliert hat. (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: So ist es!) (Lachen bei der PDS) Ich fordere die CDU - die CSU hat sich davon ja Regierungssprecher Hauser hat genau auf diesen schon distanziert - und auch die F.D.P. auf: Bekennen Sachverhalt gezielt; er hat den Menschen nicht mit Sie sich zu Ihrer eigenen Vergangenheit! Leisten Sie dem Entzug der Aufbauhilfe Ost gedroht. Er hat aber Ihren überfälligen Beitrag zur Aufarbeitung Ihrer ausdrücklich darauf hingewiesen, daß der Aufbau DDR-Geschichte! Ost oberste Priorität für diese Bundesregierung hat. (Beifall bei der SPD) (Rudolf Bindig [SPD]: Kauderwelsch!) Weisen Sie nicht mit Ihrem spitzen Finger immer nur auf die eine Partei! Sie haben die ganzen Blockisten Ich betone noch einmal: Wir haben allen Grund, geschluckt. Die DDR-Funktionäre sitzen in Ihren Rei- ernst zu nehmen, wie die Bevölkerung in ganz hen. Deutschland auf die Beteiligung derjenigen reagie rt, die das ganze Unglück in der ehemaligen DDR zu (Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU/ verantworten haben. CSU: Stolpe!) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat der Die Bevölkerung sieht in ihrer Mehrheit mit Sorge Kollege Volker Kauder, CDU/CSU. und Bestürzung, daß die SPD mit der Partei zusam- menarbeitet, die die großen Geldmittel für den Auf- bau Ost negiert und vor allem versucht, den Men- Volker Kauder (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine schen im Osten den berechtigten Stolz auf die groß- sehr verehrten Damen und Herren! Mit der Wieder- artige Aufbauleistung auszutreiben. vereinigung von alter Bundesrepublik Deutschland und ehemaliger DDR ist ein neues Land entstanden. (Beifall bei der CDU/CSU) Das neue, wiedervereinigte Deutschland hat ganz neue Herausforde rungen zu bestehen und steht in Die PDS will den Erfolg der deutschen Einheit seiner Gesamtheit vor anderen Aufgaben als die alte nicht, weil sie weiß, daß dies ihr Ende ist. Mit einer Bundesrepublik Deutschland und die ehemalige solchen Partei arbeitet die SPD zusammen. Wie weit DDR früher. Wir tragen gemeinsam Verantwortung sind Sie in der SPD gesunken, wenn Sie dies auch für den Aufbau Ost, aber auch für die weitere Ent- noch rechtfertigen? wicklung der alten Bundesländer. Jede dieser Aufga- (Beifall bei der CDU/CSU) ben hat ihre speziellen Probleme. Das sind aber die Probleme der Menschen im Westen und im Osten. Glauben Sie denn wirklich, daß ein solches Verhalten der SPD - mit denen zusammenzuarbeiten, die den Wir werden die Herausforde rungen der Zukunft Erfolg der deutschen Einheit nicht wollen - die Soli- nur dann bewältigen, wenn wir sie als eine gemein- darität der Menschen in Ost und West stärkt? same Aufgabe betrachten und nicht als eine, die ein- mal die im Osten und einmal die im Westen betrifft. (Peter Dreßen [SPD]: Was ist mit Ihren eige Deshalb dürfen wir nicht zulassen, daß die Menschen nen Leuten?) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22331

Volker Kauder Die Aussagen Höppners, daß die letzten 40 Jahre Wenn Herr Austermann vorhin gesagt hat, daß die die gemeinsame Substanz weitgehend zerstört hät- Solidarität der CDU/CSU in diesem Punkt gegeben ten, und die enge Zusammenarbeit der SPD mit der ist, dann muß ich feststellen, daß kein einziger CSU PDS in den neuen Ländern gefährden das Verständ- Kollege im Saal war. Ich begrüße, daß jetzt Herr nis der Menschen in Ost und West füreinander. Die- Spranger als Minister da ist. sen Sachverhalt hat Otto Hauser beschrieben. Daher haben diejenigen, die diesen Sachverhalt herbeige- (Zurufe von der CDU/CSU) führt haben, die zu einer Entsolidarisierung der Men- - Sie sind wesentlich später gekommen. Ich habe Sie schen in Deutschland beitragen, überhaupt keinen doch genau gesehen. Grund, denjenigen zu beschimpfen, der diesen Sach- verhalt nur feststellt. Sie haben Heuchelei betrieben, als Sie behauptet haben, Sie würden sich nicht mit Extremisten verbin- (Beifall bei der CDU/CSU) den. Herr Bohl, zumindest Sie müßten sich doch erin- nern können, wie es 1969 war, als es zwei Kandida- Der SPD rufe ich zu: Nehmen Sie sich ein Beispiel ten für das Amt des Bundespräsidenten gab. Der an Ministerpräsident Erwin Teufel von der CDU in eine war Herr Schröder von der CDU/CSU, der an- Baden-Württemberg! dere war Gustav Heinemann. Herr Schröder wäre (Dr. Wilfried Penner [SPD]: Er beschimpft sich nicht zu fein gewesen, sich mit NPD-Stimmen seine eigenen Leute!) zum Bundespräsidenten wählen zu lassen. Wären - nicht CDU-Mitglieder dagewesen, die Heinemann Lassen Sie ab von Extremisten, arbeiten Sie nicht mit gewählt haben, dann wäre es so gekommen. Das ihnen zusammen, und denken Sie an Ihre eigene Ge- müssen Sie doch genau wissen; Sie waren damals si- schichte! Wer mit Extremisten zusammenarbeitet, cherlich schon dabei. der macht sie hoffähig. Genau dies tun Sie in Sach- Das ist die geschichtliche Wahrheit. Wenn Sie jetzt sen-Anhalt. Sie brauchen sich nicht zu wundern, heucheln, die PDS sei eine extremistische Partei, mit wenn die Menschen sagen: Es ist doch nicht in Ord- der die CDU nichts zu tun habe, dann kündigen Sie nung, daß mit denjenigen zusammengearbeitet wird, doch die unzähligen kommunalen Bündnisse in den die diesen ganzen Schlamassel in der ehemaligen neuen Ländern, wo Sie bis zum Gehtnichtmehr mit DDR herbeigeführt haben. Dies ist ein Akt des Ver- der PDS kungeln. lassens der Solidarität der Demokraten. (Beifall bei der SPD - Widerspruch bei der (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) CDU/CSU) Warum haben Sie im Landtag von Sachsen-Anhalt so Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat der viele Anträge gemeinsam mit der PDS eingebracht? Kollege Hans Georg Wagner, SPD. CDU und PDS haben Anträge gegen die Regierung von Reinhard Höppner eingebracht. Das ist die Wahrheit. Da können Sie machen, was Sie wollen. Hans Georg Wagner (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Soviel Heuchelei wie heute Eine weitere Frage: Vorige Woche, am Montag und abend habe ich selten erlebt. am Dienstag - Herr Bohl, Sie waren sicherlich auch dabei -, war der letzte große bedeutende Kommunist (Beifall bei Abgeordneten der SPD) der ehemaligen Sowjetunion, Bo ris Jelzin, hier in Bonn. Warum haben Sie denn Herrn Jelzin hier emp- Ich habe noch keine Distanzierung Ihrer Blockflöten fangen, wenn man mit Kommunisten nicht reden von der Allparteienregierung in der ehemaligen DDR darf? Oder warum jubeln Sie Herrn Gorbatschow zu, gehört. Es ist bisher kein Wo rt dazu gesagt worden. wenn der nach Deutschland kommt? Ich frage mich: Der Kollege Küster hat ja einige Namen vorgelesen. Waren das keine ehemaligen Kommunisten? Wenn Die Distanzierung Ihrer Blockflöten, die Bundeskanz- Sie, die Sie, zumindest die 25 ehemaligen Blockflöten ler Kohl gewählt haben, von der ehemaligen Allpar- hier im Saal, in einer Allparteienregierung mit der teienregierung in der DDR hat es bis heute nicht ge- ehemaligen SED gesessen haben, dann auch noch geben. die SED bzw. die PDS mit den Nazis gleichstellen, (Beifall bei der SPD - Jürgen Koppelin dann frage ich mich: Mit wem haben Sie, meine Da- [F.D.P.]: Grotewohl!) men und Herren Blockflöten hier im Saale, damals ei- gentlich überhaupt paktiert in der ehemaligen DDR? - Herr Kollege Koppelin, wenn Sie hier Tränen ver- (Beifall bei der SPD sowie der Abg. gießen, indem Sie sagen, wir hellen den neuen Län- Dr. Barbara Höll [PDS]) dern, dann frage ich Sie: Wer will denn den Solidar- zuschlag abschaffen? Sie doch! Den zur Finanzierung Zurück zu Herrn Hauser. Es hat mich bald vom der deutschen Einheit in den neuen Ländern benö- Stuhl gehauen, daß sich Herr Hauser, ein CDU-Ab- tigten Solidarzuschlag wollen Sie doch abschaffen. geordneter aus Baden-Württemberg, einem Land, Sie Heuchler! das nach Bayern den Bundeshaushalt melkt wie eine Kuh, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN (Widerspruch bei der CDU/CSU und der und der PDS) F.D.P.) 22332 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Hans Georg Wagner hinstellt und den Menschen in den neuen Ländern Dr. Friedbert Pflüger (CDU/CSU): Herr Präsident! Angst einjagen will, daß man ihnen, weil sie in demo- Meine Damen und Herren! Ich gehöre dem Vorstand kratischen Wahlen nicht die CDU gewählt haben, des Vereins „Gegen Vergessen - Für Demo- das Geld abknöpfen will. Das ist - ich sage das so - kratie e.V." an. eine ausgemachte Sauerei. (Hans Georg Wagner [SPD]: Ich bin auch (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- Mitglied dieses Vereins!) ten der PDS - Dr.-Ing. Paul Krüger [CDU/ Der Vorsitzende ist Hans-Jochen Vogel, und Hanna CSU]: Saarland!) Renate Laurien von meiner Partei ist stellvertretende Vorsitzende. Das Ziel dieses Vereins ist es, die Hin- - Vielen Dank für das Stichwort Saarland, Herr Kol- terlassenschaft und die Geschichte von zwei deut- lege Krüger. Sie haben es vielleicht nicht mitbekom- schen Diktaturen aufzuarbeiten. Ich bin gerne in men, daß das Saarland das erste Bundesland war, dem Verein. Niemand in dem Verein und, wie ich das sich zur Bundesrepublik Deutschland bekannt glaube, auch niemand hier bestreitet oder relativiert hat - lange vor 1989. Wir haben den Mut gehabt, die Shoa, den Holocaust. Die industrielle Vernich- während der französischen Besatzungszeit zu sagen, tung von sechs Millionen Juden ist das Furchtbarste, wir gehen nach Deutschland. Das war am 23. Oktober was in der deutschen, ja wahrscheinlich in der 1955. Da können Sie sagen, was Sie wollen: Es war Menschheitsgeschichte geschehen ist. Niemand rela- damals so. Deshalb sollten Sie das Saarland bei Ihren - tiviert das. Niemand verkennt die Unterschiede zwi- Betrachtungen außen vor lassen. Das Saarland zahlt schen den beiden Diktaturen. Die gibt es natürlich. für die neuen Länder genau wie alle anderen West- länder, über 2 Milliarden DM, obwohl der Haushalt (Dr. Gregor Gysi [PDS]: Na bitte! Dann darf schon schlecht war, als wir ihn von der CDU und man nicht „genauso" sagen! - Wolf Michael F.D.P. im Jahre 1985 übernommen haben. Da können Catenhusen [SPD]: Herr Hauser wird das Sie blöde lachen oder nicht lachen, aber das ist die mit Interesse hören!) Wahrheit. - Ich komme gleich zu dem, was Sie ansprechen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- Aber auch wenn es Unterschiede zwischen den ten der PDS - Gert Willner [CDU/CSU]: Das Diktaturen gibt, so gibt es doch auch Gemeinsamkei- Saarland bekommt Milliarden an Bundes- ten zwischen beiden Diktaturen. Diese dürfen wir hilfe! - Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: nicht verschweigen. Zugabe!) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge Ich verlange von Ihnen, daß Sie sich für den Spal- ordneten der F.D.P.) tungsversuch von Herrn Hauser entschuldigen. Herr Bohl, Sie haben zu Recht Willy Brandt zitiert: „Jetzt Eine wesentliche Gemeinsamkeit besteht darin, daß wächst zusammen, was zusammengehört. " Herr beide Einparteiensysteme waren. Beide Systeme Hauser hat genau das Gegenteil gemacht. Er ver- kennen keine Gewaltenteilung. Beide Systeme ken- sucht, Deutschland erneut zu spalten, und Ihrem Ge- nen kein Mehrparteiensystem, dafür aber Unterdrük- schrei zufolge im Auftrag der CDU/CSU und F.D.P. kung und Bespitzelung der Opposition. Wir haben Er hat ja als Regierungssprecher gesprochen. Er hat eine Kollegin in unseren Reihen, als Sprecher der Bundesregierung angedroht: Ihr be- (Rolf Köhne [PDS]: Was ist mit den Blockflö kommt Geld abgezogen. Das ist nun einmal so. Er ten?) war Regierungssprecher und kann sich aus dieser Si- tuation nicht so einfach verabschieden. die es erdulden mußte, daß sie der eigene Ehemann bespitzelte. Das war die Realität im SED-Staat. Ich meine also, meine Damen und Herren, daß sich erstens Ihre Blockflöten von der ehemaligen Allpar- Wir wissen um die unendlich vielen Opfer des Sta- teienregierung distanzieren sollten, und zwar mög- linismus in Osteuropa. lichst schnell und möglichst bald, und sich Herr Hau- (Zuruf von der CDU/CSU: Bautzen!) ser zweitens bei den Bürgern in den neuen Ländern entschuldigen sollte. Es ist gerade ein Schwarzbuch darüber herausge- kommen. Auch dort hat es Massenmorde gegeben. Schönen Dank. Es hat auch Mord als Instrument der Führung und der Diktatur in Ostdeutschland gegeben: Bautzen, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- Mauer und Stacheldraht stehen dafür. Dieses Un- ten der PDS - Lachen bei der CDU/CSU - recht darf man doch nicht verschweigen. Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/ CSU]: So etwas Blödes habe ich schon (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge lange nicht mehr gehört! - Weiterer Zuruf ordneten der F.D.P.) von der CDU/CSU: Ein echter Saarländer!) In dem Moment, wo ich dieses Unrecht benenne, be- gehe ich doch nicht den Fehler zu sagen, alle Dikta- turen sind gleich. Aber in beiden Diktaturen finden Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat der sich auch sehr ähnliche totalitäre Elemente. Deswe- Kollege Dr. Friedbert Pflüger, CDU/CSU. gen hat der Totalitarismusbegriff seine Berechtigung. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22333 Dr. Friedbert Pflüger Wenn ich in der „FAZ" von heute lese: „Bisky ent- ben, als Sie sich in die Tradition dieser Partei gestellt schuldigt sich für SED-Unrecht", so glaube ich, daß haben. Wir glauben ferner, daß Herr Höppner den man das erst einmal ernst nehmen sollte. Gleichzeitig falschen Weg gewählt hat, als er sich mit diesen Leu- lese ich aber, daß Herr B rie, der PDS-Wahlkampf- ten verbündet hat und somit nicht mit uns zusammen chef, sagt, daß Deutschland voranbringt. zahlreiche ... PDS-Mitglieder ihr antiquiertes Bild (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - vom 17. Juni nicht ändern könnten ... Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Das war ein Appell an Herrn Hauser! - Werner Schulz (Rolf Kutzmutz [PDS]: Das gibt es doch bei [Berlin] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Ihnen auch!) Sie noch etwas zu Herrn Hauser!) Viele seien unfähig, sich von dem offiziellen SED- Geschichtsbild zu lösen ... Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Die Aktuelle Ich habe in der Demokratie gelernt - das sollten wir Stunde ist beendet. doch alle gelernt haben -, daß man vor dem Hinter- Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt auf- grund der deutschen Diktaturen eines nicht mehr rufe, muß ich auf den Abstimmungsmarathon zurück- machen darf, nämlich die Grenzen zwischen Demo- kommen, den wir vorhin durchgeführt haben. Ich kratie und Diktatur verschwimmen zu lassen habe einen Fehler gemacht. Ich habe am Anfang ver- (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Sehr rich- sucht, über die Sammelübersichten des Petitions- tig!) ausschusses gemeinsam abstimmen zu lassen, was natürlich gar nicht geht. Dieser Fehler ist danach aber und keine klare Linie zu ziehen. Sie haben diese Linie geheilt worden, weil wir dann über die einzelnen nicht gezogen; Sie haben sich als PDS direkt in die Sammelübersichten abgestimmt haben, so daß es Tradition der SED gestellt. Das werfen wir Ihnen vor; über die Abstimmungsergebnisse keine Unklarheit das werden wir Ihnen immer vorwerfen, Herr Gysi. geben kann. Ich bitte diesen Fehler zu entschuldigen. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Werner Schulz [Berlin] [BÜNDNIS 90/DIE Ich rufe den Tagesordnungspunkt 10 auf: GRÜNEN]: Wenn Sie das als Regierungs- Beratung der Beschlußempfehlung und des sprecher vortragen würden, wäre das gut! - Berichts des 2. Untersuchungsausschusses Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Wenn nach Artikel 44 des Grundgesetzes (DDR-Ver- Herr Hauser das vortragen würde, wären mögen) wir doch zufrieden!) - Drucksache 13/10900 - Ich möchte noch sagen, daß Herr Höppner nach Berichterstattung: der Wahl einen, wie ich finde, großen und folgen- Abgeordnete Dr. Wolfgang Götzer schweren Fehler gemacht hat. Die Erkenntnis aus Friedhelm Julius Beucher der Weimarer Republik und aus den deutschen Dik- Antje Hermenau taturen dieses Jahrhunderts sollte sein: Die Diktatu- Dr. Klaus Röhl ren sind nicht entstanden, weil es zu viele Nazis oder Wolfgang Bierstedt zu viele Kommunisten gab, sondern sie sind entstan- den, weil es zu wenige kampfbereite Demokraten im Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für Zentrum gegeben hat, die im Moment der Bedro- die Aussprache eine Stunde vorgesehen. - Wider- hung der Demokratie zusammengehalten haben. spruch höre ich nicht. Dann ist es so beschlossen. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Ich eröffne die Aussprache. Das Wo rt hat der Kol- sowie bei Abgeordneten der SPD) lege Volker Neumann, SPD. Deshalb hätte Herr Höppner am Wahlabend sagen müssen: Zwar mag ich die Vertreter der CDU nicht, Volker Neumann (Bramsche) (SPD): Herr Präsi- aber angesichts von 13 Prozent der Stimmen für die dent! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben Ih- DVU und 19 Prozent der Stimmen für die PDS ist es nen heute morgen den Abschlußbericht des Untersu- für mich eine Selbstverständlichkeit, daß wir jetzt als chungsausschusses „DDR-Vermögen" vorgelegt. Demokraten zusammenarbeiten, uns gegen die Rän- Daß die entsprechende Debatte erst so spät stattfin- der verbünden und eine Politik für Sachsen-Anhalt det, liegt sicher nicht an den Anwesenden. und für Deutschland machen. Das wäre staatsmänni- Gegenstand unserer Untersuchungen waren offen- sche und verantwortungsvolle Politik gewesen. gebliebene Fragen des Untersuchungsausschusses (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - „Kommerzielle Koordinierung" und des Untersu- Hans Georg Wagner [SPD]: Stimmt doch chungsausschusses „Treuhandanstalt" der letzten gar nicht! Herr Hintze war aber dagegen!) Wahlperiode. Daneben sind weitere Fragen aufge- taucht, die wir zum Teil intensiv, wie etwa die Vor- Wir bestreiten nicht, daß es zwischen den Diktatu- gänge um die Bremer Vulkan Verbund AG, oder nur ren Unterschiede gibt. Wir bestreiten aber auch ansatzweise, wie die Fragen zur Privatisierung von nicht, daß es Gemeinsamkeiten gibt. Vor diesem Hin- Leuna-Minol, oder gar nicht, wie die Privatisierung tergrund der Gemeinsamkeiten und auch des der Banken und LPGs, untersuchen konnten. Wir ha- schrecklichen Unrechts der SED-Diktatur glauben ben von Anfang an versucht, darauf zu achten, daß wir, daß Sie als PDS den falschen Weg gewählt ha- die Erwartungen an den Untersuchungsausschuß 22334 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Volker Neumann (Bramsche) nicht zu hoch gesteckt wurden. Sensationen waren Was ich nicht kritisieren kann und will, möchte ich von Anfang an nicht zu erwarten. aber festhalten: Viele frühere Funktionäre der DDR, die ihren Bürgern den Rechtsstaat vorenthalten ha- Untersuchungsausschüsse nach A rt . 44 des Grund- ben und die den unseren bekämpft haben, nutzen gesetzes ersetzen nicht die Ermittlungsbehörden, die nunmehr jede Möglichkeit dieses Rechtsstaates aus. Justiz- und die sonstigen Behörden, die sich mit den zivilrechtlichen Ansprüchen zu befassen haben. Das Obwohl sich der Kollege der PDS bemüht hat, im bedeutet aber nicht, daß sich aus den Ergebnissen Ausschuß kollegial mitzuarbeiten, wenn es nicht um des Untersuchungsausschusses nicht in vielfältiger das Vermögen der SED/PDS ging, war unverkenn- Weise Hinweise sowohl für strafrechtliche Ermittlun- bar, daß er sich jedenfalls bei der Feststellung von gen wie auch für Möglichkeiten zur Durchsetzung zi- Sachverhalten, die seine Partei oder die SED betra- vilrechtlicher Ansprüche ergeben würden. Gerade fen, weniger der Objektivität als seiner Partei ver- den letzten Gesichtspunkt haben wir nie aus den Au- pflichtet fühlte. Insbesondere gilt das für den Kom- gen verloren; denn es ging um das Geld der Bürger. plex, in dem es um nahezu 500 Millionen DM geht, Es ging um die Frage, ob vertragliche oder Schadens- den Komplex „Novum" . Dabei wird deutlich, daß ersatzansprüche gegenüber denjenigen durchgesetzt alte Verbindungen oder vielleicht auch neue Ver- werden können, die uns alle durch Untreuehandlun- pflichtungen zur Kommunistischen Partei Österreichs gen geschädigt haben. geblieben sind - vielleicht auch ein Beispiel für alte und neue Seilschaf ten. Ich möchte zunächst all denen danken, die an die- sem Ausschuß mitgewirkt haben: dem Sekretariat (Hans-Joachim Hacker [SPD]: Sehr richtig!) mit Frau Dr. Mockenhaupt-Gordon und Dr. Markus und ihren Mitarbeitern, den Mitarbeitern der Fraktio- Nahezu selbstverständlich ist, daß die CDU die Pri- nen Manfred Poburski, Ali von Wangenheim, Rudolf vatisierung durch die Treuhandanstalt bei der Be- Seiler, Dr. Lohs, Dr. Treulieb und Professor Gretchen wertung als einen großen Erfolg darstellt, wenn auch Binus. Finanzminister Waigel ehrlicherweise zugestehen mußte, daß wir alle Menschen sind und auch do rt (Beifall im ganzen Hause) Fehler unvermeidlich waren. Folgerichtig mußte die Danken möchte ich auch den Mitarbeitern der Opposition, nämlich meine Partei, die Finger auf die Bundesregierung, der BvS und der sonstigen Behör- Wunden der Versäumnisse legen, die sowohl von sei- den, die uns begleitet haben. Besonders bedanken ten der Treuhandanstalt und der BvS als auch von möchte ich mich für die kollegiale und faire Zusam- seiten des Bundesfinanzministers zu beklagen sind. menarbeit mit den Kollegen, bei denen allen das Be- Die hohe Zahl der Firmenzusammenbrüche und die mühen erkennbar war, den gemeinsam erteilten Auf- hohe Arbeitslosigkeit in den neuen Bundesländern trag des Deutschen Bundestags zu erfüllen und par- sind nicht gerade ein Beweis für eine Erfolgsstory. teipolitische Auseinandersetzungen, soweit es mög- Aber wir sollten nicht vergessen, daß wir nur die lich war, zu vermeiden. Schattenseiten der deutschen Einheit untersucht ha- Wir haben mit der Arbeit der Enquete-Kommis- ben und daß diese viel weniger bedeuten als die Tat- sion, die gestern diskutiert worden ist, einen wichti- sache, daß wir die Wiedervereinigung erleben durf- gen Beitrag geleistet, ein Stück Zeitgeschichte aufzu- ten und mithelfen konnten, daß - wie Wi lly Brandt arbeiten. sagte und was heute zum drittenmal zitiert wird - zu- sammenwächst, was zusammengehört. Wir legen den Untersuchungsausschußbericht vor, der deutlich macht, wie Menschen vor und nach der (Beifall bei der SPD und der F.D.P.) Wende ohne Rücksicht auf die Verantwortung ge- genüber der Gesellschaft versucht haben, ihre priva- Besonders wichtig erscheint mir, noch auf folgen- ten Vermögensinteressen zu befriedigen. Der Begriff des hinzuweisen. Gemeinsam ist es uns gelungen, der alten und neuen Seilschaften wird in vielfältiger die Verjährungsfrist für Straftaten der mittleren Kri- Weise dokumentiert. Aber wir müssen bescheiden minalität bis zum Jahr 2000 zu verlängern. Dennoch genug sein, zu sagen, daß wir möglicherweise nur ei- läßt sich voraussehen, daß auch innerhalb dieser Frist nen geringen Teil des Phänomens aufgedeckt haben. die strafrechtliche Aufarbeitung, jedenfalls im Be- reich der Wirtschaftskriminalität, nicht möglich sein Wir haben in 96 Sitzungen 92 Zeugen und Anhör- wird. personen gehört, wobei sich nicht alle gleichermaßen der Wahrheit verpflichtet gefühlt haben. Man kann (Dr. Klaus Röhl [F.D.P.]: Leider Gottes!) grundsätzlich sagen: Je mehr die Zeugen in dem Sy- stem der DDR verwoben waren, etwa als Mitarbeiter Die Justiz ist nicht in der Lage, die schweren Wi rt des MfS, desto weniger waren sie bereit, bei der Auf- -schaftsstraftaten mit dem jetzigen Personal kurzfri- klärung der Sachverhalte mitzuhelfen. stig abzuarbeiten. Als besonders bemerkenswe rt empfand ich es, daß Lassen Sie mich ein kurzes Fazit der Arbeit der die gesamte Führungsspitze der PDS unter Hinweis drei Untersuchungsausschüsse in den letzten sieben auf § 55 StPO bei Fragen nach Vermögensverschie- Jahren ziehen. Erstens. Das wirtschaftskriminelle bungen die Aussage umfassend verweigert hat, weil Unrecht, die Vermögensverschiebungen, die Un- nach ihrer Meinung die wahrheitsgemäße Aussage treuehandlungen, die Betrügereien, zum Teil mit möglicherweise strafrechtliche Konsequenzen ge- konspirativen Methoden des Staatssicherheitsdien- habt hätte. stes, sind erst unzureichend aufgearbeitet worden. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22335

Volker Neumann Zweitens. Der Staat - da meine ich den Bund und aber auch die Mißerfolge, bei der Überwindung ei- die Länder - hat am Anfang den Umfang der Verun- nes 40 Jahre bestehenden realen Sozialismus dar- treuungen sicher unterschätzt. Spätestens aber seit stellt. 1993 bzw. 1994 war der Umfang bekannt. Effektive Maßnahmen wären notwendig gewesen, sind aber Einer der Schwerpunkte der Tätigkeit war die nicht oder zu spät eingeleitet worden. Nachforschung nach weiteren Unternehmen des Be- reichs „Kommerzielle Koordinierung" über die be- Letztlich wird das Land Berlin - wenn nicht ein reits vom Untersuchungsausschuß der letzten Wahl- Wunder geschieht - bei der Aufarbeitung dieser periode festgestellten zirka 160 Unternehmen hin- Straftaten und der zivilrechtlichen Fragen möglicher- aus. Die vielfältigen Verflechtungen des Bereichs weise weitgehend allein bleiben. Ich habe eine Zeit- „Kommerzielle Koordinierung" mit dem Parteiappa- lang das Gefühl gehabt, daß bei Bund und Ländern - rat der SED, dem Ministe rium für Außenhandel und ohne ein Parteibuch zu nennen - der entschlossene dem MfS haben eine konkrete Zuordnung von Unter- Wille gefehlt hat, alles zu tun, das veruntreute Ver- nehmen und Vermögenswerten zu einer bestimmten mögen zu sichern. Institution und die Ermittlung und Rückführung von Vermögenswerten erschwert. Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Herr Kollege, achten Sie auf Ihre Redezeit. Um so erfreulicher ist es aber, daß die Treuhandan- stalt bzw. die BvS, unterstützt durch die Arbeits- gruppe „Koordinierte Ermittlungen", bis Februar Volker Neumann (Bramsche) (SPD): Ich komme 1998 immerhin zirka 3,7 Milliarden DM aus Liquida- zum Schluß. - Wir schließen unsere Arbeit auf jeden tion, Konkursquoten und Verwertungen des Unter- Fall in der Gewißheit ab, daß mehr Fragen offenge- nehmensbereichs „Kommerzielle Koordinierung" in blieben sind, als wir beantwortet haben. Herr Gres den Bundeshaushalt zurückführen konnte. Ich finde, hat dies bereits bei der Einsetzung des Untersu- wir können ein wenig stolz darauf sein, daß dies chungsausschusses richtig vorausgesehen. durch die gebündelten Maßnahmen aller Beteiligten Wir bitten, die Ansprüche an den Untersuchungs- erreicht werden konnte. ausschuß nicht zu hoch zu schrauben. Wir haben zu Dokumenten des Untersuchungsausschusses „Kom- Meine Damen und Herren, die Feststellungen im merzielle Koordinierung" im Umfang von zirka Bereich des Vermögens des MfS haben sich demge- 1,5 Millionen Seiten noch nahezu 250 000 weitere genüber sehr viel schwieriger gestaltet. Da sich ein Seiten hinzubekommen, die zu sichten waren. Zeu- Bereich wie das Ministerium für Staatssicherheit der gen waren zu vernehmen, Verfahrensfragen zu bera- DDR der staatlichen Kontrolle weitgehend zu entzie- ten. Alle Kolleginnen und Kollegen aus allen Fraktio- hen versucht, ist die Auflösung eines solchen Berei- nen und alle Mitarbeiter haben das getan, was mög- ches natürlich um so schwerer zu kontrollieren. Die lich war. rasante politische Entwicklung ab Herbst 1989 hat die Auflösung des MfS und des Amtes für nationale Vielen Dank. Sicherheit eingeleitet, beschleunigt und die Begleit- (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem umstände dafür geschaffen. Aber der Regierung des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der F.D.P.) letzten SED-Ministerpräsidenten Modrow ist durch- aus vorzuwerfen, daß sie nicht dafür gesorgt hat oder nicht dafür hat sorgen wollen, daß die Auflösung des Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat der MfS und der HVA staatlich nachvollziehbar begleitet Kollege Joachim Gres, CDU/CSU. und kontrolliert wurde.

Daß dadurch Freiräume geschaffen wurden, die - Joachim Gres (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Untersu- davon müssen wir nach Lage der Dinge wohl ausge- chungsausschuß „DDR-Vermögen" hat - Herr Neu- hen - auch für Vermögensverschiebungen genutzt mann hat das schon ausgeführt - insgesamt eine er- wurden, und daß die konspirativen Strukturen des folgreiche Arbeit geleistet. Er hat seinen Untersu- MfS bestens dazu geeignet waren, zum Beispiel Gel- chungsauftrag erfüllt, jedenfalls soweit er dies im der und andere Vermögenswerte dem Zugriff des Hinblick auf die Fülle der Themen des Untersu- Staates zu entziehen, liegt auf der Hand. Wir haben chungsauftrages überhaupt konnte. Denn es war in eine ganze Reihe von Beispielen zur Kenntnis neh- der Tat von Anfang an klar, daß der Untersuchungs- men müssen, bei denen einiges sehr merkwürdig ab- ausschuß über die Feststellungen der beiden bereits gelaufen ist, so zum Beispiel legendierte Konten, die in der letzten Wahlperiode arbeitenden Untersu- von HVA-Offizieren unter Pseudonym geführt wur- chungsausschüsse hinaus in vielen Bereichen keine den, oder auch Schwarzgeldkassen, MfS-Grund- wesentlichen neuen Erkenntnisse würde erzielen stücke, Häuser unter Legendierungen etc. können. Untersuchungsausschüsse sind nicht dazu da, Wir haben uns im Ergebnis damit befaßt, eine strafrechtlich relevante Vorwürfe zu bestätigen oder Reihe von zusammengetragenen Dokumenten zu ei- zu verneinen. Zahlreiche strafrechtliche Verdachts- nem Untersuchungsbericht zusammenzufassen und momente sind aber Gegenstand der Ermittlungen damit im Grunde genommen ein Dokument der Zeit- von Strafverfolgungsbehörden des Landes Berlin geschichte zu verfassen, das in großer Klarheit die oder anderer Bundesländer, die damit Vermögens- Schwierigkeiten und die Verwerfungen, die Erfolge, werte zu sichern haben. 22336 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Joachim Gres Wir haben darüber hinaus die Privatisierungstätig- ziehung von Akten ein wenig Licht in das Dickicht keit der Treuhandanstalt und der BvS untersucht und der SED/PDS-Schiebereien zu bringen. Ich denke, haben festzustellen, daß die Treuhandanstalt bis daß die Feststellungen des Ausschusses zu dieser Ende 1994 15 102 Unternehmen und Unternehmens- Thematik, die - mit Ausnahme der PDS - einver- teile privatisiert hatte. Der BvS oblag Ende 1997 die nehmlich getroffen werden konnten, eine lesens- Bearbeitung und Überwachung von 40 865 Privatisie- werte Lektüre sind. Dies gilt auch und ganz beson- rungsverträgen. Investitionen in Höhe von 211,1 Mil- ders für diejenigen, die uns inzwischen weismachen harden DM sind in Aussicht gestellt worden; davon wollen, die PDS sei nicht mehr die alte Kaderpartei sind 156,6 Milliarden DM vertraglich zugesichert SED. worden. Bei den Verträgen, deren Überprüfung ab- geschlossen ist, wurden insgesamt mehr Arbeits- Die Beweisaufnahme des Ausschusses hat zum plätze geschaffen und aufrechterhalten als vertrag- Beispiel gezeigt, daß die einzelnen bei den Vermö- lich vereinbart. Auch bei den bis Ende 1997 vorzu- gensverschiebungen der SED/PDS angewandten nehmenden Investitionen kam es, was die Arbeits- Methoden von der Führungsspitze dieser Partei ab- plätze angeht, zu Übererfüllungen. Dies ist wohl die gesegnet, ja teilweise sogar dort erdacht worden wa- positive Seite dieser Medaille, was wir hier quer ren. Bei einzelnen besonders spektakulären Aktivi- durch alle Fraktionen auch einmal feststellen sollten. täten hat der Untersuchungsausschuß auch eine ak- tive Rolle von Personen aus der Parteiführung der Herr Neumann hat gesagt, daß ein Untersuchungs- SED/PDS festgestellt. Ein Beispiel hierfür war der ausschuß aus Sicht der Opposition insbesondere die- Versuch von Herrn Gysi, nachdem der sogenannte problematischen Fälle aufgreifen sollte. Das ist das Putnik-Deal in der Öffentlichkeit aufgeflogen war, gute Recht der Opposition. Dennoch glaube ich, daß die im Rahmen dieses Deals nach Moskau verscho- die vom Ausschuß näher beleuchteten problemati- benen 107 Millionen DM doch noch für die Partei zu schen Privatisierungen den Blick auf das Gesamter- sichern und weiterhin dem Zugriff der UKPV zu ent- gebnis nicht verstellen dürfen. Die Privatisierung der ziehen. Gysi selbst ist nach Moskau gereist und hat Unternehmen der DDR ist eine Erfolgsgeschichte, die dort mit der KPdSU Verhandlungen geführt, um insgesamt den notwendigen und erfolgreichen Um- diese zu einer Aufrechterhaltung der von der PDS er- bau der ostdeutschen Wirtschaft eingeleitet hat. sonnenen Legende zu bewegen, obwohl er wußte, Einige mißglückte und fehlgeschlagene Privatisie- daß dies alles ein klarer Verstoß gegen das Parteien- rungen, von denen ich hier gar nicht ablenken will, gesetz der DDR war. dürfen den Blick auf diese Erfolge, die in Erfüllung einer beispiellosen Aufgabe erzielt wurden, nicht Auch die Rolle von Professor Bisky, der als Mitbe- verstellen. gründer von dubiosen Mediengesellschaften in Ber- lin und Luxemburg fungierte, in die PDS-Gelder in Meine Damen und Herren, ein besonders dunkles Höhe von mehr als 14 Millionen DM flossen und die Kapitel, mit dem sich der Untersuchungsausschuß praktisch einen verdeckten Parteisender der PDS be- beschäftigen mußte, waren die Vermögensverschie- treiben sollten, ist ein deutlicher Beleg für die aktive bungen der SED/PDS in der Zeit zwischen der Verstrickung der damals und größtenteils auch heute Wende in der DDR und der Wiedervereinigung am noch Verantwortlichen der PDS in illegale Machen- 3. Oktober 1990. Hier ist der Untersuchungsausschuß schaften in dieser Zeit. in seiner Aufklärungsarbeit durch die Obstruktions- haltung der damals und teilweise auch noch heute Eine konstruktive Zusammenarbeit der PDS mit Verantwortlichen dieser Partei massiv behindert wor- der UKPV bei der Feststellung des Altvermögens der den. Es war schon ein Lehrstück für die im SED-Sy- SED hat ebenfalls nicht stattgefunden. Im Gegenteil, stem typischen konspirativen Verhaltensweisen, das die SED hat versucht, die UKPV ganz bewußt zu täu- uns die Herren Gysi, Bisky und B rie, die ja auch schen. Aufschlußreich sind hierbei zum Beispiel zwei heute noch an prominenter Stelle für die PDS wirken, Schreiben der PDS, für die die Unterschrift von Herrn anläßlich ihrer Zeugenvernehmungen im Ausschuß Gysi vorgesehen war, in denen die Eigentümerstel- abgeliefert haben. Die zwischen diesen Zeugen ganz lung der PDS für die Schweizer Firmen Corefina und offenkundig abgesprochenen Aussageverweigerun- ORVAG gegenüber den Verwaltungsräten dieser Fir- gen waren nach Auffassung des Ausschusses unbe- men reklamiert wird. Interessant in diesem Zusam- gründet und erfolgten nach unserer Meinung nur, menhang ist aber vor allen Dingen die Begründung um die Ausschußarbeit zu torpedieren. Damit haben der PDS für ihre Eigentümerstellung. Zitat: Die SED die Verantwortlichen der PDS auch die Chance ver- habe im Zusammenhang mit ihrer Politik doch ledig- säumt, zu einer lückenlosen Aufklärung der Vermö- lich ihren Namen geändert. Dieser Meinung sind gensverschiebungen der SED/PDS beizutragen. Dies viele Menschen in unserem Lande; aber daß es die wiederum paßt zu der Taktik, der die PDS in diesem PDS hier, wo es um die eigenen Vermögensinteres- Bereich insgesamt gefolgt ist: nur zugeben, was sen geht, ausnahmsweise einmal selbst bestätigt, ist hieb- und stichfest nachgewiesen ist, das dann auch durchaus bemerkenswert. noch schönreden und den Rest verschleiern. Das ist Ich will noch einige Worte auf die Praktiken der keinesfalls der schonungslose und bußfertige Um- SED verwenden, gang mit der eigenen Vergangenheit, den die PDS der Öffentlichkeit sonst so gerne versprechen oder (Rolf Kutzmutz [PDS]: Auf die Treuhandan vermitteln will. stalt kommen Sie noch, oder nicht?) Es ist dem Untersuchungsausschuß dennoch ge- Gelder mittels Darlehen, Spenden und in anderer lungen, mit der Unterstützung der UKPV und der Be- Form an Recht und Gesetz vorbei zu sichern. So geht Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22337 Joachim Gres die UKPV allein in diesem Bereich der von der PDS menarbeit zu danken. Ich schließe insbesondere den ausgereichten Darlehen an die ihr nahestehenden Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses ein. Dritten, nämlich ohne Zinsen mit Laufzeit von mehre- Herr Neumann, Sie haben Ihre Arbeit mit Bravour ren Jahrzehnten, von einem Schaden in Höhe von und einer gewissen Grandezza gemeistert. Wir ha- zirka 100 Millionen DM aus. Besonders inakzeptabel ben immerhin drei Jahre in einem Ausschuß geses- und ärgerlich ist nicht nur die Chuzpe, mit der die sen, haben drei Jahre unseres Lebens die Donners- Verantwortlichen der PDS hier vorgegangen sind, tage für diesen Bericht geopfe rt . Ich glaube, wir ha- sondern vor allem auch der Umstand, daß diese Gel- ben alles insgesamt sehr gut hinbekommen. der für ihren rechtmäßigen Zweck, nämlich dem Auf- bau in den neuen Bundesländern zugeführt zu wer- Ich danke gleichzeitig dem Sekretariat, den Mitar- den, verlorengehen. Dies zeigt, daß die PDS wirklich beitern der Fraktionen, den Mitarbeitern meiner ei- die allerletzte politische Gruppierung ist, die für sich genen Fraktion ganz besonders. in Anspruch nehmen könnte, Wahrerin der ostdeut- Ich danke insbesondere aber auch der Bundesre- schen Interessen zu sein. gierung und allen Mitarbeitern, die uns bei der Auf- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) klärung und Erfüllung unserer Arbeit rückhaltlos ge- holfen haben. Danke für Ihr Interesse. Der Untersuchungsausschuß hat sich auch mit dem Ich will hinzufügen, daß dies vielleicht meine letzte Komplex der Leuna/Minol - Privatisierung befaßt, ob- wohl das Thema von der Opposition erst relativ spät Rede im Bundestag gewesen ist. Insgesamt war es aufgegriffen wurde. Zeugenvernehmungen und die eine sehr schöne Zeit. Daß ich insgesamt an zwei Un- Auswertung der beigezogenen Akten haben dem tersuchungsausschüssen habe teilnehmen dürfen, in Ausschuß Gelegenheit gegeben, sich von dieser Pri- dieser und in der letzten Legislaturpe riode, war sozu- vatisierung ein Bild zu machen. Mit der Leuna/ sagen das Salz in der Suppe. Minol-Privatisierung ist ein wesentlicher Schritt zum Herzlichen Dank. Erhalt des Chemiedreiecks von Sachsen-Anhalt ge- glückt. Die Strategie, Leuna und Minol im Verbund (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. zu privatisieren, ist in vollem Umfang aufgegangen. sowie bei Abgeordneten der SPD) Die Privatisierung ist positiv durchgeführt. Die Raffi- nerie Leuna 2000 hat nach Investitionen in Höhe von Vizepräsident Hans - Ulrich Klose: Das Haus hat 4,3 Milliarden DM ihre Arbeit aufgenommen und Anlaß, auch Ihnen, Herr Kollege Gres, sehr herzlich zeigt die erwarteten positiven Effekte für die Neuan- zu danken. Wir haben persönlich nie eng zusammen- siedlung weiterer Unternehmen und die Schaffung gearbeitet, was ich im nachhinein bedaure. Ich und Erhaltung von Arbeitsplätzen im Chemiedrei- glaube, viele hier im Hause werden Sie vermissen. eck. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der Das damals für die Privatisierung von Leuna/Minol F.D.P.) zuständige Vorstandsmitglied der Treuhandanstalt, der heutige sachsen-anhaltinische Wirtschaftsmini- Das Wort hat die Kollegin Antje Hermenau, ster Schucht von der SPD, hat die Privatisierung da- Bündnis 90/Die Grünen. mals maßgeblich bestimmt und hat sich dabei, wie er selber sagt, auf den politischen Rückhalt des Bundes- Antje Hermenau (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): kanzlers stützen können, der den Menschen im Che- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach so miedreieck zugesichert hatte, daß er sich für den Er- viel Harmonie traut man sich fast gar nicht mehr, halt der Arbeitsplätze einsetzen werde. noch irgend etwas Kritisches zu sagen. Es tut mir Reale und belastbare Hinweise auf Unregelmäßig- leid, Herr Gres, ich teile Ihren Blickwinkel nicht, ich keiten, über die in der Presse spekuliert wurde und habe ganz andere Beobachtungen gemacht als Sie. die die SPD aufzugreifen versucht hat, konnten vom Ich hoffe, das Publikum versteht das. Ausschuß nicht festgestellt werden. Dank der erfolg- Wenn Sie, Herr Gres, hier feststellen, Sie hätten in reichen Arbeit der Treuhandanstalt und des Engage- dem Ausschuß vor allen Dingen gesehen, was für ments der Bundesregierung für das Chemiedreieck eine große historische Verwerfung die 40 Jahre DDR ist es vielmehr gelungen, mit der neuen Raffinerie bedeuten, muß ich Ihnen sagen: Ich habe bei der Ar- Leuna die Ansiedlungen weiterer Chemiebetriebe zu beit im Ausschuß vor allen Dingen erkannt, welche bewirken. großen, vor allem ökonomischen Verwerfungen in den letzten neun Jahren entstanden sind. Ich will Zusammenfassend stelle ich fest, daß der Untersu- dies auch begründen. chungsausschuß seinen Auftrag erfüllt hat. Die von manchen erhofften Sensationen hat er erwartungsge- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, mäß nicht zutage gefördert. Weitere Befassungen mit der SPD und der PDS) den Themen des Untersuchungsausschusses sollten den zuständigen Behörden überlassen bleiben, so- Sehen Sie, die Treuhandidee bestand einmal da rin, weit dies noch erforderlich ist. zu sagen: Wir wollen das gesamte Volksvermögen aufteilen. - Herausgekommen als Treuhandrealität Meine Damen und Herren, am Ende der Tätigkeit ist dann allerdings, daß das Betriebsvermögen aufge- eines Untersuchungsausschusses ist es üblich, den teilt wurde, und zwar zu 6 Prozent an Ossis und zu 85 Kollegen im Untersuchungsausschuß für die doch Prozent an Westdeutsche. Da sind wir bei der neuen über weite Strecken konstruktive und gute Zusam- Verwerfung der Vermögenslage bzw. bei der Vermö- 22338 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Antje Hermenau gensschieflage in den fünf neuen Ländern. Ich rede würde ich es selber mit untersuchen. Wir werden se- nicht nur von Betriebsvermögen, sondern ich rede hen, wer bei Elf Aquitaine alles mit angefaßt wurde auch von privatem Vermögen. und in wessen Taschen was gelangt ist. Ich halte das für einen Untersuchungsgegenstand. Da sind Sie von Die Regierung hat verschlafen, das Problem der der Koalition stark betroffen. Vermögensbildung, das ich, was die Entwicklung der fünf neuen Länder betrifft, heute für ein Kernpro- Die stellt in ihrem Bericht, den sie uns im Fe- blem halte, zu lösen. Sie von der Koalitionsseite ha- BvS bruar dieses Jahres zugeleitet hat, ihre eigene Unfä- ben hier immer gegen die Enteignungen in der ehe- higkeit unter Beweis, indem Sie zum Beispiel auf maligen DDR polemisiert. Sie haben gesagt, Rück- Seite 8 ausführt, daß sie zu durch Gesamtvollstrek- gabe muß vor Entschädigung gehen. Im Prinzip sind kungen und Konkurse eingetretenen Verlusten an öf- das die falschen politischen Vorgaben für die Treu- fentlichen Fördermitteln und Arbeitsplätzen keinerlei handanstalt respektive für die BvS gewesen. Sie ha- Angaben machen könne. Angesichts dessen frage ben damit ein Korsett erzeugt, das dazu geführt hat, ich mich, was diese Truppe in den letzten vier Jahren daß diese Anstalten gar nicht richtig arbeiten konn- eigentlich getrieben hat, wenn in jedem Vertrag fest- ten, unabhängig vielleicht von den Schlampigkeiten gelegt war, welche Arbeitsplatzquote ein Privatiseur einzelner Angestellter. zu erfüllen hat, und sie nicht einmal eine Statistik Wenn Sie sich jetzt im Jahre 9 nach der Wende dazu führen können. trauen, im Bundeskabinett ein Programm zur Eigen-- kapitalhilfe aufzulegen, nachdem Sie neun Jahre (Beifall bei Abgeordneten des BÜND lang verschlafen haben, dafür zu sorgen, daß eine NISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS) vernünftige Vermögensbildung und Eigenkapitalba- sis für die ostdeutschen Unternehmen geschaffen Ich denke, daß die Regierung ganz drastisch so- wird, dann frage ich mich: Warum haben Sie nicht wohl ihre Fach- als auch ihre Dienstaufsicht verschla- früher auf Frau Breuel, von der Sie auch als Koalition fen hat. Wissen Sie, woran das liegt? Ich habe das für sehr viel halten, gehört? Sie hat nämlich bereits 1994 mich einmal so zusammengefaßt: Das ist, wie ich gesagt - ich zitiere -: finde, am Bremer-Vulkan-Skandal am deutlichsten Ich habe tatsächlich nie verstanden, warum es in geworden. Da haben sich nämlich viele kleine Ver- den letzten Jahren keine Vermögensbildungspro- säumnisse und Skandälchen aneinandergekettet. gramme speziell für den Osten gegeben hat. Mei- Deswegen wirkte es auch nicht - plauz! - wie ein ner Meinung nach ist die Vermögensbildung ei- großer Skandal, sondern es wurde ein zähflüssiger nes der wichtigsten wi rtschaftspolitischen The- Brei, bei dem keiner so richtig wußte, wo man den men überhaupt. Haken ansetzen sollte, um das Ganze hochzuheben.

Ich bin mit Frau Breuel selten einer Meinung; aber in Was waren die kleinen Perlen, die auf der Kette diesem Punkt hat sie vollkommen recht: Sie haben aufgefädelt worden sind? Die Regierung hat immer das politisch verschlafen. von nichts gewußt und wollte erst recht nichts zuge- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ben. Wenn Sie sagen, wir hätten große Unterstützung von der Regierung bekommen, kann ich nur sagen: Ich möchte das einmal an einem Beispiel festma- Die Beamten hockten auf den Akten wie die Hennen chen. Frau Breuel hat von einem Fall erzählt, in dem auf den Eiern. man versucht hat, eine Abfallentsorgungsanlage in Zeitz, einer Region, die strukturell sehr benachteiligt (Joachim Gres [CDU/CSU]: Das stimmt ist, zu installieren. Man hat sich viel Mühe gegeben, doch überhaupt nicht! Das ist doch absolu ein Konzept dafür zu entwerfen - es ging um Kunst- ter Quatsch! Sie waren doch so gut wie nie stoffrecycling - und das über den Grünen Punkt ab- da!) zuwickeln. Nun stellt sich heraus, daß dieses Projekt an die BASF vergeben wird. Wo hat sie diese Bude Akten, die bei uns im Ausschuß vertraulich behan- gebaut? In Ludwigshafen. Wer hat da seinen Wahl- delt worden sind, für die ich einen neuen Safe in kreis? Unser Bundeskanzler. - Das ist die Realität. mein Büro einbauen lassen mußte, um sie zu verstek- Sie haben Leuna als positives Beispiel erwähnt. ken, waren im Bremer Untersuchungsausschuß und Auch da ist mein Blickwinkel ein anderer, Herr Gres. im Untersuchungsausschuß in Mecklenburg-Vor- Wenn ich an Leuna denke, wird mir ganz anders. Ich pommern öffentlich. Da wurde das anders geregelt. hätte mir gewünscht, wir würden do rt viele einzelne Hier wurde wirklich jede kleine Anwesenheitsliste Pilotprojekte machen und einen innovativen ökologi- unter Verschluß gehalten. Das halte ich schon für ei- schen Bereich schaffen. Statt dessen haben Sie jetzt nen ziemlich merkwürdigen Vorgang. Elf Aquitaine am Hacken. Das nächste ist: Es gab einen Investor, dem man of- (Clemens Schwalbe [CDU/CSU]: Da müs- fensichtlich alles glauben wollte und der natürlich sen Sie einmal nach Leuna fahren! Da sind die Gelegenheit nutzte. Er konnte einfach nicht wi- über einhundert Bet riebe neu entstanden!) derstehen; das war so klasse. Es gab eine Regierung, Schauen wir uns in der nächsten Legislaturpe riode die ihrer Kontrollpflicht - das wird ja immer gesagt - einmal an, wie es ausgeht. Wir werden sehen, wer nur sehr mangelhaft nachkam. Ich finde, daß sie ihr von dem Bestechungsskandal betroffen sein wird. gar nicht nachgekommen ist. Es war eine so passive Ich schaue mir das dann gerne an. Am liebsten Haltung, daß ich sie nur darauf zurückführen kann: Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22339

Antje Hermenau Der Aufbau Ost wurde der Bundesregierung immer Gerade die zeitgeschichtlichen Aspekte der Ergeb- lästiger. nisse des Untersuchungsausschusses zum Thema „Veruntreuung von DDR-Vermögen" sind ein be- (Joachim Gres [CDU/CSU]: Welch ein deutender Beitrag zur Aufarbeitung der DDR-Ge- Unsinn!) schichte. Sie zeigen mit ihren nicht nur aufschlußrei- Es war eine mühsame Angelegenheit, sie hat sich chen, sondern auch brisanten Ergebnissen die zweite zeitlich immer mehr gestreckt. Es flutschte nicht so, Seite des Verhaltens von Vertretern der SED-Dikta- wie man sich das gedacht hatte, und man mußte im- tur. Man muß es miterlebt haben - man kann es aber mer mehr Arbeit hineinstecken. Da verloren die auch im Bericht nachlesen -, das bei einem Teil un- Leute die Lust. faßbar arrogante und bei einem anderen Teil wie- derum widerlich erbärmliche Auftreten von hoch- Ich mache es nur einmal am Bremer Vulkan fest. chargierten Vertretern des ehemaligen MfS, Mitglie- Da gab es einen Referatsleiter, der vor Weihnachten, dern der vergangenen DDR-Regierung und der ehe- als der Konkurs gerade bekannt wurde, leider nicht maligen SED, der nunmehrigen PDS. hinterlassen hatte, wo man ihn erreichen konnte. Er war aber schon seit Jahren damit betraut und dafür Es zeugte von völligem Unverständnis für rechts- zuständig, den BVV, den Vulkan, im Auge zu behal- staatliche Verhältnisse und Verhaltensweisen, aber ten. Er wußte, daß ein Konkurs drohte, fuhr aber den- auch von deren völliger Ablehnung. Die Grenzen noch in den Weihnachtsurlaub. Das Fax darüber, daß zwischen moralischem und unmoralischem, rechts- der Konkurs eingetreten war, erreichte sein Referat staatlichem und kriminellem Verhalten wurden teils am 22. Dezember. Der gute Mann fand es am 4. Ja- überhaupt nicht erkannt, teils bewußt und absicht- nuar vor. lich überschritten - bis hin zu skrupellosem Handeln. (Joachim Gres [CDU/CSU]: Er brauchte Unter diesen Aspekten betrachtet sind die Ergeb- doch nur die Zeitung zu lesen!) nisse des Untersuchungsauschusses „Veruntreutes DDR-Vermögen" die zweite Säule zu unserem gestri- So stark hat sich das Wirtschaftsministerium um das gen Thema „Überwindung der Folgen der SED-Dik- gekümmert, was beim Bremer Vulkan eigentlich tatur". Doch nicht nur Angehörige der ehemaligen läuft. Das Wichtige an der Sache ist: Das Wirtschafts- SED, des MfS oder der verflossenen DDR-Regierung ministerium saß selber mit in den gesamten Bera- haben sich am Ausplündern des von diesen Expo- tungsgremien, die seit drei Monaten nichts anderes nenten so hochgeheiligten Volkseigentums und am diskutierten als den drohenden Konkurs des Bremer Währungsumstellungsbetrug beteiligt. Auch Raubrit- Vulkans. ter unterschiedlicher Couleur aus der alten Bundes- Soviel vielleicht zur Arbeitsweise der Regierung republik, aus Österreich und aus anderen Staaten ha- und ihrer Verletzung der Dienst- und Rechtsaufsicht, ben sich beteiligt. wie ich es wahrgenommen habe. - Sie müssen das Nur zwei herausragende Beispiele in Stichworten: schon aushalten, Herr Gres, daß ich Ihre Meinung Michael Rottmann, Chematec-Wärmeanlagenbau nicht teile. Ich habe Sie in den meisten Teilen der Ar- Berlin; Lomer und Co. Schweiz, Außenhandelsbe- beit des Untersuchungsausschusses auch als kon- trieb BIEG, Konsortialdarlehen Dresden. struktiv empfinden können, aber heute abend war das nicht der Fall. Im Zuge der Beweisaufnahme wurde sehr deutlich, daß beachtliche Teile des Vermögens der ehemaligen Schönen Dank. DDR durch Machenschaften mit zum Teil erheblicher (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN krimineller Energie abgezweigt wurden. Es ist je- und bei der SPD) doch auch evident, daß der Untersuchungsausschuß trotz der durchaus positiven Intention und hohen Ak- tivität der meisten Ausschußmitglieder kaum dazu Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Das Wort hat der beitragen konnte, verschwundene Teile des ehemali- Kollege Dr. Klaus Röhl, F.D.P. gen DDR-Vermögens aufzudecken und zurückzufüh- ren, die nicht schon in hohen Summen von den Bun- Dr. Klaus Röhl (F.D.P.): Herr Präsident! Meine Da- desbehörden, Staatsanwaltschaften festgestellt und men und Herren! Schon im Juni 1995, als die Frak- gesichert worden waren. tion der SPD die Einsetzung des Untersuchungsaus- Zu diesem Ergebnis kam es maßgeblich auch des- schusses beantragte und auch ich wegen des öffentli- halb, weil die überwiegende Zahl der Zeugen bei ih- chen Interesses meine Zustimmung gab, habe ich rer Aussage entweder ihre Hände in Unschuld wu- meine Zweifel bezüglich des Nutzens und der Effek- schen oder einfach ihre Aussage verweigerten und tivität der zu leistenden Ausschußarbeit nicht ver- damit die Aufklärungsarbeit eklatant behinderten, hehlt. Diese Zweifel gründeten sich im wesentlichen obwohl ihnen der Ausschuß ein solches Recht aus auf die Annahme, daß der Ausschuß Sachverhalte guten Gründen ausdrücklich nicht eingeräumt hatte. mit zum Teil unsicherer Genese aufzuarbeiten hatte, deren Wahrheitsgehalt nicht mehr sicher feststellbar Es ist schon eine Ungeheuerlichkeit, aber auch zu sein schien. Wenn ich dann noch bemerkte, aus charakteristisch, was sich die Damen und Herren von der Arbeit würde möglicherweise ein Stück zeitge- der PDS da geleistet haben. Sie zeigten durch abge- schichtliche Aufarbeitung resultieren, so muß ich stimmtes Zusammenwirken, daß sie von rechtsstaatli- heute feststellen, daß ich besonders mit meiner letz- chen Institutionen nichts halten. Dem aufmerksamen ten Prognose recht behalten habe. Beobachter konnte nicht entgehen, wie rechtsstaats- 22340 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Dr. Klaus Röhl feindlich diese Partei noch ist und wie wenig sie sich Um so befriedigender ist die Tatsache, daß die von der Diktaturpartei SED entfernt hat. THA/BvS in dem weit überwiegenden Teil der Fälle gute Arbeit geleistet hat, an der die Opposition gerne (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) viel mehr Angriffsflächen gefunden hätte; jede Kritik An dieser Stelle ist deutlich geworden, wie tief die sollte sich an dem Hintergrund der Probleme der da- PDS im Sumpf der Verschiebung von SED-Geldern maligen sehr schweren Zeit orientieren. Wir können sitzt und wie weit sie in diese dunklen Machenschaf- heute mit einer gewissen Genugtuung als Ergebnis ten verstrickt ist. Ich brauche an dieser Stelle nur an festhalten, daß die Privatisierung von über 15 000 Un- das SED-Unternehmen Novum zu erinnern, bei dem ternehmen und Unternehmensteilen eine Erfolgsge- die beteiligten Personen alle nur erdenklichen An- schichte der Wiedervereinigung geworden ist, ob- strengungen unternommen haben, um einen Zusam- wohl - auch das will ich an dieser Stelle nicht ver- menhang mit der SED/PDS zu verschleiern. Das schweigen - teils erhebliche Mißbrauchsfälle aufge- hehre Volkseigentum der DDR wurde zum Eigentum treten sind, die nicht hätten passieren dürfen. Das der SED, dann „treuhänderisch" - welch ein Hohn - trübt jedoch bei der großen Anzahl der erfolgreichen zum Eigentum der Firma Novum, die nun angeblich Privatisierungen das Gesamtbild nur sehr wenig. Eigentum der KPÖ ist und damit in der Verfügungs- gewalt einer Frau Rudolfine Steindling liegt. Es ist Auf ein besonders gravierendes Thema möchte ich schon unglaublich. noch eingehen: den Privatisierungsfall Bremer Vul- kan. Die Opposition versucht an dieser Stelle immer So verdichtete sich für den Ausschuß, daß die SED/ wieder - das haben wir eben erlebt -, durch verfäl- PDS Geschäfte fingie rt hat - ich erwähne hier nur als schende Bewe rtungen in den Köpfen der Menschen ein Beispiel von vielen den Putnik-Deal -, um sich ein falsches Bild zu zeichnen, das mit der Wirklich- entgegen den Regelungen des Parteiengesetzes der keit nichts zu tun hat. Es muß klar unterschieden und DDR Geld zu sichern. auch bezeichnet werden, wer Täter und wer Opfer war, wer Veruntreuer und Geschädigter war. Es bleibt nur der Schluß: Die SED, die fließend, glatt in die PDS übergegangen ist, hat sich hem- Dr. Christine Lucyga [SPD]: Waigel war mungslos am Volksvermögen bereichert. Auch die Opfer!) Verantwortlichen aus dem Bereich KoKo, dem MfS, der HVA, die alle eng mit der SED verbunden waren, Bei der Privatisierung der Ostwerften konnte die haben die Phase seit Herbst 1989 bis zur Wiederver- THA annehmen - insbesondere wegen des von der einigung in ihrem Sinne genutzt und - vermutlich Bremer Vulkan Verbund AG und den Wirtschaftsprü- hohe - Summen verschoben und in die eigene Ta- fern vermittelten Eindrucks -, daß sowohl Bonität als sche gewirtschaftet. auch Seriösität gegeben seien. Insbesondere auf Grund der positiven Gutachten einer renommierten Ich erinnere an die „Bankfachgeschichte" von Wirtschaftsprüfungsgesellschaft bestand auch in der Frau - bei der auch lei- Sigrid Schalck Golodkowski, Folge für die THA/BvS kein Anlaß zu Mißtrauen. tende Mitarbeiter der im Bericht aufgeführten Scheurmann Bank eine sehr unklare Rolle gespielt Daß man vorsätzlich hinters Licht geführt wird, wie haben. Man beachte die merkwürdigen Wiedergut- es hier nachweislich durch den Vorstand des Bremer machungszahlungen, die sonderbaren Darlehnsaus- Vulkan Verbund - nachdem dieser Kenntnis von Li- reichungen, die eigenartigen Stiftungen und Anstal- quiditätslücken und der Gefährdung der Rück- ten. zahlung von Geldern aus dem Cash-Management Auf Grund der Komplexität der Aktivitäten und hatte - geschehen ist, dagegen ist kein Kraut ge- der Verwobenheit der Fälle wäre es meiner Meinung wachsen. Dies ist ein ungeheuerlicher Vorgang, bei nach klüger gewesen, die konsequente, akribische dem wir Opfer und Täter nicht verwechseln lassen. und professionelle Ermittlungsarbeit den speziellen Die Schuldigen müssen eindeutig benannt werden Ermittlungsbehörden wie den Staatsanwaltschaften, und sind vermutlich unter den Verantwortlichen des der ZERV und den anderen zuständigen Behörden Bremer Vulkan Verbund zu finden; insbesondere zu überlassen und diese zu unterstützen. Es wäre nenne ich hier den ehemaligen Vorstandsvorsitzen- dazu bitter notwendig gewesen, daß alle Bundeslän- den. der ihrer Verpflichtung zum Entsenden von Strafver- folgungspersonal sowohl im Hinblick auf die Qualifi- Der Versuch der SPD, zum Schluß der Ausschußar- kation als auch auf die Anzahl nachgekommen wä- beit bei anderen Privatisierungsfällen eventuelle ren. Ihre Pflicht nicht erfüllt haben die kleinen Län- Mißstände und Versäumnisse der Bundesbehörden der Bremen und Schleswig-Holstein. Aber sehr aufzudecken, scheiterte. Man konnte auch hieran er- schlimm ist das Nichterfüllen durch die großen Län- kennen, daß es der SPD oftmals eigentlich mehr der Bayern, Nordrhein-Westfalen und - von der Zahl darum ging, politisches Kapital aus dem verfassungs- her - ganz besonders Niedersachsen. rechtlichen Instrument des Untersuchungsausschus- ses zu schlagen, und erst danach um das Auffinden Leider haben auch von der Opposition initiierte und Wiederbeschaffen von veruntreutem Vermögen. überzogene Anforderungen von vermeintlichen Er- Insgesamt aber kann festgestellt werden, daß der mittlungsmaterial zum zusätzlichen Binden von Er- Untersuchungsausschuß gute Arbeit geleistet hat. mittlungspotential bei den zuständigen Behörden ge- führt. Durch diese Überaktivität wurde auch die Ar- Herr Präsident, erlauben Sie mir noch ein paar beit der BvS in hohem Maße gestört. Worte in eigener, in persönlicher Sache. Auch ich Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22341

