Plenarprotokoll 15/158

Deutscher

Stenografischer Bericht

158. Sitzung

Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005

Inhalt:

Erweiterung der Tagesordnung ...... 14795 D Wolfgang Zöller (CDU/CSU) ...... 14805 B Barbara Lanzinger (CDU/CSU) ...... 14805 C Tagesordnungspunkt 22: Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos) ...... 14807 A a) Erste Beratung des von den Fraktionen der Klaus Riegert (CDU/CSU) ...... 14807 D SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der gesundheitli- Tagesordnungspunkt 23: chen Prävention Erste Beratung des von den Abgeordneten (Drucksache 15/4833) ...... 14795 A , Hartmut Koschyk, b) Antrag der Abgeordneten Detlef Parr, (Heilbronn), weiteren Abge- Dr. Dieter Thomae, Dr. Heinrich L. Kolb, ordneten und der Fraktion der CDU/CSU ein- weiterer Abgeordneter und der Fraktion gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Än- der FDP: Prävention und Gesundheits- derung des Gesetzes über befriedete förderung als individuelle und gesamt- Bezirke für Verfassungsorgane des Bundes gesellschaftliche Aufgabe (BefBezÄndG) (Drucksache 15/4671) ...... 14795 B (Drucksache 15/4731) ...... 14808 D in Verbindung mit in Verbindung mit

Zusatztagesordnungspunkt 8: Zusatztagesordnungspunkt 9: Antrag der Abgeordneten Annette Widmann- Erste Beratung des von den Fraktionen der Mauz, Verena Butalikakis, Monika Brüning, SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- weiterer Abgeordneter und der Fraktion der NEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes CDU/CSU: Prävention als gesamtgesell- zur Änderung des Versammlungsgesetzes schaftliche Aufgabe umfassend, innovativ und des Strafgesetzbuches und unbürokratisch gestalten (Drucksache 15/4832) ...... 14809 A (Drucksache 15/4830) ...... 14795 B Wolfgang Bosbach (CDU/CSU) ...... 14809 A , Bundesministerin BMGS . . . . 14795 D Erika Simm (SPD) ...... 14810 D Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU) ...... 14798 A Jörg van Essen (FDP) ...... 14812 A (BÜNDNIS 90/ Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 14800 D DIE GRÜNEN) ...... 14813 B Detlef Parr (FDP) ...... 14802 A Hartmut Koschyk (CDU/CSU) ...... 14814 A Götz-Peter Lohmann (SPD) ...... 14803 C Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD) ...... 14814 D II Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005

Dr. Max Stadler (FDP) ...... 14815 C Namentliche Abstimmung ...... 14834 B , Bundesminister BMI ...... 14817 B Ergebnis ...... 14839 C (fraktionslos) ...... 14818 B Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD) ...... 14819 B Tagesordnungspunkt 25: Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU) . . . . 14820 D Große Anfrage der Abgeordneten Dr. Martina Erika Simm (SPD) ...... 14821 C Krogmann, Dagmar Wöhrl, Karl-Josef , Bundesministerin BMJ . . . . 14823 B Laumann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Stärkung von Aus- Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU) ...... 14824 D kunfts- und Mehrwertdiensten durch Miss- Brigitte Zypries, Bundesministerin BMJ . . . . 14825 B brauchsbekämpfung (Drucksachen 15/3547, 15/4092) ...... 14834 C (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 14825 C Dr. Martina Krogmann (CDU/CSU) ...... 14834 D Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretär BMWA ...... 14841 B Tagesordnungspunkt 24: Gudrun Kopp (FDP) ...... 14842 D Zweite und dritte Beratung des vom Bundes- rat eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/ zur Änderung des Betreuungsrechts DIE GRÜNEN) ...... 14843 D (… Betreuungsrechtsänderungsgesetz – … Ursula Heinen (CDU/CSU) ...... 14845 A BtÄndG) (Drucksachen 15/2494, 15/4874) ...... 14826 C (SPD) ...... 14846 B Sabine Bätzing (SPD) ...... 14826 D (CDU/CSU) ...... 14828 B Tagesordnungspunkt 26: (BÜNDNIS 90/ Zweite und dritte Beratung des von der Bun- DIE GRÜNEN) ...... 14830 A desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Wirt- (FDP) ...... 14830 D schaftsplans des ERP-Sondervermögens Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär für das Jahr 2005 (ERP-Wirtschaftsplan- BMJ ...... 14831 D gesetz 2005) (Drucksachen 15/3596, 15/4704) ...... 14848 B Markus Grübel (CDU/CSU) ...... 14832 B Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk (SPD) ...... 14848 C (SPD) ...... 14833 A (CDU/CSU) ...... 14849 D Gudrun Kopp (FDP) ...... 14850 D Zusatztagesordnungspunkt 11: Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretär Antrag der Fraktionen der SPD und des BMWA ...... 14851 C BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Zurück- weisung des Einspruchs des Bundesrates gegen das Gesetz über die Feststellung des Tagesordnungspunkt 27: Bundeshaushaltsplans für das Haushalts- gesetz 2005 (Haushaltsgesetz 2005) Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- (Drucksachen 15/4890, 15/4892) ...... 14833 D schusses für Umwelt, Naturschutz und Reak- torsicherheit zu dem Antrag der Abgeordne- ten Birgit Homburger, , Namentliche Abstimmung ...... 14834 B , weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Mülltrennung verein- Ergebnis ...... 14836 C fachen – Haushalte entlasten (Drucksachen 15/2193, 15/4786) ...... 14852 C (SPD) ...... 14852 D Zusatztagesordnungspunkt 12: Werner Wittlich (CDU/CSU) ...... 14853 D Antrag der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Zurück- Michael Kauch (FDP) ...... 14854 C weisung des Einspruchs des Bundesrates Dr. Antje Vogel-Sperl (BÜNDNIS 90/ gegen das Gesetz zur Errichtung der Aka- DIE GRÜNEN) ...... 14856 B demie der Künste (AdKG) (Drucksachen 15/4891, 15/4893) ...... 14833 D Birgit Homburger (FDP) ...... 14857 B Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005 III

Tagesordnungspunkt 28: Gewalt, , Siegfried Helias, Peter Rzepka, Verena Butalikakis, Dr. Martina a) Erste Beratung des von den Fraktionen der Krogmann, Dr. , Erika SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE Steinbach und (Bremen) GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines (alle CDU/CSU) zur namentlichen Abstim- Zweiten Gesetzes zur Neuordnung des mung über den Antrag: Zurückweisung des Gentechnikrechts Einspruchs des Bundesrates gegen das Gesetz (Drucksache 15/4834) ...... 14858 C zur Errichtung der Akademie der Künste b) Antrag der Abgeordneten Helmut (AdKG) (Zusatztagesordnungspunkt 12) . . . . 14865 B Heiderich, Peter H. Carstensen (Nord- strand), , weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Anlage 3 Gentechnikgesetz wettbewerbsfähig vervollständigen Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des (Drucksache 15/4828) ...... 14858 C Entwurfs eines …Gesetzes zur Änderung des Betreuungsrechts (… Betreuungsrechtsände- Elvira Drobinski-Weiß (SPD) ...... 14858 D rungsgesetz – … BtÄndG) (Tagesordnungs- (CDU/CSU) ...... 14859 D punkt 24) Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/ Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär DIE GRÜNEN) ...... 14862 A BMJ ...... 14865 D Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) ...... 14863 C Anlage 4 Nächste Sitzung ...... 14864 D Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung Berichtigung ...... 14864 B des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermö- gens für das Jahr 2005 (ERP-Wirtschaftsplan- gesetz 2005) (Tagesordnungspunkt 26) Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 14865 A Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 14866 D

Anlage 2 Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Günter Nooke, Edeltraut Töpfer, Roland Amtliche Mitteilungen ...... 14867 C

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(A) (C) Redetext

158. Sitzung

Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005

Beginn: 9.00 Uhr

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Prävention als gesamtgesellschaftliche Auf- Die Sitzung ist eröffnet. Ich wünsche Ihnen allen ei- gabe umfassend, innovativ und unbürokra- nen guten Tag und uns gute Beratungen. tisch gestalten – Drucksache 15/4830 – Ich rufe die Tagesordnungspunkte 22 a und 22 b so- wie den Zusatzpunkt 8 auf: Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung (f) 22 a) Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD Innenausschuss Sportausschuss und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN einge- Rechtsausschuss brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung Finanzausschuss der gesundheitlichen Prävention Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und – Drucksache 15/4833 – Landwirtschaft Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (B) Überweisungsvorschlag: Haushaltsausschuss (D) Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung (f) Innenausschuss Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Sportausschuss Aussprache eine Stunde vorgesehen. – Dazu höre ich kei- Rechtsausschuss nen Widerspruch. Dann können wir das so beschließen. Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst Landwirtschaft die Bundesministerin Ulla Schmidt. Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO (Beifall bei der SPD) b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Detlef Parr, Dr. Dieter Thomae, Dr. Heinrich L. Kolb, Ulla Schmidt, Bundesministerin für Gesundheit und weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Soziale Sicherung: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Prävention und Gesundheitsförderung als in- Prävention ist ein Anliegen aller im Bundestag vertrete- dividuelle und gesamtgesellschaftliche Auf- nen Fraktionen. Deswegen müsste es gelingen, dass der gabe vorliegende Gesetzentwurf die Zustimmung des gesam- ten Bundestages erhält. – Drucksache 15/4671 – Es ist ja nicht so, als gäbe es in Deutschland nicht be- Überweisungsvorschlag: reits Prävention. Sie lebt heute von vielen vorbildlichen Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung (f) Projekten in Betrieben, Verwaltungen und Sportverei- Innenausschuss Sportausschuss nen. Prävention ist bei uns schon zu Hause; aber so, wie Rechtsausschuss sie heute organisiert ist, reicht sie nicht aus. Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Der vorliegende Gesetzentwurf eröffnet die Möglich- Landwirtschaft keit, Prävention wirklich in unseren Alltag einziehen zu Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend lassen, Ausschuss für Tourismus (Beifall bei der SPD) ZP 8 Beratung des Antrags der Abgeordneten Annette sie so alltäglich werden zu lassen wie die „Tagesschau“, Widmann-Mauz, Verena Butalikakis, Monika den grünen Tee, Brüning, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU (Detlef Parr [FDP]: Grüner Tee?) 14796 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005

Bundesministerin Ulla Schmidt (A) Kaffee am Morgen, das Jobticket oder den Wetterbe- ben sollten, endlich dort ankommt und dass nicht die (C) richt. Alle sollen die Chance erhalten und auch ergreifen, Hälfte davon bei den Krankenkassen verbleibt, wie das in ihrem Viertel, ihrem Stadtteil, im Betrieb, im Kinder- bisher der Fall gewesen ist. garten oder in der Schule etwas für sich zu tun, damit es (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ ihnen besser geht. Jedem Einzelnen soll es besser gehen. DIE GRÜNEN) Denn Krankheiten zu vermeiden, das ist vor allen Din- gen etwas für die Menschen selber. Ein Mensch, der ge- Prävention ist eine Sache für alle. Das Ziel, gesünder sund ist, hat auch viel Kraft; es geht ihm besser und das zu werden und gesünder zu leben, soll gefördert werden. sollten wir fördern. Ich hoffe, dass wir mit den Regelungen, die wir gemein- sam mit den Ländern auf den Weg bringen, wirklich viel (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ in Bewegung setzen, dass vor allen Dingen gute Anstöße DIE GRÜNEN) entwickelt werden, um an diejenigen heranzukommen, Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen, dass die man normalerweise mit keinem Angebot auch der in- zum Beispiel Eltern, die sich Sorgen machen, weil ihre dividuellen Prävention erreicht. Hierbei geht es um viele Kinder übergewichtig sind, Anleitung bekommen, dass Menschen, die vielleicht noch vor dem Fernsehapparat sie Beratung und Hilfe erhalten. Auch das ist Präven- „Tor!“ rufen, die aber nicht viel für sich tun, um ihr Le- tion. Wir wollen die Kindergärten und Schulen in ihrem ben zu verbessern. Es geht hierbei aber auch um viele Bemühen um mehr Bewegung und gesunde Ernährung Kinder und um viele ältere Menschen, die bisher von unterstützen. Gesund ernährt lernt es sich besser; ge- den Gesundheitskampagnen kaum erreicht werden. sunde Ernährung schafft größere Lebenschancen für die Auch das wollen wir ändern und wirklich einen Schritt Kinder, weil sie dadurch für das zukünftige Leben ge- nach vorne machen. stärkt werden. Diesem Gesetzentwurf sind viele enge Beratungen in Auch in die Häuser für Seniorinnen und Senioren, in der Koalition, aber auch Beratungen mit den Bundeslän- denen das bisher noch nicht der Fall ist – in vielen Häu- dern, egal ob unionsregiert oder SPD-regiert, und mit sern gibt es das schon –, soll fachlich gute Anleitung zur den Sozialversicherungen vorausgegangen. Angesichts vernünftigen Bewegung und gesünderen Ernährung ein- der zahlreichen Partner, die an den Beratungen beteiligt ziehen. Gesund alt werden bedeutet gewonnene Lebens- waren, ist der vorliegende Gesetzentwurf das, was wir jahre für jeden Einzelnen. momentan mit der Zustimmung aller – der Sozialversi- cherungsträger, aber auch der Länder – auf den Weg Die Sportvereine sollen ermutigt werden, noch mehr bringen können. Ich möchte allen für die gute Koopera- auf Prävention zu setzen, ihre Angebote auszuweiten, tion und Vorbereitung danken. Trainer und Betreuer zu schulen, damit wir alle uns ge- (B) (D) sünder und wohler fühlen können. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir mit dem vorlie- genden Gesetzentwurf einen Teil der Zukunft unseres Ich denke aber auch an die vielen Unternehmenslei- Gesundheitswesens beschreiben: Wir leiten einen Para- tungen – ich hatte gestern eine Veranstaltung mit Be- digmenwechsel ein; denn Prävention, Behandlung, Re- triebsräten von großen Unternehmen –, die bisher nicht habilitation und Pflege stehen künftig gleichrangig genug getan haben und jetzt vielleicht neue Anstöße be- nebeneinander. Sie bilden vier Säulen unseres Gesund- kommen, gemeinsam mit den Betriebsräten, mit den heitswesens. Der Gesetzentwurf ist der Start einer Ent- Krankenkassen und mit Medizinern über entsprechende wicklung mit dem Ziel, dass wir nicht nur immer dann Angebote in den Betrieben zu reden, Programme für die sehr viel Geld ausgeben, wenn eine Krankheit aufgetre- Beschäftigten einzuführen und zu evaluieren sowie zu ten ist oder sich verschlimmert hat, sondern dass wir lernen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die auch Geld dafür ausgeben, dass Krankheiten erst gar sich wohl fühlen, denen es gut geht, bei denen Rückener- nicht entstehen oder dass sich Krankheiten, wenn sie krankungen und Schmerzen vermieden werden, damit entstanden sind, nicht weiter verschlimmern, damit die auch eine wesentliche Grundlage für Leistungsfähigkeit, Menschen ein Stück an Lebensqualität zurückgewinnen Kreativität und ein gutes Miteinander haben. können. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) DIE GRÜNEN) Ein Punkt ist mir auch angesichts vieler Diskussionen Unser Gesundheitswesen wird mit der neuen Bestim- mit den Selbsthilfeorganisationen in unserem Lande mung, dass Prävention vor Behandlung gesetzt werden besonders wichtig: Mit diesem Gesetzentwurf wird end- muss, zu einem modernen Gesundheitssystem weiterent- lich die Arbeit der Selbsthilfe gestärkt. Die Selbsthilfe wickelt. Wir schließen damit zu anderen Ländern in ist einer der wesentlichen Faktoren nicht nur im Bereich Europa auf, die – wie zum Beispiel die skandinavischen der primären Prävention, sondern auch in den Bereichen Länder – bereits gute Erfolge mit gesundheitlicher Prä- der sekundären und tertiären Prävention. Die Selbsthilfe- vention erzielt haben. organisationen beraten Menschen, die krank sind, sie lei- ten sie an, beraten auch deren Familien und sorgen dafür, Bisher hat sich von den Sozialversicherungszweigen dass eine Krankheit, wenn sie ausgebrochen ist, nach vor allen Dingen die gesetzliche Krankenversicherung Möglichkeit nicht zu weiteren Krankheiten führt. Wir in der Prävention engagiert. Das geschah nicht so umfas- sorgen dafür, dass das Geld, das die Krankenkassen für send, wie wir alle es gerne gehabt hätten; aber die ge- die Förderung und Finanzierung der Selbsthilfe ausge- setzlichen Krankenversicherungen waren diejenigen, die Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005 14797

Bundesministerin Ulla Schmidt (A) bisher Geld in die Hand genommen und Engagement ge- (Erika Lotz [SPD]: So ist es!) (C) zeigt haben. Künftig sollen sich auch die Rentenversi- cherung, die Unfallversicherung und die Pflegeversiche- Das Angebot der privaten Krankenversicherungen, rung an der Finanzierung der Verhütung von 3,5 Millionen Euro, davon 3,4 Millionen für die BZgA Krankheiten beteiligen, da auch sie von präventiven und 100 000 Euro für die Aidsprophylaxe, zur Verfü- Maßnahmen profitieren. Ich hoffe, dass es uns im Laufe gung zu stellen, ist zwar honorig; es reicht aber nicht der Beratungen gelingen wird, auch die Bundesagentur aus. Das sollten wir in der Öffentlichkeit deutlich sagen. für Arbeit in die gemeinsame Aufgabe der Prävention (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ einzubeziehen. Alle tragen in diesem Bereich eine Ver- DIE GRÜNEN) antwortung und alle müssen diese Verantwortung ge- meinsam wahrnehmen. Prävention ist um so erfolgreicher, je einfacher sie sich darstellt und je einfacher wir die Menschen errei- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ chen. Wir brauchen keine großen Botschaften. Einfache DIE GRÜNEN) Aussagen wie „Lass den Fahrstuhl stehen! Geh zu Fuß!“ können eine ganze Menge erreichen. Jährlich soll insgesamt eine viertel Milliarde Euro für präventive Maßnahmen verwendet werden. 80 Prozent Die verschiedenen Präventionsmaßnahmen müssen davon sollen für individuelle Präventionsangebote oder jedoch zusammengeführt werden. Damit die verschiede- für Angebote zur Prävention in den verschiedenen Le- nen Maßnahmen, die es überall gibt, effektiv und sinn- benswelten verwendet werden. Der Rest soll für Modell- voll sind, braucht man einen roten Faden, an dem sie vorhaben, Kampagnen und viele andere Dinge, die man sich ausrichten. Deswegen werden die Sozialversiche- zusätzlich auf den Weg bringen muss, um die Menschen rungszweige gemeinsame Präventionsziele erarbeiten. für unser Vorhaben zu begeistern, aufgewendet werden. Dadurch können die Mittel effizient dort eingesetzt wer- Experten schätzen, dass man durch einen Ausbau der den, wo sie den größten Nutzen stiften. Wir wollen, dass Präventionsmaßnahmen in den Bereichen Krankheits- das Geld nur für Maßnahmen ausgegeben wird, die tat- kosten und krankheitsbedingte Ausfallkosten langfristig sächlich mehr Nutzen bringen und die wirksam sind. Wir Einsparungen in Höhe von mehr als 6 Milliarden Euro wollen, dass der Nutzen nachgewiesen wird. Wir wollen, erzielen kann. dass die Qualität gesichert ist. Deswegen legt der vorlie- gende Gesetzentwurf hierfür verbindliche Kriterien fest. Wir alle wissen, dass in einer Gesellschaft des länge- ren Lebens das, was der Einzelne für seine Gesundheit Damit nachhaltige Veränderungen bewirkt werden aufbringen muss, nicht weniger werden kann. Wenn wir können, ist eine verbesserte Zusammenarbeit und Ab- wollen, dass die Menschen am medizinischen Fortschritt stimmung auf Bundesebene notwendig. Deswegen wer- (B) teilhaben können, ist das nicht aus der Portokasse zu be- den wir auf der Bundesebene unter Mitwirkung der (D) zahlen. Angesichts dieser Tatsachen müssen wir wirk- Sozialversicherungszweige eine Stiftung „Prävention lich alles tun, um dort Einsparungen vorzunehmen, wo und Gesundheitsförderung“ gründen, die die Erarbei- sie vorgenommen werden können, zumal wenn sie den tung von Präventionszielen, die Ausarbeitung der ge- Menschen gleichzeitig ein Mehr an Lebensqualität brin- meinsamen Qualitätsstandards sowie Informations- und gen. Es ist höchste Zeit, alles Erforderliche auf den Weg Aufklärungsarbeit durch Präventionskampagnen leistet. zu bringen, damit die Prävention als nationale Aufgabe Wir wollen, dass in regelmäßigen Abständen Rechen- in der Form starten kann, wie wir es wollen. schaft über das Erreichte abgelegt wird und dass festge- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ stellt wird, wo Verbesserungen vorgenommen werden DIE GRÜNEN) müssen. Wir werden die gesamte Fachkraft der Bundes- zentrale für gesundheitliche Aufklärung, aber auch Lassen Sie mich an dieser Stelle etwas zur privaten das Expertenwissen, zum Beispiel des Robert-Koch- Krankenversicherung sagen. Ich bedaure es sehr, dass Instituts, zur Verfügung stellen, damit wir, auch das Par- mir die gesetzliche Grundlage fehlt, um die privaten lament, valide Aussagen erhalten. Krankenversicherungen zur Mitfinanzierung heranzuzie- hen: Es kann auf Dauer nicht sein, dass in den Kinder- Liebe Kolleginnen und Kollegen, Prävention ist eine gärten und Schulen Angebote zur Prävention in den Be- Gemeinschaftsaufgabe. Sie verbindet Eigeninitiative auf reichen Ernährung und Bewegung sowie Angebote zur der einen Seite mit Gemeinschaftssinn auf der anderen Zahnprophylaxe gemacht werden, bei denen sich die pri- Seite. Ich bin davon überzeugt: Daraus kann und muss vaten Krankenversicherungen außen vor halten, wäh- ein großes Projekt werden. Denn Prävention führt – das rend die gesetzlich Krankenversicherten auch für die werden die Menschen merken – zu einem besseren Le- Kinder der privat Versicherten zahlen müssen. ben, zu mehr Lebensqualität und damit zu vielem, was man im Leben nur machen kann, wenn bestimmte Vo- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ raussetzungen vorhanden sind. DIE GRÜNEN) Man darf ein Weiteres nicht unterschätzen: Präven- Deshalb sollte es unser gemeinsames Anliegen sein, tion ist eine wichtige Voraussetzung dafür, in einer Ge- die privaten Krankenversicherungen in die Pflicht zu sellschaft des längeren Lebens auch unter veränderten nehmen, damit sie sich auf diesem Gebiet anteilmäßig Bedingungen bis in das hohe Alter Innovationsfähigkeit ebenso wie die gesetzlichen Krankenversicherungen an und Produktivität zu erhalten. Damit schaffen wir die den Kosten beteiligen. Grundlagen dafür, dass in diesem Lande auch in zehn, 14798 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005

Bundesministerin Ulla Schmidt (A) 20 oder 30 Jahren Wettbewerbsfähigkeit und die Fähig- oder Wirbelsäulengymnastik sein kann? Er hat dann eine (C) keit, Wohlstand zu wahren und zu schaffen, erhalten Vorstellung von Prävention. bleiben. Das Problem ist nur, dass zwischen dem Wissen und Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, dem entsprechenden Verhalten eine Riesenlücke in unse- sich in Reden zur Prävention zu bekennen ist schön, rer Gesellschaft klafft. reicht aber nicht. (Ute Kumpf [SPD]: Das stimmt!) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Während die einen gesunder Ernährung, Bewegung, Ich kann Sie nur auffordern: Schließen Sie sich unserem dem Nordicwalking, Sport oder dem Jane-Fonda-Wahn Vorhaben und dem, was die von Ihnen regierten Länder anhängen, hängen die anderen, die ihren inneren eingebracht haben, an! Sich zu bewegen ist angesagt. Schweinehund zum besten Freund gemacht haben, mit Blockieren Sie nicht! Machen Sie mit, anstatt mies zu den entsprechenden Getränken und Ernährungsproduk- machen! Das ist gelebte Prävention. Ich möchte, dass ten lieber auf dem Sofa vor der Glotze herum. Diese auch Sie davon profitieren. Menschen müssen wir erreichen. Deshalb ist uns der Präventionsgedanke so wichtig. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Wir wissen, dass die Stärkung der Prävention und der Gesundheitsförderung zur Vermeidung von Krankhei- Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: ten und zur Erhaltung der Gesundheit eine sinnvolle In- vestition in die Zukunft ist. Sie verbessert nicht nur die Das Wort hat nun die Kollegin Annette Widmann- Gesundheit, die Lebensqualität und die Leistungsfähig- Mauz, CDU/CSU-Fraktion. keit der Menschen. Nein, sie mindert auch die künftigen (Beifall bei der CDU/CSU) finanziellen Belastungen unseres Gesundheitswesens. Deshalb hat die Union die Prävention bereits in ihrer Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU): Regierungsverantwortung ernst genommen und entspre- Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! chende Maßnahmen umgesetzt. Wer kennt nicht den lie- Liebe Kollegen! Frau Ministerin, wir bewegen uns ben Doktor mit der großen Zahnbürste in der Schule, das gerne. Sie fordern zwar von anderen Bewegung. Wenn Bonusheft für den regelmäßigen Zahnarztbesuch oder es aber um die eigene Verantwortung, insbesondere um Krebsfrüherkennungsuntersuchungen? Wir müssen heute die finanzielle Verantwortung, geht, dann verlangen Sie also nicht bei null anfangen, sondern können auf bereits nur von denjenigen Bewegung, die Beiträge in die Sozi- Bestehendem aufbauen. (B) alversicherungen zahlen. (D) Bereits in der letzten Legislaturperiode hat sich un- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- sere Fraktion intensiv mit diesem Thema beschäftigt und neten der FDP) Anträge gestellt. Auch bei den Kompromissverhandlun- Sie sollten in den Spiegel schauen, wenn Sie Vorwürfe gen zur Gesundheitsreform hat sich die Union nicht nur machen. für die Einführung von Bonusprogrammen bei den ge- setzlichen Krankenkassen, also dafür, dass finanzielle Schön ist es, um die Kranken besorgt zu sein, ihrer Anreize für gesundheitsbewusstes Verhalten gegeben Gesundheit wegen; viel schöner ist es aber, für die werden, stark gemacht, Gesunden besorgt zu sein, ihres Nichtkrankseins wegen. (Beifall bei der CDU/CSU) sondern sie hat maßgeblich mit dafür gesorgt, dass die Diese Erkenntnis von Hippokrates ist zweieinhalbtau- Erarbeitung eines Präventionsgesetzes überhaupt verein- send Jahre alt und wir haben sie noch immer nicht verin- bart wurde. nerlicht. Es ist nur schade, Frau Schmidt – Sie haben das heute In Deutschland ist jeder Zweite übergewichtig. Jeder Morgen mit freundlichen Worten umschrieben; aber der Vierte hat Herz-Kreislauf-Probleme und Millionen kla- Sachverhalt ist deshalb nicht besser geworden –, dass gen über Rückenschmerzen. Besonders erschreckend ist, Sie im Gegensatz zu den Kompromissverhandlungen des dass gerade viele Kinder bereits heute an Alterskrank- letzten Sommers hier auf die Kompetenz der größten heiten wie Herzschwäche, Diabetes oder Osteoporose Oppositionsfraktion einfach verzichtet haben. Ich sage leiden, weil sie einfach zu dick sind und sich falsch er- Ihnen: Das ist nicht nur schlechter politischer Stil, son- nähren. Man wagt kaum, sich vorzustellen, dass uns dern schlichtweg dumm. diese Generation in ein paar Jahren über die ersten Wel- len des demographischen Wandels tragen soll, wo ihnen (Beifall bei der CDU/CSU) schon heute die Puste ausgeht. Der vorliegende Gesetzentwurf enthält eine Reihe Die Krankenkassen befürchten gerade im Hinblick guter Ansätze. Er ist ein erster Schritt in die richtige auf Diabetes bei Kindern Behandlungskosten in Milliar- Richtung. Derzeit ist festzustellen, dass es einen Flicken- denhöhe. Dabei wären viele dieser Krankheiten ver- teppich an Maßnahmen gibt. Deshalb sind bundesein- meidbar. Wer hat nicht schon einmal, wenn er ein Rü- heitliche Kriterien, Ziele und Qualitätsstandards durch ckenleiden hatte, selber die Erfahrung gemacht, wie die Stiftung „Prävention“ sinnvolle Maßnahmen. Erfreu- hilfreich zum Beispiel ein Keilkissen auf dem Bürostuhl lich ist auch, dass eine Begriffsvereinheitlichung statt- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005 14799

Annette Widmann-Mauz (A) findet und dass die Berichterstattung von Bund, Ländern insgesamt 50 Millionen Euro für die Vermeidung von (C) und Sozialversicherungsträgern eingeführt wird, durch Krankheiten bereitstellen. Wer allerdings weiß, dass die die auch die entsprechende Öffentlichkeit hergestellt gesetzliche Rentenversicherung nur noch über liquide wird. Mittel verfügt, um die derzeitigen Renten sechs Tage lang zu finanzieren, der muss sich bewusst sein: Wenn Trotz dieser positiven Ansätze gibt es aber auch we- die Rentenversicherung 40 Millionen Euro zusätzlich sentliche Punkte, die zu grundsätzlicher Kritik Anlass aufbringen muss, geben und eine vorbehaltlose Zustimmung untersagen. Es kann nicht übersehen werden, dass Sie Ihrem eigent- (Peter Dreßen [SPD]: 40 Milliarden Euro!) lichen Ziel – Ihre Ziele haben Sie heute erneut mehrfach dann muss dieser Betrag an anderer Stelle eingespart genannt –, Prävention als gesamtgesellschaftliche und werden. ganzheitliche Aufgabe wahrzunehmen, nicht nachkom- men; sie verfehlen dieses Ziel. „Gesamtgesellschaftlich“ Meine Damen, meine Herren, es kann nicht in unse- heißt doch, dass Prävention alle erreichen muss und dass rem Interesse sein, dass der Brummifahrer mit kaputter sich deshalb auch alle Bevölkerungsgruppen an dieser Bandscheibe in Zukunft keine medizinische Reha mehr Aufgabe beteiligen müssen, auch bzw. vor allem finan- erhält, weil mit seinem Beitrag die präventive Rücken- ziell. schulung seines Chefs finanziert wird. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Ute Kumpf [SPD]: Das ist ja ganz schön „Ganzheitlich“ heißt doch, dass diese Aufgabe alle For- falsch! – Erika Lotz [SPD]: Jetzt überziehen men der Prävention erfasst und sich nicht nur auf eine Sie aber! – Peter Dreßen [SPD]: Das ist doch Form, die Primärprävention, beschränken kann. nicht wahr! – Weiterer Zuruf von der SPD: (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das ist doch an den Haaren herbeigezogen!) Gerade angesichts der wirtschaftlichen Rahmenbe- Die Problemlage bei der Pflegeversicherung ist ähnlich. dingungen und der dramatischen Finanzlage unserer So- Frau Schmidt, Sie haben vollmundig erzählt, dass Sie zialkassen ist eine alleinige Finanzierung der Prävention die Bundesagentur für Arbeit einbinden wollen. Da durch die Sozialversicherungen im Grunde ein beschäfti- muss die Frage schon gestattet sein, warum die Bundes- gungspolitischer Sündenfall. Sind der Kanzler und sein agentur im Gegensatz zur Pflegeversicherung und zur Kabinett nicht angetreten, um mehr Arbeitsplätze zu Rentenversicherung aus der Finanzierung herausgenom- schaffen, indem sie die Beitragssätze der Sozialversiche- men worden ist. Was für den einen recht ist, muss doch rungen senken? Sie, Frau Schmidt, haben die Kassen für den anderen nur billig sein. Oder hatten die Renten- noch vor kurzem mit dem Ziel, die Lohnnebenkosten zu (B) und die Pflegeversicherung im Kabinett nur weniger (D) senken, geradezu genötigt. Da kann ich nur sagen: Die starke Fürsprecher? Das kann es ja wohl nicht sein. „FAZ“ kommentiert richtig, wenn sie schreibt, dass die- ses Präventionsgesetz Ihre Argumentation als doppel- Nochmals: Prävention ist eine gesamtgesellschaftli- bödig entlarvt. che Aufgabe. Eine finanzielle Beteiligung von allen, also von Bund, Ländern und Kommunen, ist in diesem Ge- (Ulla Schmidt, Bundesministerin: Wenn Sie das setzentwurf aber nicht vorgesehen. Ein Präventionsge- nicht verstehen, kann ich es nicht ändern!) setz, wie wir es verstehen, darf am Ende aber nicht zum Um nicht missverstanden zu werden, sage ich: Wir Freibrief für den Staat werden, sich wieder einmal auf sehen in der Prävention eine sinnvolle Investition in die Kosten der Sozialversicherungsträger und damit letztlich Zukunft. Aber jede Investition muss finanzierbar sein zulasten der Betriebe und der Arbeitnehmer noch weiter und darf nicht ausschließlich von den Beitragszahlern von seinen originären Aufgaben zurückzuziehen. Ver- der gesetzlichen Krankenversicherung finanziert wer- schiebebahnhöfe – liebe Kolleginnen und Kollegen, das den. sage ich an alle Fraktionen in diesem Haus gewandt – haben wir doch in der Vergangenheit genug veranlasst. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Wir können so nicht weitermachen. Es muss endlich neten der FDP) Schluss damit sein, die Steuerhaushalte zulasten der So- Der kleine Mann darf doch nicht immer der Lastesel der zialhaushalte zu bedienen. Nation sein. (Beifall bei der CDU/CSU – Erika Lotz (Ute Kumpf [SPD]: Wer zahlt denn die Steu- [SPD]: Wer in diesem Hause wollte denn Steu- ern? – Peter Dreßen [SPD]: Steuererhöhungen ersenkungen?) nützen auch nichts!) Ein weiteres Manko bei diesem Gesetzentwurf be- Auch wenn Sie es nicht mehr sind – wir verstehen uns steht darin, dass Sie sich nur auf eine Präventionsform nach wie vor als Sachwalter der Beitragszahlerinnen und beziehen, nämlich auf die Vorbeugung einer Erkran- Beitragszahler. kung, die Primärprävention. Ihr Gesetzentwurf sagt überhaupt nichts zu Früherkennungsmaßnahmen, Imp- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) fungen, Kindervorsorgeuntersuchungen oder Maßnah- Während die gesetzliche Krankenversicherung men zur Vermeidung der Verschlimmerung bestehender 180 Millionen Euro, also den größten Anteil der Präven- Krankheiten. Zu Recht bemängelt die Bundesärztekam- tionskosten, schultert, müssen die Renten- und Pflege- mer die fehlende Verzahnung der Primärprävention mit versicherung erstmals, also zusätzlich, eine Summe von den anderen Präventionsformen. 14800 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005

