09.03.2009

Gericht Asylgerichtshof

Entscheidungsdatum 09.03.2009

Geschäftszahl B4 228095-2/2009

Spruch B4 228.095-2/2009/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Florian NEWALD als Vorsitzenden und die Richterin Mag. Karin WINTER als Beisitzerin über die Beschwerde des XXXX, serbischer Staatsangehöriger, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 27.1.2009, Zl. 02 00.393-BAL, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 7 Asylgesetz 1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 und § 8 Abs. 1 Asylgesetz 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 (AsylG) abgewiesen.

Text E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer ist serbischer Staatangehöriger albanischer Volksgruppen-zugehörigkeit und muslimischen Glaubens und stammt aus dem in der südserbischen Gemeinde XXXX gelegenen Ort XXXX. Er reiste am 3.1.2002 unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich ein und begehrte am selben Tag die Gewährung von Asyl.

2. Am 21.2.2002 beim Bundesasylamt zu seinen Fluchtgründen einvernommen, gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen Folgendes an: Er habe sich der PVD angeschlossen, einer Partei, die eigene Schulen und mehr Arbeitsplätze für die Albaner anstrebe. In seinem Dorf habe die Partei ca. 100 Mitglieder, ihr Anführer heiße XXXX. Die Albaner hätten keine Rechte, daher habe die Partei zwei Mal monatlich Demonstrationen organisiert, bei denen die Polizei - aufgrund von Ausschreitungen - eingegriffen und die Demonstranten geschlagen habe. Er habe immer weglaufen können. Am XXXX sei er in XXXX auf der Polizeistation für 24 Stunden angehalten und geschlagen worden. Man habe ihm die Mitgliedschaft zur PVD und die Teilnahme an Demonstrationen vorgeworfen. Weiters sei ihm vorgeworfen worden, Mitglied der UCPMB zu sein. Es sei ihm gesagt worden, dass er bei den Demonstrationen fotografiert worden sei und dass die Polizei eine Liste der Mitglieder der UCPMB habe. Von August bis September 2002 sei er tatsächlich Mitglied der UCPMB gewesen und habe mit einem automatischen Gewehr gekämpft. Er sei desertiert, als er gesehen habe, dass die Serben zu stark waren. Das alles habe er bei der Polizei angegeben. Nach 24 Stunden sei er freigelassen worden; dabei sei ihm mitgeteilt worden, dass er noch eine Ladung fürs Gericht erhalten werde. Zwei Wochen später habe er eine Ladung zum Bezirksgericht in XXXX für den XXXX erhalten; er sei aber nicht bei Gericht erschienen, sondern ausgereist. Er müsse mit einer Haftstrafe von mindestens zwei Jahren rechnen. Zwischen den serbischen Behörden und der KFOR habe es zwar ein Abkommen für die Albaner gegeben, doch werde dies nicht in die Tat umgesetzt. Zu einer innerstaatlichen Fluchtalternative im Kosovo befragt, gab der Beschwerdeführer an, dass er dort "niemanden und nichts" habe. Außerdem hätte er dort Angst, weil manche Leute für die serbische Geheimpolizei arbeiten würden; die KFOR kontrolliere die Grenze nicht ausreichend.

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3. Mit Bescheid vom 28.3.2002, Zl. 02 00.393-BAT, wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführer gemäß § 7 Asylgesetz 1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 ab und erklärte gemäß § 8 leg. cit. Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers "in die BR Jugoslawien, Provinz Kosovo" für zulässig. Die Abweisung des Asylantrages begründete das Bundesasylamt damit, dass dem Beschwerdeführer im Kosovo, über den "die serbisch-jugoslawische Regierung" de facto die Kontrolle verloren habe, eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung stehe.

4. In Erledigung der dagegen erhobenen - seit 1.7.2008 als Beschwerde zu wertenden - Berufung hob der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 28.8.2008, GZ B4 228.095-0/2008/2E, den dargestellten Bescheid des Bundesasylamtes auf und verwies die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurück. Begründend wies der Asylgerichtshof darauf hin, dass für Personen mit (ehemaliger) jugoslawischer Staatsangehörigkeit, die wie der Beschwerdeführer nicht aus dem Kosovo stammten, das Gebiet des Kosovo - ausgehend vom Konzept zweier Herkunftsstaaten (und zwar dem Kosovo einerseits und der Bundesrepublik Jugoslawien, jetzt Serbien, ohne den Kosovo andererseits), welches der Verwaltungsgerichtshof seit Errichtung der UN-Verwaltung im Kosovo verfolge - nicht als Teil ihres "Herkunftsstaates" in Betracht zu ziehen sei bzw. dass dies schon vor der Unabhängigkeit des Kosovo nicht der Fall gewesen sei. Aus diesem Grund scheide für den Beschwerdeführer eine innerstaatliche Fluchtalternative im Kosovo bereits aus rechtlichen Gründen aus. Daher habe es das Bundesasylamt unterlassen, sich mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers, insbesondere wegen seiner - zum Teil früheren - Mitgliedschaften bei der UCPMB bzw. der PVD in Serbien Verfolgung befürchten zu müssen, hinreichend auseinanderzusetzen; es habe keine ausreichenden Ermittlungen zur Situation der albanischen Minderheit in Serbien im Allgemeinen sowie zu Mitglieder der PVD bzw. ehemaliger UCPMB-Mitglieder im Besondern nach der Verhandlungslösung zwischen der serbischen Regierung und der UCPMB vom Mai 2001 angestellt.

5. Im fortgesetzten Verfahren vor dem Bundesasylamt wurde der Beschwerdeführer am 29.10.2008 abermals einvernommen. Die ihm eingangs gestellte Frage, ob er gesundheitliche Probleme habe, verneinte er. Er sei in XXXX geboren und dort in seinem Elternhaus aufgewachsen. Nach der Grundschule habe er in der elterlichen Landwirtschaft gearbeitet. Berufsausbildung habe er keine. Von 1986 bis 1987 habe er seinen Militärdienst in Slowenien abgeleistet. Sein Vater sei 1992 gestorben, seine Mutter 2001. Nach seiner Heirat habe er gelegentlich auch im Baugewerbe gearbeitet. Sein Bruder habe im Kosovo sein eigenes Haus, da er im Ausland arbeite. Das Elternhaus sei sehr alt und stehe nun leer. Der Grund von ca. 4000 Quadratmetern sei nicht geteilt worden. An in Serbien lebenden Familienmitgliedern habe er nur eine Schwester, die in XXXX wohne und mit der er telefonisch Kontakt habe. Zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen Folgendes an: Im Jahr 1999 habe er an Demonstrationen teilgenommen, wo verlangt worden sei, dass es Schulzugang in der eigenen Sprache gäbe. Einer Partei habe der Beschwerdeführer nicht angehört; er sei nur ein einfacher Teilnehmer gewesen. Die Demonstranten seien nicht gewalttätig gewesen. Eine halbe Stunde seien die Demonstrationen erlaubt gewesen, dann habe die Polizei die Demonstranten auseinander getrieben. Zu Gewaltakten sei es nicht gekommen. Der Beschwerdeführer habe eine Ladung bekommen, da er an der Demonstration teilgenommen habe. Dies sei ein Straftatbestand. Am XXXX sei er von der Polizei von seinem Elternhaus abgeholt worden und auf die Polizeistation gebracht worden. Dort habe man ihm Fotos gezeigt und er habe zugegeben, dass er an den Demonstrationen teilgenommen habe. Die Polizei habe dies bei dem Gericht angezeigt und er habe dann zum Gericht gehen müssen. Auch habe ihm die Polizei vorgeworfen, dass er bei der UCPMB gewesen sei; auch dies habe er dann gestanden. Er sei von Jänner 2001 bis zum XXXX bei der UCPMB gewesen; dann hätten sie die Waffen der KFOR abgegeben. Das habe er auch bei der Polizei gesagt. Der Beschwerdeführer sei unter Druck gesetzt worden, dass er das sage. Es sei ein Protokoll aufgenommen und ihm sei gesagt worden, dass der Strafrahmen sechs Monate bis drei Jahre betrage. Danach sei er freigelassen worden, wobei ihm gesagt worden sei, dass sich das Gericht bei ihm melden werde. Drei Wochen später sei die Ladung vom Gericht gekommen, er sei dieser aber nicht nachgekommen, sondern in den Kosovo geflohen, wo sein Onkel lebe. Er sei dort ein Monat geblieben und dann nach Österreich gereist. Zu seiner Tätigkeit bei der UCPMB befragt, gab der Beschwerdeführer an, er sei ein normaler Soldat gewesen und habe ein automatisches Gewehr gehabt. Befragt, ob er in seinem Herkunftsland vorbestraft sei, gab der Beschwerdeführer an, ihm sei nicht bekannt, dass er vorbestraft sei, es könne aber sein, dass er in seiner Abwesenheit verurteilt worden sei. Davor habe er mit der Polizei und den Behörden keine Probleme gehabt. Zum Zustand seines Elternhauses befragt, gab der Beschwerdeführer an, dass dieses leer stehe. Es sei zugesperrt, der Schlüssel befinde sich bei seinem Schwager in XXXX. Voriges Jahr sei in das Haus eingebrochen und "die Sachen" gestohlen worden. Dies habe er von seinem Bruder erfahren, der jedes Jahr im Urlaub dort hinfahre. Angezeigt sei den Vorfall nicht worden. Weiters seien Dachziegel des Elternhauses beschädigt worden, der Bruder des Beschwerdeführers habe diese gerichtet. In seinem Herkunftsstaat habe der Beschwerdeführer seinen Lebensunterhalt von der Landwirtschaft sowie durch Gelegenheitsarbeiten bestritten. In seinem Heimatstaat habe an Familienangehörigen ca. 30 Personen.