Dr. Klaus Röhl scheide mit Ablauf dieser Wahlperiode aus eigenem des Deutschen Bundestages entsprach oder ob nicht Entschluß aus dem Deutschen Bundestag aus. die eine oder andere Erweiterung oder Ergänzung des Untersuchungsauftrages, die in der damaligen (Zuruf von der SPD: Die ganze F.D.P. schei- Einsetzungsdebatte zur Sprache kam, hätte berück- det aus!) sichtigt werden müssen. - Bewahren Sie doch einmal ein bißchen Stil! Die Mehrheitsmeinung stellt sich wie folgt dar: (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Untersuchungsauftrag im wesentlichen erfüllt. Ich Zuruf von der F.D.P.: Das kann man von der möchte dieser Gesamteinschätzung widersprechen, Seite nicht erwarten!) nicht ohne zu würdigen, daß insgesamt eine mehr als umfangreiche Arbeit geleistet wurde. Zeitlich war Ich möchte an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen, einfach nicht mehr d rin. Aber genau da liegt das Pro- mich bei allen Kollegen, die mich in den letzten acht blem. Der Komplex „Bremer Vulkan" hätte wegen Jahren begleitet haben, für die gute Zusammenarbeit seines Umfangs, seiner politischen Bedeutung und zu bedanken. wegen des eigentlich unbef riedigenden Ergebnisses Ich muß sagen - und ich kann nicht anders -: Die eines eigenen Ausschusses bedurft. Zeit vom Herbst 1989 an, vom 9. November 1989, Dann die Schwerpunktsetzung im Ausschuß über das Jahr 1990 mit dem Wiedergewinnen der selbst: Zweifelsfrei galt es, den Arbeitsergebnissen Einheit und die Jahre im gemeinsamen Deutschen - der Ausschüsse in der 12. Wahlperiode folgend, noch Bundestag waren, abgesehen von ganz persönlichen offene Fragen zu klären. Der vorliegende Abschluß- privaten Ereignissen und Zeiten, die glücklichsten bericht vermittelt auch Erkenntnisse zu einer Fülle Jahre, die ich erlebt habe. komplexer Themen mit vielen Details hinsichtlich Noch im Frühjahr 1989 haben wir im engen Fami- der noch zu klärenden Fragen der Strukturen des lienkreis, beim Besuch von Verwandten, damals ge- KoKo- und des MfS-Bereichs. Aber er gibt kein abge- meinsam in Warnemünde, nur über die bescheidene rundetes Bild zu den Veruntreuungen von DDR-Ver- Hoffnung gesprochen, uns als Rentner im „Westen" mögen. Zweifelsfrei ist beispielsweise der Verkauf ei- zu treffen. Mit dem heutigen Tage leben wir schon nes Ferienbungalows zu einem Preis von 4270 DDR neun Jahre im einheitlichen und freien Deutschland. Mark unter dubiosen Umständen unter dem Ge- Ich frage Sie: Gibt es etwas Glücklicheres? sichtspunkt der rechtlichen Bewe rtung zu prüfen. Aber diesen Sachverhalt und ähnlich gelagerte Fälle (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) zu einem Schwerpunkt in der Ausschußtätigkeit zu Das Glas ist nicht halb voll. Das Glas ist auch nicht erklären halte ich im nachhinein für nicht den gege- halb leer. Es ist wahrhaftig zu 80 bis 85 Prozent voll, benen gesellschaftlichen Interessenlagen geschul- und wir streiten, wie wir es zu 90 bis 95 Prozent voll det. bekommen können. Das ist unser Streit. (Vorsitz : Präsidentin Dr. Rita Süssmuth) Ich möchte schließen und mich verabschieden mit Wie der Ausschuß leider nur ansatzweise feststel- den Worten aus dem Faust: „Nur der verdient sich len konnte, haben im Zusammenhang mit Treuhand- Freiheit und das Leben, der täglich sie erringen und BvS - Privatisierungen - mit oder ohne Beteili- muß." gung von Treuhand- oder BvS-Mitarbeitern - erheb- Herzlichen Dank für alles. liche Vermögensveruntreuungen stattgefunden. Nicht nur, daß es hierbei um erheblich größere Sum- (Beifall bei F.D.P., der CDU/CSU und der men als die oben genannte Beispielssumme ging, aus SPD) diesen Untreuehandlungen, an denen im übrigen alte und neue Seilschaften beteiligt waren, ergaben Vizepräsident Hans-Ulrich Klose: Lieber Herr Kol- sich erhebliche gesamtgesellschaftliche Probleme. lege Dr. Röhl, ich nutze die Gelegenheit, um auch Ih- Ich meine die direkt oder indirekt dadurch verur- nen sehr herzlich für Ihre immer sehr zuverlässige sachte hohe Arbeitslosigkeit. und sehr sachliche Mitarbeit in diesem Hause zu Da hilft auch nicht die Beteuerung der Vertreter danken. Ich wünsche Ihnen für die Zukunft alles der Regierungskoalition, daß es sich, bezogen auf die Gute. Wir danken Ihnen auch für Ihre Abschluß- große Masse der Privatisierungsfälle, um Einzelfälle worte. handelt. Erstens ist dies schlichtweg unwahr, und (Beifall) zweitens sind es eben auch die gesellschaftlichen Das Wort hat jetzt der Kollege Wolfgang Bierstedt, Rahmenbedingungen, die derartigen kriminellen PDS. Energien Auslauf bieten. Für diese Rahmenbedin- gungen tragen nun einmal Sie von der Regierungs- koalition die volle Verantwortung. Darüber hinaus Wolfgang Bierstedt (PDS): Sehr geehrter Herr Prä- finde ich es einfach eine Frechheit und Unverschämt- sident! Meine Damen und Herren! Mit der heutigen heit, wenn Sie formulieren, „daß die Geschichte der Debatte über den Abschlußbericht des 2. Untersu- Privatisierung der Unternehmen der ehemaligen chungsausschusses stellt sich natürlich die Frage, ob DDR insgesamt eine Erfolgsgeschichte geworden der Ausschuß die gestellte Aufgabe im vorgegebe- ist". nen Sinne erfüllt hat. Darüber hinaus stellt sich auch die Frage, ob die formulierte Aufgabenstellung - zu- Ich gebe Ihnen sogar recht, daß es eine Erfolgsge- rückblickend - dem gebotenen politischen Auftrag schichte ist, allerdings nicht für die Menschen, die in 22342 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Wolfgang Bierstedt langen Schlangen vor ostdeutschen Arbeitsämtern Keule schwingen, ist auch ein Zeichen für die politi- stehen oder in schlecht bezahlten, unsicheren Ar- sche Voreingenommenheit, mit der der Ausschuß ins beitsverhältnissen leben. Es ist die Erfolgsgeschichte parlamentarische Leben geschickt wurde. Ich zitiere der Leute in den Aufsichtsräten, in den Chefetagen, auch nicht permanent Ihre jetzige Kollegin Frau in den Banken und in den mit lukrativen Liquida- Lengsfeld, meine Herren von der CDU, die noch am tionsaufgaben betrauten Anwaltskanzleien. Und es 28. September 1995 die Überprüfung des Finanz- ist die Erfolgsgeschichte der großen Unternehmen, gebarens der ehemaligen DDR-CDU gefordert hat - denen nicht nur lästige Konkurrenz abhanden kam, die im übrigen nie stattgefunden hat. sondern die darüber hinaus noch Steuermilliarden als Investitionsbeihilfen für Verlustübernahmen, Ent- Ein Beweis für die politische Voreingenommenheit schuldungen und Freistellungen von zweifelsfrei vor- ist auch die im Bericht erwähnte Auslobungsaktion handenen ökologischen Lasten erhielten. „Verschwundene DDR-Milliarden gesucht". Sie diente allein dem Zweck, die PDS politisch zu diskre- (Joachim Gres [CDU/CSU]: Legendenstrik- ditieren. Wenn schon Auslobungsaktion, dann eine ker!) in der Art, mit der Betriebsräte in Verbindung mit Gewerkschaften auf beabsichtigte oder vollzogene Das könnte man insgesamt noch gutheißen, aber die Aushöhlung ihrer Betriebe hätten aufmerksam ma- daraus entstandenen Arbeitsplätze sind einfach nicht chen können. Das hätte Sinn gehabt. ausreichend, von den Ausbildungsplätzen ganz zu schweigen. - (Beifall bei der PDS) Kritikwürdig ist allemal, daß sich bei den soge- Als Beispiel will ich Ihnen nur den außerordentlich nannten Großinvestoren nicht nur eine Bedienungs- engagierten Bet riebsrat der Wärmeanlagenbau Ber- mentalität entwickelt hat, sie haben sich dabei auch lin GmbH vorhalten. Ohne seinen Einsatz für die von noch auf legale oder illegale Weise zu Lasten der All- skrupellosen Geschäftemachern betrogenen Kolle- gemeinheit bereichert. Hier hätte der eigentliche gen gäbe es heute keinen Prozeß. Hätten sie früher Schwerpunkt des Untersuchungsausschusses liegen Gehör gefunden, hätten einige nicht in der entschei- müssen. denden Institution „gepennt", hätten die Kollegen (Beifall bei der PDS) vielleicht noch ihren Arbeitsplatz. Darüber hinaus hätten wir Zeit gebraucht, um den Abschließend möchte ich aus unserem Resümee zi- Komplex der Privatisierung der ehemaligen DDR- tieren: Banken und der DDR-Versicherungen tiefgründiger Der reale Umfang des Verschleuderns von DDR zu überprüfen. Die Blockade der Aufnahme dieses Vermögen zu Lasten der Menschen im Osten, Komplexes gerade seitens der Vertreter der Regie- aber auch im Westen ist noch nicht erfaßt. rungskoalition hat - wie erste Prüfungsergebnisse durch den Bundesrechnungshof bereits im Ansatz Wir empfehlen dem neu zu wählenden Bundestag, zeigten - schon seinen Grund gehabt. Es mag ir- einen Ausschuß mit einer gezielten Aufgabenstel- gendwo irgendeine zweifelhafte gesetzliche Grund- lung zur Aufdeckung der Veruntreuung von DDR- lage geben, mit denen die Milliardengewinne der Vermögen durch die Privatisierungspolitik von Treu- großen westdeutschen Banken und Versicherungen handanstalt und BvS und der jetzigen - das heißt, der bei der Übernahme der DDR-Einrichtungen zu recht- dann ehemaligen - Bundesregierung zu etablieren. fertigen sind, moralisch zu rechtfertigen ist dies alle- mal nicht. Oder die Honorare für die Liquidatoren Besten Dank. der ostdeutschen Betriebe: Nur der Einspruch des (Beifall bei der PDS) Bundesrechnungshofs hat noch Übleres verhindert, obwohl das Ergebnis nach wie vor nicht bef riedigend ist. Rechtfertigen Sie vor den Betroffenen einmal eine Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächsten Red- Honorarobergrenze von 3 Millionen DM und maxi- ner rufe ich den Kollegen Friedhelm Julius Beucher mal 20 Verfahren pro Liquidator ohne ausreichende auf. Vorgaben der fachlichen und moralischen Befähi- gung! Friedhelm Julius Beucher (SPD): Frau Präsidentin! Apropos Moral: Gerade diese Flagge halten Sie so Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist be- gern hoch - und noch höher, wenn es um das Vermö- dauerlich und auch der Sache nicht angemessen, daß gen der SED geht. Das Finanzgebaren der SED sehe wir uns zu dieser mitternächtlichen Stunde mit einem ich vielleicht noch viel kritischer als Sie, weil auch so wichtigen Kapitel deutsch-deutscher Geschichte damit eine für mich immer noch große Idee diskredi- beschäftigen müssen. tiert wurde. (Zustimmung bei der SPD) Daß die PDS in ihrer Anfangszeit auf diesem sensi- Dabei hätte der Deutsche Bundestag heute die blen Gebiet eine Reihe von Fehlern zugelassen hat, Chance gehabt, der Öffentlichkeit deutlich zu ma- ist auch unstreitig. chen, daß das Parlament seine Aufgaben - insbeson- (Joachim Gres [CDU/CSU]: Dann setzen Sie dere seine Kontrollfunktion - über den Tellerrand doch Ihren Parteiführer ab!) des tagespolitischen Geschehens hinaus wahrnimmt. Wir hätten die Chance gehabt, in großer Einigkeit Aber daß Sie diese nun mehrfach auch von Gerichten ein Dokument vorzulegen, das beweist, daß wir die bewerteten Fälle immer wieder im Wahlkampf als Aufarbeitung der jüngsten deutschen Geschichte Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22343

Friedhelm Julius Beucher ernst nehmen und daß wir uns dabei auch vor unan- kam, mit Hilfe der Bundesregierung Zeugenverneh- genehmen Wahrheiten nicht drücken. Diese Chance mungen verschleppt, Beweisanträge vertagt, Unter- ist vertan. suchungen verzögert. Deshalb frage ich Sie ganz konkret: Warum haben Sie verhindert, daß in dieser Der 2. Untersuchungsausschuß „DDR-Vermögen", noch lange nicht aufgeklärten Geschichte weiter un- der eigentlich richtig heißen müßte „Veruntreutes tersucht wird? Nennen Sie mir doch einen vernünf- DDR-Vermögen", gibt heute einen Bericht ab, hinter tigen Grund, der Sie dazu bewogen hat, uns die Ak- dem die SPD zum weit überwiegenden Teil steht. Er ten unzugänglich zu machen! ist das Ergebnis einer über Jahre dauernden mühe- vollen Arbeit. An dieser Stelle ist es deshalb mehr als Was hätte Ihnen denn passieren können? Sie hät- angebracht, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ten sich an der Recherche ja nicht einmal beteiligen des Sekretariats für das über das normale Maß hin- müssen. Wir hätten das schon für Sie gemacht. Ich ausgehende Arbeiten zu danken. kann das nur verstehen, wenn etwas an den Vorwür- fen dran ist. Ich kann das aber nicht verstehen, (Beifall bei der SPD) wenn, wie Sie behaupten, an den Vorwürfen nichts Ich danke auch dem Vorsitzenden für seine faire dran ist. In Ihrem eigenen Interesse hätten Sie sich und ausgleichende Ausschußführung. Mein - aller- doch darum bemühen müssen, daß diese Geschichte dings eingeschränkter - Dank gilt auch den Vertre- aufgeklärt wird. Aber das Gegenteil geschieht: Sie tern der Bundesregierung im Ausschuß, die sich in retten sich über die Zeit und schließen die Aktendek- weiten Teilen redlich bemüht haben, ihren Job zu kel vorzeitig. Meine Damen und Herren von der machen, allerdings auch do rt verzögerten, wo es poli- CDU, Sie machen sich damit einfach nur verdächtig. tisch gefordert war. Deshalb frage ich Sie: Wie bewe rten Sie folgenden vertraulichen Vermerk aus einem Gespräch zwischen Damit bin ich beim ärgerlichen Teil dieses Aus- Thyssen- und Elf-Aquitaine-Vertretern? Ich zitiere: schusses: Wir haben unseren Auftrag einfach nicht „im Dezember 1991 in Pa ris ... abgestimmte Vorge- vollständig erledigt, obwohl das möglich gewesen hensweise bezüglich der Bearbeitung der politischen wäre. Doch Bundesregierung und die Mitglieder der Seite in Bonn". Koalition im Ausschuß haben blockiert, gemauert, verzögert, verschleppt - kurz: Sie haben sich viele (Joachim Gres [CDU/CSU]: Wo haben Sie Tricks und Finten gegen die Aufklärung einfallen denn das her?) lassen. So war es beim Bremer Vulkan, beim Konsor- tialdarlehen Dresden, beim Wärmeanlagenbau Ber- Damit kann doch nicht, Herr Gres, die Bearbeitung lin und bei vielen anderen skandalösen Fällen. Zu oft der Blumenbeete im Kanzleramt gemeint gewesen waren Sie Erfüllungsgehilfe der Bundesregierung - sein. Dort wurde mehr in Sachen Leuna/Minol ver- die Funktion eines Untersuchungsausschusses haben handelt - und vor allem entscheidend verhandelt -, Sie dabei nicht verstanden. Aufgabe ist es doch, die als Sie uns eben glauben machen wollten. Selbst die Regierung zu kontrollieren, nicht aber, der Regierung Treuhandanstalt hat das beklagt. Dieses Zitat, Herr nach dem Mund zu reden. Gres, habe ich aus Unterlagen des „Focus". Dies schreibt immerhin ein Thyssen-Manager im Zusam- Deswegen halte ich im übrigen auch das Herunter- menhang mit den im gleichen Magazin zitierten rechnen des Schadens - ohnehin eine unse riöse Dis- 38 Millionen für sogenannte nützliche Ausgaben. Ich kussion - für lächerlich: Sie selbst haben noch in der halte das für sehr deutliche Worte. Die Öffentlichkeit vergangenen Legislaturperiode darauf hingewiesen, wird schon bewe rten können, ob mit solchen Hinwei- daß die Schäden allein bis 1992 bei Treuhand und sen ein Verdacht auf Schmiergeldzahlungen erhärtet Transferrubel schon 6 Milliarden DM betragen ha- wird oder nicht. ben. Ich hätte mich zum Abschluß unserer gemeinsa- Jetzt will ich auch noch auf den Fall Leuna/Minol men Arbeit gerne freundlicher geäußert, doch die eingehen. Die Freude über die geschaffenen Arbeits- skandalöse Untergrabung parlamentarischer Rechte, plätze darf den Blick für die Fehler bei dieser Privati- die Sie hier betrieben haben, läßt das nicht zu. sierung nicht vernebeln. Hier geht es um die Er- schleichung von öffentlichen Fördermitteln und Sub- (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE ventionsbetrug. Hier geht es um seltsame Vorgänge GRÜNEN und der PDS) bei der Auswahl des Käufers und um Einschaltung dubioser Vermittler bei den Verhandlungen. Und es geht auch noch um mehr, nämlich um den Grund für Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Es folgt der Kol- Ihr beispielloses Verhalten am Ende dieses Aus- lege Dr. Wolfgang Götzer. schusses. Aus französischen Medien wissen wir, es gebe Dr. Wolfgang Götzer (CDU/CSU): Frau Präsiden- Hinweise auf Schmiergeldzahlungen in Millionen- tin! Meine Damen und Herren! Die CDU/CSU-Frak- höhe an die CDU. Und es sind ja nicht gerade Revol- tion hat sich dem Ansinnen, insbesondere dem der verblätter, die das geschrieben haben. „Le Monde" SPD, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen, der gehört doch sicherlich nicht zur „linken Kampf- sich mit der weiteren Aufarbeitung der Themenkom- presse". Ich will bei solch ungeheuerlichen Vorwür- plexe „Kommerzielle Koordinierung" und „Privati- fen einfach nicht zur Tagesordnung übergehen, ich sierungen durch die Treuhandanstalt" befassen will aufklären. Das aber wollen Sie nicht. Also haben sollte, nicht verschlossen. Wir haben uns um eine Sie, als die CDU in den Mittelpunkt der Leuna-Affäre konstruktive Zusammenarbeit bemüht und in vielen 22344 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Dr. Wolfgang Götzer Fragen einvernehmlich Untersuchungsergebnisse er- manches Bundesland - ein besonders negatives Bei- zielen können. spiel ist hier Niedersachsen - nicht. In diesem Zusammenhang sind etwa die Feststel- Vor diesem Hintergrund klingen die Vorwürfe, die lungen zum sogenannten Novum - Komplex hervor- der Kollege Beucher in der Presse in diesem Zusam- zuheben. Die intensiven Nachforschungen des Aus- menhang an die Adresse der Bundesregierung rich- schusses zu dieser Thematik haben bestätigt, daß tet, besonders hohl. Da würde er entsprechende Vor- diese Firma, die immerhin einen Wert von zirka haltungen doch besser an seine Genossen, die in den 500 Millionen DM hat, zum SED-Vermögen gehört. Ländern Verantwortung tragen, richten. Die Bundes- Der Ausschuß ist trotz der vielfältigen Verschleie- behörden - nur deren Kontrolle obliegt ja dem Bun- rungsversuche der Zeugen aus dem Bereich der destag - haben auch darüber hinaus in ihrem jeweili- SED, die hierzu befragt wurden, einvernehmlich - gen Zuständigkeitsbereich die Strafverfolgungsbe- natürlich mit Ausnahme der PDS - zu diesem Ergeb- hörden mit großem Erfolg unterstützt. Als Beispiel sei nis gelangt. hier nur die unter dem Vorsitz des Bundesfinanzmi- nisteriums eingerichtete Arbeitsgruppe Koordinierte Weitere Beispiele für die konstruktive Zusammen- Ermittlung aus Vertretern des BMI, der BvS, der arbeit im Ausschuß sind die Ergebnisse der Nachf or- UKPV, des BKA und der ZERV genannt. Wir sehen schungen nach weiteren Unternehmen des Bereichs keine Veranlassung, die Zusammenarbeit zwischen KoKo oder auch die Untersuchungen zum Verhältnis den beteiligten Behörden zu bemängeln. des Bereichs KoKo zum MfS und zum Verbleib des- MfS-Vermögens. Aus dem Bereich des KoKo-Vermö- Meine Damen und Herren, ausführlich beschäftigt gens konnten durch die Treuhandanstalt/BvS bislang hat uns das Konsortialdarlehen Dresden. Dazu ist 3,7 Milliarden DM realisiert werden. Mit weiteren Er- folgendes festzuhalten: Das BMF ist in diesem Fall lösen in Milliardenhöhe ist zu rechnen. völlig korrekt und an Recht und Gesetz orientiert vor- angegangen und hat sowohl die Interessen der Stadt Hier fand der Ausschuß im übrigen weitere Bestäti- Dresden als auch die des Bundes in optimaler Weise gungen dafür, daß der Bereich KoKo das MfS finan- gewahrt. Die Polemik der SPD geht völlig an der Sa- ziell unterstützte und von diesem nachrichtendienst- che vorbei. lich genutzt wurde. Bezüglich des Verbleibs des Tatsache ist, daß das BMF und die Stadt Dresden MfS-Vermögens konnte der Ausschuß feststellen, bis Mitte 1996 gar keine Möglichkeit hatten, eine daß trotz zahlreicher Versuche von MfS-Angehöri- Rückzahlung des Darlehens an die Firma Lomer zu gen, Vermögenswerte beiseite zu schaffen, durch die verhindern, weil es bis zu diesem Zeitpunkt keine Arbeit der Bundesbehörden zirka 3 Milliarden DM belastenden Hinweise auf einen Währungsumstel- gesichert werden konnten. lungsbetrug oder ein Scheingeschäft bei dem der Leider wurde die Arbeit des Ausschusses aber Darlehensgewährung vorangegangenen Festplatten- auch dadurch beeinträchtigt, daß die SPD an einige speichergeschäft zwischen der Firma Lomer und Themen in sehr tendenziöser Weise heranging. Dies dem DDR-Kombinat Robotron gab. Allein dies aber betraf beispielsweise die von der ZERV in die Welt hätte eine Beschlagnahme des Geldes ermöglicht. -gesetzte Behauptung, daß durch die Regierungs Die Staatsanwaltschaft Berlin hatte mehrfach und und Vereinigungskriminalität ein Schaden von an- über Jahre hinweg in dieser Angelegenheit ermittelt geblich 26 Milliarden DM entstanden sei. Obwohl und die entsprechenden Ermittlungsverfahren immer sich diese Zahl schon am Anfang der Tätigkeit des wieder eingestellt, weil sich der Verdacht jeweils Untersuchungsausschusses als völlig unrealistisch nicht erhärten ließ. Erst die nach dem Vergleichsab- und aus der Luft gegriffen herausstellte - weil näm- schluß zwischen der Stadt Dresden und der Firma Lo lich in allen seriösen Schätzungen allenfalls ein dies- mer aufgetauchten neuen Erkenntnisse haben es er- bezüglicher Schaden in einstelliger Milliardenhöhe möglicht, daß das BMF die Rückzahlung des Darle- für möglich gehalten wurde -, sind Kollegen von der hens noch stoppen und das Geld beschlagnahmt SPD immer wieder mit dieser Horrorzahl durch die werden konnte. Lande gezogen, um Stimmung gegen die erfolgrei- (Friedhelm Julius Beucher [SPD]: Da muß che Privatisierungspolitik der Bundesregierung zu ten Sie aber zum Jagen getragen werden!) machen. Natürlich darf der tatsächlich eingetretene Schaden nicht verharmlost werden; das ist schon - Das haben nicht Sie verursacht, Herr Kollege Beu- richtig. Es dürfen aber auch die außerordentlich cher. schwierigen Umstände bei der Umgestaltung einer Eine endgültige Bewe rtung des Falles kann aber Wirtschaftsordnung nicht außer acht gelassen wer- erst nach Abschluß des strafrechtlichen Ermittlungs- den, die nach 40 Jahren praktiziertem Sozialismus verfahrens erfolgen. völlig ruiniert war. Ein finanzieller Schaden durch den Vergleichsab- In diesem Zusammenhang ist besonders darauf schluß ist aber in jedem Fall nicht entstanden, da hinzuweisen, daß die Zuständigkeit für Strafverfol- auch für den Fall, daß die Rechtmäßigkeit der Darle- gungsmaßnahmen bei den Ländern liegt. Was die hensforderung der Firma Lomer festgestellt wird, der Unterstützung der Staatsanwaltschaft II beim Land- günstigere Währungsumstellungssatz von 1:3 ver- gericht Berlin und der Zentralen Ermittlungsstelle für einbart wurde. Deshalb, verehrte Kollegen von der Regierungs- und Vereinigungskriminalität auch in SPD, eignet sich dieser Fall nun wirklich nicht für ir- personeller Hinsicht angeht, kann und muß man fest- gendwelche parteipolitischen Profilierungsversuche. stellen: Der Bund hat seine Verpflichtungen erfüllt so Da sollten Sie vielleicht eher mal mit Ihren Genossen Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22345

Dr. Wolfgang Götzer in Sachsen-Anhalt sprechen. Vielleicht finden die bei Dr. Wolfgang Götzer (CDU/CSU): Nein, das muß er ihren Bündnisgenossen von der PDS noch DDR-Ver- schon aushalten, der Herr Kollege von der PDS. Daß mögen. Die PDS war ja ganz groß im Geschäft bei den er jetzt zuhören muß, ist ein pädagogischer Akt. Vermögenverschiebungen, und ihr Vermögen konnte (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU bis zum heutigen Tag auf Grund ihrer Verweige- rungshaltung nicht vollständig aufgeklärt werden. und der F.D.P. - Wolfgang Bierstedt [PDS]: Danke schön, Herr Oberlehrer!) Meine Damen und Herren, so manches von der SPD hochgespielte Thema enthielt viel heiße Luft, Natürlich möchte ich auch unserem Vorsitzenden führte aber zu immensem Arbeitsaufwand des Unter- dafür danken, daß er diesen Ausschuß fair, souverän suchungsausschusses, wenn ich zum Beispiel an die und mit Noblesse geleitet hat. Der Ausschuß hat Angelegenheit mit den Computerdisketten denke, seine Arbeit gut gemacht. die der ehemalige MfS-Offizier Willy Koch an den Ich bedanke mich. BND übergeben hat. Das Ergebnis war enttäu- schend. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Viel Zeit, die zur Aufklärung von anderen wichti- gen Fragen notwendig gewesen wäre, wurde vertan. Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Zu einer Kurzinter- Dies gilt auch für das hektische Aufgreifen von Priva- vention hat der Abgeordnete Dr. Willibald Jacob das tisierungsfällen durch die SPD gegen Ende der Un- Wort. tersuchungstätigkeit. Der Erfüllung unseres Untersu- chungsauftrages war das sicher nicht dienlich. Der Dr. Willibald Jacob (PDS): Frau Präsidentin! Meine SPD ging es offensichtlich darum, nachdem die bis Damen und Herren! Mein Vorredner hat einen päd- dahin durchgeführten Beweiserhebungen nicht zu agogischen Akt vollziehen wollen. Dabei hat er ver- den von ihr erhofften Sensationen geführt hatten, ir- gessen, daß Erwachsenenbildung nicht in dieser A rt gendwelche publikumswirksamen Skandale zu prä- und Weise geschehen kann, sentieren. Dies hatte mit sachgemäßer Aufklärung und Durchführung des seinerzeit einvernehmlich f or- (Zuruf von der CDU/CSU: Bildung ist bei mulierten Untersuchungsauftrages nichts zu tun. Ihnen sowieso umsonst!) Abschließend möchte ich noch einige Worte zu den wie Sie das eben exemplarisch vorgeführt haben, abweichenden Bewertungsteilen der Opposition sa- Kollege Dr. Götzer, sondern durch Lebensvorgänge. gen. Meine Damen und Herren, bei der Lektüre des Unsere Biographien sind nicht nur durch 40 Jahre Bewertungsteiles der Kollegen von der SPD-Fraktion DDR-Geschichte geprägt, sondern auch durch die und von Bündnis 90/Die Grünen ist mir aufgefallen, letzten zehn Jahre. Deshalb bezieht sich meine per- daß zu den Vermögenverschiebungen der SED/PDS sönliche Erklärung - diese Kurzintervention - auf auffallend kurz Stellung genommen wird. Hier wäre eine Dimension, die Sie verdrängen, nämlich auf au- eine deutlichere Auseinandersetzung mit der SED ßerdemokratische Vorgänge, die die Menschen mehr und der PDS angebracht gewesen. Aber dies ent- beeindrucken als parlamentarische Debatten. Ich spricht wohl nicht Ihrer derzeitigen Interessenlage. spreche als Unterstützer der damaligen Initiative ost- Um so erschreckender fällt die Lektüre der abwei- deutscher Bet riebsräte, die von 1990 bis 1993 um den chenden Darstellung und Bewe rtung der PDS aus. Erhalt ostdeutscher Bet riebe gekämpft hat. Wenn der Dieses Elaborat macht einmal mehr deutlich, daß die Abschlußbericht die Privatisierung pauschal als Er- PDS tatsächlich der organisierte Widerstand gegen folgsgeschichte bezeichnet, dann ist das zu hinterfra- den Erfolg der deutschen Einheit ist. Es liest sich wie gen. Ich finde das schon bemerkenswe rt. In gewisser das Handbuch der sozialistischen Planwirtschaft, er- Weise stimme ich zu. Die Frage ist nur, für wen das geht sich in ewig gestriger DDR-Nostalgie und zeigt, eine Erfolgsgeschichte war. Für die Kalikumpel von daß die PDS die Wiedervereinigung als Unglück an- Bischofferode, um die es mir konkret geht - wir sieht, was sie für die SED zweifellos auch gewesen könnten Hunderte solcher Geschichten erzählen -, sein mag. war sie es ganz bestimmt nicht. Wenn man diesen Bericht liest, wird deutlich, was (Zuruf von der CDU/CSU: Auf wen bezieht von den kürzlich von dem PDS-Vorsitzenden Bisky sich die Kurzintervention?) gemachten Bekundungen zu dem angeblich mittler- Sie wurden als Folge der Privatisierung in die Ar- weile geläuterten Verhältnis der PDS zu diesem Staat beitslosigkeit geschickt und warten heute noch auf mit seiner demokratischen Grundordnung zu halten die 700 bis 1000 versprochenen neuen Dauerarbeits- ist: nichts, aber auch gar nichts. Den Kollegen der plätze. SPD empfehle ich diesen Teil zur intensiven Lektüre, damit sie wissen, mit wem sie sich da einlassen. Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Darf ich fragen, Abschließend möchte auch ich allen Mitarbeitern, auf wen Sie jetzt antworten? allen Vertretern der Bundesregierung und allen um die Wahrheitsfindung bemühten Kollegen danken. Dr. Willibald Jacob (PDS): Bitte? Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Götzer, ge- statten Sie noch eine Zwischenfrage des Abgeordne- Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Auf wen bezieht ten Bierstedt? sich Ihre Kurzintervention? 22346 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Dr. Willibald Jacob (PDS): Auf den letzten Redner. Dr. Willibald Jacob (PDS): Es war schlicht eine Un- verschämtheit, - (Lachen bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

- Auf den letzten Redner, den Kollegen Dr. Götzer. Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Jetzt kommen Sie (Zuruf von der CDU/CSU: Der kann doch zum Schluß, sonst stelle ich das Mikrofon ab. keine Kurzintervention schriftlich vorberei- ten!) Dr. Willibald Jacob (PDS): - was do rt passierte. Das ist mein letzter Satz. Erfolgreich waren dagegen die Aktionäre der Kali und Salz AG Kassel. Danke sehr. (Zuruf von der CDU/CSU: Sie können doch (Beifall bei der PDS) nicht ablesen! Sie wußten doch gar nicht, was der Vorredner sagt!) Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächster Red- - Ich erzähle Ihnen diese Geschichte, um Ihnen et- ner hat der Kollege Hans-Joachim Hacker das Wo rt. was ins Gedächtnis zu rufen. (SPD): Sehr geehrte Frau (Zuruf von der CDU/CSU: Sie lesen ab! Sie Hans-Joachim Hacker Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der erzählen nicht!) Auftrag des 2. Untersuchungsausschusses „DDR- - Ja, gewiß. - Das ist ein Paradigma für Erfolg Vermögen" lautete, festzustellen, inwieweit in Vor- bereitung und im Vollzug der deutschen Einheit (Zuruf von der CDU/CSU: Hier ist nicht der finanzielle und materielle Werte unrechtmäßig bei- Ort für Geschichten!) seite geschafft wurden und wer die Begünstigten und für eine beeindruckende Geschichte, die uns waren oder heute noch sind. sehr nachdenklich macht. K+S hat die Privatisierung Selbstverständlich mußte sich der Untersuchungs- der DDR-Kalindustrie letztlich zu ihren Gunsten in ausschuß auch mit der Privatisierungspolitik der schamloser Weise genutzt, Treuhandanstalt sowie ihrer Nachfolgerin, der BvS, (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist ein Miß- beschäftigen. Gescheiterte Privatisierungen, Beispiel brauch der Geschäftsordnung!) Vulkan, forderten geradezu heraus, die Ursachen und Verantwortlichkeiten für diese Schäden an ver- um mit der Schließung des Kalistandortes Bischoffe- lorenen Steuergeldern zu benennen. rode, Der Untersuchungsausschuß „DDR-Vermögen" (Zuruf von der CDU/CSU: Hören Sie doch hat die Arbeit an Untersuchungskomplexen fortge- auf, abzulesen! Das ist doch lächerlich!) führt, die bereits vom Untersuchungsausschuß ,,Kommerzielle Koordinierung" in der 12. Legislatur- eines wirtschaftlich gesunden Betri ebes - das möchte periode bearbeitet wurden. Dazu gehört das Schick- ich betonen -, sal der Mülldeponie Schönberg, die heute unter dem (Zuruf von der F.D.P.: Das stimmt nun wahr- neuen Namen Deponie Illenberg bet rieben wird. Die lich nicht! Tragen Sie nicht falsche Dinge Art und Weise der Privatisierung des VEB Deponie vor!) Schönberg, der Gestaltung der Verträge über die Vermarktung und die Betreibung der Deponie sowie einen Konkurrenten aus dem Markt zu drängen. die Folgekosten sind ein klassisches Beispiel für das Fortbestehen alter Ost-West-Seilschaften, die jetzt zu Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Das geht nun nicht Lasten des Landes Mecklenburg-Vorpommern und mehr. damit seiner Bürgerinnen und Bürger gehen. Bereits 1992 war klar, daß der von der Treuhandan- Dr. Willibald Jacob (PDS): Zweitens erhielt K+S stalt beschäftigte Geschäftsführer auf der Deponie von der Treuhand Zuschüsse von über 1 Milliarde Schönberg unter Ausnutzung und in Überschreitung DM - angeblich zur Sanierung der Ostbetriebe. seiner Kompetenzen dem alten und neuen Pa rtner Hanseatisches Baustoffkontor Bad Schwartau durch Änderungen im Gesellschaftervertrag Vorteile ver- Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Die Kurzinterven- schaffte. Ich frage die Bundesregierung, nament lich tion ist beendet. das Bundesfinanzministerium als Fachaufsichtsbe- hörde der Treuhandanstalt: Wie konnten diese Vor- Dr. Willibald Jacob (PDS): Natürlich wurde das ei- gänge geduldet werden, und warum wurden nicht gene Unternehmen damit aus den roten Zahlen ge- 1992 und 1993 personelle Konsequenzen gezogen? bracht. Warum war es möglich, daß dieser Geschäftsführer bis zu Beginn dieses Jahres sein Spiel weite rtreiben und dabei nach alter KoKo-Manier Untergeschäfte Selbst wenn Sie Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: zum eigenen Vorteil am Wegesrand schließen mir jetzt nicht zuhören: Auch um Mitternacht gelten konnte? noch für alle diejenigen Regeln, die am Tage gelten. Ihre Redezeit ist zu Ende. Mit einer Kurzintervention Der Bericht der Berliner Staatsanwaltschaft II im hat Ihr Vortrag nichts zu tun. Ermittlungsverfahren Mülldeponie Schönberg vom Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22347

Hans-Joachim Hacker 17. Februar 1998 ist ein Offenbarungseid. Er belegt die tatsächlichen Eigentumsverhältnisse hat die PDS genau das, was die Mitglieder meiner Fraktion in leider nicht beigetragen. Das ist hier heute mehrfach den Untersuchungsausschüssen „Kommerzielle Ko- angesprochen worden. Ich muß dieses hier auch so ordinierung" und „DDR-Vermögen" immer wieder deutlich benennen. Vielmehr hat sie das Handlungs- kritisiert haben, nämlich daß die polizeilichen und drehbuch der SED und KPO fortgeschrieben, die Justizmaßnahmen notleidend sind. Diese Mängel über Jahrzehnte die tatsächlichen Eigentumsverhält- hätten abgestellt werden können, ja, sie hätten abge- nisse verschleierten. stellt werden müssen; denn es ging hierbei nicht um Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, der die Bearbeitung von Bußgeldbescheiden, sondern Optimismus ist gerechtfertigt, daß das anstehende um die Ahndung milliardenschwerer Wirtschaftskri- minalität im Zuge der deutschen Einheit und danach. Berufungsverfahren vor dem Berliner Oberverwal- tungsgericht zu dem Ergebnis führt, daß das verun- Im laufenden Ermittlungsverfahren geht es jedoch treute Geld der Firma Novum den Berechtigten, nicht nur um die Prüfung der strafrechtlichen Verant- nämlich den neuen Ländern, zufließt. Bei allen wortlichkeit von Mitarbeitern aus dem Deponiebe- Schattenseiten der Veruntreuung im KoKo- und MfS reich, sondern auch um die Verantwortung des Al- Bereich und bei den Fehlern der Privatisierung der leingesellschafters der Deutschen Abfallwirtschafts- Treuhandanstalt ist das ein hoffnungsvoller Licht- gesellschaft, Adolf Hilmer, und mehrerer Mitarbeiter blick, wie ich meine. der ehemaligen Treuhandanstalt. Die Verstrickung An dieser Stelle mein Dank all denen, die uns ge- von Mitarbeitern der Treuhandanstalt hinterläßt nicht - holfen haben und die mit dazu beigetragen haben, nur einen faden Beigeschmack, sondern führt zu den diesen Bericht zu erstellen. Mein besonderer Dank Fragen: Wie konnten die Verflechtungsstrukturen geht an Frau Dr. Mockenhaupt und Frau Hoffmann. des Müllhandels aus der Zeit der deutschen Teilung den Untergang der DDR überstehen, und wodurch Ich danke Ihnen. war es möglich, daß diese undurchschaubaren Ge- schäftsstrukturen weiter existierten und existieren? (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne Meine Antwort: Die Treuhandanstalt und damit auch ten der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/ das Bundesministerium der Finanzen haben in DIE GRÜNEN und der F.D.P.) grober Weise ihre Kontroll- und Aufsichtspflichten zum Schaden der Steuerzahler verletzt. Gewinne Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Das Wort hat jetzt wurden und werden kräftig privatisiert, die Verluste die Kollegin Dr. Christine Lucyga. werden sozialisiert. Sie sind von den Bürgerinnen und Bürgern des Landes Mecklenburg-Vorpommern Dr. Christine Lucyga (SPD): Frau Präsidentin! zu tragen. Meine Kolleginnen und Kollegen! Ihnen allen mitein- In der Öffentlichkeit ist mehr als einmal die Frage ander wünsche ich einen guten Morgen und hoffe, nach dem Ergebnis der Arbeit dieses Untersuchungs- daß Sie noch nicht einschlafen, ausschusses aufgeworfen worden. Allein ein Vor- (Ulrich Heinrich [F.D.P.]: Wenn Sie es kurz gang, mit dem sich der Untersuchungsausschuß machen!) lange Zeit beschäftigt hat, ist geeignet, beispielhaft zu belegen, daß der Ausschuß nicht nur einen Bei- denn ich setze mich noch einmal mit Ihrer Eupho rie trag zur Analyse der tatsächlichen wi rtschaftlichen in bezug auf die Arbeit der Treuhandanstalt ausein- Situation der DDR am Ende ihrer Existenz geliefert ander, die man beim besten Wille nicht gutheißen hat. Wir haben durch unsere Untersuchungstätigkeit kann. Ich habe eher den Eindruck, daß man im Wahl- den politischen Druck erzeugt, damit notwendige jahr Erfolgsmeldungen braucht. Getreu dieser Devise Untersuchungen vorangetrieben wurden, und auch hat die BvS vor zwei Tagen eine reichlich schönge- einen Beitrag dazu geleistet, daß Veruntreuung von rechnete Bilanz der Privatisierungen im Lande Vermögenswerten aufgedeckt werden und das Geld Mecklenburg-Vorpommern vorgelegt, in der von den Berechtigten, in vielen Fällen den neuen Län- den Böcken, die geschossen wurden, auch nicht eine dern, zufließen konnte. Spur zu finden ist. Es findet sich viel Selbstlob, und die peinlichen Pannen und Schäden in Milliarden- Ein Beispiel hierfür ist der Fall der Firma Novum, höhe, die von der Treuhand/BvS zu verantworten deren Vermögen von über 500 Millionen DM unter sind, werden im Vertrauen auf das schlechte Ge- Umgehung des Parteiengesetzes der DDR ins Aus- dächtnis der Menschen glattweg totgeschwiegen. land gerettet werden sollte. Der Untersuchungsaus- schuß - mit Ausnahme des Mitglieds der PDS - ist Aus dem Abschlußbericht des 2. Untersuchungs- nach sorgfältiger Prüfung der zur Verfügung stehen- ausschusses geht allerdings hervor, daß der größte den Unterlagen zu der Auffassung gekommen, daß Schönheitsfehler dieser schöngerechneten Bewer- die Novum SED-Vermögen war und somit unter die tungen eben die Nichtübereinstimmung mit der Rea- Regelungen des § 20a und b des Parteiengesetzes lität ist. Als Beispiel bietet sich einmal mehr die Pri- der DDR fällt. Herr Dr. Götzer, wir brauchen keine vatisierung der ostdeutschen Werften durch den Lehrstunde; Sie können nachlesen, daß wir dieser Verkauf an den Bremer Vulkan Verbund an, die dem Bewertung ausdrücklich zustimmen. Wir haben die- Land eine tiefgreifende Werftenkrise und den Werf- sen Teil der Bewertung mitgetragen. ten eine nachhaltige Existenzgefährdung beschert hat. An den Folgen trägt das Land übrigens heute Zur Aufklärung der Umstände der Vermögensver- noch: im Landeshaushalt und in der Arbeitslosensta- schiebung nach der Beseitigung der Unterlagen über tistik. 22348 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Dr. Christine Lucyga Diese Probleme hätten wenigstens zum Teil ver- Unsere Anfangsvermutung, daß BvS und BMF ih- mieden werden können, wenn die Treuhand/BvS rer Kontroll- und Aufsichtspflicht nicht nachgekom- und der für die Rechts- und Fachaufsicht zuständige men sind, wurde im Ausschuß voll und ganz bestä- Bundesfinanzminister nicht so nachlässig mit einem tigt. Für diesen Fall gab es die immer wiederkehren- Problem von derartiger Tragweite umgegangen wä- den Erklärungen, man habe auf Zusicherungen ver- ren. Dieses Fehlverhalten beginnt mit einer unzurei- traut, man habe keine ausreichenden Kontrollmög- chenden Bonitätsprüfung, setzt sich fo rt mit zu groß- lichkeiten gehabt, man sei in einer schwachen Posi- zügigen Vorabmittelfreigaben und einem mangelhaf- tion mangels Alternativen gewesen, und man habe ten bzw. nicht gegebenen Vertragsmanagement und keinen Einfluß auf die Verwendung der Mittel ge- Controlling. Darauf geht die SPD in ihrem Bewer- habt. tungsteil ausführlich ein. Mir ist bis heute unverständlich geblieben, daß die Der Fall Bremer Vulkan Verbund ist kein Einzelfall. Treuhand, die Milliardenbeträge auf den Tisch blät- Der Untersuchungsausschuß hatte sich mit weiteren tert und die die Schiffbaubetriebe, ihre Zulieferer Skandalen zu befassen. Man kann davon ausgehen, und den dazugehörigen Markt für einen goldenen daß im Zuge der Privatisierung Milliardenbeträge Handschlag abgibt, gegenüber dem Empfänger in ei- beiseite geschafft wurden. Das hätte nicht passieren ner so schwachen Position gewesen sein soll, daß müssen und dürfen, wenn die Rechts- und Fachauf- nicht einmal die Kontrolle über die sachgerechte Ver- sicht ordnungsgemäß wahrgenommen worden wäre. wendung der Mittel möglich war, während jeder Im übrigen ist der Bundesrechnungshof zu einer ana- kleine Handwerker, der gerade mal einen Kredit von logen Bewertung gekommen. Das besagt klar, daß 20 000 oder 30 000 DM braucht, hochnotpeinlich auf Treuhand/BvS und Bundesregierung sich ihrer Mit- Kreditwürdigkeit durchleuchtet wird. Aber offenbar verantwortung für den Vulkan-Skandal und für die sind Geschäfte nach Ansicht der BvS um so unver- daraus folgenden existenzgefährdenden Entwicklun- dächtiger, je höher die Beträge sind; denn seit gen für den Schiffbau in Mecklenburg-Vorpommern Schneider wissen wir immerhin, daß Milliardenbe- nicht entziehen können. träge Peanuts sind. Nur, meine Damen und Herren von der Koalition, das sollten Sie einmal der Kran- Es geht in dieser Situation nun nicht um nachträg- kenschwester, dem Polizisten und der Einzelhändle- liche Besserwisserei, sondern um die Einsicht in Feh- rin klarmachen, die mit ihren Steuergroschen genau ler und darum, diese Fehler bei der laufenden Priva- diese unglaubliche Schlamperei der BvS finanzieren. tisierung zu vermeiden, um die Werften in Wismar, Rostock und Stralsund und vor allen Dingen auch (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE das Rostocker Dieselmotorenwerk, dessen Zukunft GRÜNEN und der PDS - Dr. Klaus Röhl als europaweit konkurrenzloser Zulieferer für Groß- [F.D.P.]: Wo war Herr Hennemann?) diesel uns in Deutschland eigentlich besonders am Herzen liegen muß, nicht auch noch zu gefährden. Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Ihre Redezeit ist zu Ende. Ob es bei BvS und Bundesregierung zu dieser Ein- sicht gekommen ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Es bleibt aber festzustellen, daß es sich die Bundesre- Dr. Christine Lucyga (SPD): Nach Insider-Schät- gierung eine ganze Menge hat kosten lassen, ihre zungen hat bereits die überhastete Privatisierung der Fehler und Versäumnisse im Falle Vulkan zunächst Ostwerften weitaus höhere Kosten verursacht, als einmal auszusitzen. Denn trotz massiver Warnungen, nach dem ursprünglich von der Treuhandanstalt be- darunter auch höchst besorgte Anfragen der Landes- reits gebilligten Sanierungskonzept der DMS ange- regierung Mecklenburg-Vorpommern und Anfragen fallen wären - nicht eingerechnet der später durch einzelner Abgeordneter, zu denen auch ich gehöre, Veruntreuung entstandene Schaden, den wir alle zu kam immer die Bleichlautende Beruhigungspille: tragen haben. keine Zweckentfremdung; die Investitionen gehen Ich komme zum Schluß, Frau Präsidentin. Der Vul- planmäßig voran - und das zu einem Zeitpunkt, als kan-Skandal ist mehr als nur eine endlose Ge- Bundesregierung und BvS eigentlich schon hätten schichte von Pleiten und Pannen. Er zeigt durch den wissen müssen und wahrscheinlich auch wußten, Mangel an Verantwortung bei den Entscheidungsträ- daß diese Aussagen falsch waren. Statt Flagge zu gern die schweren moralischen Defizite dieser Poli- zeigen, zu handeln und damit wenigstens einen Teil tik. Es wird abzuwarten sein, ob sich die Bürgerinnen der für die Ostwerften bestimmten Mittel zu retten, und Bürger das über den 27. September hinaus gefal- wurde von der Bundesregierung wieder einmal Vo- len lassen. gel-Strauß-Politik betrieben. Ich danke Ihnen. Die SPD hat im 2. Untersuchungsausschuß die Auf- nahme des Vulkan-Komplexes in den Untersu- (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE chungsauftrag durchgesetzt, weil es uns darum geht, GRÜNEN und der PDS - Rudolf Bindig aufzuklären, wie es dazu kommen konnte, daß - ge- [SPD]: Ganz gewiß nicht!) wissermaßen unter den Augen von BvS und damit auch der Bundesregierung - dera rt mit öffentlichen Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Das Wort zu einer Mitteln in dieser Größenordnung umgegangen wer- Kurzintervention hat Herr Bierstedt. den konnte, und wie es möglich war, daß diese Ver- untreuungen nicht rechtzeitig gestoppt und weitere (Zurufe von der CDU/CSU und der F.D.P.: verhindert werden konnten. Oh!) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22349

Wolfgang Bierstedt (PDS): Sehr geehrte Frau Präsi- Genau dieses Wissen haben wir immer ange- dentin! Ich beziehe mich in meiner Kurzintervention mahnt. Wir haben gemahnt: Legen Sie die Karten auf auf die Rede des Kollegen Hacker, den ich ansonsten den Tisch; in Ihrem Apparat sitzen Leute, die von sehr schätze, und zwar auf seine Aussage, die den den damaligen Verantwortlichkeiten wußten und die Eindruck erwecken könnte, daß ich im Komplex No- Hintergründe kannten. Ihr Wissen hätten Sie späte- vum eine Schlacht für die KPÖ oder speziell für Frau stens heute offenlegen können, und wenn nicht Sie, Rudolfine Steindling schlage. Ich möchte Sie daran dann Herr Gysi oder sonstwer. Sie haben leider Defi- erinnern, daß ich sowohl in den Redaktionssitzungen zite zugelassen, und das muß ich Ihnen ankreiden. als auch im Minderheitenvotum der PDS darauf hin- Ich bleibe dabei: Sie haben in dem Bereich nicht ob- gewiesen habe, daß wir uns in bezug auf den Kom- jektiv genug mitgewirkt. Sie hätten einen Beitrag lei- plex Novum auf das derzeit aktuelle Gerichtsurteil sten können, am Ende auch für die Bürgerinnen und gestützt haben, und das besagt etwas anderes. Die Bürger, für die Sie hier im Hause immer sprechen derzeit laufende Anklage der BvS ist mir nicht be- wollen. kannt, so daß ich die einzelnen Argumentationen, die Sie in diesem Zusammenhang angeführt haben, (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU nicht nachvollziehen kann. Aus diesem Grunde habe sowie des Abg. Dr. Klaus Röhl [F.D.P.]) ich mich ausschließlich auf die derzeit aktuelle Rechtslage bezogen. Das ist etwas völlig anderes als Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als letzter Redner eine Verteidigung. zu diesem Tagesordnungspunkt spricht der Kollege Joachim Gres. Ich möchte hinzufügen, weshalb ich in diesem Zu- sammenhang Bedenken habe. Sie haben in Ihrem Votum geschrieben, daß beispielsweise das Vorhan- Joachim Gres (CDU/CSU): Frau Präsidentin! densein einer Betriebsnummer ein wesentliches Indiz Meine Damen und Herren! Der Abgeordnete Beu- sei. Sie haben ausgeführt, daß ausländische Unter- cher hat es für richtig gehalten, noch eine gewisse nehmen keine Betriebsnummern gehabt hätten, und Schärfe in die Debatte zu bringen. Das bringt mich das als Beweis angeführt. Die Aeroflot hatte in der dazu, auf ihn zu erwidern. DDR eine Betriebsnummer und war kein DDR-Unter- Herr Beucher, Sie haben gemeint, hier kritisieren nehmen. Die SDAG Wismut hatte eine Betriebsnum- zu müssen, daß es seltsame Methoden bei der Aus- mer und war ebenfalls kein DDR-Unternehmen. Die wahl des Käufers von Leuna/Minol gegeben habe. Betriebsnummer von Novum kam folgendermaßen Haben Sie eigentlich vergessen, was der Zeuge zustande: 1980 gab es einen Unfall eines Kraftfahrers Schucht uns im Ausschuß dazu gesagt hat? Der der Novum. Weil die Versicherung nur gezahlt hat, Zeuge Schucht hat bestätigt, daß er als Mitglied des wenn das Unternehmen eine Betriebsnummer hatte, Vorstands der Treuhandanstalt persönlich die Ent- haben wir der Novum eine Betriebsnummer verpaßt. scheidung für Elf-Aquitaine getroffen hat. Er hat be- stätigt, daß von keiner Seite Einfluß auf ihn ausgeübt (Dr. Klaus Röhl [F.D.P.]: Du weißt ja sehr worden ist. Er hat gesagt, dies sei der beste Bieter ge- genau Bescheid! Das ist ja auffällig!) wesen, und er habe sich persönlich dafür eingesetzt. Wissen Sie, welches Parteibuch Herr Schucht hat? Er Aber das ist eine völlig andere Geschichte. Ich ist heute bekanntlich Wi rt wollte nur darauf hingewiesen haben, daß ich mich schaftsminister des Landes Sachsen-Anhalt von der SPD. hier nicht als Verteidiger von Frau Rudolfine Steind- ling abstempeln lassen möchte. Ich habe nur das der- (Dr. Klaus Röhl [F.D.P.]: Das ist euer zeit geltende Gerichtsurteil verteidigt, mehr nicht. Genosse!) Danke schön. Ich kann nicht verstehen, wie Sie sich hier nachts hinstellen und wilde Verdächtigungen gegen irgend- welche Prozeduren hervorbringen können, die durch Hans-Joachim Hacker (SPD): Sehr geehrter Herr nichts belegt sind. Bierstedt, ich danke für Ihre we rtschätzenden Worte. (Beifall bei der CDU/CSU) Aber es hätte mich wirklich mehr gefreut, wenn Sie diese Hintergrundinformationen, die Sie heute vor- Herr Abgeordneter Beucher, Sie haben gerade ei- tragen, in Ihre Untersuchungstätigkeit einbezogen nen Hinweis auf Schmiergeldzahlungen an deutsche und vor allem dem Untersuchungsausschuß vorge- Parteien gebracht und Presseartikel kolportiert, die legt hätten. Ihnen angeblich von dritter Seite übermittelt worden sind. Ich hätte es für richtig gehalten, daß Sie, da Sie (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- die Unterlagen offenbar haben, diese sofort dem ten der CDU/CSU) Ausschuß geben. Ich weiß nicht, seit wann Sie sie ha- ben, und ich weiß nicht, welche Qualität sie haben. Denn Fakt ist doch: Das Geld, mit dem die Novum Es kann aber nicht so gehen, daß Sie Unterlagen ha- gegründet wurde, stammte aus dem Außenhandel ben, die Sie dem Ausschuß nicht zur Verfügung stel- der DDR und aus dem Bereich der SED. Die Zentrag len, und hier dann aus irgendwelchen dubiosen war eine SED-Firma. Die Zessionserklärungen haben Quellen zitieren, deren Wahrhaftigkeit und Richtig- vorgelegen und sind im Zuge der Wendeproblematik keit wir nicht kontrollieren können. Das ist parlamen- ri vom Ministe um der Justiz der DDR beiseite ge- tarisch nicht in Ordnung. schafft worden - dies alles mit Wissen von Insidern aus dem SED-Bereich. (Beifall bei der CDU/CSU) 22350 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Joachim Gres Die Abgeordnete Lucyga hat es darüber hinaus für die Sie heute bekommen haben wollen. Ich kann richtig gehalten, den Bereich BVV AG, Bremer Vul- auch das nicht nachprüfen, nehme aber an, daß es kan Verbund AG, in einer bestimmten Art und Weise richtig ist. Es entspricht aber, so glaube ich, parla- darzustellen. Es hätte der Ordnung halber ebenso mentarischen Gepflogenheiten, daß man nach meh- dazugehört, Frau Lucyga, darzustellen, in welch reren Jahren der Untersuchungstätigkeit nicht aus- schwierigem wirtschaftlichen Umfeld diese Privati- gerechnet aus einem Dokument zitiert, das man sierung stattfinden mußte. Nach 40 Jahren sozialisti- heute erhalten hat. Das ist nicht fair, weil wir alle uns scher Mißwirtschaft waren die maroden Ostwerften damit nicht beschäftigen konnten. Es wäre im übri- völlig am Boden. Sie waren in keiner Weise für den gen genug Gelegenheit gewesen, mir das Dokument Weltmarkt gerüstet und sahen sich - das wissen Sie heute morgen, heute mittag oder heute nachmittag - doch genau - dem Wegbrechen der Märkte im Osten noch vor zwei Stunden; wir haben ja mittlerweile ei- ausgesetzt. nen neuen Tag - zu zeigen. So geht man normaler- weise in solchen Fällen miteinander um. Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Gres, gestat- (Beifall bei der CDU/CSU) ten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Beucher? Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Gres, gestat- Joachim Gres (CDU/CSU): Gleich, im Anschluß. ten Sie eine weitere Zwischenfrage der Kollegin Lu- Lassen Sie mich den Gedanken noch zu Ende füh- cyga? ren. Es kann doch nicht richtig sein, daß Sie einfach Joachim Gres (CDU/CSU): Ja, gerne. ausblenden, welche Stimmungslage damals, 1990, bestand. Der Bezirksleiter der IG Metall Küste, Dr. Christine Lucyga (SPD): Herr Gres, ich möchte Frank Teichmüller, hat im Untersuchungsausschuß Ihnen mitteilen, daß ich schon etwas länger als Sie als Zeuge ausdrücklich erklärt, daß der niedersächsi- mit dem Problem der Privatisierung der ostdeutschen sche Ministerpräsident Schröder ihm gegenüber die Werften befaßt bin und daß ich schon dabei war, als Auffassung vertreten habe, man solle den ostdeut- es noch ein anderes Konzept gab, nämlich das Kon- schen Schiffsbau am besten schließen, statt mit zept der DMS. Entgegen den Aussagen der Bundes- Staatsgeldern eine Konkurrenz für den Westen am regierung, die ihre Entscheidung selbstverständlich Leben zu erhalten. Das sagte Ihr Ministerpräsident verteidigen muß, halte ich nach wie vor an den Mei- Schröder, der Kanzlerkandidat der SPD! nungen der Experten fest, die begründet festgestellt (Dr. Klaus Röhl [F.D.P.]: Das ist leider Fakt!) haben, daß die überhastete Privatisierung aus einem laufenden Sanierungsprozeß heraus, der im Jahre Das war die Stimmungslage, die er damals ausge- 1994 abgeschlossen sein sollte, wesentlich teurer ge- drückt hat. Wir haben uns diesem Appell des Herrn worden ist. Schröder nicht gefügt. Wir haben vielmehr alles in Bewegung gesetzt, damit die Ostwerften gerettet werden konnten, weil sie für Mecklenburg-Vorpom- Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Frage! mern wichtig sind. Das hier nicht zu erwähnen ist schon ein starkes Stück. Dr. Christine Lucyga (SPD): - und daß es politisch sehr wohl gewollt war, einen starken ostdeutschen (Beifall bei der CDU/CSU) Schiffsbau zu verhindern. Meine Frage: Das war Ih- Bitte, Herr Beucher. nen doch sicher bekannt? (Heiterkeit) Friedhelm Julius Beucher (SPD): Herr Kollege Gres, wollen Sie bitte zur Kenntnis nehmen, daß es in Joachim Gres (CDU/CSU): Frau Abgeordnete Lu- den Unterlagen, die uns im Falle Leuna/Minol zu- cyga, mir ist das DMS-Konzept sehr wohl bekannt. gänglich waren, einen Vermerk der Treuhandanstalt Nur sollten Sie der Komplettheit halber hinzufügen, gegeben hat, mit dem man sich beklagt hat, daß im daß die Verwirklichung dieses Konzepts dazu geführt Kanzleramt ständig an der Treuhandanstalt vorbei hätte, daß alle Werftbetriebe in den neuen Bundes- verhandelt worden sei? Wollen Sie des weiteren zur ländern als Staatsbetriebe fortgeführt worden wären Kenntnis nehmen, daß die von mir Ihnen heute vom - mit unabsehbaren finanziellen Konsequenzen. Sie Rednerpult aus gezeigten Unterlagen des Nachrich- wissen ganz genau, daß dies ein falscher Weg gewe- tenmagazins „Focus" Ihnen und dem Ausschuß des- sen wäre. Sie wissen, daß die Privatisierung in ande- halb nicht vorher zur Kenntnis gegeben werden ren Fällen, nämlich beim Kvaerner-Konzern, die un- konnten, weil ich sie erst seit heute in den Händen ter gleichen Bedingungen wie die des Bremer Vul- halte und Sie durch Mehrheitsbeschluß sichergestellt kan Verbunds stattgefunden hat, sehr gut gelaufen haben, daß in Sachen Leuna/Minol nicht mehr weiter ist. untersucht werden darf? Frau Lucyga, da Sie nun auch Verantwortung für (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie die neuen Bundesländer, insbesondere für Mecklen- bei der PDS) burg-Vorpommern, haben, wäre es gut, wenn Sie ein bißchen intensiver der Frage nachgehen würden, ob Joachim Gres (CDU/CSU): Herr Beucher, ich Ihr jetziger SPD-Spitzenkandidat Schröder damals, nehme zur Kenntnis, daß Sie aus Unterlagen zitieren, 1990, tatsächlich alle Werften plattmachen wollte, Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22351

