Konzert Zum 300. Geburtsjahr Des Basler Mathematikers Leonhard Euler (1707–1783)
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Konzert zum 300. Geburtsjahr des Basler Mathematikers Leonhard Euler (1707–1783) im Rahmen des Jahreskongresses der Schweizerischen Akademie der Naturwissenschaften Werke von J.S.Bach, J.- Ph.Rameau, J.D.Zelenka, I. Xenakis und B.Skrzypczak Sylvia Nopper, Sopran Bjørn Waag, Bariton Collegium Novum Zürich Leitung: Rüdiger Bohn Donnerstag, 13. September 2007 20.15 Uhr Peterskirche Basel «C‘est une question aussi importante que curieuse, pourquoi une belle musique exci- te en nous le sentiment du plaisir? ... Qui entend une musique, et qui comprend, par le jugement de ses oreilles, toutes les proportions sur lesquelles tant l‘harmonie que la mesure est fondée, il est certain qu‘il a la plus parfaite connoissance de cette mu- sique qui soit possible ... On dit donc que le plaisir demande une connoissance qui ne soit pas trop facile, mais qui exige quelque peine.» Leonhard Euler (1768) Liebe Konzertbesucherinnen und -besucher, mit diesem Zitat aus Leonhard Eulers Stiftung, welche die Auftragskompo- Lettres à une princesse d’Allemagne sition von Bettina Skrzypczak mit fi- möchten wir Sie zu dem Konzert nanziert hat, der Irma Merk-Stiftung, herzlich willkommen heissen, das im den Bâloise Versicherungen und der Rahmen der Aktivitäten zum 300. Ge- Lonza Group Ltd., die das heutige burtsjahr des grossen Basler Mathe- Konzert mit grosszügigen finanziel- matikers und Naturwissenschafters len Beiträgen unterstützt haben. heute abend in der Peterskirche er- Wir hoffen, dass die Musik aus Eu- klingen wird. lers und unserer eigenen Lebenszeit, Wir begrüssen insbesondere die Teil- die das Collegium Novum Zürich zur nehmerinnen und Teilnehmer des Jah- Aufführung bringt, jenes lebhafte reskongresses der Schweizerischen Vergnügen hervorruft, das nach Le- Akademie der Naturwissenschaften onhard Eulers Überzeugung auf der SCNAT, der dieser Tage im Zeichen Eu- Wahrnehmung von wohlgeordneten lers in Basel stattfindet. Die Akademie Zeit- und Klangstrukturen beruht. hat in verdankenswerter Weise dafür gesorgt, dass dieser wichtige Beitrag Im Namen der Euler-Kommission der zum Kulturprogramm des Basler Eu- SCNAT und des Programmkomitees ler-Jahres realisiert werden konnte. “Euler-2007” Ebenso möchten wir auch den an- dern Sponsoren unsern herzlichen Dank aussprechen: der Max Geldner- Prof. Dr. Hanspeter Kraft Programm: Johann Sebastian Bach Aus dem Wohltemperierten Klavier, Band 1: (1685-1750) Präludium und Fuge in cis-moll Präludium und Fuge in Cis-Dur instrumentiert von Peter Maxwell Davies (1972) Jean-Philippe Rameau Aus den Pièces de clavecin en concerts: (1683-1764) Nr.5 in D-Dur, bearbeitet von unbekannter Hand für 6 Instrumente La Forqueray: Fugue (animé) – La Cupis: Rondement (sans vitesse) – La Marais: Rondement Bettina Skrzypczak anomalia Lunae media (*1962) für Sopran, Bariton und 15 Instrumente (2007) nach Texten von Leonardo da Vinci, Jorge Luis Borges, Leonhard Euler und Boethius Kompositionsauftrag zum 300. Geburtstag von Leonhard Euler Johann Sebastian Bach Verschiedene Canones über die ersteren acht (1685-1750) Fundamental-Noten vorheriger Arie BWV 1087 (Paralipomena