Annette Widmann-Mauz (A) Als weiteres Problem kommt hinzu, dass Sie denjeni- Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: (C) gen, die in der Vergangenheit ihrer gesetzlichen Aufgabe Nächste Rednerin ist die Kollegin Birgitt Bender, gemäß § 20 SGB V, Primärprävention durchzuführen, Bündnis 90/Die Grünen. vorbildlich nachgekommen sind, jetzt teilweise den Bo- den unter den Füßen wegziehen: indem Sie ihnen bis zu Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): 60 Prozent der bisherigen Mittel vorenthalten. Das kann Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man doch nicht unser Ziel sein, das kann doch nicht in unse- glaubt es ja kaum, aber es ist erst acht Jahre her, dass die rem Interesse sein. Denn Sie zerstören damit bewährte unionsgeführte Bundesregierung die Primärprävention bestehende Strukturen. Bei Ihnen ist wieder einmal der aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkas- Fleißige der Dumme. sen gestrichen hat. (Widerspruch bei Abgeordneten der SPD und (Erika Lotz [SPD]: Hört! Hört! – Wolfgang Zöller des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) [CDU/CSU]: Stimmt ja gar nicht!) Was für einen bürokratischen Aufwand Sie betreiben, – Herr Kollege Zöller, wir mussten sie mit der wird zum Beispiel an den Regelungen zur Stiftung und Gesundheitsreform 2000 erst wieder einführen. – Heute zu den Verfahren deutlich. Eine Vielzahl neuer Gremien hört man von Ihnen großartige Bekenntnisse zur Präven- wird geschaffen: Vorstand, Stiftungsrat, Kuratorium, tion und Sie haben uns auch einen Antrag zur Stärkung Wissenschaftlicher Beirat oder weitere gemeinsame Ent- von Prävention und Gesundheitsförderung nicht vorent- scheidungsgremien, Koordinierungsausschüsse – ein er- halten wollen. Nach der Rede, die wir eben von der Frau heblicher, ein gigantischer Abstimmungsaufwand ist Kollegin Widmann-Mauz gehört haben, stehen diese notwendig. Dass dieses nicht nur die verquere Ansicht vollmundigen Bekenntnisse allerdings in einem merk- der Opposition ist, bestätigen die Äußerungen Ihres ei- würdigen Gegensatz zu dem kleingeistigen Gemäkel an genen Justizministeriums: Das Regelungsgebilde erwe- diesem Gesetz. Ich glaube, Sie müssen sich einmal ent- cke den Eindruck – ich zitiere –, scheiden, was Sie eigentlich wollen. dass der zusätzliche bürokratische Aufwand den (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vermeintlichen Nutzen bei weitem überwiegen und bei der SPD – Detlef Parr [FDP]: Bisher wird. haben wir sachlich diskutiert!) Das kann man doch nicht einfach ignorieren. Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Frau Kollegin Bender, gestatten Sie eine Zwischen- neten der FDP) frage des Kollegen Zöller? (B) (D) Wir haben unsere Bedenken in unserem Antrag zu- sammengefasst. Wir nehmen die Kritik der Kassen, der Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Rentenversicherung, der Ärzteschaft, der Arbeitgeber- Nein, jetzt nicht. verbände und auch der Sozialverbände ernst; wir befin- den uns mit unserer Haltung zu diesem Gesetzentwurf (Lachen bei der CDU/CSU – Detlef Parr [FDP]: damit in bester Gesellschaft. Dass es Äußerungen von Das hätte der Sache dienen können!) Kolleginnen der SPD-Fraktion gibt, denen der Gesetz- Ich möchte die Gelegenheit nutzen, den Gesetzent- entwurf ebenfalls noch nicht weit genug geht, unter- wurf zu begründen. Vielleicht lernen Sie dabei etwas. streicht unsere Haltung. (Zurufe von der CDU/CSU: Oh!) Auch wenn die Bundesregierung über ein Jahr für die Vorlage ihres Präventionsgesetzes gebraucht hat, wird Es ist doch so: Alle reden von Prävention. Niemand noch einmal nachzusitzen sein und der Gesetzentwurf ist dagegen, selbst die Union nicht. Tatsächlich leidet die gründlich überarbeitet werden müssen. Auch hier gilt: Prävention bis heute aber unter unklaren Begrifflichkei- Qualität geht vor Schnelligkeit. Ich sage ganz bewusst: ten, fehlenden Zuständigkeiten und zu geringen Finan- Eine Wagenburgmentalität, wie Sie sie derzeit an den zierungsmitteln. Damit machen wir mit unserem Gesetz Tag legen, ist bei diesem Thema überhaupt nicht ange- jetzt Schluss. Die Finanzausstattung von 250 Millionen bracht. Die kommende Anhörung und insbesondere die Euro ist gar nicht so viel mehr, als auch bisher jedenfalls Ausschussberatungen bieten uns jetzt die Chance für rechtlich schon möglich war. Der Unterschied ist aber, eine sachliche Diskussion, auch über die Parteigrenzen dass man jetzt nicht mehr mühsam darum kämpfen hinweg. Wir von der Union bekennen uns nachdrücklich muss, Projekte für die Vorbeugung von Krankheiten und zum Präventionsgedanken. Uns darf nicht nur die öko- für die Stärkung der Gesundheit der Menschen durch- nomische, sondern uns muss auch die ethische Sicht der führen zu können, und dass der Prävention ein selbstver- Prävention sehr wichtig sein. Denn nur ein Gesund- ständlicher Platz eingeräumt wird, sodass sie zu einer heitswesen, das die Menschen gesund erhält, statt sich weiteren Säule im Gesundheitswesen wird. im Kurieren von Krankheiten zu erschöpfen, hat seinen Nun gibt es die Kritik der Krankenkassen – Frau Kol- Namen auch wirklich verdient. legin Widmann-Mauz, diese haben Sie sich vorhin zu Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Eigen gemacht –, dass hier ausschließlich mit Mitteln der Sozialversicherung agiert werde. Man muss natür- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- lich schon sagen, dass präventive Anstrengungen auch neten der FDP) bisher schon aus Steuermitteln finanziert werden. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005 14801

Birgitt Bender (A) (Erika Lotz [SPD]: So ist es!) – Die betriebliche Gesundheitsförderung gibt es schon. (C) Sie wird weitergeführt und verstärkt. – Denken Sie etwa an die Aktivitäten der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung – dort werden immerhin (Detlef Parr [FDP]: Dann dürfen Sie einen 40 Millionen Euro investiert – und daran, was die Bun- Brummifahrer aber nicht in der Weise diskri- desernährungsministerin, Renate Künast, schon alles ge- minieren!) tan hat, um das Thema Ernährung und Bewegung und somit den Gesundheitszustand von Kindern stärker in Trotzdem ist es bedauerlich, Herr Kollege Parr, dass die den Blickpunkt der Öffentlichkeit zu rücken. Arbeitslosenversicherung bisher nicht einbezogen ist. Wir alle wissen, dass Arbeitslosigkeit – um es einmal et- (Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Viel was plakativ zu sagen – krank macht. Arbeitslose sind Werbung!) stärkeren gesundheitlichen Risiken ausgesetzt. Je länger Es ist also nicht so, dass man bisher untätig war. Jetzt die Arbeitslosigkeit dauert, desto eher verschlechtert wird die Sozialversicherung aber dazu gezwungen, ih- sich der Gesundheitszustand. Es besteht also tatsächlich rem gesetzlichen Auftrag, den es ja schon gab, auch Anlass, die Arbeitslosenversicherung einzubeziehen wirklich nachzukommen. Dafür werden die Strukturen ( [CDU/CSU]: Warum tun Sie geschaffen und erstmals werden auch die Renten-, Un- es nicht?) fall- und Pflegeversicherung einbezogen. und Projekte, die besonders arbeitslosen Menschen zu- Seitens der Kassen wird die Sorge geäußert, dass öf- gute kommen, zu fördern. fentlich finanzierte Gesundheitsdienste jetzt möglicher- weise abgebaut werden, weil man sich auf die neuen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Mittel verlässt. Dazu kann ich nur sagen: Es wird unsere sowie bei Abgeordneten der SPD) gemeinsame Aufgabe sein, darauf zu achten, dass genau dies nicht passiert. Ich will auch deutlich sagen: Die Ich will deutlich sagen: Ich halte es für äußerst unbe- Kassen sind ordnungspolitisch der richtige Ort für die friedigend, dass die private Krankenversicherung präventiven Anstrengungen. Schließlich kommt es in ih- nicht mitmacht. Die Frau Ministerin hat es schon darge- ren Haushalten – jedenfalls mittelfristig – auch zu Ein- legt: Die Maßnahmen, die in der Schule oder im Wohn- sparungen. quartier angeboten werden, richten sich natürlich nicht nur an gesetzlich Versicherte, sondern davon werden (Erika Lotz [SPD]: So ist es!) auch die Privatversicherten profitieren. Ihnen, meine Da- Frau Kollegin Widmann-Mauz, Sie sprachen vom men und Herren von der Union, liegt doch immer so viel (B) kleinen Mann und sagten, dass alles müsse aus Steuer- an der privaten Krankenversicherung. Ich finde, es wäre (D) mitteln finanziert werden. für Sie eine echte Aufgabe, mit Vertretern der privaten Krankenversicherung darüber zu reden, dass diese nicht (Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Das nur eine Aidsaufklärungskampagne machen – was schön hat niemand gesagt! – Detlef Parr [FDP]: Man ist –, sondern dass sie sich auch in die Stiftung einklin- muss schon zuhören!) ken und nicht nur von den Sozialversicherungsbeiträgen der anderen profitieren. Daneben sprachen Sie von der Rückenschule. Ich kann Ihnen nur sagen: Die Rückenschule ist zwar sinnvoll, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN aber Sie sollten sich einmal damit beschäftigen, wer dort und bei der SPD – Peter Dreßen [SPD]: hingeht. Das sind Frauen aus der Mittelschicht. Es tut ih- Schmarotzer!) nen gut. Der Brummifahrer geht dort aber nicht hin. Er kann mit Angeboten, zu denen er selbst hingehen muss, Das Präventionsgesetz ist nicht nur und auch nicht nichts anfangen. vorrangig ein Finanzierungsgesetz. Entscheidend ist, dass der Prävention im Gesundheitswesen ein fester (Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Aber Platz eingeräumt wird. Im Zentrum steht die Stiftung. die Alternative kann doch nicht sein, dass er Von dort aus wird eine Weiterentwicklung der Strukturen einen Bandscheibenvorfall bekommt!) und eine Vernetzung der verschiedenen Akteure stattfin- Auch mit Unterstützung der AOK marschiert er nach den. Es ist gut, dass über die Stiftung eine Ausrichtung Schichtende nicht in die Volkshochschule. Es braucht aller Aktivitäten an übergreifenden Präventionszielen er- Projekte, die tatsächlich im lebensweltlichen Bereich, im folgt und dass auch die Qualitätssicherung Teil dieser Wohnquartier oder im Betrieb, stattfinden, Anstrengungen ist. Damit werden wirklich alle einbezo- gen, auch diejenigen, die nicht der Mittelschicht angehö- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ren. Damit wird der Auftrag aus der Gesundheitsreform und bei der SPD) 2000, dass nämlich Prävention etwas zum Abbau gesell- damit wir gerade auch die Menschen erreichen, die nicht schaftlich bedingter Ungleichheit leisten soll, tatsächlich zur Mittelschicht gehören und die eine gesundheitliche erfüllt. Das Gesetz sieht vor, dass Maßnahmen jetzt vor Förderung oft besonders nötig haben. Die Kassen haben allem in Schulen, Kindergärten, Wohnquartieren und dafür bestimmte Strukturen aufgebaut. anderen Bereichen des Alltagslebens angeboten werden. Auf diese Weise geht man zu den Leuten hin, Frau (Detlef Parr [FDP]: Viele Betriebe und Unter- Widmann-Mauz, und wartet nicht darauf, dass sie von nehmen auch, Frau Kollegin!) selbst kommen. 14802 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005

Birgitt Bender (A) Ich will auch deutlich sagen: Dem Gesetz liegt – auch Sie vertändeln aber vor allem wertvolle Zeit, weil Sie (C) darin unterscheiden wir uns vielleicht – ausdrücklich ein immer wieder dem gesetzlichen Regulierungswahn weiter Präventionsbegriff zugrunde, der nicht nur und verfallen. auch nicht vorrangig medizinische Aspekte umfasst, sondern vor allem auch soziale Aspekte beinhaltet; denn (Widerspruch bei der SPD) Gesundheit hat etwas mit der sozialen Lage zu tun. Des- Warum war die Bundesregierung nicht davon abzubrin- wegen ist Prävention nicht vorrangig eine ärztliche Leis- gen, weitere Präventionsaktivitäten über ein solches Ge- tung. Vielmehr geht es bei Prävention darum, Menschen setz anzuschieben? zu einer selbstverantwortlichen Lebensführung zu befä- higen und sie dabei von Angehörigen verschiedener Be- (Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: So ist rufsgruppen zu unterstützen. es!) Dieses Gesetz ist ein Riesenfortschritt. Es befreit Prä- Warum verführt sie die Länder, dies mit fremdem Geld vention aus der bisherigen gesellschaftlichen Randlage. mitzutragen, mit dem diese dann ihre leeren Kassen fül- Erstmals steht die Prävention dauerhaft und institutionell len können? abgesichert auf der Tagesordnung des Gesundheitswe- sens. Damit haben wir einen großen Schritt nach vorn (Beifall der Abg. Annette Widmann-Mauz gemacht. [CDU/CSU]) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Was dabei herausgekommen ist, war vorauszusehen: und bei der SPD) 150 Seiten voller Bürokratie und Überregulierung. Wenn man die Verordnungen, die daraus folgen, noch hinzu- rechnet, dann wird das noch unüberschaubarer. Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Ich erteile das Wort dem Kollegen Detlef Parr, FDP- Was wird jetzt von dem Gesetz und von den Fraktion. 250 Millionen Euro bei den Menschen tatsächlich an- kommen? Detlef Parr (FDP): (Erika Lotz [SPD]: Wer will denn dauernd Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir alle Steuersenkungen?) haben ein Idealbild vor Augen, nämlich gesund ein ho- Erstens. Die Stiftung wird erst einmal viel Geld für Pa- hes Alter zu erreichen. Wir alle wissen: Stressfrei leben pier, Sitzungen, Reisekosten usw. ausgeben. mit gesunder und ausgewogener Ernährung, mit viel Be- (B) wegung und ohne Zigaretten, Alkohol oder sonstige Ge- (Erika Lotz [SPD]: So ein Quatsch!) (D) nussmittel sind dafür die besten Voraussetzungen. As- kese pur als Leitbild ist jedoch wenig überzeugend. Dann werden Präventionsziele und Qualitätsstandards formuliert. Diese sorgen dann dafür, dass einer solchen Dennoch ist das völlig unstrittig. Für jeden Einzelnen „Planwirtschaft“ vermutlich gleich auch erfolgreich lau- von uns sollte zum Beispiel der prognostizierte Anstieg fende Projekte zum Opfer fallen, weil sie plötzlich den von Diabeteserkrankungen als Folge von Übergewicht, Stiftungskriterien nicht mehr genügen. Tabula rasa à la Herz-Kreislauf-Problemen oder übermäßigem Drogen- Rot-Grün. konsum als Bedrohung erscheinen. (Beifall bei der FDP – Erika Lotz [SPD]: Daher begrüßt die FDP das Anliegen der Bundesregie- Unter Ihrem Niveau!) rung, der Bedeutung von Prävention verstärkt Rechnung zu tragen. Es hat lange genug gedauert, es war längst Zweitens. Die Kassen werden mit den 100 Millionen überfällig. Euro einige ihrer laufenden Projekte mehr schlecht als recht fortführen können, aber gewiss nicht alle guten (Beifall bei der FDP) Ansätze weiterentwickeln können. Die FDP-Fraktion hat bereits fast auf den Tag genau Drittens. Die Länder werden den Geldsegen von vor zwei Jahren einen wichtigen Teil der Prävention in 100 Millionen Euro dankbar in ihre leeren Haushaltskas- dem Antrag „Die Kompetenzen des Sports bei Präven- sen lenken. Für ein Mehr an Präventionsaktivitäten sehe tion und Rehabilitation besser nutzen“ zum Thema ge- ich dabei keinen Spielraum. Vorteile für den Bürger sehe macht. Rot-Grün hat fast ein Jahr benötigt, um darauf zu ich auch nicht. Die Hoffnung, mit 250 Millionen Euro antworten. Jetzt gibt es immerhin einen gemeinsamen, möglichst viele erfolgreich erreichen zu wollen, ist eu- fraktionsübergreifenden Beschluss. Ich verstehe aber phemistisch. Es ist geradezu dreist, dass mit Mitglieds- nicht, warum Sie, Frau Ministerin, wertvolle Zeit mit beiträgen der Sozialversicherten öffentliche Aufgaben überflüssigen Abstimmungen zwischen den Ministerien wahrgenommen werden – dreist den Mitgliedern gegen- vertändelt haben. Noch immer ist dem kundigen Theba- über, die Sie seit Jahren mit Leistungskürzungen kon- ner völlig unklar, was eine Ernährungs- und Bewegungs- frontieren. kampagne der grünen Verbraucherschutzministerin Künast soll, wenn ihre rote Kollegin Ulla Schmidt als (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Gesundheitsministerin exakt die gleichen Ziele verfolgt. Erika Lotz [SPD]: Sie unterstützen uns also, was die Privaten anlangt? Engagieren Sie sich, (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) damit die Privaten ihre Haltung ändern!) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005 14803

Detlef Parr (A) Es ist nicht die große Masse der Bevölkerung, die mit gestärkt wird. Aber es wäre wesentlich effizienter und (C) einer aktiven Präventionspolitik erreicht werden muss. zielführender gewesen, wenn man das Angebot der Spit- Der überwiegende Teil der Menschen kann und muss das zenverbände der Krankenkassen angenommen hätte, für sich – Frau Bender, auch der Brummifahrer gehört selbst für eine Stiftungslösung zu sorgen. Jetzt schaffen dazu – regeln. Auch der Brummifahrer kann eigenver- Sie einen bürokratischen Moloch. Er ist von den eigenen antwortlich handeln. Dafür brauchen wir ein solches Ge- Ressorts nur unter stark vernehmbarem Zähneknirschen setz und eine solche Überregulierung nicht. – daraus erklärt sich auch die lange Dauer des Verfah- rens – durchgewunken worden. Niemand, der in seiner (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Solange der Au- praktischen Arbeit mit der Prävention zu tun hat, will ßenminister mit schlechtem Beispiel voran- diesen Entwurf unterstützen. Wir warten jetzt gespannt geht, wird das nie etwas!) auf die Anhörung und die daraus folgenden Konsequen- Unser Plädoyer lautet: Eigenverantwortung stärken, zen. aber nicht die Bürger fürsorglich bevormunden und ih- Danke. nen einen bestimmten Gesundheitsstil aufzwingen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) (Zurufe von der SPD: Oh!) Gerade im Hinblick auf die knappen finanziellen Res- Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: sourcen kommt es darauf an, sich auf den Teil in der Prä- Das Wort hat nun der Kollege Götz-Peter Lohmann, vention zu beschränken, der als eine gesamtgesellschaft- SPD-Fraktion. liche Aufgabe verstanden werden muss. Zielgerichtet (Beifall bei der SPD) müssen die Menschen mit entsprechenden Maßnahmen erreicht werden, die von sich aus ohne Hilfe nicht zu ei- Götz-Peter Lohmann (SPD): nem gesundheitsbewussten Leben in der Lage sind – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In letzter ohne neue bürokratische Strukturen. Wir können die vor- Zeit fiel im Vorfeld der heutigen ersten Beratung des Ge- handenen Strukturen besser ausnutzen und sie koordinie- setzentwurfs häufig der Begriff Paradigmenwechsel. Ich ren. halte die Bemerkung für angebracht, dass unser heutiges (Erika Lotz [SPD]: Wie hätten Sie es denn traditionelles Gesundheitsmodell erfolgreich war und ist. gern?) Es hat aber Grenzen. Heute sterben die meisten Men- schen in den Industriegesellschaften an Herz-Kreislauf- Die Zuständigkeiten und Finanzverantwortlichkeiten und Krebserkrankungen. Zum Tragen kommen kom- müssen klar definiert werden. Die Sozialversicherungen plexe Faktoren wie Stress und Lebensstil. (B) dürfen nicht erneut zum Steinbruch für die Bewältigung (D) öffentlicher Aufgaben werden. Solche Verschiebebahn- Vor allem chronisch degenerative und psychische, höfe müssen der Vergangenheit angehören. insbesondere psychosomatische Erkrankungen nehmen zu. Die 1946 von der WHO getroffene Definition der (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Gesundheit als Zustand des vollständigen körperlichen, der CDU/CSU) geistigen und sozialen Wohlbefindens ist allgemein be- kannt. Die Kompetenzen und Möglichkeiten der im Ge- sundheitswesen Tätigen, vor allem der Ärzte und Zahn- Nahezu täglich wird in den Medien über Auswirkun- ärzte, müssen genutzt werden. Stattdessen schenken Sie gen gesundheitlichen Fehlverhaltens wie Fehlernährung dieser wichtigen Gruppe als idealem Anlaufpunkt in Ih- und Bewegungsmangel berichtet. Mich persönlich be- rem Gesetz kaum Beachtung. Die Ressourcen müssen drückt am meisten der immer früher einsetzende Kon- auf die Verhinderung von vermeidbaren, besonders be- sum von Tabak und Alkohol. Angesichts dieser Situation lastenden und besonders teuren Krankheiten konzentriert ist eine flächendeckende Prävention für jedermann not- werden. Sie müssen auf Kinder und Jugendliche, ältere wendig. Es geht dabei um eine Prävention von vielen für Menschen und sozial benachteiligte Gruppen konzen- viele. triert werden. Hier sind wir völlig einig. Hier müssen (Beifall bei der SPD) Prioritäten gesetzt werden. Da helfen – schauen Sie sich die Stiftungskonstruktion an – keine Zielfindungsselbst- Dabei sind viele Probleme zu lösen. Zum Beispiel erfahrungsgremien. dürfen keine Gruppe und keine Indikation ausgenommen werden. Unterschiedliche Situationen erfordern einen Weiterhin gehören die Intensivierung der Impfungs- unterschiedlichen Zugang; Gruppen mit chronischen aktivität, die Überprüfung und Evaluierung der Präven- Problemen sind anders zu erreichen als andere Gruppen. tionsmaßnahmen und die Aufklärungsarbeit, die vor al- Dadurch wird das Ganze äußerst kompliziert. lem von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung sehr gut geleistet wird, ins Zentrum unserer Ich denke, wir alle sind uns darin einig, wie schwer es Betrachtungen. Die Medien sind in diese Aufgabe über ist, Prävention richtig, intelligent, erfolgreich und effi- ihren öffentlich-rechtlichen Bildungsauftrag bzw. über zient zu gestalten. Wir alle wissen, dass Gesundheit im- freiwillige Vereinbarungen einzubeziehen. mer wieder zurückerlangt und aktiv aufrechterhalten werden muss. Die einzig mögliche Perspektive besteht Ich komme zum Schluss. Die FDP begrüßt diese De- in einer Abkehr vom Behandeln von Krankheiten zu- batte, weil die Prävention für die Gesundheitsförderung gunsten der Vermeidung von Krankheiten. 14804 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005

Götz-Peter Lohmann (A) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ ben im Sportausschuss schon zwei Anhörungen zu dem (C) DIE GRÜNEN) Komplex Prävention durchgeführt. Ich bin mir sehr si- cher, dass es uns gelingen wird, im Sportausschuss einen Ich möchte einige Anmerkungen zu den zwei Anträ- Konsens zu finden. Ich möchte in diesem Zusammen- gen der CDU/CSU und der FDP machen. Trotz differen- hang Professor Banzer zitieren, über dessen Aussagen zierter Kritik – wie ich es nenne – werte ich die beiden ich sehr glücklich und froh bin: Anträge alles in allem als Zustimmung. Ich bin optimis- tisch, dass wir während und nach der Anhörung – gege- Aus meiner Sicht ist der Gesetzentwurf für den or- benenfalls auch unter Durchführung von Änderungen – ganisierten Sport mit dem DSB an der Spitze zu einem gemeinsamen Vorgehen kommen werden. grundsätzlich als positiv zu bewerten. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ich möchte aber auch etwas zu der vorgebrachten Kri- tik anmerken. Ich füge gleich hinzu, Herr Kollege Zöller, Die Sportvereine sind explizit in das Gesetz mit dass auch ich keine Zwischenfrage dulde, weil ich in einbezogen worden. Wir haben daher eine offizielle meinem Vortrag ohne Unterbrechungen fortfahren Aufforderung durch das Gesetz erhalten, in der Prä- möchte. vention mitzuwirken. (Lachen bei der CDU/CSU) Das sind gewichtige Worte; denn Professor Banzer ist der Experte des DSB für Prävention, also eines Verban- Es ist nicht richtig, dass das BMGS so gut wie nichts des, der mit immerhin 27 Millionen bis 28 Millionen zur Prävention beiträgt. Vielmehr leistet das BMGS bzw. Mitgliedern in der Bundesrepublik nicht ganz unwichtig der Steuerzahler bereits heute einen finanziellen Beitrag ist. zur Prävention in Höhe von circa 100 Millionen Euro. Ich möchte ebenfalls aus der Stellungnahme des Frei- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten burger Kreises, der Arbeitsgruppe der größeren deut- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) schen Sportvereine, zitieren: Ich denke zum Beispiel an die Finanzierung der Bundes- Der Freiburger Kreis begrüßt es, dass die Präven- zentrale für gesundheitliche Aufklärung und der Aids- tion durch ein Gesetz als vierte Säule neben der Ku- und Suchtprävention. ration, Rehabilitation und Pflege in das Gesund- (Erika Lotz [SPD]: Da wollte die Union heitssystem integriert wird. sparen!) Weiter heißt es: (B) Ich selbst habe 1996 in der Prävention, in der Psycho- Positiv hervorzuheben sind der Vorrang der Präven- (D) prophylaxe, gearbeitet und werde nie vergessen, wie die tion vor der Kuration, Rehabilitation und Pflege Krankenkassen mir von einem Tag auf den anderen mit- und die Betonung der Eigenverantwortung. geteilt haben: Herr Lohmann, wir können Ihre präven- tive Arbeit nicht mehr bezahlen. Der Grund war – er Zum Schluss heißt es: wurde schon genannt –, dass der damalige Gesundheits- Der Freiburger Kreis begrüßt den Gesetzentwurf minister, Herr Seehofer, § 20 des SGB V gestrichen hat. und sieht darin eine große Chance, den Sport als ei- Danach war mit der Prävention schlagartig Schluss. nen Teil der primären Prävention und Gesundheits- Auch das muss an dieser Stelle einmal gesagt werden. politik im Gesundheitssystem zu etablieren. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ So weit der Freiburger Kreis. DIE GRÜNEN – Peter Dreßen [SPD]: So war es!) (Beifall bei der SPD) Ich möchte betonen, was ich an dem vorliegenden Ich möchte aber auch sagen, was mich an dem Ge- Gesetzentwurf gut finde. Ich finde gut, dass die Begriff- setzentwurf stört. Ich werde nicht alles wiederholen; nur lichkeit besser, einheitlicher geworden ist. Es wird ein- so viel: Mich stört, dass die PKV in das Präventionsge- deutig definiert, was gesundheitliche sowie primäre, setz nicht einbezogen worden ist. Ich weiß, dass es keine sekundäre und tertiäre Prävention und was Gesundheits- gesetzgeberische Kompetenz gibt, die es erlaubt, die förderung ist; denn diesbezüglich gab es in der wissen- PKV zu einer Beteiligung am Präventionssystem zu ver- schaftlichen und der pseudowissenschaftlichen Literatur pflichten. ein großes Durcheinander. Es wurde höchste Zeit, bun- Mindestens genauso stört mich das Ausklammern der desweit Einheitlichkeit herzustellen. Ich bin außerdem Arbeitslosenversicherung; denn gerade Arbeitslose ha- sehr zufrieden damit, dass die Stiftung „Prävention und ben einen hohen Bedarf an Präventionsleistungen. Ange- Gesundheitsförderung“ als Herzstück des Präventions- sichts des milliardenschweren Budgets der Arbeitslosen- gesetzes die Aktivitäten der beteiligten Sozialversiche- versicherung wäre ein angemessener Beitrag sicherlich rungsträger organisiert und koordiniert. Das ist ebenfalls beitragsneutral zu gestalten gewesen. Ein Beispiel: Es ein wesentlicher Aspekt. kann im Rahmen eines Settingansatzes in einer Kinder- Obwohl ich weiß, dass mein Sportfreund Klaus tagesstätte oder in einer Schule dazu kommen, dass Ge- Riegert gleich noch etwas dazu sagen wird – hoffentlich ringverdiener die Prävention für Kinder von Freiberuf- nehme ich nichts vorweg –, sei es mir gestattet, auf den lern und Besserverdienenden finanzieren. Das ist Anteil des Sports an der Prävention einzugehen. Wir ha- makaber und ein Widerspruch. Frau Ministerin Schmidt, Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005 14805

Götz-Peter Lohmann (A) ich fordere Sie deshalb auf: Setzen Sie Ihre Bemühungen In diesem Paragraphen wurde festgelegt, dass nur noch (C) fort, hier etwas zu verändern! Die PKV und die Arbeits- sinnvolle Maßnahmen zur Prävention gefördert werden losenversicherung müssen einbezogen werden. können. Die Selbstverwaltung hat dann einen Katalog darüber erstellt, welche Maßnahmen als sinnvoll zu er- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten achten sind. Nicht sinnvolle Maßnahmen wurden gestri- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) chen. Das ist nach wie vor richtig. Meine Damen und Herren, ich gehe davon aus, dass es uns gelingen wird – es muss uns gelingen –, die Prä- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- vention als eigenständige vierte Säule aufzubauen und neten der FDP) ein Präventionsgesetz zu formulieren und noch in die- sem Jahr in Anwendung zu bringen. Wenn uns das ge- Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: lingt, wäre das aber noch lange kein Grund für Selbstzu- Nächste Rednerin ist die Kollegin Barbara Lanzinger, friedenheit oder Arroganz – mir bleiben noch CDU/CSU-Fraktion. 42 Sekunden an Redezeit –; (Heiterkeit) Barbara Lanzinger (CDU/CSU): denn Gesundheit ist schon in der Antike ein hohes Gut Verehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und gewesen. Schon die Ärzte der Antike hatten neben der Kollegen! Dies ist nun also die erste Lesung zum Ent- Pharmazeutik und der Chirurgie eine dritte Säule: Sie wurf eines Präventionsgesetzes der Koalitionsfraktio- nannten das nicht Prävention, sie nannten das Diätetik. nen. Viele warten auf dieses Gesetz: die Leistungserbrin- Sie hatten einen ganzen Katalog von vorbeugenden Ge- ger, Interessengruppen, Verbände, Selbsthilfegruppen, wohnheiten: erstens ausgewogene Ernährung – das ist in Länder, Kommunen und selbst der Bund. Endlich kann unserem Entwurf auch enthalten –; zweitens ausreichend man so richtig loslegen – aber mit was denn? Ich hätte Bewegung; drittens – das ist in unserem Entwurf nicht erwartet, Frau Ministerin, dass Sie so richtig loslegen. so sehr enthalten – die Wohltaten von Massagen und Bä- Sie haben uns aufgefordert, diesen Gesetzentwurf dern; viertens guter Schlaf; den fünften Aspekt kann ich nicht kleinzureden. Ich würde diesen Wunsch an Ihre wegen der Würde des Hohen Hauses nicht nennen. grünen Partner und an Ihre Kollegen der SPD richten; (Heiterkeit) denn sie haben diesen Gesetzentwurf sehr wohl in sehr kleinkarierter Weise kritisiert. Gesundheit war also bereits in der Antike im Wesentli- chen eine Eigenleistung. Es war und ist geboten, diese (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- (B) durch eine vernünftige Lebensweise zu erbringen. neten der FDP) (D) Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Der Begriff Prävention wird mittlerweile vielfach und (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ in einer immensen Bedeutungsvielfalt gebraucht und die DIE GRÜNEN) Prävention wird als Zaubermittel schlechthin dargestellt. Als Zaubermittel für was? Erreichen wir mehr durch Impfung, Reihenuntersuchungen, Vorsorge, richtiges Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Essen und Verhalten, Bewegung, Gedächtnistraining? Herr Kollege Lohmann, auch die Verkündung verblei- Bekommen wir durch Prävention weniger Übergewich- bender Redezeiten kostet Redezeit tige, Suchtkranke, Depressive, psychisch Erkrankte? Ich (Heiterkeit) meine ja, wenn das Gesetz den Hauptbegriff von Präven- tion zum Inhalt hat und ihn auch umsetzt. Prävention be- und hat dem Plenum nun das Vortragen genau der Prä- deutet nämlich, aus dem Lateinischen übersetzt, vorbeu- ventionsmaßnahme vorenthalten, die die größte Auf- gen und zuvorkommen, ursprünglich sogar abschrecken, merksamkeit erzeugt hätte. wachrütteln und Unerwünschtes vermeiden. Wenn im (Heiterkeit) Präventionsgesetz Unerwünschtes definiert und den Zieldefinitionen ein zeitlicher Rahmen gesetzt wird, der Zu einer Kurzintervention erhält nun der Kollege angibt, bis wann es beispielsweise alle Akteure im Ge- Wolfgang Zöller das Wort. sundheitsbereich schaffen sollen, dafür zu sorgen, dass wieder mehr geimpft wird und dass es weniger Überge- Wolfgang Zöller (CDU/CSU): wichtige gibt, dann ist es sicherlich richtig. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Für Gesundheitsförderung und Gesundheitserhaltung Kollegin Bender und der Kollege Lohmann haben etwas kann der Gesundheitsbereich allein nicht sorgen. Eine behauptet, was eindeutig falsch ist. Sie haben gesagt, un- Vernetzung und eine Verstärkung des Engagements aller ter unserer Regierungszeit sei § 20 SGB V – Präven- Akteure im Gesundheitswesen – Sozialversicherungsträ- tion – gestrichen worden. Ich möchte feststellen: Das ist ger, betriebliche Einrichtungen, private Versicherungen, eindeutig falsch. Was damals gestrichen wurde, waren Verbände, Kommunen und Länder – sind dringend not- PR-Maßnahmen von Krankenkassen, die zum Beispiel wendig. Dieses Gesetz darf jedoch nicht eine Art Tum- Geld für Bauchtanz und Taucherbrillen ausgegeben ha- melplatz werden, auf dem man der Auffassung ist, ein ben. neuer Finanzierungstopf für bereits Vorhandenes und be- (Widerspruch bei der SPD) reits Laufendes sei gefunden. 14806 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005