Joachim Gres weil er im Interesse seiner eigenen Werften offenbar Berichterstattung: der Meinung war - so jedenfalls der Zeuge Teichmül- Abgeordnete Norbe rt Geis ler - , daß es sich nicht lohnt, das Geld westlicher Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten Steuerzahler in diese Standorte zu investieren. Er hat Dr. Eckhard Pick dies zwar mittlerweile - durch Sie, Herr Neumann, Alfred Hartenbach angeregt - in einem Zweizeiler mit den dürren Wor- Margot von Renesse ten „Das habe ich so nie gesagt" dementiert. Nur, Detlef Kleinert (Hannover) entweder hat der Zeuge Teichmüller vor dem Unter- Volker Beck (Köln) suchungsausschuß gelogen oder Herr Schröder. Die- ser war nicht Zeuge, weil er uns erst zwei Jahre spä- Ich gebe bekannt, daß die Kollegen Norbe rt Geis, ter gesagt hat, daß er diese Aussage nicht getroffen Wolfgang Freiherr von Stetten, Alfred Hartenbach, hat. Das wissen Sie ganz genau. In dieser Frage soll- Volker Beck, Detlef Kleine rt,*) Professor Uwe-Jens ten Sie sich entscheiden. Sie sollten dieser Frage ein- Heuer, Minister Edzard Schmidt-Jortzig und Staats- mal nachgehen, weil sie für die ostdeutsche Bevölke- minister Günter Meyer ihre Reden zu Protokoll gege- rung sehr interessant ist. ben haben.**) Vielen Dank. Es liegen Änderungsanträge der Fraktionen von (Beifall bei der CDU/CSU) SPD und Bündnis 90/Die Grünen vor. Ich lasse zunächst über den vom Bundesrat einge- Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Ich schließe die brachten Gesetzentwurf zur Vereinfachung des zivil- Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über die gerichtlichen Verfahrens und des Verfahrens der frei- Beschlußempfehlung des 2. Untersuchungsausschus- willigen Gerichtsbarkeit abstimmen, Drucksachen ses nach Art. 44 des Grundgesetzes, Drucksache 13/ 13/6398 und 13/11042 Buchstabe a. Die Fraktion der 10900. Der Ausschuß empfiehlt Kenntnisnahme. Wer SPD hat Einzelabstimmung über eine Reihe von Vor- stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegen- schriften verlangt. probe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist die Be- schlußempfehlung einstimmig angenommen. Ich rufe Art. 1 bis 8 in der Ausschußfassung auf und bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das (Joachim Gres (CDU/CSU]: Frau Präsiden- Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltun- tin, war das gerade einstimmig?) gen? - Damit sind die Art. 1 bis 8 mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und F.D.P. bei Gegenstimmen - Einstimmig, ja. von Bündnis 90/Die Grünen und Enthaltung der PDS angenommen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 11 a und b auf: Wir kommen zu Art. 8 a. Dazu liegt je ein Ände- a) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat rungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur 13/11061 und der Fraktion von Bündnis 90/Die Grü- Vereinfachung des zivilgerichtlichen Verfah- nen auf Drucksache 13/11062 vor. Mit den beiden in- rens und des Verfahrens der freiwilligen Ge- haltsgleichen Änderungsanträgen wird beantragt, richtsbarkeit Art. 8 a zu streichen. -Drucksache 13/6398 - Ich lasse über die beiden Änderungsanträge ge- (Erste Beratung 182. Sitzung) meinsam abstimmen und bitte diejenigen, die zu- Beschlußempfehlung und Bericht des Rechts- stimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstim- ausschusses (6. Ausschuß) men? - Enthaltungen? - Die Änderungsanträge sind - Drucksache 13/11042 - mit den Stimmen von CDU/CSU und F.D.P. gegen die Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Berichterstattung: PDS abgelehnt. Abgeordnete Norbe rt Geis Ich rufe nun Art. 8a in der Ausschußfassung auf Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten und bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Dr. Eckhard Pick Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Alfred Hartenbach Damit ist Art. 8 a mit den Stimmen von CDU/CSU Margot von Renesse und F.D.P. bei Gegenstimmen von SPD, Bündnis 90/ Detlef Kleinert (Hannover) Die Grünen und PDS angenommen. Volker Beck (Köln) Ich rufe Art. 9 und 10 in der Ausschußfassung b) Beratung der Beschlußempfehlung und des auf und bitte diejenigen, die zustimmen wollen, Berichts des Rechtsausschusses (6. Ausschuß) um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthal- zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Eckha rt Pick, Dr. Herta Däubler-Gmelin, Hermann tungen? - Damit sind die Art. 9 und 10 mit den Bachmaier, weiterer Abgeordneter und der Stimmen von CDU/CSU, SPD und F.D.P. bei Ent- Fraktion der SPD haltung von Bündnis 90/Die Grünen und PDS an- genommen. Entlastung der Zivilgerichtsbarkeit durch vor- bzw. außergerichtliche Streitbeilegung *) Redebeitrag lag bei Redaktionsschluß noch nicht vor. - Drucksachen 13/1749, 13/11042 - **) Anlage 7 22352 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth Ich rufe Art. 11 in der Ausschußfassung auf und - zu dem Antrag der Abgeordneten Hans bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Joachim Hacker, Dr. Herta Däubler-Gmelin, Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Hermann Bachmaier, weiterer Abgeordne- Damit ist Art . 11 mit den Stimmen von CDU/CSU, ter und der Fraktion der SPD F.D.P. und PDS gegen die Stimmen der SPD bei Ent- Mehr Rechtssicherheit und Rechtsschutz haltung von Bündnis 90/Die Grünen angenommen. für Nutzer von Freizeitgrundstücken in Ich rufe Einleitung und Überschrift in der Aus- den neuen Bundesländern schußfassung auf und bitte diejenigen, die zustim- - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Uwe men wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? Jens Rössel, Dr. Christa Luft, Rolf Kutzmutz, - Enthaltungen? - Damit sind Einleitung und Über- weiterer Abgeordneter und der Gruppe der schrift mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD, F.D.P. PDS und PDS bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Novellierung des Gesetzes über die Fest- stellung der Zuordnung von ehemals Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen. volkseigenem Vermögen (Vermögenszu- ordnungsgesetz) Dritte Beratung - zu dem Antrag der Abgeordneten Klaus- und Schlußabstimmung: Ich bitte diejenigen, die Jürgen Warnick, Dr. Uwe-Jens Heuer, dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erhe-- Dr. Gregor Gysi und der Gruppe der PDS ben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf mit den Stimmen von CDU/ Begrenzung der Erhöhung der Nutzungs- CSU und F.D.P. gegen die Stimmen von SPD und entgelte für Erholungsgrundstücke in Ost- PDS bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen an- deutschland auf die derzeit übliche Boden- genommen. rendite Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses zu - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Uwe dem Antrag der Fraktion der SPD zur Entlastung der Jens Heuer, Klaus-Jürgen Warnick, Zivilgerichtsbarkeit durch vor- bzw. außergerichtli- Dr. Gregor Gysi und der Gruppe der PDS che Streitbeilegung, Drucksache 13/11042 Buch- Begrenzung des Anstiegs der Nutzungsent- stabe b. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf gelte für Erholungsgrundstücke in Ost- Drucksache 13/1749 für erledigt zu erklären. Wer deutschland auf ein sozial erträgliches stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegen- Maß probe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen. - Drucksachen 13/10329, 13/7304, 13/9068, 13/10466, 13/7532, 13/11041 - Ich rufe die Zusatzpunkte 12a und b auf: Berichterstattung: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bun- Abgeordnete Dr. Michael Luther desregierung eingebrachten Entwurfs eines Dr. Dietrich Mahlo Gesetzes zur Bereinigung vermögensrechtli- Hans-Joachim Hacker cher und anderer Vorschriften Es liegt ein Änderungsantrag der SPD vor. (Vermögensrechtsbereinigungsgesetz - VermBerG) Die Debattenbeiträge der Kollegen Dr. Michael Lu- ther, Hans-Joachim Hacker, Gerald Häfner, Hilde - Drucksache 13/10246 - brecht Braun, Professor Uwe-Jens Heuer und des (Erste Beratung 230. Sitzung) Bundesministers Edzard Schmidt-Jortzig sind zu Pro- tokoll gegeben. ) Beschlußempfehlung und Bericht des Rechts- ausschusses (6. Ausschuß) Wir kommen zur Abstimmung über den von der - Drucksache 13/11401 - Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Bereinigung vermögensrechtlicher und anderer Vor- Berichterstattung: schriften, Drucksachen 13/10246 und 13/11041 Abgeordnete Dr. Michael Luther Buchstabe a. Die Fraktion der SPD hat Einzelabstim- Dr. Dietrich Mahlo mung über eine Reihe von Vorschriften verlangt. Hans-Joachim Hacker Ich rufe Art . 1 bis 5 in der Ausschußfassung auf. b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Berichts des Rechtsausschusses (6. Ausschuß) Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Art. 1 bis 5 sind einstimmig angenommen. - zu dem Antrag der Abgeordneten Hans- Joachim Hacker, Rolf Schwanitz, Siegfried Ich rufe Art. 6 Abs. 1 in der Ausschußfassung auf. Scheffler, weiterer Abgeordneter und der Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Fraktion der SPD Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - 6 Abs. 1 ist mit den Stimmen der CDU/CSU, Hemmnisse und Rechtsunsicherheiten im Art. Immobilienrecht und beim Nutzerschutz beseitigen *) Anlage 8 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22353

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth Bündnis 90/Die Grünen und F.D.P. bei Gegenstim- Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußemp- men von SPD und PDS angenommen. fehlung ist mit den Stimmen der CDU/CSU und F.D.P. gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grü- Ich rufe Art. 6 Abs. 2 in der Ausschußfassung auf. nen bei Enthaltung der SPD und PDS angenommen. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses zu Art. 6 Abs. 2 ist mit den Stimmen der CDU/CSU, SPD dem Antrag der Gruppe der PDS zur Novellierung und der F.D.P. bei Enthaltungen der PDS und des Vermögenszuordnungsgesetzes auf Drucksache Bündnis 90/Die Grünen angenommen. 13/11041 Buchstabe d. Der Ausschuß empfiehlt, den Wir kommen zum Änderungsantrag der Fraktion Antrag auf Drucksache 13/9068 abzulehnen. Wer der SPD auf Drucksache 13/11063 (neu). Mit diesem stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenstim- wird die Einfügung der neuen Absätze 4 und 5 in men? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist Art. 6 beantragt. Wer stimmt für den Änderungsan- mit den Stimmen der CDU/CSU und F.D.P. gegen die trag der SPD? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS bei Enthaltung der SPD angenommen. Damit ist der Änderungsantrag mit den Stimmen der CDU/CSU und F.D.P. bei Zustimmung der SPD, Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses zu Bündnis 90/Die Grünen und PDS abgelehnt. dem Antrag der Gruppe der PDS zur Begrenzung der Ich rufe jetzt Art. 7 in der Ausschußfassung auf. Ich Erhöhung der Nutzungsentgelte für Erholungs- bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das grundstücke in Ostdeutschland, Drucksache 13/ Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - 11041 Buchstabe e. Der Ausschuß empfiehlt, den An- Art. 7 ist einstimmig angenommen. trag auf Drucksache 13/10466 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenstim- Ich rufe Art. 8 in der Ausschußfassung auf. Ich bitte men? - Enthaltungen? - Damit ist diese Beschluß- diejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzei- empfehlung mit den Stimmen von CDU/CSU, chen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - A rt. 8 ist Bündnis 90/Die Grünen und F.D.P. bei Enthaltung einstimmig angenommen. von SPD und PDS angenommen. Ich rufe Art. 9 auf. Wer stimmt dafür? - Gegenstim- Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses zu men? - Enthaltungen? - Damit ist A rt. 9 mit den Stim- dem Antrag der Gruppe der PDS zur Begrenzung des men von CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen, F.D.P. Anstiegs der Nutzungsentgelte für Erholungsgrund- und PDS bei Gegenstimmen der SPD angenommen. stücke in Ostdeutschland auf Drucksache 13/11041 Ich rufe auf: Einleitung und Überschrift. Ich bitte Buchstabe f. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf diejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzei- Drucksache 13/7532 abzulehnen. Wer stimmt für chen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die aufge- diese Beschlußempfehlung? - Gegenstimmen? - Ent- rufenen Vorschriften sind angenommen. Damit ist haltungen? - Damit ist die Beschlußempfehlung mit die zweite Beratung abgeschlossen. den Stimmen von CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und F.D.P. gegen die Stimmen von PDS bei Enthal- Wir kommen zur tung der SPD angenommen. dritten Beratung Der Rechtsausschuß empfiehlt unter Buchstabe g und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die seiner Beschlußempfehlung auf Drucksache 13/ dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erhe- 11041 die Annahme einer Entschließung. Wer stimmt ben. - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Der Ge- für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Ent- setzentwurf ist mit den Stimmen der CDU/CSU, der haltungen? - Die Beschlußempfehlung ist einstimmig F.D.P. und von Bündnis 90/Die Grünen bei Gegen- angenommen. stimmen der SPD und Stimmenthaltung der PDS an- genommen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 12a bis 12t so- wie die Zusatzpunkte 13 und 14 auf: Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD zur Beseitigung 12. Entwicklungspolitische Debatte der Hemmnisse und Rechtsunsicherheiten im Immo- a) Beratung der Beschlußempfehlung und des bilienrecht und beim Nutzerschutz, Drucksache 13/ Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche 11041 Buchstabe b. Der Ausschuß empfiehlt, den An- Zusammenarbeit und Entwicklung (20. Aus- trag auf Drucksache 13/10329 abzulehnen. Wer schuß) stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegen- probe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung - zu dem Antrag der Abgeordneten ist mit den Stimmen der CDU/CSU und der F.D.P. bei Dr. Winfried Pinger, Anneliese Augustin, Gegenstimmen von SPD und PDS sowie bei Enthal- Jochen Feilcke, weiterer Abgeordneter tung von Bündnis 90/Die Grünen angenommen. und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Roland Kohn, Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses zu Dr. Irmgard Schwaetzer und der Fraktion dem Antrag der Fraktion der SPD zu mehr Rechtssi- der F.D.P. cherheit und Rechtsschutz für Nutzer von Freizeit- Mikrofinanzierung als Mittel der Ar- grundstücken in den neuen Bundesländern, Druck- mutsbekämpfung sache 13/11041 Buchstabe c. Der Ausschuß emp- fiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/7304 abzuleh- - zu dem Antrag der Abgeordneten Adel- nen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - heid Tröscher, B rigitte Adler, Klaus Bar- 22354 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth thel, weiterer Abgeordneter und der Einsiedel, Andrea Gysi, weiterer Abgeord- Fraktion der SPD neter und der Gruppe der PDS Armutsbekämpfung durch Mikrofinan- Zivile und nichtmilitärische Konfliktbear- zierung in der Entwicklungszusammen- beitung und Friedenssicherung arbeit - Drucksachen 13/9643, 13/11019 - Drucksachen 13/9601, 13/10027, 13/ - Berichterstattung: 10921 - Abgeordneter Steffen Tippach Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Winfried Pinger e) Beratung der Beschlußempfehlung und des Adelheid Tröscher Berichts des Ausschusses für wi rtschaftliche Dr. Uschi Eid Zusammenarbeit und Entwicklung (20. Aus- Roland Kohn schuß) - zu dem Antrag der Abgeordneten b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Dr. Winfried Pinger, Detlef Helling, Berichts des Ausschusses für wi rtschaftliche Dr. Bernd Klaußner, weiterer Abgeord- Zusammenarbeit und Entwicklung (20. Aus- neter und der Fraktion der CDU/CSU so- schuß) wie der Abgeordneten Roland Kohn, - zu dem Antrag der Abgeordneten Armin- Dr. Irmgard Schwaetzer und der Fraktion Laschet, Christian Schmidt (Fürth) und der F.D.P. der Fraktion der CDU/CSU sowie der Weiterentwicklung des Zentrums für In- Abgeordneten Günther Friedrich Nol- ternationale Zusammenarbeit in Bonn ting, Dr. Irmgard Schwaetzer, Ulrich Ir- mer, Roland Kohn und der Fraktion der - zu dem Antrag der Abgeordneten Adel- F.D.P. heid Tröscher, Dr. R. Werner Schuster, In- Verstärkung deutscher Beiträge zur Kri- grid Matthäus-Maier, weiterer Abgeord- senprävention und Friedenspolitiik neter und der Fraktion der SPD - zu dem Antrag der Abgeordneten Weiterentwicklung des Zentrums für In Dr. Uschi Eid, Wolfgang Schmitt (Lan- ternationale Zusammenarbeit Bonn genfeld), Dr. Angelika Köster-Loßack, -Drucksachen 13/10018, 13/9769, 13/10898 - Winfried Nachtwei und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Berichterstattung: Maßnahmen der Entwicklungszusam- Abgeordnete Dr. Winfried Pinger menarbeit als Beitrag zu einer Politik Adelheid Tröscher der Krisenprävention und zivilen Kon- Dr. Uschi Eid fliktbearbeitung Roland Kohn - Drucksachen 13/6389, 13/6713, 13/10799 - f) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichterstattung: Berichts des Ausschusses für wi rtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (20. Aus- Abgeordnete Armin Laschet schuß) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Uschi Eid Dr. R. Werner Schuster, Adelheid Tröscher, Dr. Irmgard Schwaetzer Brigitte Adler, weiterer Abgeordneter und Hans Wallow der Fraktion der SPD c) Beratung der Beschlußempfehlung und des Förderung der Nichtregierungsorgani- Berichts des Auswärtigen Ausschusses sationen in der Entwicklungszusammen- (3. Ausschuß) zu dem Antrag der Abgeord- arbeit neten Uta Zapf, Günter Verheugen, B rigitte - Drucksachen 13/9603, 13/10885 - Adler, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der SPD Berichterstattung: Priorität für eine Politik der zivilen Krisen Abgeordnete Dr. Winfried Pinger prävention und Konfliktregelung Dr. R. Werner Schuster Wolfgang Schmitt (Langenfeld) - Drucksachen 13/6999, 13/10457 - Dr. Irmgard Schwaetzer Berichterstattung: g) Beratung der Beschlußempfehlung und des Abgeordnete Dr. Friedbert Pflüger Berichts des Ausschusses für wi rtschaftliche Gert Weisskirchen (Wiesloch) Zusammenarbeit und Entwicklung (20. Aus- Ludger Volmer schuß) zu dem Antrag der Abgeordneten Ulrich Irmer Dr. R. Werner Schuster, Dr. Emil Schnell, d) Beratung der Beschlußempfehlung und des Adelheid Tröscher, weiterer Abgeordneter Berichts des Auswärtigen Ausschusses und der Fraktion der SPD (3. Ausschuß) zu dem Antrag der Abgeord- Für mehr Verstetigung, Flexibilität und neten Steffen Tippack, Heinrich Graf von Transparenz der Finanzierung deutscher Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22355

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth Entwicklungszusammenarbeit (Haushalt Dr. R. Werner Schuster, Brigitte Adler, Klaus Einzelplan 23) Barthel, weiterer Abgeordneter und der - Drucksachen 13/9412, 13/10886 - Fraktion der SPD Berichterstattung: Systematische Erfolgskontrolle von Pro- jekten und Programmen der bilateralen Abgeordnete Dr. Winfried Pinger Entwicklungszusammenarbeit Dr. R. Werner Schuster Wolfgang Schmitt (Langenfeld) - Drucksachen 13/4120, 13/10857 - Dr. Irmgard Schwaetzer Berichterstattung: h) Beratung der Beschlußempfehlung und des Abgeordnete Dr. Winfried Pinger Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Dr. R. Werner Schuster Zusammenarbeit und Entwicklung (20. Aus- Wolfgang Schmitt (Langenfeld) schuß) zu dem Antrag der Abgeordneten Roland Kohn Gert Weisskirchen (Wiesloch), B rigitte Ad- ler, Robert Antretter, weiterer Abgeordneter l) Beratung der Beschlußempfehlung und des und der Fraktion der SPD Berichts des Ausschusses für Wi rtschaft (9. Ausschuß) Ziviler Friedensdienst - Expertendienst für zivile Friedensarbeit - zu dem Antrag der Abgeordneten Wolf- - Drucksachen 13/6204, 13/10887 - gang Schmitt (Langenfeld), Dr. Uschi Eid und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Berichterstattung: NEN Abgeordnete Armin Laschet Für ein sozial, ökonomisch und ökolo- Gert Weisskirchen (Wiesloch) gisch nachhaltiges multilaterales Inve- Dr. Uschi Eid stitionsabkommen (MAI) und eine trans- Dr. Irmgard Schwaetzer parente parlamentarische Begleitung i) Beratung der Beschlußempfehlung und des des Verhandlungsverfahrens Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche - zu dem Antrag der Abgeordneten Zusammenarbeit und Entwicklung (20. Aus- Dr. Winfried Wolf, Roll Kutzmutz, schuß) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Willibald Jacob, weiterer Abgeordne- Adelheid Tröscher, Dr. R. Werner Schuster, ter und der Gruppe der PDS Michael Müller (Düsseldorf), weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der SPD Veröffentlichung des Vertragsentwurfs zu dem Multilateralen Investitionsab- Reformvorschläge zur Struktur der Ent- kommen (MAI) wicklungszusammenarbeit und Entwick- - Drucksachen 13/10410, 13/10083, 13/11015 - lungspolitik - Drucksachen 13/10230, 13/10922 - Berichterstattung: Berichterstattung: Abgeordneter Ernst Schwanhold Abgeordnete Dr. Winfried Pinger m) Beratung der Beschlußempfehlung und des Adelheid Tröscher Berichts des Auswärtigen Ausschusses Wolfgang Schmitt (Langenfeld) (3. Ausschuß) zu dem Antrag der Abgeord- Roland Kohn neten Freimut Duve, Dr. R. Werner Schu- ster, Joachim Tappe, weiterer Abgeordneter j) Beratung der Beschlußempfehlung und des und der Fraktion der SPD Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (20. Aus- Europas gemeinsame Verantwortung für schuß) zu dem Antrag der Abgeordneten Afrika Adelheid Tröscher, Reinhold Hemker, B ri - Drucksachen 13/10035, 13/10693 - -gitte Adler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Berichterstattung: Entwicklungspolitische Bildung im Zeital- Abgeordnete Alois Graf von Waldburg-Zeil ter der Globalisierung Joachim Tappe - Drucksachen 13/9607, 13/10897 - Gerd Poppe Dr. Irmgard Schwaetzer Berichterstattung: n) Beratung der Beschlußempfehlung und des Abgeordnete Alois Graf von Waldburg-Zeil Adelheid Tröscher Berichts des Auswärtigen Ausschusses Dr. Uschi Eid (3. Ausschuß) zu dem Antrag der Fraktio- Roland Kohn nen CDU/CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P. k) Beratung der Beschlußempfehlung und des Unterstützung der neuen Friedensinitiative Berichts des Ausschusses für wi rtschaftliche zur Beilegung des Westsaharakonflikts Zusammenarbeit und Entwicklung (20. Aus- schuß) zu dem Antrag der Abgeordneten - Drucksachen 13/10025, 13/10692 - 22356 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth Berichterstattung: grid Becker-Inglau, weiterer Abgeordneter Abgeordnete Anneliese Augustin und der Fraktion der SPD Dr. Eberhard Brecht Aktive Bevölkerungspolitik als Schwer- Dr. Helmut Lippelt punkt in die Entwicklungszusammenarbeit Dr. Burkhard Hirsch aufnehmen o) Beratung der Beschlußempfehlung und des - Drucksachen 13/9608, 13/10771 - Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Berichterstattung: Zusammenarbeit und Entwicklung (20. Aus- schuß) zu dem Antrag der Abgeordneten Abgeordnete Anneliese Augustin Dr. Uschi Eid und der Fraktion Gabriele Fograscher BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Dr. Uschi Eid Den politischen Neuanfang und den Wie- Dr. Irmgard Schwaetzer deraufbau in der Demokratischen Republik s) Beratung der Beschlußempfehlung und des Kongo unterstützen - die humanitäre Hilfe Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche verstärken Zusammenarbeit und Entwicklung (20. Aus- - Drucksachen 13/7708, 13/10584 - schuß) Berichterstattung: - zu dem Bericht des Ausschusses für Bil- dung, Wissenschaft, Forschung, Techno- Abgeordnete Alois Graf von Waldburg-Zeil logie und Technikfolgenabschätzung Dr. R. Werner Schuster (19. Ausschuß) gemäß § 56a der Ge- Dr. Uschi Eid schäftsordnung Roland Kohn p) Beratung der Beschlußempfehlung und des Technikfolgenabschätzung Berichts des Ausschusses für wi rtschaftliche hier: Auswirkungen moderner Biotech- Zusammenarbeit und Entwicklung (20. Aus- nologien auf Entwicklungsländer und schuß) zu dem Antrag der Abgeordneten Folgen für die zukünftige Zusammenar- Dr. Willibald Jacob, Heinrich Graf von Ein- beit zwischen Industrie- und Entwick- siedel, Andrea Gysi, weiterer Abgeordneter lungsländern und der Gruppe der PDS - zu dem Antrag der Abgeordneten Wolf- Aufnahme der Entwicklungszusammenar- gang Bierstedt, Dr. Ruth Fuchs, beit zwischen der Bundesrepublik Dr. Ludwig Elm, weiterer Abgeordneter Deutschland und der Republik Kuba und der Gruppe der PDS - Drucksachen 13/10067, 13/10927 - Zum Endbericht des Technikfolgen- Berichterstattung: abschätzung-Projektes „Auswirkungen moderner Biotechnologien auf Entwick- Abgeordnete Armin Laschet lungsländer und Folgen für die zukünfti- Gabriele Fograscher ge Zusammenarbeit- zwischen Industrie Wolfgang Schmitt (Langenfeld) und Entwicklungsländern" Roland Kohn q) Beratung der Beschlußempfehlung und des - Drucksachen 13/4933, 13/7902, 13/10552 - Berichts des Ausschusses für wi rtschaftliche Berichterstattung: Zusammenarbeit und Entwicklung (20. Aus- schuß) zu dem Antrag der Abgeordneten Abgeordnete Dr. Bernd Klaußner Dagmar Schmidt (Meschede), Dr. Christoph Brigitte Adler Zöpel, Adelheid Tröscher, weiterer Abge- Wolfgang Schmitt (Langenfeld) ordneter und der Fraktion der SPD Roland Kohn Stärkung demokratischer Institutionen t) Beratung der Beschlußempfehlung und des und der Rolle von Nichtregierungsorgani- Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche sationen in den palästinensischen Autono- Zusammenarbeit und Entwicklung (20. Aus- miegebieten schuß) zu dem Antrag der Abgeordneten - Drucksachen 13/9249, 13/10858 - Wolfgang Schmitt (Langenfeld), Dr. Uschi Eid und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE Berichterstattung: GRÜNEN Abgeordnete Michael Wonneberger Ablehnung einer Weltbankbeteiligung am Dagmar Schmidt (Meschede) Tschad/Kamerun Öl- und Pipelineprojekt Dr. Angelika Köster-Loßack - Drucksachen 13/8321, 13/11017 - Dr. Irmgard Schwaetzer r) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichterstattung: Berichts des Ausschusses für wi rtschaftliche Abgeordnete Dr. Christian Ruck Zusammenarbeit und Entwicklung (20. Aus- Ingrid Becker-Inglau schuß) zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang Schmitt (Langenfeld) Gabriele Fograscher, Adelheid Tröscher, In- Roland Kohn Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22357

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth ZP13 Beratung des Antrags der Abgeordneten verschärfen sich die Anforderungen an die Entwick- Dr. Uschi Eid, Wolfgang Schmitt (Langenfeld), lungspolitik. Es besteht die Gefahr, daß die Kluft zwi- Dr. Angelika Köster-Loßack und der Fraktion schen armen und reichen Staaten, zwischen einer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN kleinen Schicht wohlhabender Menschen in den Ent- Reform der Entwicklungszusammenarbeit wicklungsländern und der Masse der armen Bevöl- kerung, daß die Lücke zwischen denen, die die - Drucksache 13/10965 - Chancen der Globalisierung wahrnehmen können ZP14 Beratung des Antrags der Abgeordneten und Vorteile daraus ziehen, und den anderen, die im Dr. Uschi Eid, Wolfgang Schmitt (Langenfeld) verschärften Wettbewerb das Nachsehen haben, im- und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mer größer wird. Wenn sich nicht die Entwicklungs- länder und wenn sich insbesondere nicht die Ent- Friedliche Beilegung des Konfliktes zwischen wicklungszusammenarbeit verstärkt dieser Heraus- Eritrea und Äthiopien forderung stellen, wird es Konflikte in den Ländern - Drucksache 13/10964 — geben, wird es Konflikte zwischen den Ländern ge- Überweisungsvorschlag: ben und wird es zerstörerische Auseinandersetzun- Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick- gen mit globalen Rückschlägen für alle geben. lung (federführend) Auswärtiger Ausschuß Es geht also um die Konzentration der Anstrengun- Es liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion gen auf das, was wir selbsthilfeorientierte Armutsbe- Bündnis 90/Die Grünen vor. kämpfung nennen. In dieser Frage sind wir uns unter den Fraktionen des Deutschen Bundestages erfreuli- Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für cherweise einig. die Aussprache eine Stunde vorgesehen.. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so. (Dr. R. Werner Schuster [SPD]: Aber leider nicht mit Ihrem Minister!) Ich eröffne die Aussprache. Es beginnt der Kollege Dr. Pinger. Bewiesen wird dies erneut dadurch, daß wir heute gemeinsam eine Beschlußempfehlung verabschieden (Abgeordnete verlassen den Plenarsaal) werden zum Thema der verstärkten Förderung der - Schade, daß Sie gehen. Sie können ruhig noch hier- Mikrofinanzierung, das heißt des Zuganges zu Spa- bleiben. - Herr Dr. Pinger. ren und Kredit für arme und ärmste Bevölkerungs- schichten. Damit tragen wir der Erkenntnis und der Erfahrung Rechnung, daß arme und sogar ärmste Be- (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Dr. Winfried Pinger völkerungsschichten in viel größerem Umfang, als Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Eine Ent- wir dies jemals für möglich gehalten haben, in der wicklungspolitik, die konsequent auf die Schwer- Lage sind, Klein- und Kleinstkredite sinnvoll produk- punkte Armutsbekämpfung, Bildungsförderung, tiv einzusetzen. Umweltschutz und vor allem auch auf Hilfe zur Selbsthilfe ausgerichtet ist, ist in der Umsetzung sehr Dabei müssen wir allerdings feststellen, daß es bis- viel schwieriger und langwieriger als die herge- her in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit brachte Entwicklungszusammenarbeit. kein Instrument und keine Organisationen mit dem (Beifall bei der CDU/CSU) Auftrag gibt, alle die vielfältigen und Tausende von Initiativen in den Entwicklungsländern, die Tau- An dieser Stelle möchte ich daher dem verantwort- sende von Kreditinstitutionen ausfindig zu machen lichen Bundesminister Carl-Dieter Spranger und sei- und zu erfassen, die sich dieser Aufgabe widmen, um nen Mitarbeitern im Ministerium dafür danken, daß dann mit diesen zusammen festzustellen, wie wir sie sie diesen schwierigeren Weg auch in der staatlichen verstärkt fördern können. Das muß sich in der Zu- Entwicklungszusammenarbeit eingeschlagen haben kunft ändern. und ihn verwirklichen, und zwar in Übereinstim- mung mit den Mitgliedern des Ausschusses für wirt- Im übrigen erwarten wir, daß die Bundesregierung schaftliche Zusammenarbeit und im Sinne einer ef- in dem Selbsthilfebericht, der regelmäßig erstellt fektiveren, wirksameren Entwicklungspolitik. wird, gerade auch über die Ergebnisse dieser An- strengungen berichtet. Von daher ist es auch nicht erstaunlich, daß in der Entwicklungspolitik - das halte ich für einen ganz (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) großen Vorzug - zwischen den Fraktionen in den grundsätzlichen Fragen der Entwicklungszusam- Meine Damen und Herren, viele Geberländer, die menarbeit weitgehend Einigkeit herrscht. Weltbank, UNDP und andere multilaterale Organisa- tionen haben sich das Ziel gesetzt, innerhalb von (Beifall bei der CDU/CSU) zehn Jahren 100 Millionen Familien, das heißt min- destens 600 Millionen Menschen, die in absoluter Ar- Dies ist im Interesse der Menschen wichtig, um die mut leben, den Zugang zu Sparen und Kredit zu er- es uns geht. Ich glaube - darin sind wir uns ja auch öffnen. Wir sind sicher, daß sich die Bundesrepublik einig -, daß das ein wichtiger Punkt ist, daß wir uns an dieser Zielsetzung beteiligt. Deshalb wünschen wirklich auf die Aufgabe konzentrieren, die uns ge- wir uns auch, daß die Bundesregierung Mitglied im stellt ist. Council des Microcredit Summit wird, um mit den Meine Damen und Herren, unter den Bedingun- anderen zu überlegen, was zu tun ist, und vor allen gen der Globalisierung der Wirtschaft in der Welt Dingen die beachtlichen konzeptionellen Leistungen 22358 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Dr. Winfried Pinger der Bundesregierung auf diesem Gebiet einbringen - Das ist aber nur wahrscheinlich, wenn Sie nicht zu können. noch einmal kandidieren. Deshalb sage ich nichts - auch nicht unter Vorbehalt. Meine Damen und Herren, zu einer Globalisierung der Wirtschaft, die allen Menschen zugute kommt, (Heiterkeit - Beifall bei Abgeordneten der gehört es, daß sich diese nicht weiter unter den Prin- CDU/CSU) zipien vollzieht, die heute als Neoliberalismus be- zeichnet werden. Wenn sich der Nationalstaat, wenn Wir kommen zum nächsten Redner. Bitte, lieber sich die internationale Staatengemeinschaft weiter Kollege Professor Ingomar Hauchler. aus der notwendigen Ordnungsfunktion, die sich ge- rade auch auf die Wirtschaft erstrecken muß, zurück- Dr. Ingomar Hauchler (SPD): Frau Präsidentin! zieht, wird sich dies bald sehr negativ auswirken. Die Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Marktwirtschaft wird sich dann auch international zu Kollegen! Dies ist aber wirklich meine letzte Rede in dem entwickeln, was als Manchesterkapitalismus diesem Hohen Hause. Ich kandidiere nicht mehr. Ich und Frühkapitalismus zu bezeichnen ist. verlasse den Deutschen Bundestag, ohne, so fürchte (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ ich, ein Weiser geworden zu sein. Ich ziehe mich DIE GRÜNEN - Rudolf Bindig [SPD]: Gute aber auch zurück, so hoffe ich, ohne mich zum Zyni- Einsicht! Was folgt daraus?) ker gewandelt zu haben. Das ist gar nicht so einfach nach 16 Jahren in diesem Hohen Hause. Ich glaube, daß wir viel mehr unsere Ordnungsvor- stellungen, gerade auch die soziale Marktwirtschaft, Ich will deshalb noch einmal deutliche Worte zur international diskutieren sollten. Dazu gehört gerade internationalen Politik in Deutschland und insbeson- die Sicherung des Leistungswettbewerbes. Dazu dere zur Entwicklungspolitik sagen. Nach 16 Jahren, gehört aber auch das Merkmal „sozial" - wahrlich die ich in diesem Hause verbracht habe, ziehe ich fol- anders als im Sinne der Weiterentwicklung eines gendes Resümee: Deutschland hat seine geschichtli- Systems, das unter Bismarck entstanden ist und sich che Erfahrung und seine ökonomische Stärke nicht bei uns verwirklicht hat, nämlich vielmehr im Sinne genutzt, um den ihm möglichen Beitrag zur Lösung eines sozialen Elements, das sehr viel stärker darauf internationaler Probleme zu leisten. gerichtet ist, daß in den Entwicklungsländern alle (Zuruf von der SPD: Leider richtig!) Arbeit und Einkommen haben, daß alle ihre produk- tiven Fähigkeiten einsetzen. Dazu gehört nicht zu- Jahrzehnte nach dem zweiten Weltkrieg, nach außen letzt dieser Antrag zur Mikrofinanzierung. nicht wirklich souverän, hat sich das Land auf das In- nere konzentriert. Das hieß zuallererst: auf das Öko- Es gibt einen weiteren Antrag, den wir heute ge- nomische. Hieraus hat es ein neues Selbstbewußtsein meinsam verabschieden. Es ist der Antrag betreffend gezogen. Nach dem Fall der Mauer endlich souve- die Nachhaltigkeit der Entwicklungszusammenar- rän, öffnete sich das Land aber nicht zur Welt. Es beit; die Partizipation ist eine Voraussetzung für den wurde durch eine neue Binnenschau absorbiert. Das Erfolg der Nachhaltigkeit. ist zum Teil verständlich. Nach der Wiedervereini- Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum gung galt es, die innere Einheit herzustellen. Wieder Schluß kommen und eine Vision vortragen. Meine dominierte hier vor allem die Ökonomie. Vision ist, daß die Entwicklungszusammenarbeit und Zwischen diesen beiden Phasen, dem ökonomisch die internationalen Anstrengungen sich so verstär- bestimmten Wiederaufbau und der ökonomisch be- ken, daß der Skandal, daß ein Fünftel der Mensch- stimmten Vereinigung, lag in den 70er Jahren eine heit in absoluter Armut lebt, daß dieses gewisse Zeit, in der Deutschland über die Ökonomie hinaus Scheitern der Entwicklungszusammenarbeit über- weltweit Anerkennung gewann. Die Friedenspolitik wunden wird, daß vielleicht in zehn Jahren die Hälfte Willy Brandts, die maßgeblich zur Entspannung zwi- der absolut Armen aus diesem Elend heraus ist und schen West und Ost und schließlich auch maßgeblich vielleicht in 20 Jahren alle aus der absoluten Armut zur Aushöhlung kommunistischer Diktatur beitrug, heraus sind. Ich denke, daß dies durch eine verbes- und die Öffnung des Blicks auf globale Herausforde- serte Entwicklungszusammenarbeit und durch ge- rungen im Verhältnis zwischen dem Norden und waltige Anstrengungen aller möglich sein müßte. dem Süden waren weltpolitische Orientierungen, Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. die unserem Land weltweit Anerkennung gebracht haben. (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P., der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ - Zuruf von der SPD: Das war seine letzte DIE GRÜNEN) Rede! Sagen Sie mal was, Frau Präsidentin!) Dies hat viele Menschen in Deutschland zu politi- schem Engagement motiviert, auch mich. Ich trat da- Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Ich weiß es nicht mals in die Sozialdemokratische Partei ein. Ich wollte anders, als daß der Kollege Pinger noch einmal kan- mithelfen, daß sich unser Land nach der Schuld, die didiert. es durch den Weltkrieg weltpolitisch auf sich geladen hatte, und nach seinem Rückzug auf den inneren (Dr. Winfried Pinger [CDU/CSU]: Wahr- wirtschaftlichen Aufbau in Zukunft inte rnational be- scheinlich ist es die letzte Rede gewesen, währt und durch konstruktive Initiativen für Frieden Frau Präsidentin! Ich bedanke mich!) und internationale Entwicklung auszeichnet. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22359

Dr. Ingomar Hauchler Das Kapitel, das Willy Brandt eröffnet und Helmut Entwicklungspolitik wurde von der großen Politik Schmidt aufgeschlagen hatte, wurde wieder ge- aufs Abstellgleis geschoben. Sie versprach weder schlossen. wirtschaftlichen Profit noch politische Karrieren oder Wählerstimmen. Auch im Wahlkampf 1998 werden (Dr. Uschi Eid [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- die Parteien nicht darum ringen, sich vor den Bürge- NEN]: Das ist leider wahr!) rinnen und Bürgern durch zukunftsfähige Lösungen globaler Probleme auszuzeichnen. Das von der sozialliberalen Koalition international er- arbeitete Kapital wurde in den 80er und 90er Jahren (Jochen Feilcke [CDU/CSU]: Was sagt denn durch die konservativ-neoliberale Koalition wieder euer Wahlprogramm?) verspielt. - Einiges dazu. (Zuruf von der CDU/CSU: Wieso denn das?) Von einer neuen, natürlich sozialdemokratisch ge- Die konservative Regierung stellte sich nicht der Auf- führten Bundesregierung erwarte ich nun, daß sie gabe, den ihr möglichen Beitrag zu einer die Natio- aus der innerdeutschen Provinz ausbricht, in die die nen übergreifenden internationalen Ordnung zu lei- konservativ-neoliberale Regierung die deutsche Poli- sten. Die internationale Politik Deutschlands geriet in tik und Gesellschaft eingemauert hat. den Schatten kurzsichtiger nationaler Interessen und (Armin Laschet [CDU/CSU]: Wo ist denn nationalen Prestiges. Ein Sitz im Sicherheitsrat der der Entwicklungsminister im Schattenkabi Vereinten Nationen erschien wichtiger als deren in-- nett?) nere Reform und Stärkung Ich erhoffe mir in Deutschland wieder eine Ära inter- (Widerspruch bei der CDU/CSU) nationaler Politik, die an die Welt- und Weitsicht Willy Brandts anknüpft. - hören Sie sich das an; das ist das, was ich wirklich denke -, um globale, wirtschaftliche und soziale, In diesem Zusammenhang muß auch die deutsche ökologische und sicherheitspolitische Probleme zu Entwicklungspolitik neue und stärkere Akzente set- lösen. zen: (Beifall bei der SPD) (Jochen Feilcke [CDU/CSU]: Wo ist denn die Entwicklungsministerin im Schattenka Im Zeichen der Globalisierung setzte deutsche binett?) Politik immer mehr auf eine national-ökonomische Kampfstrategie, die die soziale Spaltung innerhalb Erstens. Entwicklungspolitik muß integraler Bestand- der Länder und zwischen den Ländern vertieft und teil deutscher Außen- und Sicherheitspolitik, Wi rt über globale ökologische Risiken hinweggeht. In Eu- -schafts- und Umweltpolitik werden. Nur dann macht ropa spielte Deutschland immer mehr den ökonomi- sie wirklich Sinn. schen Zuchtmeister, statt alle Kraft auf die großen (Beifall bei der SPD) Aufgaben der politischen und sozialen Integration zu richten und besonders auch vis-à-vis den USA eine Sie muß sich von national fixierter Projektpolitik zu eigenständige europäische Identität im Konzert der internationaler Strukturpolitik wandeln. Sie muß im Weltregionen aufzubauen. Parlament und Regierung eine Querschnittsfunktion wahrnehmen, Gegenüber den Entwicklungsländern gefiel sich deutsche Politik immer mehr in der Attitüde eines (Beifall bei der SPD) Schulmeisters und reinen Sponsors, statt mit ihnen in die auch auf eine entwicklungsverträgliche und glo- eine wirkliche Partnerschaft zu treten, um globale bal verantwortliche Reform der eigenen Gesellschaft Probleme, die auch uns zunehmend betreffen, ge- und Wirtschaft drängt, sich aber gleichzeitig für welt- meinsam zu lösen. wirtschaftliche Strukturen einsetzt, die den sozialen Ausgleich zwischen den Weltregionen fördert, die (Beifall bei Abgeordneten der SPD - globalen Ressourcen dauerhaft schützt und so lang- Dr. Uschi Eid [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: fristig die Voraussetzungen für Frieden schafft. Da muß ich Ihnen leider zustimmen, Herr Hauchler!) (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS sowie bei Abgeord Die Unterbewertung globaler Fragen gegenüber neten der CDU/CSU) nationalstaatlicher Innenschau zeigte sich besonders kraß in der deutschen Entwicklungspolitik. Ihre Rele- Zweitens. Entwicklungspolitik muß als multilate- vanz in der politischen Diskussion ging gegen Null. rale Anstrengung konzipiert werden. Statt eines In der Regierung und im Parlament geriet sie mehr Rückfalls in nationale Sonder- und Teillösungen, die und mehr ins Abseits. Wer erwartet hatte, eine vor al- parallel nebeneinanderstehen, statt einer arroganten lem altruistische und paternalistische Sicht von bila- Übertragung westlicher Entwicklungsmodelle auf teraler Sozial- und Nothilfe bilde sich zu einer wirkli- andere Weltregionen und statt einer einseitigen In- chen Politik globaler Entwicklungen fort, die neben strumentalisierung von Entwicklungsprojekten für finanziellen Transfers und einzelnen, auch guten Pro- nationale Interessen müssen multilaterale Institutio- jekten unsere eigene Wirtschafts-, Handels- und Um- nen und Regime gestärkt werden, die ein globales weltpolitik einschließt und multilateral ausgerichtet Gewissen repräsentieren und im Sinne gemeinsamer ist, sah sich getäuscht. globaler Interessen - also auch unserer Interessen - 22360 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Dr. Ingomar Hauchler effizient arbeiten. Hier muß Europa mit einer Stimme herzlich für die Zusammenarbeit und die Toleranz sprechen und seine eigenen Vorstellungen gegen he- danke, daß sie mich ertragen haben. gemoniale Ansprüche von Supermächten wirksam vertreten. (Zuruf von der CDU/CSU: Das war nicht sehr schwer!) (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE Ich danke auch dem Bundesminister, der sich als GRÜNEN und der PDS sowie bei Abgeord- lernfähig und engagiert erwiesen und auch mit der neten der CDU/CSU) Opposition den Dialog gesucht hat. Ich scheide aus in der Hoffnung, daß neue und jüngere Kolleginnen Drittens. Entwicklungspolitik muß gesamtgesell- und Kollegen die Ansätze, die wir - oft gemeinsam - schaftliche Aufgabe werden. Die Ziele und Initiati- hier erarbeitet haben, weiterentwickeln und dann ven des Staates müssen von Öffentlichkeit und Me- auch wirklich - dann hoffentlich unter einer sozial- dien, von Wirtschaft und Wissenschaft und vom glo- demokratisch geführten Regierung; nur so wird es balen Wissen und Engagement der Bürgerinnen und gehen - in die Tat umsetzen. Bürger und ihren zivilgesellschaftlichen Organisatio- nen getragen werden. Dies setzt voraus, daß globale Vielen Dank. Herausforderungen und globale Interdependenz zu (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem großen Themen im öffentlichen Diskurs, zu einem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der F.D.P. wichtigen Gegenstand wissenschaftlicher Arbeit und - Jochen Feilcke [CDU/CSU]: Wenn wir - auch zu Kernfragen schulischer Bildung werden. den letzten Satz streichen, geben wir Beifall! Zur Person haben wir Beifall ge Dies setzt allerdings voraus, daß das Parlament klatscht!) und die Parteien die Probleme internationaler Politik und insbesondere auch die Entwicklungspolitik nicht weiter totschweigen • Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Kollege Hauchler, herzlichen Dank. Es waren viele Jahre, die (Rudolf Bindig [SPD]: Und vor allen Dingen Sie hier waren. Ich finde es gut, wenn ein Abgeord- etwas früher diskutieren!) neter in seiner letzten Rede das tut, was ihm das Par- lament ermöglicht: als freier Abgeordneter in freier - und etwas früher diskutieren. Wenn in einem wohl- Rede zu sagen, was er im Rahmen der Entwicklungs- habenden Industrieland keine unmittelbar betroffene politik sagen möchte. Daß dieser Bereich kontrovers Wählerbasis für Entwicklungspolitik existiert, weil ist, das wissen wir doch alle. Ich denke, es ist das Be- Entwicklungspolitik vornehmlich auf Zukunft und ste, was man mitnehmen kann, zu sagen: Ich habe auf für viele Menschen zunächst ferne Räume zielt, als freier Abgeordneter in freier Rede hier meine also nicht kurzfristige und naheliegende Wähler- letzte Rede gehalten und das Parlament auch wieder interessen berührt, ist es - wie kaum auf einem ande- verlassen. Herzlichen Dank! ren Felde - unverzichtbar, daß hier die Politik eine (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P., der Aufklärungs- und Führungsrolle übernimmt. Nur so SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) kann sich in der Gesellschaft globales Bewußtsein - auch in den Medien - und breite Einsicht für globales Frau Abgeordnete Kollegin Uschi Eid. - Dies ist Gemeininteresse ausbilden. nicht die letzte Rede. (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Das weiß man (Beifall bei der SPD) nicht, das muß der Wähler entscheiden!) In dieser Zeit ist viel von Innovation in Wissen und - Ja. Technologie die Rede; das ist richtig. Unser Land braucht diese Erneuerung und diesen Fortschritt, um (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Wohlstand, Arbeit und sozialen Ausgleich zu sichern. Dr. Uschi Eid Präsidentin, ich möchte heute abend zwei Regionen Genauso dringlich sind aber politische Innovationen, Afrikas zum Thema machen, weil beide zur Zeit für also neues Denken und neue Formen hinsichtlich der Schlagzeilen sorgen und weil ich mich beiden per- Ziele und der Organisation von Staat und Weltgesell- sönlich besonders verbunden fühle. Es handelt sich schaft. um Burundi, das für positive Schlagzeilen sorgt, und es handelt sich um E ritrea und Äthiopien, zwei Län- Angesichts ökonomischer Globalisierung erscheint der, die durch einen mir völlig unverständlichen, ab- nationalstaatliches Denken antiquiert. Die dringlich- surden und irrationalen Grenzkrieg für negative ste Innovation, ohne die Politik ihre Handlungsfähig- Schlagzeilen sorgen. keit und die Demokratie ihren Handlungsraum ver- lieren, wäre die Entwicklung eines weltbürgerlichen Zunächst zu Burundi. Sie wissen, daß drei Monate Bewußtseins und der Aufbau einer globalen politi- nach den ersten freien Wahlen 1993 der erste demo- schen Ordnung, die den Frieden durch ausglei- kratisch gewählte Präsident, Melchior Ndadaye, er- chende Gerechtigkeit zwischen den Völkern und mordet wurde, daß in der Folge Hunderttausende Weltregionen sichert. Menschen, darunter über 20 frei gewählte Abgeord- nete, umgebracht wurden. Und im Juli 1996 putschte Ich habe im Bundestag vor allem für diese Innova- Major Buyoya. Der Deutsche Bundestag hat auf mein tion zu arbeiten versucht, zusammen mit Kolleginnen beharrliches Drängen die Entwicklungen intensiv und Kollegen aus allen Fraktionen, denen ich ganz verfolgt und mit den unserem Parlament zur Verfü- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22361

Dr. Uschi Eid gung stehenden Mitteln versucht, positiv zur Ver- Kenntnis nehmen und sich ein Beispiel an der Bun- ständigung zwischen den verfeindeten und sich ver- destagspräsidentin nehmen, die nämlich die Koope- teufelnden Parteien beizutragen. Ich danke Ihnen, ration mit dem Parlament wieder ermöglicht hat. Sie Frau Bundestagspräsidentin, ganz herzlich, daß Sie sagen immer - ich bitte Sie darum, das auch in die- die parlamentarischen Aktivitäten von Herrn Tappe, sem Fall umzusetzen -, daß die Entwicklungszusam- Herrn Dr. Schuster, Frau Dr. Schwaetzer, Graf Wald- menarbeit positive Schritte belohne. Hier ist ein burg-Zeil und mir vorbehaltlos unterstützt haben. Land, das sich in den letzten 14 Tagen im Rahmen seiner Positionen bewegt hat, wie nur ganz wenige (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, andere vor ihm. Männer und Frauen, die sich vorher bei der CDU/CSU, der SPD und der F.D.P.) umbringen wollten, haben sich zusammengerauft Ich freue mich, daß ich heute hinzufügen kann: und sitzen nun zusammen. Dieser Prozeß muß von Der runde Tisch vom Juni 1996 mit jeweils fünf FRO- der internationalen Staatengemeinschaft unterstützt DEBU- und fünf UPRONA-Abgeordneten, den ich werden. Deshalb appelliere ich eindringlich an Sie: zusammen mit Dr. Winrich Kühne von der Stiftung Sorgen Sie bitte in Ihrem Haus dafür, daß dies so ge- Wissenschaft und Politik zweieinhalb Tage mode- sehen wird und daß diese positiven Schritte der Men- rierte - die Kollegin und Kollegen, die ich vorhin er- schen in Burundi auch von uns entsprechend unter- wähnt habe, waren zum Teil auch kurze Zeit dabei -, stützt werden. trägt Früchte, aber etwas verspätet. Wir hätten die (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Früchte eigentlich früher erwartet. Die zehn Abge- sowie bei Abgeordneten der SPD) ordneten verließen damals Bonn mit einem ermuti- genden Fazit ihrer Gespräche. Sie sagten bei ihrem Ich möchte nun noch einige Worte zum Konflikt Abschied: zwischen Eritrea und Äthiopien sagen, vor dem ich Wir müssen in Bujumbura weiter darüber nach- fassungslos stehe und für den es meines Erachtens denken, wie wir zu einer Keimzelle der Versöh- keine rationale Erklärung gibt. Ich appelliere an Sie, nung werden können. vorsichtig mit Schuldzuweisungen zu sein; denn die Informationen, die uns zur Verfügung stehen, sind Heute, genau zwei Jahre später, sind Abgeordnete widersprüchlich. Leider habe ich bisher nur im „Eco- aus beiden Parteien, die damals in Bonn dabei wa- nomist" eine ausgewogene Darstellung des Sachver- ren, Motoren im Prozeß des Zustandekommens der haltes gelesen und eine Karte mit den umstrittenen neuen Übergangsverfassung und der politischen Grenzregionen gesehen. Die Berichterstattung in Plattform von letzter Woche. den deutschen Medien hat sich bisher der äthiopi- schen Interpretation des Konflikts angeschlossen. Ich möchte in diesem Zusammenhang besonders dem Generalsekretär der FRODEBU, Augustin Nzo- Wir sollten an beide Konfliktparteien appellieren, jib wami, und dem Vorsitzenden der UPRONA-Parla- alle militärischen Aktivitäten einzustellen, rheto risch mentsfraktion, Frede ric Ngenze buhoro, für ihre sehr abzurüsten, die Bürgerinnen und Bürger im eigenen positive Rolle danken. Lande mit der Staatsbürgerschaft des jeweils ande- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ren nicht zu behelligen, Vermittlungsbemühungen sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der der internationalen Staatengemeinschaft ernst zu SPD und der F.D.P.) nehmen und eigene Deeskalationsschritte einzulei- ten. Ich appelliere gleichzeitig an den Parteivorsitzen- den der UPRONA, Herrn Mukasa, sowie an den Par- Jeder von uns ist gefordert, sämtliche uns zur Ver- teivorsitzenden der FRODEBU, Herrn Dr. Minani, fügung stehenden Mittel zu nutzen, um den beiden sich diesem eingeleiteten Prozeß nicht zu widerset- mit der Bundesrepublik befreundeten Ländern - das zen, sondern ihn zum Wohle Burundis und seiner hat sich ja gezeigt; der Bundespräsident war in bei- Menschen zu befördern, die so viel in den letzten den Ländern zu Gast - zu helfen, damit sie zu einer Jahren gelitten haben. Besonderer Dank gebührt friedlichen und gutnachbarschaftlichen Koexistenz dem burundischen Parlamentspräsidenten, Herrn zurückfinden können. Leonce Ngendakumana, der mit einem hohen Maß Ich danke Ihnen. an persönlichem Mut und Einsatzbereitschaft diesen ersten Schritt zur Versöhnung gemacht hat und maß- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN geblich an dem Zustandekommen des internen Dia- sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und logs zwischen Regierung und Nationalversammlung der SPD) beteiligt war. Daß er endlich sein Land zu einer Aus- landsreise verlassen durfte, we rten wir als positives Zeichen. Es ist für den Deutschen Bundestag eine Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Es spricht jetzt der Ehre, daß seine erste Auslandsreise über Arusha Kollege Roland Kohn. nach Bonn führte und wir ihn gestern hier begrüßen konnten. Roland Kohn (F.D.P.): Frau Präsidentin! Meine sehr Ich möchte an Sie, Herr Minister Spranger, appel- verehrten Damen und Herren! Nur, um das aufzuklä- lieren, diese wichtigen Schritte zur Kenntnis zu neh- ren: Dies ist nicht meine letzte Rede. Manche müssen men und dafür zu sorgen, daß auch die Mitarbeiterin- mich morgen noch einmal ertragen. nen und Mitarbeiter in Ihrem Hause, die an führen- der Stelle Entscheidungen treffen, diese Schritte zur (Zuruf von der CDU/CSU: Heute!) 22362 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Roland Kohn Ich möchte die letzte entwicklungspolitische De klar zu sagen: Wir tun es auch deshalb, weil eine ver- batte in dieser Legislaturperiode zum Anlaß nehmen, nünftige Entwicklungspolitik in unserem wohlver- mich bei zwei Kollegen besonders für die hervorra- standenen nationalen Interesse liegt. Denn wir kön- gende Zusammenarbeit, die wir im Ausschuß hatten, nen uns doch vor den Folgen von Armut, von Um- zu bedanken. Das bezieht sich zum einen auf den weltzerstörung, von Bürgerkriegen und anderen poli- Kollegen Pinger, den Obmann und Sprecher der tischen Instabilitäten nicht abschotten. Deswegen CDU/CSU-Bundestagsfraktion, der, wie wir heute haben wir guten Grund dazu, in der Öffentlichkeit gelernt haben, wahrscheinlich dem nächsten Parla- offensiv für unseren Politikbereich zu werben. ment nicht mehr angehören wird. Es war außeror- dentlich erfreulich, in der Koalition mit dem Kollegen Für die Zukunft heißt dies: Wir brauchen mehr Ko- Pinger und seiner Gruppe zusammenzuarbeiten. Ich härenz zwischen den einzelnen Politikbereichen. möchte dafür ganz ausdrücklich ein Wo rt des Dankes sagen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Dies gilt insbesondere für unsere Agrar- und Han- delspolitik auch auf europäischer Ebene, wenn sie In gleicher Weise möchte ich mich bei Herrn Pro- den entwicklungspolitischen Zielsetzungen nicht fessor Hauchler bedanken, der ja zu Beginn dieser entspricht. Das ist leider in vielen Bereichen der Fall. Legislaturpe riode der Obmann und Sprecher seiner Fraktion für wirtschaftliche Zusammenarbeit gewe- - (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und sen ist. Wir haben in dieser Zeit außerordentlich kon- der CDU/CSU) struktiv auch im Obleutegespräch gearbeitet. Ich sage das jetzt, ohne Ihnen zu schmeicheln: Sie haben Man muß ebenfalls offen aussprechen: Entwick- sehr substantielle Beiträge auch aus wissenschaftli- lungspolitik funktioniert als weltweite Sozialpolitik cher Perspektive zur Erhellung des Problems gelei- nicht. Statt dessen müssen wir in den Entwicklungs- stet. Dafür und für Ihr großes Engagement möchte ländern die notwendigen Strukturen schaffen, damit ich Ihnen persönlich ein herzliches Dankeschön sa- ökonomischer, politischer und sozialer Fortschritt gen. möglich wird. Deswegen sind die Kriterien Rechts- (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne- staatlichkeit, Korruptionsbekämpfung, Nachhaltig- ten der CDU/CSU und der SPD) keit und gute Entwicklungsführung der Regierungs- tätigkeit sowie ganz konsequente Marktwirtschaft Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich wichtige Punkte für die Art und Weise, wie wir un- möchte gerne die Zeit, die mir zur Verfügung steht, sere Entwicklungspolitik anlegen. dazu benutzen, einige Dinge zu sagen, die in der Öf- fentlichkeit, glaube ich, häufig falsch gesehen wer- Marktwirtschaft muß aber nicht nur auf dieser den. Es wird häufig falsch gesehen, was eigentlich Ebene, sondern sie muß auf allen Ebenen der politi- die Motivation für unsere Entwicklungspolitik ist. schen Zusammenarbeit gelten. Deswegen sage ich: Es gibt Übereinstimmung bei uns im Ausschuß, daß Wir brauchen mehr Transparenz und Wirksamkeit im wir durch unsere Arbeit einen Beitrag zur Zukunft Bereich der staatlichen und p rivaten Entwicklungs- dieser einen Welt, in der wir leben, leisten wollen. zusammenarbeit, verbesserte Kooperation und Koor- Wir wollen, wie es auch hier gesagt wurde, einen dination zwischen den Projektträgern. Wir brauchen Beitrag leisten zum Frieden, zur wirtschaftlichen Zu- mehr Wirksamkeitsanalysen und mehr Erfolgskon- sammenarbeit und zur Sicherung der natürlichen Le- trollen. Auch die Vergabe von Fördermitteln sollte im bensgrundlagen. Wettbewerb der Durchführungsorganisationen bei Geber- und Partnerländern erfolgen. In der Öffentlichkeit wird manchmal der Eindruck erweckt, die Entwicklungspolitik habe keine Erfolge Es führt kein Weg daran vorbei, daß in Zukunft der vorzuweisen. Dies ist wirklich völlig falsch. Wir ha- Einzelplan 23 noch stärker umstrukturiert werden ben erfreulicherweise sehr positive Entwicklungen, muß mit klaren sektoralen und regionalen Schwer- wenn auch noch lange nicht alle Blütenträume ge- punktsetzungen. Das erfordert auch eine stärkere reift sind. So ist zum Beispiel seit Mitte der 60er Jahre Konzentration auf Förderungsmöglichkeiten mit ge- die Geburtenrate weltweit um ein Drittel zurückge- ringem Zuschußanteil, zum Beispiel die Förderung gangen. Die Kindersterblichkeit sank um die Hälfte. privater Existenzgründungen, privatwirtschaftliche Doppelt so viele Länder wie vor 30 Jahren sind heute Infrastrukturprojekte und den verstärkten Einsatz re in der Lage, sich selbst zu ernähren. Gegenüber den volvierender Fonds. Ein Förderungsschwerpunkt 80er Jahren hat sich das durchschnittliche jährliche sollte weiterhin auf dem Aufbau leistungsfähiger und Wachstum des Bruttosozialproduktes in den Entwick- funktionierender Finanzsektoren liegen, eine alte li- lungsländern verdoppelt. Ich glaube, dies sind Er- berale Forderung. Meine frühere Kollegin Ing rid folge, die wir zu Recht auch auf eine richtig ange- Walz hat die Initiativen dazu ergriffen. In diesen Zu- legte Konzeption der Entwicklungspolitik in unserem sammenhang gehört der Antrag, der heute zum Lande zurückführen können. Thema Mikrokreditprogramme vorliegt. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Inzwischen fließt fast sechs Mal so viel privates Ka- Wir halten es weiterhin für richtig, die Probleme an pital in die Entwicklungsländer wie Mittel der öffent- der Stelle zu bekämpfen, wo sie entstehen; das heißt, lichen Entwicklungszusammenarbeit. Das kann aber vor Ort. Wir tun dies aus einer ethisch-humanitären nur dann sinnvoll sein, wenn wir gleichzeitig dafür Überzeugung heraus. Aber ich bekenne mich dazu, sorgen, daß wir unsere eigenen Märkte für Produkte Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22363

Roland Kohn aus diesen Partnerländern öffnen. Denn sonst macht folgreichen bürgerlich-liberalen Koalition fortgesetzt diese Art von Politik keinen Sinn. wird. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Denn Entwicklungspolitik ist und bleibt globale Zu- Die Eliten in den Entwicklungsländern müssen wir kunftspolitik. immer wieder daran erinnern und müssen sie mah- nen, daß vor allem sie für die Entwicklung in ihren Vielen Dank. Ländern verantwortlich sind. (Beifall bei der F.D.P., der CDU/CSU, der (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und der SPD) Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Auch Ihnen, Herr Deshalb müssen sie in denjenigen Ländern, die bis- Kollege Kohn, ganz herzlichen Dank - nicht nur für her für privates Kapital nicht attraktiv sind, die ent- die Jahre Ihres Hierseins, sondern für Ihre Arbeit. Ich sprechenden rechtlichen, politischen und sozialen fand das gerade ein schönes Beispiel: Herr Hauchler Rahmenbedingungen schaffen. und dann Herr Kohn - das ist Parlament. Herzlichen Leider erlaubt es mir die Zeit nicht, an dieser Stelle Dank und Ihnen alles Gute. auf den mehrfach in die Diskussion eingeführten Be- (Beifall) griff des Neoliberalismus einzugehen, der in einen völlig falschen Zusammenhang gestellt worden ist: Das Wort hat jetzt der Bundesminister Carl-Dieter Als wäre es ein Widerspruch, sich zu neoliberalen Spranger. Prinzipien auf der einen Seite und zu einer konse- quenten marktwirtschaftlichen Ausrichtung auf der Carl-Dieter Spranger, Bundesminister für wirt- anderen Seite zu bekennen! schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Her- (Beifall des Abg. Carl-Ludwig Thiele ren! Die 13. Legislaturpe riode geht zu Ende. [F.D.P.]) (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Auch Diese beiden Begriffe gehören zusammen. Sie aus- eine Abschiedsrede!) einanderreißen zu wollen führt zu einer systemati- schen Verzerrung der Wirklichkeit. Insofern, Herr - Dazu werden Sie nichts hören, auch keine Andeu- Kollege Hauchler, habe ich am Ende Ihrer Rede zwar tungen. Lesen Sie „Die Welt" von heute, dann kön- aus Respekt für Ihre Arbeit in diesem Hause applau- nen Sie lesen: „Alles klingt nach Aufbruch. " So soll diert. Nach dem sehr verzerrten Bild, das Sie von der es auch sein. Realität und von den Strukturen der Entwicklungs- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) politik gezeichnet haben, ist mir das aber - offen ge- standen - nicht ganz leicht gefallen. Ich bekenne es. Ich glaube, die Bilanz, die wir vorzeigen können, ist eine Perspektive. Wir haben nicht zurückzublik- Nicht zuletzt will ich betonen, daß wir in Zukunft ken, sondern nach vorne zu schauen; denn wir kön- die Frauen noch stärker als bisher in die Planung nen eine erfolgreiche Bilanz ziehen. Darauf können und Durchführung von Entwicklungsprojekten ein- wir für die Zukunft aufbauen. In der letzten Woche beziehen müssen. hat sich der Entwicklungsausschuß der OECD im Rahmen seiner üblichen Überprüfungen beim (Beifall bei der CDU/CSU) Deutschlandexamen mit der deutschen Entwick- lungspolitik beschäftigt. Die Kernaussage dieses in- Denn es ist einfach die Wahrheit, daß in vielen Län- ternational anerkannten Gremiums lautet: dern die Frauen die eigentlichen Träger von Ent- wicklungsorientierung sind. Das deutsche System der Entwicklungszusam- menarbeit ist eines der umfassendsten in der Welt Zum Schluß möchte ich Ihnen, Herr Entwicklungs- und was seine Reichweite, seine Ziele und seine minister Spranger, und Ihrem Haus für die vertrau- Leistungsfähigkeit angeht, sehr beeindruckend. ensvolle Zusammenarbeit danken. Ebenso möchte ich der Arbeitsgruppe der CDU/CSU für die gute Ko- Ich glaube, das ist eine klare Antwort auf einzelne operation in der Vergangenheit sowie allen Obleuten Kritikpunkte, die in den letzten Wochen und auch in der Fraktionen danken. einigen Anträgen heute der Entwicklungspolitik der Bundesregierung entgegengebracht werden. Der Entwicklungspolitik kann auf Dauer - davon bin kundige Beobachter weiß, daß dies alles in Wirklich- ich fest überzeugt - nur erfolgreich sein, wenn wir keit Wahlkampfgeplänkel ist. Ich freue mich darüber, die Zustimmung unserer Bürger finden. Eine erfolg- daß auch die Oppositionsfraktionen die Grundlinien reiche Entwicklungszusammenarbeit fördert politi- der deutschen Entwicklungspolitik mittragen, wohl sche Stabilität und hilft, aus Entwicklungsländern wissend, daß es dazu eine sinnvolle Alternative nicht starke Wirtschaftspartner zu machen. Damit liegt sie gibt. So heißt es im Antrag der SPD zu Reformvor- mittel- und langfristig auch in unserem eigenen In- schlägen in der Entwicklungspolitik, die Entwick- teresse. Wir Liberalen kämpfen darum, daß diese er- lungspolitik sei in den letzten Jahrzehnten erfolgrei- folgreiche Politik auch nach dem 27. September die- cher gewesen als vielfach angenommen. Lieber Herr ses Jahres in partnerschaftlichem Geist von dieser er- Hauchler, vielleicht sollten Sie Ihre Analysen dessen, 22364 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Bundesminister Carl-Dieter Spranger was Herr Kohl meines Erachtens richtig beschrieben dienen? Und wer weiß, daß wir in China allein hat, überprüfen. 240 Millionen DM für Aufforstung und Walderhal- tung einsetzen? Wenn wir das, was Sie als Reformen vorschlagen, überprüfen, dann können wir feststellen, daß sie ent- Von den genannten 1,6 Milliarden DM im Energie- weder bereits verwirklicht oder schon auf den Weg sektor werden 776 Millionen DM im Wege der Ver- gebracht sind. Beim Ausbau Bonns zu einem Zen- bundfinanzierung vom p rivaten Kapitalmarkt zur trum für inte rnationale Zusammenarbeit sind wir Verfügung gestellt. Insgesamt gelang es mit diesem durch die Ansiedlung verschiedener UN-Institutio- Konzept der Verbundprojekte, den finanziellen nen ein gutes Stück vorangekommen. Die Zusam- Handlungsspielraum des BMZ um bisher mehr als menarbeit mit der Wi rtschaft wurde in den letzten 3 Milliarden DM zu erweitern. Auch dies zähle ich Jahren wesentlich vertieft. Ein Schwerpunkt unserer angesichts der finanziellen Rahmenbedingungen zu Politik ist die Förderung demokratischer Gesell- einem der wichtigsten Erfolge unserer Arbeit. Ich schaftsstrukturen geworden. Die innere Reform des möchte mich hier in besonderer Weise bei den Kolle- BMZ ist eingeleitet. Die seit kurzem vorliegenden ginnen und Kollegen des Bundestages, ohne die wir Vorschläge einer Arbeitsgruppe werden zur Zeit dieses neue, wirkungsvolle Instrument nicht hätten, breit diskutiert und, soweit kurzfristig möglich, auch bedanken. umgesetzt. Durchaus sichtbar, aber im einzelnen schwer meß- (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Vor der bar ist der Einfluß, den die deutsche EZ auf die Ver- Wahl!) wirklichung von Demokratie und Rechtsstaatlich- keit in unseren Partnerländern genommen hat. In- - Nein, nicht vor der Wahl; vielmehr haben wir das zwischen werden jährlich 200 Millionen DM im Rah- getan, was möglich ist. Auch in der Personalver- men der staatlichen EZ allein für Vorhaben des Men- sammlung am Dienstag haben wir im Einvernehmen schenrechtsschutzes, der Rechtsreform und anderer mit den Mitarbeitern klargestellt, daß einzelne Dinge Positivmaßnahmen aufgewendet. Die Zahl der Regie- der Diskussion mit den Ressorts und mit dem Parla- rungen in den Entwicklungsländern, die aus freien ment bedürfen. All das können wir nicht in der ver- Wahlen hervorgegangen sind, ist in den letzten zehn bleibenden Zeit bis zu der Bundestagswahl schaffen. Jahren von 40 auf 60 Prozent gestiegen. Deutschland ist weltweit drittgrößter Geber. Deshalb nehmen wir Was wir ablehnen, ist die erneute Forderung nach mit Recht für uns in Anspruch, zu diesem Ergebnis einem entwicklungspolitischen Gesetz. Das lautet, und zu anderen globalen Erfolgen der Entwicklungs- frei nach Heinz - nicht Ludwig - Erhardt: „Noch'n politik, zum Beispiel der Rückführung der Geburten- Gesetz! " - Als wenn wir nicht schon genug Gesetze rate und Kindersterblichkeit, der Steigerung der Le- und Verordnungen hätten! Die Einrichtung neuer benserwartung, der Erhöhung der Einschulungsrate Institutionen, Bürokratisierung und Reglementierung und der Ernährungssicherung aus eigener Kraft maß- ist das Rezept von gestern. Wir setzen auf Innovati- geblich beigetragen zu haben. onsfähigkeit, Pragmatismus, Flexibilität und Erfolgs- orientierung. Deutschlands Zukunft als Wirtschaftsnation liegt zu einem großen Teil in den Entwicklungs- und (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Übergangsländern. Entwicklungspolitische Zusam- menarbeit hilft mit, dieses Potential für unsere Wirt- Die klare Botschaft des Entwicklungsausschusses schaft zu erschließen. Deshalb merken immer mehr der OECD lautet: Die deutsche Entwicklungszusam- Menschen, daß Entwicklungszusammenarbeit in un- menarbeit funktioniert, und sie hat Erfolg. Die ge- serem ureigenen Interesse liegt und sich für uns alle nannten Beispiele - eine überzeugende moderne lohnt. Konzeption, die besondere Hervorhebung der Ar- mutsbekämpfung, Krisenprävention und enge Zu- Unmittelbare wirtschaftliche Vorteile ergeben sich sammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen - aus den Rückflüssen aus der Entwicklungszusam- ließen sich noch um viele Punkte ergänzen. menarbeit; über 80 Prozent der für Projekte und Pro- gramme eingesetzten Gelder fließen in Form von Nehmen wir nur den Umweltsektor. Bei Maßnah- Aufträgen an die deutsche Wirtschaft zurück. Allein men des Waldschutzes und der Wasserwirtschaft hal- an ostdeutsche Firmen wurden von 1991 bis 1997 ten wir weltweit anerkanntermaßen die Spitzenposi- Aufträge in Höhe von 2,5 Milliarden DM aus dem tion. Es gibt keinen großen Industriestaat, der so kon- Haushalt des BMZ vergeben, davon 700 Millionen sequent wie wir der Einsicht folgt, daß globaler Um- DM im Jahre 1997. Das trug dazu bei, ostdeutschen weltschutz in Entwicklungs- und Transformations- Firmen neue zukunftsträchtige Märkte zu erschlie- ländern kostengünstiger und wirksamer als in Indu- ßen und Arbeitsplätze in den neuen Bundesländern strieländern betrieben werden kann. Viele kennen zu sichern. aus der Entwicklungszusammenarbeit mit China nur den U-Bahn-Bau, der im übrigen auch zum Umwelt- Meine Damen und Herren, die Entwicklungszu- schutz beiträgt. sammenarbeit ist ein einzigartiges Gestaltungsele- ment in unseren auswärtigen Beziehungen. Sie kann (Roland Kohn [F.D.P.]: Richtig! Sehr wahr!) - wie in der Ausländerpolitik und bei der Rückfüh- rungsproblematik - unsere Innenpolitik wirksam Wer aber weiß, daß im Energiesektor derzeit Projekte flankieren. Sie kann, wie bereits dargelegt, unsere mit einem Wert von 1,6 Milliarden DM laufen, die Bemühungen, den Wirtschaftsstandort Deutschland überwiegend der Modernisierung von Kraftwerken zu stärken, unterstützen. Die Verbindung der Ent- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22365