zu den Goldberg-Variationen), instrumentiert von Raymond Meylan (1978) 1. Canon simplex 2. all’ roverscio 3. Beede vorigen Canones zugleich, motu recto e contrario 4. motu contrario e recto 5. Canon duplex à 4 6. Canon simplex über besagtes Fundament à 3 7. idem à 3 8. Canon simplex à 3, il soggetto in Alto 9. Canon in unisono post semifusam à 3 10. Alio modo per syncopationes et per ligaturas à 2 / Evolutio 11. Canon duplex über Fundament à 5 12. Canon duplex über besagte Fundamental- Noten à 5 13. Canon triplex à 6 14. Canon à 4 per Augmentationem et Diminutionem Iannis Xenakis Palimpsest (1922-2001) für 11 Spieler (1979) Jan Dismas Zelenka Concerto in Sol a 8 concertanti (1679-1745) Allegro – Largo cantabile – Allegro Sylvia Nopper, Sopran Collegium Novum Zürich Bjørn Waag, Bariton Leitung: Rüdiger Bohn Das Collegium Novum Zürich spielt in diesem Konzert in folgender Besetzung: Matthias Ziegler, Flöte Christoph Brunner, Schlagzeug Riccarda Caflisch, Flöte Stefan Wirth, Klavier/Cembalo Barbara Tillmann, Oboe Rahel Cunz, Violine Heinrich Mätzener, Klarinette Urs Walker, Violine Stefan Buri, Fagott David Sontòn Caflisch, Violine Thomas Müller, Horn Hans-Christian Sarnau, Viola Jörg Schneider, Trompete Tobias Moster, Violoncello Ulrich Eichenberger, Posaune Käthi Steuri, Kontrabass Zum Programmkonzept Zwischen den Werken des heutigen Direkte Kontakte Eulers zu Johann Konzerts und dem Leben und Denken Sebastian Bach sind nicht nachge- von Leonhard Euler gibt es zahlreiche wiesen. Doch die methodische Stren- Verbindungslinien. Einige beziehen ge von Bachs Fugen und Kanons und sich nur auf seine eigene Zeit, andere seine Kenntnis der bis in die Renais- verweisen auf epochenübergreifende sance zurückreichenden kontra- Denkweisen wie die Anwendung ma- punktischen Verfahren entstammen thematischer Verfahren in der Kunst. einem Weltbild, das demjenigen Eu- Euler verfasste unter anderem die lers ähnlich ist. musiktheoretische Abhandlung Ten- In der Musik des Komponisten, Ma- tamen novae theoriae Musicae ex cer- thematikers und Ingenieurs Iannis tissimis harmoniae principiis diludice Xenakis, der stochastische und an- expositae. Es handelt sich um den dere mathematische Verfahren in seltenen Fall einer Arbeit, in der ein die Komposition einführte, setzt sich Vertreter der exakten Wissenschaften diese rationalistische Tradition bis in die Bausteine der musikalischen Ma- die Gegenwart hinein fort. An emo- terie, Konsonanz und Dissonanz, tionaler Kraft büsst die Musik deswe- nicht nur nach der Seite ihrer Natur gen nichts ein. Und auch in meiner untersucht, sondern auch im Hinblick Komposition „anomalia Lunae me- auf ihre Wirkung auf das Ohr, mithin dia“ werden die polyphonen Regeln das menschliche Schönheitsemp- der alten Meister auf verdeckte Wei- finden. Euler stützt sich dabei auch se wiederbelebt und in eine neue auf Boethius, dessen Musiktheorie poetische Dimension überführt. im Mittelalter von grundlegender Die Werke des heutigen Abends zei- Bedeutung war. Mit dem 24 Jahre gen, dass die Grenze zwischen wis- älteren Jean-Philippe Rameau, Kom- senschaftlicher und künstlerischer ponist und Autor musiktheoretischer Erkentnis fliessend ist. Abstrakte Ma- Schriften, stand Euler in Korrespon- thematik