6. Mit Schreiben vom 30.10.2008 übermittelte das Bundesasylamt dem Beschwerdeführer vorläufige Sachverhaltsannahmen zur Lage in Serbien, worin zur Lage in Südserbien im Wesentlichen Folgendes festgehalten wird: Das am 11.7.2002 in Kraft getretene Amnestiegesetz für jugoslawische Bürger, die in www.ris.bka.gv.at Seite 2 von 13 Asylgerichtshof 09.03.2009

Südserbien "Terrorakte" und "staatsfeindliche Aktivitäten" begangen hätten, habe einen wesentlichen Beitrag zur weitgehenden Beruhigung der Lage in Südserbien geleistet; die ethnischen Albaner seien seit den vorgezogenen Kommunalwahlen vom 28.7.2002 inzwischen in den Gemeindeorganen angemessen vertreten und stellten ua. die Bürgermeister von Presevo und . Von den 12.500 geflohenen Albanern seien ca. drei Viertel zurückgekehrt. Der Anführer der albanischen Partei PDD Halimi habe sich im März 2008 zwar gegen die die Stationierung von serbischem Militär und Polizeikräften ausgesprochen, die aktuelle Lage aber als ruhig bezeichnet. Nach dem Fortschrittsbericht der Europäischen Kommission zu Serbien vom November 2007 sei die Situation in Südserbien abgesehen von sporadischen Vorfällen stabil; auch seien bei der Rekrutierung von ethnischen Albanern für die Polizei weitere Fortschritte erzielt worden, obwohl es für Albaner (erg. weiterhin) Benachteiligungen beim Zugang zu Bildung und auch bei der Aufnahme in Polizei und Justiz gebe. Zur Grundversorgung und zum Sozialsystem in Serbien wird ausgeführt, dass die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln trotz der schlechten wirtschaftlichen Lage in Serbien gewährleistet sei, dass serbischen Bürgern, die wegen Arbeitsunfähigkeit oder auch sonst keine Mittel zum Unterhalt hätten, Sozialhilfe gewährt werde und Hilfsbedürftigen oft auch die Zahlung von Strom, Wasser, Heizung etc. von den Gemeinden erlassen werde und von diesen auch Nahrungspakete, Kleidung und Schulutensilien für Kinder erhielten. Überdies wurde dem Beschwerdeführer jene Ausführungen zur Kenntnis gebracht, mit denen Dr. XXXX als Sachverständige im Verfahren des Asylgerichtshofes GZ 312.453 die Fragen beantwortet hatte, ob die Amnestie gegenüber ehemaligen Mitgliedern der UCPMB eingehalten werde und ob die Unabhängigkeitserklärung des Kosovo Auswirkungen auf die Lage im Presevotal gehabt habe, sowie ob der betreffende (ebenfalls der albanischen Volksgruppe angehörende) Beschwerdeführer aufgrund seiner ethnischen Zugehörigkeit damit rechnen müsse, im Presevotal von Angehörigen der serbischen Polizei- bzw. Militärkräfte misshandelt zu werden.

7. Mit Schriftsatz vom 9.11.2008 nahm der Beschwerdeführer wie folgt Stellung: Die Sachverhaltsannahmen zeigten, dass die albanische Minderheitsbevölkerung trotz zahlreicher Verfassungsbestimmungen über die Rechte von Minderheiten nach wie vor Diskriminierungen und Übergriffen ausgesetzt sei. Diese reichten von nichtrepräsentativer Vertretung im öffentlichen Dienst bis hin zu körperlichen Übergriffen durch die Mehrheitsbevölkerung. Auch herrsche eine negative gesellschaftliche Einstellung gegen Angehörige der albanischen Minderheit; das öffentliche Bekenntnis zur albanischen Nationalität (etwa durch Schwingen der Kosovo-Fahne) sei nach wie vor verboten. Auch habe es Spannungen zwischen den beiden Volksgruppen im Bereich der Aufnahme von Albanern in die öffentliche Verwaltung gegeben. In der serbischen Öffentlichkeit seien Vorbehalt und Vorurteile gegen die Angehörigen bestimmter Minderheiten (Albaner, Bosniaken, Roma) unverändert weit verbreitet. Auch trügen Aussagen von Politikern sowie negative Medienberichte zum fremdenfeindlichen Klima gegen ethnische Minderheiten bei. Im alltäglichen Leben gebe es insbesondere in den Regionen Presevo, Bujanovac und Medvedja, und somit in Regionen, die traditionell von Albanern besiedelt seien, Benachteiligungen auf dem Gebiet des Zugangs zur Bildung und zum zivilen Bereich, insbesondere auch bei der Aufnahme in Polizei und Justiz. Das gegen den Beschwerdeführer eingeleitete Strafverfahren werde im Falle einer zwangsweisen Rückkehr fortgesetzt, wobei es mit Sicherheit kein gerechtes Ermittlungsverfahren geben würde. Bei der Polizei herrsche Korruption und Straflosigkeit.

8. Mit dem angefochten Bescheid wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG ab (Spruchpunkt I.) und erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Serbien gemäß § 8 Abs. 1 AsylG für zulässig (Spruchpunkt II.). Nach Wiedergabe des Verfahrensganges traf das Bundesasylamt Feststellungen zur Lage in Serbien, das die dargestellten vorläufigen Sachverhaltsannahmen (nur) zum Teil umfasst; die oben erwähnten Ausführung von Dr. XXXX zur Einhaltung der Amnestiegesetzgebung im Hinblick auf Kämpfer der UCPMB sowie die Auswirkungen der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo sind nicht beinhaltet. Das Fluchtvorbringen erachtete das Bundesasylamt insoweit als unglaubwürdig, als den Aussagen des Beschwerdeführers zur Gewaltfreiheit der Demonstrationen, an denen er teilgenommen habe, die Glaubwürdigkeit abzusprechen sei: Während der Beschwerdeführer bei seiner Einvernahme am 29.10.2008 angegeben habe, die Demonstrationen seien nicht gewalttätig gewesen, habe er am 21.2.2002 vorgebracht, dass die Polizei bei den Demonstrationen eingeschritten sei, da es zu Ausschreitungen gekommen sei. Es sei anzunehmen, dass die Demonstration nicht friedlich verlaufen seien und die Polizei Videoaufnahmen gemacht habe, um Straftaten bei Gericht anzuzeigen. Im Fall des Beschwerdeführers sei es zu einer Einvernahme bei der Polizei und einer Anzeige bei Gericht gekommen. Dies sei ein rechtstaatliches Vorgehen von Sicherheitsbehörden, um Straftaten aufzuklären und die Beweise dem Gericht vorzulegen. Der Beschwerdeführer habe strafrechtlich relevante Sachverhalte bei der Demonstration verwirklicht, sei es legitim, dass der Staat ihn zur Verantwortung ziehe. Auch könne nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer bei seiner Einvernahme bei der serbischen Polizei geschlagen worden sei; zwar habe er bei seiner ersten Einvernahme vor dem Bundesasylamt Derartiges angegeben, bei der zweiten habe er jedoch auf die Frage nach außergewöhnlichen Geschehnissen bei seiner Befragung durch die serbische Polizei keine Polizeigewalt angegeben. Soweit der Beschwerdeführer vorbringe, ihm werde vorgeworfen, bei der UCPMB gewesen zu sein, ergebe sich aus den Auführungen von Dr. XXXX, dass die Amnestie gegen ehemalige Mitglieder der UCPMB eingehalten werde und daher nicht zu befürchten sei, dass der Beschwerdeführer nach der Rückkehr aus diesem Grund vor Gericht gestellt werde. Aus den Ausführungen ergebe sich weiters, dass eine Misshandlung des Beschwerdeführers auf Grund seiner albanischen Volksgruppenzugehörigkeit nicht www.ris.bka.gv.at Seite 3 von 13 Asylgerichtshof 09.03.2009 wahrscheinlich sei. Auch könne nicht angenommen werden, dass der Beschwerdeführer nach einer Rückkehr in sein Herkunftsland einer existenzgefährdeten Situation ausgesetzt wäre: Er habe bis zu seiner Ausreise im Elternhaus mit der eigenen Familie gelebt; diese verfüge weiters über eine Landwirtschaft und einen Garten, wodurch die Lebenshaltungskosten niedrig gehalten werden könnten. Der Beschwerdeführer habe auch angegeben, dass er sich durch Gelegenheitsarbeiten im Baugewerbe etwas dazu verdienen habe können. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, dass der Beschwerdeführer dies nicht wieder tun könne, zumal es sich bei ihm um einen arbeitsfähigen Mann handle. Der Zusammenhalt innerhalb der albanischen Großfamilie sei bekannt und im Verfahren sei nicht hervorgekommen, dass der Beschwerdeführer, dessen Schwager und 30 weitere Familienangehörige in Serbien lebten, nicht durch seine Verwandten unterstützt würde. Überdies könne er diesfalls bei humanitären Organisationen Unterstützung finden. Von der Ausweisung des Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet sah das Bundesasylamt im Hinblick darauf ab, dass seine Ehefrau einen Asylerstreckungsantrag gestellt habe, bei dem eine Ausweisung gesetzlich nicht vorgesehen sei; die Fremdenpolizei habe für alle Familienmitglieder gemeinsam über die Zulässigkeit einer Ausweisung aus dem Bundesgebiet zu entscheiden.