Bundesminister Carl-Dieter Spranger wicklungspolitik mit diesen anderen Politikbereichen recht absichern. Das multilaterale Abkommen zur Si- ist ihre große Chance, ihre Bedeutung im Rahmen cherung von Investitionsgewinnen, MAI, wäre der der deutschen Gesamtpolitik darzustellen und ihren entscheidende Schritt dazu - ohne Rücksicht auf vi- Stellenwert zu erhöhen. tale Bedürfnisse und Rechte von Bevölkerungen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Was Globalisierung von Interessen heißt, wissen wir seit 1848 durch einschlägige Dokumente und Gleichzeitig wird dadurch auch ihre Abhängigkeit Manifeste. Was wir nur zum Teil wußten, ist, daß die von anderen politischen Entscheidungen deutlich. globalen Spieler nichts dazulernen. So scheint es. Sie Dies ist der eigentliche Grund für die Kohärenzde- verfügen über flexibles Kapital, aber die betroffenen batte, die wir in dieser Legislaturpe riode vorantrei- Menschen - von Chiapas bis Osttimor - nur über ihre ben konnten, die jedoch sicher noch weitergehen Empörung. Schuld sind am Ende die, die sich empört muß. haben und verlieren. Mein Ziel war und ist es, unsere Entwicklungspoli- tik als ein vielseitig einsetzbares, effizientes, flexibles Für mich stellt sich die Frage: Wann wird eine und erfolgreiches Instrument zur Wahrung deutscher deutsche Regierung endlich daran arbeiten, daß die Interessen zu stärken und dabei nach klaren Prinzi- Ursachen für Ausbeutung und Ausgrenzung, für Em- pien und nachvollziehbaren Kriterien zu verfahren. pörung und Gegengewalt beseitigt werden? Dies Diesen Weg werden wir weiter konsequent verfol- wäre ein Beitrag zur zivilen Konfliktbearbeitung in gen. - vielen Regionen der Welt. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) (Beifall der Abg. Dr. Barbara Höll [PDS])

Die zukünftige Bundesregierung steht vor der Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächsten rufe enormen Aufgabe, Hoffnungszeichen zu setzen. Des- ich den Abgeordneten Dr. Willibald Jacob auf. halb stellt die PDS folgende Forderungen an eine zu- künftige Bundesregierung - sie wird damit

Dr. Willibald Jacob (PDS): Frau Präsidentin! Meine (Armin Laschet [CDU/CSU]: Wer?) Damen und Herren! Die großen Stichworte der Ent- wicklungspolitik in den letzten vier Jahren waren Ar- - die PDS -, wenn die Wahlen entsprechend verlau- mutsbekämpfung, Hilfe zur Selbsthilfe und Wi rt fen, die SPD in die Pflicht nehmen -: eine neue Ent- -schaftsberatung. Um diese zentralen Stichworte wicklungspolitik als wirkliche Querschnittsaufgabe; rankte sich ein Kranz von Aufgaben und Problemen. vollständiger und sofortiger Schuldenerlaß für arme Ich greife in der Kürze der Zeit ein Problem heraus. Entwicklungsländer, einschließlich des Erlasses der So große Bedeutung wie diesen zentralen Stich- Schulden, die gegenüber der damaligen DDR ent- worten kam der Proklamation eines Paradigmen- standen waren; Realisierung der alten Zusage von wechsels in der Entwicklungspolitik am Anfang die- 0,7 Prozent des Bruttosozialproduktes für öffentliche ses Jahres durch Herrn Bundesminister Spranger Entwicklungshilfe; Ablehnung des vorliegenden und durch Arbeitgeberpräsident Henkel zu. MAI-Vertragstextes; Ernährungssicherheit in den Entwicklungsländern bei kritischer und zurückhal- (Armin Laschet [CDU/CSU]: Was?) tender Anwendung von Bio- und Gentechnologien; Die deutsche Privatwirtschaft wurde zum vornehm- (Beifall des Abg. Rolf Köhne [PDS]) sten Entwicklungshelfer erklärt. Unbeantwo rtet steht die Frage im Raum: Wie soll das geschehen, Herr zivile Konfliktvorbeugung durch gezielte Entwick- Bundesminister? Verarmung, Unterentwicklung, lungshilfe; Beginn der staatlichen Entwicklungszu- Hunger, das Verlernen der Selbsternährung, Flucht, sammenarbeit mit allen Entwicklungslände rn, in de- Apathie und Revolte von Völkern werden durch die nen entsprechend der Schwerpunktsetzung deut- permanente Wirtschaftspolitik der p rivaten Ge- scher Entwicklungspolitik Hilfe und Unterstützung schäftsbanken und multinationalen Großbetriebe geleistet werden kann, also auch mit Kuba. verursacht. Auch die Verschuldung und Überschul- dung von Entwicklungs- und Schwellenländern hat (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordne in dieser Wirtschaftspolitik ihre Ursache. Woher soll ten der SPD - Armin Laschet [CDU/CSU]: Veränderung kommen? Nordkorea!) Die Strukturanpassungspolitik der großen Finanz- Wer wie die Bundesrepublik Deutschland durch institutionen, der Weltbank und des Internationalen Exportgewinne sein Leben sichert, ist zu diesen Währungsfonds, hat die Misere verstärkt. Die asiati- Schritten verpflichtet, als Zeichen dafür, daß auch die sche Finanzkrise hat die oft genannten Vorbilder von Reichen dazulernen könnten, und sei es unter dem Entwicklung beseitigt. Was bleibt? Genau in dieser Druck der Verhältnisse. Dies gilt allerdings auch für Situation ist die Hauptsorge der weltweit und konti- das Leben eines Landes nach innen, also auch in der nental, regional und lokal agierenden Wirtschaftsein- Bundesrepublik Deutschland selbst. Wer gewinnt, ist heiten von Betrieben und Banken die Absicherung den Verlierern verpflichtet. Das ist das soziale Gesetz ihrer Gewinne. Ihnen würde ja schon genügen, des Menschen, gegen das wir nicht ungestraft versto- wenn nationale Parlamente und Regierungen ihr Ge- ßen können. Auf diese Weise kann die Entwicklungs- winnstreben durch ein global wirksames Wirtschafts- politik zur Querschnittsaufgabe für alle Politikberei- 22366 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Dr. Willibald Jacob che werden. Die PDS wird nicht nachlassen, dies zu bleibt auch hinter dem zurück, was wir bereits im unterstreichen und zu fordern. Jahre 1994 in diesem Haus gemeinsam beschlossen haben. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. (Beifall bei der PDS - Armin Laschet [CDU/ Roland Kohn [F.D.P.]) CSU]: Rede der Erneuerung!) Von dieser Stelle aus möchte ich mich ausdrücklich bei allen Nichtregierungsorganisationen, Initiativen, Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Das war Ihre letzte Journalisten und Einzelpersonen bedanken, die sich Rede im Deutschen Bundestag. Sie werden für sich dieses Themas in den letzten Jahren angenommen selbst entscheiden, welche Erfahrungen Sie aus die- haben. sem Parlament mitnehmen. Wir wünschen Ihnen al- (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. les Gute, Herr Jacob. Roland Kohn [F.D.P.]) (Beifall im ganzen Hause) Exemplarisch möchte ich die Deutsche Gesellschaft Ich rufe jetzt die Kollegin Anneliese Augustin auf. für die Vereinten Nationen sowie die Deutsche Stif- tung Weltbevölkerung nennen. - (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Anneliese Augustin (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Jacob, das Nicht zuletzt durch deren Bildungsarbeit und Öffent- Jammerbild, das Sie von unserer Entwicklungspolitik lichkeitsarbeit hat in unserem Land ein Bewußtseins- gezeichnet haben, nachdem wir in unserem Aus- wandel in der Hinsicht stattgefunden, daß Bevölke- schuß in vielen Jahren Hervorragendes geleistet ha- rungspolitik, Familienplanung und Entwicklung zu ben, entspricht in keiner Weise der Wirklichkeit. den Grundpfeilern einer Welt zählen müssen, die überleben will. Wenn ich an Kairo denke, gewinne (Beifall bei der CDU/CSU) ich die Überzeugung: Diese unsere Welt will überle- ben. Ich will auch sonst nicht weiter auf Ihre Rede ein- gehen. Es gibt bei uns ein geflügeltes Wo rt, das heißt: ein- mal Afrika, immer Afrika. Ich möchte davon reden, wie gut wir insgesamt, quer durch alle Fraktionen, in diesem Ausschuß ge- (Dr. R. Werner Schuster [SPD]: Richtig!) arbeitet haben. Ich stelle fest: Eigentlich hat jeder von uns Themen, die ihn über viele Jahre begleitet Dies trifft für einige Kolleginnen und Kollegen in un- haben und die ihm sozusagen ans Herz gewachsen serer Runde zu, und es trifft auch für mich zu. sind. Eines dieser Themen ist für mich das weltweite (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Erstaun Bevölkerungswachstum und die Frage, wie wir als lich, daß Sie heute hier sind!) Menschheit darauf reagieren. Deshalb freue ich mich, daß ich dieses Thema in meiner letzten Rede Wenn man Afrika liebt, schmerzen einen die blutig vor dem Hohen Hause noch einmal ansprechen darf. ausgetragenen Konflikte und Rückschläge um so Dies tue ich um so lieber, als wir wirklich Erfolge zu mehr. Doch wer mich kennt, kennt auch meinen Op- verzeichnen haben. timismus und meine positive Einstellung zum Leben. So schaue ich auch mehr auf die Erfolge und die Mut (Beifall bei der CDU/CSU sowie des machenden Entwicklungen auf diesem Kontinent. Abg. Roland Kohn [F.D.P.]) (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. So nehmen viele Staaten in Afrika, Asien und Roland Kohn [F.D.P.]) Amerika die Kairoer Konferenz äußerst ernst. Sie verstärken ihre Anstrengungen in diesem Feld, was Zwei Anmerkungen seien mir jedoch gestattet. Die leider nicht immer gebührend gewürdigt wird. eine richtet sich an unsere eigene Adresse: Ich Auch bei uns hat sich in den vergangenen Jahren möchte sie in eine Bitte kleiden, nämlich daß Afrika eine Menge getan. Wir haben uns nach Kräften be- in diesem Parlament auch künftig die gebührende müht, diesen Bereich der Entwicklungszusammen- Beachtung erfährt arbeit zu stärken. Das Bundesministerium für wirt- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD schaftliche Zusammenarbeit hat hierzu ein umfas- sowie des Abg. Roland Kohn [F.D.P.]) sendes Konzept erarbeitet, die Finanzmittel zur Um- setzung wurden erheblich aufgestockt und die zu- und sich auch in der kommenden Legislaturpe riode ständigen UN-Organisationen gestärkt. Nicht zu- Kolleginnen und Kollegen aus allen Fraktionen fin- letzt hat unser Bemühen dazu beigetragen, daß die- den, die diesen Kontinent auf seinem Weg in eine ses Thema auch in der Europäischen Union Bedeu- friedliche und damit bessere Zukunft begleiten. tung gewonnen hat. Die zweite Bitte richtet sich an die Eliten und So gesehen rennt der vorliegende SPD-Antrag, ak- Machthaber in Afrika. Mögen sie sich ihrer Verant- tive Bevölkerungspolitik als Schwerpunkt in die wortung für die Entwicklung aller Regionen ihres Entwicklungszusammenarbeit aufzunehmen, Türen Landes, aller dort lebenden Menschen und des ge- ein, die eigentlich seit langem offenstehen, und er samten Kontinents bewußt werden. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22367

Anneliese Augustin Das Stichwort Verantwortung möchte ich auch im Die jetzige Bundesregierung ist nicht in der Lage, zu Zusammenhang mit dem Referendum in der Westsa- einer nationalen Politik beizutragen, die die gegen- hara nennen. Was wir dazu beitragen können, wer- wärtigen internationalen Strukturprobleme löst und den wir beitragen. Ich appelliere eindringlich an die damit eine nachhaltige Entwicklung fördert. beiden betroffenen Parteien, konstruktiv und fair an der Vorbereitung und Durchführung des Referen- (Klaus-Jürgen Hedrich [CDU/CSU]: Sprüche!) dums mitzuwirken und das Ergebnis des Referen- Minister Spranger trägt die politische Verantwor- dums vorbehaltlos anzuerkennen. tung dafür, daß das BMZ zu einem reinen Projekt- Ich wünsche mir allerdings auch, daß beide Seiten ministerium geworden ist. intensiver als bisher über den Tag nach dem Referen- dum nachdenken. Vor allem sollten sie Sorge tragen, (Zurufe von der CDU/CSU und der F.D.P.: daß der unterlegenen Partei die Akzeptanz des Aus- Oh!) gangs der Wahl erleichtert wird. Je verantwortungs- Er trägt die Verantwortung dafür, daß es in der Ge- voller in diesem Kontext gehandelt wird, desto größer schichte des BMZ erstmals einen absoluten Rück- wird auch unsere Bereitschaft sein, Hilfe zu leisten. gang des BMZ - Haushaltes gibt und der Anteil des Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sollten unsere BMZ am Gesamthaushalt seit 1982 ständig gesun- Arbeit als Entwicklungs- und Außenpolitiker nicht ken ist. Das ist doch wahr. Minister Spranger trägt auch dafür die Verantwortung, daß wir unsere ent- zu gering schätzen. Denn es reift nicht zuletzt durch - unsere Arbeit die Erkenntnis, daß wir Menschen nur wicklungspolitische Meinungsführerschaft im inter- diese eine Welt haben, die es gemeinsam zu erhalten nationalen Bereich verloren haben und daß sich die gilt. Ich bin dankbar, daß ich in den letzten Jahren Bundesrepublik bei der Entschuldung armer Länder hierzu ein wenig beitragen durfte. wie bei der Frage der Beiträge an internationale In- stitutionen in eine zunehmende Isolierung begeben Ich möchte mich bei meinen Kolleginnen und Kol- hat. legen von der Fraktion, aber auch fraktionsübergrei- fend ganz herzlich dafür bedanken, daß sie mich auf (Armin Laschet [CDU/CSU]: Stimmt doch diesem Weg so freundschaftlich begleitet haben. gar nicht! - Klaus-Jürgen Hedrich [CDU/ CSU]: So ein Unsinn!) (Beifall im ganzen Hause - Klaus-Jürgen Hedrich [CDU/CSU]: Du wirst uns fehlen!) Schließlich trägt Minister Spranger die Verantwor- tung auch dafür, daß die groß angekündigte Struk- turreform des BMZ bis jetzt nicht Wirklichkeit ge- Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Liebe Kollegin Au- gustin, auch Ihnen ganz herzlichen Dank für Ihren worden ist. Optimismus, Ihre positive Sicht der Dinge und Ihr (Beifall bei der SPD - Klaus-Jürgen Hedrich Vermächtnis, mit dieser Grundeinstellung weiterhin [CDU/CSU]: Wer hat Ihnen denn das aufge Entwicklungspolitik zu betreiben. Herzlichen Dank. schrieben?) (Beifall im ganzen Hause) Denn acht Jahre, Herr Minister, hatten Sie für ein Als nächste spricht die Kollegin Adelheid Tröscher. Durchführungskonzept Zeit. Nichts ist daraus gewor- den. Dies ist die dürre Bilanz Ihrer Arbeit. Es ist an der Zeit, daß es im BMZ einen politischen Wechsel (SPD): Frau Präsidentin! Werte Adelheid Tröscher gibt. Kolleginnen und Kollegen! Ich hätte nie gedacht, daß ich zu dieser Nachtstunde so viele Abschiedsreden (Armin Laschet [CDU/CSU]: Wer ist denn hören würde. Schattenminister? Ist der Bereich nicht (Klaus-Jürgen Hedrich [CDU/CSU]: Mor- wichtig genug?) genstunde!) - Das werden Sie noch rechtzeitig erfahren. Seien Sie - Nein, Nachtstunde. Das stimmt doch. Das habe ich nicht so ungeduldig. Bei uns ist Entwicklungspolitik mir genau überlegt. Chefsache. Nehmen Sie es mir nicht übel, daß ich nach soviel (Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU/ Lob der Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU CSU und der F.D.P.: Oh! Wer ist denn und der F.D.P., nach dem Lob von Herrn Pinger und Chef?) von Herrn Kohn sowie dem Eigenlob von Herrn Spranger ein bißchen kritischer sein werde. Wir wol- Heute, unter den Bedingungen der Globalisierung, len ein Fazit der letzten vier Jahre ziehen und gleich- kommt der Entwicklungspolitik eine zentrale Rolle zeitig den Blick auf unsere künftige Arbeit richten. zu, um zu einer menschenwürdigen, nachhaltigen Denn so, wie wir einen allgemeinen Politik- und da- und zukunftsfähigen Entwicklung beizutragen. Es ist mit auch einen notwendigen Regierungswechsel in die entwicklungspolitische Kernfrage zu lösen: Wie Deutschland brauchen, braucht auch die deutsche können die Industrieländer und die internationalen Entwicklungspolitik und Entwicklungszusammenar- Organisationen dazu beitragen, die Entwicklungs- beit eine neue Ausrichtung. Sie ist reformbedürftig. länder so zu unterstützen, daß sie ihre Entwicklungs- chancen besser nutzen und in dem Prozeß der Glo- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ balisierung nicht ausgegrenzt und ausgenutzt wer- DIE GRÜNEN) den? 22368 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Adelheid Tröscher Wer die politischen, wirtschaftlichen, sozialen und Kurz: Wir brauchen eine Bundesregierung, die ih- ökologischen Rahmenbedingungen wirklich verbes- ren internationalen Verpflichtungen gerecht wird, sern will, wer Armut und Hunger wirklich überwin- die die organisatorischen Weichen für eine Struktur- den will, wer den Umweltschutz intensivieren und reform der deutschen Entwicklungspolitik und Ent- zur Krisenvorbeugung wirklich beitragen will, der wicklungszusammenarbeit stellt, und eine Bundesre- kommt nicht um die Antwort herum, daß wir unsere gierung, die die Mittel für entwicklungspolitische Strukturen verändern müssen und eine grundsätzli- Aufgaben erhöht und die vorhandenen Mittel effizi- che Reform der Entwicklungszusammenarbeit und enter einsetzt. Wir brauchen Konsequenzen aus der Entwicklungspolitik brauchen. längst vorhandenen Einsichten. Die SPD ist dazu be- reit, und Sie wissen das. Ich nenne einige Beispiele. Erstens ist Entwick- lungspolitik stärker als bisher als Querschnittsauf- Zum Schluß meiner Rede möchte ich mich bei mei- gabe zu organisieren und gesetzlich zu regeln; denn nem Kollegen Ingomar Hauchler sehr herzlich für die nur wenn verschiedene Politikbereiche wie die Au- faire Zusammenarbeit in all den Jahren bedanken. ßen-, Wirtschafts-, Sicherheits-, Finanz-, Umwelt-, Ingomar Hauchler war viele Jahre entwicklungspoli- Handels- und Entwicklungspolitik miteinander ver- tischer Sprecher der SPD-Fraktion. Er hat der Frak- netzt werden, werden wir dem Politikziel einer inter- tion, aber auch dem AWZ viele Impulse gegeben. Ich national nachhaltigen und zukunftsfähigen Entwick- möchte mich auch ausdrücklich für seine Rede be- lung gerecht. danken, die im Gegensatz zu anderen Reden hier ei- nige Visionen aufgezeigt hat. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Roland Zweitens brauchen wir eine verstärkte aktive Dis- Kohn [F.D.P.]) kussion um politische Schwerpunkte und Zielvor- stellungen internationaler Organisationen wie der Er weiß, daß Entwicklungspolitik ein langsamer Pro- Weltbank, des Internationalen Währungsfonds und zeß ist, bei dem viele Verbündete, rechts wie links, der Organisationen der Vereinten Nationen. Es ist gebraucht werden. Ich hoffe, daß du, lieber Ingomar, bedauerlich und ein großer politischer Fehler gewe- uns weiterhin von außen als Berater zur Seite stehen sen, daß Minister Spranger nicht die deutsche Feder- wirst. führung bei den großen Weltkonferenzen der letzten Bedanken möchte ich mich bei allen Obleuten, mit Jahre beansprucht hat. Dies muß und wird sich unter denen wir eine faire Zusammenarbeit hatten. In der einer sozialdemokratisch geführten Bundesregierung Tat, Herr Pinger, sind wir in einigen Bereichen ja ändern. doch einer Meinung gewesen und konnten auch ei- (Klaus-Jürgen Hedrich [CDU/CSU]: Auch niges zusammen auf den Weg bringen. Das sage ich bei der Weltfrauenkonferenz?) aber nicht, um etwa die Kritik am Hause des BMZ zu schmälern. - Warum nicht? (Jochen Feilcke [CDU/CSU]: Herr Pinger Drittens ist eine notwendige Reform des BMZ von gehört auch nicht zum Haus!) Herrn Minister Spranger nicht auf den Weg gebracht worden. Das Ministerium muß sich zukünftig auf die - Nein, das habe ich auch nicht gesagt. Ich will nur politische Führung und Leitung konzentrieren und nicht die zuvor geäußerte Kritik relativieren. die Umsetzung kompetenten Durchführungsorgani- (Roland Kohn [F.D.P-.]: Das haben wir be sationen überlassen. Dazu gehört auch, eine plurali- -fürchtet!) stische Durchführungsstruktur zu erhalten, knappe Mittel effizient einzusetzen und eine verstärkte Ko- Herzlichen Dank. operation zwischen staatlichen und nichtstaatlichen (Beifall bei der SPD) Durchführungsorganisationen anzustreben.

Viertens müssen dem zuständigen BMZ auch Auf- Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Jetzt spricht der gabenbereiche anderer Resso rts übertragen werden, Kollege Helmut Jawurek. die zur Erfüllung seiner spezifischen Aufgaben not- wendig sind. Diese Aufgabe hat Minister Spranger in (CDU/CSU): Guten Morgen, Frau den letzten Jahren sträflich vernachlässigt. Um mehr Helmut Jawurek Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Trotz Kompetenz muß eben einfach gekämpft werden. der fortgeschrittenen Stunde möchte ich noch ein Schließlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, brau- sehr ernstes Thema ansprechen, das uns alle angeht, chen wir eine verbesserte Zusammenarbeit und Aus- nämlich die Bewältigung von Krisen und Konflikten, richtung der Wirtschaft auf eine nachhaltige Ent- deren Ursachen sehr häufig in ethnischen und reli- wicklung und neue Ansätze zur Förderung einer Zi- giösen Gegensätzen sowie innerstaatlichen Span- vilgesellschaft. nungen, aber auch in Armut zu sehen sind. Die Flüchtlingsbewegungen, die als Folge daraus entste- (Zuruf des Abg. Roland Kohn [F.D.P.]) hen, machen natürlich nicht halt vor staatlichen - Herr Kohn, seien Sie doch ruhig. Ich war bei Ihrer Grenzen. Das haben wir auch bei uns mitten in Eu- Rede auch ruhig. ropa erlebt. Der schreckliche Krieg im ehemaligen Jugoslawien hat uns dies deutlich vor Augen geführt. (Roland Kohn [F.D.P.]: Ich habe auch etwas Über 400 000 Bürgerkriegsflüchtlinge und Vertrie- Substantielles gesagt!) bene haben bei uns in Deutschland zumindest vor- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22369 Helmut Jawurek übergehend Aufnahme gefunden. Darum haben wir sein Werk zu vollenden. Im Gegenteil, ich bin sogar eine Initiative zur Verstärkung deutscher Beiträge zu fest davon überzeugt, daß erst die militärische Eben- Krisenprävention und Friedenspolitik eingebracht. bürtigkeit der vermeintlichen Opfer, der Moslems und Kroaten, sowie die militärische Entschlossenheit Eine Anhörung im Deutschen Bundestag hat im auch nach langem Zögern der Vereinten Nationen November 1997 die Möglichkeiten, die Bedeutung, und der NATO das monate- und jahrelange Taktie- aber auch die Grenzen von Konfliktprävention und ren beendet haben. zivilem Friedensdienst sehr deutlich herausgestellt. Uns allen ist bewußt, daß Entwicklungszusammenar- Ich hoffe - ich glaube, wir alle hoffen dies -, daß beit nicht in jedem Fall Konflikte verhindert. Oftmals den Kosovo - Albanern das Schicksal der Menschen hat es sogar, wenn wir ehrlich sind, vor dem Aus- in Bosnien-Herzegowina erspart bleibt. Leider aber bruch von gewalttätigen Auseinandersetzungen sehr zeichnen sich so manche Parallelen ab. Trotz aller erfolgreiche entwicklungspolitische Projekte und Skepsis sollten wir bei jeder A rt von Konflikt im Vor- Entwicklungen in den jeweiligen Ländern gegeben. feld auch alle nichtmilitärischen Optionen nutzen. Da (Beifall bei der CDU/CSU) kann auch der zivile Friedensdienst einen Beitrag lei- sten. In anderen Fällen wurde erst Nothilfe geleistet und danach die Entwicklungszusammenarbeit aufge- Daß Konfliktverhütung und Friedenserhaltung ge- nommen. rade auch für Afrika ein Schwerpunktthema bleiben müssen, brauche ich nicht besonders zu betonen; Als Ergebnis der erwähnten Anhörung kann man Frau Kollegin Augustin hat das bereits getan. zusammenfassen, daß es in beiden Fällen Lücken gibt, wo Handlungsbedarf vorhanden ist. Zweifellos Lassen Sie mich abschließend kurz einige Worte kann ein ziviler Friedensdienst diese Lücke theore- zum Multilateralen Investitionsabkommen im Rah- tisch zumindest teilweise schließen. Die Anhörung men der OSZE sagen. Wir haben heute im Ausschuß hat aber ebenfalls sehr deutlich ergeben, daß der zi- darüber debattiert - ich bin der SPD-Fraktion sehr vile Friedensdienst wie zum Beispiel in den Fällen dankbar, daß sie ihren Entschließungsantrag zurück- Ruanda oder Burundi auch berechtigte Bedenken gezogen hat -, daß wir die Erörterung und die Anhö- aufwirft. Problematisch sind auch die Fälle, wo die rungen im Herbst noch abwarten und uns dann be- Politik sozusagen versagt hat und wir einerseits die mühen, eine gemeinsame Haltung zu finden. Der Entwicklungshelfer abziehen, andererseits aber zi- vorliegende Entwurf ist, wie ich glaube, sehr gut ge- vile Friedenshelfer in den Konflikt geschickt werden glückt. Es ist ein ausdrückliches Verbot vorgesehen, sollen. Daher haben wir ein Paket von Vorschlägen bei Investitionsanwerbungen umweit - und sozial- entwickelt, damit wir unterhalb der Schwelle von politische Standards zu senken. Es sind gute Ansätze Gewaltanwendung Krisenprävention und Friedens- vorhanden. Von daher sehen wir den Beratungen mit politik verstärkt betreiben können. Dies möchte ich Zuversicht entgegen. aber auf Grund der kurzen Redezeit nicht im einzel- nen vortragen. Vielen Dank. Wir begrüßen den Beitrag, den Nichtregierungsor- (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P. und ganisationen auf nationaler und internationaler der SPD) Ebene zur Prävention von Krisen und zur Sicherung des Friedens leisten und leisten können. Aktive Ent- Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als letzter in der wicklungs- und Friedenspolitik bedeutet aber auch Debatte redet der Kollege Dr. Werner Schuster. innerhalb der Bundesministerien, Herr Minister, eine verstärkte Politikkoordinierung und ein dringend nö- tiges Weiterentwickeln der Kompetenzen des BMZ Dr. R. Werner Schuster (SPD): Sehr geehrte Frau als Querschnittsministerium. Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) mich endet die 13. Wahlperiode im Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der erfreulichen Die heutige Debatte hat gezeigt, daß in diesem Haus Erfahrung, daß es in der Entwicklungszusammenar- zumindest bei denen, die um diese mitternächtliche beit selbst bei einem so komplexen und schwierigen Stunde noch anwesend sind, der Wille vorhanden ist, Thema wie der nachhaltigen Wirksamkeit partei- Sie in diesem Bestreben zu unterstützen, obwohl wir übergreifend zu einem Konsens kommen kann. Das alle - das müssen wir uns ehrlich eingestehen - in allerdings ist leider die Ausnahme. unseren eigenen Fraktionen noch viel Überzeu- gungsarbeit leisten müssen. Die SPD hat in dieser Wahlperiode einige grund- sätzliche Vorschläge für einen höheren Stellenwert Liebe Kolleginnen und Kollegen, Friedensdienst bei der Entwicklungszusammenarbeit und eine ef- ist sicher kein Patentrezept zur Konfliktvermeidung. fektivere Vorgehensweise eingebracht. Ich erinnere Ich gestehe ehrlich ein, daß ich selber nicht geringe Sie an das entwicklungspolitische Gesetz, an die stär- Zweifel hege, ob ein solches Instrument in der Praxis kere Unterstützung der Arbeit der Nichtregierungs- wirklich in allen Fällen eine breite Wirkung entfalten organisationen - auch zu verstehen als innenpoliti- kann. So kann ich mir kaum vorstellen, daß sich der sche Lobbyarbeit -, an die Vorschläge zur Versteti-

Hauptverantwortliche in dem schrecklichen Krieg im gung und Flexibilisierung des knappen BMZ - Bud- ehemaligen Jugoslawien, Milosevic, durch irgend- gets oder aber an die bereits erwähnten Reformvor- eine nichtmilitärische Option hätte abhalten lassen, schläge zur Struktur der EZ und ähnliches. 22370 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Dr. R. Werner Schuster Diese Vorschläge haben leider nicht die Zustim- nen zur Verfügung gestellt werden müßten. Damit mung der Regierungskoalitionen erfahren, teilweise wollen wir deutlich machen, daß Entwicklung einen mit einer Begründung, die mich an eine Volksweis- Prozeß darstellt, welcher den Pa rtnern auf beiden heit erinnert: Mögen täte ich schon, aber dürfen darf Seiten, den Geber- wie den Nehmerländern, die ich nicht. manchmal schmerzhafte Bereitschaft zum interakti- ven Lernen abverlangt. (Beifall bei der SPD) Schließlich gibt es dabei die Erkenntnis, daß nach- Selbst die für die Region Bonn wichtige Forde- haltige Wirksamkeit in der Entwicklungszusammen- rung, Bonn als Zentrum für inte rnationale Zusam- arbeit nur möglich ist, wenn wir uns im Norden unse- menarbeit auszubauen, wird heute nur deshalb ein- rer Vorbildfunktion bewußt werden stimmig beschlossen, weil wir als SPD Ihnen nachge- geben haben. (Beifall bei der SPD und der PDS) Leider hat auch diese Legislaturpe riode erneut be- und damit die Verpflichtungen von Rio in Form der stätigt, daß durch politische Rituale die Unterschiede Lokalen Agenda 21 auch bei uns konsequent und im Milligrammbereich die grundsätzlichen Überein- unverzüglich umsetzen. stimmungen im Tonnenbereich verdecken. Dies ist - da stimme ich Herrn Pinger zu - angesichts der uns Meine Damen und Herren, wenn wir diese Er- allen bewußten Not von 80 Prozent der Weltbevölke- kenntnisse in den nächsten Jahren gemeinsam um- rung beschämend für unsere Politikkultur. Ich wün- setzen, könnten wir Entwicklungspolitiker auch ein sche mir für die nächste Wahlperiode einen Entwick- Modell für andere Politikbereiche schaffen. Warum lungsminister oder eine Entwicklungsministerin, der eigentlich sollten Konzepte der nachhaltigen Wirk- oder die es sich leisten kann, sich der parteiübergrei- samkeit und einer systematischen Erfolgskontrolle fenden konstruktiven Kritik des AWZ bzw. des Parla- nicht auch für Sozialpolitik, Gesundheitspolitik oder ments souverän zu stellen, und eine Regierungskoali- gar auch Verteidigungspolitik gelten? Erfolgskon- tion, welche die von der Verfassung vorgesehene Ar- trolle darf in Bonn kein unbekanntes Wesen mehr beitsteilung von Exekutive und Legislative auch bleiben. wirklich ernst nimmt. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD und der PDS) Aus der Entwicklungszusammenarbeit lernen - in Vor diesem Hintergrund bin ich Ihnen, meine Da- diesem doppelten Sinne, meine Damen und Herren -, men und Herren von den Regierungsfraktionen, ins- das scheint mir für die nächste Legislaturpe riode für besondere Herrn Pinger, außerordentlich dankbar, uns eine überaus lohnenswerte Aufgabe zu werden. daß Sie beim Thema Nachhaltigkeit und Evaluation die Empfindlichkeiten des BMZ - diese waren ja Ich bedanke mich. nicht zu überhören - hintanstellen. (Beifall bei der SPD und der PDS) Zweifellos hat unser ursprünglicher Antrag zur sy- stematischen Erfolgskontrolle durch den gemein- Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Ich schließe die sam mit vielen Betroffenen geführten Diskussions- Aussprache. prozeß, nicht zuletzt durch den Workshop im Herbst letzten Jahres, eine deutliche Akzentverschiebung Ich denke, wir haben heute abend gelernt, daß erhalten. Das ist gut so. Wir haben uns gemeinsam dies ein guter Ausschuß mit einem guten Vorsitzen- auf einige Grundsätze für die zukünftige Entwick- den ist. Vielen Dank für die Arbeit. lungszusammenarbeit verständigt, deren Langzeit- (Abgeordnete betreten den Plenarsaal) wirkung für die praktische Arbeit des BMZ und sei- ner Durchführungsorganisationen nicht hoch genug - Je früher die Stunde, desto besser die Beteiligung. eingeschätzt werden kann. (Heiterkeit im ganzen Hause - Jochen Da ist die Erkenntnis, daß die geförderten Ziel- Feilcke [CDU/CSU]: Können Sie die Gäste gruppen in den Entwicklungsländern die eigentli- nicht namentlich begrüßen?) chen Träger und Garanten von nachhaltiger Ent- wicklung sind und daß sie deshalb bereits bei der - Ich habe gerade gedacht, wir verlegen am besten Planung, der Durchführung und der Evaluation von immer den Beginn der Sitzung von 9 Uhr auf 2 Uhr. EZ-Maßnahmen mit eingebunden werden müssen. Wir kommen zu den Abstimmungen, und zwar zu- Da ist darüber hinaus die Erkenntnis, daß auch die nächst zu Tagesordnungspunkt 12 a: Beschlußemp- Kriterienkataloge zur Überprüfung von nachhaltiger Wirksamkeit trägerübergreifend, das heißt von GTZ/ fehlung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusam- KfW über Kirchen, politische Stiftungen, bis hin zu menarbeit und Entwicklung zu den Anträgen der den Nichtregierungsorganisationen, genauso not- Fraktion der CDU/CSU und der F.D.P. sowie der wendig sind wie standardisierte Methoden zur inter- Fraktion der SPD zur Armutsbekämpfung auf Druck- nen und externen Evaluation. sache 13/10921. Der Ausschuß empfiehlt, die An- träge auf Drucksache 13/9601 und 13/10027 zusam- Da ist aber auch die Erkenntnis, daß die Ergeb- mengefaßt in der Ausschußfassung anzunehmen. nisse von externen Evaluationen zentral in einer vom Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegen- BMZ unabhängigen Institution als institutionellem stimmen? - Enthaltungen? - Ich stelle fest: Die Be- Gedächtnis für alle in der EZ engagierten Institutio- schlußempfehlung ist einstimmig angenommen. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22371

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth Wir kommen zur Abstimmung über den Tages- Beschlußempfehlung des Ausschusses für wirt- ordnungspunkt 12b: Beschlußempfehlung des Aus- schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu schusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und dem Antrag der Fraktion der SPD zur Weiterentwick- Entwicklung zu dem Antrag der Fraktionen der lung des Zentrums für Internationale Zusammenar- CDU/CSU und der F.D.P. zur Verstärkung deutscher beit, Drucksache 13/10898 Buchstabe b. Der Aus- Beiträge zur Krisenprävention und Friedenspolitik schuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/9769 auf Drucksache 13/10799 Buchstabe a. Der Ausschuß abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfeh- empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/6389 anzu- lung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Be- nehmen. Wer stimmt für die Beschlußempfehlung? - schlußempfehlung ist mit den Stimmen der CDU/ Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußemp- CSU und der F.D.P. gegen die Stimmen von SPD und fehlung ist mit den Stimmen der CDU/CSU und der Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der PDS an- F.D.P. gegen die Stimmen der PDS bei Enthaltung genommen. von SPD und Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Tagesordnungspunkt 12 f: Beschlußempfehlung Beschlußempfehlung des Ausschusses für wirt- des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu und Entwicklung zu dem Antrag der Fraktion der dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu SPD zur Förderung der Nichtregierungsorganisatio- Maßnahmen der Entwicklungszusammenarbeit als nen in der Entwicklungszusammenarbeit, Drucksa- Beitrag zu einer Politik der Krisenprävention und zi- che 13/10885. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag vilen Konfliktbearbeitung auf Drucksache 13/10799 auf Drucksache 13/9603 abzulehnen. Wer stimmt für Buchstabe b. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag diese Beschlußempfehlung? - Gegenstimmen? - Ent- auf Drucksache 13/6713 abzulehnen. Wer stimmt für haltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den diese Beschlußempfehlung? - Gegenstimmen? - Ent- Stimmen der CDU/CSU und der F.D.P. gegen die haltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und PDS Stimmen der CDU/CSU und der F.D.P. gegen die angenommen. Stimmen der SPD, des Bündnisses 90/Die Grünen Tagesordnungspunkt 12 g: Beschlußempfehlung und der Gruppe der PDS angenommen. des Ausschusses für wi rtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Fraktion der Tagesordnungspunkt 12 c: Beschlußempfehlung SPD zur Finanzierung deutscher Entwicklungszu- des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der sammenarbeit, Drucksache 13/10886. Der Ausschuß Fraktion der SPD „Priorität für eine Politik der zivilen empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/9412 abzu- Krisenprävention und Konfliktregelung", Drucksa- lehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - che 13/10457. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschluß- auf Drucksache 13/6999 abzulehnen. Wer stimmt für empfehlung ist mit den Stimmen der CDU/CSU und diese Beschlußempfehlung? - Gegenstimmen? - Ent- der F.D.P. gegen die Stimmen der SPD bei Enthal- haltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den tung von Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenom- Stimmen der CDU/CSU und der F.D.P. gegen die men. Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen. Tagesordnungspunkt 12 h: Beschlußempfehlung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit Tagesordnungspunkt 12 d: Beschlußempfehlung und Entwicklung zu dem Antrag der Fraktion der des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der SPD zu einem zivilen Friedensdienst, Drucksache 13/ Gruppe der PDS zur zivilen und nichtmilitärischen 10887. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Konfliktbearbeitung und Friedenssicherung, Druck- Drucksache 13/6204 abzulehnen. Wer stimmt für sache 13/11019. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthal- auf Drucksache 13/9643 abzulehnen. Wer stimmt für tungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stim- diese Beschlußempfehlung? - Gegenstimmen? - Ent- men der CDU/CSU und der F.D.P. gegen die Stim- haltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den men von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und PDS an- Stimmen von CDU/CSU, SPD, Bündnis 90/Die Grü- genommen. nen und F.D.P. gegen die Stimmen der PDS ange- Tagesordnungspunkt 12 i: Beschlußempfehlung nommen. des Ausschusses für wi rtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Fraktion der Tagesordnungspunkt 12 e: Beschlußempfehlung SPD zu Reformvorschlägen zur Struktur der Entwick- des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit lungszusammenarbeit, Drucksache 13/10922. Der und Entwicklung zu dem Antrag der Fraktionen der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/ CDU/CSU und der F.D.P. zur Weiterentwicklung des 10230 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschluß- Zentrums für internationale Zusammenarbeit in empfehlung? - Gegenstimmen! - Enthaltungen? - Bonn, Drucksache 13/10898 Buchstabe a. Der Aus- Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der schuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/ CDU/CSU und F.D.P. gegen die Stimmen der SPD 10018 anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschluß- bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen und PDS empfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die angenommen. Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der CDU/ CSU, der SPD und der F.D.P. gegen die Stimmen ei- Tagesordnungspunkt 12j: Beschlußempfehlung nes Teils der PDS bei zwei Enthaltungen von des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit Bündnis 90/Die Grünen und einer Enthaltung von und Entwicklung zu dem Antrag der Fraktion der der PDS angenommen. SPD zur entwicklungspolitischen Bildung im Zeital- 22372 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth ter der Globalisierung auf Drucksache 13/10897. Der nehmen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/ - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußemp- 9607 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschluß- fehlung ist einstimmig angenommen. empfehlung? - Gegenstimmen! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Tagesordnungspunkt 12 o: Beschlußempfehlung CDU/CSU und F.D.P. gegen die Stimmen von SPD, des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen. und Entwicklung zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Unterstützung des politi- Tagesordnungspunkt 12 k: Beschlußempfehlung schen Neuanfangs und des Wiederaufbaus in der De- des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit mokratischen Republik Kongo auf Drucksache 13/ und Entwicklung zu dem Antrag der Fraktion der 10584. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf SPD zu einer systematischen Erfolgskontrolle von Drucksache 13/7708 abzulehnen. Wer stimmt für Projekten und Programmen der bilateralen Entwick- diese Beschlußempfehlung? - Gegenstimmen! - Ent- lungszusammenarbeit auf Drucksache 13/10857. Der haltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/ Stimmen der CDU/CSU und F.D.P. gegen die Stim- 4120 in der Ausschußfassung anzunehmen. Wer men von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und PDS an- stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenstim- genommen. men! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD, Bündnis 90/ Tagesordnungspunkt 12p: Beschlußempfehlung Die Grünen und F.D.P. bei Enthaltung der PDS ange- des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit nommen. und Entwicklung zu dem Antrag der Gruppe der PDS zur Aufnahme der Entwicklungszusammenar- Tagesordnungspunkt 121: Beschlußempfehlung beit mit Kuba, Drucksache 13/10927. Der Ausschuß des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag der empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/10067 ab- Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu einem sozial, zulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfeh- ökonomisch und ökologisch nachhaltigen multilate- lung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist die ralen Investitionsabkommen auf Drucksache 13/ Beschlußempfehlung mit den Stimmen von CDU/ 11015 Buchstabe a. Der Ausschuß empfiehlt, den An- CSU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen und F.D.P. gegen trag auf Drucksache 13/10410 abzulehnen. Wer die Stimmen der PDS angenommen. stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenstim- Tagesordnungspunkt 12 q: Beschlußempfehlung men! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit mit den Stimmen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. ge- und Entwicklung zu dem Antrag der Fraktion der gen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen bei SPD zur Stärkung demokratischer Institutionen und Enthaltung der PDS angenommen. der Rolle von Nichtregierungsorganisationen in den palästinensischen Autonomiegebieten, Drucksache Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wi rt 13/10858. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf -schaft zu dem Antrag der Gruppe der PDS zur Veröf- Drucksache 13/9249 abzulehnen. Wer stimmt für fentlichung des Vertragsentwurfs zu dem Multilate- diese Beschlußempfehlung? - Gegenstimmen? - Ent- ralen Investitionsabkommen auf Drucksache 13/ haltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den 11015 Buchstabe b. Der Ausschuß empfiehlt, den An- Stimmen von CDU/CSU und F.D.P. gegen die Stim- trag auf Drucksache 13/10083 abzulehnen. Wer men von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und PDS an- stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenstim- genommen. men! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD, Bündnis 90/ Tagesordnungspunkt 12 r: Beschlußempfehlung Die Grünen und F.D.P. gegen die Stimmen der PDS des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit angenommen. und Entwicklung zu dem Antrag der Fraktion der SPD zu einer aktiven Bevölkerungspolitik als Tagesordnungspunkt 12m: Beschlußempfehlung Schwerpunkt in der Entwicklungszusammenarbeit, des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Drucksache 13/10771. Der Ausschuß empfiehlt, den Fraktion der SPD zu Europas gemeinsamer Verant- Antrag auf Drucksache 13/9608 abzulehnen. Wer wortung für Afrika auf Drucksache 13/10693. Der stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegen- Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/ stimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfeh- 10035 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschluß- lung ist mit den Stimmen von CDU/CSU und empfehlung? - Gegenstimmen! - Enthaltungen? - F.D.P. gegen die Stimmen von SPD und PDS bei Ent- Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der haltung des Bündnisses 90/Die Grünen angenom- CDU/CSU und F.D.P. gegen die Stimmen der SPD men. bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen. Tagesordnungspunkt 12s: Beschlußempfehlung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammen- Tagesordnungspunkt 12 n: Beschlußempfehlung arbeit und Entwicklung zu dem Bericht über des Auswärtigen Ausschusses zu dem gemeinsamen die Auswirkungen moderner Biotechnologien auf Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, Bündnis 90/ Entwicklungsländer, Drucksachen 13/4933 und 13/ Die Grünen und F.D.P. zur Unterstützung der neuen 10552 Buchstabe a. Wer stimmt für diese Be- Friedensinitiative zur Beilegung des Westsaharakon- schlußempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltun- flikts auf Drucksache 13/10692. Der Ausschuß emp- gen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen fiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/10025 anzu- von CDU/CSU, SPD und F.D.P. gegen die Stim- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22373

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth men von Bündnis 90/Die Grünen und PDS ange- Ich rufe die Tagesordnungspunkte 13 a und 13 b nommen. auf:

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie- a) Erste Beratung des von den Abgeordneten ßungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Cem Özdemir, Gerald Häfner, Manfred Such, auf Drucksache 13/10993. Wer stimmt für diesen Ent- weiteren Abgeordneten und der Fraktion schließungsantrag? - Gegenstimmen? - Enthaltun- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten gen? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des von CDU/CSU und F.D.P. bei Enthaltung der SPD Grundgesetzes (Einführung des kommunalen und Zustimmung des Bündnisses 90/Die Grünen und Wahlrechts für Ausländerinnen und Auslän- der PDS abgelehnt. der) - Drucksache 13/9301 — Noch Tagesordnungspunkt 12s: Beschlußempfeh- Überweisungsvorschlag: lung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammen- arbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Gruppe Innenausschuß (federführend) Rechtsausschuß der PDS zu dem Endbericht über die Auswirkungen Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend moderner Biotechnologien auf Entwicklungsländer, Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 13/10552 Buchstabe b. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/7902 abzu- b) Erste Beratung des vom Bundesrat einge- lehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ände- Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist diese rung des Grundgesetzes (betr.: Einführung Beschlußempfehlung mit den Stimmen von CDU/ des kommunalen Wahlrechts für Ausländerin- CSU, SPD und F.D.P. bei Enthaltung des nen und Ausländer) Bündnisses 90/Die Grünen gegen die Stimmen der - Drucksache 13/9338 — PDS angenommen. Überweis ungsvorschlag: Tagesordnungspunkt 12 t: Beschlußempfehlung Innenausschuß (federführend) Rechtsausschuß des Ausschusses für wi rtschaftliche Zusammenarbeit Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und Entwicklung zu dem Antrag der Fraktion Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union Bündnis 90/Die Grünen zur Ablehnung einer Welt- bankbeteiligung am Tschad/Kamerun-Öl- und -Pipe- Die Fraktionen sind zwischenzeitlich übereinge- lineprojekt, Drucksache 13/11017 Buchstabe a. Der kommen, die Redebeiträge zu diesem Tagesord- Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/ nungspunkt zu Protokoll zu geben. Das gilt für die 8321 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschluß- Kollegen Erwin Marschewski, Dr. Ekkehard Wien- empfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - holtz, Cem Özdemir, Dr. Max Stadler, Ulla Jelpke.*) Damit ist diese Beschlußempfehlung mit den Stim- Interfraktionell wird Überweisung der Gesetzent- men von CDU/CSU und F.D.P. bei Enthaltung der würfe auf den Drucksachen 13/9301 und 13/9338 an SPD gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse und PDS angenommen. vorgeschlagen. Gibt es dazu anderweitige Vor- schläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Über- Der Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit weisung so beschlossen. und Entwicklung empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlußempfehlung auf Drucksache 13/11017 die Annahme einer Entschließung. Wer stimmt für diese Ich rufe die Tagesordnungspunkte 14 a und 14 b Beschlußempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthal- auf: tungen? - Die Beschlußempfehlung ist einstimmig a) Beratung der Beschlußempfehlung und des angenommen. Berichts des Ausschusses für Wi rtschaft (9. Ausschuß) Zusatzpunkt 13: Abstimmung über den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Reform der Ent- - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. F ried- wicklungszusammenarbeit, Drucksache 13/10965. bert Pflüger, Kurt-Dieter Grill, Gunnar Wer stimmt für diesen Antrag? - Gegenstimmen? - Uldall und der Fraktion der CDU/CSU Enthaltungen? - Der Antrag ist mit den Stimmen der sowie der Abgeordneten Detlef Kleine rt CDU/CSU, F.D.P. bei Enthaltung der SPD gegen die (Hannover), Walter Hirche, Günther Brede- Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS abge- horn, weiterer Abgeordneter und der Frak- lehnt. tion der F.D.P. EXPO 2000 Zusatzpunkt 14: Interfraktionell wird Überweisung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur - zu dem Antrag der Abgeordneten Edelgard friedliche Beilegung des Konflikts zwischen E ritrea Bulmahn, Gerd Andres, Arne Börnsen (Rit- und Äthiopien auf Drucksache 13/10964 an die in der terhude), weiterer Abgeordneter und der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschla- Fraktion der SPD gen. Die Federführung soll allerdings beim Auswärti- EXPO 2000 gen Auschuß liegen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung beschlos- sen. *) Anlage 9 22374 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth - zu dem Antrag der Abgeordneten Steffi Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wi rt Lemke, Dr. Helmut Lippelt, Gila Altmann -schaft zu dem Antrag der Fraktion der SPD zur (Aurich), weiterer Abgeordneter und der Expo 2000, Drucksache 13/7964 Nr. II. Der Ausschuß Fraktion der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/4887 eben- EXPO 2000 falls für erledigt zu erklären. Wer stimmt für diese Be- schlußempfehlung? - Gegenstimmen! - Enthaltun- - zu dem Antrag der Abgeordneten Rolf gen? - Die Beschlußempfehlung ist einstimmig ange- Köhne, Dr. Gregor Gysi und der Gruppe der nommen. PDS Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wi rt Auflösung der Verträge zur Weltausstel- -schaft zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die lung EXPO 2000 Grünen zur Expo 2000, Drucksache 13/7964 Nr. III. - Drucksachen 13/4367, 13/4887, 13/5058, 13/ Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 4668, 13/7964 - 13/5058 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschluß- empfehlung? - Gegenstimmen! - Enthaltungen? - Berichterstattung: Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. gegen die Stimmen von Abgeordneter Ernst Schwanhold Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen. b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wi rt Berichts des Ausschusses für Bildung, Wissen- -schaft zu dem Antrag der Gruppe der PDS zur Auflö- schaft, Forschung, Technologie und Technik- sung der Verträge zur Weltausstellung Expo 2000, folgenabschätzung (19. Ausschuß) zu dem Be- Drucksache 13/7964 Nummer III. Der Ausschuß emp- richt des Ausschusses für Bildung, Wissen- fiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/4668 abzuleh- schaft, Forschung, Technologie und Technik- nen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - folgenabschätzung (19. Ausschuß) gemäß Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschluß- § 56a der Geschäftsordnung empfehlung ist mit den Stimmen der Fraktionen der Technikfolgenabschätzung CDU/CSU, SPD und F.D.P. gegen die Stimmen der Gruppe der PDS bei Enthaltung der Fraktion hier: Machbarkeitsstudie zu einem „Forum Bündnis 90/Die Grünen angenommen. für Wissenschaft und Technik" - Drucksachen 13/6451, 13/8755 - Beschlußempfehlung des Ausschusses für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technik- Berichterstattung: folgenabschätzung zu der Machbarkeitsstudie zu ei- Abgeordnete E rich Maaß (Wilhelmshaven) nem „Forum für Wissenschaft und Technik", Druck- Edelgard Bulmahn sachen 13/6451 und 13/8755. Wer stimmt für diese Dr. Manuel Kiper Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltun- Dr. Karlheinz Guttmacher gen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen Wolfgang Bierstedt der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen und F.D.P. gegen die Stimmen der Gruppe Auch hier wurden die Beiträge - der Kollegen der PDS angenommen. Dr. Friedbert Pflüger, Edelgard Bulmahn, Dr. Helmut Lippelt, Walter Hirche, Rolf Köhne und des Parla- Ich rufe die Tagesordnungspunkte 15a bis 15c auf: mentarischen Staatssekretärs Dr. Hein rich Kolb - zu Protokoll gegeben.*) a) - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs Wir kommen zur Beschlußempfehlung des Aus- eines Dritten Gesetzes zur Änderung der schusses für Wirtschaft zu den Anträgen zur Bundesnotarordnung und anderer Gesetze Expo 2000. Der Ausschuß für Wi rtschaft empfiehlt - Drucksache 13/4184 - unter Nr. I seiner Beschlußempfehlung auf Drucksa- che 13/7964 die Annahme einer Entschließung. Wer (Erste Beratung 148. Sitzung) stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenstim- - Zweite und dritte Beratung des vom Bun- men! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist desrat eingebrachten Entwurfs eines Geset- mit den Stimmen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. ge- zes zur Änderung der Verordnung über die gen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und Tätigkeit von Notaren in eigener Praxis PDS angenommen. - Drucksache 13/2023 - Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wi rt (Erste Beratung 58. Sitzung) -schaft zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU Beschlußempfehlung und Bericht des Rechts- und der F.D.P. zur Expo 2000, Drucksache 13/7964 ausschusses (6. Ausschuß) Nr. II. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/4367 für erledigt zu erklären. Wer - Drucksache 13/11034 - stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenstim- Berichterstattung: men! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen. Abgeordnete Alfred Hartenbach Detlef Kleinert (Hannover) Dr. Bertold Reinartz *) Anlage 10 Margot von Renesse Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22375

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth b) - Zweite und dritte Beratung des von der CSU, SPD und F.D.P. bei Enthaltung der Fraktion Bundesregierung eingebrachten Entwurfs Bündnis 90/Die Grünen und der Gruppe der PDS an- eines Gesetzes zur Änderung der Bundes- genommen. rechtsanwaltsordnung, der Patentanwalts- ordnung und anderer Gesetze Dritte Beratung - Drucksachen 13/9820, 13/10123 - und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erhe- (Erste Beratung 222. Sitzung) ben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in dritter Beratung mit demselben - Zweite und dritte Beratung des vom Bun- Stimmenverhältnis wie eben angenommen. desrat eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Änderung der Bundesrechtsan- waltsordnung Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses zu dem Gesetzentwurf des Bundesrates zur Änderung - Drucksache 13/9610 - der Verordnung über die Tätigkeit von Notaren in ei- (Erste Beratung 216. Sitzung) gener Praxis, Drucksache 13/11034 Buchstabe b. Der Ausschuß empfiehlt, den Gesetzentwurf auf Druck- Beschlußempfehlung und Bericht des sache 13/2023 für erledigt zu erklären. Wer stimmt Rechtsausschusses (6. Ausschuß) für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Ent- haltungen? - Die Beschlußempfehlung ist einstimmig - Drucksache 13/11035 - angenommen. Berichterstattung: Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Abgeordnete Horst Eylmann Änderung der Bundesrechtsanwaltsordnung, der Pa- Joachim Gres tentanwaltsordnung und anderer Gesetze, Drucksa- Alfred Hartenbach chen 13/9820, 13/10123 und 13/11035 Buchstabe a. Margot von Renesse Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der rt (Hannover) Detlef Kleine Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Hand- c) Zweite und dritte Beratung des von der zeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stim- eines Ersten Gesetzes zur Änderung des men der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, Bündnis 90/ Umwandlungsgesetzes Die Grünen und F.D.P. bei Enthaltung der Gruppe der PDS angenommen. - Drucksache 13/8808 - Dritte Beratung (Erste Beratung 203. Sitzung) und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die Beschlußempfehlung und Bericht des dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erhe- Rechtsausschusses (6. Ausschuß) ben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit demselben Stimmenverhältnis - Drucksache 13/10955 - wie eben angenommen. Berichterstattung: Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses zum Abgeordnete Joachim Gres Gesetzentwurf des Bundesrates zur Änderung der Peter Enders Bundesrechtsanwaltsordnung, Drucksache 13/11035 Detlef Kleinert (Hannover) Buchstabe b. Der Ausschuß empfiehlt, den Gesetz- entwurf auf Drucksache 13/9610 für erledigt zu er- Auch hier sind die Beiträge zu Protokoll gegeben klären. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - worden. Es handelt sich um die Beiträge der Kolle- Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußemp- gen Horst Eylmann, Dr. Bertold Reinartz, Alfred Har- fehlung ist einstimmig angenommen. tenbach, Volker Beck, Detlef Kleinert,*') Uwe-Jens Tagesordnungspunkt 15 c: Abstimmung über den Heuer und Bundesminister Dr. Edzard Schmidt-Jort- von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf ei- zig.**) nes Gesetzes zur Änderung des Umwandlungsge- Wir kommen zur Abstimmung über den von der setzes, Drucksachen 13/8808 und 13/10955. Ich bitte Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Aus- Änderung der Bundesnotarordnung und anderer schußfassung zustimmen wollen, um das Handzei- Gesetze, Drucksachen 13/4184 und 13/11034 chen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist Buchstabe a. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetz- der Gesetzentwurf in zweiter Beratung mit den entwurf in der Ausschußfassung zustimmen wollen, Stimmen von CDU/CSU, SPD, F.D.P. und PDS bei um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthal- Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen angenom- tungen? - Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Be- men. ratung mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/ Dritte Beratung

*) Redebeitrag lag zu Redaktionsschluß noch nicht vor. und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen die dem **) Anlage 11 Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - 22376 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzent- sionierung und sinnlosen Zentralisationen, also zu wurf ist mit demselben Stimmenverhältnis angenom- Mercedes- statt zu Vernunftslösungen. Untersu- men. chungs- und Sonderausschüsse genauso wie Scharen von Rechtsanwälten in den neuen Ländern müssen Ich rufe den Tagesordnungspunkt 16 auf. sich nun mit diesem Dilemma befassen. Beratung der Beschlußempfehlung und des (Unruhe) Berichts des Ausschusses für Umwelt, Natur- schutz und Reaktorsicherheit (16. Ausschuß) Vielleicht ist es möglich, daß Sie noch den letzten Moment aushalten. - zu dem Antrag der Fraktionen CDU/CSU und F.D.P. Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Dann kommen wir Gewässer schützen - Kosten senken ohnehin zur Ruhe: Gestatten Sie eine Zwischenfrage - zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der Kollegin Homburger? der SPD zur Großen Anfrage der Abgeord- neten Susanne Kastner, Michael Müller Dr. Barbara Höll (PDS): Ja, gerne. (Düsseldorf), Hermann Bachmaier, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Birgit Homburger (F.D.P.): Frau Kollegin, Sind Sie nicht auch der Meinung, daß ein Vortrag nachts um Umwelt- und sozialverträgliche Abwasser- - 2.35 Uhr im Plenum dieses Hauses nicht kontinuier- behandlung und -vermeidung liche und fundierte Arbeit in der Sache ersetzen - zu dem Antrag der Abgeordneten Eva-Ma- kann? ria Bulling-Schröter, Dr. Uwe-Jens Rössel, Dr. Dagmar Enkelmann, weiterer Abgeord- (Dr. Karl-Heinz Hornhues [CDU/CSU]: Das neter und der Gruppe der PDS war eine sehr gute Zwischenfrage!) Ökologische und bezahlbare Wasserver sorgung und Abwasserbeseitigung Dr. Barbara Höll (PDS): Frau Kollegin, ich bin der Meinung, daß der Zeitpunkt der Debatte erst einmal - Drucksachen 13/3490, 13/1057, 13/3095, 13/ nichts damit zu tun hat, was Sie mir mit der Frage 3512, 13/3494, 13/11023 - versuchen zu unterstellen; denn wir haben genau in Berichterstattung: diesem Gebiet eine sehr kontinuierliche Arbeit gelei- stet. Abgeordnete Ku rt-Dieter Grill Susanne Kastner (Dr. Karl-Heinz Hornhues [CDU/CSU]: Den Dr. Jürgen Rochlitz ken Sie an die Mitarbeiter, die ins Bett wol Birgit Homburger len!) Auch hier sind Debattenbeiträge zu Protokoll ge- Die PDS stellt sich oftmals leider als einzige Partei geben worden: von Kurt-Dieter Grill, Susanne Kast- diesem Problem. Sie wissen daß es in den Landta- ner, Dr. Jürgen Rochlitz, Birgit Homburger und Ul rich gen inzwischen Untersuchungsausschüsse gibt, zum Klinkert.') Die PDS - so steht es hier - wird die Rede Beispiel in Sachsen. Deshalb spreche ich jetzt auch nachreichen. hier. (Dr. Barbara Höll [PDS]: Ich möchte reden!) (Beifall bei Abgeordneten der PDS) - Entschuldigen Sie, die Rede von der PDS wird nicht Wir haben im Bundestag versucht, diese Problema- nachgereicht, die PDS möchte reden. Bitte schön. tik, die natürlich auf Länderebene behandelt wird, zu thematisieren. Wir dürfen uns auf Bundesebene nicht Dr. Barbara Höll (PDS): Frau Präsidentin! Verehrte aus der Verantwortung stehlen. Genau deshalb steht Kolleginnen und Kollegen! Sie wissen, daß es üblich dieser Punkt jetzt auch auf der Tagesordnung. ist, daß die PDS zu dem einzigen Tagesordnungs- (Beifall bei der PDS) punkt, den sie in einer Sitzungswoche bestimmen kann, auch spricht, selbst wenn es 2.30 Uhr ist. Wir Der starke Anstieg der Abwassergebühren und tun das. teilweise tatsächlich absurde Anschlußbeiträge füh- ren bei zehntausenden Familien im ländlichen Raum (Beifall bei Abgeordneten der PDS) zu einem tiefen Griff in die Haushaltskasse oder so- Das Thema, welches ansteht und nun zu einer sehr gar zu kalter Enteignung. Das Bonner Raumschiff hat ungünstigen Zeit beraten wird, ist aber trotzdem ein dieses Problem schnell und mit gebotener Schärfe er- sehr dringendes und verdient eigentlich mehr Auf- faßt. Immerhin können wir nun heute abschließend merksamkeit. Die Explosion der Abwassergebühren beraten. und -beiträge im ländlichen Raum in den neuen Bun- Dieser Antrag schmorte in den Ausschüssen. Wir desländern bringt seit Jahren Tausende von empör- müssen feststellen, daß es selbst in dieser Woche ten Bürgerinnen und Bürgern auf die Straße. Fehl- kurz vor dem Ende der Legislaturpe riode so aussah, planungen und Korruption führten auf Kosten der als ob die abschließende Beratung und Abstimmung Verbraucherinnen und Verbraucher zu Überdimen- im Umweltausschuß gekippt werden sollte. Es gab nämlich im zuständigen Ausschuß keine Aussprache *)Anlage 12 zu diesem wichtigen Thema. Genau das, daß Sie sich Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22377

Dr. Barbara Höll auch noch der Diskussion im Ausschuß verweigert ren, plötzlich 107 Zweckverbände. In Brandenburg haben, wird die Bürgerinitiativen interessieren. sind es 120. Dabei ist nicht die Zahl an sich das Pro- Vielleicht hat das irgendwie damit zu tun, daß ge- blem, sondern die Tatsache, daß von vornherein fest- wisse Leute in bestimmten Bereichen zusätzlich pri- steht, daß mindestens ein Drittel davon wi rtschaftlich vat engagiert sind. Ich möchte anmerken, daß Unter- nicht überlebensfähig ist. suchungen darauf hinweisen, daß Untersuchungs- ausschüsse arbeiten und daß das Problem der Ab- Das BMU ist äußerst aktiv gewesen und auch noch wasserentsorgung im Zweckverband Arzberg- aktiv, wenn es darum geht, die Privatisierung der Beilrode im sächsischen Landtag eine immense Rolle Abwasserentsorgung zu puschen. Demonstrations- spielt. vorhaben wurden unterstützt und Gutachter gut be- zahlt, um die phantastischen Konstruktions-, Betrei- Das Engagement für die Abwasserproblematik im ber-, Kooperations- und Fondsmodelle voranzubrin- Osten ist sehr ungleich verteilt. Während in den Län- gen. Das ist ein Unterfangen, an dem Herr Hirche dern - meistens zwangsläufig auf massiven Druck seinerzeit in Niedersachsen flächendeckend geschei- von Bürgerinitiativen - die Parlamente aktiv wurden, tert ist. In Ostdeutschland sollte es nun flächendek- zog sich die Bundesregierung weitgehend aus ihrer kend durchgesetzt werden. Verantwortung zurück und hat sich auf ihre Rahmen- kompetenz beschränkt. Ich frage - genau das betrifft die Bundesverantwor- (Birgit Homburger [F.D.P.]: Unsinn! Was hat tung -: Welche Demonstrationsvorhaben zu dezen- das Wasserhaushaltsgesetz damit zu tun? - tralen, naturnahen Abwasserentsorgung hat die Bun- Wenn man keine Ahnung hat, dann sollte desregierung in der ganzen Zeit auf die Beine ge- man das Maul halten!) bracht? Wo war die Orientierung auf realistische Mengengerüste und schlanke technische Lösungen? - Wie bitte? Frau Präsidentin, wenn ich das richtig Noch heute sieht die Koalition in ihrem Antrag ihr verstanden habe, dann bitte ich darum, daß das Pro- Heil in der Wahl der Organisationsform - natürlich tokoll nachgelesen und daß entsprechend ein Ord- am besten in privater. Die PDS ist deshalb der Mei- nungsruf erteilt wird. nung, daß die Bundesregierung eine gehörige Ver- antwortung für das Abwasserdesaster in Ostdeutsch- Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Ich habe nichts land trägt. verstanden. (Beifall bei der PDS - Lachen bei der SPD - Dr. Karl-Heinz Hornhues [CDU/CSU]: Das Dr. Barbara Höll (PDS): Das war jetzt ein bißchen Desaster, das Sie hinterlassen haben! - unter der Gürtellinie. Zuruf von der CDU/CSU: Unverschämt! Wie sah es denn vorher aus?) (Dr. Karl-Heinz Hornhues [CDU/CSU]: Sie haben ja wohl überhaupt nichts zu bitten! Deshalb soll sich der Bund gemeinsam mit Ländern Nehmen Sie Rücksicht auf die Mitarbeiter!) und Kommunen an einem Solidarfonds beteiligen. - Ich habe nichts zu bitten? Das kann ja wohl nicht Dieser muß den Bürgerinnen und Bürgern Ost- wahr sein. Ich kann als Abgeordnete und Rednerin deutschlands garantieren, daß die Wasser- und Ab- eine Bitte aussprechen. Das ist eine Form des de- wassergebühren bzw. -entgelte sowie die Anschluß mokratisch-kulturvollen Umgangs, den Sie auch in beiträge die im Durchschnitt in Westdeutschland exi- den frühen Morgenstunden durchaus wahren könn- stierenden Belastungen der Privathaushalte mit die- ten. sen Abgaben nicht übersteigen. Das ist der Kern- punkt unseres Antrages. Sie von der Koalition haben (Dr. Karl-Heinz Hornhues [CDU/CSU]: Ich immer die Angleichung der Lebensverhältnisse an- habe Mitleid mit den Mitarbeitern des Hau- gemahnt, das war Ihre Zielvorstellung: In diesem Fall ses und nicht mit Ihnen!) haben wir die umgekehrte Situation, weil nämlich Aber vielleicht geht Ihnen das ab; das weiß ich nicht. die Belastung im Abwasserbereich im Osten vielfach höher ist. Wir verlangen nur die Angleichung der Le- (Beifall bei der PDS) bensverhältnisse - nicht mehr, aber auch nicht weni- ger. Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Jetzt unterbreche ich. Das ist nicht in Ordnung. Vielleicht können wir noch die letzten fünf Minuten hinbekommen, damit Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Jetzt ist die Rede- wir dann zum Abschluß kommen. zeit abgelaufen.