kann sich im Klang mani- denz. Rameau sandte ihm am 30. festieren, und eine poetische Vision April 1752 seine Nouvelles Réflexions ist oft einer wissenschaftlichen Ent- de M. Rameau sur sa ‘Démonstration deckung vergleichbar. du principe de l’harmonie’, und Euler antwortete einige Monate später mit dem Brief, der auf dem Umschlag dieses Programmhefts abgedruckt ist. Bettina Skrzypczak Die Komponisten und ihre Werke Die Musik von Johann Sebastian Tradition von der Renaissance bis Bach war zu allen Zeiten eine Quelle Bach beschäftigt. Die beiden Prä- der Inspiration für die Komponisten. ludien und Fugen aus dem ersten Offene und verdeckte Querverbin- Band des Wohltemperierten Klaviers dungen, aber auch unzählige Bearbei- bearbeitete er 1972 für das von ihm tungen und Paraphrasen legen davon gegründete Ensemble „The Fires of Zeugnis ab. Der 1934 in Manchester London“. Durch die Einbeziehung geborene Peter Maxwell Davies, von Marimbaphon und Klarinette er- einer der fruchtbarsten englischen hält der Klang seine charakteristische Komponisten seiner Generation, hat Geschmeidigkeit und helle Farbe. sich lebenslang mit der polyphonen Jean-Philippe Rameau, geboren 1683 in Dijon und gestorben 1764 in Paris, ein Zeitgenosse von Bach, ist nicht nur als bedeutender Komponist von Opern- und Instrumentalwerken, sondern auch als Theoretiker in die Musikgeschichte eingegangen. Sei- ne empirischen Untersuchungen zur Harmonik waren grundlegend für die Musik seiner Epoche. Mit Euler stand Rameau 1752 in brieflichem Kontakt: die nebenstehende Abbildung zeigt die erste Seite seiner 1753 in Paris ver- öffentlichten Antwort auf den Brief Eulers vom 13.9.1752, der auf der letz- ten Umschlagseite dieses Programms wiedergegeben ist. 1741 veröffentlichte Rameau seine zu fünf Suiten gebündelten Pièces de clavecin en concerts für Cembalo und zwei Melodieinstrumente. Vier Jahre nach seinem Tod verfertigte ein un- den Satz aus der Mondtheorie von bekannter Autor, der vermutlich Ra- Leonhard Euler, in dem er die Un- meau nahe gestanden hatte, davon möglichkeit einer vollkommenen Er- Arrangements («Concerts») für sechs kenntnis konstatiert – die komplexe Stimmen. Die Satztitel des fünften Realität kann nur in Annäherungs- Concert in G-Dur – Forqueray, Cupis werten erfasst werden. Aus dieser und Marais – stellen Widmungen an Sicht erscheint auch die Grenze zwi- berühmte Violenspieler aus Rameaus schen wissenschaftlicher und künst- Zeit dar. lerischer Erkenntnis fliessend, denn In seiner Abhandlung Nouvelles Réfle- Eulers Äusserung kann sowohl auf xions de M. Rameau sur sa ‘Démonstra- die Forschungsmethoden der Wis- tion du principe de l‘harmonie’, die er senschaft als auch auf die verschie- 1752 an Euler geschickt hatte, stellt denen künstlerischen Sprachen an- Rameau das Verhältnis von intellektu- gewandt werden. eller Erkenntnis und sinnlicher Erfah- Ein anderer für meine Komposition rung beim Wahrnehmen von Musik wichtiger Gedanke betrifft die Vielfalt in dem folgenden bedenkenswerten der Wege, die zur Erkenntnis führen Satz dar: «La Science de la Musique – das Leben und Schaffen Eulers war demande plus de méditation qu’on ein gutes Beispiel dafür. Deshalb die ne se l’imagine, il ne suffit pas d’être Wahl von Autoren