9. Gegen beide Spruchpunkte dieses Bescheides richtet sich die rechtzeitige Beschwerde. Diese weist zunächst daraufhin, dass "im Dezember" zehn vermeintliche ehemalige Mitglieder der albanischen Befreiungsarmee UCK festgenommen worden seien, die unter dem Verdacht stünden, Kriegsverbrechen in der Region Gnjilan begangen zu haben. Nach Aussage der albanischen Behörden habe die Polizei bei den Festnahmen Gewalt gegen die Verdächtigen und deren Familien angewendet. Es könne daher nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer auf Grund seiner Mitgliedschaft "zur UCKPMB" Verfolgung zu befürchten habe. Überdies habe sich die Lage im Presevo-Tal auch angesichts der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo zugespitzt. Der Ansicht des Bundesasylamtes, dass seinen Aussagen zur Gewaltfreiheit der Demonstrationen die Glaubwürdigkeit abzusprechen sei, halte er entgegen, dass er sich im Zuge der Demonstrationen friedlich verhalten habe und dass der Gegenstand der Einvernahme die Demonstration für die Unabhängigkeitserklärung des Presevotals von Serbien gewesen sei. Dass der Beschwerdeführer bei der Demonstration strafrechtlich relevante Sachverhalte verwirklicht habe und es daher legitim sei, dass der Staat ihn zur Verantwortung ziehe, sei nicht stichhaltig, da keine nachvollziehbaren Ermittlungsergebnisse für diese Feststellung vorlägen. Dem Beschwerdeführer sei es nicht möglich, im Haus seines Bruders zu leben, da dieses Haus im Eigentum seines Bruders stehe. Das Elternhaus des Beschwerdeführers sei im Krieg zerstört worden. Auch gebe es die Landwirtschaft, über die die Familie des Beschwerdeführers nach den Feststellungen des Bundesasylamtes verfüge, nicht mehr. Daher hätten der Beschwerdeführer und seine Familieangehörigen im Herkunftsland keine Existenzgrundlage mehr. Auch habe der Beschwerdeführer dort keine familiären Anknüpfungspunkte mehr; seine Eltern und seine beiden Brüder lebten legal in Österreich. Der Beschwerdeführer gehe bereits seit sechs Jahren einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach. Der Sohn des Beschwerdeführers besuche die vierte Schulklasse. Die familiären und privaten Anknüpfungspunkte des Beschwerdeführers und seiner Familie lägen somit in Österreich.

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

1. Festgestellt wird:

1.1. Der Asylgerichtshof schließt sich zunächst den Feststellungen an, die das Bundesasylamt zur Staatsangehörigkeit, Volksgruppenzugehörigkeit, Herkunftsregion und zum Religionsbekenntnis des Beschwerdeführers sowie zur Situation in dessen Herkunftsstaat getroffen hat.

1.2. Darüber hinaus trifft der Asylgerichtshof folgende Feststellungen:

1.2.1. Zur Einhaltung gegenüber Angehörigen der UCPMB erlassenen Amnestie:

Am 21.5.2001 wurden die bewaffneten Auseinandersetzungen in Südwestserbien, im Grenzgebiet zum Kosovo, zwischen der albanischen Rebellenbewegung Ushtria Çlirimtare e Preshevas, Medvegjas e Bujanovcit (UCPMB, Befreiungsarmee Presevo, Medvedja und Bujanovac) und der serbischen Sicherheitsorgane durch das Abkommen von Konculje über die Entwaffnung und Demobilisierung der UCPMB offiziell beendet. Als Gegenleistung für die Demobilisierung wurde den UCPMB drei Kämpfern Straffreiheit garantiert. In der Praxis wurde diese zugesagte Amnestie zunächst nicht eingehalten. Bis zum 13.1.2001 hatte die Staatsanwaltschaft in bereits 43 Anklagen gegen 32 Personen erhoben, die des Terrorismus verdächtigt waren, weitere Anklagen folgten auch nach dem 21.5.2001. Nach ehemaligen UCPMB Kämpfern wurde gefahndet, jene die verhaftet wurden, wurden verurteilt. So wurde Luan Sadilu zu einer Haftstrafe von sieben Jahren wegen des Verbrechens des Terrorismus verurteilt. Besim Leka verbrachte zwei Jahre in Untersuchungshaft. www.ris.bka.gv.at Seite 4 von 13 Asylgerichtshof 09.03.2009

Am 4.6.2002 beschloss das Belgrader Parlament schließlich ein Amnestiegesetz. Demnach umfasst die Amnestie alle jugoslawischen Staatsbürger, die im Zeitraum vom 1.1.1999 bis 31.5.2001 Verbrechen gemäß Art. 125 (Terrorismus) und Art. 136 (Verschwörung zur Begehung feindlicher Aktivitäten), bzw. diese Tatbestände in Verbindung mit Art.139 Strafgesetzbuch (qualifizierte Tatbestände) begangen haben oder dieser Taten verdächtig sind. Die Amnestie bedeutet den Verzicht auf Strafverfolgung, bereits laufende Verfahren sollten eingestellt, bereits erfolgte Verurteilungen nicht vollstreckt und inhaftierte Personen entlassen werden. Erst dieses Gesetz verpflichtete die Staatsanwaltschaft alle Verfahren einzustellen. Bereits erfolgte Verurteilungen wurden basierend auf dem Gesetz wieder aufgehoben. Seit der Verabschiedung des Amnestiegesetzes wird die Amnestie respektiert. Zahlreiche Personen, die als einfache Soldaten in der UCPMB gedient haben, leben nach wie vor in Presevo, ohne einer Verfolgung ausgesetzt zu sein. So wurde auch das Urteil gegen Luan Sadilu wieder aufgehoben und die Freilassung des ehemaligen Angehörigen der UCPMB angeordnet. Das Verfahren gegen Besim Leka wurde ebenfalls eingestellt.

1.2.2. Zur Entwicklung der Lage in Südserbien sowie den Auswirkungen der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo auf die Lage im Presevotal:

Die Sicherheitslage im Presevotal blieb auch nach der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo stabil. Zwar verstärkte die serbische Polizei und Armee ihre Truppenpräsenz, Unruhen blieben allerdings aus. Es wurden keine Übergriffe auf die albanische Bevölkerung registriert. Die serbischen Sicherheitskräfte sind bestrebt, jegliche Provokation der albanischen Bevölkerung, die zu einer erneuten Eskalation des interethnischen Konflikts führen könnten, zu vermeiden. Die Unabhängigkeitserklärung des Kosovo hatte bis dato keinerlei negative Auswirkungen auf die Region. Die Bevölkerung des Presevotals ist hinsichtlich des Status für die Region allerdings weiterhin gespalten. Ein Teil fordert die Vereinigung mit dem Kosovo, der größere Teil ist jedoch bestrebt ihre Rechte innerhalb des serbischen Staates zu verwirklichen und fordert die Umsetzung der, in der serbischen Verfassung, garantierten Minderheitenrechte. Der Wunsch einiger politischer Parteien nach einer Vereinigung mit dem Kosovo stellt allerdings die Stabilität der Region in Frage. Die weiteren Entwicklungen in Presevo hängen von der Situation im Kosovo ab. Gegenwärtig gib es aber keine Anzeichen für einen Bruch des Friedens in der Region. Die politischen Entwicklungen im Kosovo hatten auch in der Vergangenheit immer Auswirkungen auf die Menschenrechtslage der Albaner in Südserbien. Die albanische Bevölkerung in den drei Gemeinden Presevo, Bujanovac und Medvedja wurde während Jahrzehnten gezielt diskriminiert. Es können mehrere Phasen der Repression unterschieden werden.