Dr. Barbara Höll (PDS): Ich darf daran erinnern, Dr. Barbara Höll (PDS): Frau Präsidentin, ich wurde daß gerade das BMU äußerst aktiv war, als es galt, mehrmals unterbrochen. Wasserwirtschaftsbetriebe der ehemaligen DDR als Sozialismus zu brandmarken und zu zerschlagen. (Lachen bei der CDU/CSU) Das Ergebnis sehen wir heute. Beispielsweise wur- den aus den drei funktionierenden Wasserwirt- schaftsbetrieben, die für das Gebiet Thüringen zu- Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Alle Unterbre- ständig wa- chungen habe ich eingerechnet. 22378 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Dr. Barbara Höll (PDS): Ich denke, eines ist in unse- ein Programm, mit dem Sie den Menschen in Ost- rem Antrag klar: Anschlußbeiträge für Rentnerhaus- deutschland eine Perspektive in bezug auf die Ge- halte von 50 000 DM, Abwassergebühren von 15 DM bühren unter sozialen, ökologischen und wirtschaftli- pro Kubikmeter - das kann nicht die Angleichung chen Gesichtspunkten liefern. der Lebensverhältnisse sein. Wir meinen, wir müssen in diesem Bereich unserer Bundesverantwortung ge- Das, was der Bundeskanzler und die Ministerpräsi- recht werden. denten im Juni 1993 vereinbart haben, hat sich in der Länderzuständigkeit verloren und ist nicht umge- (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Das kön- setzt worden. Sie lassen die Menschen im Stich. Die nen wir nicht im Bundestag beschließen!) PDS hat an keiner Stelle in Ostdeutschland den Be- In diesem Sinne steht die PDS zu ihrem Antrag und weis dafür geliefert, daß das, was Sie an diesem Pult wird sich in der Abstimmung entsprechend verhal- heute nacht gesagt haben, von Ihnen in irgendeiner ten. Weise umgesetzt worden ist. Sie haben mit Ihren Be- hauptungen Propaganda und Wahlkampf bet rieben; Ich bedanke mich. aber für die Menschen in Ostdeutschland haben Sie real nichts geleistet. Deswegen bestehen wir auf un- (Beifall bei der PDS) serem Antrag.

Herzlichen Dank. Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Ich schließe die Aussprache. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) (Kurt-Dieter Grill [CDU/CSU]: Frau Präsi- dentin, ich wollte eigentlich zum Tagesord- nungspunkt sprechen! - Heiterkeit ,bei der Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Jetzt schließe ich CDU/CSU) mit Ihrer aller Zustimmung die Aussprache. - Ich habe die Meldung, daß die Beiträge der Kolle- gen Kurt-Dieter Grill, Susanne Kastner usw. zu Proto- Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluß- koll gegeben sind. empfehlung des Ausschusses für Umwelt, Natur- schutz und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der (Kurt-Dieter Grill [CDU/CSU]: Ich habe Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. mit dem Titel gar keinen Beitrag schriftlich abgege- „Gewässer schützen - Kosten senken", Druck- ben!) sache 13/11023 Nr. 1. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/3490 in der Aus- - Sie haben Ihren Beitrag nicht zu Protokoll gege- schußfassung anzunehmen. Wer stimmt für diese ben? Sie möchten also jetzt reden? Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltun- (Kurt-Dieter Grill [CDU/CSU]: Ja!) gen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stim- men von CDU/CSU und F.D.P. gegen die Stimmen Wenn Herr Grill reden möchte, dann kann ich ihn von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und PDS ange- nicht daran hindern. nommen.

Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Kurt-Dieter Grill (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi- Meine Damen und Herren! Ich verstehe, daß die cherheit zu dem Entschließungsantrag der Fraktion Kolleginnen und Kollegen dies zu diesem Zeit- der SPD zur Großen Anfrage zur Umwelt- und sozial- punkt vielleicht nicht akzeptieren. Da ich wußte, verträglichen Abwasserbehandlung und -vermei- daß die PDS das sagen würde, was sie hier jetzt dung, Drucksache 13/11023 Nr. 2. Der Ausschuß gesagt hat, möchte ich gerne zwei Bemerkungen empfiehlt, den Entschließungsantrag auf Drucksa- machen. che 13/3512 abzulehnen. Wer stimmt für diese Be- schlußempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltun- Erstens. Es ist unheimlich verwunderlich, daß die gen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen PDS, die uns eine Landschaft mit solchen Wasserver- von CDU/CSU und F.D.P. gegen die Stimmen von unreinigungen und Wasserverschmutzung hinterlas- SPD, Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenom- sen hat, die Chuzpe besitzt, sich hier hinzustellen men. und uns zu ermahnen, etwas für die Wasserreinhal- tung in Deutschland zu tun. Was Sie hier heute Abstimmung über die Beschlußempfehlung des abend abgegeben haben, ist unglaublich. Umweltausschusses zu dem Antrag der Gruppe der (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) PDS zu einer ökologischen und bezahlbaren Was- serversorgung und Abwasserbeseitigung, Druck- Zweitens. Ich habe heute mittag die Regierungser- sache 13/11023 Nr. 3. Der Ausschuß empfiehlt, den klärung der Landesregierung von Sachsen-Anhalt Antrag auf Drucksache 13/3494 abzulehnen. Wer durchgesehen. Wenn man weiß, was in Ostdeutsch- stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenstim- land an Abwasserpreisen gezahlt wird, dann kann men? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist ich Ihnen nur sagen: Weder Sie noch die SPD in mit den Stimmen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. ge- Sachsen-Anhalt - das gilt im großen und ganzen gen die Stimmen der PDS bei Enthaltung von auch für die anderen Bundesländer - haben irgend- Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22379

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth Wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tages- Ich bedanke mich ganz herzlich bei unseren Saal- ordnung. dienern und Mitarbeitern, die bis zu dieser Stunde ausgehalten haben. (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Unserer heutigen nicht!) (Beifall im ganzen Hause) Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun- Die Sitzung ist geschlossen. destages auf den heutigen Freitag, den 19. Juni 1998, 9 Uhr - in wenigen Stunden - ein. (Schluß der Sitzung: 2.45 Uhr)

Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22381*

Anlagen zum Stenographischen Bericht

Anlage 1 Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernäh- rung hat danach für jede ihr zur Inte rvention angebo- Liste der entschuldigten Abgeordneten tene Getreidepartie die jeweils wirtschaftlichste La- germöglichkeit zu nutzen. Abgeordnete(r) entschuldigt bis Bei der Getreideintervention handelt es sich um einschließlich ein Massenverfahren; im Zeitraum von November 1997 bis Mai 1998 wurden über 5 000 Partien zur In- Gilges, Konrad SPD 18. 6. 98 tervention angeboten. Heyne, Kristin BÜNDNIS 18. 6. 98 90/DIE Vor diesem Hintergrund läßt sich die für die Ermitt- GRÜNEN lung der für jede Partie wirtschaftlichsten Lagermög- lichkeit erforderliche Berechnung nur mittels Daten- Hovermann, Eike SPD 18. 6. 98 verarbeitung durchführen. Kriterien sind dabei die Ilte, Wolfgang SPD 18. 6. 98 von den Lagerhaltern gebotenen Lagerentgelte und Imhof, Barbara SPD 18. 6. 98 die Transportenkostenbelastungen. Jelpke, Ulla PDS 18. 6. 98 Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernäh- Kolbe, Manfred CDU/CSU 18. 6. 98 rung bestimmt mit ihrer Entscheidung allein das La- Krautscheid, Andreas CDU/CSU 18. 6. 98 ger, in dem die Interventionsware von ihr übernom- men wird. Sie hat keinen Einfluß auf die Entschei- Kriedner, Arnulf CDU/CSU 18. 6. 98 dung des Anbieters der Ware, welcher Verkehrsweg Leidinger, Robert SPD 18. 6. 98 für den Transport zu diesem Lager genutzt wird. Probst, Simone BÜNDNIS 18. 6. 98 Bei der Entwicklung des entsprechenden EDV-Pro- 90/DIE gramms durch eine namhafte Firma wurde zunächst GRÜNEN auch eine integrierte Wirtschaftlichkeitsberechnung Regenspurger, Otto CDU/CSU 18. 6. 98 auf der Basis verschiedener Verkehrswege erwogen. Rennebach, Renate SPD 18. 6. 98 Dies konnte jedoch mit vertretbarem Aufwand nicht Rübenkönig, Gerhard SPD 18. 6. 98 gelöst werde. Insbesondere im Hinblick darauf, daß nur rd. 3 Prozent der Angebotslager der Bundesan- Rupprecht, Marlene SPD 18. 6. 98 stalt für Landwirtschaft und Ernährung über einen Schenk, Christina PDS 18. 6. 98 Wasseranschluß verfügen, die Bundesanstalt keinen Wester, Hildegard SPD 18. 6. 98 Einfluß auf die Wahl des Verkehrsträgers für die An- gebotsparteien hat und die Partien in vielen Fällen eine unter einer für Schiffsfrachten notwendigen wirtschaftlichen Größe haben, sind die Transpo rt -kosten auf Basis von Straßen- und Bahnfrachten be- Anlage 2 rechnet worden.

Antwort Zu Frage 2: des Parl. Staatssekretärs E rnst Hinsken auf die Frage Das geänderte Vergabeverfahren ist erstmalig in der Abgeordneten Annette Faße (SPD) (Drucksache der soeben abgelaufenen Interventionsperiode - sie 1/10938 Fragen 1 und 2): dauert jeweils von November bis Mai - angewandt Trifft es zu, daß die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Er- worden. nährung (BLE) im Rahmen der Getreide-Interventionsverfahren Nach Abschluß dieses ersten Anwendungsjahres von ihrer EDV-Auslegung her nur in der Lage ist, die wirt- schaftlichste Lagermöglichkeit, nicht aber den wirtschaftlich- ist beabsichtigt, die Ergebnisse zu analysieren und sten Transportweg zu ermitteln, und bleibt aus diesem Grunde gemeinsam mit den beteiligten Wirtschaftskreisen zu bei den Vergabeverfahren der Transpo rt auf dem Wasserweg prüfen, welche Änderungen in der Abwicklung der per Binnenschiff regelmäßig unberücksichtigt, obwohl er wirt- schaftlich und ökologisch der vorteilhafteste Transportweg sein Getreideintervention notwendig und für die Bundes- dürfte? anstalt für Landwirtschaft und Ernährung auch Welche konkreten Schritte wird die Bundesregierung ergrei- durchführbar sind. Das Ergebnis dieser Prüfung fen, um so rasch wie möglich sicherzustellen, daß die Schiffs- bleibt abzuwarten. fracht-Berechnungen in der EDV der BLE mit berücksichtigt und in die Gesamtberechnung der günstigsten Lagermöglich- keit einbezogen werden können? Anlage 3 Zu Frage 1: Infolge der Änderung der Bestimmungen über die Antwort Vorgabe öffentlicher Aufträge und insbesondere auf des Parl. Staatssekretärs Dr. Norbe rt Lammert auf die Vorgabe des Bundesrechnungshofes war die Bundes- Fragen der Abgeordneten Karin Rehbock-Zureich anstalt für Landwirtschaft und Ernährung gehalten, (SPD) (Drucksache 13/10 938 Fragen 3 und 4): ihr Verfahren zur Vergabe von Verträgen zur Lage- Was beabsichtigt die Bundesregierung zu tun, um die stei- rung von Interventionsgetreide zu ändern. gende Fluglärmbelastung im Bereich Konstanz (Bodensee) 22382* Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

- hervorgerufen insbesondere durch die Welle 4 der Swissair Anlage 5 beim An- und Abflug auf den Flughafen Zürich - einzudäm- men und die Lärmbelastung für die betroffenen Menschen auf deutschem Hoheitsgebiet zu vermindern? Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Trifft es nach den Erkenntnissen der Bundesregierung zu, Wolfgang Dehnel, Johannes Singhammer, H ans daß zahlreiche Flugzeuge im Landeanflug auf den Flughafen Zürich bereits vor 6 Uhr morgens den Konstanzer Raum über- Michelbach, Peter Keller, Herbe rt Frankenhauser, fliegen und dabei vor dem Aufsetzen auf die Landebahn für Dr. Peter Ramsauer, Wolfg ang Zöller, den stabilisierten Anflug eine größere Distanz als die zulässi- Dr. Gerd Müller, Heinrich-Wilhelm Ronsöhr, gen 12 bis 15 nautischen Meilen in Anspruch nehmen, und Meinolf Michels, Editha Limbach, Hubert Deittert, wenn ja, wie reagie rt sie darauf? Wilma Glücklich, Matthäus Seib, Erika Reinhardt, Klaus Riegert, Georg Brunnhuber, Josef Hollerith, Zu Frage 3: Albert Deß (alle CDU/CSU) zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Der Anflugverkehr zum Flughafen Zü rich befindet sich im Konstanzer Raum in der Regel in mehr als Petitionsausschusses zur Sammelübersicht 357 3000 m über Grund. Weil seit dem Sommer letzten - Petition 3-13-17-2164-010391 Jahres Bewohner der Gemeinde Litzelstetten Be- Kinderfragen, Jugendweihe - schwerde über die Anflüge zum Flughafen Zü rich (Tagesordnungspunkt 24 p) führen, hat das Ministerium für Umwelt und Verkehr Wir sind nicht damit einverstanden, daß dem Bun- Baden-Württembergs die Landesanstalt für Umwelt-- schutz beauftragt, in Litzelstetten Fluglärmmessun- desministerium für Familie, Senioren, Frauen und Ju- gen durchzuführen. Auf Grund der Meßergebnisse gend zur Erwägung überwiesen wird, die Förderung des Petenten eines Bundesverbandes, zu dessen sat- kommt das Ministerium für Umwelt und Verkehr in seinem Schreiben vom 2. Juni 1998 zu der Auffas- zungsgemäßen Aufgaben Jugendarbeit und die Ge sung, „daß die gemessene Fluglärmeinwirkungen staltung der Jugendweihe zählen. nicht die Grenze der Zumutbarkeit überschreiten" . Wir sind nicht damit einverstanden, daß den Lan- Die Bundesregierung wird zum Thema dennoch in desparlamenten von Sachsen und Thüringen die Pe- den Gesprächen mit der Schweiz über die An- und tition zugeleitet wird, soweit es um die Unterstützung Abflüge zum Flughafen Zürich über deutsches Ho- der Anträge der Landesverbände Thüringen und heitsgebiet, die für den Spätsommer dieses Jahres Sachsen auf Anerkennung als Träger der freien Ju- geplant sind, behandeln. Allerdings räumt sie der Lö- gendhilfe geht. sung der Fluglärmproblematik im Landkreis Walds- hut, wo sich die An- und Abflüge in 600 m bis 1000 m über Grund befinden, eine wesentlich höhere P riori -tät ein. Anlage 6 Zu Frage 4: Erklärung nach § 31 GO Anflüge sollen in einer Distanz von mindestens der Abgeordneten Rosel Neuhäuser (PDS) 8 bis 10 nautischen Meilen auf den Endanflugkurs zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung geführt werden, um einen stabilisierten Anflug zu des Petitionsausschusses zur Sammelübersicht 357 ermöglichen. Wenn in der Praxis auch mehr als 10 zu Petitionen nautische Meilen Anwendung finden, ist dies flugbe- (Tagesordnungspunkt 24 p) trieblich nicht zu beanstanden, kann aber ggf. im Interesse der Lärmminderung im Anflugsektor vor- teilhaft sein. Die Bundesregierung wird die Frage mit dem Landkreis Waldshut bei der Vorbereitung der Rose! Neuhäuser (PDS): Ich habe dem Votum des geplanten Gespräche mit der Schweiz prüfen. Petitionsausschusses, diese Petition der Bundesregie- rung zur Erwägung zu überweisen, aus verschiede- nen Gründen zugestimmt. Ich nenne drei davon.

Erstens. Bisher haben über 800 000 Jugendliche in allen Bereichen der Freizeit die vielfältigen Ange- Anlage 4 bote des Vereins in Anspruch genommen, die über- wiegende Zahl davon auch noch das Erreichen des Erklärung der Abgeordneten Jugendweihealters - ich betone: die Freizeitange- Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD) zur namentlichen bote des Vereins, nicht die Jugendweihe! - und das Abstimmung über die Beschlußempfehlung bisher ohne staatliche Förderung. Daß die Kommu- des Finanzausschusses zu dem Antrag der Fraktion nen auf Grund der finanziellen Situation den Bedarf BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Eistieg an Angeboten nicht mehr absichern können, dürfte in eine ökologisch-soziale Steuerreform Ihnen nicht neu sein. Die Dringlichkeit der Förde- - - Drucksachen 13/3555, 13/10924 Buchstabe b rung der Jugendarbeit insbesondere in den neuen Mein Name ist in der Abstimmungsliste unter Nein Bundesländern hat aber auch als Ergebnis der gesell- vermerkt. schaftlichen Entwicklung der letzten Jahre das jüng- ste Wahlergebnis in Sachsen-Anhalt ausdrucksvoll Ich erkläre, daß mein Votum Ja lautet. dokumentiert. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22383'

Zweitens. Kirchliche Jugendvereine erhalten jähr- Landgerichte erledigen zivile Rechtsstreitigkeiten im lich über den Bundesjugendplan zirka 45 Millionen Durchschnitt in sechs Monaten. Damit liegen wir im DM zur Förderung der Jugendarbeit. Der Petent hat europäischen Vergleich an der Spitze. ein Recht auf Gleichstellung, noch dazu, da er bisher alle vom BMFSFJ geforderten Voraussetzungen er- Ein Hinweis am Rande: Der englische Justizminister füllt hat. Das Argument, die Mittel würden der Ju- kämpft derzeit darum, daß nach Einreichung einer gendweihe zugute kommen, ist fadenscheinig und Klage wenigstens binnen einer Frist von siebenein- Mittel zum Zweck; denn nicht nur Abgeordnete soll- halb Monaten der erste Termin zur mündlichen Ver- ten wissen, daß Fördermittel zweckgebunden zu ver- handlung anberaumt wird. Von einer Erledigung der wenden sind und andernfalls erbarmungslos gestri- Sache innerhalb dieses Zeitraumes kann überhaupt chen werden. keine Rede sein. - Dieses Beispiel zeigt, daß vorsich- tig sein muß, wer vorschnell die bei uns bestehende Drittens. Entsprechend der Satzung des Vereins hohe Richterdichte mißbilligt. Unser Rechtssystem gestalten die Kinder und Jugendlichen das Angebot kann nicht verglichen werden mit den Rechtssyste- an offener Jugendarbeit nach ihren Vorstellungen men anderer europäischer Staaten. Wir sind insoweit und Wünschen. Das ist für mich ein weiteres und anderen europäischen Staaten weit überlegen. Nie- nicht zu unterschätzendes Argument, weshalb ich mand wird sich bei uns ernsthaft das System von dafür stimme, die Jugendarbeit dieses Vereins durch Frankreich, England oder Italien wünschen. Wer je staatliche Förderung zu unterstützen. Es ist überdies einen Prozeß im Ausland führen mußte, der weiß, eine Möglichkeit für die Bundesregierung, endlich wovon ich rede. Worten Taten folgen zu lassen und einen sinnvollen Beitrag mehr für die Förderung von Kindern und Ju- Gerade der Mittelstand bei uns hat von einer gut gendlichen zu leisten. funktionierenden Zivilrechtspflege den größten Vor- teil. Die Großindustrie führt keine Prozesse. Sie ver- schafft sich ihr Recht durch ihre wi rtschaftliche Macht. Wer ihre Forderungen nicht erfüllt, mit dem macht sie keine Geschäfte mehr. Der Mittelstand je- Anlage 7 doch, aber auch der P rivate ist darauf angewiesen, daß eine streitige Forderung vor Gericht schnell ent- Zu Protokoll gegebene Reden schieden wird und daß sie, wenn nötig, im Wege der zu Tagesordnungspunkt 11 Zwangsvollstreckung auch durchgesetzt wird. Eine (a - Entwurf eines Gesetzes zur Vereinfachung gute, verläßliche Zivilgerichtsbarkeit hat also gerade des zivilgerichtlichen Verfahrens und des auch für unseren Wirtschaftsstando rt größte Bedeu- Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit; tung. Nicht zuletzt deswegen müssen wir uns ständig b - Beschlußempfehlung zu dem Antrag: um Verbesserungen bemühen. Entlastung der Zivilgerichtsbarkeit durch Gerade der hohe Standard unserer Rechtspflege ver- vor- bzw. außergerichtliche Streitbeilegung) pflichtet uns, nicht in Selbstzufriedenheit zu verfal- len. Der Geschäftsanfall in der Ziviljustiz ist seit 1991 Norbert Geis (CDU/CSU): Zum Rechtsstaat gehö- nicht nur in den neuen, sondern auch in den alten ren die Gewaltenteilung und die Funktionsfähigkeit Bundesländern stark angestiegen. Zusätzlich sind der drei Gewalten: ein funktionierendes Parlament, mit dem Betreuungsrecht neue personalintensive funktionierende Regierungen und Verwaltungen Aufgaben auf die Justiz zugekommen. Dies wird ab und innerhalb der dritten Gewalt eine funktionie- 1. Januar 1999 mit der Insolvenzordnung noch ver- rende Justiz. Polizeistaaten versuchen, die Gewalten- stärkt. Diese Aufgabenlast bereitet Probleme, die wir teilung zu unterlaufen und insbesondere die Unab- nicht allein mit Personalausweitung lösen können. Es hängigkeit der Justiz abzuschaffen. Hitler und der geht nicht insgesamt darum, Stellen abzubauen. Es SED-Staat sind dafür Beispiele. Die Justiz hat also kann aber auch nicht darum gehen, die bestehende eine zentrale Aufgabe in einem Rechtsstaat. Sie muß Richterdichte noch zu vergrößern. Unsere Aufgabe dafür Sorge tragen, daß die Rechte des Menschen ist es vielmehr, die Binnenreserven der Justiz noch gegenüber dem Staat, aber auch gegenüber dem an- besser zu mobilisieren und die Effektivität der ge- deren gewahrt bleiben. Dies gilt nicht nur für den richtlichen Zivilverfahren zu steigern. Damit beschäf- strafrechtlichen, sondern vor allem auch für den zivil- tigt sich der vorliegende Gesetzentwurf. rechtlichen Bereich. Nach langen zähen Verhandlungen verabschieden Für unsere freie marktwirtschaftliche Ordnung ist wir heute nach dem Rechtspflegevereinfachungsge- eine verläßliche Justiz unverzichtbar. Unser Rechts- setz von 1990 und dem Rechtspflegeentlastungsge- system muß die Möglichkeit schaffen, einen stritti- setz von 1993 den binnen weniger Jahre dritten Ver- gen Anspruch mit Hilfe der Gerichte schnell und zü- such der Länder, das Zivilverfahrensrecht zu refor- gig zur Entscheidung zu bringen und das Ergebnis mieren. Die Reformvorschläge kamen bislang aus- der Entscheidung durchzusetzen. schließlich aus dem Bundesrat, obwohl der Bund hierfür die Gesetzgebungskompetenz hat. Wir bekla- Unsere Gerichte leisten hier Außerordentliches. So gen im Bund sehr oft und sehr schnell das Flickwerk, entscheiden beispielsweise die Amtsgerichte in Bay- das uns vom Bundesrat zugemutet wird. Aber der ern - in den anderen Bundesländern verhält es sich, große Wurf, den wir immer wieder annehmen, hätte mit Ausnahmen, nicht anders - anhängige Gerichts- auch von uns kommen können. Das müssen wir uns verfahren im Schnitt in drei bis vier Monaten. Die vorhalten lassen. 22384 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Kernstück des von den Länderjustizministern nach befriedigende Wirkung einer obergerichtlichen Ent- eingehender interner Beratung einmütig vorgelegten scheidung nicht zustande kommt. Das würde aber Entwurfs ist die Stärkung des Einzelrichterprinzips, letztendlich zu keiner Entlastung, sondern je nach die Einschränkung von Rechtsmitteln durch Anhe- Rechtsfrage, um die gestritten wird, zu einer zeit- bung der Berufungssumme bzw. Beschwerdesumme weise starken Belastung unserer Amtsgerichte füh- und eine Öffnungsklausel, welche es den Ländern ren. ermöglicht, eine obligatorische außergerichtliche Streitbeilegung einzuführen. Daneben treten Verein- Der Rechtsausschuß hat auch einen im Laufe der Be- fachungen einzelner Verfahrensvorschriften, die viel- ratung vom BGH gekommenen Vorschlag zur Ein- fach auf Vorschläge von Praktikern, also meist auf führung einer Annahmerevision nicht übernommen. Vorschläge von Richtern, zurückzuführen sind. Wir waren der Auffassung, daß für eine solch tiefgrei- fende Änderung des Revisionsrechtes eine ausgie- Durch die Einführung des originären Einzelrichters bige Beratung in einem eventuell eigenen Gesetzge- bis zu einem Streitwert von 30 000 DM können, so ha- bungsvorschlag notwendig ist. ben die Länderjustizminister errechnet, bundesweit Wie ich schon darauf hingewiesen habe, hat der 225 Richterstellen eingespart werden. Durch die ge- Rechtsausschuß viele Einzelvorschriften des Bundes- plante Anhebung der Berufungssumme um 500 DM rates in vollem Umfang übernommen. Insbesondere auf 2000 DM können 100 Stellen eingespart werden. hat er den Ausbau der außergerichtlichen Konflikt- Der Efekt der Einsparung durch Anhebung der ge- - beilegung durch Einführung einer Öffnungsklausel planten Beschwerdesumme wird auf 10 bis 20 Richter ausdrücklich begrüßt. Dabei verkennen wir nicht, geschätzt. Die geplanten übrigen Änderungen ent- daß durch die Einzelfallregelung bei der außerge- ziehen sich einer rechnerischen Bewe rtung, sollen richtlichen Konfliktbeilegung die Gefahr der Rechts- aber, so meinen die Länder, deutlich zur Entlastung zersplitterung droht. Denn in Einzelfällen wird in be- der Justiz beitragen. Das dürfte gerade auch für die stimmten Regionen unter Umständen anders ent- außergerichtliche Streitbeilegung gelten. schieden, als in anderen Regionen. Der Rechtsausschuß hat sich dem Grundanliegen des Die Vorteile einer außergerichtlichen Konfliktbeile- Gesetzentwurfes, vorhandene Binnenreserven der gung überwiegen jedoch die Bedenken. Künftig ist Justiz zu mobilisieren und das Verfahren effektiver in vermögensrechtlichen Streitigkeiten bis zu einem zu gestalten, nicht verschlossen. Viele Vorschläge hat Betrag von 1500 DM zunächst ein Schlichtungsver- er einvernehmlich übernommen. Insgesamt jedoch fahren einzuleiten, bevor die Klage beim Amtsge- hat er den Gesetzentwurf mit deutlicher Skepsis be- richt erhoben werden kann. Ausgenommen sind die raten. Manche gewichtigen Vorschläge hat er rund- Mahnverfahren, die Verfahren über Arrest und einst- weg abgelehnt, andere hat er nur mit grundlegenden weilige Verfügungen oder Schiedsverfahren. Veränderungen beschlossen. In Erweiterung des Vorschlages des Bundesrates ha- So hat der Rechtsausschuß ein wichtiges Kernstück ben wir Ansprüche wegen Verletzungen der persön- des Entwurfes, nämlich die Anhebung der Beru- lichen Ehre, soweit diese nicht in Presse und Rund- fungssumme von 1500 DM auf 2000 DM abgelehnt. funk begangen werden, einbezogen. Außerdem Es ist richtig, daß durch keine andere Maßnahme die wurde klargestellt, daß die Kosten des Schlichtungs- Justiz mehr entlastet werden würde als durch die verfahrens dann, wenn es zum Hauptverfahren vor Rückführung der Berufungsmöglichkeiten gegen Ur- Gericht kommt, Kosten dieses Verfahrens sind, daß teile von Amtsgerichten. Aus Gründen der Entla- also je nach Ausgang des Rechtsstreites der Unterlie- stung hat man deshalb sehr früh, nämlich schon im gende die Gesamtkosten oder den überwiegenden Jahre 1915, eine Berufungssumme für Bagatellfälle Teil der Kosten zu zahlen hat. eingeführt, um den unkontrollierten Zugang zur Be- rufungsinstanz einzuschränken. Gerade in unserer Zum Teil hat der Ausschuß Vorschläge des Bundesra- Zeit aber wurde das Instrument durch Erhöhung der tes nur in einer wesentlichen Veränderung angenom- Berufungssumme den Weg in die zweite Instanz zu men. So haben wir zugestimmt, daß bis zu einem Be erschweren, verstärkt eingesetzt. Seit 1975 ist die Be- trag von 30 000 DM der Einzelrichter zwingend vor- rufungssumme von ursprünglich 200 DM in vier zusehen ist. Wir sind auch damit einverstanden, daß Schritten auf 1500 DM und damit um mehr als den bei Werten über 30 000 DM die Sache durch die Kam- siebenfachen Betrag angehoben worden. mer dem Einzelrichter übertragen werden kann. Er- weitert haben wir aber die Möglichkeit für den Ein- Wir waren der Meinung, daß dies zunächst einmal zelrichter, die Sache wieder an die Kammer zurück- genügen muß. Würde die Berufungssumme noch zuübertragen. weiter angehoben, bestünde die Gefahr, daß ganze Trotz Bedenken haben wir dem Vorschlag zuge- Rechtsgebiete, insbesondere Fragen der Mieterhö- stimmt, den Einzelrichter auch im Berufungsverfah- hung oder der Nebenkostenabrechnung, des Reise- ren vorzusehen. Wegen der Bedeutung der Berufung vertragsrechtes oder der sonstigen Verbraucher- waren wir allerdings entgegen dem Vorschlag des rechte allein der Entscheidung der Amtsgerichte Bundesrates der Meinung, daß eine solche Übertra- überlassen bleiben. Die Aufsplitterung der Recht- gung nicht erfolgen kann, wenn eine der Parteien sprechung wäre die Folge, weil die Vereinheitli- der Übertragung widersp richt. chung und damit auch die Bef riedung durch die Be- rufungsinstanz nicht mehr möglich wäre. Das kann Schließlich haben wir als weitere Entlastungsmaß nicht unser Interesse sein. Es käme nach wie vor zu nahme noch eine Öffnungsklausel vorgesehen, die einer Fülle von Rechtsstreitigkeiten, weil die rechts- den Ländern die Möglichkeit gibt, die Führung des Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22385'

Handels- und Genossenschaftsregisters im Wege von Unterscheidungsmerkmal von Firmen am selben Ort räumlich und zeitlich befristeten Modellversuchen deutlich auf grobe Fälle beschränkt haben. Wir ha- auf die Industrie- und Handelskammern, die Hand- ben die Regelanfragen der Registergerichte bei den werkskammern oder einer gemeinsamen Einrich- Kammern abgeschafft. Sie sollen in Zukunft nur noch tung dieser Kammern zu übertragen. Die Länder ha- erfolgen, wenn es Zweifel gibt. Mit diesen Maßnah- ben sich gegen die Regelung mehrheitlich sehr stark men wurden bereits die Registergerichte deutlich gewehrt. Es wird jetzt schon prophezeit, daß deshalb entlastet. Sie können nun schneller entscheiden. Wir das ganze Gesetz im Bundesrat abgelehnt werde. wollen aber, daß die Länder selbst weiter die Arbeit Wir sind jedoch der Auffassung, daß wegen dieser von Gerichten entlasten, indem es ihnen ermöglicht Öffnungsklausel die weiteren wichtigen Neuerun- wird, die Aufgaben des Handelsregisters auf die Or- gen nicht blockiert werden dürfen. Eine Ablehnung gane zu übertragen, die tagtäglich mit Kaufleuten, des Gesetzes im Bundesrat wäre deshalb unverant- mit Firmen und mit Registrierungen zu tun haben: wortlich. Wir glauben daher, daß Vernunft und Ver- die Industrie- und Handelskamme rn, die Hand- antwortung am Ende auch im Bundesrat überwiegen werkskammern oder gegebenenfalls eine gemein- wird. same Institution. Gegen diese Möglichkeit hat sich ein völlig unverständlicher Sturm der Entrüstung er- hoben, der sich bei näherem Hinsehen zunächst dar- Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten (CDU/CSU): auf konzentrierte, daß die Einnahmen des Handels- Allenthalben wird nach dem „Schlanken Staat" ge- registers deutlich über den Ausgaben lägen und die rufen, nach Vereinfachung von Gesetzen und Ver- Abgabe die Haushalte der Landesjustizminister ordnungen und nach Beschleunigung von Verfahren. schwächen könnte. Diesem Argument wurde sehr Mit dem nun vorliegenden Gesetz zur Vereinfachung schnell - und vielleicht zum richtigen Zeitpunkt - des zivilgerichtlichen Verfahrens und des Verfahrens durch ein EuGH-Urteil der Boden entzogen, in dem zur freiwilligen Gerichtsbarkeit haben wir einen gu- der Europäische Gerichtshof bei Gebühren die Ko- ten Anfang gemacht, der den Wünschen der Bundes- stendeckung anmahnt und demzufolge Gewinne länder deutlich entgegenkommt. nicht gemacht werden dürfen. Nun wurde der Knüp- Gerichte werden in beachtlichem Umfang ent- pel aus dem Sack geholt und das Ende des Rechts- lastet, ohne daß der Rechtsstaat als solcher Schaden staates an die Wand gemalt. Eine völlig unhaltbare, nimmt. Auf die Einzelheiten der Beschränkungen schamlose Übertreibung für eine Öffnungsmöglich- von Rechtsmitteln bei Urteilen und Beschlüssen, der keit in einem Rechtsstaat, die alleine die Länder erleichterten Zustellung ist der Beitrag von Kollegen durchzuführen in der Hand haben. Geis eingegangen. Durch die Einfügung des § 348 a Kein Land wird gezwungen, seine Registeraufga- ist eine erweiterte Möglichkeit zur Einzelrichterent- ben zu übertragen. Baden-Württemberg ist für eine scheidung bei den Zivilkammern eröffnet. Richtiger- Versuchsphase bereit und muß diese Versuchsphase weise wurde bei offensichtlicher Aussichtslosigkeit so zeitig abschließen, daß - falls keine andere Ent- ein Instrument für die Richter geschaffen, ohne scheidung getroffen wird - bis 2009 die alten Ver- mündliche Verhandlung eine Berufung zurückzu- hältnisse wieder eingeführt werden können. Die Er- weisen. Dies ist auf der einen Seite nicht nur eine gebnisse der Versuche werden wir dann überprüfen wirksame Entlastung, es muß auch auf der anderen und innerhalb dieser 10 Jahre entscheiden, ob der Seite von den Richtern sehr verantwortungsvoll ge- Versuch erfolgreich war oder nicht. Daß man sich ge- nutzt werden. Nicht unumstritten waren die Übertra- gen einen solchen Versuch sträubt, kann nur mit der gungsmöglichkeiten von Berufungssachen auf den Angst begründet werden, daß Indust rie- und Han- Einzelrichter. Der Ausschluß einer solchen Übertra- delskammern oder Handwerkskammern tatsächlich gung bei Widerspruch nur einer Partei ist der richtige diese Aufgabe besser, schneller und kostengünstiger Weg. Den Ländern wird die Möglichkeit eröffnet, bei durchführen können und dann in 10 Jahren tatsäch- Streitigkeiten bis zu 1500 DM das rechtliche Vorver- lich eine Übertragung erfolgen könnte. Wer eine sol- fahren - Schiedsverfahren - einzuführen. Damit wird che Prüfungsmöglichkeit verhindern wi ll, zeigt, daß eine weitreichende Entlastung der Eingangsgerichte er reformunwillig bzw. reformunfähig ist und daß der geschaffen. Ruf nach Verschlankung nicht mehr ist als eine hohle Phrase. Fast hyste rische Reaktionen hat die Diskussion hervorgerufen, eine Experimentierklausel aufzuneh- Es ist nicht meine Aufgabe, Herrn Schröder zu lo- men. Länder, die es wünschen, können in einer Ver- ben. Aber in dieser Frage zeigt er sich flexibler und suchsphase bis zum Jahr 2009 prüfen, ob es kosten- weitsichtiger als die meisten seiner SPD-Kollegen in günstiger, schneller, unbürokratischer und sachkom- anderen Ländern; denn er hält einen Versuch in ei- petenter ist, das Handelsregister von den Amtsge- nem Schreiben an den Präsidenten des Deutschen richten auf die Industrie- und Handelskammern, Industrie- und Handelstages, Herrn Hans Peter Stihl, Handwerkskammern oder - was sicher auch sinnvoll vom 19. Mai 1998 für sinnvoll. Do rt schreibt Staatsse- wäre - auf ein gemeinsames Institut zu übertragen. kretär Dr. Frank-Walter Steinmeier, der Leiter der Diese Möglichkeit ist die Ergänzung der HGB-Än- Niedersächsischen Staatskanzlei: derungen, die wir vor wenigen Wochen verabschie- Sehr geehrter Herr Stihl, det haben. Dabei wurde nicht nur der Kaufmannsbe- griff vereinfacht, sondern auch die Eintragung von Herr Ministerpräsident Schröder dankt Ihnen für Firmen in das Handelsregister erleichtert, weil wir Ihr Schreiben vom 30. April 1998 und hat mich das von manchen Registergerichten überstrapazierte gebeten, Ihnen zu antworten. 22386* Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Nach meiner Auffassung hat sich die Führung Das wissen wir von der SPD, das wissen auch des Handels- und Genossenschaftsregisters meine Kolleginnen und Kollegen in den anderen Par- durch die Amtsgerichte grundsätzlich bewäh rt. teien, das wissen aber auch der Bundesminister der Dies wird auch durch nahezu alle beteiligten Justiz und seine beiden Staatssekretäre. Ich weise Wirtschaftskreise und Berufsverbände bestätigt. ganz bewußt an dieser Stelle darauf in, weil deren Die bereits beschlossene beschleunigte Moder- Verhalten später noch einmal unter den Stichworten nisierung und Effektivierung des bestehenden „politischer Anstand" und „politische Kultur" zu be- Handelsregistersytems wird zu einer weiteren leuchten sein wird. Qualitätssteigerung führen. Ob eine Übertra- gung auf die Industrie- und Handelskammern zu Dem Bundestag lag seit Juni 1995 ein Antrag der der von Ihnen angenommenen schnelleren, kun- SPD-Fraktion vor, die vor- bzw. außergerichtliche dengerechteren und kostengünstigeren Bearbei- Streitbeilegung einzuführen. Aber wie in der vergan- tung führen würde, ist aus meiner Sicht offen. genen Legislaturpe riode üblich: Der Antrag wurde zwar dem Rechtsausschuß überwiesen, do rt aber Wir unterstützen aber die Einführung von Mo- lange nicht auf die Tagesordnung genommen. Im dellversuchen, damit baldmöglichst der Nach- Juni 1997 kann ein Entwurf des Bundesrates in erster weis erbracht werden kann, ob ein Übertrag auf Lesung in das Gesetzgebungsverfahren. Es dauerte die Industrie- und Handelskammern sinnvoll ist dann jedoch wieder einige Monate, ehe der Rechts- oder ob es bei der Registerführung durch die ausschuß eine umfangreiche Anhörung durchführte, Amtsgerichte bleiben soll. die ein sehr geteiltes Echo der Experten ergab. Auf Mit freundlichen Grüßen Drängen unserer Fraktion begannen dann am gez. Steinmeier 3. März 1998 erste Berichterstattergespräche, in de- nen sich aber schon alsbald ein Konsens darüber her- Ich wünsche mir daher von den SPD-Ländern ausstellte, was der Rechtsausschuß als Entlastung mehr Gelassenheit und mehr Experimentierfreudig- mittragen und was von dem Rechtsausschuß auf keit. Lassen Sie Baden-Württemberg den Versuch keinen Fall gebilligt werde. Schon in diesem ersten prüfen, und dann sollten wir gemeinsam entschei- Berichterstattergespräch wurden eine Erhöhung der den. Wenn die SPD-Länder das Reformpaket wegen Berufungssumme und der Beschwerdesumme bei dieser nicht übermäßig geliebten „Öffnungsklausel" sonstigen Kostenentscheidungen eine klare Absage scheitern lassen, sind sie Schlichtweg unvernünftig erteilt, weil dies nicht zu einer Entlastung der Justiz, und bringen die gesamte Reform zum Scheitern. Ich sondern eher zu Unmut und Justizverdrossenheit bei appelliere daher nochmals sehr eindringlich, keine den Bürgern, einhergehend mit Verfassungsbe- Blockade zu betreiben, sondern das Reformpaket im schwerden und dann doch einer Mehrbelastung, ge- ganzen zu verabschieden. führt hätten. Als Aprilscherz haben wir Sozialdemo- kraten dann bei einem weiteren Berichterstatterge- Alfred Hartenbach (SPD): Unsere ordentliche Justiz spräch am 1. April 1998 die auf Wunsch des Landes ist stark belastet. Trotz ersichtlicher Anstrengungen Baden-Württemberg klammheimlich aufgesattelte kann die anfallende Arbeit nur noch mit Mühe bewäl- „Öffnungsklausel" empfunden, künftig in einem tigt werden. Insbesondere in der Zivilgerichtsbarkeit Modellversuch dem „Ländle" zu gestatten, das Han- häufen sich bei den Amtsgerichten und Landge- delsregister von den Industrie- und Handelskam- richten die Verfahrenseingänge, Prozesse werden mern führen zu lassen, natürlich mit dem Ziel, dieses komplizierter und unübersichtlich. Die Verfahren lukrative Geschäft dann ganz den sehr in der Kritik dauern länger, mit der fatalen Folge, daß die rechts- stehenden Industrie- und Handelskammern zu über- suchenden Bürger eben spät, manchmal zu spät zu tragen. ihrem Recht kommen. Liquiditätsschwierigkeiten ge- rade bei kleinen und mittleren Firmen auf Grund Wir Berichterstatter hatten uns zu diesem Zeit- lange dauernder Prozesse nehmen zu. Vor allem in punkt gemeinsam mit dem Land Nordrhein-West- den neuen Ländern wächst sich dies zu einem echten falen, dem Freistaat Bayern und den Fachleuten des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Problem aus. Jusitzministeriums auf einen Katalog von Vorschlä- Die Bundesländer sind mit ihrer Personalwirtschaft gen geeinigt, dessen Umsetzung die Arbeit der Justiz an Grenzen gestoßen, die Neueinstellungen - drin- mit Sicherheit erleichtern und effektiver gestalten gend nötig in allen Teilen der Republik - nicht mehr -könnte: Da ist zuvorderst die Möglichkeit der vor zulassen. Auch hier ist die Not in den neuen Ländern bzw. außergerichtlichen Streitbeilegung zu nennen. groß: Es fehlen Richter und Rechtspfleger, und es Der besonders vom Land Nordrhein-Westfalen fehlen vor allen Dingen die Routinierten, die auch initiierte Vorschlag kommt unseren Vorstellungen da einmal ohne viel Federlesens den gordischen Knoten sehr entgegen. Bereits im vergangenen Sommer hat- durchschlagen können. Moderne Technik und Tech- ten wir von der SPD zu diesem Thema eine Experten- nologie helfen nur teilweise und können nicht sofort anhörung veranstaltet, in der nach Lösungen gesucht wirken. Aber die Eingangszahlen nehmen nicht ab, wurde, außerhalb eines justizförmigen Verfahrens eher zu. Auf die ordentliche Justiz sind mit dem Be- und außerhalb des Justizapparates überhaupt be- treuungsrecht neue Aufgaben zugekommen, die per- stimmte Arten von Verfahren, abhängig von der sonalintensiv sind. Im nächsten Jahr muß die Justiz Höhe des Streitwertes oder aber auch abhängig vom auch das neue Insolvenzrecht mental und personell Sachgegenstand, von sachkundigen, nicht unbe- verkraften. Da muß ganz einfach an anderer Stelle dingt juristisch ausgebildeten Personen oder Institu- Entlastung geschaffen werden. Ansonsten droht der tion einer vergleichsweisen Regelung zuzuführen Justiz der Kollaps. und dann das gerichtliche und justizförmige Verfah- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22387*

-ren davon abhängig zu machen, daß eine solche vor handlungen wird der Einzelrichter das Entschei- bzw. außergerichtliche Regelung überhaupt versucht dungsorgan sein, es sei denn, eine Partei wider- wurde. Auf freiwilliger Basis haben wir ja ähnliches spricht. Diese Regelung wird besonders hilfreich sein schon in der Form der Schiedsstellen beim Hand- bei Beschwerdeentscheidungen, die die Kammer werk oder den Einigungsstellen bei Arzthaftungs- künftig nicht mehr in voller Besetzung treffen muß. prozessen. Wir haben alle diese Entscheidungen mit großer Neu ist hier nun, ein Schlichtungsverfahren obli- Mehrheit getroffen, weil wir wissen, daß wir unserer gatorisch einzuführen. Dabei bleibt es den Ländern Justiz helfen müssen. Wir haben auch dem in letzter allerdings überlassen, ob sie die Zulässigkeit einer Minute vorgetragenen Wunsch eines Mitgliedes des zivilrechtlichen Klage von einem vorherigen Schlich- Rechtsausschusses, Entlastung dadurch zu gewäh- tungsversuch in einer von ihrer Landesjustizverwal- ren, daß künftig nur noch die Notare die Anträge auf tung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle ab- Erteilung von Erbscheinen beurkunden dürfen, un- hängig machen wollen. Wir haben dabei die Risiken seren Segen gegeben: Wir hatten bisher die Möglich- einer solchen Öffnungsklausel mit den Vorteilen ab- keit, solche Anträge sowohl bei den Notaren als auch gewogen und sind zu dem Ergebnis gekommen: Die den Gerichten zu stellen. Es ist also nichts weltbewe- Vorteile überwiegen. Die Länder sind frei in einer gend Neues; für den Bürger wird es weder Vor- noch Entscheidung, die überwiegend ihre Interessen be- Nachteile bringen, aber es werden die Rechtspfleger trifft. Sie haben die Freiheit, unter mehreren mög- und die Geschäftsstellen bei den Amtsgerichten ent- lichen Modellen das ihrer Ansicht nach für ihr lastet. Bundesland erfolgsversprechendste zu entwickeln und in der Praxis anzuwenden. Das kann nun der Der Bundestag ist bei den Ländern im Wo rt, ange- „preußische" Schiedsmann - heute heißt es aller- sichts der neuen Belastungen der Justiz schnell mit dings „Schiedsperson" - sein oder in Zusammen- gesetzgeberischen Maßnahmen für Entlastung zu arbeit mit den örtlichen Rechtsanwaltskammern ein sorgen. Wir haben einiges an Zeit gebraucht, aber Rechtsanwalt. Andere Modelle sind ebenfalls denk- dieses Gesetz bedurfte auch der eingehenden Bera- bar, zum Beispiel pensionierte Juristen oder Rechts- tung. Wir Sozialdemokraten haben unser Wo rt gehal- pfleger. Wir nehmen bewußt in Kauf, daß für eine ge- ten. Die Koalition aber muß sich vorhalten lassen, ihr wisse Zeit unterschiedliche Modelle gehandhabt Wort gebrochen zu haben, schlimmer noch: Sie gibt werden. Dies wird aber von großem Vorteil sein: Wir den Ländern Steine statt Brot und Essig statt Wein. sind überzeugt, daß die vor- bzw. außergerichtliche Wir würden dem Gesetz, so wie es bei allen Frak- Streitbeilegung zu einer deutlichen Entlastung der tionen des Parlaments über Wochen Konsens war, ordentlichen Gerichtsbarkeit führen und zu einer unsere Zustimmung geben. Wir haben im Rechts- Dauereinrichtung werden wird. Wenn sich heraus- ausschuß auch zu allen Punkten ja gesagt, und wir stellt, daß eine bestimmte Art von Gütestelle beson- würden das Gesetz lieber heute als morgen in Kraft ders effektiv arbeite, besteht noch immer die Mög- treten lassen. Aber wir können dem Gesetz - aus lichkeit, im Rahmen unseres föderativen Systems dem die vereinigten Kräfte aus Regierung und Koali- eine in allen Ländern gleiche Einrichtung zu prüfen tion ein übles Machwerk werden ließen - nicht zu- und dann gegebenenfalls im gemeinsamen Willen stimmen, wollten wir nicht unsererseits die Länder auch einzurichten. düpieren und mit dem Ausverkauf der ordentlichen Justiz beginnen. Um der vor- und außergerichtlichen Streitbeile- gung zum Erfolg zu verhelfen, haben wir im Rechts- Es sind zwei Dinge, die unsere Zustimmung un- ausschuß den Anwendungsbereich vergrößert, die möglich machen: Einmal findet die „Öffnungsklausel Vorschriften exakter gefaßt und auch Einigungen vor zur Übertragung der Führung des Handelsregisters" sonstigen, anerkannten Gütestellen zugelassen. Wir weder bei den Fachverbänden noch in Wirtschafts- sind überzeugt, daß die Parteien diese Möglichkeit kreisen Zustimmung, mit Ausnahme des DIHT. Die zunehmend wahrnehmen werden und dadurch die Experten der Anhörung, Amtsrichter und Rechts- Zivilgerichte von einer Vielzahl kleiner Verfahren pfleger, deren tägliches Brot die Entscheidungen im entlasten. Register sind, vor allem aber die Notare, die ja hauptsächlich mit den Handelsregistern arbeiten, die Als nächstes ist die Straffung von Verfahrensabläu- Handwerkskammern, die ihre Bet riebe nun gewiß fen zu nennen. Wir haben die Möglichkeit geschaf- nicht bei der IHK vertreten sehen, und zunehmend fen, daß das Berufungsgericht in der Besetzung mit auch mittelständische Unternehmen lehnen eine drei Berufsrichtern eine offensichtlich aussichtslose Übertragung schlichtweg ab. Warum aber sollen wir Berufung durch einstimmigen Beschluß ohne münd- ein Gesetz verabschieden, das von der überwältigen- liche Verhandlung zurückweisen kann. Wir haben den Mehrheit seiner künftigen Nutzer gar nicht ge- aber die Vorschläge des Bundesrates zu Präklusion wollt ist? Ein Gesetz gegen den erklärten Willen der von Rechtsmitteln als wenig hilfreich angesehen und Menschen ist schon ein schlechtes Gesetz. Obrigkeit- davon Abstand genommen. Es ist bedauerlich, daß liche Willkür steht ihm auf die Stirn geschrieben; das sich die Koalition unseren Vorschlägen einer Annah- geht schon gar nicht mit uns. merevision zur Entlastung des Bundesgerichtshofes nicht angeschlossen hat. Der BGH wäre dann frei ge- Zum zweiten wird diese „Öffnungsklausel" nichts wesen für Entscheidungen wirklich wichtiger Rechts- von dem bewirken, was seine Stiefväter lauthals prei- angelegenheiten. Künftig wird in den meisten Fällen sen: Es wird keine Justizentlastung geben. Nach des ersten Rechtszuges bei den Landgerichten der dem Willen besonders der F.D.P. soll für zehn Jahre Einzelrichter entscheiden. Auch bei Berufungsver- nur in Baden-Württemberg ausprobiert werden, ob 22388* Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 das funktionieren kann, wenn die Indust rie- und Bedürfnissen der Wi rtschaft orientiert: Das ist dann Handelskammern die Entscheidungen treffen und der Anfang eines Ausstiegs aus der unabhängigen das Handelsregister führen. Damit kommt ein libera- Justiz. Ich kann mir mein Recht demnächst kaufen. ler Minister seinem liberalen Amtskollegen entge- gen, der bisher nämlich noch gar nichts für die Und wir haben noch ein viertes Argument, uns Modernisierung seiner Handelsregister getan hat. dem Sattelantrag der Koalition zu verweigern: Das Und er hilft den wegen ihrer Zwangsmitgliedschaf- sind der unglaublich verächtliche politische Stil und ten in die Kritik geratenen Indust rie- und Handels- der Affront wider jeden politischen Anstand. Da er- kammern, von ihren Problemen abzulenken. Schöner kennt diese Koalition - nein, ich glaube, ich muß das Nebeneffekt: Die Kammern streichen dann auch enger fassen -, da erkennt das Bonner Justizministe- noch die Gebühren ein, die bisher die Länder ein- rium in der Person seiner leitenden Repräsentanten, nehmen konnten - die Register sind übrigens in der daß niemand die Öffnungsklausel will, daß eine Justiz die einzigen Abteilungen, in denen wirtschaft- Übertragung des Handelsregisters am erbitterten lich, also mit Gewinn, gearbeitet wird. Der Justiz Widerstand der Sozialdemokraten im Bundestag und bleiben dann nur noch die arbeitsaufwendigen und den Ländern scheitern wird, ja auch liberale und kostenträchtigen Beschwerdeverfahren. christdemokratische Justizminister diesem Stück Tollheit nicht zustimmen werden. Richtig! Aber die Im übrigen würde eine Übertragung der Handels- Herren erkennen auch, daß sie ein hervorragendes register auf die Kammern auch dem Land Baden- Druckmittel in der Hand haben: die Justizentlastung, Württemberg erst in einigen Jahren eine personelle - die die Länder dringend brauchen, die im Rechts- Entlastung bringen. Eine Studie eines Wirtschaftsbe- ausschuß des Bundestages ganz konkrete Formen ratungsunternehmens hat errechnet, daß die Justiz angenommen hat. Und diese Lage ausnutzend, holt des Landes wenigstens drei Jahre lang Personal für man wie ein Roßtäuscher die älteste Mähre aus dem die Berarbeitung der neuen Fälle abstellen muß, bis Stall und bietet sie dem Mann, der dringend ein Reit- die Kammern ihre Mitarbeiter ausgebildet haben. pferd braucht, um seinen Geschäften nachzugehen, Danach werden die Amtsgerichte auch weiterhin bis mit den Worten an: Den Hengst können Sie für zur endgültigen Übernahme Altbestände verwalten 1 000 DM haben, aber sie müssen die Mähre mit und pflegen müssen. Justizentlastung - von allen als kaufen - und die kostet nun, weil sie niemand sonst Sofortmaßnahme angesehen - wird also nur in einem will, 100 000 DM. Als Jurist bin ich mir nicht ganz „Musterlände" unserer Republik eintreten, aber schlüssig: Ist das noch eine Nötigung, oder ist es nicht sofort, weil nötig, sondern in einer fernen Zeit. schon eine Erpressung? Ein Fall für strafrechtliche Bis dahin sind unsere Zivilgerichte endgültig über- Ermittlungen ist es allemal. Und genau das trifft auch lastet, hat der Glaube des Bürgers in die Leistungs- auf die Öffnungsklausel zu. Wer so handelt, wer so fähigkeit der Justiz einen herben Dämpfer bekom- schamlos die Not der Länder ausnutzt, der muß sich men und es geht nichts mehr. Mit dieser unsinnigen den Vorwurf gefallen lassen, daß er in hohem Maße „Öffnungsklausel", die als Modernisierung verkauft unredlich handelt. Das ist von political correctness wird, bewirkt die Koalition, daß in allen anderen Län- keine Spur mehr, das ist Endzeitstimmung. dern, die ihre Hausaufgaben gemacht haben, die Wir wollen die Entlastung der Justiz, und wir wol- moderne Handels- und Grundbuchregister in Vorbe- len sie noch immer. Aber wir sind nicht bereit, den reitung haben, die schon Millionensummen dafür Preis, den die Koalition forde rt, zu zahlen. Auch die aufgewendet haben, alle Modernisierungen gestoppt Bundesländer, mit denen wir in engem und stän- werden. Wer investiert schon in ein Unternehmen, digem Kontakt standen und noch stehen, zahlen das ihm demnächst nicht mehr gehört? All das haben diesen Preis nicht - da können sie sicher sein. Es ist die Experten der Koalition nicht bedacht. Ich frage schade, daß Sie, meine verehrten Kollegen und Kol- mich, ob sie überhaupt gedacht haben. leginnen aus den Koalitionsparteien, nicht den Mut hatten, sich gegen den offensichtlichen Unsinn aus Drittens wird eine Übertragung auf die Handels- dem Justizministerium zur Wehr zu setzen. Wir hät- kammern ein rechtlich fragwürdiges Unternehmen, ten - wie so häufig im Rechtsausschuß - der Öffent- das mit uns nicht läuft. Unser Stolz ist, daß die Richte- lichkeit deutlich machen können, daß wir die Ent- rinnen und Richter, Rechtspflegerinnen und Rechts- scheidung in der Sache auch in Wahlkampfzeiten pfleger, die bei Amtsgerichten die Handelsregister über die Parteipolitik stellen. So haben Sie eine führen, in ihren Entscheidungen nur dem Gesetz ver- große Chance vertan und müssen sich vorhalten pflichtet sind und nicht einem Präsidium. Sie sind un- lassen, durch parteipolitische Ränkespiele einem der abhängig - und wenn Handelsleute beklagen, daß Grundpfeiler unserer Demokratie, der dritten Ge- ihre Anträge nachgebessert werden, dann beweist walt, wieder einmal Schaden zugefügt zu haben. Es das nur, daß die Anträge falsch waren, nicht, daß die wird ein Pyrrhussieg für die Regierungsparteien sein, Justiz zu langsam arbeitet. Das größte Problem aber und nur sie werden sich für kurze Zeit darüber wird nicht die Qualität der Entscheidungen sein, das freuen können. Wir aber werden noch in diesem Jahr größte Problem wird die materielle Abhängigkeit der für eine nachhaltige Entlastung der Justiz Sorge künftigen Entscheider sein. Auch wenn ihre Unab- tragen - derart absurde Ideen wird das Ministerium hängigkeit auf dem Papier garantiert wird - in der der Justiz dann allerdings nicht mehr ausschwitzen. Realität sieht das so aus, wie es der Geschäftsführer einer württembergischen Handelskammer auf meine Anfrage ausdrückte: „Wenn die Personen nicht so Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ent- arbeiten, wie wir uns das vorstellen, müssen wir uns scheidend für die Zustimmung meiner Fraktion zu von ihnen trennen. Weniger genau, nur an den einem weiteren Gesetzentwurf zur Entlastung der Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22389*