Barbara Lanzinger (A) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Gerade die Kommunen scheinen mir der ursprüng- (C) neten der FDP – Peter Dreßen [SPD]: Das lichste und wichtigste Ort zu sein, um Lebenswelten, Le- müssen Sie mal den Ländern sagen!) bensumfelder zu bündeln, Schwachstellen zu erkennen und Maßnahmen zu ergreifen. Die teilweise schon vor- Dann gelingt Prävention nicht. handenen kommunalen Gesundheitskonferenzen und Vom Gesetzentwurf sind wichtige Gruppen nicht be- „gesunde Städtenetzwerke“ scheinen ein bewährtes Vor- troffen, zum Beispiel – das wurde angesprochen – die gehen zu sein. Jedoch darf dies nicht dazu führen, dass privaten Versicherungen sowie die Bundesagentur für die Kommunen und die Länder die bisher zur Verfügung Arbeit. Ich denke, hier liegen Wunsch und Wirklichkeit gestellten finanziellen Mittel kürzen, um mit Geldern der weit auseinander. Sozialversicherungen weiter zu arbeiten. Ungut ist auch, dass im Gesetzentwurf zu sehr auf die (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) primäre Prävention, also auf das Vorbeugen des erstma- So muss man nicht unbedingt der Auffassung sein, ligen Auftretens von Krankheiten, fokussiert wird. Das dass wir, wie im Gesetzentwurf formuliert, neue Länder- reicht nicht aus. Frau Kollegin Bender, Sie wünschen sich, dass wir an die Menschen herantreten. Dazu ist es und Bundesstrukturen brauchten, um zielorientiert han- notwendig, dass gerade die sekundäre und die tertiäre deln zu können. Es ist ein Trugschluss von Rot-Grün, zu Prävention noch besser verankert werden. glauben, mit immer neuen Strukturen könne man mehr und Besseres erreichen. Es gilt vielmehr, die Vielzahl (Detlef Parr [FDP]: So ist es!) schon vorhandener Strukturen auf Länder- und Bundes- ebene zu sichten, zu nutzen und entsprechend zu bün- Sekundäre und tertiäre Prävention besagt Folgendes: Ge- deln. Unbürokratisches und zielorientiertes Handeln ist rade auf die Verhütung von Verschlimmerung von Er- gefragt. Ständig zusätzliche Strukturen machen das krankungen – psychische Erkrankungen, Schmerzen, Ganze uneffizient, in der Abstimmung und der Umset- Sucht; um nur einige zu nennen – muss ein viel größeres zung schwierig. Das Ganze kostet Geld und Zeit und Augenmerk gerichtet werden. Dem wird dieses Gesetz bringt für Prävention und Gesundheitsförderung nichts. schlichtweg nicht gerecht. Wenn seine Umsetzung er- folgreich sein soll, dann dürfen wir nicht nur von der (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Förderung der körperlichen Gesundheit, sondern müssen auch von der Förderung der seelischen Gesundheit spre- Ein alter Spruch heißt: Schiebst du das Geld hin und her, chen. macht es nur die Taschen leer. Genau das trifft hier zu. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) (B) (D) der FDP) Die geplante Stiftung ist ein solches Konstrukt. Da Prävention und Gesundheitsförderung gehören zu- bleibt viel zu viel Geld hängen und kommt bei den Men- sammen und sind keine rein verhaltensbezogenen Bot- schen nicht an. schaften. Sie setzen in und an den Lebenswelten an Zum Schluss noch einmal zu den von mir eingangs – das wird im Gesetz richtig dargestellt –: Wohnumfeld, erwähnten Akteuren; Kollege Parr hat die allseits be- Schule, Kindergärten; aber die Familie, ein ganz wesent- kannte PR-Aktion der Ministerin Künast auch schon er- liches Lebensumfeld, fehlt. wähnt. Ein Ministerium macht ein Präventionsgesetz, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) das andere macht eine PR-Aktion. Es grenzt schon an Peinlichkeit, wenn diese beiden Ministerien nicht in der Dabei ist die Familie die wichtigste Lebenswelt. Wie wir Lage sind, hierbei zusammenzuarbeiten. alle wissen, leistet sie oftmals nicht mehr das Erlernen und das Trainieren von individuellen Fähigkeiten und (Detlef Parr [FDP]: So ist es!) Fertigkeiten, damit jemand für seine Gesundheit eigen- Das gehört zusammen, liebe Ministerinnen! verantwortlich sorgen kann. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Detlef Parr [FDP]: Das ist leider wahr!) Hier passiert wieder einmal etwas, was rot-grüne Po- Gerade die Familie ist als Lebenswelt der wichtigste Be- litik letztlich ausmacht und was die Menschen draußen reich, in dem man lernt, mit seinem Körper, seiner Um- satt haben. Jeder kocht sein eigenes Süppchen und welt, mit sich selbst bewusst und verantwortlich umzu- spuckt am liebsten noch in das des anderen hinein. Ein gehen. Kassensturz wäre notwendig, um festzustellen, was bis- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und her schon an Geldern vorhanden ist. Man müsste auch der FDP) einmal wissen, für was es gebraucht wird. Das Präventionsgesetz hat nur Erfolg, wenn es schon Ein Präventionsgesetz muss transparent sein, muss in vorhandene Strukturen aufgreift, vernetzt und bündelt, seinen wesentlichen Inhalten und Zielen für die Bevöl- um Veränderungen zu erreichen. Ganz elementar sind kerung verständlich sein. Prävention und Gesundheits- gesicherte Daten. Sie fehlen, auch auf Bundesebene. Ich förderung haben nur dann eine Chance, wenn das nicht möchte wissen, wie mit bereitgestelltem Geld umgegan- eine Frage der Geldverteilung wird, sondern eine Frage gen wird. der Einstellung, der Gesinnung, des Engagements, dem Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005 14807

Barbara Lanzinger (A) sich jeder verpflichtet fühlt, des Vorbeugens, des Zuvor- 2 000 Berliner sterben jährlich an den Folgen von Al- (C) kommens und des Wachrüttelns. Bewegen durch Bewe- koholmissbrauch. Die Folgen des Rauchens überleben in gung, darauf warten die Menschen. Berlin jährlich etwa 100 Männer und 700 Frauen nicht. Die Tendenz ist steigend. In Deutschland insgesamt lei- Danke schön. den über 1,2 Millionen Menschen an einer Tabletten- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- sucht. In Anbetracht dieser Zahlen wäre es aus meiner neten der FDP) Sicht nur logisch, wenn die Alkohol-, die Tabak- und vor allem die Pharmaindustrie ihren Beitrag zur Ge- sundheitsvorsorge leisten würden. Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Ich erteile der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch das Wort. (Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos]) Ich befürchte allerdings, dass die Bundesregierung die- Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos): sen nahe liegenden Gedanken nicht einmal in Erwägung Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her- gezogen hat: Aber die Beratungen beginnen ja erst. ren! Wir als PDS begrüßen das Gesetz zur Stärkung der Wir als PDS unterstützen den Gesetzentwurf zur Prä- gesundheitlichen Prävention. vention und verbinden damit die Hoffnung, dass die Ko- (Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos]) alition und die CDU/CSU zur Einsicht gelangen und den Mut aufbringen, gesundheitsbedrohende Regelungen Es ist ein erster, allerdings sehr kleiner Schritt in die wie die Praxisgebühr und die hohen Zuzahlungen zu- richtige Richtung. Auf mich macht dieses Gesetz des- rückzunehmen. halb den Eindruck eines Trostpflasters. Es ist ein Trost- pflaster für engagierte Gesundheitspolitiker, die mit der Vielen Dank. ungesunden Gesundheitsreform der großen Koalition (Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos]) von SPD, CDU/CSU und Grünen nur schwer leben kön- nen. Sie sollen mit dem Präventionsgesetz entschädigt werden. Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Doch die beste Gesundheitsvorsorge wäre eine Rück- Kollege Klaus Riegert, CDU/CSU-Fraktion. nahme der ungesunden Regelungen. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos]) (B) Die 10-Euro-Praxisgebühr und die höheren Zuzahlungen Klaus Riegert (CDU/CSU): (D) auf Medikamente und Hilfsmittel sowie bei Kranken- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Weltweite hausaufenthalten machen viele Menschen nicht gesün- wissenschaftliche Untersuchungen zeigen eindeutige Er- der, sondern erst richtig krank. Nach einem Jahr Gesund- gebnisse: Je früher Menschen mit Sport und Bewegung heitsreform gibt es Zahlen und Statistiken, die das beginnen, desto gesünder ernähren sie sich, desto weni- belegen. ger anfällig sind sie für Krankheiten und desto weniger Zahlreiche Studien zeigen, dass vor allem sozial Be- anfällig sind sie auch für den Konsum von Genussmit- nachteiligte einer besonderen gesundheitlichen Gefähr- teln. dung unterliegen. In meiner Heimatstadt Berlin – wie (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) anderswo auch – sind die Auswirkungen sozialer Unter- schiede deutlich zu erkennen. Die PDS-Senatorin Heidi Alles spricht dafür, Sport und Bewegung bei der Präven- Knake-Werner hat in ihrem Gesundheitsbericht 2003 tion eine herausragende Rolle zuzumessen. Die Bedeu- festgestellt, dass ein Mann im reichen Steglitz-Zehlen- tung des Sports bei der Prävention muss im Präventions- dorf in Berlin mit 77,2 Jahren durchschnittlich um vier gesetz verankert werden. Jahre älter wird als ein Mann, der im armen Friedrichs- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) hain-Kreuzberg in Berlin wohnt. Im armen Berlin-Neu- kölln ging die Anzahl der Arztbesuche im Vergleich zum Über die Ursachen und Folgen vieler Krankheiten reichen Steglitz-Zehlendorf um etwa das Doppelte zu- gibt es kaum Erkenntnisdefizite, dennoch nehmen zu rück. Die Praxisgebühr hat sich also als ein sozialer Se- viele Menschen diese Ursachen auf die leichte Schulter. lektionsmechanismus erwiesen. Sie steuert die sozial Das Ergebnis mangelnder Bewegung und falscher Er- Schwachen aus dem Gesundheitssystem heraus. Die Ab- nährung ist: Schon fünfjährige Kinder leiden an Alters- schaffung der Praxisgebühr und die Reduzierung der Zu- diabetes und die Zunahme der Anzahl fettleibiger Kinder zahlungen, wie wir als PDS es fordern, wären ein wirkli- ist erschrekkend. Es fehlt offensichtlich das Bewusstsein cher Beitrag zur Gesundheitsvorsorge. der Betroffenen, dass sie mehr Eigenverantwortung für die Gesundheit übernehmen müssen. Dieses Bewusst- Ich möchte abschließend etwas zur Finanzierung des sein müsste aber schon im Elternhaus herausgebildet Gesetzes sagen. 250 Millionen Euro sind wirklich nicht werden. Eltern tragen bei der Erziehung ihrer Kinder viel Geld für die Gesundheitsvorsorge von 80 Millionen auch die größte Verantwortung für deren Gesundheit. Menschen. Das sind im Jahr 3 Euro pro Person. Ich habe Das sollten sie sich stärker bewusst machen. einen Finanzierungsvorschlag, der eigentlich allen gefal- len müsste und den Sie in das Gesetz aufnehmen sollten. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) 14808 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005

Klaus Riegert (A) Obst und ein Vollkornbrot sind als Schulnahrung bes- Der Gesetzentwurf hat überwiegend Appellationscha- (C) ser als ein 5-Euro-Schein für die Currywurst oder den rakter. Er bietet keine Garantie für eine erfolgreiche Prä- Döner. Statt Geld für Videospiele auszugeben, wäre es vention, er sieht mehr oder weniger die Übernahme der sinnvoller, dieses Geld als Mitgliedsbeitrag in einem Koordinierung bereits bestehender Einrichtungen und Sportverein zu verwenden. Systeme vor und bewirkt vor allem eines: mehr Bürokra- (Beifall bei der CDU/CSU – Detlef Parr tie! Wir sollten aufpassen, dass nicht Geld für Bürokratie [FDP]: Und niedriger!) ausgegeben wird, das besser in Maßnahmen investiert werden könnte, In Kindergärten und Schulen sollte mehr Gewicht auf gesunde Ernährung und Bewegung gelegt werden. Täg- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) lich eine Stunde Bewegung ist ein Muss. Unsere Bil- dungspolitiker müssen endlich dem Sport in der Bildung oder dass gar gut funktionierende Programme, lieber mehr Gewicht verleihen. Kollege Lohmann, wie zwischen der AOK Baden- Württemberg und dem Schwäbischen Turnerbund, in- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – folge der Umsetzung dieses Gesetzentwurfs zerschlagen Peter Dreßen [SPD]: Zählen Sie mal in Bayern werden. die Sportstunden! Das müsste man verlän- gern!) (Götz-Peter Lohmann [SPD]: Tut doch 27 Millionen Mitglieder treiben in 87 000 Sportver- keiner!) einen Sport. Ich habe berechtigte Zweifel, dass das Gesetz die (Peter Dreßen [SPD]: Sport an Schulen wäre Ziele und Erwartungen erfüllt. Das Gesetz schafft eine auch nicht schlecht!) riesige Bürokratie. Aber welche Möglichkeiten haben wir, wenn die Ziele der Prävention verfehlt werden? Der Diese halten eine Infrastruktur vor, die jedem Mitglied deutsche Sport mit seiner umfassenden Infrastruktur in umfassende und vielfältige Bewegungsmöglichkeiten den Sportvereinen bietet einen hervorragenden Ansatz anbietet. Jeder kann nach seinen Interessen und Mög- zur Prävention, flächendeckend, kostengünstig und qua- lichkeiten Sport treiben. Herr Präsident, schauen wir ein- litätsgesichert. Bei allem, was gesetzgeberisch beschlos- mal selbstkritisch in unsere Reihen: Der eine oder die andere könnte sich mehr bewegen und stärker auf die Er- sen wird: Ohne Sport und Bewegung ist Prävention nicht nährung achten. möglich. Wir sollten nicht vergessen: Sportförderung und die Unterstützung unserer Sportvereine ist die beste (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der Prävention. SPD und der FDP) (B) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (D) In diesem Zusammenhang weise ich auf das Angebot der Sportgemeinschaft Deutscher Bundestag hin. Da können Deshalb ist dem Sport und den Sportvereinen im Präven- auch wir Sport treiben. tionsgesetz eine hervorgehobene Stellung zuzuordnen. Unsere Sportvereine unterbreiten darüber hinaus von Danke schön. den Krankenkassen und Ärzten geprüfte und anerkannte qualitätsgesicherte Gesundheitsangebote. Sie könnten (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) dies aufgrund der Organisationsstruktur flächendeckend für zusätzlich 5 Millionen Menschen anbieten. Die Krankenkassen müssten dafür pro Jahr und Versicherten Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: 1,50 Euro aufbringen. Machbar wäre das heute schon. Ich schließe die Aussprache. Die Krankenkassen sind sich der Bedeutung von Präven- tion durchaus bewusst. Sie sind bereit, von den Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent- 2,56 Euro mehr Geld für Prävention bereitzustellen, weil wurfs auf Drucksache 15/4833 an die in der Tagesord- sie wissen, dass auf sie eine gewaltige Kostenlawine zu- nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Die Vor- rollt, wenn nicht schnell gehandelt wird. Vor allem, lage auf Drucksache 15/4671 soll an dieselben wenn nicht unverzüglich bei Kindern und Jugendlichen Ausschüsse und zusätzlich an den Ausschuss für Touris- mit der Prävention begonnen wird. mus, nicht jedoch an den Haushaltsausschuss gemäß § 96 der Geschäftsordnung überwiesen werden. Die Vor- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und lage auf Drucksache 15/4830 soll an die in der Tagesord- der FDP) nung aufgeführten Ausschüsse überwiesen werden. Sind Für diese Bundesregierung ist Sport mit Glanz und Sie damit einverstanden? – Das ist offenkundig der Fall. Glamour verbunden. Wenn eine Kamera da ist, sitzt der Dann ist das so beschlossen. Minister Schily immer in der ersten Reihe. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 23 sowie den (Widerspruch bei der SPD) Zusatzpunkt 9 auf: Frau Künast glänzt aber heute durch Abwesenheit. Es ist 23 Erste Beratung des von den Abgeordneten somit nicht verwunderlich, dass dem Sport als Mittel der Wolfgang Bosbach, Hartmut Koschyk, Thomas Prävention in diesem Gesetzentwurf keine besondere Strobl (Heilbronn), weiteren Abgeordneten und Bedeutung zugemessen wird. der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten (Beifall bei der CDU/CSU) Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005 14809

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert (A) Gesetzes über befriedete Bezirke für Verfas- Herbst 2004: Die NPD meldet für den 7. und 8. Mai (C) sungsorgane des Bundes (BefBezÄndG) 2005 Demonstrationen an. Geplanter Weg: Neue Wache, Brandenburger Tor, Holocaust-Mahnmal. – Drucksache 15/4731 – Überweisungsvorschlag: 11. Februar 2005: Die beiden Verfassungsminister Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Brigitte Zypries und Otto Schily erkennen auf einmal, Geschäftsordnung (f) dass Eile geboten ist, und stellen einen eigenen Gesetz- Innenausschuss entwurf vor. Geändert werden sollen das Strafgesetzbuch Auswärtiger Ausschuss Rechtsausschuss und das Versammlungsgesetz, um derartige Neonazi- demonstrationen wirksam verhindern zu können. ZP 9 Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN einge- 15. Februar 2005: Die rot-grüne Koalition kassiert brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung Teile dieses Gesetzentwurfes wegen verfassungsrechtli- des Versammlungsgesetzes und des Strafge- cher Bedenken und kündigt einen eigenen Gesetzent- setzbuches wurf an. – Drucksache 15/4832 – Dieser Ablauf hat viel mit politischer Realsatire, aber überhaupt nichts mit einer seriösen Politik zu tun. Überweisungsvorschlag: Innenausschuss (f) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Rechtsausschuss Dass wir Demonstrationen von Neonazis nicht grund- Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für sätzlich verbieten können, ist klar. Auch Extremisten diese Aussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre sind Träger von Grundrechten. Auch für sie gilt grund- keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. sätzlich das Recht auf Demonstrationsfreiheit. Solange Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zu- die NPD nicht verboten ist, muss sie behandelt werden nächst dem Kollegen Wolfgang Bosbach für die CDU/ wie andere Antragsteller auch. Das kann aber doch nicht CSU-Fraktion. im Umkehrschluss bedeuten, dass wir verfassungsrecht- lich verpflichtet sind, der NPD oder den Jungen Natio- (Beifall bei der CDU/CSU – Hubert Hüppe naldemokraten auch noch besonders sensible Orte von [CDU/CSU]: Guter Mann!) herausragender nationaler, historischer Bedeutung als medienwirksame Kulisse für ihre unappetitlichen Auf- Wolfgang Bosbach (CDU/CSU): züge zur Verfügung zu stellen. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um die (Beifall bei der CDU/CSU) (B) Debatte heute Morgen besser verstehen zu können, müs- (D) sen wir einen Blick zurückwerfen: Das Brandenburger Tor ist nicht nur ein Symbol für das wiedervereinigte Deutschland, wie es in der Vergan- 29. Januar 2000: Neonazis marschieren mit schwarz- genheit ein Symbol für die deutsche Teilung war. Es ist weiß-roten Fahnen durch das Brandenburger Tor. Die leider auch ein Symbol für Hitlers Machtergreifung. Die Bilder gehen um die Welt. Der Ort und der Zeitpunkt Bilder vom 30. Januar 1933 müssten uns eigentlich alle sind ganz bewusst gewählt worden: Der 27. Januar erin- in Erinnerung sein. Die NPD will gerade deshalb dort nert an die Befreiung des Konzentrationslagers Ausch- demonstrieren, weil sie ihren Aufzügen eine Prägung ge- witz, der 30. Januar an die Machtergreifung Hitlers ben möchte, die an die Nazizeit erinnert. Diese Bilder 1933. gehen um die Welt. Sie diskreditieren nicht nur Berlin, 17. September 2000, 17 Uhr, Hamburg, 50. Geburts- sie diskreditieren ganz Deutschland und unsere Demo- tag der Gewerkschaft der Polizei: Der Bundeskanzler kratie. Deshalb sollten wir sie zukünftig verhindern. verkündet lautstark, er könne niemandem erklären, wa- (Beifall bei der CDU/CSU) rum es die Bundesrepublik Deutschland zulasse, dass Neonazis durch das Brandenburger Tor marschierten; Uns sollte es nicht egal sein, welches Bild die Welt solche Bilder gingen um die Welt und würden unser von unserem Land hat. Wenn es die Koalition in der Ver- Land blamieren. Das Demonstrationsrecht müsse drin- gangenheit nicht abgelehnt hätte, den Ländern die Mög- gend geändert werden. – Donnernder Applaus. Was tut lichkeit zu geben, befriedete Bezirke an solchen Orten der Kanzler daraufhin? – Nichts. einzurichten, dann müssten wir diese Debatte heute nicht führen. 27. November 2000: Die CDU/CSU-Fraktion bringt einen Gesetzentwurf ein, der unter anderem vorsieht, für Alternativ schlagen wir vor, den befriedeten Bezirk Orte von herausragender nationaler und historischer Be- Deutscher Bundestag, den es jetzt schon gibt, um die deutung befriedete Bezirke auszuweisen, wenn die Liegenschaften Holocaust-Mahnmal und Brandenbur- Bundesländer dies wünschen, beispielsweise im Falle ger Tor auszuweiten und zukünftige Aufzüge nach dem des Holocaust-Mahnmals, aber auch der Neuen Wache Prinzip „Verbot mit Erlaubnisvorbehalt“ zu regeln. Da- und des Brandenburger Tores. Entscheidend ist für uns gegen gibt es Bedenken. Diese Bedenken müssen wir der Schutz – ob durch ein Bundesgesetz, eine Rechtsver- berücksichtigen und ernst nehmen. ordnung oder ein Ländergesetz ist demgegenüber zweit- Zunächst möchte ich auf eine Entscheidung des Ober- rangig. verwaltungsgerichtes Münster vom Dezember 1993 im 16. Mai 2002: Rot-Grün lehnt das Gesetz ab. Zusammenhang mit der Bonner Bannmeile hinweisen. 14810 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005

Wolfgang Bosbach (A) Auch damals war das Prinzip „Verbot mit Erlaubnisvor- die Grenzen des befriedeten Bezirks: Wir schützen das (C) behalt“. Das Oberverwaltungsgericht Münster hat zwar Parlament der Bäume. Wir schützen die Spree. eine Demonstration in der Bannmeile genehmigt. Man muss aber wissen, um welchen konkreten Fall es sich ge- (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE handelt hat: 25 Greenpeace-Aktivisten wollten in der sit- GRÜNEN]: Wir schützen den Reichstag! Das zungsfreien Zeit vor dem Haus der Bundespressekonfe- stimmt!) renz demonstrieren, weil darin der australische Wir schützen die Schweizer Botschaft. Wir schützen das Premierminister eine Pressekonferenz zu einer Antarktis- Sowjetische Ehrenmal. problematik abhielt. (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Französische (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Das konnte Botschaft!) man auch genehmigen!) Ich bitte darum, dass Sie mir hier gleich erklären, wieso Dies mit dem Vorgang zu vergleichen, dass Tausende die Schweizer Botschaft und das Sowjetische Ehrenmal von Neonazis in Sichtweite des Reichstagsgebäudes einen größeren Bezug zum Deutschen Bundestag und durch das Brandenburger Tor marschieren, halte ich für zur Arbeit des Parlaments haben als das Brandenburger ziemlich abwegig, jedenfalls nicht für zwingend gebo- Tor. Auch die Französische Botschaft liegt im befriede- ten. ten Bezirk. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU – Thomas Strobl Jetzt kommen wir zu dem Hauptargument der Grü- [Heilbronn] [CDU/CSU]: Und die Dresdner nen. wird vorgestern mit den Worten zitiert: Bank!) Wir können doch nicht den befriedeten Bezirk Deutscher Wir sind bereit, den Gesetzentwurf der Koalition Bundestag ausweiten und damit „halb Berlin-Mitte“ von wohlwollend zu prüfen. Wenn es Orte gibt, die des be- Demonstranten freihalten. sonderen Schutzes bedürfen, wie beispielsweise das Ho- (Lachen bei der CDU/CSU) locaust-Mahnmal, aber dann natürlich auch die Orte des authentischen Geschehens, wie die Konzentrationslager, Es ist auf den ersten Blick ein gewichtiges Argument. sind wir gerne bereit, gemeinsam mit Ihnen diese Orte Man muss aber einmal schauen, ob es zutrifft. Der Be- zu schützen. zirk Berlin-Mitte ist 3 947 Hektar groß. Wir sollten uns auch nicht über Punkte streiten, in de- (Lachen bei der CDU/CSU) nen wir uns eigentlich einig sind, nur um des Streites (B) Die Fläche des jetzigen befriedeten Bezirks umfasst ge- willen. (D) nau 1,2 Prozent dieser Fläche; nach unseren Vorstellun- gen wären es zukünftig 1,5 Prozent. Wenn Sie sagen, die (Beifall des Abg. Dr. Dieter Wiefelspütz um 0,3 Prozentpunkte vergrößerte Fläche sei ein verfas- [SPD] sowie der Abg. [Augs- sungswidriger Eingriff in die Grundrechte der Demons- burg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Ute tranten, dann dürfen Sie uns nicht böse sein, dass wir Kumpf [SPD]: Genau!) dieses Argument nicht nachvollziehen können. Wenn Sie aber das Hauptproblem nicht lösen, werden (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU so- Sie und werden wir alle unserer besonderen Verantwor- wie bei Abgeordneten der FDP) tung nicht gerecht. Laut Reuters hat der Kollege Dr. Wiefelspütz das Ar- Danke. gument vorgebracht: Wir lehnen den Vorschlag der (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU – Bei- Union ab, weil das Brandenburger Tor keinen Bezug fall bei Abgeordneten der FDP) zum Parlament und keinen Bezug zur NS-Geschichte hat. Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: (Zurufe von der CDU/CSU: Oh!) Das Wort hat nun die Kollegin Erika Simm, SPD- Das Bild von den durch das Brandenburger Tor mar- Fraktion. schierenden Nationalsozialisten müsste Ihnen eigentlich bekannt sein, Herr Kollege Wiefelspütz. Erika Simm (SPD): (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Zuruf von der CDU/CSU: Peinlich!) Kollegen! Herr Kollege Bosbach, phasenweise hat hier nicht die Ernsthaftigkeit geherrscht, Sie wollen gerade an diesem Ort demonstrieren, weil sie an Hitlers Machtergreifung erinnern wollen. (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Wie bitte?) (Zuruf von der CDU/CSU: Jawohl! – Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Geschichts- mit der man dieses Thema eigentlich angehen müsste. los!) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Da Sie fragen, was das Brandenburger Tor mit dem DIE GRÜNEN – Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Deutschen Bundestag zu tun hat, zeige ich Ihnen einmal Aber Frau Simm!) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005 14811

Erika Simm (A) Ich vermisse eine etwas vertieftere Auseinandersetzung – Natürlich war das so. Wir sind davon in der Neurege- (C) mit den rechtlichen Rahmenbedingungen, in denen lung mit gutem Grund abgewichen. wir uns bei diesem Thema zwangsläufig bewegen müs- sen. Es gibt gesicherte Rechtsprechung zu dem Thema. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Das OVG Münster hat – auch wenn Sie das bagatellisiert DIE GRÜNEN) haben – sehr grundsätzliche Ausführungen gemacht, die Ihr Vorgehen bringt Sie auch nicht weiter; denn dann, ich für mich schon als verbindliche Richtschnur für die wenn das Schutzgut „Arbeitsfähigkeit des Parlamentes“ Ausweitung der befriedeten Bezirke annehme. nicht durch eine konkret geplante Demonstration gefähr- Welches sind die rechtlichen Rahmenbedingungen, in det ist, haben Sie die entsprechende Erlaubnis zu ertei- denen wir uns bewegen? Befriedeter Bezirk heißt Ein- len. schränkung des Versammlungsrechts. Art. 8 Abs. 1 (Jörg van Essen [FDP]: So ist es!) Grundgesetz garantiert allen Deutschen, sich ohne Er- laubnis frei zu versammeln. Art. 8 Abs. 2 Grundgesetz Dann reduziert sich das Ermessen auf null. Das hat das gibt die Möglichkeit, dieses in der Demokratie beson- OVG Münster in seiner Entscheidung von 1993 dezidiert ders hochrangige Grundrecht durch einfaches Gesetz gesagt. einzuschränken. Solche einschränkenden Gesetze sind (Jörg van Essen [FDP]: Genauso ist es!) das Versammlungsgesetz und das Gesetz über befriedete Bezirke für Verfassungsorgane des Bundes, das wir nach Darin ist immer wieder von der Ermessensreduzierung dem Umzug nach Berlin neu geregelt haben. auf null die Rede. Wenn Sie das Urteil wirklich gelesen haben, werden Sie das festgestellt haben. (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Etwas ganz Neues!) Ergebnis der Prüfung, die wir innerhalb der SPD- Fraktion vorgenommen haben, ist, dass uns und Ihnen Auch wenn Art. 8 Abs. 2 Grundgesetz die Möglich- eine Erweiterung des befriedeten Bezirkes überhaupt keit gibt, die Versammlungsfreiheit durch einfaches nichts in dem Bemühen bringt, rechtsextremistische Gesetz einzuschränken, heißt das nicht, dass diese Ein- Aufmärsche und Demonstrationen im Bereich des Bran- schränkung beliebig vorgenommen werden kann. denburger Tores und des Holocaust-Denkmals zu ver- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des hindern. BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Dazu gibt es nicht nur die Entscheidung des OVG Müns- BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (B) ter, sondern insbesondere auch die Brokdorf-Entschei- Da ich davon ausgehen muss, dass Ihnen durchaus be- (D) dung des Bundesverfassungsgerichts. Diese legen gesi- wusst ist, wie die Rechtslage ist, bzw. zu Ihren Gunsten cherte Rahmenbedingungen fest, in denen wir uns zu unterstelle, dass Sie sich mit ihr befasst haben – diejeni- bewegen haben, wenn wir entsprechende Gesetze ma- gen von Ihnen, die sich bisher zu diesem Problem öffent- chen oder ändern. lich artikuliert haben, sind ja auch entweder Innenpoliti- Nach dieser gesicherten Rechtsprechung ist eine Ein- ker oder aber ich kenne sie als Rechtspolitiker aus dem schränkung des Versammlungsgrundrechts nur zum Rechtsausschuss –, frage ich mich: Was soll dieser Ge- Schutz gleichwertiger anderer Rechtsgüter zulässig. Au- setzentwurf, wenn es Ihnen wirklich darum geht, rechts- ßerdem muss der Wesensgehalt des Grundrechts immer extremistische Aktivitäten ernsthaft einzuschränken und erhalten bleiben. zu bekämpfen? Welches sind dann im konkreten Fall der Bannmeile (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ – um den alten Begriff zu verwenden – die anderen DIE GRÜNEN) gleichwertigen Rechtsgüter, zu deren Schutz wir das Herr Bosbach, Sie haben von Seriosität gesprochen. Versammlungsrecht einschränken? Das ist – auch das ist Ich halte diesen Gesetzentwurf für nicht seriös. mittlerweile allgemeine Ansicht – die Funktions- und Arbeitsfähigkeit der Verfassungsorgane, die durch (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des den befriedeten Bezirk geschützt werden sollen, in unse- BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) rem Fall also des Deutschen Bundestages. Nur zu dessen Für mich stellt er vielmehr Aktionismus dar: Schutz dürfen wir das Versammlungsrecht einschränken. Das gilt sowohl, was die Größe des befriedeten Bezirks (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: So angeht, als auch, was die Zulässigkeit von Ausnahme- kommen wir sicher gut zusammen!) genehmigungen für Versammlungen innerhalb des be- friedeten Bezirkes angeht. Man tut so, als wolle man etwas erreichen – mit einem völlig untauglichen Instrument. Sie wenden jetzt einen juristischen Trick an, indem Deswegen werden wir diesen Gesetzentwurf ableh- Sie künftig im Gesetz ein generelles Verbot mit Erlaubnisvorbehalt formulieren wollen. nen und stattdessen das machen, was sinnvoll erscheint: entsprechende Regelungen im Versammlungsrecht (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Das schaffen, das Strafrecht in § 130 Strafgesetzbuch, war in Bonn schon so! Das ist kein juristischer Volksverhetzung, verschärfen – dieser Paragraph hat ja Trick!) wieder mittelbar Einfluss auf die Genehmigungsfähigkeit 14812 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005

Erika Simm (A) von Demonstrationen – und versuchen, den vielfältigen Man freut sich zwar, wenn man Recht behält, aber in (C) Anliegen der Öffentlichkeit, gerade auch von Bürger- diesem Fall muss ich sagen: Leider haben wir Recht be- meistern, Rechnung zu tragen. halten haben; denn die NPD hat in Karlsruhe – das muss man leider feststellen – einen Sieg über die Verfassungs- Ich fordere Sie hiermit herzlich auf, mit Ihrem juristi- organe davongetragen. schen Sachverstand, den ich Ihnen, wie gesagt, nicht ab- spreche, Ich hatte gehofft, dass man daraus lernt und auch (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Das Konsequenzen für die politische Diskussion zieht. Heute ist aber nett!) erleben wir eine Debatte, die deutlich macht, dass das leider nicht der Fall gewesen ist. Wer gegen Neonazis daran mitzuwirken. vorgehen will, der muss streng auf dem Boden der Ver- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ fassung agieren. Nur dann zeigt er die Stärke der Demo- DIE GRÜNEN – Wolfgang Bosbach [CDU/ kraten. CSU]: Der letzte Satz war gut!) Die Diskussion der vergangenen Tage hat gezeigt, dass die Vorschläge, um die es heute geht, in vielfältiger Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Form fragwürdig sind. Ich erteile das Wort dem Kollegen Jörg van Essen, (Jörg Tauss [SPD]: Ja!) FDP-Fraktion. Das hat beispielsweise dazu geführt, dass der Gesetzent- Jörg van Essen (FDP): wurf der Bundesregierung, der von der Bundesjustiz- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! ministerin und vom Bundesinnenminister erarbeitet wor- Kollege Bosbach ist mit einem Rückgriff in die Historie den war, von den Koalitionsfraktionen nicht in den gestartet. Er hat auf einige Gesichtspunkte hingewiesen, Bundestag eingebracht und unterstützt worden ist. die wir tatsächlich zu berücksichtigen haben. Auch für (Dr. [FDP]: Sehr richtig! meine Fraktion ist es ganz selbstverständlich, dass Neo- Ja! – Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Das war nazis am 8. Mai nicht durch das Brandenburger Tor mar- auch nicht so vorgesehen!) schieren dürfen. Man hat sich auf einen anderen Vorschlag geeinigt, der (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten allerdings, wie die Diskussion der Fachleute gezeigt hat, der CDU/CSU – Hans-Christian Ströbele ebenfalls höchst fragwürdig ist. [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das werden (Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: So ist das (B) sie auch nicht!) (D) nämlich!) – Auch ich bin sicher, Herr Ströbele, dass sie das nicht tun werden; denn die Demokraten stehen zusammen. Dabei geht es zum Beispiel um folgende Fragen: Ent- spricht das Verharmlosen dem Bestimmtheitsgebot von (Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ Art. 103 des Grundgesetzes? DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) (Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das haben wir noch gar nicht Wer aber den Blick zurückwirft, muss natürlich auch ein anderes Ereignis erwähnen, das uns als Liberale ganz eingebracht!) außerordentlich beschäftigt hat: der Gang der verschie- Können die symbolträchtigen, schützenswerten Orte denen Verfassungsorgane zum Bundesverfassungsge- durch eine Rechtsverordnung festgelegt werden? Wir richt in Sachen NPD-Verbot. SPD, CDU/CSU und geben auf diese Fragen eine klare Antwort: Das ist Bündnisgrüne haben diesen Antrag hier im Bundestag selbstverständlich nicht der Fall. unterstützt, wir als FDP bewusst nicht – nicht, weil wir die NPD als nicht gefährlich betrachten; das tun wir (Beifall bei der FDP) selbstverständlich. Ich tue dies auch ganz persönlich, Deshalb lautet unsere klare Aufforderung an alle, keine weil ich als junger Staatsanwalt in einer Staatsschutzab- mit heißer Nadel genähten Gesetze durch das Parlament teilung für die Bekämpfung der NPD zuständig war und zu peitschen. nicht nur die Verfassungswidrigkeit dieser Partei deut- lich mitbekommen habe, sondern auch ihre Gefährlich- (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr wahr!) keit, weil viele ihrer Anhänger ständig Verstöße gegen Das würde nur Schwäche, nicht aber Stärke der Demo- das Waffengesetz begangen haben. kratie zeigen – Stärke, die wir gerade gegenüber den Aufgrund dieser Tätigkeit war mir die V-Mann-Pro- Neonazis demonstrieren müssen. blematik bekannt. Wir haben davor gewarnt und als (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Rechtsstaatspartei deutlich gemacht, dass das Verbot ei- der CDU/CSU) ner Partei in einer Demokratie das letzte Mittel sein muss. Nicht die heiße Nadel ist also gefordert, sondern der kühle Kopf. (Beifall bei der FDP – Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Das hat aber mit den Demonstra- Wir als FDP stellen fest, dass die bestehenden Ge- tionen nichts zu tun!) setze ausreichen, um das, was für den 8. Mai geplant ist, Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005 14813