- Erste Phase der Repression

Die erste Phase umfasst den Zeitraum 1989 bis zum Ausbruch des Krieges im Jahre 1999 im Kosovo. Im Jahre 1989 wurden die Albaner in Presevo, genauso wie jene des Kosovo einer systematischen Diskriminierung ausgesetzt. Nachdem 1989 dem Kosovo die Territorialautonomie entzogen wurde, verloren auch die Albaner in Südserbien alle kollektiven Minderheitenrechte. So wurden im Jahre 1989 zunächst alle 11 albanischen Professoren aus dem einzigen pädagogischen Zentrum in Presevo entlassen und in weiterer Folge die albanischen Schulen geschlossen. Das Erscheinen der einzigen albanischen Tageszeitung wurde verboten. Albaner wurden in der Folge aus ihren Arbeitsplätzen in Betrieben und dem lokalen Sicherheitsapparat (Polizei) entlassen. Das einzige Gesundheitszentrum in Presevo wurde geschlossen und das gesamte albanische Personal gekündigt. Die einzige Gynäkologische Ambulanz wurde ebenfalls geschlossen. Dies führte in den Folgejahren zu einem Anstieg der Kindersterblichkeitsrate in der Region. Auf die gezielte Diskriminierung reagierte die Bevölkerung mit einer politischen Deklaration. Im Jahre 1992 wurde von der albanischen Bevölkerung ein Referendum organisiert, indem sich die Mehrheit der Albaner für einen Autonomiestatus aussprachen. Auch ein späterer Anschluss an das Kosovo wurde befürwortet. Diese Forderung führte wie im Kosovo zu einer weiteren Repressionspolitik des Belgrader Regimes, wodurch es auch zu Polizeiübergriffen kam.

- Zweite Phase der Repression

Die meisten Übergriffe ereigneten sich allerdings während der NATO Angriffe gegen Serbien im Kosovokrieg, somit in den Monaten März bis Juni 1999, das die zweite Phase der Repression markierte. Nachdem der Kriegszustand in Serbien ausgerufen worden war, wurden die Albaner in Südserbien Opfer zahlreicher Gewaltakte und Menschenrechtsverletzungen durch Paramilitärs, Armee und Polizei. Die Muster der serbischen Übergriffe entsprachen dem Vorgehen im Kosovo. So wurde am 31.3.1999 zunächst das albanische Dorf Veliki Ternovac von der serbischen Armee und Spezialeinheiten umzingelt und den männlichen Bewohnern wurden zwei Stunden Zeit gegeben, sich den Truppen zu stellen. Zahlreiche Personen wurden verhaftet und brutal zusammen geschlagen. In den folgenden Monaten wurden Hausdurchsuchungen in den Dörfern Ranatovce, Buhic, Madare, Bustranje, Gospodince, und durchgeführt im Zuge dessen zahlreiche Personen gefoltert wurden. Bis Ende Juni 1999 starben insgesamt 11 Albaner an den Folgen von Übergriffen durch die Polizei und die Armee. Sechs Opfer stammen aus Presevo, zwei aus Bujanovac und vier aus dem www.ris.bka.gv.at Seite 5 von 13 Asylgerichtshof 09.03.2009

Kosovo. Allein in der Gemeinde Presevo wurden insgesamt 243 Anzeigen wegen Polizeiübergriffen erstattet. Zahlreiche Häuser wurden von der serbischen Armee zerstört bzw. beschädigt. Der Schaden wurde mit 6 Millionen Euro beziffert.

- Dritte Phase der Repression

Im Juni 1999 wurde der Krieg im Kosovo beendet. Aufgrund eines militärischtechnischen Abkommens vom 9.6.1999 (Kumanovo-Abkommen) wurde entsprechend den NATO-Vorschlägen ein fünf Kilometer breiter Sicherheitsstreifen (Ground Security Zone, GSZ) entlang der Grenze zu Kosovo installiert. Serbiens Militär durfte sich nicht innerhalb dieser Zone bewegen und keine schweren Waffen installieren, lediglich leicht bewaffneten Polizeikräften war das Betreten der Zone gestattet. Die Zone umfasste 50 Prozent der albanischen Dörfer von Südserbien. Insbesondere die Bevölkerung jener Ortschaften außerhalb der Zone wurden von Angehörigen der paramilitärischen Formationen, der serbischen Armee und der Spezialeinheiten der Polizei terrorisiert. Obgleich der Kriegszustand im Juni 1999 aufhoben worden war, kam es auch danach zu zahlreichen Übergriffen auf die Bevölkerung.

Polizeicheckpoints wurden in den Dörfern Lucane, Konculj und errichtet, an welchen zahlreiche Personen angehalten und misshandelt wurden. So wurde am 31.7.1999 der Taxifahrer Fetah Fetahu tot aufgefunden. Er war zuvor von der Polizei im Dorf Konculj angehalten worden. Einige Meter davon entfernt wurde seine Leiche entdeckt. Am 26.1.2000 wurden die Brüder Shaip und Isa Saqipi im Dorf von der Spezialpolizei getötet, als sie im Wald Holz fällten. Das Begräbnis der Brüder vier Tage später markierte das erstmalige Erscheinen der UCPMB in der Öffentlichkeit. UCK-Veteranen, teils Angehörige der lokalen albanischen Minderheit, teils Kosovo-Albaner, sammelten sich daraufhin in der Grenzregion, mit dem Ziel ihre Landsleute vor weiteren Übergriffen der Serben zu schützen. Darüber hinaus wurde der Anschluss des Presevo Tals an das Kosovo als Ziel formuliert. Am 12.2.2000 wurde Ejup Hasani von der serbischen Polizei im Zuge einer Hausdurchsuchung in Dorf verhaftet und 200 Meter von seinem Haus entfernt hingerichtet. In den folgenden Monaten fasste die UCPMB in Mazedonien Fuß und nutzte die demilitarisierte Zone, um Angriffe vorzubereiten und Waffen zu schmuggeln. Die UCPMB erfreute sich somit eines de facto-Schutzes, den die NATO durch das Verbot schwerer Waffen im Sicherheitsstreifen bewirkt hatte. Die Gewalt eskalierte in der Region eskalierte. Im Dezember 2000 gründeten die jugoslawische Föderation und die Regierung der serbischen Republik in Belgrad eine gemeinsame Koordinierungsgruppe für die Gemeinden Presevo, Bujanovac und Medvedja. Ziel war es den Konflikt auf friedliche Art und Weise zu beenden. Die albanischen Repräsentanten wurden aufgefordert einen Dialog mit der serbischen Regierung und der jugoslawischen Föderation zur Beilegung des Konflikts zu führen. Die Internationale Gemeinschaft wurde eingeladen im Konflikt zu vermitteln. In der Folge wurde ein Plan ausgearbeitet, der vertrauensbildende Maßnahmen vorsah, um die Situation der Albaner zu verbessern. Der sog. Covic-Plan sah vor, dass Flüchtlinge zurückkehren sollten, zerstörte Häuser repariert, Lokalwahlen abgehalten, eine multiethnische Polizei formiert und die Albaner in die öffentlichen Institutionen wieder integriert werden, von denen sie davor weitgehend ausgeschlossen waren. Die Umsetzung des Covic-Plans sollte von der Koordinierungsgruppe mit dem damaligen stellvertretenden Premierminister Nebosja Covic an der Spitze erfolgen. Unter Vermittlung der NATO, der EU und der OSZE einigten sich die Konfliktparteien auf eine Einstellung der Kämpfe. Am 12.3.2001 wurde zunächst ein Waffenstillstand vereinbart. Im Mai 2001 erlaubte die NATO der serbischen Armee in die Sicherheitszone einzumarschieren. Im Gegenzug für eine Amnestie wurde die UCPMB dazu verpflichtet, einer Demilitarisierung zuzustimmen. Am 4.5.2001 wurde vereinbart zunächst die Dörfer Lucane und zu demilitarisieren. Am 27.6.2001 wurde die Gründung einer multiethnischen Polizei beschlossen, die OSZE verpflichtete sich zur Ausbildung der zu rekrutierenden Polizisten. Insgesamt starben 100 Menschen während der Kampfhandlungen. Zahlreiche Bewohner wurden zur Flucht getrieben. Bis März 2000 flohen über 7000 Personen ins benachbarte Kosovo und nach Mazedonien, insgesamt verließen etwa 15.000 Personen während und nach den NATO- Bombardierungen Südserbien. Nach dem Friedensabkommen kehrte der Grossteil wieder zurück. Nach wie vor leben aber zahlreiche Flüchtlinge als IDPs im Kosovo (vorwiegend Gjilan).