Rechtspflege ist die positive Beantwortung der Gleichfalls nicht zu akzeptieren ist, daß die Koali- Frage: Führen die Vorschläge zu einer bürgernahen tion die Bereitschaft zur Verabschiedung des Rechts- und bürgerfreundlichen Justiz, die zeitnah entschei- pflegeentlastungsgesetzes mit der Einführung einer det, in überschaubaren Strukturen organisiert ist und Öffnungsklausel für Modellversuche zur Führung die Unabhängigkeit der Gerichte in Organisation des Handelsregisters und des Genossenschafts- und Verfahren garantiert? Diesem Anliegen wird registers durch die Indust rie- und Handelskammern die zur Abstimmung stehende Beschlußempfehlung verknüpft - wohl wissend, daß die Mehrzahl der Län- - trotz durchaus vorhandener positiver Ansätze - der das eine will, das andere aber mit Vehemenz ab- nicht gerecht. Die Wunschliste der Länder war lang. lehnt. Auch Bündnis 90/Die Grünen lehnen die Über- Längst nicht alle Wünsche stießen auf ungeteilte -tragung weiterer Kompetenzen auf die Industrie Freude im Rechtsausschuß. Das ist auch gut so. Die und Handelskammern mit Nachdruck ab; einen ent- gefundene Lösung enthält durchaus Licht, leider sprechenden Änderungsantrag stellen wir heute zur aber auch viel Schatten. Abstimmung. Hierbei lassen wir uns von folgenden Erwägungen leiten: Bei der Registertätigkeit handelt Zum Licht: Die Stärkung des Einzelrichterprinzips es sich um eine Rechtspflegeaufgabe. Im Hinblick findet unsere Unterstützung. Dieser Weg ist der von auf Rechtsschutz und Rechtssicherheit kann eine den Ländern ebenfalls geforderten erneuten Erhö- solche nur von den Gerichten werden. Im Gegensatz hung der Rechtsmittelsummen eindeutig vorzuzie- zu staatlichen Gerichten sind IHK-Mitarbeiter aber hen. Die Stärkung des Einzelrichterprinzips ist ein nicht weisungsunabhängig. Auch das bewährte Vier- Schritt in Richtung „Dreistufigkeit der Justiz ", die augenprinzip, die Trennung von begutachtender und von uns mittelfristig angestrebt wird. Darüber, daß entscheidender Stelle im Eintragungsverfahren, Entscheidungen des Einzelrichters grundsätzlich würde entfallen. Darüber hinaus führt die Übertra- fehleranfälliger sind als diejenigen des Kollektivs, gung dazu, daß die Investitionen zum Aufbau des gibt es keine Erkenntnisse. Da gesichert ist, daß eine Registers von den Gewerbetreibenden geleistet Rückübertragung auf die Kammer stattfinden kann, -werden, die über ihre Zwangsbeiträge die Industrie findet die vom Rechtsausschuß gefundene Lösung und Handelskammern finanzieren. Hiermit werden unsere Unterstützung. Auch die Einführung der die Gewerbetreibenden zur Finanzierung hoheit- Möglichkeit für die Länder, in bestimmten Verfahren licher Aufgaben herangezogen, die von allen Steuer- mit vergleichsweise niedrigem Streitwert ein dem zahlern zu tragen sind. Im Gegenzug werden die be- Gerichtsverfahren vorgelagerten Schlichtungsver- reits getätigten hohen Investitionen einzelner Länder such zu verlangen, begrüßen wir. Zwar sind hiervon zur Bereitstellung von Mitteln für datentechnische keine Wunder hinsichtlich einer Justizentlastung zu Modernisierungen überflüssig. erwarten, doch dies sollte auch nicht das maßgebli- che Kriterium sein. Es müssen vielmehr alle Möglich- Was sich gerade die Industrie- und Handelskam- keiten ausgeschöpft werden, zu einer für die Parteien mern von der Übertragung neuer Aufgabenbereiche befriedigenden Beendigung eines Streites außerhalb durch den Gesetzgeber versprechen, ist klar: Ange- des formalisierten Gerichtsverfahrens zu gelangen. sichts der massiven Kritik an schlechtem Service und Dies dient dem Rechtsfrieden. in Zwangsbeiträgen, die auch nach der jüngsten Beitragsreform nicht verstummt ist, suchen die Kam- Trotz dieser „lichten Momente" überwiegt aber mern nach neuen Existenzbegründungen. Weil sie der Schatten. Dem Gedanken einer grundlegenden den Wandel nicht aus eigener Kraft schaffen, lassen Neuordnung des zivilgerichtlichen Verfahrens ist der sie sich vom Gesetzgeber unterstützen. Der Anreiz Gesetzgeber wiederum nicht nähergetreten; es wird zum Wandel wird aber immer geringer, je mehr ge- erneut im wesentlichen Feuerwehr gespielt. setzlich garantierte Aufgaben der Gesetzgeber den Für Bündnis 90/Die Grünen ist nicht zu akzeptie- Kammern zuweist. Hierbei machen Bündnis 90/Die ren, daß die Möglichkeit, im Urteil sowohl auf Tatbe- Grünen nicht mit. stand wie auch auf Entscheidungsgründe zu verzich- ten, noch weiter ausgedehnt wird. Diese Möglichkeit Dr. Uwe-Jens Heuer (PDS): Eigentlich ist schon besteht bislang „nur" in nicht rechtsmittelfähigen lange eine grundlegende Reform des Justizwesens Verfahren sowie dann, wenn die Parteien hierauf nötig - und zwar eine Reform hin zu mehr Demokratie, verzichten. Nun soll eine Ausweitung auf die Fälle Durchschaubarkeit für den Rechtsuchenden und Be- vorgenommen werden, in denen „ihr wesentlicher troffenen, zu Modernität und Vereinfachung bei voller Inhalt ins Protokoll aufgenommen wurde". Doch be- Wahrung der Rechtsstaatlichkeit. Was aber in diesem reits das geltende Recht geht zu weit. Es ist doch Hause geschieht, ist nichts weiter als ein dauerndes wohl keine Zumutung für die Richterschaft, wenn Herumdoktern an einzelnen Strukturen und Verfah- man von ihr verlangt, daß sie ihre Entscheidung zu- ren der Justiz. Dabei steht ein Spareffekt im Vorder- mindest kurz schriftlich begründet und darlegt, wel- grund, der meist gar nicht eintritt. Die Rechtssicher- chen Sachverhalt sie überhaupt der Entscheidung heit bleibt mehr und mehr auf der Strecke. Das trifft zugrundelegt. Hieran haben die Bürgerinnen und auch auf die beiden Gesetzentwürfe zu. Bürger ein berechtigtes Interesse. Durch einen im- mer weitergehenden Verzicht auf die inhaltlichen Angesichts zunehmender Geschäftsbelastung der Anforderungen an ein Urteil leisten wir einen Beitrag -Gerichte und des drastischen Abbaus der Richter zur Verringerung der Akzeptanz der Entscheidun- und Staatsanwaltsstellen erklärte kürzlich der Vorsit- gen. Damit wird dem Rechtsstaat und dem Vertrauen zende des Deutschen Richterbundes, Rainer Voss: der Bürgerinnen und Bürger in diesen ein Bären- „Aufs Ganze gesehen, führt kein Weg an der Fest- dienst erwiesen. stellung vorbei, daß die Justiz sich in schweren Fahr- 22390* Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 wassern befindet, daß wir es mit einem schleichen- mit ihrem Anliegen zur Vereinfachung der Rechts- den Verlust von Rechtsschutz zu tun haben." Quelle: pflege, insbesondere der außergerichtlichen Streit- „Neue Justiz 6/1998, Seite 289. Er warf den politisch beilegung, erpreßbar gemacht werden. Verantwortlichen in Bund und Ländern vor, daß sie eines übersehen: „Rechtsgewährung gehört zu den originären Aufgaben des Staates, die er vor allen an- Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Bundesminister der Justiz: deren zu erfüllen hat. Eine funktionsfähige Justiz ist Das vor Ihnen liegende Paket zur Vereinfa- chung des zivilprozessualen Verfahrens geht auf eine ein Essential des Rechtsstaates, das nicht hinweg- gedacht werden kann, ohne daß dieser zusammen- Initiative des Bundesrates zurück, auf den Wunsch brechen würde." Soweit Voss. der Länder, die Ziviljustiz aus Kostengründen weiter zu entlasten. Wir begrüßen - wie ich schon in der ersten Lesung Diesem Wunsch verschließt sich die Bundesregie- sagte - die Förderung der außergerichtlichen Streit- rung nicht, weil den Ländern eine Kompensation für beilegung aus dem prinzipiellen Grund, daß sie auf die Belastungen durch die Insolvenzrechtsreform zu- freiwillige Vereinbarung und fairen Interessenaus- gesagt wurde. Das neue Insolvenzrecht muß pünkt- gleich orientiert. In der DDR wurden damit gute Er- lich zum 1. Januar 1999 in Kraft treten, damit die fahrungen gemacht, allerdings weniger im Zivilrecht. Sanierung von Unternehmen Vorrang vor der Ab- Ob ein obligatorisches Streitschlichtungsverfahren wicklung erhält. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt zu personellen und finanziellen Entlastungen führt, zeigt allzu deutlich, daß wir im Bereich unserer wage ich zu bezweifeln. Ich anerkenne auch, daß der Unternehmen viel stärker als bisher erhalten müssen, Entwurf im Verlauf der Beratungen im Rechtsaus- was erhaltenswert ist. Die vorgesehenen Ent- schuß einige Verbesserungen erfahren hat. lastungsmaßnahmen sind ein Kompromiß gegenüber Aber der nach wie vor angestrebte Abbau des Kol- noch weitergehenden Wünschen der Länder. legialprinzips ermöglicht es uns nicht, dem Entwurf Erstens. Mit der Stärkung des Einzelrichterprin- unsere Zustimmung zu geben. In Ziffer 24 ist vorge- zips, der Erhöhung von Rechtsmittelsummen und sehen, daß ein Einzelrichter für erstinstanzliche Zivil- ähnlichen Maßnahmen werden lediglich vorhandene sachen vor dem Landgericht bis zu einem Streitwert Schneiden im System unseres rechtsstaatlichen Zivil- von 30 000 DM zuständig ist. Die Ziffern 25 und 33 prozeßrechts verbreitet. Es wird dabei um Himmels sehen ebenfalls das Einzelrichterprinzip vor. Bei aller willen nicht die Axt an Teile des Rechtsstaates ge- Achtung vor den Fähigkeiten jedes Richters: Es kann legt. Allerdings müssen wir in Zukunft um so intensi- kein Zweifel darüber bestehen, daß ein Kollegium, ver darauf achten, daß wir nicht statt eines Waldes eine Kammer eher die Richtigkeit einer Entschei- ein Gewirr von Schneisen vorfinden. Ohne eine funk- dung gewährleisten und mehr Rechtssicherheit ver- tionierende Justiz kann der Rechtsstaat seine frie- bürgen. Und darauf sollte es ankommen. Wir werden denstiftende Funktion nicht erfüllen. uns der Stimme enthalten. Zweitens. Deshalb enthält der vor Ihnen liegende Die zahlreichen Änderungen, vor allem des Straf- Entwurf über die ausgetretenen Pfade hinaus neue prozeßrechts, mittels derer nach Meinung des Bun- innovative Ansätze zur Justizentlastung. Auf der desrates die Strafverfahren gestrafft und effizienter 66. Justizministerkonferenz in Dessau im Juni 1995 gestaltet werden sollen, fügen sich nach meiner Über- hatten wir uns im Kreis der Justizminister auf die Ein- zeugung nicht zu einer akzeptablen Gesamtkonzep- führung einer obligatorischen außergerichtlichen tion zusammen. Dabei übersehe ich nicht, daß einige Streitschlichtung bei geringen Streitwerten und in sehr begrüßenswe rte Vorschläge gemacht werden, Nachbarschaftssachen geeinigt. Der Entwurf setzt wie die Öffnung des Katalogs des § 153 a StPO. dies mit Hilfe einer Experimentierklausel um, die Regelungen wie die unverzügliche Geltendma- den Ländern die Einführung der obligatorischen chung der Richterablehnung würden augenschein- außergerichtlichen Streitbeilegung ermöglicht. Ich lich angesichts zu erwartender „vorsorglicher" Ab- will gar nicht leugnen, daß mein Haus hier in erheb- lehnungsanträge sogar in bezug auf das Ziel des lichem Umfang Formulierungshilfe geleistet hat und Gesetzentwurfs kontraproduktiv wirken. das Ergebnis meine ausdrückliche Billigung findet. Für besonders bedenklich halte ich die Tendenz, Der im Gesetz enthaltene bundesrechtliche Rah- unter Preisgabe von Verteidigungsrechten Entla- men ist so offen angelegt, daß die ausführenden Län- stungseffekte erreichen zu wollen. Die Ausdehnung der das für sie beste Modell entwickeln und auspro- der Ausnahmeberufung zum Beispiel wie auch die bieren können. Insoweit wird Wettbewerb eröffnet. Ablehnung eines Beweisantrages wegen Prozeß- Nur in einem Konkurrenzföderalismus können sich verschleppung „nach der freien Würdigung des Ge- bessere Ideen entwickeln und durchsetzen. Dies ist richts" sind für mich inakzeptabel. in meinen Augen der richtige Weg. Es sollen mög- lichst umfangreiche Erfahrungen gesammelt und Absolut nicht einverstanden sind wir mit der gleichzeitig soll den Besonderheiten jedes Landes Draufsattelung eines Art. 8 a im Entwurf des zivil- Rechnung getragen werden. Ich freue mich beson- rechtlichen Vereinfachungsgesetzes. Mit diesem ders, daß es offenbar in einzelnen Ländern gelingt, Artikel soll erst einmal in Baden-Württemberg der vorhandene Schlichtungsstrukturen zum Beispiel der Einstieg in die Privatisierung der Führung des Han- Anwaltschaft, der Wirtschaftsbranchen oder der In- delsregisters ermöglicht werden. Die Länder sollen dustrie- und Handelskammern in das vorgeschla- - und dies wurde im Rechtsausschuß ganz unverhoh- gene System der außergerichtlichen Streitbeilegung len erklärt - durch die Koppelung dieses Vorhabens einzubinden. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22391*

Drittens. Ein anderer erfolgversprechender Weg sen, soll der Bürger, so wie bisher, seine Ansprüche zur Entlastung der Justiz ist die „Entjustitialisierung" schnell und zuverlässig gerichtlich durchsetzen solcher Aufgaben, die von der Sache her durchaus können. nicht zwingend von den Gerichten wahrgenommen werden müssen. Ich hatte bereits im vergangenen Die so gern von, den Ländern in diesem Zusam- Jahr einen Gesetzentwurf vorgelegt, der den Län- menhang geforderte Mobilisierung von Binnenreser- dern die Übertragung der Handelsregister auf Dritte ven ist längst in vollem Gange. Die Länder unterneh- ermöglicht. Auf Initiative meines Kollegen Ul rich men seit Jahren erhebliche Anstrengungen zu einer Goll aus Baden-Württemberg hat der Rechts- Modernisierung der Justiz. So sind beispielsweise in ausschuß dies wieder aufgegriffen, nachdem sich der Justiz Sachsens derzeit mehr als 60 Prozent der Baden-Württemberg und Bayern zu solchen Pilot- Arbeitsplätze mit Bildschirmen ausgestattet. Sämt- projekten bereit erklärt haben. In diesem Entwurf ist liche Grundbuchämter und Handelsregistergerichte vorgesehen, den Ländern zeitlich bef ristete Modell- arbeiten auf der Basis elektronischer Datenverarbei- versuche zur Führung des Handelsregisters durch tung. Die Grundbuchämter sind mit den jeweils zu- die Industrie- und Handelskammern und Hand- gehörigen Katasterämtern datentechnisch vernetzt. werkskammern zu ermöglichen. Auf diese Weise Die Einführung des papierlosen Grundbuchs ist in kann nach langer Diskussion bewiesen werden, daß einigen Ländern schon ein gutes Stück vorangekom- die Übertragung des Handelsregisters auf die Selbst- men. Die Voraussetzungen für ein elektronisches verwaltungskörperschaften der gewerblichen Wi rt Handelsregister werden zur Zeit geschaffen. Die -schaft ein Beitrag zum schlanken Staat ist. Die Über- Verbesserung der Organisationsabläufe in der Justiz tragung bietet auch die Chance für eine moderne, wird konsequent vorangetrieben. wirtschaftsnahe und vollautomatisierte Führung des Die notwendige Entlastung der Gerichte ist aber Handelsregisters. Auf der anderen Seite können allein auf diese Weise nicht zu schaffen. Der wach- dadurch bei den Amtsgerichten gerade die für die senden Zahl von Gerichtsverfahren kann angesichts Umsetzung der Insolvenzrechtsreform benötigten der Lage der öffentlichen Finanzen auch nicht mehr Rechtspflegestellen freigesetzt werden. mit Personalmehrungen begegnet werden. Das ist Besonders hat mich gefreut, daß dieses Vorhaben meines Erachtens auch von der Sache her nicht wün- offenbar auch bei den A-Ländern zunehmend auf schenswert und nicht der richtige Weg. Bereits heute Sympathie stößt. Der Chef der Staatskanzlei des Lan- hat Deutschland mit 27 Richtern auf 100 000 Einwoh- des Niedersachsen hat unter ausdrücklicher Bezug- nern mit die höchste Richterdichte nicht nur Europas, nahme auf seinen Ministerpräsidenten - und dies ist sondern der ganzen Welt. im Kreis der A-Länder natürlich von besonderem Ge- Vor diesem Hintergrund hat der Bundesrat den wicht - mit einem Schreiben vom 19. Mai des Jahres Entwurf eines Gesetzes zur Vereinfachung des zivil- die Einführung von Modellversuchen unterstützt. gerichtlichen Verfahrens und des Verfahrens der frei- Insgesamt werden den Ländern damit hinrei- willigen Gerichtsbarkeit vorgelegt. Kernstücke des chende, verträgliche und auch neue Möglichkeiten Entwurfs sind die Stärkung des Einzelrichterprinzips, der Justizentlastung an die Hand gegeben. Wenn wir die verantwortungsvolle Einschränkung von Rechts- auch in Zukunft die Qualität unserer Justiz bei be- mitteln in Verfahren, bei denen die Kosten außer grenzten finanziellen Mitteln sichern wollen, werden Verhältnis zu der Bedeutung der Sache stehen, und wir aber in noch größerem Maße innovative Wege die Förderung der außergerichtlichen Streitbei- beschreiten und zu echten Reformen kommen legung durch Einführung einer Öffnungsklausel, die müssen. dem Landesgesetzgeber die Einführung obligato- rischer Schlichtungsverfahren in dafür geeigneten Bereichen ermöglicht. Staatsminister Günter Meyer (Sachsen): Eine funktionierende Rechtspflege ist eine wesentliche Der Rechtsausschuß des Bundestages hat diesem Voraussetzung für das Vertrauen des Bürgers in den Gesetzentwurf, der der Justiz die dringend benötigte Staat. Der Bürger hat einen Anspruch darauf, daß in Entlastung bringen sollte, wesentliche Elemente ge- seinem Verfahren möglichst bald und schnell Recht nommen. So wäre eine erhebliche Entlastung von gesprochen wird. Diesem Anspruch haben die Ge- der vom Bundesrat vorgesehenen Anhebung des Be- richte bisher in bewundernswerter Weise in großen schwerdewertes für Berufungen auf 2000 DM und für Anstrengungen genügt, obwohl ihnen ihre Arbeit be- andere Kostenentscheidungen als Kostengrundent- ständig erschwert wurde. Die Belastung der Gerichte scheidungen auf 300 DM zu erwarten. Die Grenzen verschärft sich Jahr für Jahr. Gerade in Ostdeutsch- für die Einlegung von Rechtsmitteln würden so der land steigen die Eingangszahlen pro Kopf der Bevöl- wirtschaftlichen Bedeutung der jeweiligen Sache an- kerung bei fast allen Gerichtsbarkeiten wegen der gepaßt. In der vom Rechtsausschuß beschlossenen noch ungefestigten Verhältnisse noch über das west- Fassung finden sich diese wichtigen Änderungen deutsche Niveau. Durch personalintensive Aufgaben nicht wieder. Überzeugende Gründe für diese Ent- wird diese Belastung zusätzlich und zum Teil unnötig scheidungen sucht man vergebens. In dem ursprüng- verschärft. So muß die Justiz seit 1992 die außeror- lichen Entwurf war ebenfalls vorgesehen, auch im dentlich kostenträchtige Reform des Betreuungs- Berufungsverfahren vor dem Landgericht eine Sache rechts verkraften. Die nächste große Belastungs- dem Einzelrichter ohne Zustimmung der Parteien zur probe steht mit dem Inkrafttreten der Insolvenzord- Entscheidung übertragen zu können. Nach der vom nung am 1. Januar 1999 vor der Tür. Die Justiz ist in Rechtsausschuß beschlossenen Fassung soll aber dieser Situation dringend auf Entlastung angewie- eine solche Übertragung scheitern, wenn eine der 22392* Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Parteien ihr widersp richt. Die Entlastungswirkung standort Deutschlands wären Modellversuche in ein- der Regelung wird dadurch ohne trifftigen Grund zelnen Ländern oder in einzelnen Bezirken schäd- stark eingeschränkt. Auch nach der im Bundesrat lich. Antragsteller für Registereintragungen müßten vorgeschlagenen Regelung ist nämlich sichergestellt, ebenso wie Auskunftsuchende erst ermitteln, an daß in bedeutenden Sachen die Kammer selbst ent- welche Stelle sie sich wenden müssen. Im übrigen ist scheidet. nicht zu erwarten, daß Modellversuche neue Er- Auch die Ablehnung zahlreicher weiterer Verein- kenntnisse brächten. Sollte die Handelsregisterfüh- fachungsvorschriften ist nur schwer nachvollziehbar. rung auf die IHK übertragen werden, wären die er- Dennoch könnte der Gesetzentwurf in dieser stark heblichen Investitionen, die unter anderem Sachsen reduzierten Fassung noch immer eine gewisse Justiz- für die Entwicklung eines elektronischen Handels- entlastung bringen. So sollen künftig bei den Land- registers aufgewendet hat, sinnlos vergeudet. gerichten alle Verfahren, die keine besonderen Auch um den Preis einer gewissen Entlastung Schwierigkeiten aufweisen und keine grundsätzliche durch diejenigen Vereinfachungsregelungen, die in Bedeutung haben, vom Einzelrichter entschieden der vom Rechtsausschuß beschlossenen Fassung des werden. Der Beschwerdewert für Kostengrundent- Entwurfs noch übriggeblieben sind, kann dies nicht scheidungen soll eine Anhebung auf den vernünf- hingenommen werden. Wenig Verständnis habe ich tigen Betrag von 500 DM erfahren. Zur Förderung auch für das vom Rechtsausschuß den Notaren zuge- der außergerichtlichen Streitbeilegung enthält der dachte finanzielle Bonbon, den Antrag auf Erb- Gesetzentwurf auch in der vom Rechtsausschuß be- scheinserteilung dem Formerfordernis der notariellen schlossenen Fassung eine Öffnungsklausel, die es Beurkundung zu unterwerfen und den Notaren die den Ländern ermöglichen soll, ein obligatorisches alleinige Zuständigkeit für die Entgegennahme außergerichtliches Güteverfahren einzuführen, und eidesstattlicher Versicherungen im Zusammenhang zwar für Bagatellstreitigkeiten mit einem Streitwert mit der Erteilung von Erbscheinen einzuräumen. Ob von bis zu 1500 DM sowie für Nachbarstreitigkeiten. diese Regelung der Entlastung der Gerichte dienen Bestimmte Streitgegenstände sollen dabei ausge- soll und dient, erscheint mehr als fraglich. nommen werden. Diese Regelung kann - allerdings nur langfristig - eine Entlastung für die Justiz brin- Der Rechtsausschuß könnte sich verrechnet haben, gen. Außergerichtliche Streitschlichtung dient aber wenn er annimmt, die Länder würden in ihrer auch den Bürgern. Die Schlichtungsstellen können Finanznot dies alles hinzunehmen bereit sein. Konflikte schneller und kostengünstiger bereinigen Ich appelliere dringend an den Bundestag, dieses als die Gerichte. Vermittelnde Lösungen unter Mit- länderfeindliche Spiel nicht mitzumachen und den wirkung der Parteien können in manchen Fällen Ländern die dringend benötigte Justizentlastung eher dauerhaften Frieden schaffen als gerichtliche nicht zu verweigern. Ich appelliere an den Bun- Entscheidungen. Die Änderungen, die diese Öff- destag, das Paket wieder aufzuschnüren und das nungsklausel durch den Rechtsausschuß erfahren Rechtspflegevereinfachungsgesetz und das Handels- hat, wurden mit den Ländern im einzelnen abge- registermodellversuchsgesetz gesondert zu behan- stimmt. deln. Auch die etwas gezauste Fassung des Gesetzent- wurfs würde von den Ländern mit Blick auf die Not der Justiz noch begrüßt, hätte der Rechtsausschuß dem Entwurf nicht noch ein Kuckucksei beigegeben, das seinen Charakter grundlegend verändert. Der Anlage 8 Rechtsausschuß hat dem Entwurf eine Öffnungs- klausel angehängt, die die Übertragung der Aufga- Zu Protokoll gegebene Reden ben des Handels- und Genossenschaftsregisters auf zu Zusatztagesordnungspunkt 12 die IHK und die Handelskammern ermöglichen soll. (Vermögensrechtsbereinigungsgesetz) Fast alle Länder und nahezu alle beteiligten Ver- bände haben eine solche Öffnungsklausel strikt ab- Mit dem „Vermö- gelehnt. Die Bedeutung der Registereintragungen Dr. Michael Luther (CDU/CSU): gensrechtsbereinigungsgesetz" setzen wir heute für den Privatrechtsverkehr erfordert eine unmittel- einen weiteren Baustein in das Rechtsgebäude, das bare hoheitliche Aufgabenerfüllung, die von einer wir durch den Einigungsvertrag zu bauen aufgefor- neutralen Stelle vorgenommen werden muß. Mit dert sind. Die offenen Vermögensfragen werfen in ih- einer Übertragung wäre auch keine Deregulierung rer praktischen Umsetzung nach wie vor Probleme und Entlastung der Justiz verbunden; der DIHT hat auf. Auch acht Jahre nach der deutschen Einheit vielmehr bei der Anhörung im Rechtsausschuß des zeigt es sich, daß dem Unrecht, was Sozialismus hin- Bundestages deutlich gemacht, daß er die Einarbei- terlassen hat, zwar mit den Mitteln eines demokra- tung durch die Justiz erwarte und die versierten Mit- tischen Staates begegnet werden kann, sich aber arbeiter der Registergerichte zu übernehmen beab- dieser Prozeß als sehr schwierig herausstellt. sichtige. Auf die Justiz kämen zunächst erhebliche Mehrbelastungen zu. Ohne eine Reduzierung staatli- Das Vermögensrechtsbereinigungsgesetz in sei- cher Aufgaben würde die Registerführung von einer nem Kern, in der Vorlage der Bundesregierung mit öffentlich-rechtlichen Körperschaft auf eine andere den Ergänzungen des Bundesrates, setzt unsere Be- übertragen. Hinzu kommt, daß der aufwendige Um- mühungen als Deutscher Bundestag fo rt, durch Klar- stellungsprozeß langjährige Übergangsprobleme für stellungen, Ergänzungen und technische Verbesse- die Wirtschaft zur Folge hätte. Für den Wirtschafts- rungen der gesetzlichen Regelungen, inzwischen Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22393* eingetretene rechtliche und tatsächliche Entwicklun- Lösung herbeiführen zu wollen. Ich stelle fest, es be- gen zur Beseitigung von Auslegungsschwierigkeiten steht durch diese zweijährige Verlängerung keine sowie zur Vereinfachung und Beschleunigung des Gefahr in Verzug, da das Morato rium jederzeit weiter Verfahrens beizutragen. verlängert werden kann. Dann müßten wir den Be- troffenen allerdings begründen, warum wir dann Dankenswerterweise ist es gelungen, hier politi- zehn Jahre nach der deutschen Einheit immer noch schen Streit außen vor zu lassen. Insoweit konnten keinen Abschluß dieser Fragen gefunden hätten. diese Regelungen mit breiter Mehrheit im Rechtsaus- schuß verabschiedet werden. Zweitens. Ich bin froh, daß wir mit diesem Gesetz eine weitere wichtige Frage klären können. Das Ver- Aus dem Einigungsvertrag und den Folgegesetz- mögensgesetz ordnet im Falle diskriminierender gebungen und bestimmten Fristsetzungen ergeben - entschädigungsloser - Enteignung die Rücküber- sich aber für uns noch darüber hinaus vor Ende der tragung an. Gleichwohl wird aber auch festgestellt, Legislaturperiode Handlungsnotwendigkeiten. daß eine Enteignung bei der dem Enteigneten eine Erstens. Das Zivilgesetzbuch der DDR kannte das Entschädigung zugestanden ist, auch wenn diese Auseinanderfallen von Haus bzw. baulicher Anlage nicht geleistet worden ist, nicht diskriminierend ist und Grundstück. Mit dem Sachenrechtsbereini- und somit keine Restitution erfolgen kann. Dem Ent- gungsgesetz haben wir dem Auftrag des Einigungs- eigneten steht heute nach wie vor diese Entschädi- vertrages folgend eine rechtliche Zusammenführung gung zu. Allerdings bekommt der Enteignete auch von Haus und Grund vorgenommen, sowie es das heute nichts, weil ein trefflicher Streit darüber ent- BGB kennt. Offengeblieben sind jedoch Verhält- standen ist, ob der Erblastentilgungsfonds oder das nisse, wo sich öffentlich genutzte bauliche Anlagen enteignete Grundstück für diese geringe Entschädi- und Gebäude auf fremdem p rivaten Grundstück be- gung haftet. Dem Streit wird mit dem neuen § 1 c des finden. Vermögenszuordnungsgesetzes „Erfüllung stecken- gebliebener Entschädigungen" ein Ende gesetzt. 1994 konnte diesbezüglich im Rahmen des Sa- chenrechtsbereinigungsgesetzes keine abschlie- Nun schreien die heutigen öffentlichen Eigen- ßende Regelung gefunden werden, so daß wir im tümer dieser Grundstücke, weil sie eine eins zu zwei EGBGB mit Artikel 233 § 2 a Abs. 9 ein Morato rium abgewertete Entschädigung nach DDR-Maßstäben eingeführt haben, welches diese öffentliche Nutzung leisten müssen. Ich würde mich schämen, wenn man zum Beispiel von Straßen oder Rathäusern schützt. einerseits werthaltige Immobilien in Besitz genom- Eine Folge ist, daß die Eigentümer solcher Grund- men hat und andererseits nicht bereit ist, nicht mehr stücke bis heute faktisch kein Nutzungsentgelt für als ein Trinkgeld an den Enteigneten zu zahlen. Ich die Benutzung ihres Grundstücks durch die öffent- empfehle demjenigen, dem das zu teuer ist, die Im- liche Hand erhalten. Schon deshalb ist es geboten, mobilie an den ursprünglichen Eigentümer zurück- zügig eine gesetzliche Klärung dieses Nutzer-Eigen- zuübertragen. tümer-Verhältnisses im Sinne des Sachenrechtsberei- Drittens. Im Immobilienrechtsbereinigungsgesetz nigungsgesetzes herbeizuführen. sollen weiter Probleme gelöst werden. Ich spreche Die Bundesregierung hat mit dem Entwurf eines hier von den Novellierungsbedarf des Schuldrechts- Immobilienrechtsbereinigungsgesetzes, welches der anpassungsgesetzes. Nach wie vor sind eine Reihe interessierten Öffentlichkeit vorgestellt worden ist, von Nutzungsverhältnissen zwischen Grundstücks- eine Lösung zur Diskussion gestellt, die sich nach nutzern und Grundstückseigentümer sehr streitbe- den Prinzipien des Sachenrechtsbereinigungsgeset- fangen. zes richtet. Was dem p rivaten Einfamilienhausnutzer Es ist festzustellen, daß durch interessierte Kreise zugemutet wird, ist jedoch den öffentlichen Nutzern Verhetzung und Verunsicherung geschürt wird. Das zu teuer. Deshalb stießen die sachgerechten Vor- Schuldrechtsanpassungsgesetz und die Nutzungs- schläge der Bundesregierung auf Ablehnung. Auf entgeltverordnung lassen einen vernünftigen Um- Grund dessen zeichnet sich hier noch ein erhebliches gang miteinander zu, und ich versuche als Politiker Streitpotential mit dem Bundesrat ab, was eine län- diese Vernunft auch zu fördern. Ich weiß, daß in vie- gere parlamentarische Beratungszeit vermuten läßt. len Fällen vernünftige Nutzungsentgelte vereinbart Deshalb kann dieses Projekt in dieser Legislatur- sind oder daß man sich vernünftigerweise über einen periode nicht zu Ende gebracht werden. Verkauf des Grundstücks an den Nutzer einigen Somit stehen wir vor dem Problem, das erwähnte konnte. Ich denke, dieses Vorgehen ist im Sinne des Moratorium verlängern zu müssen. Wir haben jetzt Schuldrechtsanpassungsgesetzes. also das Vermögensrechtsbereinigungsgesetz als Weiterhin ist festzustellen, daß ein Gesetz nicht Standort benutzen müssen, um das sogenannte Mora- alle Einzelfälle lösen kann. Manchmal ist es aus ob- torium um zwei Jahre zu verlängern, um Zeit zu haben, jektiven Gründen notwendig, daß Erholungsgrund- das Immobilienrechtsbereinigungsgesetz im Herbst stücke durch den Nutzer aufgegeben werden müs- dieses Jahres im Bundestag erneut aufrufen zu können sen. Der Nutzer, der mitunter viel für dieses Grund- und im Interesse von Grundstückseigentümern und stück geleistet hat, sollte dafür auch eine Entschädi- Kommunen eine Lösung des Problems zu suchen. gung bekommen können, was aber nicht in jedem Dafür sind zwei Jahre genug. Bei mir erhebt sich Fall Sinn macht. Würde der Grundstückseigentümer der Verdacht, daß das Ansinnen der SPD, das Mora- so wie es die Allianz aus SPD und PDS vorschlägt, torium noch darüber hinaus zu verlängern, davon be- per Gesetz verpflichtet werden, bei einer Nutzungs- seelt ist, auch in der nächsten Legislaturpe riode keine aufgabe durch den Nutzer in jedem Fall Entschä- 22394* Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 digung leisten und Abrißkosten tragen zu müssen, Ebenfalls keine Einigung kann es darüber geben, ohne daß hinterfragt wird, ob zum Beispiel das daß keine Regelungen über einen besseren Natur- Grundstück überhaupt noch als Erholungsgrund- schutz in das Gesetz eingefügt werden sollen. Die stück nutzbar ist, würde der Grundstückseigentümer Koalition hat in den Berichterstattergesprächen und per Gesetzesvorschrift ruiniert werden. Das ist ver- in der abschließenden Beratung des Rechtsausschus- fassungswidrig und wird deshalb von der CDU/CSU- ses am Mittwoch dieser Woche die diesbezüglichen Bundestagsfraktion abgelehnt. Vorschläge - ich erinnere an die Anträge auf den Drucksachen 13/10329 und 13/7304 sowie an den Gleichwohl, so meine ich, müssen wir über die da- Änderungsantrag auf Drucksache 13/11063 - ab- mit im Zusammenhang stehenden Fragen weiter be- gelehnt. Wir stellen den Änderungsantrag zur Ver- raten. Dazu sind wir und, wie das das Immobilien- besserung beim Nutzerschutz heute in der zweiten rechtsbereinigungsgesetz zeigt, die Bundesregie- Lesung erneut und werden unser Votum vom Ab- rung bereit. Auch dieses Thema müssen wir leider in stimmungsverhalten der CDU/CSU- und F.D.P.- die nächste Legislaturpe riode verschieben. Zumin- Abgeordneten abhängig machen. dest sollten wir, bevor wir etwas ins Gesetz überneh- men, die Betroffenen, also sowohl die Nutzer als Seit über acht Jahren hat sich die SPD-Bundestags- auch die privaten und die öffentlichen Grundstücks- fraktion mit einer Vielzahl parlamentarischer Initia- eigentümer, dazu hören. Der Antrag der SPD ist also tiven dafür eingesetzt, die offenen Vermögensfragen weder so inhaltlich hinnehmbar noch entspricht in den neuen Ländern sozialverträglich zu lösen und die Vorgehensweise einfachsten Grundregeln unse- die von der Regierungskoalition zugelassenen Rege- rer parlamentarischen Demokratie. Der Antrag der lungsdefizite zu beseitigen. Insbesondere traten und Allianz aus SPD und PDS ist ein Schaufensterantrag treten wir Sozialdemokraten dafür ein, die über Jahre und politisch unseriös und deshalb von uns abzu- gewachsenen Lebensrealitäten in den neuen Ländern lehnen. zu berücksichtigen und die berechtigten Interessen der redlichen Nutzer und Erwerber zu schützen. Das Vermögensrechtsbereinigungsgesetz ist ein weiterer wichtiger Schritt auf dem Weg der inneren Wir nutzen jetzt die letzte Möglichkeit in dieser Einheit Deutschlands auf rechtlichem Gebiet. Es ist Legislaturperiode, durch einen Antrag zum Vermö- aber nicht das letzte Mal, daß wir uns mit Sozialismus gensrechtsbereinigungsgesetz wenigstens die gra- auf deutschem Boden und deren Folgen beschäfti- vierendsten Mängel auf diesem Gebiet zu beheben. gen müssen. Wir wollen vor allem erreichen, daß der Nutzer auch dann für seine baulichen und sonstigen Auf- Hans-Joachim Hacker (SPD): Kurz vor Ende der wendungen in das Grundstück zum Zeitwert ent- Legislaturperiode kommt endlich das im vorigen Jahr schädigt wird, wenn er selbst aus finanziellen Grün- von der Bundesregierung angekündigte Vermögens- den die Nutzung des Grundstücks nicht fortsetzen rechtsbereinigungsgesetz ins Plenum. kann und deshalb das Nutzungsverhältnis vor Ab- Der Gesetzentwurf ist der Versuch - allerdings lük- lauf der Kündigungsschutzfrist kündigt. Gegen- kenhaft und damit untauglich -, Vermögens- und wärtig gilt dies nur bei Kündigungen durch den Immobilienrechtsprobleme nun abschließend lösen Grundstückseigentümer. zu wollen. Es gibt bei einer ganzen Reihe von Rege- Ferner wollen wir erreichen, daß der Nutzer eines lungstatbeständen Übereinstimmung. Hierzu zählen Erholungs- oder Garagengrundstücks nicht mehr wie insbesondere die Bestimmungen in Art. 1, die Ände- gegenwärtig die Hälfte der Abrißkosten eines Bau- rung des Vermögensgesetzes. Als regelungsbedürf- werks tragen muß, wenn er entweder das Vertrags- tig werden auch von der SPD die Klarstellungen zu verhältnis selbst kündigt oder der Grundstückseigen- den Grundpfandrechten der umgewandelten volks- tümer ihm nach Ablauf der Kündigungsschutzfrist eigenen Kreditinstitute und die Verlängerung des zu- kündigt bzw. er durch sein Verhalten Anlaß zu einer gunsten der öffentlichen Hand bestehenden Besitz- außerordentlichen Kündigung gegeben hat und der rechtsmoratoriums angesehen. Beim Morato rium gab Abbruch der Baulichkeit innerhalb eines Jahres nach es lediglich unterschiedliche Vorstellungen über den Besitzübergang vorgenommen wird. Verlängerungszeitraum. Hier hätte es bei gutem Willen der Koalitionsseite eine Verständigung geben Wir wollen zudem, daß der Nutzer bei Erhöhung können. des Nutzungsentgelts durch den Grundstückseigen- tümer von diesem die Erlaubnis zur entgeltlichen Was ich Ihnen unmißverständlich sagen will: Mit Überlassung des Grundstückes oder eines Grund- der SPD-Bundestagsfraktion kann es keine Einigung stücksteils an einen Dritten bzw. bei einer Nutzungs- darüber geben, daß in § 1 c des Vermögenszuord- fläche von über 800 Quadratmetern eine Beschrän- nungsgesetzes klargestellt werden soll, daß noch kung des Nutzungsverhältnisses auf eine Teilfläche nicht erfüllte DDR-Entschädigungen grundsätzlich verlangen kann, wenn die Restfläche angemessen vom Träger der öffentlichen Verwaltung zu leisten nutzbar oder wirtschaftlich verwertbar ist. sind, dem der enteignete Vermögenswert auf Grund der Bestimmungen des Einigungsvertrages zugeord- Weiter wollen wir erreichen, daß räumlich und zeit- net worden ist. Für diese Verpflichtung haftete die lich zusammenhängende bauliche Investitionen des DDR als zentralistischer Staat. Diese Verbindlich- Nutzers als einheitliche Investitionen gelten, wenn es keiten, die auch nach meiner Vorstellung abgelöst um die Würdigung der durchgeführten Maßnahmen werden müssen, gehören jedoch in den Entschädi- des Nutzers - Aus- und Umbauten - nach § 12 des gungsfonds. Sachenrechtsbereinigungsgesetzes geht. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22395*

Da die von der SPD vorgeschlagenen dringend Bundesregierung, ihre ureigene, von der DDR über- notwendigen Änderungen im Gesetzentwurf nicht nommene Verantwortung für die ausgebliebenen berücksichtigt wurden, mußten die SPD-Vertreter im Entschädigungen nun auf die Kommunen abzuwäl- Rechtsausschuß dem Gesetzentwurf ihre Zustim- zen. Die noch zu leistenden DDR-Entschädigungen mung versagen. Allein die Tatsache, daß die Damen sind aber Verbindlichkeiten des Bundes. Deshalb und Herren von der Koalition auf meinen Vorschlag muß der Bund zu diesen Verbindlichkeiten stehen. für einen Entschließungsantrag zur Überprüfung Eine saubere und rechtlich einwandfreie Lösung der Nutzungsentgeltverordnung und zu möglichen wäre die Übernahme dieser Verbindlichkeiten in den Änderungen eingehen, genügt nicht, Ihrem Gesetz- Entschädigungsfonds oder in den Erblastentilgungs- entwurf zuzustimmen. fonds gemäß Art. 23 des Einigungsvertrages. So aber soll der Entschädigungsfonds zu Lasten der Kommu- Wenn Sie auch in der zweiten Lesung unserem Än- nen vor den Ansprüchen der Gläubiger geschützt derungsantrag zum Nutzerschutz die Zustimmung werden. Denn der Entwurf der Bundesregierung verweigern, werden wir den Gesetzentwurf ab- sieht nunmehr vor, daß der Entschädigungsfonds nur lehnen. dann für die Verbindlichkeiten steckengebliebener DDR-Entschädigungen einzutreten hat, wenn die für Gerald Häfner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der den Grundstückseigentümer vorgesehene Entschä- heute zur Abstimmung stehende Entwurf des Ver- digung nachweislich dem DDR-Staatshaushalt zu- mögensrechtsbereinigungsgesetzes ist das Ergebnis geflossen ist. Er stiehlt sich damit aus der Verant- einer langen Kette von grundlegenden Entschei- wortung und trifft gewissermaßen eine Regelung zu dungen im Einigungsvertrag, von erfolgreichen wie Lasten Dritter. Eine solche Regelung ist mit uns nicht steckengebliebenen Korrekturversuchen und von zu machen. weiteren Korrekturen der Korrekturen. Ähnlich sieht es beim Problem der Nutzungsent- Trotz der grundsätzlichen Kritik, die wir an den gelte für Erholungsgrundstücke aus. Es hat im Ver- vermögensrechtlichen Regelungen aus guten Grün- fahren eine Reihe von sinnvollen und auch in bezug den immer geäußert haben, kann es aus heutiger auf die Berücksichtigung der Interessen der Eigen- Sicht, da auf der Basis dieser grundsätz lichen tümer durchaus maßvollen 'Vorschlägen für nutzer- Entscheidungen unzählige Faktoren geschaffen wur- freundliche Regelungen gegeben. Die Bundesregie- den und ein großer Teil der vermögensrechtlichen rung aber hat auch hier blockiert. So ist beispiels- Klärungen bereits abgeschlossen ist, nicht mehr um weise für die völlig unausgewogene Regelung, nach Neuregelungen von grundsätzlicher Bedeutung ge- der einem Nutzer der Wert seiner Baulichkeiten nur hen. Dies würde auch nur neue Unzulänglichkeiten dann ersetzt wird, wenn nicht er, sondern der Grund- schaffen. Heute geht es lediglich noch damm, be- stückseigentümer vor Ablauf der Kündigungsfrist stehende Unklarheiten, Mängel und Unstimmig- kündigt, eine Änderung des Schuldrechtsanpas- keiten im Vermögensgesetz zu besei tigen und damit sungsgesetzes dringend vonnöten. Kann der Nutzer zur Rechtssicherheit in diesen sensiblen Fragen bei- aus finanziellen Gründen die Nutzung nicht fortset- zutragen. zen und muß sich deshalb aus dem Vertrag lösen, geht er vollkommen leer aus. Für diesen Fall sieht Bei den heute zur Abstimmung stehenden Ände- der Änderungsantrag der SPD zum Schuldrechtsan- rungen geht es deshalb vor allem um die Beseitigung passungsgesetz eine gerechte und ausgewogene Lö- von Auslegungsschwierigkeiten in der vermögens- sung vor. Danach soll der Nutzer, soweit er das rechtlichen Praxis, um die Vereinfachung und Be- Grundstück aus mangelnder eigener Finanzkraft schleunigung der Verfahren, um die Beseitigung nicht mehr nutzen kann, für seine baulichen und son- praktischer Probleme, die sich im Zusammenhang stigen Aufwendungen in das Grundstück vom mit Restitutionen ergeben sowie um eine Reihe Grundstückseigentümer zum Zeitwert entschädigt organisatorischer Regelungen. Das ist notwendig werden. Wir unterstützen diese Lösung. und findet unsere Unterstützung. Aber es gibt doch eine Reihe von Punkten, an de- Auch im ganzen Bereich des interessengerechten nen deutliche Kritik angebracht ist: Ausgleichs zwischen Eigentümern und Nutzern hat sich die Koalition absolut starrsinnig gezeigt. Sie Die Bundesregierung hat sich trotz ursprünglich lehnt jede adäquate Lösung ab und ignoriert damit anderslautender Ankündigungen nicht bereitgefun- die berechtigten Anliegen vieler be troffener Bürger den, das auch von uns immer wieder angesprochene in den neuen Ländern. Wem sie damit politisch nützt, Problem der zuordnungswidrigen Privatisierungen wissen wir alle. Sie spielt wieder einmal der PDA in noch in dieser Legislaturperiode zu lösen. Der Ge- die Hände. Die „rote-Hände-Kampagne" einmal an setzentwurf des Bundesrats, der auch unsere Unter- -dersherum! stützung hat, hätte diese Fragen klären können. Es ist mir unerfindlich, daß die Bundesregierung die Es ist äußerst bedauerlich, daß die erneute Debatte Lösung dieser Fragen blockiert. Jetzt sind sie ärger- um das Vermögensgesetz nicht dazu genutzt wurde, licherweise auf die nächste Legislaturperiode ver- um tatsächlich endlich reinen Tisch zu machen und tagt. wirklich all das anzupacken, was in der Praxis zu an- dauernden Rechtsunsicherheiten und ganz offen- Eine schlichtweg inakzeptable Lösung sieht der sichtlich auch zu völlig ungerechten Ergebnissen vorliegende Gesetzentwurf jedoch in der Frage der führt. Was bleibt, ist mal wieder unbefriedigendes steckengebliebenen Entschädigungen vor. Wie be- Stückwerk, unbequeme Fragen sollen erneut vertagt reits bei den kommunalen Altschulden versucht die werden. Doch wie lange noch, und auf wen? Die 22396* Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Bundesregierung stiehlt sich aus der Verantwortung Die Bezeichnung des Entwurfs als „Bereinigung" und die Betroffenen haben den Schaden. Viele von von Vorschriften ist irreführend. Es wird nichts berei- ihnen haben längst den Glauben an Lösungen, die nigt. Die ohnehin von den Be troffenen nicht mehr eines Rechtsstaates würdig sind, aufgegeben. Das ist durchschaubare Rechtsmaterie wird nur in wenigen für die Betroffenen bitter oft aber auch unerträglich, Punkten wirklich vereinfacht, ansonsten aber weiter denn auf Grund ihrer finanziellen Situation kann verkompliziert. Der Entwurf schafft weitere Bedin- weiteres Vertagen für viele den finanziellen Ruin be- gungen für langwierige Verfahren vor den Vermö- deuten. gensämtern und Gerichten. Jobs für Rechtsanwälte werden so gesichert; die finanziellen und mentalen Das erklärte Ziel, eine abschließende Reform des Kosten werden die Betroffenen zu tragen haben. Vermögensrechts durchzuführen, ist damit erneut nicht erreicht worden. Sie bleibt eine Aufgabe des Zu unseren eigenen Anträgen möchte ich folgen- Gesetzgebers. des bemerken: Der Antrag zum Vermögenszuord- nungsgesetz zielt darauf ab, die ostdeutschen Kom- munen besser und gerechter mit Vermögen aus der Dr. Uwe-Jens Heuer (PDS): Wir lehnen die Regie- Zeit der DDR auszustatten bzw. zu entschädigen. Die rungsvorlage für das Vermögensrechtsbereinigungs- beiden Anträge zur Begrenzung des Anstiegs der gesetz ab. Sie wäre für uns nur hinnehmbar, wenn Nutzungsentgelte wollen erreichen, daß die Nut- der Änderungsantrag der SPD angenommen würde. zungsentgelte nur in einem sozial verträglichen Maß - Dieser Antrag enthält wichtige Verbesserungen, für steigen und damit bei den Nutzern die Zukunfts- die auch die PDS seit langem eintritt. Vor allem be- angst abgebaut wird. grüßen wir, daß die Ungleichbehandlung des Nut- Ich kann Ihnen versichern: Das leidige Kapitel der zers von Erholungsgrundstücken gegenüber dem „Bereinigung" ist mit der wohl unvermeidbaren An- Eigentümer im Falle der Kündigung aufhören soll. nahme des Regierungsentwurfs nicht beendet. Dafür Viele Nutzer sind in einer Zwangslage. Einerseits wird der Widerstand der Betroffenen sorgen. Diesen können sie die erhöhten Nutzungsentgelte nicht Widerstand wird die PDS nach der Wahl am mehr bezahlen. Andererseits trauen sie sich nicht, zu 27. September mit neuen Initiativen ins Parlament kündigen, weil sie dann nach bisheriger ungerechter tragen. Regelung die Hälfte der Abrißkosten für das auf- gerichtete Gebäude zahlen müssen. Das würde bei Annahme des SPD-Antrags im Falle der Kündigung Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Bundesminister der durch den Nutzer im Zusammenhang mit einer Erhö- Justiz: Offene Vermögensfragen auf dem Gebiet der hung des Nutzungsentgelts nach § 8 der Nutzungs- neuen Bundesländer waren in den letzten Jahren ein entgeltverordnung nicht mehr so sein. Leider ist die Schwerpunkt gesetzgeberischer Aktivitäten. Hinter Annahme des Antrags unwahrscheinlich. all den spezifischen Regelungen stand und steht der Gedanke einer möglichst schnellen, reibungslosen Der Entwurf zeigt abermals, daß die Bundesregie- und gerechten Bewältigung des vermögensrecht- rung und die sie tragenden Parteien nicht willens lichen DDR-Unrechts im Interesse der Be troffenen, sind, die existentiellen Sorgen und Nöte ostdeutscher soweit das rechtlich und tatsächlich möglich ist. Mit Grundstückseigentümer und -nutzer auch nur zur dem Entwurf eines Vermögensrechtsbereinigungs- Kenntnis zu nehmen, geschweige denn zu beseiti gesetzes ergänzen wir. die bestehenden Vorschriften. gen. Der Entwurf schafft keine Rechtssicherheit, An den grundlegenden gesetzgeberischen Ent- ebensowenig wie der unsägliche Referentenentwurf scheidungen und rechtlichen Rahmenbedingungen für ein Immobilienrechtsbereinigungsgesetz. Anstatt ändert sich indessen nichts. die Rechte redlicher Eigentümer und Nutzer endlich Erstens. Im materiellen Vermögensrecht beschrän- abzusichern, beschränkt er sich auf geringfügige ken wir uns auf Klarstellungen, um Auslegungs- Verbesserungen in zweitrangigen Fragen, auf ver- schwierigkeiten der Praxis zu beheben und bisher fahrenstechnische Regelungen und auf den Umbau nicht geregelte Folgeprobleme der Restitu tion zu der Behörden in der Schlußphase der Abwicklung lösen. offener Vermögensfragen. Gegen solche Änderun- gen ist zwar nichts einzuwenden, aber sie reichen Zweitens. Der Schwerpunkt des Gesetzes liegt nicht aus. Die Betroffenen im Osten werden sich da- im Verfahrens- und Organisationsrecht. Knapp mit nicht abspeisen lassen. In der Begründung wird 84 Prozent der grundstücksbezogenen Restitutionsan- ausdrücklich und vorsorglich darauf hingewiesen, träge waren bis zum 31. März dieses Jahres bearbei- daß „die grundlegenden rechtlichen Rahmenbedin- tet, das sind immerhin fast 1,8 Millionen Anträge. Der gungen als solche" nicht in Frage gestellt werden Erledigungsstand ist also sehr hoch. Nun sollen flexi- sollen. Damit setzt die Bundesregierung ihre von blere Verfahrens- und Zuständigkeitsregelungen die Zynismus geprägte Linie des „A lles ist in Ordnung" Länder in die Lage versetzen, Aufgaben zusammen- fort. Aber gerade auf Änderung dieser Rahmenbe- zufassen und dadurch Personal und Sachmittel effek- dingungen käme es an, und gerade das fordern die tiver einzusetzen. Sie erhalten zum Beispiel die Mög- Betroffenen und ihre Verbände. Statt kosmetischer lichkeit, ein Vermögensamt für mehrere Kreise oder „Klarstellungen, Ergänzungen und technischer Ver- sogar mit landesweiter Zuständigkeit zu bilden. Diese besserungen" - wie es in der Begründung heißt - ist Konzentrationsmöglichkeit wird auch für die Lasten- eine grundsätzliche Korrektur diskriminierender ver- ausgleichsverwaltung eröffnet. Mehrere verfahrens- mögens-, Sachen- und schuldrechtlicher Bestimmun- vereinfachende Vorschläge des Bundesrates sind gen nötig. aufgegriffen und in den Entwurf eingestellt worden. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22397'

Drittens. Außerdem wird das am 31. Dezember sche und ausländische Mitbürger aufeinanderzuge- 1998 ablaufende Besitzrecht an öffentlich genutzten, hen und mehr miteinander und nicht nebeneinander aber in Privateigentum stehenden Grundstücken leben. sichergestellt. Das Morato rium soll um weitere zwei Jahre verlängert werden. Ich hoffe, diese knapp Wir müssen uns darüber im klaren sein, daß es zur bemessene Frist übt einen heilsamen Druck auf alle Integration der rechtmäßig in Deutschland lebenden Beteiligten in Bund und Ländern aus, hier zügig zu Ausländer keine Alternative gibt, und daß eine er- einer endgültigen Regelung zu kommen. folgreiche Integration im Interesse der ausländischen wie auch der deutschen Bevölkerung liegt. Viertens. Schließlich soll mit dem Entwurf endlich das Problem der steckengebliebenen Entschädigun- Wahr ist: Ohne unsere ausländischen Mitbürger gen gelöst werden. Wer in der DDR nach dem Auf- würde manche Fabrik, mancher Pütt stillstehen. bau- oder Baulandgesetz gegen Entschädigung Wahr ist auch: Für viele, namentlich die Kinder, ist Deutschland längst zur neuen Heimat geworden. enteignet wurde, aber dieses Geld niemals erhalten hat, kann die Auszahlung der Entschädigung nun in Wir wollen keine Ausgrenzungen, keine Abgren- einem gesonderten Verfahren bei den Ämtern zur zungen, keine sogenannten Ausländerghettos. Dem Regelung offener Vermögensfragen beantragen. widerspricht zuvörderst christlich-demokratische Zahlungspflichtig ist derjenige, dem der enteignete Politik. Dies trägt auch die Gefahr in sich, daß auf Vermögenswert auf Grund der Bestimmungen des Grund ethnischer und sozialer Spannungen früher Einigungsvertrages zugeordnet worden ist. So haben oder später vielleicht schlimme Konflikte entstehen es der Bundesgerichtshof und das Bundesverwal- können. Wir wollen vielmehr, daß sich die Ausländer tungsgericht bereits für Verbindlichkeiten anderer in Deutschland schrittweise in unsere Lebensverhält- Art entschieden. Ich halte es für angemessen, daß die nisse einleben: Ziel ist das f riedliche Zusammen- ohnehin außerordentlich geringe DDR-Entschädi- leben von Menschen unterschiedlicher Herkunft. gung von demjenigen bezahlt wird, der kraft Zuord- nung über das Grundstück verfügt oder verfügt hat, Es ist mir wichtig - ungeachtet des Streits über also letztlich der Nutznießer der DDR-Enteignung ist. Einzelfragen -, hier einmal festzustellen, daß über Parteiengrenzen hinweg bei allen demokratischen Gegenüber dem bisherigen Recht bietet der Ent- Parteien Einigkeit über die Aufgabe der Integration wurf - lassen Sie mich das zum Abschluß betonen - der Ausländer in Deutschland besteht. In den Regie- ein Entgegenkommen an die Länder: Wenn nach- rungseklärungen von Bundeskanzler Helmut Kohl ist weislich vor dem 3. Oktober 1990 eine Gegenlei- die Ausländerintegration immer wieder als eine be- stung für den enteigneten Vermögenswert in den sonders wichtige Zielsetzung hervorgehoben wor- DDR-Staatshaushalt geflossen ist, kommt der Bund den. Und wir stehen dazu, wie wir bei der Reform in Gestalt des Entschädigungsfonds für die Entschä- des Ausländerrechts bewiesen haben - leider gegen digung auf. Ich denke, damit wird eine faire Lasten- die Stimmen der Grünen. verteilung zwischen Bund und Ländern erreicht. Weitgehend anders als die Zielsetzung ist der Weg Ich appelliere deshalb nachdrücklich an die Oppo- umstritten, auf dem die Ausländerintegration er- sition und an die Länder, der gefundenen Lösung reicht werden kann. Wenn wir wollen, daß Auslän- zuzustimmen und keine Grundsatzdiskussion auf derintegration zu einem harmonischen, konflikt- dem Rücken der Betroffenen auszutragen. Diese freien Zusammenleben von Ausländern und Deut- haben lange genug gewartet. schen in ihren jeweiligen Lebens- und Arbeitsbe- reichen führt, müssen wir die Grundlage schaffen für Das dunkle Kapitel der DDR-Enteignungen in der eine von Diskriminierungen freie Eingliederung der deutschen Geschichte können wir niemals ungesche- Ausländer in Gesellschaft, Arbeitsleben und Kultur. hen machen. Aber wir haben durch ein Gesamtkon- Dies ist oberstes, erstes Gebot. zept gesetzlicher Maßnahmen bereits viel Licht in das Dunkel gebracht. Bitte verabschieden Sie heute Vor diesem Hintergrund glauben die Damen und ein Gesetz, das einen weiteren Baustein in diesem Herren von den Grünen, die Einführung eines kom- Vorhaben darstellt. munalen Wahlrechts für Ausländer sei ein geeig- netes Mittel zur Integration. Denn wenn der eine ein Wahlrecht habe, müsse es auch dem anderen ge- währt werden. Das Wahlrecht, durch dessen Aus- Anlage 9 übung das Volk in erster Linie die ihm zukommende Staatsgewalt wahrnimmt, setzt jedoch nach der Kon- Zu Protokoll gegebene Reden zeption des Grundgesetzes grundsätzlich die Eigen- zu Tagesordnungspunkt 13 schaft als Deutscher voraus. Eine Ausweitung des Gesetzentwurf: Änderung des Grundgesetzes kommunalen Wahlrechts auf alle Ausländer berührt (Einführung des kommunalen Wahlrechts deshalb die in Art. 20 unseres Grundgesetzes nor- für Ausländerinnen und Ausländer) mierten Grundlagen unserer staatlichen Ordnung. Nun werden Sie auf die Bürger der EU verweisen. Erwin Marschewski (CDU/CSU): In Deutschland Jedoch: EU-Bürger dürfen anders behandelt werden leben über 7 Millionen Ausländer. Fast jeder zehnte als Dritte. Innerhalb der EU wird allen Bürgern das Mitbürger ist ausländischer Staatsangehöriger. Da kommunale Wahlrecht nach dem Prinzip der Gegen- ist es selbstverständlich und notwendig, daß wir seitigkeit gewährt. Das kommunale Wahlrecht für Brücken bauen müssen, Brücken, auf denen deut- Bürger der Europäischen Union ist Folge des neu- 22398* Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 geschaffenen Status einer Unionsbürgerschaft; denn dern; denn Ausländer sind dann zwar in Deutschland der Integrationsstand und der Amsterdamer Vertrag kommunalwahlberechtigt, Deutsche aber nicht in unterscheiden EU-Bürger wesentlich von Drittstaats- deren ausländischen Herkunftsstaaten. angehörigen. Um es noch einmal zu sagen: Wir treten dafür ein, Gegen ein Kommunalwahlrecht für Ausländer aus daß Ausländer, die seit langem in Deutschland leben, Staaten, die nicht der EG angehören, sprechen inte- hier alle Rechte in Anspruch nehmen können, wie sie grationspolitische Gesichtspunkte. Die Integration auch Pflichten zu tragen haben. Wir wünschen, daß der Ausländer ist nur mit viel Geduld und gegenseiti- sie sich mit unserem Gemeinwesen möglichst weit- gem Verständnis zu bewerkstelligen. Wer die Integra- gehend identifizieren. Sie sollen deshalb von ihrem tion mit der Zulassung von Ausländern zu Kommunal- Recht auf Einbürgerung Gebrauch machen, wenn sie wahlen voranbringen will, muß wissen, daß er mit die- an der politischen Willensbildung partizipieren sem Kunstgriff kein Integrationsproblem löst. Schließ- möchten. Mehr als die Hälfte der in Deutschland lich haben sich in den europäischen Staaten wie den lebenden Ausländer könnte sich schon nach gelten- Niederlanden und Großbritannien, die bereits ein dem Recht einbürgern lassen! Kommunalwahlrecht für Ausländer kennen, die Inte- grationsprobleme von Ausländern nicht erledigt. Dessen ungeachtet treten wir dafür ein, die Einbür- gerung insbesondere von Ausländern der sogenann- Zutreffend erscheint mir: Wer hier zwar wohnen ten zweiten und dritten Generation, das heißt: der und arbeiten, sich jedoch nicht einbürgern lassen, hier geborenen und aufgewachsenen Ausländer, sondern Ausländer bleiben will, kann nicht verlan- weiter zu erleichtern. Wir haben in dieser Legislatur- gen, an den politischen Entscheidungen in unseren periode eine Reform unseres Staatsangehörigkeits- Kommunen mitwirken zu dürfen. Es gilt hier nichts rechts versucht. Wir wollen diese Reform. Weil sie wesentlich anderes als in anderen Gemeinschaften: jedoch oftmals von anderen Fraktionen in diesem Bei den Grünen, bei der SPD, bei uns, auch in jedem Haus mit der inakzeptablen, integrationspolitisch Musik- und Sportverein muß man Mitglied sein, kontraproduktiven Forderung nach genereller Zulas- wenn man den Vorstand wählen und weitere Ent- sung der doppelten Staatsangehörigkeit überfrachtet scheidungen mitbestimmen will. wurde, haben wir sie in dieser Legislaturpe riode nicht verwirklichen können. Und was die Städte und Gemeinden anbetrifft, so werden hier sehr viele langfristig wirkende Entschei- Ihre jetzige Forderung ist nicht integrationsför- dungen getroffen: die Aufstellung von Bebauungs- dernd und damit nicht richtig. Und in der Politik ist plänen, der Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel, Zu- es doch irgendwie wie in der Mathematik: Alles, was kunftsinvestitionen in Abwasser- und Abfallbesei- nicht richtig ist, ist falsch. Und Falsches wollen wir tigung, Wirtschaftsförderung, Einrichtung von Schu- nicht beschließen. len und vieles andere.