Jörg van Essen (A) zu verhindern. Das ist ganz offensichtlich auch die Mei- (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Und (C) nung von Volker Beck, der das heute Morgen im „Mor- den der Bundesregierung auch!) genmagazin“ des ZDF so deutlich zum Ausdruck ge- weil sich die bisherige Eingrenzung bewährt hat, weil bracht hat. Er sagt: Wir wollen ein Zeichen setzen. – die Arbeitsfähigkeit des Parlaments auch durch Neonazi- Genau das ist nicht die Aufgabe der Gesetzgebung. Die aufmärsche am Brandenburger Tor nicht bedroht ist und Gesetzgebung muss dann eingreifen, wenn tatsächlich weil die gegenwärtige Diskussion über Neonaziumtriebe Defizite vorhanden sind, die abgebaut werden müssen. nicht dazu missbraucht werden darf, um am, vor dem Das haben Ihnen in den letzten Tagen nicht nur die und hinter dem Brandenburger Tor so etwas wie eine de- Journalisten aufgezeigt – der Leitartikel gestern in der monstrationsfreie Zone zu schaffen. „FAZ“ zum Beispiel war wirklich bemerkenswert, nach- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) denkenswert –, sondern das sagen Ihnen auch die Experten. Wenn Sie Professor Battis nicht trauen, dann Dieser Platz um das Brandenburger Tor hat sich nach weise ich auf den Präsidenten des Bundesverwaltungs- dem Fall der Mauer zum wichtigsten Demonstrationsort gerichtes hin. Auch der oberste Verwaltungsrichter in in Deutschland entwickelt und das soll auch so bleiben. Deutschland sagt klar und deutlich, dass die Haltung (Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Haben Sie meiner Fraktion, dass die bestehenden Gesetze ausrei- auch schon dort demonstriert?) chen, richtig ist. Wir Grünen wissen, welch hohes Gut das Recht ist, ge- (Beifall bei der FDP) rade auch an herausgehobenen Stellen zu demonstrieren; Die letzten Tage haben gezeigt, dass Diskussionsbe- wir sind eine Partei, die geradezu aus dem Demonstra- darf besteht und dass viele der Vorschläge, die angedacht tionsrecht geboren worden ist. sind, offensichtlich nicht tragen. Daher habe ich die (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – herzliche Bitte an Sie, dieses Gesetz, um die Demokratie Lachen bei der CDU/CSU – Dr. Dieter zu stärken, nicht in der nächsten Woche durch den Bun- Wiefelspütz [SPD]: Jetzt weiß ich Bescheid, destag zu peitschen, sondern eine Anhörung durchzufüh- Herr Ströbele!) ren, um zu überprüfen, ob die geplanten Regelungen wirklich tragen. Das, was Kollegin Simm zum Thema Wir haben jetzt einen Gesetzentwurf vorgelegt, nach befriedete Bezirke vorgetragen hat, trifft zu. Die Patent- dem Demonstrationen auch in der Nähe des Holocaust- lösung, die Kollege Bosbach uns vorgestellt hat, ist Denkmals erlaubt sind – auch dort soll die Auseinander- keine; ganz im Gegenteil – Frau Kollegin Simm hat das setzung in Form von öffentlichen Demonstrationen statt- auf wirklich beeindruckende Weise vorgestellt –, es finden dürfen –, allerdings stellen wir klar, dass am Ho- (B) bringt uns nicht weiter. locaust-Denkmal die Menschenwürde der Opfer der (D) deutschen Naziverbrechen nicht erneut in den Schmutz (Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD und gezogen werden darf, indem geleugnet und verharmlost des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) wird; das ist der Inhalt unseres Gesetzentwurfs. Deshalb richte ich den herzlichen Appell an uns alle, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dass wir uns an dem orientieren, was uns die Dresdner sowie bei Abgeordneten der SPD) Bevölkerung am letzten Wochenende gezeigt hat. Sie hat einen kühlen Kopf bewahrt, das Geschehen bestimmt Ich sage Ihnen, Herr Bosbach: Die für den 8. Mai die- und sich nicht von den Neonazis treiben lassen. Genauso ses Jahres angemeldete Demonstration der Neonazis müssen auch wir agieren. Das ist die Linie meiner Frak- wird am Brandenburger Tor nicht stattfinden. Die Berli- tion. ner werden verhindern, dass die Neonazis durch das Brandenburger Tor ziehen; sowohl die Behörden in Ber- Vielen Dank. lin als auch die Bevölkerung von Berlin werden das ver- hindern. Ich glaube, darauf können wir vertrauen, (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNIS- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN SES 90/DIE GRÜNEN) sowie bei Abgeordneten der SPD) unabhängig davon, ob wir ein neues Gesetz haben oder Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: nicht. Das Wort hat nun Hans-Christian Ströbele, Noch eine letzte Bemerkung, Herr Kollege Bosbach: Bündnis 90/Die Grünen. Mir geht es nicht in erster Linie darum, ob hässliche Bil- (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Der ist wirklich der um die Welt gehen, auf denen Neonazis zu sehen ein Experte in Sachen Demonstrationen!) sind, die auf einer Demonstration durch das Brandenbur- ger Tor ziehen. Mir persönlich geht es darum – uns allen Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE sollte es persönlich darum gehen –, dass für uns uner- GRÜNEN): träglich sein muss, dass braune Kolonnen gerade an die- sem 60. Jahrestag der Befreiung erneut durchs Branden- Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! burger Tor marschieren. Wir lehnen den Gesetzentwurf der Union, durch den der befriedete Bereich um das Parlament erheblich erweitert (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN werden soll, ab, sowie bei Abgeordneten der SPD) 14814 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005

Hans-Christian Ströbele (A) Es geht um uns alle, es geht nicht in erster Linie um die (Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE (C) Bilder, die um die Welt gehen. Denn Demonstrationen, GRÜNEN]: Das ist der Druck der FDP in die letztlich der Wiederbelebung des Nationalsozialis- Rheinland-Pfalz!) mus in Deutschland dienen, sind keine bloße Meinungs- bekundung, sondern das sind Verbrechen. Herr Minister Schily, Sie haben jetzt zwei Jahre lang mit Ihren Innenministerkollegen aus den Ländern darum (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gerungen, Eckpunkte für einen Gesetzentwurf zur Ver- sowie bei Abgeordneten der SPD) schärfung des Versammlungsrechts zu entwickeln. An die Adresse der FDP sage ich: Man merkt, dass Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Sie in den Ländern nicht so die Regierungsverantwor- Das Wort hat nun der Kollege Hartmut Koschyk, tung tragen. Sie lehnen sich bei diesem Thema zurück CDU/CSU-Fraktion. und sagen, dass man hier überhaupt keine Veränderung braucht. Mit dieser Position machen Sie es sich zu leicht. Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Herr Ströbele, Sie hätten Ihre kurze Redezeit nicht (Jörg van Essen [FDP]: Die hat sogar der Prä- mit so viel Emphase vertun sollen. Sie hätten hier im sident des Bundesverwaltungsgerichts! – Silke Deutschen Bundestag auch einmal deutlich machen sol- Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- len, dass nicht einmal der abgespeckte Gesetzentwurf, NEN]: Da, wo sie regieren, tun sie das Gegen- den die Koalitionsfraktionen uns heute präsentieren teil! Schauen Sie sich Niedersachsen einmal – ohne den Verbotsgrund, für den Frau Ministerin an!) Zypries und Herr Minister Schily am letzten Freitag Fragen Sie bitte auch einmal die Länder, in denen Sie die noch standen –, Ihre Zustimmung findet. Denn als Welt- Regierungsverantwortung mittragen, gerade auch das kind in der Mitten sind Sie gegen jede Beeinträchtigung Land Rheinland-Pfalz, das heute Wert darauf legt, dass des Versammlungsrechts in der heutigen Form. im Bundesrat ein solcher Gesetzentwurf auf die Tages- (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE ordnung kommt. Die Haltung der FDP, man müsse hier GRÜNEN]: Stimmt doch gar nicht!) überhaupt nichts verändern, trägt dem Problem, das exis- tiert und gelöst werden muss, nicht in notwendigem Maß Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, es Rechnung. ist die Untätigkeit von Rot-Grün, die jetzt diesen gesetz- geberischen Aktionismus zur Folge hat. Denn nach dem (Jörg van Essen [FDP]: Der Präsident des Januar 2000, als die beschämenden Bilder von NPD-An- Bundesverwaltungsgerichts sieht das so wie (B) hängern, die mit ihren unsäglichen Parolen und schwarz- wir!) (D) weiß-roten Fahnen durch das Brandenburger Tor mar- schiert sind, um die Welt gingen, hat zwar der Bundes- Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: kanzler großspurig angekündigt, man werde Verände- Herr Kollege Koschyk, gestatten Sie Zwischenfra- rungen am Versammlungsrecht vornehmen. Aber seit gen? dem Januar 2000 ist auf Koalitionsebene nichts getan worden. Hartmut Koschyk (CDU/CSU): ( [CDU/CSU]: Wie im- Ja. mer!)

Wir haben damals einen Gesetzentwurf vorgelegt, Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: von dem wir kritisch zurückblickend sicher sagen müs- Aufgrund der Reihenfolge der Wortmeldungen ist zu- sen, dass er bei einer Anhörung verfassungsrechtlich nächst der Kollege Wiefelspütz zu berücksichtigen. – deutliche Schwächen gezeigt hat. Nur wundert es mich Bitte schön. schon – das einmal an die Adresse der Koalition –, dass der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Beck zeit- gleich zu unserer Debatte darauf besteht, im Bundesrat Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD): einen Gesetzentwurf des Landes Rheinland-Pfalz aus Geschätzter Kollege Koschyk, Sie kommen aus dem dem Jahr 2000, wunderschönen Land Bayern. (Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Bravo! Ge- (Beifall bei der CDU/CSU – Wolfgang nau richtig!) Bosbach [CDU/CSU]: Jetzt setzen!) der bemerkenswerte Parallelen zum damaligen Gesetz- Ich möchte Ihnen die ernsthafte Frage stellen, was Ihr entwurf der Union hat, auf die Tagesordnung zu setzen. Gesetzentwurf, mit dem Sie die Bannmeile in Berlin auf (Beifall bei der CDU/CSU) das Brandenburger Tor erweitern, den wirklich geplag- ten Bürgerinnen und Bürgern in Wunsiedel bringt. Ich Ich will Ihnen sagen: Das ist ein Schlag ins Gesicht Ihrer stelle Ihnen diese Fragen mit großem Ernst, weil mich handlungsunfähigen Regierung. Die Länder wissen, dass und, wie ich denke, auch Sie das umtreibt. Was haben Ihre akademische Position ihnen nicht hilft, um in ihrem Sie den Menschen in Wunsiedel – der eine oder andere Bereich widerwärtige Nazi-Demonstrationen zu verbie- wird unsere Debatte mit hohem Interesse verfolgen – an- ten. zubieten? Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005 14815

Dr. Dieter Wiefelspütz (A) Ich glaube, wir alle miteinander würden versagen, (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- (C) wenn wir diesen Menschen nichts anzubieten hätten. neten der FDP – Thomas Strobl [Heilbronn] Herr Koschyk, ich bitte Sie, uns hier zu unterbreiten, [CDU/CSU]: Das war die Wahrheit!) wieso Sie meinen, mit der Ausdehnung der Bannmeile bis zum Brandenburger Tor im restlichen Deutschland, Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: also auch in Wunsiedel, etwas bewirken zu können. Nun wird die Redezeit durch eine Zwischenfrage des (Beifall bei der SPD) Kollegen Stadler erweitert. Bitte schön.

Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Dr. Max Stadler (FDP): Herzlichen Dank, Herr Kollege Wiefelspütz. Erstens. Herr Kollege Koschyk, wenn ich einen Kommentar Wir haben immer gesagt, dass unser Vorschlag, die Aus- abgeben dürfte und nicht nur eine Frage zu stellen hätte, weitung des befriedeten Bezirks, die schnellste und ein- würde ich dem, was Sie zuletzt zu der Art und Weise ge- fachste Lösung ist, um einen Naziaufmarsch am Bran- sagt haben, wie die Koalition dieses Gesetzgebungsver- denburger Tor und am Holocaust-Mahnmal am 8. Mai fahren betreibt, voll und ganz zustimmen. zu verhindern. Ich habe mich aber deswegen gemeldet, weil Sie vor- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – hin die FDP angesprochen haben und in der Debatte Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE Ernsthaftigkeit angemahnt haben. Ich möchte Sie daher GRÜNEN]: Er findet so nicht statt! – Silke fragen, ob Sie uns diese Ernsthaftigkeit ebenfalls zuge- Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- stehen, wenn wir mit vielen Fachleuten der Meinung NEN]: Den Vorschlag brauchen wir nicht!) sind, dass ein Aufmarsch der NPD am Brandenburger Tor und am Holocaust-Mahnmal am 8. Mai in der Tat Herr Kollege Wiefelspütz, zweitens haben wir immer eine unerträgliche Provokation wäre, die aber schon gesagt, dass wir einer Veränderung des Versammlungs- nach dem geltenden Recht verhindert werden kann. rechts offen gegenüberstehen und konstruktiv daran mit- arbeiten werden, um auch andernorts, also außerhalb des (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE befriedeten Bezirks, Naziaufmärsche unterbinden zu GRÜNEN]: So ist es!) können. Schauen Sie sich unseren Gesetzentwurf aus der Es kann doch Ihrer Aufmerksamkeit nicht entgangen vergangenen Legislaturperiode an! sein, dass diese Auffassung nicht darauf beruht, dass die Lieber Herr Kollege Wiefelspütz, das, was die Koali- FDP in Bundesländern angeblich nicht in der Regie- tion heute vorschlägt, hilft Wunsiedel in keiner Weise. rungsverantwortung sei. Sie ist übrigens in mehreren (B) Sie wissen das auch. Deshalb haben Sie gestern in einem Bundesländern in der Verantwortung. (D) Interview in der „Frankenpost“ – das ist die Zeitung für (Jörg van Essen [FDP]: In mehr als die Grü- die Region Wunsiedel – gesagt, die Wunsiedeler sollten nen! – Dr. [FDP]: Und keine Angst haben, denn der jetzt durch den Koalitions- mehr als die CSU!) entwurf herausgenommene Verbotsgrund aus dem Vor- schlag Schily/Zypries könne im Verlauf der parlamenta- Vielmehr wird diese Auffassung von Experten wie dem rischen Beratung wieder hineinkommen, Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts und von ausgewiesenen Verfassungsrechtlern wie Professor (Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Er wird!) Battis vertreten – ich komme gleich zum Schluss und sodass man aufgrund des Gesetzes dann auch in Bezug zum Kern der Frage, Herr Präsident –, auf Wunsiedel wieder handlungsfähig sei. (Heiterkeit – Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: (Beifall bei der CDU/CSU) Erst einmal zur Frage kommen! – Beifall des Abg. Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]) Ich sehe jetzt die blassen Gesichter Ihrer grüner Koa- litionspartner, lieber Herr Wiefelspütz, und zwar aus folgendem Grund.

(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: GRÜNEN]: Wer ist hier blass?) Es wäre schön, wenn Sie den Kern der Frage mit dem und sage Ihnen mit allem Ernst: Schluss verbinden könnten. Das Thema ist zu ernst, um solche gesetzgeberischen (Heiterkeit) Spielchen zu veranstalten. Dr. Max Stadler (FDP): (Beifall bei der CDU/CSU) Ich werde mich bemühen. – Der Kern des Problems Denn Sie führen hier doch folgendes Theater auf: Um liegt nämlich im geltenden Recht in § 15 des Versamm- die Grünen zu beruhigen, specken wir den Schily/ lungsgesetzes, wonach Versammlungen zu verbieten Zypries-Entwurf ab, und anschließend versetzen wir ihn, sind, die gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung möglichst mithilfe der Union – das ist Ihr Wunsch –, in- verstoßen. Selbstverständlich ist diese Vorschrift grund- folge des öffentlichen Drucks in der parlamentarischen gesetzkonform auszulegen. Es verstößt gegen die Men- Beratung wieder in den alten Zustand. So macht man bei schenwürde, wenn Neonazis vor dem Holocaust-Mahn- einem so wichtigen Thema keine gründlichen Gesetze. mal aufmarschieren. Es ist auch ein Verstoß gegen die 14816 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005

Dr. Max Stadler (A) öffentliche Sicherheit und Ordnung, wenn in dem spe- Ich möchte von Ihnen wissen, was daran verfassungs- (C) ziellen Zusammentreffen des Jahrestags der Beendigung rechtlich bedenklich ist, diesen befriedeten Bezirk um des Zweiten Weltkriegs und damit der Beendigung der das Holocaust-Mahnmal und das Brandenburger Tor zu Naziherrschaft Neonazis durch einen symbolträchtigen erweitern. Ort wie das Brandenburger Tor marschieren. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/ Stimmen Sie mir zu, dass das geltende Recht wegen DIE GRÜNEN]: Was hat das Brandenburger dieser Argumente ausreicht und dass deswegen Ihr Vor- Tor mit dem Reichstagsgebäude zu tun?) halt, die FDP sei untätig, unangebracht ist? – Herr Ströbele, was hat die Spree – der Bezirk reicht so- gar über das Spreeufer hinweg – mit der Sicherheit von Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Beratungen des Bundestags zu tun? Herr Kollege Stadler, wir sind der Meinung, dass un- ser Gesetzentwurf zur Ausweitung des befriedeten Be- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) zirkes eine schnelle und auch verfassungsfeste Lösung bieten würde, um wirklich eine bessere Handhabe zu ha- Ich mache Ihnen im Namen unserer Fraktion ein An- ben und gerade im Hinblick auf den 8. Mai handlungsfä- gebot. Wer sagt uns denn, dass die NPD nicht versucht, hig zu sein. wenn sie jetzt erkennt, dass der 8. Mai ein besonders sensibler Tag ist, am 7., 9. oder am 10. Mai an einem Weil Sie Änderungen am Versammlungsrecht gene- zentralen Ort in Berlin zu demonstrieren? Lassen Sie rell ablehnen – also auch abgesehen von der besonderen mich noch etwas zum Brandenburger Tor sagen. Berliner Problematik um den 8. Mai herum – und mei- nen, die gegenwärtige Rechtslage sei ausreichend, will (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/ ich Ihnen gerne noch einmal erklären, wogegen ich mich DIE GRÜNEN]: Das wollten Sie schon gewandt habe: Ich frage mich, warum das Land Rhein- lange!) land-Pfalz, in dem Sie bekanntlich mit in der Regie- – Lieber Herr Ströbele, unser Gesetzentwurf sieht vor, rungskoalition sind, heute im Bundesrat einen Gesetz- dass der Bundesinnenminister und der Bundestagspräsi- entwurf aus dem Jahr 2000 auf die Tagesordnung gesetzt dent jede Demonstration im befriedeten Bezirk genehmi- hat, der eine erstaunliche Ähnlichkeit mit dem seinerzeit gen können. auch von der FDP im Bundestag abgelehnten Gesetzent- wurf der Union hat. Es scheint hier eine unterschiedliche (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/ Auffassung zwischen der SPD im Bundestag und der DIE GRÜNEN]: Nach welchen Kriterien SPD in der Landesregierung von Rheinland-Pfalz zu ge- denn?) (B) ben. (D) Das ist selbstverständlich. Aber wir wollen eine stärkere (Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE Handhabe haben, um zum Beispiel widerwärtige extre- GRÜNEN]: Ich sage nur: Niedersachsen!) mistische Demonstrationen zu verbieten. Ich sage Ihnen: Ihre Kollegen in Rheinland-Pfalz sind (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/ näher an der Praxis. Sie hingegen sehen das vielleicht et- DIE GRÜNEN]: Wer bestimmt, was wider- was zu grundsätzlich. Sie sollten sich eher die Auffas- wärtig ist?) sung Ihrer Parteifreunde in Rheinland-Pfalz in der dorti- gen Regierungsverantwortung zu Eigen machen. – Lieber Herr Ströbele, ich muss Ihnen sagen: Ich würde darauf vertrauen, dass der Bundesinnenminister oder (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – auch der Bundestagspräsident die Fähigkeit haben, zu Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Das entscheiden, welche Demonstrationen im befriedeten kann ja die FDP noch intern klären!) Bezirk möglich sind und welche nicht. Ich möchte noch einmal, vor allem bei den Koali- tionsfraktionen, um Zustimmung zu unserem Gesetzent- (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/ wurf werben. Der Kollege Bosbach hat Ihnen vorhin DIE GRÜNEN]: Das ist aber nicht ihre Auf- eine Karte des befriedeten Bezirks gezeigt, die allerdings gabe!) nicht farbig war. Ich zeige Ihnen jetzt eine weitere Karte, Ich will Ihnen jetzt noch etwas zu Ihrem Gesetzent- damit Sie Ihre Argumente noch einmal wägen. wurf sagen. Eine Schwäche in Ihrem Gesetzentwurf ist, (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE dass Sie solche Orte durch Rechtsverordnung und nur GRÜNEN]: Die haben wir im Kopf!) mit Zustimmung des Bundesrates festlegen wollen. Das ist aus unserer Sicht nicht akzeptabel. Hieraus ist ersichtlich, wie weit der befriedete Bezirk ausgeweitet wird. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Darüber kann man reden!) (Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Wir wollen die Karte auch sehen!) Wir treten dafür ein, dass bei der Bestimmung dieser Orte auch der Deutsche Bundestag ein Mitspracherecht Der heute befriedete Bezirk reicht von der Straße des hat. 17. Juni bis zur anderen Seite des Spreeufers. In dem Be- zirk befinden sich die schweizerische Botschaft, die (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/ französische Botschaft und das Sowjetische Ehrenmal. DIE GRÜNEN]: Sehr gut!) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005 14817

Hartmut Koschyk (A) Wir wollen vor allem dafür sorgen, dass es eine Öff- (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Re- (C) nungsklausel gibt, sodass die Länder auch für sich selber den Sie doch über die Gegenwart!) solche sensiblen Orte und befriedeten Bezirke festlegen können. Die Debatte über das Versammlungsrecht hätte in dieser Konstellation mindestens so lange gedauert wie die, die (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/ zurzeit innerhalb der Koalition stattfindet. DIE GRÜNEN]: Das wollen wir nicht!) (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Herr Wiefelspütz hat uns in dieser Woche im Ausschuss Also, lieber mit Stadler als mit Ströbele!) berichtet, dass Sie nach wie vor dazu stehen – das wurde Das müssen Sie doch anerkennen, wenn Sie einigerma- schon im Rahmen der Föderalismuskommission behan- ßen objektiv an die Probleme herangehen. delt –, dass das Versammlungsrecht Sache der Länder werden soll. Das, was Sie heute in diesem Gesetzentwurf Ich habe heute Morgen den Agenturmeldungen ent- den Ländern anbieten, wird und kann den Ländern nicht nommen, dass sowohl der Kollege Bosbach als auch der reichen. Deshalb muss dieser Gesetzentwurf gerade im Kollege Wiefelspütz angekündigt haben, zusammen auf Hinblick darauf, dass die Länder beim Versammlungs- einen Gesetzentwurf hinarbeiten zu wollen, der eine recht handhabbare Instrumente erhalten müssen, nachge- breite Mehrheit findet. Ich kann nur dazu ermutigen, die- bessert werden. ses Vorhaben ernsthaft anzugehen. Denn wir haben es dabei mit einem Sachverhalt zu tun, der uns als Demo- Ich darf Ihnen abschließend sagen: Sie können jetzt kraten alle zusammen angeht. unnötigen gesetzgeberischen Aktionismus verhindern, indem Sie unserem Gesetzentwurf zur Ausweitung des Ich habe an der Veranstaltung zur Befreiung des Kon- befriedeten Bezirks zustimmen. Statt einen gesetzgebe- zentrationslagers Auschwitz teilgenommen und ich habe rischen Schnellschuss zu wagen, könnten wir so das Ver- noch die Worte der Opfer des Nationalsozialismus im sammlungsrecht in aller Ruhe – mit Anhörungen und Ohr, die die Größe zeigen, in unserem Land wieder ihren unter Abwägung der vielen schwierigen verfassungs- Wohnsitz genommen zu haben. Sie müssen sich einmal rechtlichen Gesichtspunkte –, sorgfältig und seriös än- bewusst machen, welche seelischen Schmerzen diesen dern. Menschen zugefügt werden, wenn sie das erleben, was die NPD heute tut. Das beschreibt unsere gemeinsame (Beifall bei der CDU/CSU) Verantwortung, meine Damen und Herren.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Deshalb sollten wir die Debatte meiner Meinung nach Frau Kollegin Simm, ich bitte um Nachsicht, dass ich so führen, dass jeder auf die Argumente des anderen (B) nach deutlicher Überschreitung der ohnehin durch an- hört. CDU und CSU befürworten eine Erweiterung be- (D) dere Zwischenfragen verlängerten Redezeit keine weite- friedeter Bezirke. Jenseits der Frage, ob das sehr viel be- ren Fragen zulassen kann. wirkt, meine ich, dass man dafür offen sein sollte. Man muss diese Frage also stellen dürfen und sollte sie nicht Nächster Redner ist der Bundesminister Otto Schily. gleich abwehren. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der CDU/CSU) (Vorsitz: Vizepräsident Dr. Hermann Otto Darüber, dass damit das Problem womöglich nicht voll- Solms) ständig erfasst wird, sind wir uns, glaube ich, alle einig. (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Ab- Otto Schily, Bundesminister des Innern: solut einig!) Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kollege Koschyk hat darauf hingewiesen, dass die Debatte um Wir sind uns doch darin einig, dass wir bestimmte Be- das Versammlungsrecht relativ mühsam ist. Das kann zirke schützen müssen, die der Erinnerung dienen. Ich man nicht bestreiten. Ein Entwurf aus meinem Hause denke in diesem Zusammenhang weniger an das Bran- liegt seit langer Zeit vor. Er ist Gegenstand sehr kontro- denburger Tor als an das Mahnmal. Mit den Ländern verser Erörterungen gewesen. wurde bereits eine Einigung getroffen. Jetzt stellt sich die Frage, wie wir damit umgehen. Wer hat darüber zu (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: In der Koali- befinden? tion!) Wir haben in der Föderalismuskommission eine breite – In der Koalition, aber auch mit anderen, zum Beispiel Einigung darüber erzielt – ich kann mich gut daran erin- mit Verfassungsrechtlern. nern –, dass die Länder das Versammlungsrecht regeln sollen. Aufgrund der heutigen Debattenlage frage ich mich, ob Sie sich in dem Fall, dass wider Erwarten Ihre (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: So ist es! – Wunschvorstellung einer von CDU/CSU und FDP ge- Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Ab- führten Bundesregierung Wirklichkeit wird, solut richtig!) (Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Bitte nichts Deshalb wäre es auch richtig, dass wir die Festlegung herbeireden!) der zu schützenden Orte den Ländern überlassen. jemals einigen könnten. (Beifall bei der CDU/CSU) 14818 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005

Bundesminister Otto Schily (A) Ich bin insoweit bereit, meine Vorstellungen abzuändern zum einen weil die angestrebten Verbote auch mit dem (C) und mich mit einer Kompetenz der Länder einverstanden geltenden Recht möglich sind und zum anderen weil die zu erklären. Das würde den Überlegungen der Föderalis- hier vorgeschlagenen Änderungen Ersatzhandlungen muskommission genau entsprechen. sind. Ein anderer Paragraph, der umstritten ist und den der Nun zum zweiten Gesetzentwurf: CDU und CSU Kollege Wiefelspütz – ich bedanke mich ausdrücklich wollen den befriedeten Bezirk rund um den Bundes- dafür – nicht aus dem Blickfeld verliert, ist § 15 Abs. 2 tag ausweiten, sodass er das Brandenburger Tor und unseres Gesetzentwurfes, der vorsieht, dass dann, wenn das Holocaust-Denkmal einschließt. Die PDS wird in einer Veranstaltung die Nazigräueltaten in einer auch diesen Gesetzentwurf ablehnen, zum einen weil das Weise, die dem öffentlichen Frieden widerspricht, ver- eine Zweckentfremdung der so genannten Bannmeile herrlicht oder verharmlost zu werden drohen, eine solche wäre Veranstaltung nicht zugelassen werden kann. Wir schrei- ben das Jahr 2005. Haben wir denn die Zeit vor 60 Jah- (Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [frak- ren vergessen? 1945 hätte es niemals eine Debatte da- tionslos]) rüber gegeben, dass wir das nicht zulassen. und zum anderen weil dann auch andere Veranstaltungen (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der und Demonstrationen vor dem Bundestag betroffen CDU/CSU) wären. Ich möchte Ihnen das nur an einem Beispiel illus- Ich habe gestern ein Schreiben aus Wunsiedel – der trieren. Jahr für Jahr gedenken am 18. März Bürgerrecht- Ort wurde bereits erwähnt – erhalten. Ich kann Ihnen ler, Schüler sowie Gäste aus dem In- und Ausland ge- mitteilen, dass die Menschen, die dort unter Aufmär- meinsam mit Vertretern der Union, der SPD, der Grünen, schen von Rechtsradikalen zu leiden haben, meinen der FDP und der PDS der demokratischen Revolution Vorschlag ausdrücklich unterstützen. Herr van Essen, von 1848. Das tun wir alljährlich gemeinsam auf dem Sie haben Herrn Battis als sozusagen von Ihnen an- Platz des 18. März direkt am Brandenburger Tor. erkannten Sachverständigen erwähnt. Herr Professor Battis, den wir intern angehört haben, spricht sich aber (Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [frak- für die Vorschrift in § 15 Abs. 2 des Versammlungs- tionslos] – Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: gesetzes, wie ich sie entworfen habe, aus. Das wäre auch nach unserem Gesetz weiter möglich!) (Zurufe von der CDU/CSU: Aha! – Hört! Hört!) Auch diese wichtige Traditionslinie würde gebannt wer- den. Zumindest müsste diese Veranstaltung zusätzlich Wenn Sie Herrn Battis folgen wollen, dann sollten Sie genehmigt werden. (B) auch seine Äußerung dazu ernst nehmen. Dann kommen (D) wir zueinander. (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Wäre das so schlimm? – Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/ Zum Schluss möchte ich ganz herzlich bitten – damit CSU]: Sie sind doch in der Landesregierung halte ich wider Erwarten meine Redezeit ein –: Lassen hier in Berlin! Sie haben doch alle Fäden in Sie uns zusammenkommen und uns ernsthaft bemühen, die jeweiligen Vorstellungen anzunähern! Dann werden der Hand!) wir unserer gemeinsamen demokratischen Verantwor- Man könnte sich also nicht frei und ohne Anmeldung tung gerecht. versammeln. Vielen Dank. Mein Anliegen ist allerdings weiter und geht tiefer. Es (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des ist zugleich ein Appell an uns alle. Bitte lesen Sie doch BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie bei einmal alle Erklärungen aus dem Bundestag in den letz- der CDU/CSU – Zuruf von der CDU/CSU: ten Wochen, die sich mit der NPD und dem Rechts- Bei Rot-Grün klatscht niemand außer extremismus befassen! Sie werden vor allem wechsel- Wiefelspütz!) seitige Schuldzuweisungen und viel Aktionismus finden. Das ist unter der Würde, die der Bundestag zu Recht für Vizepräsident Dr. : sich beansprucht, und das ist vor allen Dingen unter den Das Wort hat die Kollegin Petra Pau. Ansprüchen, die die Bürgerinnen und Bürger zu Recht an das höchste Parlament im Lande haben. Petra Pau (fraktionslos): Mein Befund – nicht nur beim Nachlesen, sondern Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es auch beim Blick in die Gesellschaft – zum Thema liegen zwei Gesetzentwürfe vor. Beide wurden einge- Rechtsextremismus und zu möglichen Ursachen ist kom- bracht, um Aufmärsche der NPD zu verhindern, alle- plexer und wird vielfach durch Ereignisse und Zahlen mal an symbolträchtigen Orten und Tagen. SPD und belegt. Über 20 Prozent der Bevölkerung sind latent an- Grüne wollen das Straf- und das Versammlungsrecht än- tisemitisch eingestellt bzw. entsprechend aktivierbar. dern. Ich sage es gleich vorweg: Die PDS im Bundestag Hinzu kommen eine Verrohung der Sitten sowie eine zu- wird dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen nicht nehmende Gewaltbereitschaft, und zwar nicht nur bei zustimmen, Kindern und Jugendlichen. Große Teile der Bevölkerung (Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [frak- fühlen sich sozial verunsichert; das sind nicht nur Ar- tionslos]) beitslose. Die allgemeine Bildung im Lande bekommt Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005 14819

