Gericht Entscheidungsdatum Geschäftszahl Spruch Text
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09.03.2009 Gericht Asylgerichtshof Entscheidungsdatum 09.03.2009 Geschäftszahl B4 228095-2/2009 Spruch B4 228.095-2/2009/2E IM NAMEN DER REPUBLIK Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Florian NEWALD als Vorsitzenden und die Richterin Mag. Karin WINTER als Beisitzerin über die Beschwerde des XXXX, serbischer Staatsangehöriger, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 27.1.2009, Zl. 02 00.393-BAL, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt: Die Beschwerde wird gemäß § 7 Asylgesetz 1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 und § 8 Abs. 1 Asylgesetz 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 (AsylG) abgewiesen. Text E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e : I. Verfahrensgang: 1. Der Beschwerdeführer ist serbischer Staatangehöriger albanischer Volksgruppen-zugehörigkeit und muslimischen Glaubens und stammt aus dem in der südserbischen Gemeinde XXXX gelegenen Ort XXXX. Er reiste am 3.1.2002 unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich ein und begehrte am selben Tag die Gewährung von Asyl. 2. Am 21.2.2002 beim Bundesasylamt zu seinen Fluchtgründen einvernommen, gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen Folgendes an: Er habe sich der PVD angeschlossen, einer Partei, die eigene Schulen und mehr Arbeitsplätze für die Albaner anstrebe. In seinem Dorf habe die Partei ca. 100 Mitglieder, ihr Anführer heiße XXXX. Die Albaner hätten keine Rechte, daher habe die Partei zwei Mal monatlich Demonstrationen organisiert, bei denen die Polizei - aufgrund von Ausschreitungen - eingegriffen und die Demonstranten geschlagen habe. Er habe immer weglaufen können. Am XXXX sei er in XXXX auf der Polizeistation für 24 Stunden angehalten und geschlagen worden. Man habe ihm die Mitgliedschaft zur PVD und die Teilnahme an Demonstrationen vorgeworfen. Weiters sei ihm vorgeworfen worden, Mitglied der UCPMB zu sein. Es sei ihm gesagt worden, dass er bei den Demonstrationen fotografiert worden sei und dass die Polizei eine Liste der Mitglieder der UCPMB habe. Von August bis September 2002 sei er tatsächlich Mitglied der UCPMB gewesen und habe mit einem automatischen Gewehr gekämpft. Er sei desertiert, als er gesehen habe, dass die Serben zu stark waren. Das alles habe er bei der Polizei angegeben. Nach 24 Stunden sei er freigelassen worden; dabei sei ihm mitgeteilt worden, dass er noch eine Ladung fürs Gericht erhalten werde. Zwei Wochen später habe er eine Ladung zum Bezirksgericht in XXXX für den XXXX erhalten; er sei aber nicht bei Gericht erschienen, sondern ausgereist. Er müsse mit einer Haftstrafe von mindestens zwei Jahren rechnen. Zwischen den serbischen Behörden und der KFOR habe es zwar ein Abkommen für die Albaner gegeben, doch werde dies nicht in die Tat umgesetzt. Zu einer innerstaatlichen Fluchtalternative im Kosovo befragt, gab der Beschwerdeführer an, dass er dort "niemanden und nichts" habe. Außerdem hätte er dort Angst, weil manche Leute für die serbische Geheimpolizei arbeiten würden; die KFOR kontrolliere die Grenze nicht ausreichend. www.ris.bka.gv.at Seite 1 von 13 Asylgerichtshof 09.03.2009 3. Mit Bescheid vom 28.3.2002, Zl. 02 00.393-BAT, wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführer gemäß § 7 Asylgesetz 1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 ab und erklärte gemäß § 8 leg. cit. Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers "in die BR Jugoslawien, Provinz Kosovo" für zulässig. Die Abweisung des Asylantrages begründete das Bundesasylamt damit, dass dem Beschwerdeführer im Kosovo, über den "die serbisch-jugoslawische Regierung" de facto die Kontrolle verloren habe, eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung stehe. 4. In Erledigung der dagegen erhobenen - seit 1.7.2008 als Beschwerde zu wertenden - Berufung hob der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 28.8.2008, GZ B4 228.095-0/2008/2E, den dargestellten Bescheid des Bundesasylamtes auf und verwies die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurück. Begründend wies der Asylgerichtshof darauf hin, dass für Personen mit (ehemaliger) jugoslawischer Staatsangehörigkeit, die wie der Beschwerdeführer nicht aus dem Kosovo stammten, das Gebiet des Kosovo - ausgehend vom Konzept zweier Herkunftsstaaten (und zwar dem Kosovo einerseits und der Bundesrepublik Jugoslawien, jetzt Serbien, ohne den Kosovo andererseits), welches der Verwaltungsgerichtshof seit Errichtung der UN-Verwaltung im Kosovo verfolge - nicht als Teil ihres "Herkunftsstaates" in Betracht zu ziehen sei bzw. dass dies schon vor der Unabhängigkeit des Kosovo nicht der Fall gewesen sei. Aus diesem Grund scheide für den Beschwerdeführer eine innerstaatliche Fluchtalternative im Kosovo bereits aus rechtlichen Gründen aus. Daher habe es das Bundesasylamt unterlassen, sich mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers, insbesondere wegen seiner - zum Teil früheren - Mitgliedschaften bei der UCPMB bzw. der PVD in Serbien Verfolgung befürchten zu müssen, hinreichend auseinanderzusetzen; es habe keine ausreichenden Ermittlungen zur Situation der albanischen Minderheit in Serbien im Allgemeinen sowie zu Mitglieder der PVD bzw. ehemaliger UCPMB-Mitglieder im Besondern nach der Verhandlungslösung zwischen der serbischen Regierung und der UCPMB vom Mai 2001 angestellt. 