Die für Ausländer besonders interessanten Fragen Cern Özdemir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): des Staatsbürgerrechts, Aufenthaltsrechts und der „Dem christlichen Menschenbild und der Menschen- Arbeits- und Sozialpolitik werden auf Bundes- und würde sowie den Prinzipien von Demokratie in die- Landesebene, das heißt: im Bundestag und in den ser Gesellschaft entspricht es, allen Bürgern Mitbe- Landtagen entschieden. Ein Kommunalwahlrecht stimmung und Mitverantwortung am sozial-, gesell- brächte ihnen gerade auf diesen sie besonders be- schafts- und kommunalpolitischen Leben im jewei- treffenden und angehenden Gebieten keine neuen ligen Lebensraum vor Ort zu ermöglichen. Dieser Einflußmöglichkeiten. Grundsatz prägt auch das Grundgesetz, in dem A rt. 1 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes die Würde des Men- Außerdem: Würde ein Wahlrecht gewährt, könnte schen für unantastbar erklärt. Hinter der Forderung eine Wahlbeteiligung ausländischer, nationaler Par- nach Einführung des allgemeinen kommunalen Aus- teien nicht verhindert werden. länderwahlrechts steht weiterhin das Bestreben, den Wer in den letzten Jahren die Exzesse ausländi- langjährig in der Bundesrepublik lebenden ausländi- scher Extremisten im Bundesgebiet verfolgt hat - das schen Menschen zu ermöglichen, sich selbst stärker Stichwort „kurdischer Terrorismus " und das Auf- am öffentlichen Leben zu beteiligen und Mitverant- treten fanatisierter türkischer Nationalisten wie Milli wortung zu übernehmen. Das Wahlrecht ist eine Görüs genügen -, der weiß, daß wir alles andere als fundamentale, nicht wegzudenkende Bedingung für Wahlkämpfe, gar von extremistischen ausländischen die Existenz einer Demokratie. Es muß dem Selbst- Parteien im Bundesgebiet gebrauchen können. Die verständnis einer demokratischen Gesellschaft Wie- Frage des Kommunalwahlrechts für Ausländer eig- dersprechen, wenn einer zahlenmäßig gewichtigen net sich daher nicht als Maßstab für eine integra- Gruppe, die von den politischen Entscheidungen be- tionsfreundliche Ausländerpolitik. troffen ist, die politische Mitentscheidung vorent- halten wird. " Vielmehr führt die Forderung nach einem Auslän- derwahlrecht in eine fatale Sackgasse: Einerseits Diese Sätze sind nicht von mir; sie sind aber zutref- werden damit bei den Ausländern Hoffnungen ge- fend. Sie sind aus einer Stellungnahme der katho- weckt, die sich auf Gemeindeebene in keiner Weise lischen Bischöfe und des Caritas-Verbandes zu erfüllen lassen. Andererseits kann die Forderung den vorliegenden Gesetzentwürfen. Ich würde mich nach einem Ausländerwahlrecht unnötige Vorbe- freuen, wenn zu dieser Einsicht in demokratische halte bei den deutschen Mitbürgern wecken. Es ent- Notwendigkeiten auch die Kollegen und Kollegin- steht der Eindruck der Privilegierung von Auslän- nen der C-Parteien gelangten. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22399*

Die Einführung des kommunalen Ausländerwahl- Minister Dr. Ekkehard Wienholtz (Schleswig-Hol- rechts ist ein konsequenter Schritt zu mehr Demokra- stein): Der Bundesrat hat mich beauftragt, seinen Ge- tie in unserer Gesellschaft. Während für Unionsbür- setzentwurf vor diesem Hohen Haus zu begründen. ger und -bürgerinnen europaweit das kommunale Ich danke der SPD-Fraktion für die dazu zur Ver- Wahlrecht eingeführt ist, können andere Ausländer fügung gestellte Redezeit. und Ausländerinnen, die in Deutschland geboren wurden oder dauerhaft in Deutschland leben, noch Schleswig-Holstein gehört zu den Ländern, die immer nicht auf kommunaler Ebene wählen. Der sich seit Ende der 80er Jahre für ein umfassendes große Teil der nichtdeutschen Bevölkerung ist damit Komunalwahlrecht für unsere ausländischen Mit- von der politischen Teilhabe in den Städten und Ge- bürgerinnen und Mitbürger einsetzen. Leider haben meinden ausgeschlossen. Diese Schieflage gilt es zu unsere Bemühungen noch nicht den gewünschten beseitigen. Warum sollen hier ansässige Griechen Erfolg gebracht. oder Portugiesen anders behandelt werden als eben- falls hier wohnende Türken oder Amerikaner, wenn Mit der jetzigen weiteren Initiative machen die an- es um die Mitbestimmung in den Gemeinden geht? tragstellenden Länder und der Bundesrat in seiner Während die einen den Stimmzettel erhalten, bleibt großen Mehrheit deutlich, daß sie sich mit dem bis- für die anderen die Spielwiese des Ausländerbei- herigen Ergebnis nicht zufriedengeben. Deswegen rates. Es ist ebenso nicht einsehbar, wenn an die haben sie dieses verfassungsrechtlich und ausländer- politisch bedeutsame Anliegen wieder auf die Tages- 50 000 türkische Unternehmen zwar Gewerbesteuer - zahlen, an die zwei Millionen türkische Einwohner ordnung der Politik gesetzt. und Einwohnerinnen zwar Lohnsteuer und Solidari- Die von uns vorgeschlagene Grundgesetzände- tätsbeiträge zahlen, aber in ihrem Lebensumfeld, in rung beseitigt die vom Bundesverfassungsgericht in den Städten und Gemeinden nicht über ihre Verwen- seinem Urteil 1990 aufgestellten Hürden. Das Bun- dung mitentscheiden können. Die Niederlande, und desverfassungsgericht hat ausdrücklich darauf hin- Dänemark haben seit Jahren das Ausländerwahl- gewiesen, daß aus dem Urteil nicht zu folgern sei, recht in den Kommunen eingeführt und damit einen daß die „im Bereich der Europäischen Gemeinschaft wichtigen Beitrag zur Integration der Ausländer ge- erörterte Einführung eines Kommunalwahlrechts für leistet. Ausländer nicht Gegenstand einer nach A rt. 79 Abs. 3 des Grundgesetzes zulässigen Verfassungs- Mit der von uns vorgeschlagenen Grundgesetzän- änderung sein kann" . Das Gericht hat hierbei nicht derung wird die verfassungsrechtliche Grundlage für gesagt, daß ein solches Ausländerwahlrecht sich auf die Einführung des kommunalen Wahlrechts für Aus- die Angehörigen der EU-Mitgliedstaaten beschrän- länder und Ausländerinnen in den Bundesländern ken müsse. geschaffen. Art . 28 Abs. 1 wird dementsprechend er- gänzt. Darüber hinaus wird verfassungsrechtlich Im übrigen hat das Bundesverfassungsgericht in klargestellt, daß Unionsbürger, Ausländer und Aus- dem genannten Urteil ausdrücklich anerkannt, daß länderinnen auch berechtigt sind, an Abstimmungen es der demokratischen Idee, besonders dem in und Bürgerentscheiden in den Gemeinden und Krei- ihr enthaltenen Freiheitsgedanken entspreche, eine sen teilzunehmen. Kongruenz zwischen den Inhabern demokratischer politischer Rechte und den dauerhaft einer staat- Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Ent- lichen Herrschaft Unterworfenen herzustellen. Ge- scheidung vom 31. Oktober 1990 die Einführung des nau dieses, das Demokratieprinzip verdichtende Ziel, kommunalen Wahlrechts für Ausländer und Auslän- wird mit dem Gesetzesantrag verfolgt. derinnen in Hamburg und in Schleswig-Holstein für verfassungswidrig erklärt. Es hat jedoch darauf hin- Ein Großteil unserer ausländischen Mitbürgerin- gewiesen, daß Art. 79 Abs. 3 GG die Einführung des nen und Mitbürger lebt seit 10, 20 oder gar 30 Jahren kommunalen Wahlrechts für Ausländer und Auslän- über mehrere Generationen hier bei uns. In Schles- derinnen nicht ausschließt. Es verstößt daher nicht wig-Holstein sind es von 1 400 000 ausländischen gegen den Grundsatz der Demokratie, wenn die Mitbürgerinnen und Mitbürgern knapp 63 000, die Wahlbefugnis auf kommunaler Ebene auch auf die in länger als 10 Jahre bei uns leben. In der Bundes- einer Gemeinde ansässigen Ausländer und Auslän- republik waren es Ende 1996 3,8 Millionen derinnen ausgedehnt wird. Vielmehr entspricht es - 48,4 Prozent - von 7,3 Millionen Ausländern. Diese dem Grundsatz liberaler Demokratien, ihre dauerhaft lange Aufenthaltsdauer hat bei vielen unserer aus- ansässige Wohnbevölkerung - wir haben hier eine ländischen Mitmenschen schon zu einem Maß an Dauer von fünf Jahren zugrunddegelegt - genauso Identifikation mit unserem Land und erheblichem zu behandeln, wie die eigenen Staatsangehörigen. Engagement in allen Bereichen des Gemeinwesens geführt, das nicht geringer zu veranschlagen ist, als Im Grundsatz sieht die Bundesratsinitiative das bei weiten Teilen der deutschen Bevölkerung. Um gleiche vor, allerdings mit einem Unterschied: Sie dieses zu vertiefen, lohnt sich der Schritt zu einer will es den Ländern überlassen, ob sie das kommu- vollwertigen Beteiligung auf kommunaler Ebene. nale Ausländerwahlrecht einführen oder nicht. Das mag den Gegnern des Ausländerwahlrechts viel- Bei der Einführung des Kommunalwahlrechtes für leicht die Zustimmung erleichtern. Ich fürchte aber, Unionsbürgerinnen und Unionsbürger wurde argu- daß dies zu einem demokratischen Nord-Süd-Gefälle mentiert, daß dieses dem Ziel diene, den Integra führt. Ich denke, wir sollten diesen Schritt zu mehr tionsprozeß innerhalb der Europäischen Union zu er Demokratie ganz machen und nicht halbherzig. leichtern und zu fördern. Was für die EU-Bürgerinnen 22400* Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 und -Bürger richtig ist, kann nicht falsch sein, wenn teil. Den ausländischen Selbständigen kommt eine es darum geht, den Integrationsprozeß von Men- wichtige Rolle als Arbeitgeber zu, da ungefähr schen zu fördern, die seit langer Zeit mit uns leben. 5 70 000 Arbeitnehmer bei ihnen beschäftigt sind. Wir wissen, daß die Teilnahme an Wahlen auch bei uns Deutschen durchaus eine integrative Wirkung So weit wichtige Ergebnisse der Studie, die ganz hat und auch haben soll. Über Wahlen wird Integra- offensichtlich nicht in die Politik der Bundesregie- tion hergestellt. Rudolf Smend hat uns dies schon in rung passen. Denn diese Ergebnisse sprechen gegen eine Politik der Ausgrenzung und der Abschottung, den 20er Jahren gelehrt. die diese Bundesregierung verfolgt. Wir kennen das Hinzu kommen sehr praktische Erkenntnisse: Wer aus vielen Diskussionen in diesem Hohen Haus und mitwirken kann, fühlt sich verantwortlich. Wer ver- im Bundesrat. Nein, Sie müssen zur Kenntnis neh- antwortlich ist, wehrt sich gegen Störung und Zer- men: Die Bundesrepublik ist de facto ein Einwan- störung im sozialen Umfeld, in der Nachbarschaft, im derungsland, und die Politik in diesem Lande hat die Stadtquartier. Aufgabe, vernünftige Wege zu einer Integration un- serer ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger Die Gegner eines kommunalen Wahlrechts für zu finden. Das kommunale Wahlrecht ist ein Weg Ausländer führen vielfach juristische Argumente ins dazu. Feld, Argumente über die die tatsächliche Entwick- lung unserer Gesellschaft längst hinweggegangen Im übrigen möchte ich darauf hinweisen, daß der ist. Seit vielen Jahren, ja Jahrzehnten, leben wir in Gesetzentwurf keine obligatorische Einführung des Deutschland zusammen mit Ausländern aus vielen Kommunalwahlrechts vorsieht. Vielmehr enthält er verschiedenen Ländern. Sie sind Nachbarn, Kolle- lediglich eine Öffnungsklausel zugunsten landes- gen, Freunde und sogar Verwandte. Wir kaufen rechtlicher Regelungen. unser Obst beim türkischen Gemüsehändler, unser Hausarzt ist Iraner und ein afrikanischer Taxifahrer Ich möchte gerade vor dem Deutschen Bundestag bringt uns zum Bahnhof. Wir leben mit und von die- dafür werben, den Ländern insoweit ein Stück föde- sen Ausländern, aber wir verweigern ihnen das ralen Spielraum zu eröffnen. Es würde unserer Ver- selbstverständliche Recht auf Teilnahme am politi- fassung gut tun, in diesem Bereich die Regelungs- schen Geschehen, obwohl sie unser Land, das inzwi- dichte für die Verfassungsordnung in den Ländern schen auch ihr Land ist, kulturell und ökonomisch zurückzunehmen. Er eröffnet auch eine begrüßens- bereichern. werte föderale Vielfalt. Anders als der Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen enthält der Entwurf des Ein Gutachten des Rheinisch-Westfälischen Insti- Bundesrates keine Mindestaufenthaltsdauer von fünf tuts für Wirtschaftsforschung hat sich zu den ökono- Jahren als Wahlrechtsvoraussetzung. mischen Auswirkungen der Zuwanderungen in der Bundesrepublik Deutschland im Auftrag der Bundes- Wir sind der Meinung, daß das aus dem Demokra- regierung geäußert. Das Gutachten stammt vom Sep- tieprinzip direkt entwickelte stark formal geprägte tember 1997. Soweit ich sehe, ist es bisher von der wahlrechtliche Gleichheitsprinzip auch hier Gültig- Bundesregierung nicht veröffentlicht worden. Lassen keit haben sollte. Deswegen ist auch schon beim Sie mich einige, wie mir scheint, auch in unserem Unionsbürgerwahlrecht von der Einführung einer Kontext wesentliche Ergebnisse des Gutachtens refe- solchen Mindestaufenthaltsdauer abgesehen wor- rieren: den. Diese auch von den Bürgerinnen und Bürgern nicht nachzuvollziehende unterschiedliche Behand- Alle 1995 in Deutschland lebenden reichlich 7 Mil- lung von Unionsbürgern und deutschen Wahlberech- lionen Ausländer zahlen Steuern und Beiträge für die tigten einerseits sowie der sonstigen Ausländer ande- Sozialversicherung in Höhe von rund 100 Milliarden rerseits sollte von vornherein fallengelassen werden. DM. Dem stehen die überproportionale Inanspruch- nahme von Familienleistungsausgleich, Arbeits- Ich bin sicher, die Einräumung eines Wahlrechts losenversicherung und Sozialhilfe und die unterpro- an Ausländerinnen und Ausländer - und dies muß portionale Inanspruchnahme der Rentenversiche- auf der kommunalen Ebene beginnen - kann über- rung gegenüber. Im Saldo - und der ist schließlich haupt nicht aufgehalten werden. Eine Ablehnung entscheidend - nimmt die ausländische Bevölkerung des jetzt vorliegenden Gesetzentwurfes kann allen- staatliche Leistungen eher weniger in Anspruch als falls einen Aufschub bedeuten. Deswegen appelliere die deutsche. Das Forschungsinstitut stellt fest, daß ich an Sie, meine Damen und Herren Abgeordneten in 1995 ein Überschuß in der Größenordnung von des Deutschen Bundestages, diesen Schritt mitzuge- mehr Demokratie, zu 20 bis 35 Milliarden DM verbleibt. hen. Zu mehr Gerechtigkeit, zu - mehr Integration und damit zum Abbau vielfältiger Es stellt weiter fest: Gäbe es die Ausländer in der gesellschaftlicher und sozialer Probleme. Bundesrepublik nicht, wären zum Beispiel die Bela- stungen etwa aus der Finanzierung der deutschen Das Kommunalwahlrecht Einheit für jeden Deutschen im Schnitt um 8 Prozent Dr. Max Stadler (F.D.P.): steht nicht nur Deutschen zu, sondern seit einiger höher; pro Person entspricht dies zirka 300 DM im Zeit auch unseren Mitbürgern mit einer EU-Staats- Jahr. angehörigkeit. Nun liegen dem Deutschen Bundes- Und schließlich: Seit Anfang der 70er Jahre hat tag zwei Gesetzentwürfe vor, das Kommunalwahl- sich die Zahl der ausländischen Selbständigen auf recht auf alle ausländischen Mitbürger auszudehnen, 240 000 versiebenfacht. Die Selbständigenquote der auch wenn sie die Staatsangehörigkeit eines Staates Ausländer entspricht in etwa ihrem Bevölkerungsan- außerhalb der Europäischen Union besitzen. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22401*

Eine so grundlegende Frage sollte nach Meinung bestimmung durch Übertragung des Kommunal- der F.D.P.-Bundestagsfraktion auf alle Fälle bundes- wahlrechts für alle Ausländer zuzulassen. Vorausset- einheitlich geregelt werden. Wir sprechen uns des- zung dafür muß allerdings sein, daß durch eine ge- wegen gegen den vorliegenden Gesetzentwurf des wisse Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts ein fester Bundesrates aus, da dieser das Kommunalwahlrecht Bezug zu Deutschland entstanden ist. Demgemäß nach Maßgabe der Ländergesetze einführen will. hat die F.D.P. in ihrem Bundestagswahlprogramm Unterschiedliches Landesrecht erscheint uns in die- 1994 gefordert, das Kommunalwahlrecht für alle Aus- ser Sache jedoch unangebracht. länder einzuführen, die sich seit acht Jahren recht- mäßig im Bundesgebiet aufhalten. Anders verhält es sich mit dem Vorschlag der Frak- tion Bündnis 90/Die Grünen, das Kommunalwahl- Der Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die recht allen Ausländern zu gewähren, die sich seit Grünen geht darüber hinaus und hält eine fünfjäh- mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet rige Aufenthaltsdauer für ausreichend. Dieser Unter- aufhalten. Damit wäre eine bundeseinheitliche Rege- schied zum gültigen Bundestagswahlprogramm der lung gegeben. F.D.P. wäre aber für eine Ablehnung des Gesetzent- Die Einführung des kommunalen Ausländerwahl- wurfs nicht ausreichend. Es wäre auch ein eher for- rechts ist unserer Auffassung nach durch das Grund- males Argument, nur darauf zu verweisen, daß die notwendige Zweidrittelmehrheit für eine Grund- gesetz nicht ausgeschlossen. Nach A rt. 20 Abs. 2 des Grundgesetzes geht alle Staatsgewalt vom Volke gesetzänderung derzeit nicht erreichbar ist. aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmun- Jedoch handelt es sich bei der Einführung des Aus- gen ausgeübt. Traditionell wird diese Vorschrift so länderwahlrechts um eine Reform von prinzipieller verstanden, daß damit gemeint ist, die Staatsgewalt Bedeutung. Solche Reformen können und wollen wir werde vom deutschen Volk in Wahlen und Abstim- nur mit unserem Koalitionspartner beschließen. Dazu mungen ausgeübt. Wahlrecht und Staatsangehörig- sehen wir uns nach unserem Verständnis von fairer keit sind nach dieser Auffassung untrennbar mitein- Partnerschaft in einer Koalition verpflichtet. ander verbunden. Derzeit ist eine gemeinsame Zustimmung der Ko- Nach Meinung der F.D.P.-Fraktion ist es dem Ge- setzgeber aber nicht verwehrt, eine Änderung her- alitionsfraktionen zu dem vorliegenden Gesetzent- wurf nicht möglich. Deswegen kann die F.D.P. in die- beizuführen. Wir sind überzeugt, daß sich die soge- sem Gesetzgebungsverfahren ihre Zustimmung zur nannte Ewigkeitsgarantie nach A rt. 79 Abs. 3 des Einführung des Kommunalwahlrechts für Ausländer Grundgesetzes nicht darauf bezieht, Ausländer für nicht geben. Die Thematik bleibt jedoch auf der alle Zeiten von der Ausübung des Wahlrechts in Agenda und wird nach unserer Überzeugung bald Deutschland auszuschließen. Demnach kann das anders als jetzt entschieden werden. Grundgesetz dahingehend geändert werden, Mit- bürgern mit ausländischer Staatsangehörigkeit zu- mindest auf der kommunalen Ebene das Wahlrecht Ulla Jelpke (PDS): Es ist ja sehr ehrenwert, liebe einzuräumen. Kolleginnen und Kollegen von den Grünen und vom Die F.D.P. hält dies für eine sinnvolle Maßnahme. Bundesrat, daß Sie die Verfassung ändern wollen Mit einer solchen Grundgesetzänderung würde der und dauerhaft hier lebenden Nicht-Deutschen das Gesetzgeber darauf reagieren, daß sich die gesell- aktive und passive Wahlrecht verschaffen wollen. schaftlichen Verhältnisse in Deutschland gegenüber Aber warum eigentlich nur auf kommunaler Ebene? dem Jahre 1949, als das Grundgesetz in Kraft getre- ten ist, deutlich geändert haben. Wir können die Au- Warum sollen Ausländerinnen und Ausländer über gen nicht davor verschließen, daß in Deutschland den Bau von Schulen mitbestimmen dürfen, aber Millionen von Ausländern nicht nur vorübergehend, nicht über die dort vermittelten Lehrinhalte? Die sondern auf Dauer leben. nämlich werden auf Landesebene ausgehandelt, und da sollen sie weiter nichts zu melden haben. Dabei Selbstverständlich gibt es die Möglichkeit, die gehen ihre Kinder genauso hier zur Schule wie deutsche Staatsangehörigkeit und damit das Wahl- Kinder mit deutschen Pässen. Warum sollen Auslän- recht zu erwerben. Unabhängig davon bleibt es aber derinnen und Ausländer über die Privatisierung der eine Tatsache, daß - aus welchen Gründen auch Müllabfuhr mit beschließen können, aber nicht über immer - viele in Deutschland lebende Ausländer die Privatisierung von landes- oder bundeseigenen dauerhaft ausschließlich ihre ursprüngliche Staatsan- Unternehmen? Warum sollen sie über den Bau von gehörigkeit haben, keine doppelte Staatsangehörig- kommunalen Straßen entscheiden, nicht aber den keit erwerben können und nicht die deutsche Staats- Bau von Land- oder Bundesstraßen beeinflussen kön- angehörigkeit unter Aufgabe ihrer ursprünglichen nen, obwohl ihnen diese genauso wichtig, störend Staatsangehörigkeit anstreben. Ist es wirklich sinn- oder gefährlich erscheinen mögen? voll, diese große Gruppe von der Mitgestaltung des unmittelbaren Umfeldes durch Ausübung des kom- Die von Ihnen vorgeschlagene Grundgesetzände- munalen Wahlrechts auszuschließen? rung ist halbherzig und nicht ausreichend; denn es gibt keine sachliche Begründung, warum Auslände- Die F.D.P.-Fraktion ist überzeugt, daß dies der fal- rinnen und Ausländer ob aus EU- oder aus Drittstaa- sche Weg ist. Es dient der Integration, jedenfalls auf ten, auf kommunaler Ebene mittels Stimmzettel oder der Ebene, wo ein unmittelbarer persönlicher Bezug Parlamentsmandat mitreden sollen, auf Landes-, zu den politischen Entscheidungen besteht, die Mit- Bundes- und Europaebene aber nicht. 22402* Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Das Wahlrecht ist nun einmal das entscheidende von CDU/CSU, F.D.P. und SPD. Das bedeutet Element demokratischer Teilhabe in der parlamenta- Rückenwind für alle, die an dieser phantastischen rischen Demokratie. Wir fordern, daß alle Mitglieder Weltausstellung mitwirken. Im Jahre 2000 wird die unserer Gesellschaft möglichst schon mit 16 Jahren ganze Welt auf Hannover, auf Deutschland schauen. an der Gestaltung dieser Gesellschaft auch mit dem Von Beginn an war ich der Auffassung, daß die Stimmzettel teilhaben können. Es wäre ein leichtes, EXPO 2000 eine großartige Veranstaltung für den das Grundgesetz entsprechend zu ändern und den Standort Deutschland wird, eine Olympiade für Begriff vom wahlberechtigten Volk entsprechend Lösungen für die globalen Herausforde rungen dieses auszuweiten. Man muß es nur wollen. Die PDS hat Jahrhunderts. Ich bin auch jetzt sicher: Die Welt- entsprechende Anträge vorgelegt. Leider haben ausstellung in Hannover wird eine glänzende Ver- nicht einmal die anderen Oppositionsparteien zuge- anstaltung. Das Projekt ist reifer geworden. Die stimmt. 175 Länderbeteiligungen sind ein großer Vertrauens- beweis. Vor diesem Hintergrund bekommt diese Debatte einen schalen Beigeschmack. Das Bundesverfas- Die vier Säulen der EXPO - Themenpark, natio- sungsgericht hat vor fast acht Jahren entschieden, nale Pavillons, weltweite „Korrespondenz" projekte daß das damalige kommunale Wahlrecht in Ham- und das Kultur- und Ereignisprogramm - werden im- burg und Schleswig-Holstein verfassungswidrig ist. mer klarer erkennbar. Wer heute noch behauptet, Doch erst ein dreiviertel Jahr vor den Bundestags- das Ausstellungskonzept sei „verschwommen", der wahlen, im November und Dezember 1997, haben- hat sich schlicht nicht über den letzten Stand infor- Grüne und Bundesrat Gesetzentwürfe zur Änderung miert. Die EXPO hat inzwischen klare Konturen, die des Grundgesetzes vorgelegt, um zumindest das spannend und attraktiv sind. Wenn die Beteiligten in kommunale Wahlrecht für Ausländerinnen und Aus- der EXPO-GmbH, in Bund, Land, Stadt und Wi rt länder aus Drittstaaten zu ermöglichen. Das riecht -schaft größere Fehler vermeiden, dann werden wir gewaltig nach Wahlkampf um Stimmen von einge- im Jahr 2000 in Hannover 40 Millionen EXPO- bürgerten Migrantinnen und Migranten. Eine wirk- Besucher begrüßen dürfen. Dem Themenpark liche Gleichstellung der dauerhaft hier lebenden muß besondere Wichtigkeit zugemessen werden. Ausländerinnen und Ausländer erreichen Sie so Auf 100 000 Quadratmetern entsteht ein Zukunfts- nicht. labor, offen für Unternehmen, wissenschaftliche Ein- richtungen, Nicht-Regierungsorganisationen usw. Dennoch wird diese Grundgesetzgebung natürlich Hier wird das Leitmotiv „Mensch - Natur - Technik" nicht an uns scheitern. Es werden die CDU/CSU und sichtbar und erfahrbar. Wir thematisieren hier die vermutlich auch die F.D.P. sein, die wieder einmal globalen Herausforde rungen der Menschheit im auch den minimalsten Schritt zur Integration und 21. Jahrhundert: Ernährung, Gesundheit, Zukunft rechtlichen Gleichstellung unserer Mitbürgerinnen der Arbeit, Energie, Information und Kommunika- und Mitbürger mit andersfarbigem Paß verweigern. tion, Mobilität, „Basic Needs" oder Umwelt, Land- Das paßt zur laufenden politischen Auseinanderset- schaft, Klima heißen einige der Ausstellungsbe- zung, in der CDU und insbesondere CSU nichts un- reiche. Hier erwarten den Besucher faszinierende versucht lassen, Nicht-Deutsche als Bedrohung der Inszenierungen, spannende Bilder in einer Form, die Inneren Sicherheit, als innere Feinde der Deutschen es bisher noch nicht gegeben hat. Die Themen sind zu konstruieren und Rassismus und Ausländerfeind- nicht isoliert, sondern in der Art einer Meta-Erzäh- lichkeit zu schüren. Nicht anders ist der Verstoß lung aufbereitet. Ein sogenanntes „Storyboard" wird Bayerns zu we rten, das Ausländerrecht weiter zu ver- wie in einem Film verschiedene Szenarien zu einem schärfen, den grundgesetzlichen Schutz der Familien großen Gesamt(kunst)werk verbinden. nur noch Deutschen vorzubehalten und die Sippen- haft bei der Abschiebung einzuführen. Die Ausstellung wird wie ein dreidimensionaler Film sein. Der Besucher bewegt sich wie ein Schau- Wir werden alles dafür tun, daß die Unionsparteien spieler. Er kann die Zukunft hautnah erleben und am 27. September die Quittung für ihren Anbiede- selbst mitgestalten. Vision und Wirklichkeit fließen rungskurs an die Rechtsradikalen bekommen. zusammen. Das ganze wird nicht eine hochintellek- tuelle Veranstaltung für Eliten, sondern - im Gegen- teil - hier sollen die Risiken und Chancen der Zu- kunft faßbar, bildlich, informativ und auch unterhalt- sam dargestellt werden. Der Themenpark ist - in den Anlage 10 Worten von Birgit Breuel - eine riesige Mitmachaus- stellung. Zu Protokoll gegebene Reden Konkret wird inzwischen auch das Kultur- und zu Tagesordnungspunkt 14 ling-Stones zu dem (a - Anträge: EXPO 2000; Erlebnisprogramm: von den Rol b - Bericht: Technikfolgenabschätzung Berliner Philharmonikern wird man alle Arten von hier: Machbarkeitsstudie zu einem Musik erleben, Discomusik, Feuerwerk, Ausstellun- „Forum für Wissenschaft und Technik") gen - eine Vielfalt von hervorragenden künstleri- schen Leistungen erwarten die Besucher. Den Höhe- punkt aber bildet ohne jeden Zweifel die Faust Dr. Friedbert Pflüger (CDU/CSU): Der breite Kon- Inszenierung von Peter Stein. Fast ein halbes Jahr- sens in diesem Haus zur EXPO ist ermutigend. Wir hundert nach der Inszenierung von Gustav Gründ- verabschieden heute einen gemeinsamen Antrag gens, soll nun der gesamte Faust, in ungekürzter Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22403*

Fassung auf die Bühne kommen: 17 Stunden wird die Koalition aus CDU/CSU und F.D.P. sorgen so im das dauern, allerdings verteilt auf mehrere Tage. Daß Raum Hannover für eine Sonderkonjunktur, machen es der EXPO GmbH gelungen ist, Peter Stein dafür Verkehrssysteme und Messe durch erhebliche Mit- zu gewinnen, ist großartig. Diese Aufführung wird in telkonzentration fit für das kommende Jahrhundert. allen Teilen der Welt Resonanz finden Goethes Faust von Peter Stein in Szene gesetzt am Beginn des Ich bin stolz, als hannoverscher Abgeordneter neuen Milleniums - was für eine großartige Idee! dazu von Anfang an meinen Beitrag geleistet zu ha- Fast möchte man sagen: Dafür lohnt sich die ganze ben - zu einem Zeitpunkt bereits, als Herr Schmal- EXPO! stieg in Hannover und Theo Waigel in Bonn noch zögerten. Schmalstieg aus unverantwo rtlichen par- Für den Erfolg der EXPO ist es allerdings auch er- teitaktischen Erwägungen. Waigel aus verantwort- forderlich, daß die rotgrüne Ratsminderheit Hanno- lichen haushaltspolitischen Gründen. Ich danke vor vers, die von dem Projekt nie begeiste rt war und es allem meinen Kollegen von der Landesgruppe der um ein Haar bei einer rechtswidrigen Bürgerbefra- Niedersachen-CDU, insbesondere ihren Vorsitzen- gung verspielt hätte - mitzieht und nicht aus ideolo- den Klaus-Jürgen Hedrich und E rich Maaß sowie gischen Gründen zum Beispiel die notwendigen den zuständigen Kollegen im Haushaltsausschuß für Parkplätze verweigert. Bei 5 DM pro Liter Benzin die Unterstützung, die sie der EXPO in der Landes- und ohne Parkplätze können wir keine EXPO durch- hauptstadt Hannover gewährt haben. führen. Dann bleiben die Leute zu Hause. - Wir haben volles Vertrauen in die Führung der Edelgard Bulmahn (SPD): Der inhaltliche An- EXPO-GmbH, in Frau Breuel, Herrn Volk und Herrn spruch der Weltausstellung EXPO 2000 ist sehr hoch: Heckmann sowie in den künstlerischen Leiter des Mit dem zentralen Motto „Mensch - Natur - Technik" Kulturprogramms, Tom Stromberg. Wir erwarten und thematisiert sie die zentrale Herausforderung der sind zuversichtlich, daß dieses Team im Jahre 2000 Menschheit an der Schwelle zum 21. Jahrhundert. schwarze Zahlen hinterläßt. Aber selbst wenn sie es Die gegenwärtig dominierende ressourcen- und nicht ganz schaffen sollten: Wenn die EXPO ein energieverschwendende Wirtschaftsweise ist nicht Erfolg wird, wenn die deutsche Wi rtschaft die damit zukunftsfähig. Der Treibhauseffekt, das Ozonloch verbundenen Chancen nutzt, dann ist das Unterneh- und anderes mehr sind Zeichen dafür, daß die Belast- men Weltausstellung allemal ein Erfolg für das Bild barkeit ökologischer Systeme mißachtet wurde. Die unseres Landes in der Welt und den Standort sozial-ökologische Umorientierung von Wirtschaft Deutschland. Das freilich ist alles andere als ein Frei- und Gesellschaft auf ein an dauerhafter Entwicklung brief für eine großzügige Ausgabenpolitik bei der orientiertes Zukunftsmodell ist unausweichlich, EXPO-GmbH. wenn die Menschheit überleben soll und die Zukunft nicht dadurch bestimmt sein soll, daß ein immer klei- Niemand sollte sich von Schwierigkeiten und nerer Teil der Menschheit einen immer größeren An- Rückschlägen, auch nicht von jüngsten Meldungen teil der noch verbleibenden Ressourcen verbraucht. aus Lissabon irremachen lassen. Es gibt bei der Ver- wirklichung von Großprojekten, ja schon dem eige- Die Suche nach ökologisch und sozial verträgli- nen Einfamilienhaus, immer Ärger- und Stöhnperio- chen Wachstumsmustern ist sowohl für die Industrie als auch für die Entwicklungsländer ein vorrangiges den, die Euphorie kommt erst bei der Schlüssel- übergabe. Es ist immer etwa so bei Großprojekten. Ziel. Die Frage ist: Wie lösen wir die vielschichtigen Es gibt sechs Phasen: erstens Begeisterung, zweitens ökologischen, ökonomischen und sozialen Probleme, Ernüchterung, drittens Panik, viertens Suche nach ohne zugleich neue, noch größere zu erzeugen? Wie Schuldigen, fünftens Bestrafung der Unschuldigen, erreichen wir, daß aus technischem Fortschritt sozia- sechstens Auszeichnung der Nichtbeteiligten. So ler und ökologischer Fortschritt wird? Die EXPO 2000 ähnlich wird es auch diesmal sein. Trotzdem sagen stellt für diese Fragen eine hervorragende Möglich- wir, die CDU/CSU, zu den Beteiligten: Kopf hoch, keit dar, den nötigen Bewußtseinswandel voranzu- haltet zusammen, laßt Euch nicht entmutigen! bringen und symbolisch wie praktisch die nötigen Signale zu setzen. Als internationale Zukunftswerk- Was das Engagement des Bundes angeht, so ist es statt eröffnet sie die Möglichkeit, Innovationen und - vor allem angesichts der angespannten Haushalts- Lösungen für das Zusammenleben der Menschen in lage - bewundernswert. Fast alle Nahverkehrsvor- der einen Welt darzustellen. haben - die S-Bahn, die Stadtbahnlinien C und D, In knapp zwei Jahren wird die Weltausstellung der Ausbau der Strecke Wunstorf-Seelze-Hannover EXPO 2000 in Hannover stattfinden. Das Ereignis, Hbf - werden hauptsächlich durch Bundesmittel über dessen Vorbereitungen die Region Hannover schon das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz ermög- seit Jahren beschäftigen, rückt stetig näher - von vie- licht. Für qualitative Verbesserungen der Strecke von len hoffnungsfroh erwartet, von einigen skeptisch Lehrte nach Hannover Hbf stehen Mittel aus dem betrachtet. Auch im Bundestag haben wir das Ereig- Bundesschienengesetz zur Verfügung. Hinzu kom- nis immer wieder thematisiert: im Plenum und in den men aus dem Bundesfernstraßenbau fast 1,6 Mil- Ausschüssen. Zuletzt haben wir 1996 im Bundestag liarden DM im Raum Hannover zwischen 1996 und über die Weltausstellung im Plenum debattiert. Was 2000, unter anderem den sechsspurigen Ausbau von hat sich seit dieser Zeit getan? A2 und A7. Insgesamt gibt der Bund zwischen 1995 und 2000 zirka 2,5 Milliarden DM für Verkehrsmaß- Der Ausbau der Infrastruktur in Hannover ist weit nahmen in und um Hannover aus. Nicht Herr Schrö- fortgeschritten, eine Verbesserung von der auch die der oder Herr Schmalstieg, sondern Helmut Kohl und Region Hannover auf Dauer profitieren wird. Die 22404* Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Entscheidungen für die wichtigen Bauten rund um Die Freude darf bei aller Bedeutung der Inhalte nicht die Plaza, dem zentralen Platz auf der Weltaus- zu kurz kommen. Die Weltausstellung in Hannover stellung, sind gefällt; die größeren Baumaßnahmen soll den Teilnehmern als eine fröhliche Veranstaltung auf dem eigentlichen Gelände der Weltausstellung in Erinnerung bleiben, bei der neben Denkanstößen haben erste Formen angenommen. auch gemeinsam geteilte Freude im Mittelpunkt steht. Wir sind mithin ein gutes Stück vorangekommen, daß die EXPO 2000 zu einem Erfolg wird. Entschei- Ergänzt werden die Kommunikationsmöglichkei- dend für den Erfolg der EXPO 2000 wird es sein, ob ten auf der EXPO durch die neuen Medien, allem die deutsche Industrie, die auch maßgebliche finan- voran das Internet. Schon jetzt liegt die Zahl der Zu- zielle Mittel für den Themenpark bereitstellt, das griffe auf die Homepage der EXPO Gesellschaft bei Konzept der EXPO als Chance begreift, als einen 100 000 pro Woche. Es ist für die Zeit der Weltausstel- Experimentierraum, in dem sie ein wenig abseits des lung geplant, einen virtuellen Rundgang auf dem Alltagsgeschäftes neue kreative Impulse geben und EXPO-Gelände anzubieten, wo in Chat-corners auch empfangen kann, neue Impulse für umweltverträgli- die Gelegenheit zu Gesprächen und Austausch mit chere Produkte, für neue Lösungsansätze für eine so- anderen Internet-Nutzern gegeben ist. zialere Gestaltung der Gesellschaft. Sehr spannend Trotz dieser faszinierenden Möglichkeiten elektro- erscheint mir zum Beispiel der Bereich „Zukunft der nischer Medien ist wohl der Austausch mit einem Arbeit" zu sein, wo unter Beteiligung der Gewerk- konkreten Gegenüber nicht zu ersetzen. Dazu wird schaften Modelle entwickelt werden zu der Frage, es während der Weltausstellung vielfältige Anlässe welche Arbeitsprozesse es in der Zukunft geben wird auch neben den Hauptattraktionen und außerhalb und wie ein gesellschaftlicher Umgang mit Arbeit des EXPO-Geländes geben. So sind Themenwochen so ermöglicht werden kann, daß niemand durch in Planung, die den verschiedenen Organisationen Arbeitslosigkeit ausgegrenzt wird. Gelegenheit bieten, zu einem vorgegebenen Thema Eindrucksvoll gestaltet sich die Vorbereitung der Veranstaltungen in Hannover durchzuführen. Eben- dezentralen Projekte, die das Motto „Mensch - Na- so gibt es Überlegungen zu sogenannten Global tur - Technik" inhaltlich aufnehmen. In drei Bewer- Dialogue Events, Veranstaltungen am Rande des tungsrunden wurden von einer Jury unter vielen Themenparks, auf denen ein interessie rtes Publikum Bewerbern insgesamt 82 Projekte ausgewählt und über spezielle Themen einer zukunftsfähigen Ent- unter dem Motto „Stadt und Region als Exponat" zur wicklung diskutieren kann. Registrierung vorgeschlagen. Über 200 weitere Pro- Eine Umkehr zu geringerem Ressourcenverbrauch jekte befinden sich in den anderen Ländern außer- auf dem Weg über Effizienzsteigerungen und Ener- halb Niedersachsens. Das Land Sachsen-Anhalt gieeinsparungen hat eingesetzt; sie wird aber noch spielt dabei eine besondere Rolle, da die Region Bit- viel Zeit brauchen. Die Konferenz in Rio 1992 brachte terfeld, Dessau, Wittenberg zur Korrespondenzregion einen wichtigen Impuls für eine zukunftsfähige Ent- erklärt wurde. Diese Region soll in exemplarischer wicklung der Menschheit. Die do rt verabschiedete Weise zeigen, daß auch für industriell stark belastete Agenda 21 enthält viele wichtige Anregungen für Regionen mit erheblichen Umweltschäden eine gesellschaftliche Veränderungen und Initiativen, die nachhaltige Entwicklung wieder möglich wird. Hier auf die Entwicklung einer nachhaltigeren und sozial zeigt sich die bundesweite Relevanz der Weltausstel- gerechteren Lebensweise der Menschen zielen. lung, nicht nur im Sinne der Darstellung des Wirt rtes, sondern auch als Impulsgeber für-schaftsstando Das Ziel, eine Entkoppelung des Stoff- und Ener- die wirtschaftliche und ökologische Erneuerung. Er- giedurchsatzes in den wi rtschaftlichen Produktions- gänzt werden die dezentralen Projekte in Deutsch- prozessen von der Lebensqualität der Bevölkerung land durch 70 inte rnationale Projekte weltweit. zu erreichen, hat nach wie vor hohe Priorität. Dabei liegt der vorsorgende Umweltschutz auch im Eigen- All dies sind wichtige Schritte zu mehr Kommuni- interesse der Unternehmen, wie die Erfolge deut- kation und zur Vernetzung von Lösungsansätzen. scher Unternehmen auf Märkten für emissionsarme Die Weltausstellung ist aber auch eine Chance, auf und umweltfreundliche Produkte, Technologien und vielfältige Weise einen interkulturellen Austausch zu Verfahren zeigen. Hier wird beispielhaft deutlich, inszenieren. Menschen aus verschiedenen Welt- daß eine umweltfreundlichere Produktionsweise regionen werden zusammenkommen und dabei die auch zu mehr Beschäftigung und Wohlstand führen Möglichkeit erhalten, ihre eigenen Zukunftsent- kann. Insgesamt sind Strategien zu verfolgen, die die würfe vorzustellen und die anderer kennenzule rnen. Ziele von wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, sozia- Sie werden in einen regen Austausch treten können, lem Zusammenhalt und ökologischer Nachhaltigkeit Vergleiche anstellen und Schlußfolgerungen für die zu integrieren imstande sind. eigene Arbeit vor Ort ziehen können. Es sind also weitere Anstöße notwendig. Es sind Darüber hinaus soll die Weltausstellung ein großes weitere Ideen und Visionen notwendig. Es sind aber internationales Fest werden, bei dem die Gäste, die vor allem weitere Taten notwendig, die helfen, das aus allen Teilen der Welt nach Hannover kommen, allgemein Einsichtige dann auch umzusetzen. Hier Spaß und Unterhaltung finden und gemeinsam fei- kann die Weltausstellung einen wichtigen Beitrag ern. Es soll ein großes Kulturprogramm geben, das leisten. Wir werden uns daran messen lassen müs- jeden anspricht, eine Mischung aus klassischer Kul- sen, ob es uns gelingt, ein Forum für neue Impulse zu tur, wie die Inszenierung des Faust in der Gesamt- schaffen, aus denen überzeugende Veränderungen länge, und Popkultur mit Musik und Happenings. resultieren. Mut zu machen, für eine weltweite Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22405*

Suche nach Lösungen für die schwierigen sozialen zwei Jahre im voraus Karten bezahle. Deshalb sehe und ökologischen Probleme unserer Gegenwart und man sich gezwungen, 500 Millionen DM per Kredit- Zukunft und die Menschen, die schon jetzt an zu- ermächtigung zu borgen. - Wäre es da nicht sinnvoll kunftsfähigen Projekten arbeiten, in das EXPO- gewesen, ein und dieselben Marktforschungsinsti- Geschehen einzubinden. tute damit zu beauftragen, sowohl Besuchspläne als auch Mentalitäten potentieller Besucher zu eruieren? Ich bitte Sie deshalb mit Nachdruck um Unterstüt- zung der EXPO 2000, damit die Weltausstellung die- Der niedersächsische Ministerpräsident hat ja die sen hohen Ansprüchen genügen kann und zu einem Absicht, vor den niedersächsischen Schulden nach wichtigen Schritt auf dem Weg zu einer nachhaltige- Bonn zu flüchten. Doch dank der von ihm erstritte- ren und sozial gerechteren Gesellschaft wird. nen Beteiligung des Bundes wird der Schuldenberg der EXPO Hannover dann dort schon auf ihn warten. Dr. Helmut Lippelt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So bleibt ihm nur die Hoffnung, daß bei der in Bonn Die Regierungsfraktionen und die SPD haben ihre zu übernehmenden Gesamtverschuldung des Bun- Anträge inzwischen zusammengeworfen. Aber auch des der Klacks der Hannoveraner EXPO-Schulden diesen schwarz-roten Antrag lehnen wir ab. Ich will gar nicht mehr besonders auffällt. hier nicht im einzelnen darauf eingehen, ob und in- wieweit die gegenwärtigen, großangelegten Infra- Walter Hirche (F.D.P.): Am Beginn des neuen Jahr- struktur- und Bauarbeiten, die jetzt das Stadt- und hunderts hat Deutschland die große Chance, mit der Landschaftsbild Hannovers verunstalten, überhaupt Weltausstellung Expo 2000 in Hannover nachhaltige zu einer sinnvollen Gestaltung der EXPO führen und Zeichen für positive Lösungen der vielen Probleme darüber hinaus eine vernünftige und ökologische, unserer Erde aufzuzeigen. Wenn man bedenkt, daß städtebauliche Gestaltung Hannovers in Zukunft ge- von Deutschland in diesem Jahrhundert zwei Welt- währleisten. kriege ausgingen, dann ist die Expo in Hannover der Ich will hier nur auf ein Loch der Finanzierung hin- Start für eine Rolle Deutschlands in der Welt im näch- weisen, das mit den falschen Mitteln gestopft wird: sten Jahrhundert. Insofern geht es bei der Expo na- Der sowieso schon schmale Haushalt des Bundesmi- türlich um künftige Arbeitsplätzee in Deutschland, nisteriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit wird um den Standort Deutschland, aber mehr noch um um 100 Millionen DM geplündert, die bisher aus- unsere Beiträge für eine neue globale Entwicklung. drücklich der Entschuldung der ärmsten Länder ge- Die Entscheidung der von CDU/CSU und F.D.P. ge- widmet waren. Die Schulden dieser Länder werden tragenen Bundesregierung vor 10 Jahren, sich um um keine Mark geringer, wenn ihnen jetzt die Reise- die Ausrichtung der Expo 2000 zu bewerben, war und Ausstellungskosten finanziert werden. Diese von großem Weitblick. Länder brauchen das Geld dringend für ihren Aus- Die knappe internationale Entscheidung, die Han- weg aus der Schuldfalle und nicht für eine Art nover den Vorzug vor Toronto gab, konnte Anfang Zwangsbeitrag zur EXPO, für deren Finanzierung der 90er Jahre leider nicht zügig umgesetzt werden, die Mittel - egal aus welchem Haushalt - zusammen- weil rotgrüne Aktionen insbesondere in der Stadt gekratzt werden sollen. Hannover versuchten, das Projekt zu kippen. Bis Darüber hinaus lassen sich die Planungen für die heute wollen die Grünen in keiner Weise begreifen, EXPO nur noch anekdotisch schildern. Zur Zeit wird welche Chancen die Expo 2000 für Umwelt und die EXPO 1998 in Lissabon eröffnet. Der erste Besu- Entwicklung der Erde im Sinne der Prinzipien von cherüberblick zeigt, daß sich über den Kartenverkauf Rio bietet, welche Chancen Hannover bietet, für voraussichtlich nur ein Viertel der darüber einge- wirtschaftliche, soziale und ökologische Probleme planten Mittel einfahren läßt. Auch die Lissaboner Lösungsmodelle vorzuzeigen. Hannover wird das EXPO wird sich würdig in jene internationalen Groß- Schaufenster am Beginn des 21. Jahrhunderts sein, veranstaltungen einreihen, die mit enormen Defizi- von dem im Sinne von Dialog, Transparenz und Kom- ten für die öffentlichen Haushalte und die Kommu- munikation positive Anstöße für Arbeit, Leben und nen enden. Kultur und das Verhältnis der Menschen zur Natur ausgehen. Wer sich gegen die Chance stellt, von Trotzdem begründet die EXPO-Gesellschaft Han- Deutschland Botschaften der Entwicklung in In- nover ihren neuen Antrag für einen erhöhten Kredit- dustriestaaten und der dritten Welt auszusenden, rahmen von sage und schreibe einer halben Mil- Botschaften des kulturellen Zusammenlebens der liarde DM mit folgendem Argument: Jüngste zuver- Völker dieser Erde und Botschaften für einen neuen lässige internationale Meinungsumfragen und Ana- Respekt des Menschen für die Natur, der beweist auf lysen hätten jetzt belegt, daß die Aussichten auf ei- erschreckende Weise Provinzialismus. nen riesigen Besucheranstrum immer rosiger wür- den. Dennoch müsse man erneut über Kreditauf- Registrieren muß man auch, daß die PDS, Politik- nahme einer Finanzierungslücke schließen. Man partner der SPD in Sachsen-Anhalt, die Expo ab- habe nämlich in den Haushalt dieses Jahres schon lehnt, obwohl wesentliche Aktivitäten der Expo erhebliche Mittel aus erwarteten Vorauszahlungen dezentral in Sachsen-Anhalt stattfinden, wie zum von Eintrittskarten eingesetzt. Nun zeigten aber an- Beispiel in der offiziellen Korrespondenzregion, der dere, selbstverständlich ebenso sorgfältig angestellte alten Industrieregion Wittenberg-Dessau-Bitterfeld. Marktuntersuchungen, daß die Mentalität zukünfti- Die Abhängigkeit, in die sich die SPD im lokalen ger Besucher dergestalt sei, daß zwar Unzählige zu Bündnis in Hannover mit Expo-Gegnern und im Lan- kommen beabsichtigten, aber doch kaum jemand desbündnis mit Expo-Gegnern begibt, ist berner- 22406* Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 kenswert. Deswegen anerkenne ich durchaus, daß Berücksichtigung der Automobilindustrie und der die SPD-Bundestagsfraktion, genau wie die nieder- Atomlobby, die sich auf allen einflußreichen Posten ländische Landesregierung, das Projekt Expo 2000 breitgemacht haben, repräsentiert. Entsprechend unterstützt. Aber es bleibt eben eine Einbuße an Effi- sehen die Antworten auf die Zukunftsfragen aus: Mit zienz, wenn vor Ort mit den Parteien paktiert wird, Vollgas in den nächsten Stau, mit Atomenergie die den Gegenwind organisieren. provozieren wir den nächsten GAU, und mit gen- manipulierten Lebensmitteln wird dann der Magen Die F.D.P. freut sich, daß die Vorbereitung der in- flau. haltlichen Themen der Expo 2000 den lange an- gekündigten Schwung bekommen hat. Der vom Im wesentlichen geht es also um die Beförderung Bundesminister für Wirtschaft vorgelegte 5. Fo rt von Akzeptanz unakzeptabler Technik, um die Beför- -schrittsbericht zur Vorbereitung der Expo weist ein- derung von Profitinteressen. Unter dem Mäntelchen drucksvoll aus, was an Aktivitäten inzwischen auf von „Nachhaltigkeit" und Agenda 21 sollen deshalb den Weg gebracht worden ist. Der Bericht ver- ziemlich unnachhaltig über 5 Monate durchschnitt- schweigt auch nicht die kritiischen Anmerkungen, lich 300 000 Besucher Müll und Verkehr produzieren. die der Bundesrechnungshof zu Finanzfragen etwa Und der Preis wird hoch. Nach der Expo wird Han- im Zusammenhang mit Besucherzahlen und Budget- nover zum Sozialamt gehen müssen. Entgegen den kalkulation gemacht hat. Wie bei allen öffentlichen ursprünglichen Versprechungen, daß die Expo die Veranstaltungen lohnt es sich, diese Bemerkungen Stadt Hannover keinen Pfennig kostet, werden bis sorgfältig zu beachten. Dies gilt auch für alle Fragen zur Expo rund 33 Millionen DM Verwaltungskosten der Verkehrsinfrastruktur. Ich bin sicher, daß zum und 70 Millionen DM Investitionen von zweifelhafter Beispiel Soll und Ist der Expo Lissabon berücksich- Nützlichkeit eingesetzt. Und die 100 Millionen DM, tigt werden. Ich begrüße, daß der gemeinsame An- die aus dem Entwicklungshilfeetat für die Expo ein- trag von Koalition und SPD deutlich macht, daß bei gesetzt werden, könnten sicherlich auch sinnvoller allen eventuell noch auftauchenden Hemmnissen verwandt werden. energisch alle Hebel in Bewegung gesetzt werden müssen, um die Expo zum vollen Erfolg zu machen. Wir lehnen diese unsinnige und überflüssige Disneyland-Show der Technik ab. Die Aufgaben, die noch zu lösen sind, sind allen bewußt, und deshalb nehme ich die Gelegenheit gern wahr, insbesondere noch einmal auf die großen Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär beim Bun- Chancen hinzuweisen, die die Expo 2000 für den desminister für Wirtschaft: Die Bundesregierung be- Standort Deutschland bietet. Die Expo 2000, die ja grüßt den in den Bundestag eingebrachten gemein- nicht nur ihre Tagesbesucher erreichen wird, son- samen Antrag der Koalitionsfraktionen und der SPD dern über die Möglichkeiten der Telekommunikation zur Weltausstellung EXPO 2000 in Hannover. Wir die Hälfte der Menschheit, wird ganz selbstverständ- haben der Öffentlichkeit deutlich zu machen, daß lich Werbung für den Standort Deutschland bedeu- der Deutsche Bundestag hinter dieser für Deutsch- ten - und zwar sowohl Werbung in existentiell wirt- land so wichtigen Veranstaltung steht und daß von schaftlichem Sinn, als auch mit Perspektive für un- dieser Stelle ein klares Bekenntnis zur EXPO 2000 sere Arbeitsplätze, als auch kulturelle Werbung für ausgeht. Ich freue mich, daß dieser Entschließungs- das Gesellschaftskonzept des freiheitlichen Rechts- antrag von der großen Mehrheit im Plenum getragen und Sozialstaates, in dem wir leben, Werbung auch wird. für die Weltoffenheit unseres Standortes. Deswegen Obwohl sich inzwischen fast die ganze Welt ange- meine ich: Wer ungelöste Punkte sieht, sollte nicht meldet hat - mehr als 170 Nationen und internatio- jammern und kritisieren, sondern helfen, sie abzu- nale Organisationen werden dabei sein -, bleiben die stellen. Wer gute Ansätze sieht, muß dazu beitragen, Deutschen merkwürdig zurückhaltend. Hier ist noch diese zu verstärken. Der Vorschlag, im Rahmen des ein gutes Stück Motivations- und Überzeugungs- Expo-Programms in Göttingen ein nationales „Forum arbeit zu leisten. für Wissenschaft und Technik" einzurichten, ist des- halb zu begrüßen. Natürlich ist hier - daran gibt es keinen Zweifel - zunächst die EXPO-Gesellschaft in Hannover gefor- Jeder ist aufgerufen, an der Zukunft unseres Lan- dert. Allerdings wünsche ich mir auch, daß die ver- des im Interesse der nächsten Generationen mitzuar- ehrten Damen und Herren Abgeordnete, die EXPO- beiten. Die Expo 2000 ist ein großartiger Schritt auf Idee in ihre Wahlkreisarbeit einbeziehen und mit- dem Weg dorthin. Deswegen unterstützt die F.D.P.- helfen, daß dieses Ereignis zu einem von allen Fraktion die vom Ausschuß für Wirtschaft vorgeleg- Schichten der Gesellschaft mitgetragenen nationalen ten Beschlußempfehlungen nachdrücklich. Ereignis wird. Unter dem Leitmotiv „Mensch-Natur-Technik" Rolf Köhne (PDS): Die zentralen Zukunftsfragen versucht die Weltausstellung EXPO 2000 in Hanno- der Menschheit an der Schwelle zum 21. Jahrhundert ver globale Entwicklungslinien nachzuzeichnen, ver- soll die Expo 2000 „thematisieren". Doch an den Fra- sucht sie Antworten auf einige Fragen zu geben. Die gen und Antworten wird die „Menschheit" aller- EXPO 2000 hat handfeste Themen zum Gegenstand dings kaum beteiligt. Die versprochene „neue A rt ihres Programms gemacht: Gesundheit und Ernäh- der Vorbereitung" mit Bürgerbeteiligung ist ausge- rung, Wohnen und Arbeiten, Mobilität und Freizeit, blieben. Statt dessen wird die „Menschheit" durch Umwelt und Entwicklung - Themenfelder, die uns eine Handvoll Konzernvertreter unter besonderer alle angehen. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22407*