- Ende der Systematischen Repression und Entspannung der Lage

Die Implementierung des Covic-Plans markierte ein Ende der systematischen Diskriminierung der albanischen Bevölkerung. Die in den folgenden Jahren durchgeführten Dezentralisationsmaßnahmen leiteten einen Stabilisierungsprozess ein. Eine Respektierung der Minderheitenrechte nach europäischen Standards wurde aber bislang nicht erreicht. Nach wie vor gibt es eine Reihe von Bereichen, wo weitere Reformen notwendig sind. So etwa in Erziehungswesen, Gesundheitswesen, Beteiligung an staatlichen Institutionen, im Justizbereich, etc. Die Beteiligung der albanischen Bevölkerung an den politischen Strukturen Serbiens auf zentraler Ebene ist unabdingbar zur vollständigen Integration der albanischen Gemeinden in den serbischen Staat. Ende 2005 setzten die Verhandlungen über den endgültigen Status von Kosovo ein. Die politische Elite der ethnisch- albanischen Bevölkerung im Presevotal wollte darin beteiligt werden, da sie ihre Situation mit jener der serbischen Bevölkerung im Norden Kosovos vergleichbar hält. Die internationale Gemeinschaft ist jedoch nicht www.ris.bka.gv.at Seite 6 von 13 Asylgerichtshof 09.03.2009 bereit die Grenzen zwischen Kosovo und Serbien zur Diskussion zu stellen. Die Lage in Südserbien wurde daher nicht in die Verhandlungen einbezogen. Während dieser politisch sehr angeheizten Phase, ereignete sich ein schwerer Zwischenfall an der Grenze. Der 16-jährige Dashim Harullahi wurde von serbischen Soldaten nahe der Grenze erschossen. Die Tötung des Jugendlichen an der Grenze durch serbische Soldaten stellte einen schweren Zwischenfall dar, der kurzfristig zu einer weiteren Anspannung der politischen Situation führte. Eine Eskalation konnte aber durch die bedachte Politik Serbiens und der albanischen Repräsentanten verhindert werden. Die Unabhängigkeitserklärung des Kosovo am 17.2.2008 hatte keine negativen, sondern vielmehr positive Auswirkungen für den Kosovo. Belehrt durch den Kosovokrieg hat die serbische Regierung verstanden, dass sich nur mit Diplomatie und Verhandlung erreichen lässt, was mit Gewalt zerstört wurde, nämlich relativ sichere Grenzen, internationale Unterstützung für diese Grenzen und Frieden in der Region. Ein bewaffneter Konflikt steht im Presevotal nicht in Aussicht, jedoch bilden die desolaten ökonomischen Verhältnisse und die hohe Arbeitslosigkeit besonders unter der albanischen Bevölkerung weiterhin ein Gefährdungspotential. Die Nichtbeteiligung der Albaner an der von Nebosja Covic geleiteten Koordinierungsgruppe trug dazu bei, dass zahlreiche Probleme ungelöst blieben und die Gruppe ihre Tätigkeit im Jahre 2006 gänzlich einstellte. Fehlende Fortschritte stärkten die extremistischen Kräfte auf beiden Seiten. Im August 2007 erfolgte eine Reorganisation der Koordinierungsgruppe, um den albanischen Gemeindevertretungen eine Mitwirkung in diesem Organ zu ermöglichen. Erstmals wurden zwei Albaner in die Gruppe integiert, nämlich Driton Redzepi und Seljami Bektashi. Der nunmehrige Leiter der Gruppe unterhält regelmäßige Kontakte mit den Bürgermeistern der drei Gemeinden in Südserbien. Auf Initiative der Koordinierungsgruppe wurden die Gemeinden Presevo, Bujanovac and Medvedja in die Standing Conference of Towns and Municipalities aufgenommen. Die Standing Conference stimmte nach den Lokalwahlen zu, dass Bujanovac Mitglied des neu gegründeten Kommittees für Regionale Entwicklung wird. Die erste Versammlung dieses Kommittees wird in Bujanovac stattfinden. Die serbische Regierung hat begonnen grössere Investitionen in die Infrastruktur zu tätigen. 310 Mio. Dinar (ca. 3,8 Mio. Euro) stehen zur Verfügung, um Projekte in den drei Gemeinden, während des Jahres 2008 zu kofinanzieren. Bis dato wurden bereits zahlreiche Projekte (Straßenbau, Wasserversorgung, Sanierung von Schulen, etc.) implementiert. Reformen im Gesundheitsbereich sind ebenfalls vorgesehen. Die Integration von Albanern in das südserbische Gesundheitssystem soll voran getrieben werden. In Presevo und Bujanovac gibt es zwei Gesundheitszentren. Die beiden Zentren sind nach wie vor dem Gesundheitszentrum in Vranje administrativ unterstellt, das auch die Direktoren bestimmt. Das Gesundheitszentrum beschäftigt insgesamt 250 Personen, darunter acht albanisch Ärzte, jedoch kein weibliche Gynäkologen. Das Gesundheitszentrum Presevo spiegelt die reale Bevölkerungszusammensetzung nicht wider, von 130 Angestellten sind 86 Albaner und zwei Roma (der albanische Bevölkerungsteil beträgt 90 Prozent). Reformen sind geplant und die Gesundheitszentren sollen in Hinkunft autonomer verwaltet werden. Im Erziehungswesen sind nach wie vor zahlreiche Probleme gegeben. Wie alle anderen alltäglichen Bereiche sind auch die Schulen Gegenstand der Polarisierung zwischen Albanern und Serben. Vor den 1990er-Jahren umfasste der Unterrichtsplan auch albanische Geschichte und Kultur, danach nicht mehr. Ethnozentrische Lehrpläne, aggressiver Inhalt von Schulbüchern und zentralistische Entscheidungsprozesse behinderten auch in den letzten Jahren eine adäquate Unterrichtung in albanischer Sprache. Eine Revision des Unterrichtsmaterials steht noch aus. Möglichkeiten für eine höhere Schulbildung gibt es derzeit nur in Bujanovac, oder in den Städten Gjilan und Pristina im Kosovo gelegen. Eine Hochschulbildung ist nur außerhalb von Serbien, nämlich in Pristina (Kosovo), Tetovo (Mazedonien) oder in Tirana(Albanien) möglich. Die Kosovo-Diplome waren bisher in Serbien nur anerkannt, wenn die Diplome mit einem UNMIK- Stempel versehen waren. Nach der Unabhängigkeitserklärung wird es in Hinkunft zu Schwierigkeiten bei der Annerkennung der Diplome kommen. Albanische Politiker haben seit Jahren darauf gedrängt eine spezielle Kommission zu bilden, um Lehrpläne in albanischer Sprache zu entwickeln. Seit 2008 zeichnet sich eine Annäherung der beiden Seiten in dieser Frage ab. Die Verwendung der albanischen Sprache ist als offizielle Amtssprache in den südserbischen Gemeinden zugelassen. Da die öffentlichen Institutionen, insbesondere alle Führungspositionen von Serben, die Albanisch nicht sprechen, besetzt werden, ist eine Kommunikation in albanischer Sprache oftmals nicht oder nur mit Übersetzer möglich. So sind beispielsweise beim Gericht in Presevo drei der insgesamt sechs Richter mittlerweile albanischer Herkunft. Das gesamte administrative Personal setzt sich jedoch ausschließlich aus Serben zusammen. Verfahren müssen daher weiterhin in serbischer Sprache durchgeführt werden. Reformen sind auch in diesem Bereich geplant. Ende April 2008 wurde eine "Coordination Body Strategy for 2008-2010" formuliert. In Konsultation mit Gemeindevertretern, politischen Parteien, NGOs und Internationalen Organisationen wurde eine Strategie entwickelt, die folgende Ziele verfolgt, Zitat:"The goal of the Coordination Body is to contribute to a sustainable development of this region in partnership with other ministries of the Government of , international organizations and foreign governments. The Coordination Body strives to strengthen the capacities of local governments and the civil society, so that they would be able to take care of their development themselves, without relying on the one-off assistance, which does not improve the situation over a long period of time, is not sustainable, and contributes to a lasting poverty of these municipalities."

In mehreren Sitzungen wurde die Situation seit 2001 analysiert und Lösungsvorschläge für die zahlreichen Probleme unterbreitet. Die Strategie enthält spezifische Aktionspläne. Seit Anfang 2008 sind positive Schritte gesetzt worden, es bleibt abzuwarten, ob die, in bestimmten Bereichen, immer noch vorherrschende

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Diskriminierung (Erziehungswesen, Gesundheitswesen, politische Partizipation in zentralen serbischen Strukturen, etc) der Albaner in naher Zukunft vollständig beseitigt wird.