Petra Pau (A) im internationalen Vergleich schlechte Noten. Wir erle- ist wichtig, dass wir nicht Erwartungen wecken, die hin- (C) ben des Weiteren eine zunehmende Politiker- und De- terher nicht erfüllt werden. mokratieverdrossenheit. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/ Es geht also längst nicht mehr nur um die NPD und DIE GRÜNEN]: Sehr richtig!) den rechtsextremen Rand, sondern um die Substanz un- Angesichts der Herausforderungen, die wir täglich an serer Gesellschaft. Deshalb möchte ich meinen Vor- vielen Stellen unseres Landes beobachten, macht es schlag wiederholen: Befördern wir doch gemeinsam ei- Sinn, unser Versammlungs- und unser Strafrecht zu prä- nen Ratschlag gegen Rechtsextremismus, zisieren und an der einen oder anderen Stelle auch zu (Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [frak- verschärfen. Unser Konzept heißt: tionslos]) (Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Was für ein der zum Inhalt hat, Analysen zu bündeln, Strategien zu Konzept?) entwickeln, die über den 8. Mai hinausreichen, und Ausweitung des Straftatbestandes der Volksverhet- Demokratie und Zivilcourage zu stärken. zung. Was ist es eigentlich, was uns alle miteinander so Abschließend eine Bitte: Wir sollten nicht hinter das stört? Es ist eine Form von Volksverhetzung. Deswegen zurückfallen, was Richard von Weizsäcker zum 40. Jah- wollen wir – ich denke, Ministerin Zypries wird darauf restag der Befreiung gesagt hat, weder in unserem ge- noch eingehen – einen erweiterten Straftatbestand der setzgeberischen Handeln noch im Alltag. Volksverhetzung. Wenn darüber Konsens besteht, wer- den wir über die öffentliche Sicherheit, die durch § 15 Danke schön. Abs. 1 des Versammlungsgesetzes geschützt ist, selbst- verständlich auch das Versammlungsrecht verschärft ha- (Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [frak- ben, dann aber, Herr Koschyk, für ganz Deutschland. tionslos]) Wir werden hier keine Patentrezepte zustande brin- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: gen. Der Rechtsextremismus ist kein Problem, das wir Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Dieter in erster Linie mit juristischen Methoden bekämpfen Wiefelspütz von der SPD-Fraktion. können. Das muss jeder wissen. (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Die Debatte GRÜNEN, der CDU/CSU und der FDP) hat sich ein bisschen weiter entwickelt! – Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Trotzdem, Herr Dr. Gehb, muss auch im Bereich des (B) Keine Unfreundlichkeiten gegenüber dem In- Strafrechts und des Versammlungsrechts das Verant- (D) nenminister, Herr Dr. Wiefelspütz!) wortbare gemacht werden. Jeder Sachkundige weiß, dass wir uns, wenn wir über Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD): die Strafbarkeit zum Beispiel der Auschwitzlüge spre- Diese rot-grüne Koalition geht immer respektvoll mit chen – das ist heute in § 130 Abs. 3 des Strafgesetzbu- der Bundesregierung um, wie es sich auch gehört. ches geregelt – und wenn wir diese Bestimmungen aus- weiten wollen, auf schwierigem Gelände bewegen. (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Man liest anderes!) Ich bitte um Verständnis – und bitte auch sehr darum, dass das nicht zerredet wird –: Ich habe die Vorschläge Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und von Frau Zypries und von Herrn Schily begrüßt. Ich ver- Herren! Wir führen heute eine wichtige und, wie ich stehe meine Arbeit, die Arbeit meiner Kollegen, des Ko- glaube, auch außerhalb dieses Hauses stark beachtete alitionspartners und auch Ihre Arbeit allerdings so, dass Debatte. Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit wir mit großem Engagement der Frage nachgehen, ob ist konstitutiv für unsere Demokratie; es ist ein sehr das geht, wie weit das geht und ob es an der einen oder wichtiges Grundrecht für alle Bürgerinnen und Bürger anderen Stelle ein Problem gibt. dieses Landes. Unsere Demokratie ist eine wehrhafte Demokratie. Ich sage von dieser Stelle aus: Null Tole- Ich habe zu respektieren, dass die beteiligten Häuser ranz gegenüber den Feinden der Demokratie! Wir müs- sagen: Wir haben mit der Verharmlosung kein verfas- sen also die Gratwanderung hinbekommen, bei der ange- sungsrechtliches Problem. Für mich und auch für andere messenen entschlossenen Bekämpfung der Feinde der ist das verfassungsrechtlich schon problematisch. Das Demokratie nicht die Rechte aller Bürger zu beschnei- sollten wir aber nicht zerreden; vielmehr sollten wir fest- den. stellen: Die Grundrichtung, die Struktur stimmt. Lasst uns das jetzt nicht zerreden, sondern zu einem guten Er- Lassen Sie mich ein Zweites sagen: Dieses Gesetz gebnis führen. Das wird mit Rot-Grün möglich sein. wird kein 8.-Mai-Gesetz sein. Wir machen keine Lex 8. Mai, wir machen keine Lex NPD. Dieses Gesetz muss Wir wären sehr daran interessiert, dass das auch mit auch am 9. und am 10. Mai gelten. Es muss für Berlin, Ihnen, der Opposition, möglich ist. Das gilt für alle. Des- aber auch für Wunsiedel, für Berchtesgaden wie für wegen werben wir dafür, dass es zu Gesprächen kommt. Flensburg vernünftig sein. Wir müssen darüber nachden- Wie Sie sich vorstellen können, wären solche Gespräche ken, ob das Gesetz nicht nur gut gemeint ist – das unter- keine SPD-CDU/CSU-Veranstaltungen. Die Koalition stelle ich jedem von uns –, sondern auch gut gemacht. Es bittet vielmehr um konstruktive Mitwirkung Ihrerseits. 14820 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005

Dr. Dieter Wiefelspütz (A) Herr Koschyk und Herr Strobl, Sie sollten doch interes- (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- (C) sant finden, dass wir auch für Wunsiedel und ganz SES 90/DIE GRÜNEN – Thomas Strobl Deutschland etwas anzubieten haben. [Heilbronn] [CDU/CSU]: Jetzt lassen Sie das doch mal mit dieser Arroganz!) Lassen Sie mich noch auf den Bereich Brandenburger Tor eingehen. Ich will einmal das aufgreifen, was Herr Schily angedeutet hat. Er hat die – rein theoretische – Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Überlegung angestellt, ob eine Erweiterung befriede- Herr Kollege Wiefelspütz, denken Sie an die Zeit. ter Bezirke möglich ist. Sie sagen: Das würde helfen. Ich sage Ihnen: Diesem Vorschlag steht die Verfassungs- Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD): widrigkeit auf die Stirn geschrieben. Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Das Ich bitte um Entschuldigung, wenn ich meine Aussa- ist eine unglaubliche Arroganz!) gen da und dort etwas zugespitzt habe. Ich bin der Auf- fassung, dass wir – diese Chance sollten wir nicht ver- Ihr Vorschlag ist evident verfassungswidrig. Ich bedau- passen – in den kommenden Tagen in Bezug auf diese ere sehr, dass Herr Bosbach jetzt nicht mehr da ist; er hat Fragestellungen nicht übereinander, sondern miteinander sicherlich einen Termin. reden sollten. Ich sehe durchaus Möglichkeiten, zueinan- Ich kann Ihnen doch nur sagen: Wir schützen doch der zu kommen, wenn man mit Augenmaß vorgeht. Wir natürlich nicht das sowjetische Ehrenmal, wir schützen brauchen einen neuen § 130 Abs. 4 StGB. Wir brauchen nicht die Schweizerische Botschaft, wir schützen mit der die Ausweisung der besonderen Orte in § 15 des Ver- Regelung über befriedete Bezirke ausschließlich die sammlungsgesetzes. Da stimmen Sie ja zu. Funktionsfähigkeit dieses Hohen Hauses und sonst (Jörg van Essen [FDP]: Aber nicht durch nichts. Rechtsverordnung!) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Lassen Sie uns ebenso über die Unmöglichkeit dessen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der reden, was Sie im Hinblick auf die Bannmeile beabsich- FDP) tigen. Wer behauptet, wir schützten hier die Spree, der miss- Schönen Dank für die Aufmerksamkeit. braucht diese Debatte hier im Grunde. Solche lächerli- chen Sprüche sind einer Debatte über ein solch ernsthaf- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des (B) tes Thema nicht würdig. BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (D)

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Das Wort hat der Kollege Thomas Strobl von der FDP) CDU/CSU-Fraktion. Herr Strobl und Herr Koschyk, es gibt hier keine Re- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) deverbote und keine Denkverbote. Ich bin gerne bereit, mit Ihnen auch über Ihre Vorstellungen zum befriedeten Bezirk zu sprechen. Ich werde mit Ihnen allerdings die Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU): verfassungsrechtlichen Gegebenheiten erörtern wollen. Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Ich sage Ihnen: Es wird nicht gehen. Ich kann mir nicht Verehrter Kollege Dr. Wiefelspütz, Sie haben am vorstellen, dass Sie ein verfassungswidriges Gesetz wol- Schluss gesagt, dass wir konstruktiv gemeinsam beraten len. Ich bin im Grunde genommen betroffen, dass Ihr sollten. Dazu sind wir bereit. Das ist ganz in Ordnung. Gesetzentwurf vorsieht, dass der Bundesinnenminister Nur sollten Sie dann bitte diese unselige Arroganz ab- Ausnahmen in Bezug auf das Demonstrationsverbot im legen, dass nach Ihrer alleinigen Entscheidung etwas befriedeten Bezirk – Sie wollen dieses Verbot – schaffen verfassungswidrig ist, egal ob es die Bundesjustizminis- kann. Nach welchen Kriterien, bitte schön? Etwa will- terin vorschlägt, ob es der Verfassungsminister vor- kürlich? Wie soll denn das gehen? schlägt (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des (Jörg van Essen [FDP]: Die Justizministerin ist BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) die erste Verfassungsministerin! – Gegenruf der Bundesministerin Brigitte Zypries: Vielen Das ist evident verfassungswidrig. Das kann man noch Dank!) nicht einmal mit einer verfassungskonformen Interpreta- tion halten. oder ob es die CDU/CSU-Bundestagsfraktion vor- schlägt. Das ist keine gute Grundlage für eine solche Ich bin im Grunde enttäuscht, dass Sie das Thema an Diskussion. dieser Stelle so verfehlen. Ich bin nämlich der festen (Beifall bei der CDU/CSU) Überzeugung, dass es auch in Ihren Reihen ein paar hoch qualifizierte Juristen gibt, denen doch längst aufge- Das Thema ist auch zu ernst, als dass man in dieser fallen sein müsste, dass das nicht geht. apodiktischen Art und Weise argumentieren könnte. Der Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005 14821

Thomas Strobl (Heilbronn) (A) Kampf gegen extremistische Parteien und Gruppierun- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: (C) gen jeglicher Art ist unser aller gemeinsame Aufgabe. Herr Kollege Strobl, ich darf Sie unterbrechen. Erlau- Das sollte auch in Zukunft so bleiben. ben Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Simm? Neben den rechtlichen Regelungen – natürlich sind wir als Deutscher Bundestag aufgerufen, solche zu tref- Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU): fen – muss es vor allem darum gehen, den Wählerinnen Aber bitte. und Wählern immer klar zu sagen, wen und was sie un- terstützen, wenn sie ihre Stimme extremistischen Par- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: teien geben. Die argumentative Auseinandersetzung mit solchen Kräften, ihren falschen Parolen und vermeint- Bitte schön, Frau Simm. lich einfachen Lösungen ist und bleibt neben der gesetz- geberischen Aktivität eigentlich die wichtigste Aufgabe. Erika Simm (SPD): Genauso wichtig ist übrigens, dass wir die Sorgen und Herr Kollege Strobl, ist Ihnen bekannt, dass der Zu- Nöte auch der Menschen ernst nehmen, die extremisti- schnitt der Bannmeile bzw. des befriedeten Bezirks, so sche Parteien wählen. wie er jetzt ist, nach intensivsten Beratungen mit den Berliner Sicherheitsbehörden zustande gekommen ist? Alle Parteien, die in diesem Haus vertreten sind, sind Ist Ihnen bekannt, dass der 1. Ausschuss seinerzeit – Sie sich in der Beurteilung der Inhalte einer Partei wie der waren damals noch nicht Mitglied des 1. Ausschusses – NPD einig. Wir wollen nicht – auch darüber sind wir uns gerade deshalb, weil der Zuschnitt so engräumig war, einig –, dass grölende Nazibanden mit antisemitischen, nochmals eine Anhörung von Vertretern der Berliner Si- ausländerfeindlichen und den Nationalsozialismus ver- cherheitsbehörden durchgeführt hat, in der bestätigt herrlichenden Parolen durch das Brandenburger Tor oder wurde, dass das mit ihnen so abgestimmt ist? Ist Ihnen am Holocaust-Mahnmal vorbeimarschieren. bekannt, dass in einem Bericht der Bundesregierung, in (Beifall bei der CDU/CSU) den auch die Stellungnahmen der Berliner Sicherheitsbe- hörden eingeflossen sind, die Erfahrungen mit dem jetzi- Das gilt übrigens auch – um das an dieser Stelle ein- gen Zuschnitt des befriedeten Bezirks als gut und positiv mal klar zu sagen – für grölende und prügelnde Banden bezeichnet worden sind und dass es diesbezüglich bisher von linken und autonomen Schlägern, mit denen ge- keine Änderungsvorschläge gegeben hat? Teilen Sie rade die Berliner in der Vergangenheit so leidvolle Er- meine Auffassung, dass wir ein Problem hätten, eine Er- fahrungen gemacht haben. weiterung des befriedeten Bezirks verfassungsrechtlich zu begründen, wenn wir dafür nicht einmal ein Votum (Beifall bei der CDU/CSU – Claudia Roth (B) der für den Deutschen Bundestag zuständigen Sicher- (D) [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: heitsbehörden von Berlin hätten? Darum geht es! – Weitere Zurufe)

– Frau Stokar, in knapp zweieinhalb Monaten, am Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: 1.Mai, ist es in Berlin wieder so weit. Dann kann das Bitte, Herr Strobl. deutsche Publikum und kann vor allem die Berliner Be- völkerung wieder betrachten, was angerichtet worden sein wird. Dies wollen und müssen wir verhindern. Wir Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU): können das auch. Frau Kollegin Simm, ich nehme an, dass für die Bun- desregierung unter anderem der Bundesinnenminister Der Entwurf der CDU/CDU-Bundestagsfraktion ist sprechen kann. Er hat vor wenigen Minuten – vielleicht ein einfacher und zugleich verfassungsfester Vorschlag haben Sie in dem Moment nicht zugehört – sehr deutlich dazu. Die Ausweitung der Bannmeile auf das Branden- gesagt, dass er es nicht gut findet, wenn man den Vor- burger Tor und das Holocaust-Mahnmal ist der ein- schlag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für eine Er- fachste und sicherste Weg, diese geschichtsträchtigen weiterung der Bannmeile gleich mit dem Verdikt „ver- Orte vor Radikalen zu schützen. Ich bedanke mich aus- fassungswidrig“ versieht und nicht bereit ist, darüber zu drücklich beim Herrn Bundesinnenminister; er hat attes- reden. Vielmehr sollte man durchaus darüber reden. In- tiert, dass man über einen solchen Vorschlag reden kann sofern ist, wie ich glaube, eine eindeutige Stellungnahme und, Herr Dr. Wiefelspütz, auch reden sollte. vonseiten der Bundesregierung dazu abgegeben worden. Es ist übrigens nicht so, dass wir dieses Thema heute Darüber hinaus, Frau Kollegin Simm, gibt es zahlreiche zum ersten Mal in diesem Hohen Hause diskutieren. Äußerungen vonseiten der Sicherheitsbehörden, in de- Vielmehr ist es so, dass wir es schon längst hätten vom nen sehr wohl der Wunsch geäußert wird, eine Bannmei- Tisch bringen können, lenregelung zu erlassen, die gerade das Brandenburger Tor und in Zukunft auch das Holocaust-Mahnmal um- (Beifall bei der CDU/CSU) fasst. wenn die rot-grüne Bundesregierung in dieser so wichti- (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Herr Freiberg gen Frage nicht über Jahre von enervierender Zerstritten- von der Polizeigewerkschaft! – Hans-Christian heit und lähmender Tatenlosigkeit gekennzeichnet wäre. Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie Schon einmal nämlich, am 29. Mai des Jahres 2000, wollen aus anderen Gründen nicht mehr am marschierten die Neonazis. Brandenburger Tor demonstrieren lassen!) 14822 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005

Thomas Strobl (Heilbronn) (A) Ich darf noch hinzufügen, Frau Kollegin Simm: Die man nur sagen, dass sie das krasse Gegenteil von „gut (C) Diskussion ist absurd. Jahrzehntelang hatten wir in Bonn gemacht“ darstellt. eine Bannmeilenregelung, nach der die Bannmeile sogar über den Rhein hinausreichte. Seitdem wir in Berlin sind (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Dieter – die Kollegen Bosbach und Koschyk haben das ausge- Wiefelspütz [SPD]: Helfen Sie uns bitte!) führt –, Am vergangenen Freitag hat die Bundesregierung in (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE Person von Frau Ministerin Zypries und Herrn Minister GRÜNEN]: Das war ja auch schlimm!) Schily einen unter Hochdruck erarbeiteten Gesetzent- wurf präsentiert. Die Druckerschwärze auf dem Papier haben wir eine Bannmeilenregelung, nach der die Bann- dieses Entwurfs ist noch nicht trocken, da wird er von meile selbstverständlich weit über den Reichstag hinaus- den Innenpolitikern von Rot und Grün wieder kassiert. geht, nämlich das nördliche Spreeufer, die Schweizer Die Herren Wiefelspütz und Beck von der SPD bzw. den Botschaft, die Dresdner Bank usw. umfasst. Es liegt ab- Grünen gaben dem Gesetzentwurf aus den Häusern der solut im Ermessen des Bundesgesetzgebers, diese Bann- Justizministerin und des Verfassungsministers eine klare meile um ein kleines Stück zu erweitern: nicht, wie der Note: verfassungswidrig. Allenfalls als Formulierungs- Herr Beck von den Grünen sagte, über halb Berlin, son- hilfe, so unkte Herr Beck von den Grünen, könne der dern nur um das Brandenburger Tor und das Holocaust- Regierungsentwurf, den Herr Schily und Frau Zypries Mahnmal. Damit hätten wir eine verfassungsfeste und ausgearbeitet und vor der Bundespressekonferenz vorge- sichere Lösung, mit deren Hilfe Demonstrationen von stellt hatten, dienen. Der Gesetzentwurf des Bundes- Neonazis dort sehr schnell untersagt werden können. innenministers und der Justizministerin stellt also für In Wahrheit ist es doch so, meine sehr verehrten Da- den Verfassungsexperten Beck eine teilweise verfas- men und Herren, dass es auch bei den Sozialdemokraten sungswidrige Formulierungshilfe dar. Ich weiß nicht, den einen oder anderen gibt, der das befürwortet; ver- wie die beiden Bundesminister dies mit ihrer Selbstach- mutlich gehört auch Herr Schily dazu. Nur der grüne tung ausmachen. Allenfalls ähnelt das Vorgehen der Koalitionspartner sperrt sich aus ideologischen Gründen Bundesregierung und der rot-grünen Koalition der Ech- gegen diese vernünftige Lösung. ternacher Springprozession. Sie gehen einen Schritt vor und zwei zurück; rein in die Kartoffeln, raus aus den (Beifall bei der CDU/CSU) Kartoffeln. Herr Wiefelspütz, das ist das Gegenteil von gut gemacht; ich bezweifle, dass es überhaupt gut ge- Das ist wohl auch der Grund, warum seit dem Jahr wollt war. 2000 weder die Koalition noch die Bundesregierung ge- handelt hat, obwohl der Bundesinnenminister am (Beifall bei der CDU/CSU) (B) 27. Mai 2000 in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (D) gesagt hat – vielleicht wäre das für Sie, Frau Kollegin Schon heute haben wir nämlich wieder eine ent- Simm, auch noch einmal interessant, wenn Sie das nach- schärfte, von den Grünen weichgespülte Version auf lesen würden –, dass sein Haus sehr wohl für die Ein- dem Tisch liegen, und dies angesichts der Tatsache, dass führung neuer befriedeter Bezirke in Berlin sei. Diese die Bundesregierung eine grundlegende Reform des Ver- Aussage ist ziemlich identisch mit dem Vorhaben, das sammlungsrechts bis zum heutigen Tag ohnehin nur an- wir jetzt nicht nur in Worte gekleidet, sondern sogar in gekündigt hat, das allerdings seit dem Jahr 2000. Wäh- konkrete Gesetzesform gegossen haben. Im Jahr 2004 rend der Beratungen diese Woche im Innenausschuss gab es dann erneut entsprechende Ankündigungen durch wurde seitens der roten und der grünen Fraktion mehr- den Bundesinnenminister. Passiert ist wiederum nichts; fach betont, dass das, was jetzt von Rot-Grün als Gesetz- die Koalition war handlungsunfähig. Erst jetzt, nachdem entwurf eingebracht worden ist, schon wieder hinfällig die NPD in den Sächsischen Landtag und die DVU in sei, weil man in dem einen und anderen wichtigen Punkt den brandenburgischen Landtag gewählt wurden, erst durchaus weitere Änderungen vornehmen wolle. Meine jetzt, wo die NPD mit Skandalmeldungen Schlagzeilen Damen und Herren von Rot-Grün, Sie haben offensicht- macht, erst jetzt, wo sich die Bundesregierung offenbar lich jeglichen Kompass verloren. Es ist – auch das bewusst geworden ist, dass am 8. Mai dieses Jahres ein möchte ich Ihnen sagen – für die Feinde der Demokratie Aufmarsch der Rechtsradikalen durch das Brandenbur- eher ermunternd, wenn eine Bundesregierung und die sie ger Tor und am Holocaust-Mahnmal vorbei droht, tragenden Koalitionsfraktionen durcheinander laufen kommt ein offensichtlich mit heißer Nadel gestrickter, wie ein aufgescheuchter Hühnerhaufen. unzureichender, weil äußerst unvollständiger Gesetzent- (Beifall bei der CDU/CSU) wurf auf den Tisch des Hauses. Wir sind und bleiben der Meinung, dass unser Gesetz- Aber damit nicht genug: Die Entwicklung der letzten entwurf zur Erweiterung der Bannmeile eine einfache Woche stellt doch einmal mehr ein Stück aus dem rot- und richtige Antwort zur Lösung des einen Problems ist. grünen Tollhaus dar. Wir sind gerne bereit, die anderen Probleme mit Ihnen (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) zu besprechen. Ich möchte noch einmal darauf hinwei- sen, dass – Herr Kollege Dr. Wiefelspütz, Sie sind nicht Herr Kollege Dr. Wiefelspütz hat gesagt, ein Gesetz soll der einzige Verfassungsrechtler in der Bundesrepublik nicht nur gut gemeint, sondern auch gut gemacht wer- Deutschland – den. Zu der Art und Weise, wie das Gesetzgebungsver- fahren bisher von Rot-Grün betrieben worden ist, kann (Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Das stimmt!) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005 14823

Thomas Strobl (Heilbronn) (A) es eine ganze Reihe von Verfassungsrechtlern gibt, die (Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Sehr richtig! – (C) eine andere Auffassung haben und die Bannmeilenrege- Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Die lung so, wie wir sie vorgeschlagen haben, begrüßen, bei- Grünen sagen das!) spielsweise . Auch in Maunz/Dürig/ Herzog/Scholz können Sie zu Art. 8 des Grundgesetzes – Nein, das verstehen Sie, glaube ich, falsch. – Bei der nachlesen: Irgendwelche verfassungsrechtlichen Argu- Diskussion über die Verfassungswidrigkeit Ihres Ent- mente gegen die Zulässigkeit solcher Bestimmungen wurfes geht es doch um den vorgeschlagenen § 5. sind nicht ersichtlich. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Das ist ein weiter Spielraum für den Bundesgesetzge- Nach dem geltenden Gesetz ist es so, dass Demonstratio- ber. Ich habe zwar wenig Hoffnung, möchte aber an Sie nen in befriedeten Bezirken zuzulassen sind, wenn eine appellieren, dass wir über diese Frage in den Beratungen Beeinträchtigung des Bundestages nicht zu besorgen ist. im Innenausschuss und in den beteiligten Ausschüssen Das, sagt das Gesetz, ist in der Regel der Fall, wenn die noch einmal reden. Versammlung an einem Tag durchgeführt werden soll, an dem Sitzungen nicht stattfinden. Dann gilt volle De- Präsident Dr. Hermann Otto Solms: monstrationsfreiheit. Herr Strobl, kommen Sie bitte zum Schluss. Was macht die Opposition jetzt daraus? Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU): (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Wir Ich komme sofort zum Schluss. – Wir sind zu kon- wollen das ändern! – Jörg van Essen [FDP]: struktiven Beratungen, auch was das Versammlungs- Nur die CDU/CSU, nicht die Opposition!) recht angeht, absolut bereit. Ich hoffe nur sehr, dass die Uneinigkeit zwischen Rot und Grün, den Koalitionsfrak- – Entschuldigung, ich bitte um Nachsicht, Herr van tionen und der Bundesregierung solche konstruktiven Essen. – Was sagt die CDU/CSU in ihrem Gesetzentwurf Beratungen nicht weiter behindert. dazu? Dort heißt es, dass der Innenminister Ausnahmen im Einvernehmen mit dem Präsidenten zulassen kann. Besten Dank fürs Zuhören. (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Wir (Beifall bei der CDU/CSU) haben Vertrauen zum Innenminister!)

Präsident Dr. Hermann Otto Solms: Ich frage: Nach welchen Kriterien soll das geschehen? Das Wort hat jetzt die Bundesministerin Brigitte (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (B) Zypries. DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der (D) FDP) Brigitte Zypries, Bundesministerin der Justiz: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her- Herr Wiefelspütz hat vorhin richtig gesagt, dass es nicht ren! Schön an dieser Debatte ist, dass sich alle einig sein kann, dass hier von Herrschaftsgnaden entschieden sind, dass wir als Demokraten gegen Neonazis, Antise- wird, wann und wo demonstriert werden kann. miten und Rassisten kämpfen müssen. (Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des GRÜNEN]: Das hätte der Innenminister BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) gerne!) Wie wir das tun, darüber besteht Dissens. Dass man über Das ist mit unserer Verfassung wirklich nicht zu verein- einen solchen Dissens diskutiert, ist gut und richtig; dazu baren. Vielleicht können wir darüber einen Konsens fin- ist ein Parlament wie dieses schließlich da. Deswegen den. Ich habe Verständnis dafür, dass man über all das finde ich es völlig unnötig, dass man ständig diskredi- diskutiert, was nach unserer Auffassung erforderlich ist, tiert, dass es über einen von der Regierung vorgelegten um sich mit den Neofaschisten und mit anderen Rechts- Gesetzentwurf Diskussionen gibt. Es ist Aufgabe dieses extremisten auseinander zu setzen und ihre Aktivitäten Parlaments, genau solche Diskussionen zu führen. zu beschneiden. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Wir meinen, dass es richtig ist, an einer anderen Stelle DIE GRÜNEN) anzusetzen. Man muss dabei den Aspekt berücksichtigen Ebenso ist es Aufgabe des Parlaments, sich mit den – er wurde vorhin schon angesprochen –, dass die Maß- Vorschlägen der Opposition auseinander zu setzen. Noch nahmen nicht nur in Berlin, sondern auch an anderen schöner wäre es, wenn die Opposition dann auch wüsste, Orten in der Republik wirken sollen. was sie vorgeschlagen hat, sehr geehrter Herr Strobl. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Aber das liegt ja vor! Wir ändern es auch nicht Deswegen halten wir es für richtig, § 15 des Versamm- alle fünf Minuten!) lungsgesetzes zu ändern. Dazu hat der Bundesinnenmi- Es ist ja nicht so, dass irgendjemand etwas über die nister schon etwas gesagt. Wir halten es auch für richtig, Reichweite im Hinblick auf die Verfassungswidrigkeit einen neuen § 130 Abs. 4 Strafgesetzbuch einzufügen. Ihres Entwurfes sagen würde. Mit dieser Norm wollen wir zumindest das Verherrlichen 14824 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005

Bundesministerin Brigitte Zypries (A) der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherr- Gewalt- und Willkürherrschaft verletzen. Damit sind alle (C) schaft unter Strafe stellen und damit eine deutliche Er- Voraussetzungen für eine zielgenaue Strafrechtsnorm weiterung der strafbaren Handlungen vornehmen. geschaffen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wiefelspütz sagt: Das ist verfassungswid- rig!) Bisher mussten die Neonazis nur vermeiden, das Wort „Holocaust“ in den Mund zu nehmen und von der Damit ziehen wir eine klare Grenze zwischen dem, was Auschwitzlüge zu sprechen. Alles andere durften sie tun: erlaubt, und dem, was verboten ist. Sie durften billigen, sie durften leugnen und sie durften Ich meine, dass wir mit diesem Signal auch den jun- verharmlosen. Jeder wusste zwar, was gemeint war. gen Menschen, die zunehmend von den Neofaschisten Aber strafrechtlich konnten wir ihnen nicht ans Leder. umworben werden, deutlich machen können, was in die- Die Neuregelung, die wir jetzt planen, ist im Hinblick sem Staat erlaubt ist. auf das Strafrecht richtig. Sie ist aber auch im Hinblick (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Wa- auf das Versammlungsrecht richtig. Darauf hat Herr rum machen Sie verfassungswidrige Vor- Wiefelspütz schon hingewiesen. Natürlich kann unter schläge?) Rekurs auf das Strafrecht die Genehmigung von Ver- sammlungen mit Auflagen versehen werden oder sie Ein Wort zum Schluss. Wir alle sollten uns darüber können verboten werden. bewusst sein, dass das Strafrecht nur eine Möglichkeit ist, um gegen den Neofaschismus zu kämpfen. Nun gibt es immer wieder Juristen – zwei Juristen und drei Meinungen, wie es bekanntlich heißt –, die be- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des haupten, dass unsere Vorschläge zum Teil verfassungs- BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Thomas widrig und deswegen nicht umsetzbar seien. Ich gestehe Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Das ist wohl allen zu, dass man sehr ernsthaft über unsere Vorschläge wahr!) diskutieren muss. Wogegen ich mich verwahre, ist, dass Wir müssen aber vor allen Dingen die politische Ausei- die beiden Verfassungsminister dieser Regierung einen nandersetzung suchen und führen. Dieses Problem geht angeblich verfassungswidrigen Entwurf vorlegen. Das die gesamte Gesellschaft an. Es ist eine Aufgabe, die wir stimmt schlicht nicht. Dieser Entwurf ist nicht verfas- jeden Tag auch im Alltag immer wieder aufs Neue be- sungswidrig. wältigen müssen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) (B) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (D) Das heißt aber nicht, dass man ihn nicht – aus welchen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Gründen auch immer – in Teilen ändern könnte. Man Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Das muss ihn aber sicherlich nicht ändern, nur um ihn verfas- am Schluss war richtig!) sungsgemäß zu machen. Wir wissen sehr wohl, dass wir auch bei der Bekämp- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: fung des Rechtsradikalismus die Grundrechte beachten Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Kollegen müssen. Hier geht es insbesondere um Art. 5 des Grund- Jürgen Gehb das Wort. gesetzes. Es gibt aber auch die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass die Regelungen des Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU): Art. 5 durch allgemeine Gesetze eingeschränkt werden Frau Ministerin, ich habe mit Freude wahrgenommen, dürfen. Darunter sind solche Gesetze zu verstehen, die dass Sie die politische Auseinandersetzung mit den sich nicht auf Meinungsäußerungen beziehen, sondern Rechtsextremisten an die Spitze der Maßnahmen stellen die einem anderen schützenswerten Rechtsgut dienen. wollen, die dazu geeignet sein können, diese zurückzu- Es ist völlig unstreitig, dass auch Strafgesetze unter drängen. diese allgemeinen Gesetze fallen. Ich muss aber auch eines sagen: Das schärfste Diesen Anforderungen, die das Bundesverfassungs- Schwert, das Strafrecht – dies haben Sie auch im Zusam- gericht aufgestellt hat, entspricht der in Aussicht genom- menhang mit heimlichen Vaterschaftstests einbringen mene § 130 Abs. 4 Strafgesetzbuch. Die neue Norm ist wollen –, halte ich in dieser Debatte für das ungeeig- hinreichend bestimmt. Die Tathandlung ist das Verherrli- netste Mittel. Wir müssen aufpassen, dass wir auch nicht chen. Dies ist ein Begriff, den wir an verschiedenen Stel- nur den Hauch des Eindrucks erwecken, ein Gesin- len bereits im Strafgesetzbuch haben. Dazu gibt es auch nungsstrafrecht machen zu wollen. eine hinreichende Rechtsprechung. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Wa- bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE rum begreifen die Grünen das nicht?) GRÜNEN – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das werden wir uns gut mer- Zudem muss die Äußerung geeignet sein, den öffentli- ken!) chen Frieden zu stören. Sie muss öffentlich gemacht oder in einer Versammlung geäußert werden. Außerdem Ich weiß, dass wir alles gut meinen – das müssen wir muss sie die Würde der Opfer der nationalsozialistischen uns nicht immer wieder versichern –, aber nicht immer Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005 14825