5. Im fortgesetzten Verfahren vor dem Bundesasylamt wurde der Beschwerdeführer am 29.10.2008 abermals einvernommen. Die ihm eingangs gestellte Frage, ob er gesundheitliche Probleme habe, verneinte er. Er sei in XXXX geboren und dort in seinem Elternhaus aufgewachsen. Nach der Grundschule habe er in der elterlichen Landwirtschaft gearbeitet. Berufsausbildung habe er keine. Von 1986 bis 1987 habe er seinen Militärdienst in Slowenien abgeleistet. Sein Vater sei 1992 gestorben, seine Mutter 2001. Nach seiner Heirat habe er gelegentlich auch im Baugewerbe gearbeitet. Sein Bruder habe im Kosovo sein eigenes Haus, da er im Ausland arbeite. Das Elternhaus sei sehr alt und stehe nun leer. Der Grund von ca. 4000 Quadratmetern sei nicht geteilt worden. An in Serbien lebenden Familienmitgliedern habe er nur eine Schwester, die in XXXX wohne und mit der er telefonisch Kontakt habe. Zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen Folgendes an: Im Jahr 1999 habe er an Demonstrationen teilgenommen, wo verlangt worden sei, dass es Schulzugang in der eigenen Sprache gäbe. Einer Partei habe der Beschwerdeführer nicht angehört; er sei nur ein einfacher Teilnehmer gewesen. Die Demonstranten seien nicht gewalttätig gewesen. Eine halbe Stunde seien die Demonstrationen erlaubt gewesen, dann habe die Polizei die Demonstranten auseinander getrieben. Zu Gewaltakten sei es nicht gekommen. Der Beschwerdeführer habe eine Ladung bekommen, da er an der Demonstration teilgenommen habe. Dies sei ein Straftatbestand. Am XXXX sei er von der Polizei von seinem Elternhaus abgeholt worden und auf die Polizeistation gebracht worden. Dort habe man ihm Fotos gezeigt und er habe zugegeben, dass er an den Demonstrationen teilgenommen habe. Die Polizei habe dies bei dem Gericht angezeigt und er habe dann zum Gericht gehen müssen. Auch habe ihm die Polizei vorgeworfen, dass er bei der UCPMB gewesen sei; auch dies habe er dann gestanden. Er sei von Jänner 2001 bis zum XXXX bei der UCPMB gewesen; dann hätten sie die Waffen der KFOR abgegeben. Das habe er auch bei der Polizei gesagt. Der Beschwerdeführer sei unter Druck gesetzt worden, dass er das sage. Es sei ein Protokoll aufgenommen und ihm sei gesagt worden, dass der Strafrahmen sechs Monate bis drei Jahre betrage. Danach sei er freigelassen worden, wobei ihm gesagt worden sei, dass sich das Gericht bei ihm melden werde. Drei Wochen später sei die Ladung vom Gericht gekommen, er sei dieser aber nicht nachgekommen, sondern in den Kosovo geflohen, wo sein Onkel lebe. Er sei dort ein Monat geblieben und dann nach Österreich gereist. Zu seiner Tätigkeit bei der UCPMB befragt, gab der Beschwerdeführer an, er sei ein normaler Soldat gewesen und habe ein automatisches Gewehr gehabt. Befragt, ob er in seinem Herkunftsland vorbestraft sei, gab der Beschwerdeführer an, ihm sei nicht bekannt, dass er vorbestraft sei, es könne aber sein, dass er in seiner Abwesenheit verurteilt worden sei. Davor habe er mit der Polizei und den Behörden keine Probleme gehabt. Zum Zustand seines Elternhauses befragt, gab der Beschwerdeführer an, dass dieses leer stehe. Es sei zugesperrt, der Schlüssel befinde sich bei seinem Schwager in XXXX. Voriges Jahr sei in das Haus eingebrochen und "die Sachen" gestohlen worden. Dies habe er von seinem Bruder erfahren, der jedes Jahr im Urlaub dort hinfahre. Angezeigt sei den Vorfall nicht worden. Weiters seien Dachziegel des Elternhauses beschädigt worden, der Bruder des Beschwerdeführers habe diese gerichtet. In seinem Herkunftsstaat habe der Beschwerdeführer seinen Lebensunterhalt von der Landwirtschaft sowie durch Gelegenheitsarbeiten bestritten. In seinem Heimatstaat habe an Familienangehörigen ca. 30 Personen. 6. Mit Schreiben vom 30.10.2008 übermittelte das Bundesasylamt dem Beschwerdeführer vorläufige Sachverhaltsannahmen zur Lage in Serbien, worin zur Lage in Südserbien im Wesentlichen Folgendes festgehalten wird: Das am 11.7.2002 in Kraft getretene Amnestiegesetz für jugoslawische Bürger, die in www.ris.bka.gv.at Seite 2 von 13 Asylgerichtshof 09.03.2009 Südserbien "Terrorakte" und "staatsfeindliche Aktivitäten" begangen hätten, habe einen wesentlichen Beitrag zur weitgehenden Beruhigung der Lage in Südserbien geleistet; die ethnischen Albaner seien seit den vorgezogenen Kommunalwahlen vom 28.7.2002 inzwischen in den Gemeindeorganen