1.2.3. Zur Sicherheitslage im Presevotal, zu den dort eingesetzten Sicherheitskräften sowie zum Risiko, dem Angehörige der albanischen Volksgruppe ausgesetzt sind, im Presevotal von Angehörigen der serbischen Polizei- oder Militärkräfte misshandelt zu werden:

Die Sicherheitslage in Presevo ist gegenwärtig stabil. Folgende drei Institutionen obliegt die Gewährleistung der Sicherheit:

- Regionalpolizei in Vranje

Am 27.6.2001 wurde die Gründung einer multhiethnischen Polizei vereinbart. Die "Accepted Principles for the Multi-Ethnic Police Element in the Municipalities of Pre¿evo, Medveda and Bujanovac"' wurden vom serbischen Innenminister Dusan Mihajlovic; dem Bürgermeister von Pre¿evo, Riza Halimi und dem Präsidenten der Koordinierungsgruppe Nebojsa Covic, unterzeichnet. Der Leiter der OSZE-Mission in Jugoslawien, Stefano Sanino, unterzeichnete das Abkommen als Garant und verpflichtete damit die OSZE, die Ausbildung der Polizisten zu unterstützen und zu beaufsichtigen. Konkret bedeutete dies, dass die serbische Regierung verpflichtet wurde, Albaner in die gewöhnlichen, dem regionalen Hauptquartier in Vranje unterstellten Polizeieinheiten wieder zu integrieren. Seit 1989 waren die Albaner aus allen Institutionen verdrängt worden. Die Eingliederung in die Polizei sollte ein Gefühl der Sicherheit unter der albanischen Bevölkerung entstehen lassen. Die Ausbildung erfolgte in drei Phasen. Die erste dauerte vom 21.5. bis 9.6.2001 und umfasste Personen, die in den Jahren 1989/1990, aus dem Polizeidienst entlassen worden waren. Die erste Einheit trat ihren Dienst am 28.5.2001 an. Die zweite Phase umfasste 28 Reservisten der Spezialpolizei. Die dritte Phase umfasste 400 im Alter zwischen 20 und 27 Jahren, ohne jegliche Polizeiausbildung. Vom 6.8.2001 bis 15.7.2002 wurden vier Gruppen ausgebildet, davon 253 Albaner, 128 Serben, und drei Montenegriner. In die Einheiten sind 29 serbische und albanische Frauen eingebunden. Die multiethnische Polizei, die ausschließlich im Presevotal Dienst verrichtet, zählt heute insgesamt 430 Mitglieder. Die multiethnische Polizeieinheit ist als erster Ansatz zu werten, vertrauensbildende Maßnahmen zu setzten. Wesentliche Sicherheitsfragen werden weiterhin von der Gendarmerie und den Polizisten in der Polizeizentrale in Vranje wahrgenommen, es ist geplant dass diese Einheit in Hinkunft mehr Kompetenzen übernimmt.

- Gendarmerie

Die Gendarmerie sind Spezialkräfte des serbischen Innenministeriums (MUP). Sie sind besser trainiert und besser ausgerüstet als die Armee. Der Gendarmarie werden die gravierendsten Menschenrechtsverstöße zugeschrieben. Auch nach dem Friedensabkommen vom Mai 2001 setzte die Gendarmerie ihre menschenverachtende Vorgehensweise fort und sorgte für ein Gefühl der Unsicherheit unter der albanischen Bevölkerung. Im folgenden einige Fälle von Übergriffen durch die Gendarmerie: Am 15.6..2001 wurden 15 Bewohner des Dorfes Konculj von der Gendarmerie misshandelt. Am 1.7.2001 wurde im Dorf Lucane der jugendliche Elhan Behluli von der Polizei mit dem Dienstauto niedergefahren. Er erlitt schwere Verletzungen. ?Zwischen dem 5. und 9.6.2001 schikanierte und malträtierte die Gendarmerie etliche Albaner der Umgebung, als diese den Polizeicheckpoint nahe des Dorfes Trnava passieren wollten. ?Am 17. and 18.11.2001 wurde Nehat Emini aus dem Dorf während einer Hausdurchsuchung von der Gendarmerie misshandelt. Ihm wurde vorgeworfen, bei der UCPMB gewesen zu sein. Aus Furcht vor weiteren Repressalien verließ der Albaner das Dorf und kam vorübergehend bei Verwandten in der Stadt unter. ?Am 14.3.2002 wurden im Dorf , Schüsse auf eine Gruppe von Schulkindern, welche sich im Hof der Grundschule befanden, von dem nahegelegen Polizeiposten abgefeuert. Die Kinder wurden schockiert blieben aber unverletzt. ?Am 26.10.2002 wurden die ethnischen Albaner Ekrem Sulejmani, Bejtula Musahu und dessen Sohn Avni auf dem Weg zum Dorf Strezovce von der Gendarmerie angehalten und misshandelt. Am 28.10.2001 brachte das Komitee für Menschenrechte in Bujanovac eine Beschwerde bei der Koordinierungsgruppe wegen Übergriffen durch die Gendarmerie in diesem und weiter Fällen, ein. Die Koordinierungsgruppe ordnete eine Untersuchung der Vorfälle an. Im letztgenannten wurden Disziplinarmassnahmen gegen die Polizisten verhängt. ?Am 20.6.2001 wurden Lokman Dalipi, Visar Beluli und Afrim Azizi aus dem Dorf , Gemeinde Bujanovac, von der Polizeistation von Biljaca zu "informativen Gesprächen" vorgeladen. Der Stationskommandant, Stanko Todorovic, steht im Verdacht im Jahre 1999, 13 albanianische Zivilisten im Dorf Letovice brutal misshandelt, zu haben. Die EU-Beobachter (EUMM) wurden um Intervention gebeten. Todorovic, der nach ehemaligen UCPMB-Mitgliedern ermittelte, wurde aufgefordert, solche Befragungen zu unterlassen und jegliche Ermittlungen einzustellen. ?Zahlreiche Personen wurden schikaniert, wenn sie um Pässe ansuchten. Das Menschenrechtskomitee von Bujanovac dokumentierte alle Fälle von Übergriffen durch die Gendarmerie und Armee. Am 21.12.2000 wurde der Koordinierungsgruppe erstmals ein umfassender Bericht vorgelegt. Die Koordinierungsgruppe leitete Untersuchungen der Vorfälle ein. Nur in einzelnen Fällen wurde das Ergebnis der Untersuchung mitgeteilt. In der Regel wurde das Verhalten der Polizei und Armee gerechtfertigt. In die www.ris.bka.gv.at Seite 8 von 13 Asylgerichtshof 09.03.2009

Gendarmerie waren etwa 80 Mitglieder der Staatssicherheitseinheit für spezielle Operationen (Red Berets) integriert. Diese Einheit wurde bereits aufgelöst, da ihr eine Beteiligung an der Ermordung von Premier Djindjic nachgewiesen werden konnte. Die Koordinationsgruppe bestreitet, dass heute noch Mitglieder der Red Berets oder anderer paramilitärischer Einheiten, die während des Kosovo-Kriegs Menschenrechtsverletzungen begangen haben, Teil der Armee, Polizei oder Gendarmerie sind. Die albanische Seite zweifelt diese Feststellung weiterhin an. Die albanische Bevölkerung wünscht eine Reduktion der Zahl der Armee und Spezialpolizeieinheiten zugunsten einer größeren multiethnischen Polizei. Die lokalen Serben hingegen betrachten die Gendarmerie und Armee als Schutz gegenüber "terroristischer Bedrohung". Bis Mitte 2002 wurden insgesamt 120 Vorfälle zur Anzeige gebracht. Seit der zweiten Hälfte des Jahres 2002 wiesen die Zahl der Meldungen über Misshandlungen und Folterungen durch die Polizei eine rückläufige Tendenz auf. Seit Anfang 2003 entspannte sich die Situation in Presevo und sind keine weiteren Vorfälle von Übergriffen durch die Gendarmerie mehr gemeldet worden.

- Serbische Armee

Der serbischen Armee obliegt die Grenzsicherung. Seit dem Rückzug aus dem Kosovo wurde die serbische Armee entlang der Grenze zu Mazedonien in Presevo konzentriert. In der serbischen Armee verrichten insgesamt 27.000 Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten ihren Dienst. Die genaue Anzahl der in Südserbien stationierten Truppen ist nicht bekannt. Seit dem Jahre 2005 wurde die Präsenz in der Region zunehmend verstärkt. Dahinter stand die Angst vor Auswirkungen der Verhandlungen über den Kosovo-Status und die Notwendigkeit, die Armee zu restrukturieren, um NATO-Standards zu entsprechen. Bis 2010 soll die serbische Armee in ein Berufsheer umgewandelt werden und dann aus einer Stärke von ca. 21.000 Mann bestehen. Bis dahin werden alle Rekruten durch professionelle Soldaten ersetzt. Die bisherigen Umstrukturierungen führten zu einer Auflösung des Pristina-Corps (frühere 3. Armee), da diese seit dem Abzug aus dem Kosovo im Juni 1999 ihre territoriale Zone, für die es zuständig war, verloren hatte. Das Nis- und das frühere Pristina-Korps gingen im Rahmen einer Reorganisation in ein neues gemeinsames Kommando der Streitkräfte auf. Besonders kontrovers ist der Bau der Militärbasis "Cepotin", fünf Kilometer von der Stadt Bujanovac entfernt und zwischen Bujanovac und Presevo gelegen. Der Bau der Basis begann im Jahre 2003, fehlende finanzielle Mittel führten im Jahre 2005 zunächst zu einer Unterbrechung der Bauarbeiten. Bis Ende 2005 waren 410 Mio. Dinar investiert worden, eine Billion Dinar sind zusätzlich notwendig, um den Bau fertig zu stellen. Die Basis "Cepotin" wird sich auf einem Areal von 38 ha erstrecken. Der serbische Verteidigungsminister, Dragan Sutanovac, erklärte die Fertigstellung der Basis als Priorität für 2008. Im März wurde mit weiteren Bauarbeiten begonnen und soll das Projekt bis Ende 2008 fertig gestellt werden. Die Geldmittel stammen aus dem Fond des National Investment Plan (NIP). Durch den Bau der Basis wird Belgrad in Südserbien seine militärische Präsenz langfristig stärken. Die örtliche Bevölkerung ist geteilt in der Frage, ob die Ankunft einer neuen militärischen Truppe in der Region eine Provokation (albanische Sicht) oder willkommen (serbische Sicht) ist. In der serbischen Armee sind noch immer Offiziere tätig, die in Kosovo-Krieg kämpften und weiterhin einen starken Hass gegen Albaner hegen. Die serbische Bevölkerung hingegen nimmt die Existenz der neuen Basis als