Dr. Jürgen Gehb (A) alles gut machen. Herr Wiefelspütz hat das eben gesagt. Trotzdem muss die Arbeit getan werden: entweder in (C) Ebenso wie sich alle behördlichen Verbotsverfügungen der Diskussion oder am Schreibtisch sitzend. Das stelle nicht nur am Versammlungsrecht, sondern auch an dem ich anheim. zugrunde liegenden Art. 8 Grundgesetz haben messen lassen müssen, müssen sich auch alle gesetzlichen Ver- Zu Ihnen, Herr Gehb, wollte ich noch sagen: Darin schärfungen an Art. 8 Grundgesetz messen lassen. sind wir uns völlig einig. Unser Gesetzentwurf erfüllt die Anforderungen. Es gibt aber auch das Angebot, gemein- (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE sam noch einmal darüber zu reden. Wir sind gerne dazu GRÜNEN]: Art. 5 vor allen Dingen!) bereit. Es ist nichts schlimmer, als wenn jemand gegen eine (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Verbotsverfügung mit Erfolg zu Gericht zieht und dann hinterher mit erhöhter Legitimation, quasi mit gerichtli- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: chem Persilschein, zur Demonstration geht, in der dann Als letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt schwarz auf weiß steht: Die aufschiebende Wirkung des hat das Wort die Kollegin Silke Stokar von Neuforn vom Widerspruchs gegen die Verbotsverfügung wird wieder Bündnis 90/Die Grünen. hergestellt, weil die Verbotsverfügung offensichtlich rechtswidrig ist und die Antragsteller in ihren Rechten verletzt. Dieser geht dann aufgrund eines solchen Silke Stokar von Neuforn (BÜNDNIS 90/DIE schriftlichen Diktums eines Gerichts mit von noch mehr GRÜNEN): Stolz geschwollener Brust, als das bisher schon der Fall Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir alle ist, zur Demonstration. sind empört über die Auftritte der Neonazis in unserem Land. Im Sächsischen Landtag wurden die Opfer des Deswegen ermahne ich uns alle, dass wir mit Bedacht Nationalsozialismus verhöhnt und beleidigt. In unseren an eine gesetzliche Regelung gehen und nicht nur Lip- Städten wird der Versuch gemacht, das Gedenken an die penbekenntnisse machen. Wir sollten uns tatsächlich zu- Opfer zu stören und den Nationalsozialismus zu verherr- sammensetzen und keinen Wettlauf um die vermeintlich lichen. beste Lösung starten, aus dem jeder als Sieger hervorge- hen möchte. 60 Jahre nach der Befreiung vom Faschismus sind wir aber eine starke und auch eine wehrhafte Demokratie. (Beifall bei der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/ Sehr eindrücklich haben die Bürgerinnen und Bürger in DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abge- Dresden gezeigt: Wir lassen uns die Würde des Geden- ordneten der SPD) kens nicht nehmen. Auch in anderen Städten – ich (B) möchte hier Weimar hervorheben, aber auch die hier oft (D) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: genannte Stadt Wunsiedel erwähnen – hat das zivile En- Frau Zypries, wollen Sie erwidern? – Bitte schön. gagement der Bevölkerung gezeigt, dass wir in der Lage sind, uns aus der Mitte unserer Bevölkerung heraus ge- gen diese Auftritte der Neonazis zur Wehr zu setzen. Brigitte Zypries, Bundesministerin der Justiz: Herr Gehb, ich glaube, dass in dieser Sache – das (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Die zeigt auch der Beifall – überhaupt kein Dissens besteht. sind in Wunsiedel aber nicht glücklich über die rechtliche Situation!) Ich habe gerade ausgeführt, dass die von uns vorgese- Ich möchte hier auch betonen: Kern der Auseinander- hene Norm an Art. 5 Grundgesetz gemessen werden setzung mit der NPD muss die politische Auseinander- muss, nicht an Art. 8 Grundgesetz; denn wir machen setzung sein. Dennoch halte ich es für genauso richtig kein Versammlungsrecht, sondern Strafrecht. Wir ma- – das ist kein Widerspruch; das tun wir zurzeit –, dass chen ein Gesetz, das die Meinungsfreiheit einschränkt. wir erneut alle rechtlichen Mittel prüfen, um der NPD Das muss ein allgemeines Gesetz im Sinne von Art. 5 Aufmärsche und große Auftritte zu erschweren. Grundgesetz sein. Wir sind der Auffassung, dass dieses Gesetz so, wie wir es in der nächsten Woche in die Aus- Wir sind in Deutschland eine streitbare Demokratie. schüsse bringen werden, damit in Einklang steht. An der Debatte der vergangenen Tage hat mich ein biss- chen irritiert, dass ein in der Demokratie ganz normaler (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Sie parlamentarischer Vorgang – wir sollten uns Gedan- müssen nur noch Herrn Wiefelspütz davon ken darüber machen, welchen Zweck wir damit verfol- überzeugen!) gen – skandalisiert wird. – Nein, dazu gibt es in den Koalitionsfraktionen über- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haupt keine Probleme. Nun machen Sie sich nicht dau- sowie bei Abgeordneten der SPD) ernd Gedanken um uns, Herr Strobl, sondern bessern Sie lieber Ihren eigenen Gesetzentwurf nach. Das, was wir im Hinblick auf das vorliegende Gesetz tun, machen wir jeden Tag. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Thomas Strobl [Heilbronn] (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Das [CDU/CSU]: Bei uns gibt es aber keinen ist ja das Bedauerliche, dass Sie es immer so Streit!) dilettantisch machen!) 14826 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005

Silke Stokar von Neuforn (A) Wir haben die Initiative der Regierung begrüßt, die Vor- Ich finde es besser, dass Rot-Grün hier einen vernünf- (C) schläge zu einer Gesetzesverschärfung gemacht hat. Es tigen Abwägungsprozess vornimmt und sagt: ist ein ganz normaler Vorgang, dass die Fraktionen über Änderungsanträge, über die Beratung in den Fachaus- (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Das schüssen und über Änderungen nach Anhörungen in die- ist kein Abwägungsprozess! Das ist ein Hüh- ses Gesetzesverfahren eingreifen. Das ist nichts Beson- nerhaufen!) deres; das ist unsere alltägliche Arbeit. Es gilt die Verfassung. Das, was rechtlich möglich ist, Zu den einzelnen Punkten möchte ich nur so viel sagen: versuchen wir in diesem Rahmen zu machen. Am 8. Mai werden wir hier im Deutschen Bundestag Ich freue mich auf eine konstruktive und spannende – das ist auch gut so – eine Gedenkveranstaltung abhalten. – das ist sie nämlich – verfassungsrechtliche Auseinan- Ich sage Ihnen: An diesem 8. Mai wird die NPD nicht dersetzung im Innenausschuss. Herr Strobl, wenn Sie durch das Brandenburger Tor in Berlin marschieren. dort einen wirklich konstruktiven Beitrag zu leisten ha- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ben und sich an der Diskussion über unsere Anträge be- sowie bei Abgeordneten der SPD) teiligen wollen, dann werden wir Ihnen – das sollten Sie wissen – sehr genau zuhören. Dies wird deshalb nicht geschehen – das ist uns von der Innensenatsbehörde bestätigt worden –, weil die heutige Danke schön. Rechtsgrundlage dafür ausreicht. Gedenktage sind schon (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN heute besonders geschützt. und bei der SPD) Es ist doch völlig selbstverständlich: Das höchste Schutzgut unserer Verfassung ist die Menschenwürde. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Wir werden sicherstellen, dass Neonazis nicht am Holo- Ich schließe die Aussprache und rufe Tagesordnungs- caust-Mahnmal vorbeimarschieren. Wir werden darüber punkt 24 auf: hinaus sicherstellen – denn es geht nicht nur um Berlin –, dass auch die anderen KZ-Gedenkstätten in un- Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat serem Land noch besser als bisher vor solchen Aufmär- eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur schen geschützt werden. Änderung des Betreuungsrechts (… Betreu- ungsrechtsänderungsgesetz – … BtÄndG) In einem Punkt sind wir uns nicht einig. Da haben wir als Fraktion der Grünen eine ganz klare und feste Posi- – Drucksache 15/2494 – tion: Die NPD wird uns nicht dazu veranlassen – denn (B) wir sind eine starke Demokratie –, dass wir die Ver- Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsaus- (D) sammlungsfreiheit an zentralen Punkten für alle ein- schusses (6. Ausschuss) schränken. – Drucksache 15/4874 – (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Sie Berichterstattung: wollen ein Sondergesetz!) Abgeordnete Sabine Bätzing Auf dem Pariser Platz in Berlin wird es weiterhin auch Christine Lambrecht ohne Ermächtigung durch den Innenminister und nur auf Joachim Stünker Grundlage des Versammlungsrechtes Demonstrationen Ute Granold geben. Jerzy Montag Sibylle Laurischk (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Was Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die haben Sie denn gegen den Innenminister?) Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Wir sind gerne bereit, diese Position hier streitig zu ver- treten. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Red- Ich möchte noch ein Wort zur FDP sagen. Wehe, nerin der Kollegin Sabine Bätzing von der SPD-Fraktion wenn Sie an der Regierung sind! Ihre Reden hier im das Wort. Bundestag zu diesem Thema kann ich begrüßen. Ich sehe aber Ihr Verhalten nicht nur in Rheinland-Pfalz, Sabine Bätzing (SPD): sondern auch in Niedersachsen. Wenn Sie die Möglich- Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und keit haben, einzugreifen, dann machen Sie das Gegenteil Kollegen! Wenn am 1. Juli dieses Jahres das Zweite Be- von dem, was Sie hier sagen. Ich habe noch in keinem treuungsrechtsänderungsgesetz in Kraft tritt, sind seit Bundesland gesehen, wie so schnell aus liberalen Geset- Einbringung des Entwurfs des Bundesrates eineinhalb zen reine Repressionsgesetze gemacht worden sind, wie Jahre vergangen. Der von vielen befürchtete Schnell- es jetzt in Niedersachsen durch Ihre Beteiligung und Ihr schuss zulasten der Betreuten ist ausgeblieben. Der Einknicken vor dem Innenminister Schünemann ge- Rechtsausschuss hat Sachverständigen in zwei Anhörun- schieht. gen – Sie wissen, das ist außergewöhnlich – die Mög- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN lichkeit gegeben, ihre Anregungen und Bedenken vorzu- und bei der SPD) tragen. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005 14827

Sabine Bätzing (A) Deshalb gilt mein Dank für die kooperative Zusam- einen auf vermögende Betreute – da erfahrungsgemäß (C) menarbeit den Berichterstatterinnen und Berichterstat- ein größerer Zeitaufwand schon allein für die Vermö- tern aller Fraktionen sowie dem Justizministerium, aber gensverwaltung erforderlich ist –, zum anderen auf die auch und ganz besonders der Vielzahl von Betreuern, Übergabe der Betreuung an einen ehrenamtlichen Be- Richtern, Rechtspflegern sowie den Verbänden und Ar- treuer. Diese zweite Ausnahmeregelung soll für die Be- beitsgemeinschaften, die das Verfahren mit ihrer kon- rufsbetreuer ein Anreiz sein, ihre Betreuung, wenn es im struktiven Kritik und ihrem Fachwissen sehr partner- Sinne des Betreuten ist, an einen Ehrenamtlichen abzu- schaftlich und kompetent begleitet haben. geben. Sofern von dieser Möglichkeit Gebrauch ge- (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE macht wird, erhalten die Berufsbetreuer die Vergütung GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/ für den begonnenen und für den Folgemonat weiterge- CSU und der FDP) zahlt. Ich möchte gleich zu Beginn meiner Rede vorweg- An dieser Ausnahmeregelung erkennt man einen wei- nehmen, dass wir nicht allen Forderungen und Wün- teren Schwerpunkt der Gesetzesberatungen: die Stär- schen entsprechen konnten. Zugegeben, auch ich hätte kung des Ehrenamtes. Der Vorteil, der den Betreuungs- mir an der einen oder anderen Stelle vielleicht ein ande- vereinen durch den Inklusivstundensatz entsteht, ist res Ergebnis gewünscht. Aber wir haben sowohl mit den politisch gewollt: Im Inklusivstundensatz sind 16 Pro- Ländern als auch mit den Fraktionen einen Kompromiss zent Umsatzsteuer enthalten, die Betreuungsvereine ha- gefunden, der für alle Beteiligten tragbar ist. Vor allem ben allerdings lediglich 7 Prozent zu entrichten – im Ge- haben wir erreicht, dass sich die Qualität im Betreuungs- gensatz zu den Berufsbetreuern. Dabei ist uns allen wesen verbessern wird. Beispielsweise konnten wir natürlich bekannt, dass das Betreuungsrecht nicht aus- durchsetzen, dass in Betreuungssachen nur noch Richter schließlich von Ehrenamtlichen ausgeführt werden kann mit mindestens einjähriger Berufserfahrung tätig werden und dass wir weiterhin Berufsbetreuerinnen und Berufs- können. Aber wir mussten uns auch der Erkenntnis stel- betreuer brauchen. len, dass finanzielle Einschnitte im Bereich der rechtli- Bei der Diskussion um das Betreuungsrecht ist das chen Betreuung notwendig sind. Ziel der Betreuungsvermeidung ein wenig aus dem Lassen Sie mich deshalb gleich zu Beginn meiner Blickfeld verschwunden. Hier geht es nicht darum, Be- Rede auf einen Punkt zu sprechen kommen, zu dem uns treuung zu verhindern, sondern lediglich darum, recht- Fachpolitiker die meisten und auch emotionalsten Zu- lich angeordnete Betreuung zu vermeiden. Die Vorsor- schriften erreicht haben: zur Pauschalierung der Vergü- gevollmacht ist das einzige Rechtsinstrument, mit dem tung. Sie ist ein geeignetes Mittel zur Entbürokratisie- dies möglich ist und mit dem vor allem das Selbstbe- (B) rung des gesamten Betreuungswesens; darüber herrscht stimmungsrecht jedes Einzelnen umfassend gesichert (D) Einigkeit. Denn Berufsbetreuerinnen und Berufsbetreuer werden kann. Denn damit kann man eine Vertrauensper- müssen nun nicht mehr jede aufgeklebte Briefmarke und son für den Betreuungsfall selbst auswählen. Von daher jeden einzelnen gefahrenen Kilometer gegenüber dem rate ich jedem, so früh wie möglich eine Vorsorgevoll- Vormundschaftsgericht nachweisen. Rechtspflegerinnen macht zu verfassen. und Rechtspfleger können ihre Arbeitsabläufe nach dem In-Kraft-Treten dieser Regelung straffen, da das Kon- (Beifall bei Abgeordneten der SPD, des trollieren von Abrechnungen entfällt. BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der CDU/CSU) Auf beiden Seiten bleibt nun also mehr Zeit, um sich ganz konkret um den Betreuten zu kümmern. Er steht im Mit der Verteilung der Beratungs- und Beglaubi- Mittelpunkt, nicht seine Abwicklung. Intensiv und kon- gungskompetenz auf mehrere Schultern sorgen wir trovers wurde hingegen die Höhe der pauschalierten Ver- ebenfalls für die Verbreitung und die Stärkung der Vor- gütung diskutiert. Wir haben uns bei der Pauschalierung sorgevollmacht. In der Vergangenheit sind zwar Unsi- auf einen Inklusivstundensatz geeinigt. Dieser Inklusiv- cherheiten bei der Akzeptanz der Vollmachten aufgetre- stundensatz enthält einen pauschalen Anteil für Aufwen- ten, insbesondere im Bereich der Kreditwirtschaft. Doch dungsersatz sowie die anfallende Umsatzsteuer. Mit ei- durch entsprechende Anweisungen an die Banken gibt es nem Höchstsatz von 44 Euro ist es möglich, den hier nun Sicherheit, wenngleich es von Vorteil sein kann, Klienten eine qualifizierte Betreuung und den Betreuern die Vorsorgevollmacht direkt bei der Bank zu unter- ein auskömmliches Einkommen zu sichern. zeichnen. Differenziert wird bei der Vergütung nach dem Auf- Meine Damen und Herren, ich freue mich sehr, dass enthaltsort – das heißt, ob der Betreute zu Hause oder in es uns in den Verhandlungen gelungen ist, auch eine einem Heim lebt – und der Dauer seiner Betreuung. Evaluierung für das Gesetz festzuschreiben. Diese Eva- Auch an dieser Stelle haben wir lange um ergänzende luierung wird die folgenden zwei Jahre umfassen und so- Kriterien gerungen, beispielsweise um eine Öffnungs- wohl die Auswirkungen auf die Betreuten als auch auf klausel für besonders schwere Fälle, eine Differenzie- die wirtschaftliche Situation der Betreuer beleuchten; rung nach Krankheitsbildern oder nach Aufgabenkrei- besondere Berücksichtigung werden auch die Probleme sen. Aber weiter gehende Differenzierungen hätten nicht und Fragestellungen finden, die aus der kürzlich ergan- zu weniger, sondern zu mehr Bürokratie geführt; darum genen Entscheidung des Bundesfinanzhofes bezüglich haben wir von solchen Abstand genommen. Es gibt des- der Gewerbesteuerpflicht für Berufsbetreuer resultieren. halb nur zwei Sonderregelungen. Sie beziehen sich zum Mit dieser frühzeitigen Evaluierung wird es möglich 14828 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005

Sabine Bätzing (A) sein, eventuelle Fehlentwicklungen sehr zeitnah zu er- und es wurde eine Arbeitsgruppe zwischen Bundestag (C) kennen, ihnen entgegenzusteuern oder auch Ergänzun- und Bundesrat gebildet, um zu einem konstruktiven Er- gen vorzunehmen; ich denke hier zum Beispiel an die gebnis zu kommen. Daneben fanden eine Vielzahl von Probleme, die für Ordensgemeinschaften entstehen kön- Gesprächen mit Verbänden und Interessenvertretungen nen. sowie Veranstaltungen statt. Alle Berichterstatter sind quer durch die Republik gereist, um den Menschen un- Wir laden alle Beteiligten ein, die hervorragende Ko- sere Novellierung nahe zu bringen. operation der vergangenen zwölf Monate weiterleben zu lassen, die Evaluierung gemeinsam mit uns zu begleiten Über den Reformbedarf bestand Einigkeit. Bereits in und uns über die Erfahrungen mit dem neuen Gesetz zu der letzten Legislaturperiode – in den Jahren 1999 und berichten. 2000 – hat eine interfraktionelle Arbeitsgruppe ein Re- formkonzept erarbeitet, da die Zahl der Betreuungen er- Meine sehr geehrten Damen und Herren, Gesetzes- heblich gestiegen ist und die Kosten in den Ländern ex- vorhaben zum Betreuungsrecht sind gefüllt mit Zahlen, plodiert sind. Die Länder haben nach Erstellung des Ziffern, Daten und Berechnungen. Wichtiger als die Dis- Abschlussberichts einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe kussion über Kosten und über Öffnungsklauseln ist aber einen Gesetzentwurf vorgelegt, der Grundlage für unsere der Betreute, der auf Hilfe angewiesen ist Beratungen war. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Ich denke, ich spreche hier für alle Beteiligten, wenn CDU/CSU) ich sage, dass für uns bei allen Beratungen stets der Mensch, der aufgrund einer Erkrankung, einer Behinde- und dessen Würde gewahrt werden muss. Wie ich schon rung oder seines Alters einer rechtlichen Betreuung be- in meiner ersten Rede sagte: Im Mittelpunkt steht der darf, im Mittelpunkt stand. Ziel der jetzigen Reform ist Mensch. Daran wird sich auch nach In-Kraft-Treten des es, die Qualität der Betreuung zu erhöhen und sicherzu- Zweiten Betreuungsrechtsänderungsgesetzes nichts än- stellen, dass qualifizierte Betreuungsarbeit geleistet und dern. bezahlt wird. Die Justizhaushalte der Länder sollen da- Vielen Dank. bei mit einem gerechten und unbürokratischen Abrech- nungssystem entlastet werden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir waren uns bei der Diskussion stets der Problema- tik bewusst, dass in unserer Gesellschaft eine Betreu- ungshilfestruktur, ein Handlungsinstrumentarium zur Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Stützung von Betroffenen ohne Eingriffe der Justiz, (B) Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte fehlt. Hier besteht nach wie vor Handlungsbedarf. (D) die Debatte kurz unterbrechen und auf den Tagesordnungspunkt 23 zurückkommen. Aufgrund einer Heute befassen wir uns mit der rechtlichen Betreu- Fehleinordnung der Sprechzettel habe ich es versäumt, ung, die im Betreuungsgesetz geregelt ist. Die Vorsor- die Überweisung der beiden Gesetzentwürfe an die Aus- gevollmacht als Herzstück ist bereits im Gesetz veran- schüsse beschließen zu lassen. Deshalb bitte ich, darauf kert, sie muss aber gestärkt und in den Mittelpunkt zurückkommen zu dürfen. gerückt werden. Sie ist als einziges Rechtsinstitut geeig- Interfraktionell wird Überweisung der Gesetzent- net, das Selbstbestimmungsrecht der Einzelnen für den würfe auf den Drucksachen 15/4731 und 15/4832 an die Fall einer Erkrankung oder Behinderung umfassend zu in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge- sichern. Mittlerweile besteht auch eine große Nachfrage schlagen. Gibt es anderweitige Vorschläge? – Das ist nach so genannten Mustervorsorgevollmachten. Die sehr nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen. gut besuchten Informationsveranstaltungen der letzten Wochen und Monate haben gezeigt, dass das Interesse in Dann komme ich zum Tagesordnungspunkt 24 zu- der Bevölkerung sehr groß ist. rück. Das Wort hat jetzt die Kollegin Ute Granold von der CDU/CSU-Fraktion. Die bisherige Rechtslage wird den Anforderungen der Praxis allerdings nicht gerecht. Im Rechtsverkehr, insbe- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) sondere bei den Banken und Sparkassen, findet die Vor- sorgevollmacht keine Akzeptanz, da nicht gesichert ist, Ute Granold (CDU/CSU): ob sie auch tatsächlich vom Vollmachtgeber stammt und Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und seinen Willen wiedergibt. Ein akzeptabler Weg, der viele Herren! Wir befassen uns heute mit dem Betreuungsge- Menschen erreicht, wurde jetzt mit der Errichtung einer setz, einem Gesetz, das die Menschen tief bewegt und behördlichen Beglaubigungskompetenz im Sinne einer das beim Bund und in den Ländern sehr intensiv, aber öffentlichen Beglaubigung gefunden. auch sehr konstruktiv und sehr harmonisch beraten Außerdem konnte dieser Tage – wir haben es von wurde. Ich glaube, wir können heute sagen, es ist eine Herrn Staatssekretär Hartenbach gehört – eine Einigung Sternstunde für uns, wenn wir hier zusammen zu einem, mit den Banken und Sparkassen gefunden werden. Die wie ich denke, guten Ergebnis kommen. Banken werden eine so genannte Bankenvorsorgevoll- Die erste Lesung hierzu fand vor einem Jahr statt. macht ausstellen und in den Verkehr bringen. In beglei- Seitdem gab es eine ganze Anzahl von intensiven Bera- tenden Informationsbroschüren von Bund und Ländern tungen. Wir haben zwei große Anhörungen durchgeführt wird bei den Menschen darum geworben werden, eine Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005 14829

Ute Granold (A) solche Vollmacht zu unterzeichnen. Weiterhin soll die trägen werden die Betreuungsvereine, wo sich die vielen (C) Vorsorgevollmacht in ein so genanntes Vorsorgeregister, ehrenamtlich Tätigen wieder finden, gestützt und ge- das bei der Bundesnotarkammer geführt wird, aufge- stärkt. Mit einem reduzierten Steuersatz ist es möglich, nommen werden. Die Gerichte haben dann rund um die dass die Betreuungsvereine hier ein Stück weit bevor- Uhr die Möglichkeit, sich zu informieren und auf diese zugt werden und damit die ehrenamtliche Arbeit hono- Vorsorgevollmacht Rückgriff zu nehmen. Die Gebühr riert wird. hierfür – auch das wurde mittlerweile festgelegt – soll zwischen 15 und 18 Euro liegen, je nachdem, für welche (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Zahlungsart man sich entscheidet. Die Rechtvorschriften Auf einen weiteren Vorschlag der Union wurde das so hierfür sind nach einem größeren Akt aller – es gab hier genannte Tandemmodell eingeführt. Wir wollen An- noch eine Vielzahl von Hürden zu nehmen – mittlerweile reize schaffen, dass bei leichteren Fällen die Berufs- auf den Weg gebracht. Ich danke für die wirklich inten- betreuung an ehrenamtliche Betreuer abgegeben wird. sive Mitarbeit von Herrn Staatssekretär Hartenbach. Daher wird eine Zusatzvergütung erfolgen, um einen Anreiz zu schaffen, dass der Fall einem ehrenamtlichen Auch wenn es zu wünschen wäre, dass möglichst alle Betreuer übergeben wird. volljährigen Menschen eine Vorsorgevollmacht erteilen, so gibt es doch Fälle, in denen eine Betreuung erforder- Auch das Urteil des Bundesfinanzhofs wurde bereits lich ist und keine Vorsorgevollmacht besteht. Hier müs- angesprochen. Hier gab es Irritationen, weil die Berufs- sen Regelungen getroffen werden, die für die Menschen betreuer nun der Gewerbesteuerpflicht unterliegen sol- greifen. Insbesondere im Verfahrensbereich gibt es eine len. In den letzten Tagen haben wir noch eine Einigung Reihe von Neuerungen. Wir haben es gerade schon von gefunden, um das Gesetz verabschieden zu können. In der Kollegin Bätzing gehört. Die Anordnung und Aufhe- zwei Jahren wird es eine Evaluierung unter den Ge- bung der Betreuung sowie die Festlegung des Aufgaben- sichtspunkten der steuerlichen Belastung und der Diffe- bereichs eines Betreuers sollen nach wie vor unter Rich- renzierung geben. Auch bei der Frage der Auskömm- tervorbehalt bleiben. Die Auswahl, Bestellung und lichkeit der nun festgelegten Vergütungssätze wollen wir Entlassung sollen im Aufgaben- bzw. Zuständigkeits- sehen, ob das Gesetz greift und von der Praxis angenom- bereich der Rechtspflege liegen. Proberichter sollen im men wird. ersten Jahr ihrer richterlichen Tätigkeit nicht eingesetzt werden, weil die Erfahrung fehlt. Gutachten, die erfor- Wir haben in der Anhörung viel Zeit auf die Frage der derlich sind, um eine Betreuung anzuordnen, können Einführung einer gesetzlichen Vertretung im Bereich der auch dann verwertet werden, wenn sie aus vorangegan- Personen-, Vermögens- und Gesundheitssorge verwandt. genen Verfahren stammen, sofern diese aus dem Bereich Ab einem bestimmten Stadium haben wir in der Diskus- (B) (D) der Pflegeversicherung stammen und der Betroffene zu- sion gesagt: Wir könnten die gesetzliche Vertretung be- stimmt. fristen, um haftungsrechtliche Probleme in den Griff zu bekommen. Das hat aber nicht funktioniert. Das wäre al- Wir sind überzeugt, dass wir mit der Änderung der lerdings ein Anliegen, da viele Menschen in der Praxis Vergütung im Betreuungswesen den richtigen Weg be- davon ausgehen, dass eine Vertretung in der Gesund- schritten haben. Mit der Pauschalierung, die nun ein- heitsfürsorge im Gesetz steht. Aber dies steht leider geführt werden soll, entfallen zeitraubende und büro- nicht so im Gesetz; der Kollege Grübel wird hierzu noch kratische Einzelabrechnungen. Wir haben für die einiges ausführen. Gleiches gilt im Übrigen auch für die Pauschalierung eigens eine Anhörung durchgeführt und ambulante Zwangsbehandlung, die eine Zeit lang dis- waren sehr froh, dass wir sehr viele Anregungen aus der kutiert wurde. Praxis erhielten, die wir in das Gesetz einarbeiten konn- ten. Ich denke, wir haben einen gerechten Interessenaus- Wir haben gemeinsam ein Gesetzeswerk auf den Weg gleich zwischen den Betreuern und den Ländern vorge- gebracht, das für die Menschen in unserem Land gut ist nommen, einen Katalog erstellt und das, was uns die und mit dem auch die Handelnden gut leben können. Die Länder vorgelegt haben, ein Stück weit erweitert. Evaluierung gibt uns ein Stück weit die Sicherheit, in zwei Jahren zu überprüfen, ob das Gesetz greift. Ich be- Neben der Differenzierung, ob der Betreute zu Hause danke mich wie die Kollegin Bätzing bei den Kollegin- ist, in einem Heim oder einer anderen Einrichtung unter- nen und Kollegen der Regierungsfraktionen und der gebracht ist, differenzieren wir jetzt noch zwischen mit- FDP für die doch sehr lange, intensive und fruchtbare tellosen und vermögenden Betreuten. Wir müssen Zusammenarbeit und die Tatsache, dass wir heute, so wissen, dass 85 Prozent der Betreuten mittellos sind. Wir hoffe ich, gemeinsam ein Gesetz verabschieden, das al- haben aber entschieden, nicht weiter je nach der len Menschen in unserem Land zugute kommt. Schwere einer Erkrankung oder eines Falles zu differen- Vielen Dank. zieren. Diese Position haben wir bei der Mittelung der Pauschalsätze eingearbeitet. Weitere Differenzierungen (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- würden wiederum zu einem Verwaltungsaufwand füh- neten der SPD und der FDP) ren, den wir gerade vermeiden wollten. Was uns von der Union wichtig war und auch Ein- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: gang im Gesetz gefunden hat, ist die Stärkung des Das Wort hat jetzt der Kollege Jerzy Montag von Ehrenamtes. Mit den Inklusivsätzen und den Bruttobe- Bündnis 90/Die Grünen. 14830 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005

(A) Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): litätssicherung: Der Richter kann in geeigneten Fällen (C) Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Re- einen Betreuungsplan erstellen lassen. Stichwort Zweit- formgesetz zum Betreuungsrecht, dem heute allseitige verwertung von Gutachten: Den Vorschlag des Bundes- Zustimmung im Hause zuteil wird, hat sein Gesicht rates, jedes Hausarztgutachten im Betreuungsverfahren gegenüber dem ursprünglichen Bundesratsentwurf ent- zu verwenden, haben wir abgelehnt. Nur zeitnahe und scheidend geändert. Erst die Änderungen, die wir umfassende Gutachten können die Basis für eine quali- gemeinsam im Rechtsausschuss des Deutschen Bundes- fizierte Entscheidung des Gerichts bieten. tages zustande gebracht haben, haben den Kern des Be- Ein zentraler Reformpunkt, der massiver Kritik aus- treuungsrechts wieder sichtbar gemacht. Die betreuungs- gesetzt war, betraf die Pauschalierung der Vergütung für bedürftigen Menschen in ihrer Menschenwürde sind und die Berufsbetreuer. Ich möchte vorab ganz deutlich sa- bleiben auch in Zeiten knapper Kassen im Mittelpunkt gen: Das Interesse der Länder, die Kosten der Berufsbe- der Reform. treuungen finanzierbar zu halten, ist ein ganz berechtig- (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ tes Interesse. Die bisherige so genannte Spitzabrechnung DIE GRÜNEN) führte zu unbestreitbaren Mehrkosten. Sie sind von mei- nen Vorrednerinnen im Einzelnen aufgeführt worden. Der Gesetzentwurf ist das Ergebnis harter und Deswegen ist der Übergang zur Pauschalvergütung ein schwieriger Verhandlungen. Der erzielte Kompromiss ist richtiger Reformschritt. Aber dieser Reformschritt aber gelungen. Wir stehen zu dem Gesamtpaket und set- musste so gegangen werden – und er ist jetzt so gegan- zen auf die politische Zusage, dass auch die Länder diese gen worden –, dass die Auskömmlichkeit der Berufsbe- Gesamtlösung mittragen werden. treuer gesichert ist. Nur so wird der Grundgedanke der Einen Vorschlag des Bundesrates haben wir ersatzlos Reform von 1992, nämlich eine qualitativ hochwertige streichen müssen, die ambulante Zwangsbehandlung. Individualbetreuung zu leisten, gesichert werden kön- Sie widerspricht allen Ansätzen einer modernen nen. Psychiatrie, die auf ein kooperatives Patientenverhältnis Der Stundensatz für Berufsbetreuer ist netto um fast setzt. Psychisch Kranke brauchen gerade in ihrem Zu- 13 Prozent angehoben worden, bei Vereinsbetreuungen hause vertrauensvolle Unterstützung und Hilfe und eben wird die Steigerung sogar 20 Prozent betragen. Dies ist nicht staatlich verordneten Zwang. auch gerechtfertigt; denn die Betreuungsvereine sichern Wir wollen die Vorsorgevollmacht stärken. Mit einer nicht nur Berufsbetreuungen, sondern werben und be- solchen Vollmacht kann jeder Mensch selbst bestimmen, gleiten auch die ehrenamtlichen Betreuer und helfen ih- welche Person seines Vertrauens im Falle des Falles nen bei ihrer Arbeit. seine Rechtsangelegenheiten regeln soll; denn auch hier (B) (D) muss gelten: Persönliche Vorsorge ist besser als staatli- Deswegen gilt jetzt für alle Beteiligten, für den Bund, che Fürsorge. Dieser Vorrang sichert das Selbstbestim- für die Länder, für die Betreuungsvereine, für die freibe- mungsrecht der Betroffenen und hilft zugleich, Kosten ruflichen Berufsbetreuer und deren Berufsverbände: Das der Betreuung zu vermeiden. Gesetz ist eine Basis für gute Rechtsbetreuung in der Zu- kunft im Interesse und zum Wohl der betreuungsbedürf- (Beifall des Abg. [FDP]) tigen Menschen. Wir haben deswegen die Hürden für Vorsorgevollmach- Danke schön. ten gesenkt, damit die Menschen davon noch stärker Ge- brauch machen. Betreuungsvereine können noch offensi- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ver für diese Vollmachten werben und Beratungen und bei der SPD sowie der Abg. Ute Granold durchführen. Beglaubigungen können auch bei Betreu- [CDU/CSU]) ungsbehörden erfolgen. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Nun müssen wir alle an der gesellschaftlichen Akzep- Das Wort hat jetzt die Kollegin Sibylle Laurischk von tanz der Vorsorgevollmacht mitwirken. Die Mustervoll- der FDP-Fraktion. machten aus den Ländern und aus dem Bundesjustiz- ministerium sind erarbeitet und sollten verbreitet werden. Sie sollten um eine spezielle Bankvollmacht er- Sibylle Laurischk (FDP): gänzt werden, die dann von den Banken auch tatsächlich Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zuerst akzeptiert wird. möchte ich die Gelegenheit nutzen, mich bei den Kolle- gen aus den anderen Fraktionen für die gute Zusammen- Dem Gedanken der Selbstbestimmung widersprach arbeit zu bedanken, die durch eine bemerkenswerte auch die gesetzliche Vertretungsmacht für Ehegatten Nähe in den Kernpositionen gefördert wurde. bzw. Angehörige in Gesundheits- bzw. Vermögensange- legenheiten. Wir haben diese Vorschläge daher ersatzlos (Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD und gestrichen. des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Mit weiteren Änderungen haben wir die Qualität der Die Reform des Betreuungsrechts hat uns alle lange Betreuungsentscheidungen gesichert und ausgebaut. beschäftigt. Mit dem vom Bundesrat vorgelegten Ent- Stichwort richterliche Entscheidungskompetenz: Die wurf haben wir uns unter anderem in zwei Anhörungen Anordnung der Betreuung und die Bestimmung des Auf- im Rechtsausschuss und in vielen Fachgesprächen inten- gabenkreises bleiben in Richterhand. Stichwort Qua- siv beschäftigt. Wir haben wesentliche Punkte geändert Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005 14831