Nur zu berechtigt ist allerdings die Frage, was die die EXPO 2000 wäre besser geeignet die Leistungs- EXPO 2000 eigentlich ist. Welche Botschaft soll sie fähigkeit der deutschen Industrie auf dem Gebiet des übermitteln? Umweltschutzes zu demonst rieren? Ich will das einmal kurz so definieren: Die EXPO Der Countdown läuft. In weniger als zwei Jahren 2000 ist zunächst ein unterhaltsames und aufregen- wird die Weltausstellung ihre Tore öffnen. Fünf Mo- des Erlebnis für Kinder und Erwachsene, eine Reise nate lang, vom 1. Juni bis zum 31. Oktober 2000 steht um die Welt. Die EXPO 2000 ist zweitens ein Forum Hannover dann im Rampenlicht der Weltöffentlich- für innovative Zukunftskonzepte mit Fokus auf wis- keit. Insgesamt sollen 40 Millionen Eintrittskarten senschaftlich-technische Entwicklungen. Drittens ist verkauft werden. Bis zu 30 000 Mitarbeiter werden sie ein Schaufenster für den Standort Deutschland. sich um das Wohl der Besucher kümmern. Dies ist ein gewaltiges Programm. Die EXPO-Schau muß sich zwangsläufig in die größeren politischen Zusammenhänge einfügen. Aus Es bedarf der Anstrengung aller, damit von dieser meiner Sicht sind dies insbesondere die Globalisie- Ausstellung möglichst viele positive Signale ausge- rung der Weltwirtschaft, die Ablösung der Industrie- hen. gesellschaft durch die Informations- und Kommu- nikationsgesellschaft und die Sicherung der natür- lichen Lebensgrundlagen. Mit der Globalisierung der Märkte nehmen die Anlage 11 Verflechtung und Austauschbarkeit von Produktions- standorten immer schneller zu. Dieses veränderte Zu Protokoll gegebene Reden Umfeld stellt neue Anforderungen an die Innova- zu Tagesordnungspunkt 15 tionsfähigkeit der deutschen Wirtschaft wie auch an (a - Entwurf eines Gesetzes zur Änderung die Wirtschaftspolitik. der Bundesnotarordnung und anderer Gesetze; b - Entwurf eines Gesetzes zur Änderung Ich erwarte, daß die deutsche Wi rtschaft gemein- der Bundesrechtsanwaltsordnung, sam mit den Regierungen von Bund und Ländern der Patentanwaltsordnung und anderer Gesetze, einen eindrucksvollen deutschen Auftritt gestaltet Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und unter Beweis stellt, daß sie für die Herausforde- der Bundesrechtsanwaltsordnung; rungen des neuen Jahrhunderts gut gerüstet ist. Dar- c - Entwurf eines Gesetzes zur Änderung über hinaus ist die Jahrtausendwende - 10 Jahre des Umwandlungsgesetzes) nach der Zurückgewinnung der deutschen Einheit - der richtige Zeitpunkt, um der Weltöffentlichkeit ein (CDU/CSU): Die deutsche Anwalt- „neues", weltoffenes und in die Europäische Union Horst Eylmann schaft ist sei den achtziger Jahren einem tief greif en- eingebundenes Deutschland vorzustellen. Damit ist den Wandlungsprozeß ausgesetzt, der unter ande- eigentlich schon das primäre politische Ziel definie rt; rem durch immer größer werdende berufliche Ver- die EXPO 2000 als effizientes Instrument für das bindungen zwischen Anwälten, Steuerberatern und Standortmarketing einzusetzen. Wirtschaftsprüfern gekennzeichnet ist. Diese so ent- Weiter bietet es sich an, die EXPO 2000 für die Zu- standenen überregionalen „Anwaltsfirmen" sind an kunftsfähigkeit Deutschlands zu nutzen. Warum soll- den wichtigsten nationalen und zunehmend auch an ten wir von dieser Gelegenheit nicht profitieren, um den internationalen Wirtschaftszentren vertreten. das Interesse der Besucher zu wecken und sie auf die Dieser Konzentrationsprozeß ist wiederum eine Folge vielfältigen, durch den Einsatz neuer Technologien des anspruchsvoller werdenden Beratungsbedarfs, angestoßenen wirtschaftlich-gesellschaftlichen Ent- der nur noch mit einer Fülle von Spezialwissen, das wicklungen und Chancen vorzubereiten? So wird die unter einem Dach vereinigt ist, zu bef riedigen ist. Für EXPO 2000 zum Beispiel dem Thema „Wissen und immer mehr Anwälte steht nicht mehr die forensi- Information" in Verbindung mit den Fragen um die sche Tätigkeit im Vordergrund. Einen zunehmenden „Zukunft der Arbeit" besondere Aufmerksamkeit Anteil nimmt die Beratungstätigkeit auf allen Gebie- schenken. ten ein. Dies ist auch die einzige Chance, der stark angewachsenen Zahl von Anwälten angemessene Ich könnte mir gut vorstellen, daß wir mit der Beschäftigungsmöglichkeiten zu verschaffen. EXPO 2000 eine Technologieoffensive starten, die letztlich zu einer stärkeren Offenheit der Bürger ge- Das Berufsrecht der Anwälte, das seit Jahrzehnten genüber dem Einsatz neuer Technologien führt. von überkommenen und teilweise auch an Zunft- Nicht minder schätze ich die Rolle der EXPO 2000 schranken erinnernden Standesrichtlinien geprägt ein, was die ökologische Komponente betrifft. war, mußte sich dieser neuen Entwicklung anpassen. Mit einigem Bedauern ist festzustellen, daß der An- Mit der Konferenz von Rio de Janeiro im Jahre stoß zu dieser Reform weder von den berufsständi- 1992 zum Thema „Umwelt und Entwicklung" schen Vertretungen noch durch die Legislative, noch - UNCED - haben die Regierungen von 178 Staaten durch die Exekutive, sondern durch die Judikatur in einen Aktionsplan, die sogenannte Agenda 21, be- Gestalt des Bundesverfassungsgerichts gekommen schlossen. Die Industrieländer haben hier eine be- ist. Es sind die Beschlüsse des Bundesverfassungsge- sondere Verantwortung, nicht zuletzt auf Grund ihrer richts vom 14. Juli 1987 gewesen, die den dringend technischen und finanziellen Möglichkeiten. Wel- notwendigen Reformprozeß eingeleitet haben. Das ches andere Forum mit weltweiter Ausstrahlung als Berufsrecht der Anwälte ist als Folge dieser Entschei- 22408* Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 dungen durch die Novellierung der Bundesrechtsan- In die Novellierung der Bundesrechtsanwaltsord- waltsordnung von 1994 in weiten Bereichen grundle- nung ist ein Gesetzentwurf des Bundesrates einbezo- gend neu gestaltet worden. Ich nenne als Beispiel gen worden, der darauf abzielt, den Ländern zu er- nur die bis dahin in Anwaltskreisen streng verpönte möglichen, die Zulassung der Anwälte den Anwalts- Zulassung einer sachlichen Informationswerbung. kammern zu übertragen. Hinter diesem Vorstoß der Länder mag in erster Linie das Motiv stehen, den Der Gesetzgeber glaubte damals, das Notwendige Aufgabenbereich der Landesjustizverwaltungen zu getan zu haben. Er wurde aber alsbald wiederum verringern und auf diese Weise Kosten zu sparen. Ich von der Rechtsprechung überholt. Während wir sei- begrüße ihn aus anderen Gründen: Es sollte zum nerzeit noch die neugeschaffene Pa rtnerschaft neben Selbstverständnis der Anwaltschaft gehören, in eige- der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts als die der ner Verantwortung und Zuständigkeit über die Zu- Anwaltschaft adäquate Gesellschaftsform angesehen lassung zur Anwaltschaft zu entscheiden. Schließlich hatten, belehrte uns das Bayerische Oberste Landes- obliegt es den Kammern auch, die Einhaltung der gericht schon Ende 1994 darüber, daß den Anwälten Berufspflichten durch die Anwälte zu überwachen. auch die Gesellschaftsform der GmbH nicht verwehrt In anderen europäischen Ländern liegt die berufliche werden dürfe. Daraus ergab sich für den Gesetz- Zulassung auch in den Händen der anwaltlichen Be- geber die Notwendigkeit, der Anwalts-GmbH einen rufsvertretungen. Gern hätte ich jetzt schon eine gesetzlichen Ordnungsrahmen zu geben, der insbe- bundeseinheitliche Regelung gehabt. Da der Organi- sondere die Unabhängigkeit des Anwalts bei einer sationsgrad der Anwaltskammern aber unterschied- Berufsausübung in einer Anwalts-GmbH absichert lich ist, müssen wir zunächst mit einer Ermächtigung und zugleich möglichen Gefahren vorbeugt, die für der Landesregierungen auskommen. Ich hoffe zuver- das rechtsuchende Publikum und für die Rechts- sichtlich, daß in den nächsten Jahren alle Länder von pflege insgesamt durch die rechtsbesorgende Tätig- dieser Möglichkeit Gebrauch machen. Damit wäre keit dieser Gesellschaften denkbar sind. ein weiterer Schritt auf dem Wege der vollen Emanzi- Die Vorbereitung der erneuten Novellierung der pation der Anwaltschaft von staatlicher Aufsicht ge- Bundesrechtsanwaltsordnung hat relativ lange ge- tan. Vielleicht gelingt es dann eines Tages auch dauert. Dieser Prozeß des sorgfältigen Abwägens noch, dem Staat die Kompetenz für die Kleiderord- unter Berücksichtigung auch der Stellungnahmen der nung der Anwälte zu entwinden. Ob und wann eine anwaltlichen Berufsvertretungen hat sich aber ge- Robe getragen wird, sollte die Anwaltschaft durch lohnt. Zwar sind diejenigen Anwälte, die diese Gesell- ihre berufenen Vertreter in eigener und alleiniger schaftsform schon nutzen oder noch nutzen wollen, Zuständigkeit entscheiden können. nicht völlig zufriedengestellt. Andererseits bleiben auch Bedenken bei denen, die der Anwalts-GmbH Wir verabschieden heute auch eine Novellierung skeptisch gegenüberstehen. Das scheint mir aber ge- der Bundesnotarordnung. Einerseits stellt das Dritte rade zu beweisen, daß wir einen vernünftigen Mittel- Gesetz zur Änderung der BNotO und anderer Ge- weg gegangen sind. Ich begrüße es ausdrücklich, daß setze die notwendige Rechtseinheit in der Bundes- wir das entscheidende Kennzeichen der GmbH, der republik her, indem sie die noch aus der DDR-Zeit Ausschluß der persönlichen Haftung des Gesellschaf- stammende Verordnung über die Tätigkeit von Nota- ters, beibehalten haben. Zeitweise war erwogen wor- ren in eigener Praxis durch die Bundesnotarordnung den, eine persönliche Haftung des handelnden An- ersetzt. Dies wird in den neuen Bundesländern dank- walts einzuführen. Die mit der jetzigen Lösung ver- bar begrüßt werden. Andererseits ist die Novellie- bundene geringere Sicherheit für das rechtsuchende rung der Bundesnotarordnung aber auch ein bedeut- Publikum, im Falle einer fehlerhaften Beratung auch samer Schritt zur Anpassung des Berufsrechts der Schadensersatz zu bekommen, haben wir durch die Notare an die Vorgaben des Grundgesetzes. Wir voll- Verpflichtung, eine erhöhte Berufshaftpflichtversi- ziehen jetzt für die Notare das, was wir für die An- cherung abzuschließen, stark verringert. Die An- wälte schon mit der Berufsrechtsnovelle 1994 getan walts-GmbH muß verantwortlich von Rechtsanwäl- haben. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfas- ten geleitet werden. Um einen entscheidenden Ein- sungsgerichts müssen alle für die Berufsausübung fluß auf die Geschicke der Gesellschaft sicherzustel- wesentlichen Vorschriften in Gesetzesform ergehen. len, müssen anwaltliche Gesellschafter die Mehrheit Dies führt nun zu dem erfreulichen Ergebnis, daß wir der Kapitalanteile und Stimmrechte innehaben. alle wesentlichen und wichtigen Regeln, die bisher Reine Kapitalbeteiligungen, die Beteiligung Dritter teils im Gesetz, teils in Richtlinien der Bundesnotar- am Gewinn der Gesellschaft sowie mehrstöckige Ge- kammer, teils in Verwaltungsvorschriften in Gestalt sellschaften sind nicht zulässig. der Dienstordnung für Notare enthalten waren, nun- mehr in die Bundesnotarordnung inkorpo rieren. Ein Die jetzt vorgelegte Regelung der Anwalts-GmbH Beispiel mag zeigen, daß wir auch bemüht waren, ist vor zukünftigen Novellierungen nicht sicher. Wie überflüssige Reglementierungen abzubauen: Bislang diese Gesellschaften in Zukunft agieren werden, läßt mußte der Notar besondere Gründe anführen, wenn sich nicht zuverlässig absehen. Unerwartete Fehlent- er außerhalb der üblichen Dienstzeiten oder außer- wicklungen könnten gesetzgeberischen Handlungs- halb seiner Kanzlei Amtsgeschäfte vornehmen bedarf auslösen. Außerdem muß man auch hier da- wollte. Das Publikum, das die Dienste des Notars in mit rechnen, daß die eine oder andere Bestimmung Anspruch nehmen will, hat aber nur ein Interesse des Gesetzes auf den verfassungsrechtlichen Prüf- daran, daß es zu den normalen Geschäftszeiten einen stand gestellt wird. Das Ergebnis erneuter Anrufun- dienstbereiten Notar vorfindet. Keineswegs kann gen des Bundesverfassungsgerichts bleibt abzuwar- ihm daran gelegen sein, daß der Notar daran ge- ten. Lassen wir uns überraschen. hindert wird, ihm auch außerhalb der üblichen Ge- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22409* schäftszeiten oder seiner Kanzlei zur Verfügung zu und Wirtschaftsprüfern machte eine erneute Befas- stehen. Die Notare erbringen in staatlich gebundener sung des Rechtsausschusses mit diesem für die Nota- Form eine Dienstleistung, eine solche ganz besonde- riatsstruktur in Deutschland wichtigen Thema erfor- rer Art, aber eben eine Dienstleistung, deren Qualität derlich. Bekanntlich hatte der Rechtsausschuß noch nicht darunter zu leiden braucht, wenn sie statt um mit Beschlußempfehlung vom 1. April 1998 sich ge- 16 Uhr um 20 Uhr erbracht wird. Ich hoffe zuversicht- gen die Erweiterung der Sozietätsfähigkeit auch auf lich, daß dort, wo wir die Reglementierungstiefe Wirtschaftsprüfer ausgesprochen. Das Bundesverfas- zurückgenommen haben, sie in Richtlinien, die die sungsgericht hat mit seiner Entscheidung den Weg Berufsvertretungen der Notare vornehmen dürfen, konsequent fortgesetzt, den die Rechtsprechung mit nicht wieder auflebt. der Zulassung der Verbindung von Anwaltsnotaren mit Steuerberatern in der Vergangenheit gegangen Das Bundesverfassungsgericht hat in letzter Minute war. noch durch eine Entscheidung auf den Inhalt der Novelle Einfluß genommen. Während der Rechtsaus- Die Erweiterung der Verbindungsfähigkeit der An- schuß, unter dem Druck der Länder, eine Assoziie- waltsnotare mit Patentanwälten, Steuerberatern, rung des Anwaltsnotars mit einem Wi rtschaftsprüfer Wirtschaftsprüfern und vereidigten Buchprüfern ist für unzulässig erklärt hatte, hat das Bundesver- nicht der Abschluß von Überlegungen zum Berufs- fassungsgericht anders entschieden. Nach seiner Auf- bild und insbesondere zu dem wünschenswerten Ziel fassung würde es gegen den Gleichheitsgrundsatz eines einheitlichen Berufsbildes des Notars, gleich- verstoßen, die schon lange mögliche Assoziierung mit gültig, ob er diesen Beruf ausschließlich oder zu- einem Steuerberater zuzulassen, sie mit einem Wirt- gleich als Anwalt und damit auch in der Möglichkeit schaftsprüfer aber auszuschließen. Wir haben den ausübt, sich mit den genannten anderen Steuer- und Gesetzentwurf jetzt dieser Rechtsprechung angepaßt. wirtschaftsberatenden Berufen zu verbinden. Es ist Das Notariatswesen in der Bundesrepublik ist in wohl unbestreitbar, daß aus der Erweiterung der Ver- besonderem Maße alten Traditionen verpflichtet. Es bindungsfähigkeit des Anwaltsnotars Gefahren für gibt aus historischen Gründen mehrere Notariatsfor- das Notariat insgesamt entstehen können. Die im men, die Bezirks- und Richternotare in Baden-Würt- Hinblick auf die nationale und internationale Kon- temberg, und im übrigen zwei große Gruppen, die kurrenzfähigkeit so häufig beschriebene und viel- Nur-Notare und die Anwaltsnotare. Diese beiden fach beschworene Dienstleistungskultur in Form ei- Ausprägungen des Notariats haben sich in den letz- ner umfassenden Steuer- und Wi rtschaftsberatung ten Jahren eher weiter voneinander entfernt als sich mit Vertragsgestaltung in Form einer ganzheitlich angenähert. Wir sollten die Vielgestaltigkeit des wirtschaftsrechtlichen Betrachtung des Unterneh- Notariatswesens eher als Chance denn als Unglück mens läßt sehr schnell den Gedanken einer insge- betrachten. Es scheint mir nämlich noch nicht ausge- samt gewerblichen Betätigung aufkommen. Die no- macht zu sein, welche Notariatsform den Heraus- tarielle Beurkundung mit ihren drei wesentlichen forderungen der Zukunft am besten gewachsen sein Funktionen - nämlich Beratung, Belehrung, Beweis- wird. Beide haben Vorteile und Nachteile. Das An- sicherung - tritt trotz ihrer im Gesamtentscheidungs- waltsnotariat steht vor der schwierigen Aufgabe, sich ablauf gesonderten und vom Gesetzgeber gewollten auch in immer größeren Einheiten das nötige Maß an und in der Praxis anerkannten herausgehobenen Unabhängigkeit und Neutralität zu sichern, das zur Funktion in die Gefahr der Betrachtung als forma- Ausübung des Amtes erforderlich ist. Das Nur-Nota- lisierte Besiegelung. Der an der Entscheidungs- riat wird sich anstrengen müssen, in der traditionel- findung beteiligte Notar und seine Arbeit geraten im len Form der Einer- oder Zweier-Kanzlei auf Dauer Rahmen dieses Dienstleistungspakets häufig unbe- den steigenden Anforderungen zu genügen, ohne auf rechtigt an das Ende eines Entscheidungsfindungs- die Stufe eines bloßen Stempelnotariats herab- prozesses, der in der Gefahr steht, als überflüssig zusinken, in dem nur das zu Papier gebracht und empfunden zu werden, zumal mit dieser Dienst- vorgelesen wird, was andere vorgedacht oder vorge- leistung Kosten verbunden sind, die aus der Sicht schrieben haben. Es scheint mir im dringenden Inter- von Beteiligten als überflüssig betrachtet werden esse des deutschen Nota riats zu liegen, wieder mehr könnten. zusammenzurücken, voneinander zu lernen und das Gemeinsame zu betonen, anstatt das Trennende Innerhalb des Notariats in Deutschland stellt sich herauszustellen. Ohne diese Gemeinsamkeit wird es für die ausschließlich als Notare tätigen Angehörigen nämlich nicht gelingen, das durchzusetzen, was kürz- dieses Berufsstandes die Frage nach der Fortent- lich das beherrschende Thema auf dem 25. Deutschen wicklung ihrer Verbindungsmöglichkeiten. Die Notartag in Münster war, nämlich die Übertragung Wahrung der Einheitlichkeit des notariellen Berufs- weiter Aufgaben der vorsorgenden Rechtspflege auf standes macht nach der Erweiterung der Verbin- die Notare. Hier ist noch ein weites Feld für die Entla- dungsfähigkeit des Anwaltsnotars strukturelle Über- stung der Justiz, die von den Ländern gewünscht legungen auch im Nur-Nota riat erforderlich. Diese wird. Außerdem könnte auf diese Weise erreicht wer- Gedanken über auf den Gesetzgeber möglicher- den, daß juristische Dienstleistungen noch bürger- weise noch wartende Aufgaben verstellen nicht den näher und bürgerfreundlicher erbracht werden. Blick für die Notwendigkeit der heute zu verabschie- denden Novelle. Im Zuge der Liberalisierung der Verbindungsfähigkeit des Anwaltsnotariats gewin- Dr. Berthold Reinartz (CDU/CSU): Der Beschluß nen bei dieser Novelle die Mitwirkungsverbote des des Bundesverfassungsgerichts vom 8. April 1998 zur § 3 Beurkundungsgesetz ganz besondere Bedeu- Zulässigkeit einer Sozietät zwischen Anwaltsnotaren tung. Die Mitwirkungsverbote sollen Interessen- 22410* Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 kollisionen bei der Beurkundung entgegenwirken. ausgeschlossen. Dies erschien dem Rechtsausschuß Sie haben die Aufgabe, die Unabhängigkeit und in seiner Mehrheit nicht hinnehmbar. Um so mehr Unparteilichkeit der notariellen Berufsausübung zu hat er sein Augenmerk auf das Mitwirkungsverbot sichern. Nicht zuletzt durch die Erweiterung der Ver- gerichtet, das dem Notar eine Mitwirkung untersagt, bindungsfähigkeit von Anwaltsnotaren mit anderen, wenn er oder sein Sozius außerhalb seiner Amtstätig- schon benannten Berufsgruppen in zunehmend keit in derselben Angelegenheit tätig war. Die Inten- überörtlich tätigen beruflichen Zusammenschlüssen tion dieses Mitwirkungsverbotes ist es, den Begriff macht eine Straffung der Mitwirkungsverbote erfor- „dieselbe Angelegenheit" nicht einengend, sondern derlich. Ziel ist es, auch den Anschein einer Gefähr- im Gesamtzusammenhang zu we rten. So fällt die Be- dung der Unabhängigkeit und Unpa rteilichkeit des urkundung eines Rechtsgeschäftes, das lediglich Teil Notars zu vermeiden. oder Folge des durch steuerliche oder wi rtschaftliche Überlegungen intendierten Vorgangs ist, in den von Da der Notar generell zur Unpa rteilichkeit ver- Ziffer 7 erfaßten Bereich des Mitwirkungsverbotes. pflichtet ist, gilt dies selbstverständlich auch dann, Dieses Beispiel erfaßt die Sozietät mit einem Wi rt wenn er in einer Angelegenheit seines Sozius-Notar -schaftsprüfer oder Steuerberater eben auch in der mitwirken würde. Da jedoch das rechtsuchende Weise, daß der in Sozietät verbundene Notar an der Publikum in der Verbindung zur gemeinsamen Be- Beurkundung gehindert ist, wenn diese Beurkun- rufsausübung den Anschein einer Gefährdung der dung mit den von dem Unternehmen verfolgten wirt- Unparteilichkeit sehen könnte, war die Aufnahme schaftlichen oder steuerlichen Zielen zu tun hat, an eines Mitwirkungsverbotes bei Angelegenheiten des deren Festlegung der Steuerberater oder Wirtschafts- Sozius in der Beratung des Rechtsausschusses unum- prüfer beratend beteiligt war. stritten. Eine solche Auslegung des Begriffs „dieselbe An- Breiten Raum hingegen hat die Diskussion über gelegenheit" vermag dem gesetzgeberischen Ziel die Frage der Erforderlichkeit eines mandantenbezo- Rechnung zu tragen, den Notar an der Mitwirkung genen Mitwirkungsverbotes eingenommen. Der auch im Rahmen einer überörtlichen Großsozietät zu Rechtsausschuß hat sich schließlich auf die nunmehr hindern, wenn ein Sozius in einem anderen Ort in in § 3 Abs. 1 Nr. 8 festgelegte eingeschränkte Ver- diesem Rahmen rechtlich, wirtschaftlich oder steuer- botsnorm verständigt, die im wesentlichen der bishe- lich beraten hat. Sie gewährleistet, daß die notarielle rigen Nr. 5 entspricht. Neben dem Verbot der Mitwir- Beurkundung ein selbständiger Teil einer umfassen- kung für Sozien auch in diesen Fällen wurde an der den Rechtsberatung und Rechtsgestaltung bleibt. Einschränkung festgehalten, daß es sich um ein dem Dienstverhältnis ähnliches und ständiges Geschäfts- Der Rechtsausschuß hat sich auch mit der Frage verhältnis handeln muß, wenn dem Notar eine Mit- befaßt, ob die Tätigkeit von Notaren als Zertifizie- wirkung an einer Beurkundung für diesen Mandan- rungsstelle nach dem Signaturgesetz regelungs- ten untersagt ist. bedürftig ist. Digitale Signaturen ermöglichen eine sichere Abwicklung des elektronischen Rechtsver- Dadurch gewinnt die neu eingefügte Ziffer 7 be- kehrs. Elektronikgestützte Verfahren werden sich sondere Bedeutung, wonach dem Notar eine Mitwir- auch im Bereich des Rechtslebens immer weiter ent- kung bei Angelegenheiten einer Person untersagt wickeln und zu einem wesentlichen Teil das ge- ist, für die der Notar außerhalb seiner Amtstätigkeit schriebene Dokument, dessen sich die notarielle Be- in derselben Angelegenheit bereits tätig war oder ist. rufspraxis bisher bedient hat, ersetzen. Durch das Dies gilt dann nicht, wenn diese Tätigkeit im Auftrag Gesetz zur digitalen Signatur sind Rahmenbedingun- aller Personen ausgeübt wurde, die an der Beurkun- gen für digitale Signaturen geschaffen worden. Der dung beteiligt sein sollen. Rechtsausschuß hielt jedoch eine Aufnahme einer entsprechenden Rechtsnorm, die den Notaren eine Es soll nicht unerwähnt bleiben, daß die Normie- Zuständigkeit in diesem Bereich einräumt, für nicht rung eines mandantenbezogenen Mitwirkungsver- geboten. Notar und Notarkammern bedienen sich botes durchaus wünschenswert erschien. Hierdurch auch bereits jetzt elektronikgestützter Verfahren und hätte man der Dienstaufsicht und dem jeweils zur haben damit die entsprechenden Sicherungen zu ge- Entscheidung über seine Mitwirkungsfähigkeit auf- währleisten. Die durch das Signaturgesetz gegebe- gerufenen Notar eine wesentlich klarere Abgren- nen Rahmenbedingungen sind somit gleichermaßen zungsmöglichkeit gegeben. Der Notar wäre in all auch von Notaren und Notarkammern einzuhalten. den Fällen gehindert gewesen, in denen er oder der Das von der Bundesnotarordnung beschriebene Be- Sozius bereits beratend tätig ist. Eine solche klare rufsbild des Notars läßt eine Tätigkeit des Notars als Abgrenzung hätte allerdings den Nachteil gehabt, Zertifizierungsstelle zu. daß auch in den Fällen, in denen die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Notars nicht in Frage ge- In der Novelle zur Bundesnotarordnung wird auch stellt wäre, ihm gleichwohl eine Mitwirkung als das notarielle Verwahrungsverfahren neu geregelt. Notar untersagt würde. Hierfür war das Beispiel Insbesondere wird bestimmt, wie bei Widerruf einer schließlich überzeugend, daß ein Notar für einen Verwahrungsanweisung zu verfahren ist. Ein einsei- Mandanten eine Hypothek nicht beurkunden dürfte, tiger Widerruf soll nur beachtlich sein, wenn er dar- wenn er als Anwalt diesen Mandanten in einer auf gegründet wird, daß das der Verwahrung zu- arbeitsrechtlichen Frage berät. Mit der notwendigen grunde liegende Rechtsverhältnis aufgehoben, un- Erweiterung auf alle Sozien wäre in diesen Fällen wirksam oder rückabzuwickeln ist. Ein generelles das Anwaltsnotariat mit allen Partnern von der nota- Auszahlungsverbot beim Notar-Anderkonto besteht, riellen Beurkundungs- oder Beglaubigungstätigkeit wenn durch die Auszahlung bei der Verfolgung un- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22411*

erlaubter oder unredlicher Zwecke mitgewirkt würde grundsatz nicht verletzt; denn die Tätigkeit des Steu- oder wenn einem Auftraggeber durch die Auszah- erberaters entspricht viel eher dem Bild des Rechts- lung ein unwiederbringlicher Schaden droht. Der anwaltes als die der Vorgenannten. Offensichtlich Notar kann allerdings - anders als das erkennende hat jedoch das Bundesverfassungsgericht die durch- Gericht - nicht für die Beteiligten verbindlich fest- aus vorhandenen Unterschiede zwischen Wi rt stellen, ob die Auszahlung vom Anderkonto tatsäch- -schaftsprüfern einerseits und Steuerberatern ande- lich einen Schaden verursachen würde. Wenn der rerseits nicht gesehen oder eine andere Wertung als Notar bei Abwägung aller Umstände deshalb zu der wir vorgenommen: Glücklich sind wir von der SPD Erkenntnis kommt, daß ein unwiederb ringlicher über diese Entscheidung nicht; denn wir fürchten urn Schaden einem Auftraggeber durch die Auszahlung die Unabhängigkeit der Notare. Allzu schnell kom- entstehen könnte, kann er von der Auszahlung abse- men sie in den großen Sozietäten in die Gefahr, ent- hen und die Beteiligten auf eine Klärung der Angele- gegen den Bestimmungen an Beurkundungen mitzu- genheit vor den ordentlichen Gerichten verweisen. wirken, bei denen die Mandanten zuvor von einem Für die nähere Ausgestaltung dieser Verweisung Sozius parteiisch betreut wurden. Auch deshalb ha- kann der Notar sinngemäß die in § 54 c Abs. 3 Ziff. 1 ben wir in den Beratungen durchgesetzt, daß der bis 3 vorgesehenen Alternativen für den Widerruf wiederholte grobe Verstoß gegen ein mandantenbe- heranziehen. Mit diesem Vorgehen kann der Notar zogenes Mitwirkungsverbot zur Amtsenthebung füh- die Abwägung der unterschiedlichen Interessen in ren kann. Wir mußten aber auch die Notare selbst in einer solchen streitigen Angelegenheit nachweisen. Ihrem Betätigungseifer beschränken. Zertifizierungs- aufgaben nach dem Signaturgesetz entsprechen doch mehr einer gewerblichen Tätigkeit und korre- Alfred Hartenbach (SPD): Wir stellen heute nach spondieren nicht mit der unpa rteiischen Stellung des der Vereinigung der beiden deutschen Staaten ein Notars. So sieht es auch das Bundesverfassungs- weiteres Stück Rechtseinheit her. Das Berufsrecht gericht. Im übrigen können die Notarkammern schon der Notare wird einheitlich gestaltet und vor allen nach den jetzigen Bestimmungen gewerbliche Dingen den veränderten Bedingungen angepaßt. Es Nebentätigkeiten ausführen und Zertifizierungen hat lange gedauert, aber hier darf man sagen: Was vornehmen. Es war mithin nicht geboten, das der lange währt, wird auch gut. Es war kein Aussitzen, Rechtspflege dienende Organ mit gewerblichen Auf- es war auch keine Hinhaltetaktik. Nein, dieses Ge- gaben zu belasten. setz ist eingehend beraten worden, zwischen den Fraktionen, mit den Ländern und dem Justizministe- Allerdings wird dieses Gesetz geänderten Zeiten rium. Vor allem die, denen das Gesetz gelten soll, und modernen Bedingungen durchaus gerecht. Vor- sind ausreichend zu Wo rt gekommen und konnten schriften über die Öffnungszeiten des Geschäftslo- sich auch Gehör verschaffen. kals und die Residenzpflicht des Notars wurden vom Mief der letzten hundert Jahre befreit, die Zulas- An dieser Stelle möchte ich den Vertretern der sungsbedingungen zum Beruf des Notars wurden Bundesländer und des Justizministeriums danken, schlanker und großzügiger gestaltet. Die Mitwir- die in allen Phasen der Beratung an einer konstrukti- kungsverbote des Notars sind auf die Fälle aktueller ven Lösung mitgewirkt haben. Mein Dank gilt aber gemeinsamer Berufsausübung beschränkt - und bei auch den Mitberichterstattern. Wir haben unseren Gesellschaften dann, wenn der Notar mit seiner Be- Sachverstand eingebracht und bewiesen, daß ver- teiligung einen Einfluß ausüben kann. Schließlich nünftige Menschen auch in schwierigen politischen darf der Notar in seinen -Gemeindegremien auch Zeiten und bei widerstreitenden Interessen vernünf- künftig seinen Sachverstand einbringen, ohne an der tige Lösungen finden können. so gesehen, sind die Beurkundung von Verträgen seiner Gemeinde ge- Beratungen im Ausschuß und die heutigen Beratun- hindert zu sein. Gleichwohl sind die Vorschriften so gen und Entscheidungen auch ein Gewinn für unser ausgestaltet, daß Mißbrauch ausgeschlossen ist und föderales System und die Demokratie. niemand Zweifel an der Unabhängigkeit des Notars Im Verlauf der Beratungen sind wir von Wünschen und an seiner Objektivität haben muß. aus den unterschiedlichsten Richtungen regelrechte m- Wir werden die Notarordnung heute mit den Sti bombardiert worden. Wir haben allen Anfechtungen men der im Bundestag vertretenen Fraktionen von widerstanden und ein Ziel sehr konsequent verfolgt: SPD, CDU/CSU und F.D.P. verabschieden. Ich bin Der Notar mußte auch nach dieser Gesetzesände- sicher, daß sich auch der Bundesrat diesem Entwurf rung in der Öffentlichkeit und für die Bürger der nicht verschließen wird: Schließlich war er in den fachkompetete, unbestechliche und objektive Ju rist entscheidenden Phasen der Beratung mit im Boot. bleiben, eher dem Bild des Richters entsprechen. Da- bei haben wir auch der Vielfalt der regionalen Er- Neben der Neuregelung des Berufsrechts der No- scheinungsformen des Notariats Rechnung getragen, tare wird der Bundestag heute auch das Berufsrecht weil diese sich bisher bewährt haben. Und es ist uns der Rechtsanwälte und Patentanwälte in einer Neu- mit diesem Gesetz gelungen. die berufliche Einheit fassung der Bundesrechtsanwaltsordnung und der dieser unterschiedlichen Erscheinungsformen im we- Bundespatentanwaltsordnung ein gutes Stück des sentlichen zu wahren. Ich sage bewußt „im Wesent- Weges in die Neuzeit begleiten. Wir haben uns zu lichen"; denn die Entscheidung des Bundesverfas- zwei sehr entscheidenden Schritten entschlossen: sungsgerichts zur Zulässigkeit der Assoziierung von Einmal wird die teilweise schon praktizierte „An- Anwaltsnotaren mit Wirtschaftsprüfern und vereidig- walt-GmbH" gesetzlich abgesichert, zum anderen ten Buchprüfern entspricht nicht unseren ursprüngli- wollen wir wesentliche Teile des Zulassungs- und chen Vorstellungen. Wir sahen eben den Gleichheits- Disziplinarverfahrens auf die Rechtsanwaltskammern 22412* Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

als Selbstverwaltungsaufgaben übertragen. Wir hal- richt geforderte Gleichbehandlung von Wirtschafts- ten diese vom Bundesrat eingebrachte Initiative für prüfern und Steuerberatern hätte sich auch auf ande- den richtigen Schritt weg von staatlicher Regulie- rem Wege erreichen lassen. rung und Bevormundung hin zu mehr Selbstverwal- tung und Selbstverantwortung. Wenn sich Anwälte Für ein Sozietätsverbot von Anwaltsnotar und in der Form einer Gesellschaft organisieren wollen, Wirtschaftsprüfern sprechen nach unserer Ansicht soll dem nichts im Wege stehen. Bedauerlich ist aller- folgende Erwägungen: dings, daß sich die Regierungskoalition unseren Vor- Die Bürgerinnen und Bürger haben ein berechtig- stellungen verschlossen hat, die „Anwalt-GmbH" tes Interesse an der Unparteilichkeit des öffentlichen von der kaufmännischen GmbH zu unterscheiden. Notariats. Die wirtschaftliche und personelle Unab- Wir wollen erreichen, daß die „Anwalt-GmbH" nicht hängigkeit der Notare muß deshalb weitestgehend automatisch Zwangsmitglied in der jewei ligen IHK gesichert werden. Dieser Sicherung der Unabhän- wird. Schade, daß hier auf der anderen Seite über- gigkeit dient das Sozietätsverbot zwischen Anwalts- haupt kein Verständnis für die Probleme der Rechts- notaren und Wirtschaftsprüfern. Durch Einbindung anwälte mit einer Zwangsmitgliedschaft in einer des öffentlichen Notariats in multiprofessionelle, Kaufmannsorganisation aufgebracht wurde; die Ge- wirtschaftsberatende Sozietäten unter Einschluß von genargumente entbehren leider der erwünschten Wirtschaftsprüfern, die häufig als Kapitalgesellschaf- Sachlichkeit. So müssen künftig die in einer Rechts- ten organisiert sind, wird die Gefahr von Interessen- anwalt-GmbH assoziierten Rechtsanwälte und die kollisionen heraufbeschworen. Daß sich diese Gefahr ihnen verwandten Berufe sich den Regeln der Han- allein durch Mitwirkungs- und Beurkundungsver- delskammer unterwerfen, müssen do rt Beiträge zah- bote zurückdrängen läßt, bezweifeln wir. Je enger len und können von do rt auch durch Zwangsgelder die berufliche Verflechtung, je leichter lassen sich belangt werden. Wir haben dem Gesetz gleichwohl solche Mitwirkungs- und Beurkundungsverbote um- zugestimmt, weil es erforderlich war, deutschen gehen. Rechtsanwälten gleiche Chancen im internationalen Wettbewerb zu gewähren wie ihren ausländischen Auch der Blick ins europäische Ausland lehrt uns Kolleginnen und Kollegen, die in größerem Umfang nichts Gegenteiliges. In keinem anderen europäi- hier rechtsberatend tätig werden. Daneben aber schen Land ist Notaren die Soziierung mit Wi rt wollten wir die bisherigen Partnerschaften in den -schaftsprüfern erlaubt. rechtsberatenden Berufen erhalten und ihnen die Und ein letzter Gesichtspunkt: Je mehr Soziie- Möglichkeiten einräumen, sich in Gesellschaften mit rungsmöglichkeiten es gibt, desto mehr gräbt man beschränkter Haftung umzuwandeln. Dieses Ziel er- den „kleinen Nur-Notaren" das Wasser ab. reichen wir mit dem ebenfalls heute zur Beratung und Abstimmung anstehenden dritten Gesetz - dem An manchen Punkten zeigt der Entwurf jedoch Umwandlungsgesetz. auch Tendenzen zur Überreglementierung. Warum schreibt man etwa den Notaren vor, wo sie zu woh- So werden wir am Ende der Legislaturpe riode Ge- nen haben? Auch bei der Regelung der Mitwirkungs- setze auf den Weg bringen, die die deutsche Einheit verbote haben wir noch gewisse Probleme. So be- und die internationale Wettbewerbsfähigkeit in den steht die Befürchtung, daß das vorgesehene mandan- rechtsberatenden Berufen fördern und das Ziel tenbezogene Mitwirkungsverbot zu beträchtlichen „Anwalt 2000" fördern. Der Praxis haben wir Ge- Einschränkungen notarieller Leistungen im länd- setze an die Hand gegeben, mit denen sie nicht nur lichen Raum führen wird. Sollte sich eine derartige gut leben, sondern auch gut verdienen kann. Entwicklung abzeichnen, werden wir uns in der nächsten Legislaturpe riode wohl erneut mit dieser Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Materie beschäftigen müssen. Reform der Bundesnotarordnung ist notwendig zur Herstellung der Rechtseinheit in den alten und Dr. Uwe-Jens Heuer (PDS): Die Gruppe der PDS neuen Bundesländern. Die in den neuen Ländern wird sich bei der Beschlußempfehlung des Rechts- bislang noch geltende Verordnung über die Tätigkeit ausschusses über die Änderung der Bundesnotar- von Notaren in eigener Praxis von 1990 wird durch ordnung der Stimme enthalten. Die vorgesehenen das neue Gesetz aufgehoben und die Bundesnotar- Änderungen der Bundesnotarordnung regeln die Be- ordnung auch in den neuen Ländern in Kraft gesetzt. rufspflichten der Notare im Hinblick auf ihre Stel- Zugleich wird die Notarordnung in einigen Punkten lung als unparteiliche und unabhängige Träger eines reformiert. öffentlichen Amtes, das der Rechtspflege dient, exak- ter als bisher. Weil der Notar ein solches Amt inne- Der Rechtsausschuß hat sich lange mit diesem Ent- hat, muß vorsorglich alles vermieden werden, was wurf beschäftigt. Dabei kreist die Diskussion im we- ihn in einen Interessenkonflikt bringen könnte. sentlichen um die Frage: Soll die gemeinsame Be- Diesem Erfordernis wird der Gesetzentwurf gerecht. rufsausübung von Anwaltsnotaren und Wirtschafts- Wir begrüßen insbesondere auch die vorgesehenen prüfern erlaubt werden? Nachdem sich die Aus- Erleichterungen für Notarinnen. schußmehrheit zunächst - mit guten Gründen - dar- auf verständigt hatte, diese Frage zu verneinen, hat Die Berufsverbände der Anwälte, Notare und Wi rt sie diese Position nunmehr - im Anschluß an eine -schaftsprüfer äußerten im Vorfeld unterschiedliche Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts - er- Auffassungen. Ich meine aber, daß die Betroffenen neut revidiert. Meine Fraktion hält diesen Positions- mit den neuen Regelungen für ihren Beruf leben wechsel nicht für zwingend. Die vom Verfassungsge- können, auch mit den Mitwirkungsverboten in Art. 2 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22413'

Ziffer 2 b oder mit dem Auszahlungsverbot aus An- nen. Ich nenne nur die Stichworte „Dienstleistungs- derkonten bei „drohenden Schäden", das im Inter- gesellschaft", „Vereinbarkeit von Beruf und Fami- esse derer liegt, die die Dienste des Notars in An- lie", „europäischer und weltweiter Wettbewerb", spruch nehmen. „Globalisierung der Märkte" - und speziell für No- tare „Auslandsbeurkundungen". Gleichzeitig finden So weit, so gut. Nun ist es gestern im Rechtsaus- sich in den Gesetzen zum Berufsrecht der Anwälte schuß zu einer plötzlichen Wende in der strittigen und Notare anschauliche Beispiele angewandter Frage des Verbots einer Berufs- und Sozietätsverbin- Subsidiarität durch Stärkung der demokratisch dung zwischen Anwaltsnotar und Wi rtschaftsprüfer legitimierten beruflichen Selbstverwaltung. Im Sinne gekommen. Während bisher im Regierungsentwurf des Leitbildes des „Schlanken Staates" werden eine solche Verbindung nicht vorgesehen war, soll öffentliche Aufgaben auf die Berufskammern über- sie nun möglich sein. Das macht uns die Zustimmung tragen. zum Entwurf unmöglich. Offenbar hat sich eine be- stimmte Lobby durchgesetzt. Es mag ja sein, daß Der erste Baustein unseres Gesamtpakets ist das eine gemeinsame Sozietät Vorteile bietet, die aus in- Gesetz zur Änderung der Bundesnotarordnung. Ein terdisziplinärer Zusammenarbeit unter einem Dach begrüßenswerter Durchbruch ist die Streichung des resultieren. Es wird sicher so sein, daß eine Berufs- Sozietätsverbots für Anwaltsnotare und Wirtschafts- verbindung die Verdienstmöglichkeiten von An- prüfer im Einklang mit der gerade ergangenen waltsnotaren und Wirtschaftsprüfern steigert. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, nach Gegenargumente wiegen in meinen Augen jedoch der ein diesbezügliches Sozietätsverbot gegen den schwerer. Es besteht die Gefahr, daß die Sozietät, in Gleichheitsgrundsatz verstoßen würde. Jede zuläs- der dann ja in aller Regel die Wirtschaftsberatung sige Sozietätsbildung bedeutet eine Gestaltungsent- überwiegen würde, in wirtschaftliche Abhängigkeit scheidung, bedeutet neue Wettbewerbschancen, be- von ihren zahlungskräftigen Mandanten gerät und deutet Konkurrenzfähigkeit, bedeutet Marktpoten- damit auch der Anwaltsnotar seine Unabhängigkeit tial für rechtsberatende Dienstleistungsberufe. und Unparteilichkeit verliert. Für ganz unmöglich halte ich die Berufsverbindung von Anwaltsnotar Die Novelle ist darüber hinaus ein weiterer Schritt und Wirtschaftsprüfer. Das Argument, es sei ja auch zur Rechtseinheit in Deutschland, weil auf dem Feld die Sozietät und Berufsverbindung mit Steuerbera- des Berufsrechts der Notare endlich ein einheitliches tern gestattet, ist wenig überzeugend. Erstens ist Gesetz für das gesamte Bundesgebiet entsteht. Steuerberatung etwas anderes als Wirtschaftsprü- Gleichzeitig stärkt und sichert das Gesetz die Unab- fung. Der Steuerberater versieht anwaltliche Aufga- hängigkeit und Unparteilichkeit des Notars durch ben im Steuerrecht, ist also dem Anwalt durchaus klare Regelung der Zusammenarbeit mit anderen verwandt. Der Wirtschaftsprüfer macht keine Rechts- Berufsgruppen, der Nebentätigkeiten und der Mit- beratung. Zweitens würde Logik, wie ich sie ver- wirkungsverbote. Daneben sind Öffnungen der stehe, eher dazu führen, die Sozietät des Anwalts- Amtspflicht vorgesehen, damit Beruf und Familie notars mit dem Steuerberater in Frage zu stellen. Es besser miteinander vereinbar sind. Notare sollen aus wäre auch völlig unangemessen, dem Nur-Notar die Gründen der Kindererziehung und für die Betreuung Sozietät zu verbieten, sie aber dem Anwaltsnotar zu Angehöriger ihr Amt bef ristet niederlegen können. gestatten. Schließlich enthält das Gesetz Grundsatzregelungen über wesentliche Berufspflichten, deren nähere Aus- Die Berufung auf einen Beschuß des Bundesverfas- gestaltung aber den Notarkammern als Selbstverwal- sungsgerichts geht nach meiner Meinung ins Leere. tungskörperschaften zugewiesen wird. Soweit ich sehe, hält Karlsruhe die Verbindung nicht für verfassungswidrig, schreibt dem Gesetzgeber Der zweite Baustein unseres Gesamtpakets ist das aber nicht vor, sie zuzulassen. Eine Verletzung der Gesetz zur Änderung der Bundesrechtsanwaltsord- Berufsfreiheit Art. 12 GG oder gar des Diskriminie- nung, der Patentanwaltsordnung und anderer Ge- rungsverbots Art. 3 GG durch ein Verbot der besag- setze. Es ist die Antwort des Gesetzgebers auf die Er- ten Vereinigung vermag ich nicht zu erkennen. fahrungen und die Entwicklungen in der Praxis seit Beide - der Antwaltsnotar und der Wi rtschaftsprüfer der grundlegenden Neugestaltung des Berufsrechts - können auch ohne Personalunion und ohne Ver- der Rechtsanwälte und der Patentanwälte durch den einigung in einer Sozietät ihren Beruf ungehindert Deutschen Bundestag im Jahr 1994. Wir stellen zum und in vollem Umfang ausüben und auch ihre Zu- einen die Anwalts-GmbH - die von der Rechtspre- sammenarbeit pflegen. chung längst für zulässig erklärt wurde - im Interesse des rechtsschutzsuchenden Bürgers auf eine ver- bindliche, einheitliche und vor allem vertrauenswür- Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Bundesminister der dige gesetzliche Grundlage. Ihre Ausgestaltung als Justiz: Drei Novellierungen, ein Ziel: An der Berufsausübungsgesellschaft garantiert die Bindung Schwelle zum 21. Jahrhundert für freie Berufe, spe- an das anwaltliche Berufsrecht: Die verantwortliche ziell für die rechtsberatenden Dienstleistungsberufe, Leitung sowie die Mehrheit der Kapitalanteile und einen modernen und flexiblen Rechtsrahmen zu Stimmrechte müssen in den Händen von Rechts- schaffen. Der neue Rahmen gewährleistet, daß sich bzw. Patentanwälten liegen. Von selbst versteht sich deutsche Notare, Rechtsanwälte, Patentanwälte und auch die Festschreibung einer Pflicht zum Abschluß - wegen der Änderung des Umwandlungsgesetzes - und zur Aufrechterhaltung einer Berufshaftpflicht- Partnerschaften sämtlicher freier Berufe den Heraus- versicherung. Zum anderen vereinfachen wir das forderungen durch die gewandelten wi rtschaftlichen Verfahren der Zulassung als Rechtsanwalt und stär- und gesellschaftlichen Gegebenheiten stellen kön- ken gleichzeitig die berufliche Selbstverwaltung. Wir 22414* Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 ermächtigen die Landesregierungen, die den Lan- Immer öfter gründen sich Bürgerinitiativen, die sich desjustizverwaltungen nach geltendem Recht vorbe- gegen die hohen Kosten wehren. haltene Zuständigkeit für die Entscheidung im Zulas- sungsverfahren durch Rechtsverordnung auf die Wir haben in Veranstaltungen in den betroffenen Rechtsanwaltskammern zu übertragen. Gemeinden und mit immer neuen Initiativen im Bun- destag bis hin zu dem heute vorliegenden Entschlie- Dritter Baustein im Gesamtpaket ist das Gesetz zur ßungsantrag die Sorgen und Proteste der Bürger auf- Änderung des Umwandlungsgesetzes. Damit knüp- genommen und uns um Lösungen für dieses Problem fen wir an die erfolgreiche Modernisierung und bemüht. Es bestand bisher Einigkeit, daß ein vorsor- grundlegende Neugestaltung des Umwandlungs- gender, flächendeckender Gewässerschutz mit einer rechts von 1995 an. Das neue Recht hat für Unterneh- Abwasserbehandlung nach dem Stand der Technik men Möglichkeiten geschaffen, ihre Struktur und notwendig ist, um eine dauerhaft umweltverträgliche Rechtsform optimal an die jeweiligen Bedürfnisse Wasserwirtschaft und eine sichere Trinkwasserver- des Marktes anzupassen, und wurde deshalb von der sorgung zu gewährleisten. Dabei müssen durch spar- Wirtschaft hervorragend akzeptiert. Ergänzend wird same Alternativen die Belastungen der Bürgerinnen das Umwandlungsrecht nun auch für die - jetzt im und Bürger und der Wi rtschaft mit Gebühren in ver- übrigen erstmals auch als solche definie rten - freien tretbaren Grenzen gehalten werden. Berufe geöffnet, und zwar für die ebenfalls 1995 neu geschaffene Rechtsform der Partnerschaftsgesell- Seit dem Beschluß der EU-Umweltminister über schaft als Zusammenschluß von freiberuflich tätigen die EG-Wasserrahmenrichtlinie gilt dies nicht mehr. natürlichen Personen. Schon jetzt gibt es rund 1600 Diese Bundesregierung hat einem Rückschritt in der solcher Gesellschaften. Nun wird diese Rechtsform europäischen Gewässerpolitik zugestimmt. Der bis- noch attraktiver, weil Pa rtnerschaften künftig in glei- her geltende Grundsatz, daß wir uns und in der Euro- cher Weise wie Personenhandelsgesellschaften an päischen Union einer Aufweichung der hohen Um- Umwandlungsvorgängen beteiligt sein können. Kon- weltschutzanforderungen nicht zustimmen und für kret bedeutet dies, daß sie miteinander, aber auch weitere Verbesserungen eintreten, gilt für diese Bun- mit Kapitalgesellschaften, Genossenschaften und desregierung nicht mehr. Die Anforderungen nach Personenhandelsgesellschaften verschmolzen wer- dem Stand der Technik wurden aus dem Richtlinien- den können. Auch Spaltungsvorgänge werden für entwurf gestrichen, und bestehende europaeinheitli- die Partnerschaftsgesellschaft ermöglicht. Schließlich che Regelungen zum Schutz des Grundwassers und können Partnerschaften auch in eine andere Rechts- der Oberflächengewässer sollen durch noch auszu- form wechseln und umgekehrt andere Unternehmen handelnde Grenzwerte für noch festzulegende Stoffe die Form der Partnerschaft annehmen. ersetzt werden. Allein diese Formulierung zeigt schon, wie ungenau die Definition ist. Durch viele Mit dieser Gesetzestrias können wir einmal mehr Ausnahmeregelungen und lange Übergangsfristen beweisen, daß sich die Rechtspolitik der Bundestags- bis zu 34 Jahren kann praktisch jedes Mitglied der mehrheit durch zukunftsorientierte Dynamik aus- EU einen unterschiedlichen Gewässerschutz für ein- zeichnet. Dynamische Entwicklungen des Wi rt zelne Regionen regeln bzw. weitermachen wie bis- -schaftsstandorts und der Dienstleistungsgesellschaft her. Deutschland erfordern in der Tat dynamische Rechts- strukturen. Dies ist Deregulierung und Anwendung des Subsi- diaritätsprinzips ohne Rücksicht auf die Gesundheit Bitte verabschieden Sie deshalb heute die Ihnen unserer Kinder und Enkel. Auch von annähernd glei- vorliegenden Gesetze, mit denen wir die Dienstlei- chen Wettbewerbsbedingungen für die Wi rtschaft stungsberufe, insbesondere die rechtsberatenden, wird man dann in der EU nicht mehr reden können. für die Zukunft rüsten. Eine unzureichende, kurzfristig kostengünstigere Gewässerschutzpolitik wird sich auf Dauer als wirtschaftlich nachteilig herausstellen. Deshalb ist jetzt eine Aufklärung der Verbraucher und Touristen notwendig, die deutlich macht, wie die Kosten für Anlage 12 den Gewässerschutz entstehen. Zum Beispiel wer- den Touristen, die einmal durch unsauberes Trink- Zu Protokoll gegebene Reden wasser in ihrem Urlaubsland schockiert worden sind, zu Tagesordnungspunkt 16 dieses so schnell nicht wieder besuchen. (Beschlußempfehlung zu den Anträgen: Gewässer schützen - Kosten senken, Umwelt- Wenn CDU/CSU und F.D.P. in Abhängigkeit von und sozialverträgliche Abwasserbehandlung kurzsichtigen Wirtschaftsinteressen diese unter- und -vermeidung, Ökologische und bezahlbare schiedlichen Standards bei unserem Lebensmittel Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung) Nummer eins in Europa und schließlich auch in Deutschland mitmachen wollen, werden wir dies mit allen Mitteln zu verhindern suchen. Es macht keinen Susanne Kastner (SPD): Die zum Teil sehr hohen Sinn und bringt für die Menschen keinen Vorteil, Abwassergebühren und Anliegerbeiträge sowie die wenn die Koalitionsfraktionen mit dem Ruf nach der wegen großer Altlasten voraussichtlich weiter stei- Privatisierung und der Aufforderung an die Länder genden Gebühren haben vor allem in den ostdeut- und Kommunen von ihrem eigenen langjährigen schen Bundesländern zu großer Unruhe geführt. Versagen auf Bundesebene ablenken wollen. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22415*

Für die SPD ist klar: Die bestehenden deutschen wo man noch an die Allmacht nachgeschalteter Rei- Gesetze und die EG-Richtlinien zur Abwasserbe- nigungstechnologien glaubte. handlung und zum Gewässerschutz müssen aus Ver- antwortung für den vorsorgenden Schutz der natür- Insbesondere in Ostdeutschland aber hat ein starres lichen Lebensgrundlage Wasser umgesetzt und dür- und technologiezentriertes End-of-the-Pipe-Manage- fen nicht verwässert werden. ment, eine überdeminsionierte Anlagenplanung und die fehlende Erfahrung in der Betriebsführung moder- Mit einem Bündel von Maßnahmen zur Abwasser- ner Anlagen zu einer bedauerlichen, weil vermeid- vermeidung und kostensparender Abwasserbehand- baren Gebührenexplosion geführt. Allerdings sind lung muß eine notwendige Wende in der Abwasser- solche Kostensteigerungen auch auf üble Machen- wirtschaft in Richtung Umwelt- und Sozialverträg- schaften von westdeutschen Bau- und Immobilien- lichkeit durchgesetzt werden. Dazu gehören unter gesellschaften zurückzuführen. So zeigen Beispiele anderem Regelungen zur sparsamen Wasserverwen- in Sachsen und Erkenntnisse des dortigen Landtags- dung, eine Förderung der Regenwassernutzung und untersuchungsausschusses „Beilrode-Arzberg", daß -versickerung, dezentrale Abwasserbehandlung und eine westdeutsche Steuerspar-Immobiliengesell- ökologisch verträgliche Alternativen zu hochtechni- schaft - sogar unter Beihilfe des CDU-Bundestagsab- sierten, zentralen Kläranlagen und kostenträchtigen geordneten P. Kläranlagen auf Grund überhöhter Kanalsystemen. Wir brauchen Regelungen zur Ver- Schätzungen des Wasserverbrauchs verkauft hat. Der minderung gefährlicher Stoffe in der Produktion und Gerechtigkeit halber sei hier jedoch angeführt, daß es der Landwirtschaft, aber auch in Textilien, Wasch- natürlich nicht nur in den ostdeutschen Bundeslän- mitteln, bei Haus- und Gartenchemikalien und bei dern, sondern auch im Westen einige Kommunen Arzneimitteln. Die technischen Regelungen für Ab- gibt, die ihr Mißmanagement über exorbitant hohe wasseranlagen müssen unverzüglich so geändert Gebühren zu beheben versuchen. werden, daß nur dem tatsächlichen Bedarf entspre- Durch die von der Koalition gewünschte Privatisie- chende Investitionen vorgenommen werden. Hier rung wird das Problem aber nicht gelöst. Offensicht- gibt es einen großen Innovationsbedarf, da für die lich mag sie auch nicht aus ihrer Erfahrung mit der hochtechnisierten Anlagen in Zukunft bei uns und in Privatisierung der Abfallentsorgung oder der Einfüh- anderen Ländern das Geld fehlen wird. rung des Dualen Systems lernen. Selbst der Regie- Mit ökologisch besseren und kostengünstigeren rung so wohlwollend gegenüberstehende Institutio- Alternativen sind in Zukunft die Umwelt und Ar- nen wie der Sachverständigenrat für Umweltfragen beitsplätze zu sichern, Unsere Kinder und Enkel wer- bemängeln an der Privatisierung der Abfallent- den es uns außerdem danken. Kurz: Packen wir's an! sorgung die zunehmende Monopolisierung und die Stimmen Sie unserem Entschließungsantrag zu! geringe Reduktionswirkung bei den quotierten Ver- packungsabfällen - nur 11 Prozent in 5 Jahren. Bei einer Fehlerbreite bei der Erfassung von Abfallströ- Dr. Jürgen Rochlitz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): men von etwa 10 Prozent ist also eine Reduktion an Kein anderes Umweltmedium wird mit solch dreister Verpackungsabfällen überhaupt nicht eingetreten. Selbstverständlichkeit der Natur entnommen und nach seiner Nutzung wieder verschmutzt, erwärmt Ähnliches wäre nun beim Abwasser zu befürchten. oder versalzen in Flüsse und Seen zurückgeleitet, Die Privatisierung mittels neuer Organisationsmo- wie unser Grund- und Oberflächenwasser. Diese delle führt hier in dieselbe Sackgasse wie bei der Ab- Arglosigkeit im Umgang mit einer der wichtigsten fallentsorgung. Auch da hat die Bundesregierung natürlichen Ressourcen führte dazu, daß wir bisher den Bürgern und Bürgerinnen das Blaue vom Him- noch weit von einem flächendeckenden, konsequen- mel versprochen: Die Privatisierung sollte zu sinken- ten Gewässerschutz entfernt sind. den Abfallgebühren, höherer Effizienz und Gebüh- rentransparenz führen. Doch statt mit Gebührensen- Kein Wunder also, wenn allein der bisher ange- kungen wurde die Abfalltrennung der Bürger und staute Investitionsbedarf für Kläranlagen und Kanal- Bürgerinnen mit einer bis dahin beispiellosen Mono- systeme bis zum Jahr 2005 bereits über 157 Mil- polisierung des Entsorgungsmarktes und mit Gebüh- liarden DM beträgt. Es wird jedoch in erster Linie rensteigerungen um mehrere hundert Prozent be- von der Qualität des lokalen Abwassermanagements lohnt. abhängig sein, ob es deshalb zu höheren Abwasser- gebühren kommt. Da die Reinigungsleistung durch Im Monopol lebt es sich zwar wohl, aber nur als das Abwasserrecht vorgegeben ist, richtet sich die Aktionär oder Vorstand. Gewinnorientierte Monopol- Gebührenhöhe nicht zuletzt auch nach dessen unternehmen sind nicht nur hinsichtlich ihrer ökolo- Leistungsfähigkeit. Die großen, regionalen Unter- gischen Motivation sehr fragwürdig. Gerade sie kön- schiede weisen aber eher auf große Qualitätsdefizite nen auf Dauer keine kostengünstige oder stabile Ab- im Abwassermanagement hin. wasser- oder Abfallabgaben garantieren. Dagegen können gut geführte kommunale Bet riebe durchaus Und daran mangelt es. Die Abwasserreinigung auch für wirtschaftlich vernünftige Preise sorgen. beginnt eben nicht erst in der Kläranlage, sondern bereits in den Schlachthöfen und Brauereien, in den Im übrigen wurde ein dem Koalitionsantrag äh- Gewerbe- und Industriebetrieben. nelnder Vorschlag der Umweltministerin bereits vor Jahren im Bundesrat wegen des Eingriffs in die kom- Hier hätte der Antrag der Koalition konstruktiv an- munale Selbstverwaltung gekippt. Hier diskutierte setzen können. Statt dessen hält er an einer aus den Themen wie die Möglichkeit einer Privatisierung 70er Jahren stammenden Technikgläubigkeit fest, oder die Änderung der technischen Regeln wurden 22416* Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 längst durch die letzte Novelle des Wasserhaushalts- wirtschaft. Die F.D.P. will, daß alle Kostensenkungs- gesetzes 1996 verwirklicht, ohne daß uns heute die potentiale bei Organisation, Konzeption, Technik damals versprochenen Erfahrungsberichte dazu vor- und in der Gebührenkalkulation der Kommunen ge- liegen. nutzt werden. Viele Gemeinden, die eine moderne Kläranlage betreiben und trotzdem moderate Gebüh- Ökologische Achtlosigkeit rächt sich sehr schnell. ren erheben, beweisen, daß es geht. Der Antrag von der Koalition ist ein unbedachter Schnellschuß. Er ist beispielsweise do rt naiv, wo er Erste Forderung ist, daß jeder Pfennig der Abwas- eine Vereinfachung der technischen Regeln sucht, sergebühren auch für Abwasser verwendet wird. ohne zu sagen, welche geändert werden sollen und Diese Selbstverständlichkeit hat sich leider noch im- wie der Umweltstandard gleichwohl erhalten bleiben mer nicht durchgesetzt. Immer noch gelangen Ab- soll. wassergebühren in den allgemeinen Haushalt und Eines sei auch angemerkt: Umweltschutz ist zwar werden dort für anderes ausgegeben. Bei Investitio- nicht zum Nulltarif zu haben, aber gerade im Abwas- nen werden die Bürger dann nochmals zur Kasse ge- serbereich haben Industriebetriebe gezeigt, wie Ver- beten, weil Rücklagen nicht gebildet wurden. Diese schmutzungsgrad und Abwassermengen durch ihre Kritik wird manchen Kämmerer ärgern, aber wir for- Reduktion an den eigentlichen Quellen kostengün- dern die konsequente Ausgliederung der Abwasser- stig vermindert werden können. entsorgung aus den allgemeinen Haushalten. Das ist der erste Schritt zu bet riebswirtschaftlich arbeiten- Und wirklich: Umweltschutz muß auch dann wei- den Orgnisationsformen. Ziel muß sein, daß nicht tergetrieben werden, wenn es überall ertönt: „Ver- kameralistisch, sondern wie in einem Wirtschafts- schont uns von seinen Kosten"; denn richtig betrieben unternehmen betriebswi rtschaftlich gehandelt wird. führt er nicht nur zur Umweltentlastung, sondern auch zu mehr Arbeitsplätzen. Zweitens muß die Gebührenkalkulation so geän- dert werden, daß nur die zur Kostendeckung unum- Hätten Sie sich also für die Förderung einer dezen- gänglichen Kosten berechnet werden. 50 Prozent der tralen Abwasserbehandlung im ländlichen Raum, für Gebühren werden für kalkulatorische Kosten ge- Regenwasserversickerung und -nutzung eingesetzt, zahlt, sind also Einnahmen, denen keine Ausgaben dann hätten sie auch unsere Unterstützung erhalten. gegenüberstehen -, eine Schatztruhe für den Käm- Hätten Sie im Bodenschutzgesetz die Entsiegelungs- merer. Durchschnittlich 1 DM pro Kubikmeter an pflicht nicht zu einem Papiertiger verkommen lassen Abwassergebühren würde die Umstellung der Ab- oder sich für ein umfassendes Einsatzverbot trink- schreibungskalkulation vom teureren Wiederbe- wassergefährdender Pestizide eingesetzt, dann wäre schaffungs- auf den niedrigeren Anschaffungswert Ihnen ein parteiübergreifender Konsens sicher gewe- einsparen. Die jahrzehntelange Lebensdauer der An- sen. Hätten Sie Konzepte zu gewerblicher, häuslicher lagen ermöglicht auch auf diese Weise die Refinan- oder industrieller Teilstrombehandlung, zu einer um- zierung. Der Bund der Steuerzahler hat kommunale fassenden Renaturierung der Oberflächengewässer Gebührenkalkulationen akribisch durchleuchtet. oder auch nur ein einziges Mal zur Förderung des Alle verantwortlichen Kommunalpolitiker und die produkt- und produktionsintegrierten Umweltschut- Innenminister der Länder, die für die kommunalen zes vorgelegt, dann würden Sie heute nicht mit Abgabengesetze zuständig sind, sollten diese Vor- einem derart dünnen Aufguß ökologischer Schein- schläge beherzigen. heiligkeit dastehen. Drittens forde rt die F.D.P., daß die Kräfte des Wett- Seit 1982 versucht die Koalition nun schon gemein- bewerbs für die Kostensenkung genutzt werden. sam mit ihrer Bundesregierung Ökologie wie ein Schon bei der Erstellung von Abwasserkonzepten Waschmittelprodukt zu vermarkten: werbewirksam, brauchen wir einen Ideen- und Kostenwettbewerb. inhaltsleer und folgenlos. Es ist falsche Sparsamkeit, hier zu sparen, um dann Die Bürger und Bürgerinnen aber haben nun end- hinterher überteuerte Anlagen zu Lasten der Gebüh- lich genug von Ihren neoliberalen Konzepten der Pri- renzahler zu bauen. vatisierung ohne ökologische oder soziale Prioritäten, Große Kostensenkungspotentiale konnten Kom- dafür aber in bester Treuhand-Tradition: schlampig, munen zum Beispiel durch im Wettbewerb ausge- nicht durchdacht und kontraproduktiv. Sie haben schriebene privatwirtschaftliche Betreibermodelle er- genug, und sie werden sich am 27. September zu schließen. Dies ist sicher kein Allheilmittel. Aber lei- wehren wissen: Wer ökologische Kompetenz vorheu- der wird in vielen Fällen, in denen Neuanlagen oder chelt und dadurch Umweltschutz verhindert, wird große Veränderungen anstehen, diese Chance zur mit Regierungsentzug nicht unter einer Legislatur- Kostensenkung nicht ergriffen. Die F.D.P. setzt auf periode bestraft! die marktwirtschaftlichen Mechanismen. Deshalb haben wir mit der 6. Novelle des Wasserhaushalts- Birgit Homburger (F.D.P.): Die F.D.P. will den Ge- gesetzes den Bundesländern die Option eröffnet, in bührenanstieg für die Abwasserbeseitigung stoppen, ihren Landeswassergesetzen die Übertragung der aber nicht dadurch, daß wir den Standard unserer Aufgabe der Abwasserbeseitigung auf Dritte zu er- Abwasserbeseitigung zurückführen. Unsere Flüsse möglichen. Damit können do rt, wo hohe Investitio- und Seen sollen sauber bleiben. Die Überdüngung nen anstehen, Kommunen und Bürger finanziell ent- von Nordsee und Ostsee muß weiter verringert wer- lastet werden. Leider hat bisher nur Sachsen diese den. Dies ist gleichermaßen Aufgabe der Abwasser- Chance ergriffen. Die F.D.P. forde rt die Bundesländer beseitigung in Kommunen, Indust rie und der Land- auf, diesem Beispiel zu folgen. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998 22417*

Die Ablehnung der Privatisierung durch die SPD sorgung geflossen sind, die damit nicht unerheblich ist anachronistisch. Der Staat ist nicht der bessere, zu den heutigen Gebühren beigetragen haben. In sondern der schlechtere Unternehmer, erst recht, den kommenden Jahren sind noch weitere Investitio- wenn er vom Wettbewerb verschont wird. Es kann nen notwendig. auch nicht Ziel sein, möglichst viele Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst zu halten. Wir brauchen weniger Die im Rahmen der Beantwortung der Großen An- Staat, auch in der kommunalen Entsorgungswirt- frage „Umwelt- und sozialverträgliche Abwasserbe- schaft. handlung und -vermeidung" durchgeführte Länder- umfrage zeigte, daß vielfach Abwassergebühren in Unvollständig ist unser Weg zu mehr Privatwirt- den neuen Ländern von über 13 DM und selbst in schaft in der Entsorgung, weil die steuerliche Be- den alten Ländern von über 10 DM pro Kubikmeter nachteiligung der p rivaten Entsorgungswirtschaft Abwasser erhoben werden. An dieser Situation hat fortbesteht. Der massive Widerstand der kommuna- sich bisher nichts geändert. Dies ist auf eine Vielzahl len Spitzenverbände gegen den Abbau des Steuer- von Ursachen, in den neuen Ländern vor allem privilegs für die Ämterwirtschaft ist symptomatisch -jedoch auf den bereits erwähnten enormen Nachhol für die immer noch große Unbeweglichkeit und Re- und Ausbaubedarf zurückzuführen. Sicher liegt die formunwilligkeit der Verbandsfunktionäre. Vielen Verantwortung für die Kostenentwicklung auch in Kommunen - vor allem im Osten Deutschlands, aber Planungsfehlern, falscher Beratung oder mangeln- auch im Westen - blieben so günstigere Finanzie- dem Wettbewerb. Dies ist leider allzuoft der Preis, rungsmodelle bei großen Investitionen verwehrt. Die den wir zu zahlen haben, wenn viele Aufgaben par- F.D.P. wird hier nicht lockerlassen. allel in kurzer Zeit gemeistert werden müssen. Die Viertens fordert die F.D.P., daß die technischen Re- Gewässersituation duldet aber keinen Aufschub. gelwerke auf Notwendigkeit und Kostensenkung hin überarbeitet werden, und vor allem, daß sie durch Trotz der bereits erheblichen Leistungen, die Planer und Genehmigungsbehörden flexibler ge- Bund, Länder und Kommunen erbracht haben, wer- handhabt werden. Vieles ist hier bereits geschehen. den der weitere Auf- und Ausbau einer effizienten Aber noch immer scheitern preiswertere angepaßte wasserwirtschaftlichen Infrastruktur weiterhin ein Lösungen am Beharren auf Regelwerken, als wären enormes Finanzvolumen erfordern. Die Bundesregie- sie Gesetz. Die F.D.P. hat hier bei der 6. Novelle des rung geht auf Grund der Länderberichte davon aus, Wasserhaushaltsgesetzes für eine größere Bewe- daß in den nächsten zehn Jahren zur Herstellung, gungsfreiheit gesorgt. Kommunen, Planer und Ge- Modernisierung und Sanierung der Kläranlagen und nehmigungsbehörden müssen jetzt den Mut aufbrin- Kanalsysteme immer noch 150 Milliarden DM inve- gen, eigene Wege zu gehen. stiert werden müssen - etwa je zur Hälfte in den ost- deutschen und in den westdeutschen Kommunen. Fünftens brauchen wir ein Umdenken weg von Die Umlage dieses enormen Investitionsaufwandes großen zentralen zu kleineren dezentralen Abwas- auf Beiträge und Gebühren wird selbstverständlich serkonzepten in den ländlichen Regionen. Nicht nur - vor allem in den neuen Bundesländern - die Frage Planer, sondern auch die Landesregierungen tragen nach deren Sozialverträglichkeit auf. hier die Verantwortung für zu große und überteuerte Anlagen. Mit ihren Vorgaben und der Konzentration Lassen Sie mich aber eines nochmals deutlich klar- der Fördermittel auf zentrale Großkläranlagen haben stellen: Sozialpolitik sollte weder über Trinkwasser- die Landesregierungen oft preiswertere dezentrale noch über Abwassergebühren gestaltet werden. Dies Konzepte mit geringerem Aufwand im Kanalsystem war ein Fehler der ehemaligen DDR; das Ergebnis verhindert. Auch hier hat die Koalition in der dieser falschen Politik ist der bekanntermaßen große 6. Novelle des Wasserhaushaltsgesetzes klargestellt, Bedarf beim Ausbau der Infrastruktur - besonders in daß dezentrale Konzepte erwünscht sind. Jetzt muß der Wasserwirtschaft. umgedacht werden. Mit unserem Antrag „Gewässer schützen - Kosten Die Chancen des Marktes und des Wettbewerbs müssen konsequent genutzt werden. die Randbedin- senken", wie er jetzt zur Abstimmung vorliegt, zei- gungen hierzu hat die Bundesregierung mit der gen wir Wege zu niedrigeren Abwassergebühren 6. Novelle des Wasserhaushaltsgesetzes Ende 1996 und die Handlungsfelder von Kommunen, Ländern geschaffen. Das Gesetz öffnete den Ländern die und Planern auf. Die Spielräume haben wir eröffnet. Jetzt müssen sie genutzt werden. Möglichkeit, die Abwasserbeseitigungspflicht von öffentlich-rechtlichen Körperschaften vollständig auf private Dritte zu übertragen. Damit können die Kom- Ulrich Klinkert, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- munen in die Lage versetzt werden, privatwirtschaft- ministerin für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi- liche Elemente verstärkt zu nutzen, aus den Manage- cherheit: Kaum ein Thema in der Entsorgungswirt- menterfahrungen und dem Know-how p rivater Un- schaft hat in den letzten Jahren mehr Aufmerksam- ternehmen zu lernen und somit die Abwasserbeseiti- keit auf sich gezogen als die Frage der Bezahlbarkeit gung auch für privates Kapital interessant zu ma- der kommunalen Abwassergebühren. Der nach wie chen. Ich begrüße in diesem Zusammenhang die vor zu beobachtende wie auch der prognostizierte Absicht Sachsens, als erstes Bundesland in seinem Kosten- und Gebührenanstieg werden in der Bevöl- Wassergesetz, dessen Novelle derzeit im Landtag kerung sehr kritisch diskutiert. Dies gilt vor allem für beraten wird, eine Ermächtigung zur Übertragung die neuen Bundesländer, in denen in den vergange- der Abwasserbeseitigungspflicht auf P rivate aufzu- nen Jahren hohe Investitionen in die Abwasserent- nehmen. 22418* Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Juni 1998

Die Bundesregierung hat allerdings nie behauptet, teren wird die bei der Errichtung und wesentlichen daß mit der Privatisierung automatisch niedrige Ko- Änderung von großen Abwasserbehandlungsanla- sten und Gebühren verbunden sind. Entscheidend gen häufig hinderliche Pflicht zur Umweltverträg- ist jedoch, daß eine Kommune, beispielsweise bei ei- lichkeitsprüfung auf die sachlich gebotenen Fälle ner Neuorganisation, die Möglichkeit besitzt, auch konzentriert. Für schadlose Regenwasserversicke- private Betreiber bis hin zur Übertragung der Abwas- rungen werden die Länder zudem ermächtigt, Ver- serbeseitigungspflicht in ihre Überlegungen einzu- fahrenserleichterungen einzuführen. beziehen. Nur so kann ein echter Vergleich erfolgen, Insgesamt haben wir im Rahmen der einge- nur so können die Kommunen die für ihren jeweili- schränkten Kompetenzen des Bundes ein Abwasser- gen Einzelfall optimale Organisationsform für die recht geschaffen, daß eine gleichermaßen effiziente Abwasserbeseitigung finden, die zu bezahlbaren Ge- wie kostengünstige Abwasserentsorgung ermöglicht. bühren für den Bürger führt. Infolge der enormen Investitionen wird in vielen Genau hier liegt ein wesentlicher Unterschied zu Gemeinden über Gebührenerhöhungen nachge- den Anträgen der Fraktion der SPD und der Gruppe dacht. Dennoch bin ich der Überzeugung, daß bei der PDS. Wer die Möglichkeiten des Wettbewerbs objektiver Abwägung aller technischen, vor allem einschränkt, vergibt die Chance, flächendeckend aber auch betriebswirtschaftlichen und organisatori- technisch anspruchsvolle wie effiziente Entsorgungs- schen Einflußfaktoren sowie rechtlichen Regelungen kapazitäten bei niedrigsmöglichen Beiträgen bzw. niedrige Abwassergebühren durchaus machbar sind. Gebühren in kurzer Zeit zu realisieren. Die Abwasserbeseitigung ist eine Aufgabe der Mit der 6. Novelle des Wasserhaushaltsgesetzes Kommunen; die Regelungen hierzu sind in erster wurde eine Reihe weiterer für die Praxis wichtige Linie von den Ländern zu treffen - sowohl in tech- Klarstellungen und Regelungen geschaffen: So stellt nischer als auch in gebührenrechtlicher Hinsicht. Der das Wasserhaushaltsgesetz ausdrücklich klar, daß Antrag der Koalition, den ich unterstütze, kann auch dezentrale Konzepte eine ordnungsgemäße Ab- mithin nur dann wirklich erfolgreich sein, wenn wir wasserbeseitigung gewährleisten können. Des wei- die Länder für diese Initiative gewinnen können.