Signal dafür, dass es in der Region für die Serben eine Zukunft gibt und betrachtet sie als stabilisierenden Faktor für die eigene Sicherheit. Während bis Ende 2002 über Übergriffe durch die serbische Armee berichtet wurde, entspannte sich die Lage bis Ende 2004. Anfang 2005 kam es erneut zu einem schweren Zwischenfall. Der jugendliche Dashim Hajrullahi, wurde nahe der Grenze von der serbischen Armee erschossen, nachdem er diese zuvor illegal überquert hatte. Seit diesem Zwischenfall liegen keine Berichte über Übergriffe an Albanern durch die serbische Armee vor. Zusammenfassen ist fest zu halten, dass eine systematische Diskriminierung der Albaner in Presevo seit dem Jahre 2003 nicht mehr gegeben ist. Grund dafür ist, dass die serbische Regierung eine moderatere und kompromissbereitere Haltung eingenommen hat und auf eine Deeskalation der Situation bedacht ist. Die Regierung konzentriert sich nunmehr darauf einen wirtschaftlichen Fortschritt in der Gemeinde voran zu treiben. Im Jahre 2003 wurden erstmals insgesamt sieben Mio. Dinar in die Region investiert. Weitere Investitionen wurden in den Jahren danach getätigt. Seit Anfang 2008 konzentriert sich die serbische Regierung auf dem Ausbau der Infrastruktur in der Region. Eine Misshandlung von Angehörigen von ethnischen Albanern aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit ist daher unter den derzeit vorherrschenden Bedingungen in Südserbien nicht als wahrscheinlich zu werten.

2. Zur Beweiswürdigung ist festzuhalten:

2.1. Zu den Feststellungen des angefochtenen Bescheides, auf die unter Punkt 1.1. verwiesen wurde, ist festzuhalten, dass das Bundesasylamt diesbezüglich ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in die Begründung des angefochtenen Bescheid die Ergebnisse dieses Verfahrens und die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Verfügungen klar und übersichtlich zusammengefasst. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Volksgruppenzugehörigkeit, Herkunftsregion und zum Religionsbekenntnis des Beschwerdeführers stützen sich auf dessen glaubwürdige Angaben, jene zur Lage in Serbien ergeben sich aus Berichten angesehener staatlicher und nichtstaatlicher Quellen. Weder in seiner Stellungnahme vom 9.11.2008 www.ris.bka.gv.at Seite 9 von 13 Asylgerichtshof 09.03.2009 noch in der Beschwerde hat der Beschwerdeführer Umstände aufgezeigt, die an der Richtigkeit der vorgenommenen Einschätzung der Lage im Herkunftsstaat zweifeln ließen.

2.2. Die unter Punkt 1.2. getroffenen Feststellungen stützen sich auf jene Ausführungen, die Dr. XXXXin dem bereits im Verfahrensgang erwähnten Gutachten vom Juli 2008 als Sachverständige im hg. Verfahren GZ 312.453 erstattet und die das Bundesasylamt dem Beschwerdeführer am 30.10.2008 zur Stellungnahme übermittelt hat (vgl. oben Punkt I.6.). Auch in diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass weder das in der genannten Stellungnahme noch das in der Beschwerde Ausgeführte Zweifel darüber aufkommen ließen, dass Dr. XXXX die Einhaltung der Amnestiegesetzgebung oder die Situation im Presevotal unzutreffend beurteilt hätte. Sofern die Beschwerde ausführt, es könne insofern nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer auf Grund seiner Mitgliedschaft bei der UCPMB Verfolgung zur befürchten habe, als im Dezember 2008 zehn vermeintliche ehemalige Mitglieder der albanischen Befreiungsarmee UCK aufgrund des Verdachtes, Kriegsverbrechen in der Region Gnjilan (Kosovo) begangen zu haben, festgenommen worden seien, spricht dies schon deshalb nicht gegen eine Einhaltung der Amnestie, als sich diese nur auf Straftaten bezieht, die auf dem Gebiet der Gemeinden Presevo, Bujanovac und Medvedja begangen wurden (vgl. Art. 1 des Gesetzblattes der Bundesrepublik Jugoslawien Nr. 37/02).

2. Rechtlich folgt:

2.1.1. Gemäß § 75 Abs. 1 Asylgesetz 2005 sind "[A]lle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren [...] nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt."

Gemäß § 44 Abs. 1 Asylgesetz 1997 idF der AsylG-Novelle 2003 sind Verfahren über Asylanträge, die bis zum 30.4.2004 gestellt worden sind, (abgesehen von einzelnen Bestimmungen, darunter § 8, in denen die Novellenfassung anzuwenden ist) nach dem Asylgesetz 1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 zu führen.

Der Beschwerdeführer hat seinen Asylantrag am 3.1.2002 gestellt; das Verfahren war am 31.12.2005 anhängig und ist daher nach dem Asylgesetz 1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 (mit der genannten Maßgabe) zu führen.

2.1.2. Gemäß § 23 Abs. 1 Asylgerichtshofgesetz (Art. 1 Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz BGBl. I Nr. 4/2008 idF BGBl. I Nr. 147/2008, in der Folge: AsylGHG) ist auf Verfahren vor dem Asylgerichtshof grundsätzlich das AVG mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt. Gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 23 Abs. 1 AsylGHG hat der Asylgerichtshof, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden.

Die Zuständigkeit des Asylgerichtshofes stützt sich auf § 38 Asylgesetz 1997. Diese Bestimmung spricht zwar vom "unabhängigen Bundesasylsenat" und ist durch das AsylGH-EinrichtungsG nicht geändert worden; auch die Übergangsbestimmungen des Asylgesetzes 2005 ergeben insoweit nichts. Da jedoch gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 1 B-VG der unabhängige Bundesasylsenat am 1.7.2008 zum Asylgerichtshof geworden ist und dieser gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 4 B-VG die am 1.7.2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängigen Verfahren weiterzuführen hat, ist davon auszugehen, dass sich § 38 Asylgesetz 1997 nunmehr auf den Asylgerichtshof bezieht. Ebenso ist davon auszugehen, dass sich jene Bestimmungen des Asylgesetz 1997, die von "Berufungen" sprechen, nunmehr auf Beschwerden beziehen (vgl. dazu AsylGH 12.8.2008, C5 251.212-0/2008/11E).

2.1.3. Gemäß § 41 Abs. 7 Asylgesetz 2005 hat der Asylgerichtshof § 67d AVG mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Diese Bestimmung ist auch in Verfahren, die nach dem Asylgesetz 1997 zu führen sind, anzuwenden (vgl. dazu ebenfalls AsylGH 12.8.2008, C5 251.212-0/2008/11E).

2.1.1. Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt. Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Zentraler Aspekt der dem § 7 AsylG zugrundeliegenden, in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung (vgl. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334). Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sei, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Unter Verfolgung ist ein www.ris.bka.gv.at Seite 10 von 13 Asylgerichtshof 09.03.2009 ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen (vgl. VwGH 21.9.2000, 2000/20/0241; VwGH 14.11.1999, 99/01/0280). Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 19.4.2001, 99/20/0273; VwGH 22.12.1999, 99/01/0334). Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, 98/20/0233; VwGH 9.3.1999, 98/01/0318). Gemäß Art. 1 C Z 5 GFK fällt eine Person nicht mehr unter die Konvention, wenn sie nach Wegfall der Umstände, aufgrund derer sie als Flüchtling anerkannt worden ist, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Staates in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt.