Sibylle Laurischk (A) und, wie ich meine, deutlich verbessert. Die Ablehnung es unser Anliegen sein, einen angemessenen Standard zu (C) der gesetzlichen Vertretungsmacht sowohl in der Ge- gewährleisten. Die Klärung, ob dies durch ein Zertifizie- sundheits- als auch in der Vermögenssorge, die Verhin- rungsmodell mit Register, einen eigenständigen akade- derung der ambulanten Zwangsbehandlung wie auch die mischen Ausbildungsgang, eine Fortbildungspflicht oder Beibehaltung der Grundentscheidung über die Betreu- eine Kombination aus allem erfolgen sollte, ist Aufgabe ung bei den Richtern sind Punkte, die aus unserer Sicht der Verbände, denen ich an dieser Stelle ausdrücklich rechtsstaatlich unverzichtbar waren. meine Anerkennung und meinen Dank für ihre konstruk- tive Haltung im Diskussionsprozess ausspreche. Sie ha- (Beifall bei der FDP) ben sehr viele hilfreiche Vorschläge in die Diskussion Die Pauschalierung der Betreuervergütung war eingebracht. notwendig, um Bürokratie abzubauen und die Rechts- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten pfleger nicht als reine Abrechnungsrevisoren zu verste- der SPD) hen. Nach Klärung der rechtsstaatlichen Kernpunkte blieb die Pauschalierung der Betreuervergütung der zen- Angesichts des kurzen Bestehens des Berufsstandes ist trale Streitpunkt mit den Ländern. Hier haben wir eine dies eine bemerkenswerte Leistung. Differenzierung nur nach dem Aufenthaltsort des Be- treuten vorgenommen und Stundenansätze auf Basis ei- Einen anderen Beitrag zur Qualitätssicherung werden nes Medians der rechtstatsächlichen Untersuchung vor- im Übrigen auch die Richter leisten müssen. Wir haben genommen. durchsetzen können, dass nicht mehr unerfahrene Rich- ter mit dieser Aufgabe betraut werden. Nun sind sie ge- Es bleibt abzuwarten, ob die gefundene Lösung bei fordert, gute und verlässliche Betreuer auszuwählen. den Zeitansätzen und der Vergütungshöhe den Ansprü- chen gerecht wird, die wir an die Arbeit von Betreuern Leitgedanke für die Reform war Art. 1 des Grundge- stellen. Doch über eines sollten wir uns von Anfang an setzes: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Trotz im Klaren sein. Die Betreuer haben bisher in der tägli- des Charakters des Spargesetzes, den die Bundesratsvor- chen Abwicklung ihrer Aufgaben oft Arbeiten übernom- lage hatte, bin ich heute der Meinung, dass dieser Grund- men, die eigentlich in die Zuständigkeiten anderer fallen. satz durch die Veränderungen, auf die wir uns verständigt Dies können wir nach In-Kraft-Treten des neuen Vergü- haben, beachtet wurde. Das Selbstbestimmungsrecht der tungsmodells nicht mehr erwarten. Betreuten wird nicht weiter eingeschränkt. Die Rahmen- bedingungen für die Vorsorgevollmacht werden verbes- Ich darf mich an dieser Stelle wiederholen: Eine qua- sert. lifizierte Betreuung ist nicht zum Nulltarif zu haben. Leider steht hinsichtlich der finanziellen Situation der Auch in Zukunft werden wir uns der Herausforderung (B) (D) Betreuer noch ein anderes Problem ins Haus. Ein Urteil stellen müssen, trotz knapper Kassen das in uns gesetzte des Bundesfinanzhofs, das Anfang Februar bekannt ge- Vertrauen im Interesse der Betreuten und der Betreuer macht wurde, unterwirft Berufsbetreuer, aber auch als nicht zu enttäuschen und tragfähige Lösungen zu entwi- Betreuer tätige Anwälte mit ihren gesamten Einkünften ckeln. der Gewerbesteuerpflicht. Ich habe in meinen Gesprä- Ich danke Ihnen. chen die Berufsbetreuer durchaus als Angehörige einer Berufsgruppe erlebt, die den mir geläufigen Grundsätzen (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten eines freien Berufes entsprechen würden. Trotz steuer- der SPD und der CDU/CSU) lichen Freibetrags und teilweiser Anrechnungsmöglich- keiten auf die Einkommensteuer hat die genannte Ent- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: scheidung möglicherweise Konsequenzen, die noch Für die Bundesregierung spricht jetzt der Parlamenta- nicht absehbar sind. rische Staatssekretär Alfred Hartenbach. Wir haben uns auf eine Evaluation der finanziellen Situation der Betreuer einschließlich der Steuersituation Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär bei der Bun- nach zwei Jahren verständigt. Ich fordere die Bundes- desministerin der Justiz: regierung schon jetzt auf, auf die Problemlage zu reagie- Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kollegin- ren. nen und Kollegen! Auch ich möchte an den Beginn mei- Ein weiterer Punkt, der uns aller Voraussicht nach ner Rede ein ganz herzliches Dankeschön stellen: Dank auch in Zukunft beschäftigen wird, ist die Qualitätssi- an Sie, die Berichterstatter und Berichterstatterinnen, an cherung. Im Spagat zwischen einer möglichst geringen die Bundesländer sowie an die Mitarbeiterinnen und Zugangsvoraussetzung, um ehrenamtliche Betreuer zu Mitarbeiter des Bundesjustizministeriums. gewinnen, und möglichst hohen Standards für berufliche Frau Zypries hatte vor einem Jahr von gleicher Stelle Betreuer ist ein Ausgleich nur schwer möglich, gerade aus versprochen, dass wir konstruktiv mitarbeiten und weil auch weiterhin das Ehrenamt in der Betreuung uns einbringen werden. Dies haben wir getan. Vorrang haben soll. (Beifall des Abg. Joachim Stünker [SPD]) Doch immer komplizierter werdende Sozialvorschrif- ten – sei es bei den Krankenkassen oder infolge von Ich glaube, wir alle können stolz darauf sein, dass wir Hartz IV – lassen das Aufgabengebiet der Betreuer in gemeinsam etwas geschaffen haben, das denjenigen zu- Zukunft eher noch anspruchsvoller werden. Daher muss gute kommt, denen es tatsächlich zugute kommen soll, 14832 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005

Parl. Staatssekretär Alfred Hartenbach (A) nämlich den Menschen, die nicht mehr selbst bestimmen stärker nach einer förmlichen Vorsorgevollmacht oder (C) können, was mit ihnen geschieht. Betreuung gefragt, wo früher die Kenntnis der Familien- verhältnisse genügt hat. Heute versprechen wir, dass wir den Werdegang des Gesetzes – ich halte es für gut – sehr genau beobachten Die Beratungen waren durch das Konsensprinzip ge- und darauf achten werden, wie es sich in der Praxis aus- prägt; das ist klar geworden. Wir haben hier das gute wirkt. Ich stehe zu unserem Wort, dass wir evaluieren Beispiel eines Gesetzes, das gemeinsam und ohne gro- und schnell eingreifen werden, wenn etwas nicht funk- ßen Streit beraten wurde. Auf was wir uns nicht einigen tioniert. Frau Laurischk, die Evaluierung bezieht sich konnten, steht demnach auch nicht im Gesetz. Einen auch auf die steuerlichen Auswirkungen auf die Be- Punkt möchte ich in diesem Zusammenhang ausdrück- treuer. lich ansprechen: die gesetzliche Vertretungsmacht für (Beifall bei Abgeordneten der SPD, des Ehegatten und Kinder im Bereich der Gesundheitsfür- BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der sorge und für Ehegatten im Bereich der Vermögens- FDP) sorge. Hier sind ganz unterschiedliche Bilder von Fami- lie und Ehe aufeinander geprallt, ja man kann fast sagen: Lassen Sie mich noch auf einen Punkt eingehen, den ganz unterschiedliche Weltbilder. Während SPD und ich persönlich für sehr wichtig halte. Das ist die Vorsor- Grüne von einem möglichen Missbrauch bei den Ehegat- gevollmacht. Wir schaffen hier ein Instrument, welches ten und in der Familie ausgegangen sind, haben wir ein es den Menschen ermöglicht, zu den Zeiten, in denen sie ganz anderes, positiveres Bild von Ehe und Familie. noch selbst bestimmen können, zu regeln, wer einmal für sie sorgen soll, wenn sie nicht mehr selbst bestimmen (Christine Lambrecht [SPD]: Von Überforde- können. Ich bin sehr stolz darauf, dass es uns in gemein- rung sind wir ausgegangen!) samen Gesprächen gelungen ist, zu erreichen, dass die Wir sehen nicht zunächst die Gefahr, dass der Ehepartner Banken sich bemühen werden, ein einheitliches Formu- die Konten räumt, wenn der andere in einer hilflosen lar zu entwerfen. Ich bin sehr sicher, dass es uns eben- Lage ist. Wir unterstellen nicht, dass die Kinder nur da- falls gelingen wird, dafür zu sorgen, dass diejenigen, die rauf warten, sich durch einen Behandlungsabbruch in aufgrund einer Vollmacht Betreuung übernommen ha- den Besitz der Erbschaft bringen zu können. ben, mithilfe dieses Formulars ihre finanziellen Pro- bleme unter erleichterten Umständen lösen können. In (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – diesem Zusammenhang darf ich ein herzliches Danke- Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: schön an die Vertreter der Banken aussprechen, die uns Aber möglich ist es!) sehr entgegengekommen sind. Für uns ist die Ehe ein Ort, an dem der eine für den an- (B) (D) Lassen Sie mich zum Schluss kommen. Ich freue deren da ist. Für uns ist die Familie der Ort, an dem es mich, dass wir zu einem parlamentarischen Stil gefun- Solidarität zwischen den Generationen gibt. den haben, der vorbildlich für alle weiteren Beratungen (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie in diesem Hause sein dürfte.1) des Abg. Dr. [FDP] – Vielen Dank, meine lieben Kolleginnen und Kolle- Christine Lambrecht [SPD]: Nur 13 Prozent der gen. betreuten Menschen sind verheiratet!) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Die meisten alten und kranken Menschen haben we- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der niger Angst vor ihren Familienangehörigen als vielmehr FDP) vor dem Vormundschaftsgericht und dem vormund- schaftsgerichtlichen Verfahren. Sollte es im Einzelfall Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: tatsächlich Grund für Misstrauen geben, hätte nach dem Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Markus Gesetzentwurf jeder seinen entgegenstehenden Willen Grübel von der CDU/CSU-Fraktion. äußern und dokumentieren können. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ein rechtsstaatlich sauberes Verfahren besteht aus vielen Verfahrensschritten: der Anregung der Betreuung und dem ärztlichen Attest, einer sozialpsychiatrischen Markus Grübel (CDU/CSU): Stellungnahme von ambulanten kommunalen Diensten, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im einem fachärztlichen Gutachten über den Betroffenen, Mittelpunkt der Beratungen stand und steht der Mensch. der Anhörung der Betreuungsbehörde, der Stellung- Das haben alle gesagt. Anlass für die Beratungen und nahme des Verfahrenspflegers, der Anhörung des Be- den Gesetzentwurf war aber das liebe Geld. Die Kosten troffenen und dem Schlussgespräch und schließlich dem der rechtlichen Betreuung sind in den letzten Jahren Beschluss des Vormundschaftsgerichts und der Ver- stark gestiegen. Dafür gibt es viele Gründe. Durch den pflichtung des Betreuers. In vielen Fällen ist das Ergeb- demographischen Wandel gibt es immer mehr hochbe- nis dieses sauberen rechtsstaatlichen Verfahrens, dass tagte Menschen und damit auch immer mehr Altersde- der Ehepartner oder das Kind zum Betreuer bestellt mente. Die Familienverbände lösen sich auf. Durch die wird, und dies oft nur für eine verhältnismäßig kurze Verrechtlichung in allen Lebensbereichen wird immer Zeit. Hier hätten wir ein familienpolitisches Signal set- zen und Bürokratieabbau betreiben können. Leider war 1) siehe auch Anlage 3 dies nicht konsensfähig. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005 14833

Markus Grübel (A) Auf das Thema Vorsorgevollmacht haben bereits alle (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des (C) Redner hingewiesen. BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Sibylle Laurischk [FDP]) Lassen Sie mich zum Schluss kommen: Wir sind mit dem Zweiten Betreuungsrechtsänderungsgesetz insge- Das waren die Gründe, warum wir kein gesetzliches samt zufrieden. Wenn wir uns auch noch auf die gesetzli- Vertretungsrecht wollen. Wir haben kein abgehobenes che Vertretungsmacht geeinigt hätten, hätten wir noch Familienbild, sondern wir nehmen die Realität zur weniger Bürokratie und ein familienpolitisches Signal Kenntnis. Es wäre schön, wenn es so wäre, wie Sie es setzen können. Dies bleibt ein Merkposten für ein mögli- hier dargestellt haben. Völlig andere Gründe haben dazu ches Viertes Betreuungsrechtsänderungsgesetz nach dem geführt, dass wir das ursprünglich vorgesehene gesetz- Jahr 2006. liche Vertretungsrecht nicht im Gesetzentwurf haben wollten. Vielen Dank. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Als letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: hat das Wort die Kollegin Christine Lambrecht von der Ich schließe die Aussprache. SPD-Fraktion. Wir kommen zur Abstimmung über den vom Bun- Christine Lambrecht (SPD): desrat eingebrachten Entwurf eines Betreuungsrechts- änderungsgesetzes auf Drucksache 15/2494. Der Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will Rechtsausschuss empfiehlt auf Drucksache 15/4874, nur kurz die Gelegenheit nutzen, einige Irrtümer auszu- den Gesetzentwurf in der Ausschussfassung anzuneh- räumen, die mein Vorredner jetzt in die Debatte einge- men. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der bracht hat. Herr Grübel hat ein Familienbild aufgezeigt, Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzei- wie es wünschenswert ist und wie es in zahlreichen Fa- chen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetz- milien vorkommt und noch häufiger vorkommen sollte. entwurf ist in zweiter Beratung einstimmig angenom- Das hat aber nichts mit dem zu tun, über das wir uns hier men. unterhalten, nämlich die gesetzliche Vertretungsmacht. Dritte Beratung (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des (B) BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem (D) Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Man muss zunächst wissen, dass nur 13 Prozent aller Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf Menschen, die unter Betreuung stehen, überhaupt ver- ist einstimmig angenommen. heiratet sind. Wir reden hier also über eine marginale Zahl. Interfraktionell ist vereinbart worden, die heutige Tagesordnung um die Beratung der Anträge der Frak- Das Problem bei der gesetzlichen Vertretungsmacht tionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen auf war, dass sie sich nicht nur auf Ehegatten bezog, sondern Zurückweisung von Einsprüchen des Bundesrates auf auch auf die Kinder. Es war ein Automatismus vorgese- den Drucksachen 15/4892 und 15/4893 zu erweitern und hen, nach dem das Kind für den entsprechenden Eltern- diese jetzt als Zusatzpunkt 11 und Zusatzpunkt 12 aufzu- teil verantwortlich ist, rufen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann ist so beschlossen. Mit viel Bürokratie bei zwei Kindern!) Ich rufe somit den Zusatzpunkt 11 und den Zusatz- punkt 12 auf: aber auch umgekehrt der Elternteil für das Kind. Das ist dann kein Problem, wenn zum Beispiel ich mit 39 Jahren ZP 11 Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD für meinen 60-jährigen Vater die Betreuung übernehmen und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN soll. Umgekehrt geht es auch noch. Wenn aber sein Zurückweisung des Einspruchs des Bundes- 84-jähriger Vater für ihn automatisch die Betreuung rates gegen das Gesetz über die Feststellung übernehmen soll, zum Beispiel wenn er einen Schlag- des Bundeshaushaltsplans für das Haushalts- anfall gehabt hat, besteht ein Fall der Überforderung. gesetz 2005 (Haushaltsgesetz 2005) Genau so ist es, wenn der 18-jährige Sohn für seinen 50-jährigen Vater, der nebenbei noch einen Betrieb lei- – Drucksachen 15/4890, 15/4892 – tet, die gesetzliche Vertretungsmacht übernehmen soll. Das waren unsere Bedenken. ZP 12 Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Außerdem ging es um die Emanzipation. Ich spreche Zurückweisung des Einspruchs des Bundes- hier nicht von Frauen, sondern von Behinderten, die rates gegen das Gesetz zur Errichtung der explizit erklärt haben, dass sie nicht automatisch für Akademie der Künste (AdKG) den Rest ihres Lebens unter die Vertretungsmacht ihrer Eltern gestellt werden wollen. – Drucksachen 15/4891, 15/4893 – 14834 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms (A) Der Präsident des Bundesrates hat schriftlich mit- gen das Gesetz zur Errichtung der Akademie der Künste, (C) geteilt, dass der Bundesrat beschlossen hat, gegen das Drucksache 15/4893. Sie benötigen jetzt den Stimmaus- Haushaltsgesetz 2005 und gegen das Gesetz zur Errich- weis in der Farbe Gelb. tung der Akademie der Künste Einspruch einzulegen. Es liegen zwei Anträge der Fraktionen der SPD und des Ich eröffne die Abstimmung. Bündnisses 90/Die Grünen auf Zurückweisung der Ein- Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine sprüche des Bundesrates vor. Stimme nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall. Ich Bevor wir gleich zur Abstimmung über die beiden schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerin- Anträge kommen, bitte ich um Ihre Aufmerksamkeit für nen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. einige notwendige Hinweise zum Abstimmungsverfah- Das Ergebnis der Abstimmungen wird Ihnen später be- ren. Es ist jeweils namentliche Abstimmung verlangt. kannt gegeben.1) Nach Art. 77 Abs. 4 des Grundgesetzes ist für die Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen dann mit Zurückweisung eines Einspruchs des Bundesrates die dem nächsten Tagesordnungspunkt fortfahren. Ich bitte Mehrheit der Mitglieder des Deutschen Bundestages er- diejenigen, die sich daran beteiligen wollen, die Plätze forderlich; das sind mindestens 301 Stimmen. einzunehmen, und die übrigen, jedenfalls das Zentrum Wer den Einspruch zurückweisen will, muss mit Ja des Plenarsaals zu räumen. stimmen. Sie benötigen außer Ihren Stimmkarten auch Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 25 auf: Ihre Stimmausweise in den Farben Blau und Gelb. Die Farbe des zu verwendenden Stimmausweises werde ich Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten bei der jeweiligen Abstimmung angeben. Die Stimmaus- Dr. Martina Krogmann, Dagmar Wöhrl, Karl- weise können Sie, so weit noch nicht geschehen, Ihrem Josef Laumann, weiterer Abgeordneter und der Stimmkartenfach entnehmen. Bitte achten Sie darauf, Fraktion der CDU/CSU dass Stimmkarten und Stimmausweise Ihren Namen tra- gen. Bevor Sie Ihre Stimmkarte in die Urne werfen, Stärkung von Auskunfts- und Mehrwertdiens- übergeben Sie bitte den jeweiligen Stimmausweis einem ten durch Missbrauchsbekämpfung der Schriftführer an der Urne. Sie müssen also Ihre – Drucksachen 15/3547, 15/4092 – Stimmkarte und Ihren Stimmausweis abgeben. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Die Schriftführerinnen und Schriftführer bitte ich, Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ich darauf zu achten, dass Stimmkarten nur von Kolleginnen höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. und Kollegen in die Urnen geworfen werden dürfen, die (B) vorher ihren Stimmausweis in der richtigen Farbe abge- Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Red- (D) geben haben. nerin der Kollegin Dr. Martina Krogmann von der CDU/ CSU-Fraktion das Wort. Wir kommen jetzt zur ersten namentlichen Abstim- mung. Zusatzpunkt 11: Abstimmung über den Antrag (Beifall bei der CDU/CSU) der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grü- nen auf Zurückweisung des Einspruchs des Bundesrates Dr. Martina Krogmann (CDU/CSU): gegen das Haushaltsgesetz 2005, Drucksache 15/4892. Sie benötigen den Stimmausweis in der Farbe Blau. Ich Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vor- mich, dass wir heute im Bundestag darüber debattieren, gesehenen Plätze einzunehmen. Sind die Plätze an den wie wir die Auskunfts- und Mehrwertdienste stärken Urnen besetzt? – Das ist der Fall. Ich eröffne die Ab- können. Wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktion haben stimmung. unsere Große Anfrage bereits im Juni 2004 eingebracht. Damals wie heute liegen uns zwei Dinge bei dieser The- Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine matik besonders am Herzen: Erstens wollen wir die un- Stimmkarte nicht abgegeben hat? Können mir die geheuer dynamischen Unternehmen auf diesen Zu- Schriftführer das bitte einmal signalisieren? – Einen Mo- kunftsmärkten stärken und zweitens wollen wir die ment müssen wir noch warten. Verbraucher stärken. Deshalb müssen wir unseriöse An- bieter, die die Verbraucher nur abzocken wollen, endlich Jetzt schließe ich die Abstimmung und bitte die energisch bekämpfen. Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszäh- lung zu beginnen. (Beifall bei der CDU/CSU) (Zurufe) Der Markt für Mehrwertdienste und auch für Aus- – Die Abstimmung ist geschlossen. kunftsdienste stellt einen zentralen Wachstumsmotor für die gesamte Telekommunikationsbranche dar und Wir setzen die Abstimmungen fort. Ich bitte die ist damit natürlich auch von entscheidender Bedeutung Schriftführerinnen und Schriftführer, die Urnen auszu- für unsere Volkswirtschaft. Die Branche ist in den letz- wechseln. ten Jahren weltweit enorm gewachsen. Aber auch in Deutschland haben wir inzwischen einen Umsatz von Zusatzpunkt 12: Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen auf Zurückweisung des Einspruchs des Bundesrates ge- 1) Seiten 14836 C, 14839 C Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005 14835

Dr. Martina Krogmann (A) 2 Milliarden Euro pro Jahr, Tendenz weiter rasant stei- an der Seite dieser Anzeige: Freischaltgebühr 9,95 Euro. (C) gend. Das heißt, Sie werden mit einer SMS gleich über 10 Euro los, und das für nichts und wieder nichts. Das Problem ist nun, dass es einige unseriöse Anbie- ter gibt, die enormen Schaden anrichten: Schaden für die Das darf es natürlich nicht geben. Deshalb besteht seriösen Unternehmen, weil sie die Branche in Verruf hier dringender politischer Handlungsbedarf. bringen, und Schaden für die Verbraucher, weil sie ihnen (Beifall bei der CDU/CSU) mit unlauteren Methoden das Geld aus der Tasche zie- hen. Damit gehen das Vertrauen in diese Dienste und in- Wir haben gemeinsam das Gesetz zur Bekämpfung von folgedessen Wachstumsmöglichkeiten, Innovationsmög- Missbrauch bei den so genannten Dialern verabschie- lichkeiten und Arbeitsplätze verloren. det. Das ist jetzt knapp zwei Jahre her. Auch damals war es so, dass wir Sie antreiben mussten, in diesem Bereich (Beifall bei der CDU/CSU) überhaupt etwas zu tun. Vor allem meine Kollegin Ulla Um welche Dienste geht es hier eigentlich? Es geht Heinen hat damals einen Antrag formuliert, den Sie dann zum einen um die 0190er-/0900er-Nummern, unter de- fast wörtlich und mit allen unseren Forderungen in das nen man verschiedene Dienstleistungen abfragen kann: Gesetz übernommen haben. Wir tragen das Gesetz mit, Beratungsdienste, das Wetter, Sportergebnisse, Staupro- denn es war ein gutes Gesetz. gnosen, Kochrezepte, also Dienste aller Art. Dann gibt (Beifall bei der CDU/CSU) es die 0137er-Nummern, mit denen das Fernsehen ge- wissermaßen interaktiv wird. Sie wählen eine Nummer Leider haben Sie sich dann bequem zurückgelehnt und können dann per Telefon zum Beispiel mitentschei- und gedacht: Gut ist mit der Missbrauchsbekämpfung. den, wer das Dschungelcamp verlassen muss oder wer Dabei haben Sie aber übersehen, dass sich diese Branche als Erster aus dem Big-Brother-Container fliegt. Auch ständig weiterentwickelt, und zwar in einem ungeheuren hier gibt es keine Grenzen für Geschäftsmodelle und Tempo. Es gibt neue Technologien, neue Übertragungs- Ideen. wege und ständig neue Geschäftsmodelle. Hier kommt es leider zu neuen Formen des Missbrauchs. Wir werfen Vergleichsweise jung ist der Markt der mobilen Mehr- Ihnen vor, dass Sie, statt zu handeln, viel zu lange taten- wertdienste, Stichwort hier: Premium-SMS. Dabei for- los zugesehen haben, wie seriöse Unternehmen diskredi- dert der Kunde per SMS die Leistung eines Anbieters an tiert und die Verbraucher über den Tisch gezogen wor- und kann sich dann Klingeltöne, Wallpapers, Informatio- den sind. nen, Videos oder Musik auf sein Handy herunterladen. Hier ist eine ungeheure Dynamik im Markt. Fast täglich (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. entstehen neue Ideen und Geschäftsmodelle. Man muss Gudrun Kopp [FDP]) (B) (D) sich einmal vorstellen, dass der größte Anbieter solcher Erst vor ein paar Tagen, also Anfang Februar, haben mobilen Mehrwertdienste – er sitzt hier in Berlin – in- Sie den Gesetzentwurf zur Änderung des Telekom- zwischen ein Angebot an 30 000 Klingeltönen und munikationsgesetzes eingebracht. Wir werden über die- 25 000 verschiedenen Logos und Grußkarten hat. Pro sen Gesetzentwurf in den kommenden Wochen und Mo- Monat werden in dieser Firma in einer alten Fabrikhalle naten intensiv debattieren müssen. Schon jetzt sage ich in Kreuzberg allein 150 neue Spiele erfunden. Daran Ihnen aber, dass die CDU/CSU-Fraktion keinem Gesetz zeigt sich diese ungeheure Dynamik. Am Markt sind zustimmen wird, das Verbraucher entmündigt und Un- junge, kleine, mittelständische Unternehmen, die neue ternehmen stranguliert. Ideen haben und innovativ sind. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Das geht weiter; es wird sich noch beschleunigen. Mit Gudrun Kopp [FDP]) der flächendeckenden Einführung von UMTS werden solche Dienste natürlich noch stärker nachgefragt wer- Für uns sind Wirtschaft und Verbraucherschutz eben den. Wir dürfen diese junge Wachstumsbranche nicht keine Gegensätze, sondern zwei Seiten derselben Me- kaputtregulieren. daille. Die Unternehmen selbst haben doch ein hohes In- teresse daran, zufriedene Kunden zu haben. Sie haben (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- sich deshalb in vielen Bereichen freiwillig verpflichtet, neten der FDP) bestimmte Maßnahmen durchzuführen. Wichtig ist aber, Leider ist – das ist die andere Seite – die Palette des dass wir das im Wettbewerb schaffen; denn der Wettbe- Missbrauchs auch bei diesen mobilen Diensten vielfäl- werb – und nicht die staatliche Drangsalierung von Frau tig. Es gibt zum Beispiel so genannte Lock-SMS. In die- Künast, Herrn Clement und der rot-grünen Bundesregie- sem Fall bekommen Sie eine persönlich formulierte rung – sorgt dafür, dass der Verbraucher die besten Pro- SMS, in der Sie aufgefordert werden, doch bitte schnell dukte bekommt. zurückzurufen. Wenn Sie Pech haben, landen Sie dann (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. bei einer 0190er-Nummer und der Anruf kostet Sie Gudrun Kopp [FDP]) gleich mehr als 3 Euro, ohne dass Sie irgendetwas davon haben. Sicherlich kennen Sie auch die Werbeanzeigen Ich denke, in einigen Punkten sind wir uns einig, vor für Dienste, die mit falschen Preisen angeboten werden. allem darin, dass es wichtig ist, mehr Transparenz in Dort steht klein, dass eine bestimmte Leistung angebo- dieser Branche zu haben. Die Verbraucher benötigen ten wird, dann groß, dass das per SMS 80 Cent kostet, mehr Sicherheit, wie viel sie für welche Leistung bezah- aber ganz winzig klein, in millimetergroßer Schrift, steht len müssen. 14836 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005

Dr. Martina Krogmann (A) (Beifall bei der CDU/CSU) nologie aufpassen, dass wir neue Ideen nicht durch (C) staatliche Preisvorgaben von vornherein ausschließen Die Verbraucher müssen sich in dem dichten Tarif- und kaputtmachen. Denn eines geht nicht: Man kann dschungel, den wir heute haben, auskennen. Preise und nicht die weltweit teuersten UMTS-Lizenzen versteigern Leistungen müssen immer deutlich lesbar und erkennbar und dann den Unternehmen, die die Lizenzen teuer be- sein. Deshalb müssen wir natürlich über Preisangaben zahlt haben, Niedrigpreise für ihre Angebote per Gesetz und über Preishöchstgrenzen reden. Wir müssen auch vorschreiben und damit attraktive Inhalte verhindern. über Preisansagepflichten, zumindest für die teuren Das werden wir auf keinen Fall mitmachen. Dienste, reden. Die Frage ist aber, ob das wirklich über- all und umfassend gelten muss. Ich habe beispielsweise (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Probleme damit, wenn Sie diese Pflichten automatisch Gudrun Kopp [FDP]) für das Call-by-Call-Verfahren einführen wollen. Wir, die Union, werden den weiteren Gesetzgebungs- (Ursula Heinen [CDU/CSU]: Ja!) prozess wie bisher kritisch, aber vor allem auch kon- Wir müssen auch über das so genannte Handshake- struktiv begleiten. Denn wir stehen ein für eine unbüro- Verfahren reden. Der Kunde bekommt beim Handshake- kratische, praktikable und zukunftsfähige Lösung für Verfahren nach seiner Abobestellung eine SMS vom An- den gesamten Markt der Auskunfts- und Mehrwert- bieter, die er bestätigen muss. Bei SMS-Abos ist das si- dienste. cherlich richtig und sinnvoll. Dieses Handshake-Verfah- Vielen Dank. ren wird von einigen Anbietern freiwillig angeboten. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Fraglich ist nun aber, ob dieses Verfahren wirklich für neten der FDP) jede E-Mail und jede SMS gelten soll. Denn hier geht es nur um kleine Beträge. Das wäre ungefähr so, als wenn Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: man sich am Bahnhofskiosk spontan eine Tüte Gummi- Bevor ich dem nächsten Redner das Wort gebe, bärchen kaufen will und der Verkäufer zweimal fragen möchte ich die von den Schriftführerinnen und Schrift- würde, ob man wirklich sicher sei, diese Tüte Gummi- führern ermittelten Ergebnisse der beiden namentlichen bärchen kaufen zu wollen. Dieses Verfahren wäre nicht Abstimmungen bekannt geben. nur nervig, sondern auch lebensfremd und nicht prakti- kabel. Deshalb lehnen wir eine Übertragung auf einzelne Wir kommen zunächst zum Ergebnis der namentli- SMS ab. chen Abstimmung über den Antrag auf Zurückweisung des Einspruchs des Bundesrates gegen das Haushaltsge- (Beifall bei der CDU/CSU) setz 2005. Abgegebene Stimmausweise 572, abgegebene (D) (B) Auch über Preisobergrenzen müssen wir uns ver- Stimmen 572. Mit Ja haben gestimmt 303, mit Nein ha- ständigen. Ich habe eine Bitte: Wir müssen vor dem Hin- ben gestimmt 269, Enthaltungen keine. Der Antrag ist tergrund einer schnelleren Einführung der UMTS-Tech- angenommen, da das Quorum 301 betragen hat.