2.1.2. Es kann dahin gestellt bleiben, ob das Fluchtvorbringen den Tatsachen entspricht (wogegen nicht nur die bereits vom Bundesasylamt aufgezeigten [vgl. Punkt 1.8] und in der Beschwerde nicht aufgeklärten Widersprüche im Vorbringen des Beschwerdeführers sprechen, sondern auch, dass er bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 29.10.2008 angab, bei keiner Partei gewesen zu sein und nur "einfacher Teilnehmer" an den Demonstrationen gewesen sei, während er bei seiner Befragung am 21.2.2002 noch angegeben hatte, sich der PVD angeschlossen zu haben, die die Demonstrationen organisiert habe). Denn aufgrund der dargestellten Amnestiegesetzgebung kann nicht davon ausgegangen werden, dass dem Beschwerdeführer auch bei hypothetischer Zugrundelegung des Fluchtvorbringens nach einer Rückkehr nach Serbien Verfolgung drohe. Dass der Beschwerdeführer befürchten müsste, in Serbien wegen seiner Teilnahme an Demonstrationen im Jahr 1999 bestraft zu werden, ist nicht anzunehmen; denn es ist nicht davon auszugehen, dass zwar bewaffnete Aktionen mit dem Ziel, Gebiete von Serbien (bzw. der Bundesrepublik Jugoslawien) abzutrennen, auch in der Praxis amnestiert wurden, nicht aber die Teilnahme an friedlicheren Handlungen wie Demonstrationen, die den gleichen Zweck verfolgten. Dass dem Beschwerdeführer aber anderes als die Teilnahme an Demonstrationen für die Erklärung der Unabhängigkeit des Presevotals von Serbien vorgeworfen würde (etwa die Beschädigung fremden Eigentums im Zuge von Ausschreitungen) kann seinem Vorbringen nicht entnommen werden (vgl. dazu insbesondere die Ausführungen in der Beschwerde). Schließlich kann aufgrund der getroffenen Feststellungen weder gesagt werden, dass der Beschwerdeführer bereits aufgrund seiner Zugehörigkeit zur albanischen Volksgruppe in Serbien Verfolgung befürchten müsste noch dass dies in Hinblick auf eine allfällige Mitgliedschaft in der vom ihm genannten Partei (die "PVD" und die unter Punkt 1.6. erwähnte "PDD", der Riza Halimi vorsitzt, sind ein und die selbe Partei [vgl. Ulf Brunnerbauer, Die vergessenen Albaner Serbiens, 3]).

2.2.1. Ist ein Asylantrag abzuweisen, so hat die Behörde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat nach § 57 Fremdengesetz 1997, BGBl. I Nr. 75/1997 (FrG), zulässig ist; diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden.

§ 8 Abs. 1 AsylG verweist auf § 57 Fremdengesetz; BGBl. I Nr. 75/1997 (FrG), wonach die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig ist, wenn dadurch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der der Todesstrafe verletzt würde.

Überdies ist gemäß § 57 Abs. 2 FrG die Zurückweisung oder die Zurückschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. 78/1974).

Der Prüfungsrahmen des § 57 FrG ist jedoch durch § 8 Abs. 1 AsylG auf den Herkunftsstaat des Fremden beschränkt.

Gemäß Art. 5 § 1 des Fremdenrechtspakets BGBl. I 100/2005 ist das FrG mit Ablauf des 31.12.2005 außer Kraft getreten; am 1.1.2006 ist gemäß § 126 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (Art. 3 BG BGBl. I 100/2005; in der Folge: FPG) das FPG in Kraft getreten. Gemäß § 124 Abs. 2 FPG treten, soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen des FrG verwiesen wird, an deren Stelle die entsprechenden Bestimmungen des FPG. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass das jeweilige andere Bundesgesetz nunmehr auf die entsprechenden Bestimmungen des FPG verweist. Demnach wäre die Verweisung des § 8 Abs. 1 AsylG auf § 57 FrG nunmehr auf die "entsprechende Bestimmung" des FPG zu beziehen, di. § 50 FPG. Ob dies wirklich der Absicht des Gesetzgebers entspricht - da doch Asylverfahren, die am 31.12.2005 bereits anhängig waren, nach dem AsylG www.ris.bka.gv.at Seite 11 von 13 Asylgerichtshof 09.03.2009

1997 weiterzuführen sind - braucht nicht weiter untersucht zu werden, da sich die Regelungsgehalte beider Vorschriften (§ 57 FrG und § 50 FPG) nicht in einer Weise unterscheiden, die für den vorliegenden Fall von Bedeutung wäre und da sich die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die sich - unmittelbar oder mittelbar - auf § 57 FrG bezieht, insoweit auch auf § 50 FPG übertragen ließe. Angemerkt sei jedoch, dass ein Verweis des § 8 Abs. 1 AsylG auf § 50 FPG nicht etwa jene Rechtslage herstellte, die dem Asylgesetz 2005 entspricht; § 8 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (der inhaltlich dem § 8 Abs. 1 AsylG entspricht) verweist nämlich nicht auf § 50 FPG, sondern regelt den subsidiären Rechtsschutz etwas anders als § 8 Abs. 1 AsylG, er zählt auch die maßgeblichen Bedrohungen selbst auf, und zwar in einer Weise, die nicht wörtlich dem § 50 FPG entspricht (vgl. dazu den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 13.2.2006, Zl. 252.076/0-X/47/04).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (für viele: VwGH 26.6.1997, 95/18/1291; 17.7.1997, 97/18/0336). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.9.1993, 93/18/0214). Bei der Beurteilung des Vorliegens einer Gefährdung im Sinn des § 57 Abs. 1 und 2 FrG ist die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Antragstellers in diesen Staat zu beurteilen. Für diese Beurteilung ist nicht unmaßgeblich, ob etwa allenfalls gehäufte Verstöße der in § 57 Abs. 1 FrG umschriebenen Art durch den genannten Staat bekannt geworden sind (vgl. VwGH 25.1.2001, 2001/20/0011).

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten (oder anderer in § 8 Abs. 1 AsylG erwähnter) Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwSlg. 15.437 A/2000; VwGH 25.11.1999, 99/20/0465; 8.6.2000, 99/20/0203; 8.6.2000, 99/20/0586; 21.9.2000, 99/20/0373; 25.1.2001, 2000/20/0367; 25.1.2001, 2000/20/0438; 25.1.2001, 2000/20/0480; 21.6.2001, 99/20/0460; 16.4.2002, 2000/20/0131; vgl. dazu überdies EUGH 17.2.2009, Elgafaji, C-465/07, Slg. 2009, I-0000, Randnr. 45, wonach eine Bedrohung iSd Art. 15 lit. c der Richtline 2004/83/EG des Rates vom 29.4.2004 [StatusRL] auch dann vorliegt, wenn der einen bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls in die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat (unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG, dies ist nun auf § 8 Abs. 1 AsylG zu übertragen) als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.2.2001, 98/21/0427; 20.6.2002, 2002/18/0028).

2.2.2. Zur Refoulement-Entscheidung ist Folgendes festzuhalten: Wie bereits oben ausgeführt, bestehen keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass das Leben oder die Freiheit des Beschwerdeführers aus Gründen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten bedroht wäre; daher liegt kein Fall des § 57 Abs. 2 FrG vor. Zu prüfen bleibt, ob es begründete Anhaltspunkte dafür gibt, dass durch die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat Art. 2 oder 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur EMRK verletzt würde. Dazu ist zunächst festzuhalten, dass - wie oben unter Punkt. 2.1.2. ausgeführt - nicht angenommen werden kann, dass der Beschwerdeführer in Serbien befürchten müsste, Übergriffen ausgesetzt zu sein. Auch besteht in Serbien (wie sich aus den Feststellungen ergibt) nicht eine solch extreme Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne der Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre; ebenso wenig liegt eine Bedrohungssituation iSd Art. 15 lit. c StatusRL vor (vgl. dazu das bereits zitierte Urteil des EUGH vom 17.2.2009, Elgafaji, C-465/07, Slg. 2009, I-0000, Randnr. 41, wonach es Sache der Gerichte der Mitgliedsstaaten ist, sich um eine Auslegung des nationalen Rechts zu bemühen, die in Einklang mit der genannten Richtlinie steht). Auch kann nicht gesagt werden, dass der Beschwerdeführer in Serbien in seiner Lebensgrundlage gefährdet wäre: Zum einen ist sein Vorbringen zu den Gründen, weshalb er nicht im Elternhaus leben könne, widersprüchlich (hatte er beim Bundesasylamt noch vorgebracht, das Haus stehe nach einem Einbruch nun leer, heißt es in der Beschwerde, es sei im Krieg zerstört worden) und die (erstmals in der Beschwerde aufgestellte) Behauptung, seine Familie verfüge nicht mehr über jene Landwirtschaft, zu der er noch bei seiner Einvernahme am 29.10.2008 angegeben hatte, sie sei nicht geteilt worden, unglaubwürdig. Zum anderen würde sich auch bei hypothetischer Zugrundelegung dieser Behauptungen am Ergebnis nichts ändern, da in der Beschwerde weder dem Argument des Bundesasylamtes entgegengetreten wurde, dass der www.ris.bka.gv.at Seite 12 von 13 Asylgerichtshof 09.03.2009

Beschwerdeführer in Serbien über seinen Schwager und 40 weitere Familienangehörige verfüge und mit der Unterstützung von Verwandten rechnen könne, noch jenem, dass er notfalls von humanitären Organisationen unterstützt werden könnte. Überdies ergibt sich aus den Feststellungen, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen staatliche Sozialhilfe bezogen werden kann. Abschließend ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach sich aus schlechten Lebensbedingungen keine Gefährdung bzw. Bedrohung im Sinne des § 57 FrG ergibt (vgl. etwa VwGH 30.1.2001, 2001/01/0021).

3. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 7 Asylgesetz 2005 unterbleiben.

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