Endgültiges Ergebnis Wolfgang Grotthaus Abgegebene Stimmen: 572; Hans-Werner Bertl Siegmund Ehrmann Karl Hermann Haack davon Petra Bierwirth (Extertal) Hans-Joachim Hacker ja: 303 Martina Eickhoff (Heidelberg) Marga Elser nein: 269 Klaus Hagemann Gerd Friedrich Bollmann Petra Ernstberger Alfred Hartenbach Ja Klaus Brandner Karin Evers-Meyer Michael Hartmann Annette Faße (Wackernheim) SPD Elke Ferner Nina Hauer Dr. Lale Akgün (Hildesheim) Hubertus Heil Hans-Günter Bruckmann Rainer Fornahl Reinhold Hemker Ingrid Arndt-Brauer Gabriele Frechen Rolf Hempelmann Marco Bülow Dr. Barbara Hendricks Hermann Bachmaier Lilo Friedrich (Mettmann) (Neuruppin) Dr. Michael Bürsch Iris Gleicke Petra Heß Hans Martin Bury Günter Gloser Monika Heubaum Dr. Hans-Peter Bartels Marion Caspers-Merk Uwe Göllner Gisela Hilbrecht Eckhardt Barthel (Berlin) Dr. Renate Gradistanac Gabriele Hiller-Ohm (Starnberg) Dr. Herta Däubler-Gmelin Angelika Graf (Rosenheim) Stephan Hilsberg Sören Bartol Dieter Grasedieck Gerd Höfer Sabine Bätzing Martin Dörmann Jelena Hoffmann (Chemnitz) Peter Dreßen Walter Hoffmann Elvira Drobinski-Weiß Gabriele Groneberg (Darmstadt) Dr. Detlef Dzembritzki Achim Großmann (Wismar) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005 14837

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms (A) Frank Hofmann (Volkach) Dr. Hans-Jürgen Uhl (C) Eike Hovermann Karin Rehbock-Zureich Rüdiger Veit Dr. Reinhard Loske Klaas Hübner Gerold Reichenbach Simone Violka Anna Lührmann Christel Humme Dr. Carola Reimann Jörg Vogelsänger Jerzy Montag Lothar Ibrügger Christel Riemann- (Pforzheim) Kerstin Müller (Köln) Brunhilde Irber Hanewinckel Dr. Marlies Volkmer Renate Jäger Hans Georg Wagner Christa Nickels Klaus-Werner Jonas Reinhold Robbe Hedi Wegener Johannes Kahrs René Röspel Andreas Weigel Simone Probst Ulrich Kasparick Dr. Reinhard Weis (Stendal) Claudia Roth (Augsburg) Dr. h.c. Susanne Kastner Karin Roth (Esslingen) Petra Weis Michael Roth (Heringen) Gunter Weißgerber Christine Scheel Hans-Peter Kemper Gerhard Rübenkönig Irmingard Schewe-Gerigk Klaus Kirschner (Wiesloch) Rezzo Schlauch Marlene Rupprecht Dr. Ernst Ulrich von Albert Schmidt (Ingolstadt) Hans-Ulrich Klose (Tuchenbach) Weizsäcker (Berlin) Astrid Klug Thomas Sauer Dr. Petra Selg Dr. Bärbel Kofler Anton Schaaf Hildegard Wester Ursula Sowa Dr. Heinz Köhler Axel Schäfer (Bochum) Lydia Westrich Rainder Steenblock Gudrun Schaich-Walch Inge Wettig-Danielmeier Silke Stokar von Neuforn Fritz Rudolf Körper Dr. Hans-Christian Ströbele Karin Kortmann Bernd Scheelen Andrea Wicklein Jürgen Trittin Rolf Kramer Dr. Jürgen Wieczorek (Böhlen) Marianne Tritz Siegfried Scheffler Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Antje Vogel-Sperl Ernst Kranz Horst Schild Dr. Dieter Wiefelspütz Dr. Nicolette Kressl Otto Schily Brigitte Wimmer (Karlsruhe) Dr. Ludger Volmer Volker Kröning Horst Schmidbauer Engelbert Wistuba Josef Philip Winkler Angelika Krüger-Leißner (Nürnberg) Barbara Wittig Margareta Wolf (Frankfurt) Dr. Hans-Ulrich Krüger Ulla Schmidt (Aachen) Dr. Horst Kubatschka Silvia Schmidt (Eisleben) Verena Wohlleben Nein Helga Kühn-Mengel (Meschede) Waltraud Wolff Ute Kumpf Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (Wolmirstedt) CDU/CSU Dr. Uwe Küster Heinz Schmitt (Landau) Heidi Wright Christine Lambrecht (B) Christian Lange (Backnang) Walter Schöler (D) Manfred Helmut Zöllmer Christine Lehder Dr. Christoph Zöpel Waltraud Lehn Karsten Schönfeld Dr. Elke Leonhard Fritz Schösser BÜNDNIS 90/DIE Dr. Eckhart Lewering Wilfried Schreck GRÜNEN Götz-Peter Lohmann Günter Baumann Gabriele Lösekrug-Möller Gerhard Schröder Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Erika Lotz Brigitte Schulte (Hameln) (Bremen) Dr. Reinhard Schultz Volker Beck (Köln) Dr. Tobias Marhold (Everswinkel) Otto Bernhardt Lothar Mark (Spandau) Birgitt Bender Dr. Dr. Angelica Schwall-Düren Clemens Binninger Grietje Bettin Dr. Martin Schwanholz Renate Blank Ekin Deligöz Ulrike Mehl Erika Simm Petra-Evelyne Merkel Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Thea Dückert Dr. Maria Böhmer Ulrike Merten Dr. Cornelie Sonntag- Jutta Dümpe-Krüger Wolgast Franziska Eichstädt-Bohlig Wolfgang Börnsen Ursula Mogg Wolfgang Spanier Dr. Uschi Eid (Bönstrup) Michael Müller (Düsseldorf) Dr. Margrit Spielmann Hans-Josef Fell Wolfgang Bosbach Christian Müller (Zittau) Jörg-Otto Spiller Joseph Fischer (Frankfurt) Dr. Wolfgang Bötsch Gesine Multhaupt Dr. Ditmar Staffelt Katrin Göring-Eckardt Klaus Brähmig Franz Müntefering Dr. Dr. Rolf Mützenich Rolf Stöckel Volker Neumann (Bramsche) Christoph Strässer Peter Hettlich Monika Brüning Rita Streb-Hesse Ulrike Höfken Dr. Erika Ober Dr. Peter Struck Thilo Hoppe Verena Butalikakis Holger Ortel Joachim Stünker Michaele Hustedt Hartmut Büttner Heinz Paula Jörg Tauss Jutta Krüger-Jacob (Schönebeck) Johannes Pflug Jella Teuchner Cajus Julius Caesar Joachim Poß Dr. Gerald Thalheim Renate Künast Dr. Wilhelm Priesmeier Undine Kurth (Quedlinburg) Franz Thönnes Markus Kurth 14838 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms (A) Dr. Egon Jüttner Dr. Peter Paziorek Marko Wanderwitz (C) Vera Dominke Bartholomäus Kalb Ulrich Petzold Peter Weiß (Emmendingen) Thomas Dörflinger Steffen Kampeter Dr. Gerald Weiß (Groß-Gerau) Marie-Luise Dött Irmgard Karwatzki Sibylle Pfeiffer Bernhard Kaster Dr. Friedbert Pflüger Annette Widmann-Mauz Siegfried Kauder (Bad Klaus-Peter Willsch Dürrheim) Willy Wimmer (Neuss) Dr. Hans Georg Faust Albrecht Feibel Gerlinde Kaupa Daniela Raab Werner Wittlich Dagmar Wöhrl Ingrid Fischbach Jürgen Klimke Hans Raidel Elke Wülfing Hartwig Fischer (Göttingen) Julia Klöckner Dr. Wolfgang Zeitlmann Dirk Fischer (Hamburg) Kristina Köhler (Wiesbaden) Helmut Rauber Wolfgang Zöller Axel E. Fischer (Karlsruhe- Norbert Königshofen Christa Reichard (Dresden) Willi Zylajew Land) Hartmut Koschyk Dr. Thomas Kossendey Hans-Peter Repnik FDP Klaus-Peter Flosbach Rudolf Kraus Klaus Riegert Dr. Dr. Dr. Hans-Peter Friedrich Günther Krichbaum (Münster) (Hof) Günter Krings Franz-Xaver Romer Angelika Brunkhorst Erich G. Fritz Dr. Martina Krogmann Dr. Klaus Rose Jochen-Konrad Fromme Dr. Hermann Kues Kurt J. Rossmanith Helga Daub Dr. Michael Fuchs (Zingst) Dr. Norbert Röttgen Jörg van Essen Hans-Joachim Fuchtel Dr. Karl A. Lamers Dr. Christian Ruck Ulrike Flach Dr. (Heidelberg) (Weiden) Otto Fricke Dr. Jürgen Gehb Dr. Norbert Lammert Peter Rzepka (Bayreuth) Anita Schäfer (Saalstadt) Barbara Lanzinger Dr. Wolfgang Schäuble Dr. Wolfgang Gerhardt Karl-Josef Laumann Dr. Hans-Michael Goldmann Georg Girisch Werner Lensing Georg Schirmbeck Dr. Karlheinz Guttmacher Peter Letzgus Angela Schmid Dr. Christel Happach-Kasan Ralf Göbel Ursula Lietz Klaus Haupt Dr. Reinhard Göhner Walter Link (Diepholz) Christian Schmidt (Fürth) Ulrich Heinrich (B) Peter Götz Dr. Klaus W. Lippold Andreas Schmidt (Mülheim) Birgit Homburger (D) Dr. Wolfgang Götzer (Offenbach) Dr. Michael Kauch Ute Granold Dr. Michael Luther Dr. Ole Schröder Dr. Heinrich L. Kolb Kurt-Dieter Grill Dorothee Mantel Bernhard Schulte-Drüggelte Hellmut Königshaus Gudrun Kopp Hermann Gröhe (Recklinghausen) Wilhelm Josef Sebastian Sibylle Laurischk Michael Grosse-Brömer (Altötting) Kurt Segner Harald Leibrecht Markus Grübel Dr. Conny Mayer (Freiburg) Matthias Sehling Ina Lenke Dr. Martin Mayer Marion Seib Sabine Leutheusser- Karl-TheodorFreiherr von (Siegertsbrunn) Heinz Seiffert Schnarrenberger und zu Guttenberg Wolfgang Meckelburg Bernd Siebert Markus Löning Dr. Holger-Heinrich Haibach Dr. Günther Friedrich Nolting Eberhard Otto (Godern) Klaus-Jürgen Hedrich Doris Meyer (Tapfheim) Detlef Parr Helmut Heiderich Ursula Heinen Marlene Mortler Siegfried Helias Stefan Müller (Erlangen) Andreas Storm Gisela Piltz Uda Carmen Freia Heller Bernward Müller (Gera) Max Straubinger Dr. Hildegard Müller Matthäus Strebl Dr. Hermann Otto Solms Jürgen Herrmann Bernd Neumann (Bremen) Thomas Strobl (Heilbronn) Dr. Max Stadler Henry Nitzsche Lena Strothmann Carl-Ludwig Thiele Ernst Hinsken Michael Stübgen Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein Robert Hochbaum Günter Nooke Edeltraut Töpfer Dr. Klaus Hofbauer Dr. Georg Nüßlein Dr. Hans-Peter Uhl Fraktionslose Joachim Hörster Franz Obermeier Hubert Hüppe Volkmar Uwe Vogel Susanne Jaffke Melanie Oßwald Andrea Astrid Voßhoff Dr. Gesine Lötzsch Dr. Rita Pawelski Gerhard Wächter Petra Pau Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005 14839

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms (A) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ des Einspruchs des Bundesrates gegen das Gesetz zur (C) DIE GRÜNEN – Wilhelm Schmidt [Salzgit- Errichtung der Akademie der Künste. Abgegebene Stim- ter] [SPD]: Gut für Deutschland!) mausweise 571, abgegebne Stimmen ebenfalls 571. Mit Ja haben gestimmt 306, mit Nein haben gestimmt 39, Nun das Ergebnis der zweiten namentlichen Abstim- Enthaltungen 226. Auch dieser Antrag hat die erforderli- mung, nämlich der über den Antrag auf Zurückweisung che Mehrheit bekommen und ist angenommen.

Endgültiges Ergebnis Petra Ernstberger Lars Klingbeil Christel Riemann- Abgegebene Stimmen: 571; Karin Evers-Meyer Hans-Ulrich Klose Hanewinckel davon Annette Faße Astrid Klug Walter Riester Elke Ferner Dr. Bärbel Kofler Reinhold Robbe ja: 306 Gabriele Fograscher Dr. Heinz Köhler René Röspel nein: 39 Rainer Fornahl Walter Kolbow Dr. Ernst Dieter Rossmann enthalten: 226 Gabriele Frechen Fritz Rudolf Körper Karin Roth (Esslingen) Dagmar Freitag Karin Kortmann Michael Roth (Heringen) Ja Lilo Friedrich (Mettmann) Rolf Kramer Gerhard Rübenkönig Iris Gleicke Anette Kramme Ortwin Runde SPD Günter Gloser Ernst Kranz Marlene Rupprecht Uwe Göllner Nicolette Kressl (Tuchenbach) Dr. Lale Akgün Renate Gradistanac Volker Kröning Thomas Sauer Gerd Andres Angelika Graf (Rosenheim) Angelika Krüger-Leißner Anton Schaaf Ingrid Arndt-Brauer Dieter Grasedieck Dr. Hans-Ulrich Krüger Axel Schäfer (Bochum) Rainer Arnold Monika Griefahn Horst Kubatschka Gudrun Schaich-Walch Hermann Bachmaier Kerstin Griese Helga Kühn-Mengel Rudolf Scharping Ernst Bahr (Neuruppin) Gabriele Groneberg Ute Kumpf Bernd Scheelen Doris Barnett Achim Großmann Dr. Uwe Küster Dr. Hermann Scheer Dr. Hans-Peter Bartels Wolfgang Grotthaus Christine Lambrecht Siegfried Scheffler Eckhardt Barthel (Berlin) Karl Hermann Haack Christian Lange (Backnang) Horst Schild Klaus Barthel (Starnberg) (Extertal) Christine Lehder Otto Schily Sören Bartol Hans-Joachim Hacker Waltraud Lehn Horst Schmidbauer Sabine Bätzing Bettina Hagedorn Dr. Elke Leonhard (Nürnberg) (B) Uwe Beckmeyer (D) Klaus Hagemann Eckhart Lewering Ulla Schmidt (Aachen) Klaus Uwe Benneter Alfred Hartenbach Götz-Peter Lohmann Silvia Schmidt (Eisleben) Dr. Axel Berg Michael Hartmann Dagmar Schmidt (Meschede) Gabriele Lösekrug-Möller Ute Berg (Wackernheim) Wilhelm Schmidt (Salzgitter) Erika Lotz Hans-Werner Bertl Nina Hauer Heinz Schmitt (Landau) Dr. Christine Lucyga Petra Bierwirth Hubertus Heil Carsten Schneider Tobias Marhold Rudolf Bindig Reinhold Hemker Walter Schöler Lothar Mark Lothar Binding (Heidelberg) Rolf Hempelmann Olaf Scholz Kurt Bodewig Dr. Barbara Hendricks Caren Marks Karsten Schönfeld Gerd Friedrich Bollmann Gustav Herzog Hilde Mattheis Fritz Schösser Klaus Brandner Petra Heß Markus Meckel Wilfried Schreck Willi Brase Monika Heubaum Ulrike Mehl Ottmar Schreiner Bernhard Brinkmann Gisela Hilbrecht Petra-Evelyne Merkel Gerhard Schröder (Hildesheim) Gabriele Hiller-Ohm Ulrike Merten Brigitte Schulte (Hameln) Hans-Günter Bruckmann Stephan Hilsberg Angelika Mertens Reinhard Schultz Edelgard Bulmahn Gerd Höfer Ursula Mogg (Everswinkel) Marco Bülow Jelena Hoffmann (Chemnitz) Michael Müller (Düsseldorf) Swen Schulz (Spandau) Ulla Burchardt Walter Hoffmann Christian Müller (Zittau) Dr. Angelica Schwall-Düren Dr. Michael Bürsch (Darmstadt) Gesine Multhaupt Dr. Martin Schwanholz Hans Martin Bury Iris Hoffmann (Wismar) Franz Müntefering Rolf Schwanitz Marion Caspers-Merk Frank Hofmann (Volkach) Dr. Rolf Mützenich Erika Simm Dr. Peter Danckert Eike Hovermann Volker Neumann (Bramsche) Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Herta Däubler-Gmelin Klaas Hübner Dietmar Nietan Dr. Cornelie Sonntag- Karl Diller Christel Humme Dr. Erika Ober Wolgast Martin Dörmann Lothar Ibrügger Holger Ortel Wolfgang Spanier Peter Dreßen Brunhilde Irber Heinz Paula Dr. Margrit Spielmann Elvira Drobinski-Weiß Renate Jäger Johannes Pflug Jörg-Otto Spiller Detlef Dzembritzki Klaus-Werner Jonas Joachim Poß Dr. Ditmar Staffelt Sebastian Edathy Johannes Kahrs Dr. Wilhelm Priesmeier Ludwig Stiegler Siegmund Ehrmann Ulrich Kasparick Florian Pronold Rolf Stöckel Hans Eichel Dr. h.c. Susanne Kastner Dr. Sascha Raabe Christoph Strässer Martina Eickhoff Ulrich Kelber Karin Rehbock-Zureich Rita Streb-Hesse Marga Elser Hans-Peter Kemper Gerold Reichenbach Dr. Peter Struck Gernot Erler Klaus Kirschner Dr. Carola Reimann Joachim Stünker 14840 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms (A) Jörg Tauss Michaele Hustedt Sabine Leutheusser- Axel E. Fischer (Karlsruhe- (C) Jella Teuchner Jutta Krüger-Jacob Schnarrenberger Land) Dr. Gerald Thalheim Fritz Kuhn Markus Löning Dr. Maria Flachsbarth Wolfgang Thierse Renate Künast Dirk Niebel Klaus-Peter Flosbach Franz Thönnes Undine Kurth (Quedlinburg) Günther Friedrich Nolting Herbert Frankenhauser Hans-Jürgen Uhl Markus Kurth Eberhard Otto (Godern) Dr. Hans-Peter Friedrich Rüdiger Veit Monika Lazar Detlef Parr (Hof) Simone Violka Dr. Reinhard Loske Cornelia Pieper Erich G. Fritz Jörg Vogelsänger Anna Lührmann Gisela Piltz Jochen-Konrad Fromme Ute Vogt (Pforzheim) Jerzy Montag Dr. Andreas Pinkwart Dr. Michael Fuchs Dr. Marlies Volkmer Kerstin Müller (Köln) Dr. Hermann Otto Solms Hans-Joachim Fuchtel Hans Georg Wagner Winfried Nachtwei Dr. Max Stadler Dr. Peter Gauweiler Hedi Wegener Christa Nickels Carl-Ludwig Thiele Dr. Jürgen Gehb Andreas Weigel Friedrich Ostendorff Dr. Guido Westerwelle Norbert Geis Reinhard Weis (Stendal) Simone Probst Dr. Claudia Winterstein Roland Gewalt Petra Weis Claudia Roth (Augsburg) Dr. Volker Wissing Eberhard Gienger Gunter Weißgerber Krista Sager Georg Girisch Gert Weisskirchen Christine Scheel Enthalten Michael Glos (Wiesloch) Irmingard Schewe-Gerigk Ralf Göbel Dr. Ernst Ulrich von Rezzo Schlauch CDU/CSU Dr. Reinhard Göhner Weizsäcker Albert Schmidt (Ingolstadt) Peter Götz Dr. Rainer Wend Werner Schulz (Leipzig) Ulrich Adam Dr. Wolfgang Götzer Hildegard Wester Petra Selg Ilse Aigner Ute Granold Lydia Westrich Ursula Sowa Peter Altmaier Kurt-Dieter Grill Inge Wettig-Danielmeier Rainder Steenblock Artur Auernhammer Reinhard Grindel Dr. Margrit Wetzel Silke Stokar von Neuforn Norbert Barthle Hermann Gröhe Andrea Wicklein Hans-Christian Ströbele Dr. Wolf Bauer Michael Grosse-Brömer Jürgen Wieczorek (Böhlen) Jürgen Trittin Günter Baumann Markus Grübel Heidemarie Wieczorek-Zeul Marianne Tritz Ernst-Reinhard Beck Manfred Grund (Reutlingen) Dr. Dieter Wiefelspütz Dr. Antje Vogel-Sperl Karl-Theodor Freiherr von Veronika Bellmann Brigitte Wimmer (Karlsruhe) Dr. Antje Vollmer und zu Guttenberg Dr. Christoph Bergner Engelbert Wistuba Dr. Ludger Volmer Olav Gutting Otto Bernhardt Barbara Wittig Josef Philip Winkler Holger-Heinrich Haibach Dr. Rolf Bietmann Dr. Wolfgang Wodarg Margareta Wolf (Frankfurt) Gerda Hasselfeldt Clemens Binninger Verena Wohlleben Klaus-Jürgen Hedrich (B) Renate Blank (D) Waltraud Wolff Fraktionslose Helmut Heiderich (Wolmirstedt) Peter Bleser Dr. Gesine Lötzsch Antje Blumenthal Ursula Heinen Heidi Wright Siegfried Helias Uta Zapf Petra Pau Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert Uda Carmen Freia Heller Manfred Helmut Zöllmer Michael Hennrich Dr. Christoph Zöpel Nein Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Jürgen Herrmann Bernd Heynemann CDU/CSU FDP Wolfgang Bosbach Dr. Wolfgang Bötsch Ernst Hinsken Kurt J. Rossmanith Dr. Karl Addicks Klaus Brähmig Peter Hintze Daniel Bahr (Münster) Dr. Ralf Brauksiepe Robert Hochbaum BÜNDNIS 90/DIE Angelika Brunkhorst Helge Braun Klaus Hofbauer GRÜNEN Ernst Burgbacher Monika Brüning Joachim Hörster Helga Daub Georg Brunnhuber Hubert Hüppe Kerstin Andreae Susanne Jaffke Marieluise Beck (Bremen) Jörg van Essen Verena Butalikakis Dr. Peter Jahr Volker Beck (Köln) Ulrike Flach Hartmut Büttner Dr. Egon Jüttner Cornelia Behm Otto Fricke (Schönebeck) Bartholomäus Kalb Birgitt Bender Horst Friedrich (Bayreuth) Cajus Julius Caesar Steffen Kampeter Matthias Berninger Rainer Funke Gitta Connemann Irmgard Karwatzki Grietje Bettin Dr. Wolfgang Gerhardt Leo Dautzenberg Bernhard Kaster Alexander Bonde Hans-Michael Goldmann Hubert Deittert Alexander Dobrindt Siegfried Kauder (Bad Ekin Deligöz Dr. Karlheinz Guttmacher Vera Dominke Dürrheim) Dr. Thea Dückert Dr. Christel Happach-Kasan Thomas Dörflinger Volker Kauder Jutta Dümpe-Krüger Klaus Haupt Franziska Eichstädt-Bohlig Marie-Luise Dött Gerlinde Kaupa Ulrich Heinrich Dr. Uschi Eid Rainer Eppelmann Eckart von Klaeden Hans-Josef Fell Birgit Homburger Georg Fahrenschon Jürgen Klimke Joseph Fischer (Frankfurt) Michael Kauch Ilse Falk Julia Klöckner Katrin Göring-Eckardt Dr. Heinrich L. Kolb Dr. Hans Georg Faust Kristina Köhler (Wiesbaden) Anja Hajduk Hellmut Königshaus Albrecht Feibel Norbert Königshofen Winfried Hermann Gudrun Kopp Enak Ferlemann Hartmut Koschyk Peter Hettlich Sibylle Laurischk Ingrid Fischbach Thomas Kossendey Ulrike Höfken Harald Leibrecht Hartwig Fischer (Göttingen) Rudolf Kraus Thilo Hoppe Ina Lenke Dirk Fischer (Hamburg) Michael Kretschmer Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005 14841

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms (A) Günther Krichbaum Stefan Müller (Erlangen) Hannelore Roedel Andreas Storm (C) Günter Krings Bernward Müller (Gera) Franz Romer Max Straubinger Dr. Martina Krogmann Hildegard Müller Dr. Klaus Rose Matthäus Strebl Dr. Hermann Kues Bernd Neumann (Bremen) Dr. Norbert Röttgen Thomas Strobl (Heilbronn) Werner Kuhn (Zingst) Henry Nitzsche Dr. Christian Ruck Lena Strothmann Dr. Karl A. Lamers Michaela Noll Albert Rupprecht (Weiden) Michael Stübgen (Heidelberg) Claudia Nolte Peter Rzepka Antje Tillmann Dr. Norbert Lammert Günter Nooke Anita Schäfer (Saalstadt) Edeltraut Töpfer Helmut Lamp Dr. Georg Nüßlein Dr. Wolfgang Schäuble Dr. Hans-Peter Uhl Barbara Lanzinger Franz Obermeier Dr. Andreas Scheuer Arnold Vaatz Karl-Josef Laumann Eduard Oswald Georg Schirmbeck Volkmar Uwe Vogel Werner Lensing Melanie Oßwald Angela Schmid Andrea Astrid Voßhoff Peter Letzgus Rita Pawelski Bernd Schmidbauer Gerhard Wächter Ursula Lietz Dr. Peter Paziorek Christian Schmidt (Fürth) Marko Wanderwitz Walter Link (Diepholz) Ulrich Petzold Andreas Schmidt (Mülheim) Peter Weiß (Emmendingen) Dr. Klaus W. Lippold Dr. Joachim Pfeiffer Dr. Andreas Schockenhoff Gerald Weiß (Groß-Gerau) (Offenbach) Sibylle Pfeiffer Dr. Ole Schröder Ingo Wellenreuther Dr. Michael Luther Dr. Friedbert Pflüger Bernhard Schulte-Drüggelte Annette Widmann-Mauz Dorothee Mantel Beatrix Philipp Uwe Schummer Klaus-Peter Willsch Erwin Marschewski Ronald Pofalla Wilhelm Josef Sebastian Willy Wimmer (Neuss) (Recklinghausen) Ruprecht Polenz Kurt Segner Matthias Wissmann Stephan Mayer (Altötting) Daniela Raab Matthias Sehling Werner Wittlich Dr. Martin Mayer Thomas Rachel Marion Seib Dagmar Wöhrl (Siegertsbrunn) Hans Raidel Heinz Seiffert Elke Wülfing Wolfgang Meckelburg Dr. Peter Ramsauer Bernd Siebert Wolfgang Zeitlmann Dr. Michael Meister Helmut Rauber Thomas Silberhorn Wolfgang Zöller Dr. Angela Merkel Christa Reichard (Dresden) Johannes Singhammer Willi Zylajew Friedrich Merz Katherina Reiche Jens Spahn Doris Meyer (Tapfheim) Hans-Peter Repnik Erika Steinbach Fraktionslose Maria Michalk Klaus Riegert Christian von Stetten Marlene Mortler Dr. Heinz Riesenhuber Gero Storjohann Martin Hohmann

(B) (D) (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sehr Wie Sie richtig gesagt haben, haben wir es mit einer gut! Der ganze Vorgang war jedoch überflüs- Branche zu tun, die in einem ständigen Wechsel, in einer sig!) ständigen Entwicklung begriffen ist, die ständig neue Geschäftsmodelle entwickelt. Das hat zur Folge, dass Wir setzen die Debatte fort. Das Wort hat für die Bun- wir uns in entsprechender Weise darauf einstellen müs- desregierung der Parlamentarische Staatssekretär Ditmar sen. Wir alle haben gelernt – weil die Geschäftsmodelle Staffelt. dieser Branche nicht im Hause des Bundesministeriums (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Wilhelm für Wirtschaft und Arbeit entwickelt werden –, dass wir Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Jetzt aber ein biss- immer auch auf die Entwicklung an den Märkten reagie- chen ernsthafter als die Vorrednerin!) ren müssen. So sind wir letztlich auch verfahren. Wir haben im Jahre 2003 das Gesetz zur Bekämpfung Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretär beim Bun- des Missbrauchs von 0190er-/0900er-Mehrwertdienste- desminister für Wirtschaft und Arbeit: rufnummern verabschiedet. Es ist im August 2003 in Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Kraft getreten. Das Missbrauchsgesetz hat bereits, Frau Herren! Sehr geehrte Kollegin Krogmann, Ihre Rede hat Krogmann, zu einer erheblichen Verbesserung des Ver- gezeigt, dass wir in diesen Fragen sehr viel näher beiei- braucherschutzes in diesem Bereich geführt. Durch die nander sind, als Sie das zum Ausdruck bringen wollten. Vorgaben über Preisobergrenzen, Preisangaben und die Es steht doch gar nicht in Frage, dass wir gemeinsam al- Zwangstrennung von Verbindungen wurden Maßnah- les dafür tun müssen, um auf der einen Seite Verbraucher men getroffen, die die Transparenz steigern und das Ri- zu schützen, auf der anderen Seite aber eine sich dyna- siko, sich durch die Nutzung solcher Nummern hoch zu misch entwickelnde Branche in ihrer Entwicklung nicht verschulden, reduzieren. Wir haben also dem Versuch zu stören oder zu behindern. Darauf ist unsere Politik, der Abzocke durch Einzelne, die die Möglichkeiten die Politik der Koalition, der Bundesregierung, aber missbraucht haben, einen Riegel vorgeschoben. auch Ihre, gerichtet. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Beifall bei Abgeordneten der SPD) des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Worüber wir möglicherweise miteinander zu diskutie- Frau Kollegin Krogmann, des Weiteren wurde mit der ren haben, ist die Frage, wie die Stellschrauben im Ein- TKG-Novelle, die zum 26. Juni 2004 in Kraft getreten zelnen ausjustiert werden. Das ist es aber auch im We- ist und an der Sie insbesondere im Vermittlungsaus- sentlichen. schuss sehr stark mitgearbeitet haben, eine umfassende 14842 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005

Parl. Staatssekretär Dr. Ditmar Staffelt (A) Generalermächtigung für die Regulierungsbehörde (Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne (C) erteilt. Das ist ein qualitativ wichtiger Schritt, um gegen Kastner) rechtswidrige Rufnummernnutzung einschreiten zu kön- nen. Damit wird es unseriösen Anbietern immer weiter Das heißt also – das haben Sie vorhin angespro- erschwert, die bestehenden gesetzlichen Regelungen chen –: Wir werden mit dem, was wir von der gesetzge- durch die Nutzung anderer Rufnummergassen zu umge- benden Seite her tun können, weder die Branche stran- hen. gulieren noch die Verbraucher entmündigen. Wir müssen hier einen vernünftigen Interessenausgleich zwischen Die Regulierungsbehörde für Telekommunikation den Verbrauchern und der Branche finden. und Post konnte auf der Grundlage der von der Bundes- regierung in den vergangenen Jahren initiierten gesetzli- (Beifall bei der SPD) chen Regelungen wirksam und erfolgreich gegen Miss- Das führt dann dazu, dass diese Branche unterm Strich bräuche vorgehen. So wurden mehrere Tausend Dialer eine Rahmenbedingung hat, in der sie sich sehr gut ent- vom Markt genommen und zahlreiche Mehrwertdiens- wickeln und in der sie einen wichtigen Beitrag zur volks- terufnummern gesperrt. Das wissen Sie sehr wohl; wir wirtschaftlichen Entwicklung leisten kann. haben immer wieder über diese Fragen diskutiert. Ich vermute, im Beirat der RegTP ist genau dies von allen Ich will an dieser Stelle darauf verweisen, dass wir al- Beteiligten debattiert worden. lesamt – das sagte ich eingangs – ein Stück weit das Ge- fühl von Learning by Doing hatten, dass wir jetzt aber Aktuell werden – Sie haben darauf verwiesen – auf dennoch die Kontrolle in stärkerem Maße an die RegTP, der Grundlage des am 26. Juni 2004 in Kraft getretenen also an die Regulierungsbehörde, zu übertragen geden- novellierten Telekommunikationsgesetzes die bisher in ken und einen gesetzlichen Rahmen fassen werden, der der Telekommunikations-Kundenschutzverordnung ent- dazu führt, dass die Regulierungsbehörde alle Mechanis- haltenen verbraucherrelevanten Regelungen in das TKG men in der Hand hat, um Missbräuchen entgegentreten integriert, das so genannte Telekommunikationsände- zu können. Mit einem solchen Rahmen, so glaube ich, rungsgesetz neu gefasst und insbesondere die Regelun- können wir allesamt sehr gut leben – sowohl die Unter- gen zur Bekämpfung des Missbrauchs von Mehrwert- nehmen als auch die Verbraucher, wie ich an dieser diensterufnummern weiter optimiert. Der Gesetzentwurf Stelle wiederholen möchte. Ich denke, wir sind auf ei- ist jetzt, Anfang Februar, vom Bundeskabinett ver- nem guten Wege. abschiedet worden. Wir hoffen selbstverständlich auf Ihre konstruktive und kritische Begleitung, Frau Wir werden diese Branche auch weiterhin unterstüt- Krogmann, wie es letztlich Aufgabe der Opposition bzw. zen, soweit es irgend möglich ist. Wir laden Sie wie im- (B) des Parlaments insgesamt ist, wenn vonseiten einer Re- mer herzlich zu einem sehr konstruktiven Dialog ein, der (D) gierung ein entsprechender Gesetzesvorschlag einge- – mit vielen praktischen Vorschlägen garniert – letztend- bracht wird. lich zur Stärkung dieses Wirtschaftszweiges beiträgt, und zwar unter Wahrung der Interessen der Verbraucher Im Übrigen stehen auch in diesem Gesetzentwurf die in unserem Lande. Interessen der Verbraucher im Fokus. Das war uns ein besonderes Anliegen. Im Gesetzentwurf werden die ver- Schönen Dank. braucherschützenden Vorschriften zur Bekämpfung des Missbrauchs von Mehrwertdiensterufnummern opti- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ miert. Insbesondere werden mit Blick auf die jugendli- DIE GRÜNEN – Dr. Martina Krogmann chen Verbraucher klare Regelungen bei Inanspruch- [CDU/CSU]: Oh, was für ein schöner Schluss- nahme von Mobilfunkdiensten, zum Beispiel bei den satz!) Klingeltönen, vorgegeben. So haben die Unternehmen dem Verbraucher beispielsweise vor Abschluss entspre- Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: chender Abonnementverträge die Vertragsbedingungen Das Wort hat die Kollegin Gudrun Kopp, FDP-Frak- in einer SMS mitzuteilen. Erst wenn der Verbraucher tion. diese bestätigt hat, kommt der Vertrag, der im Übrigen jederzeit kündbar ist, zustande. Gudrun Kopp (FDP): Der Bundestag wird also demnächst Gelegenheit ha- Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Herren und ben, diesen Themenkomplex zu erörtern. Die zahlrei- Damen! Ich glaube, das gesamte Haus ist daran interes- chen Initiativen der Bundesregierung zeigen auch mit siert, dass die Verbraucher nicht abgezockt, nicht in die Blick auf die Bedeutung des Telekommunikationsmark- Irre geführt und nicht ausgenutzt werden; das ist völlig tes für Wachstum und Innovationen, dass wir dem Ver- klar. Wir sind uns einig, dass wir die Verbraucherinteres- braucherschutz eine hohe Bedeutung zumessen. Gleich- sen wahren müssen. wohl sind wir uns der Tatsache bewusst – das will ich an dieser Stelle bekennen –, dass die elektronischen Me- Aber, Herr Staatssekretär Staffelt, beim Interessen- dien, einschließlich der UMTS-Technologie, eine ganz ausgleich bestehen noch Friktionen. Auf der einen Seite wichtige Branche sind, die wir nicht nur erhalten, son- wollen wir den Verbraucherschutz wahren, auf der ande- dern auch weiterentwickeln wollen und in der wir welt- ren Seite Angebotsvielfalt und innovative Entwicklun- weit und in Europa einen Spitzenplatz erzielen bzw. er- gen ermöglichen – das ist der Spagat, den wir zu leisten halten wollen. haben. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005 14843

Gudrun Kopp (A) Für die FDP-Bundestagsfraktion kann ich nur sagen: (Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (C) Wir legen Wert darauf, dass man nicht – wie es insbe- NEN]: Aha!) sondere im Kabinettsbeschluss zum Ausdruck kommt; denn hier wird an vielen Stellen überreagiert und überre- Aber für die Diensteanbieter ist eine solche Verpflich- guliert, Herr Staffelt – in Aktionismus verfällt. Das ist tung teuer. Möglicherweise ist sie noch nicht einmal im nicht unser Anliegen. Interesse der Verbraucher. Das heißt, wir müssen dem Verbraucher auch die Freiheit geben, wählen zu können. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Ulrike Höfken [BÜND- (Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo denn?) NEN]: Ja! Aber wer nichts weiß, kann nicht wählen!) Insbesondere bei den Grünen besteht immer wieder die Versuchung, verstärkt zu kontrollieren, Ich muss Ihnen sagen: Eine Firma, die Preisansagen an- bietet, wird sich, wenn der Verbraucher diese Leistung (Zuruf von der SPD: Aha, das Feindbild ist auch nachfragt, am Markt durchsetzen und behaupten wieder da!) können. Aus freiwilligen Preisansagen sollten daher keine Pflichtansagen gemacht werden. den Verbraucher ans Händchen zu nehmen Ich glaube, dass es nötig ist, den vorliegenden Gesetz- (Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- entwurf daraufhin zu überprüfen, an welchen Stellen Re- NEN]: Wo denn?) gulierungen dringend nötig sind, und ihn auf diese Weise, wie ich finde, einzuschränken (Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- und Entwicklungen zu behindern. NEN]: Genau!) (Ute Kumpf [SPD]: Jetzt kommt es wieder aber auch abzuwägen, wo wir uns einer Regulierung ent- heraus, das alte Feindbild der FDP! – Ernst halten sollten. Oft ist weniger mehr. Burgbacher [FDP]: Die Grünen sind die Über- regulierer! Immer!) (Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Ja, vor allem bei der FDP!) Heute beraten wir über die Große Anfrage der Unionsfraktionen. Diese Anfrage zeigt sehr deutlich Wir sollten darauf vertrauen, dass sich der Wettbewerb – darauf möchte ich hinweisen –: Es gibt eine große Pa- zwischen den Anbietern – auch der Wettbewerb um das lette an Findigkeiten und viele Gründe, warum der Vertrauen der Verbraucher – weiter entwickeln kann; das Markt in eine Friktion geraten kann. kann ich nur hoffen. Wir sollten an dieser Stelle aller- (B) dings nicht behindernd eingreifen. (D) (Klaus Barthel [Starnberg] [SPD]: Haben Sie auch ein konkretes Beispiel?) Insofern kann ich nur sagen – Frau Dr. Krogmann, ich unterstreiche, was Sie gesagt haben –: Es handelt sich Ich stimme Ihnen völlig zu, wenn Sie sagen, dass wir ei- um völlig neue Marktentwicklungen. Es werden immer nen Rahmen schaffen müssen und Regeln brauchen. mehr neue Dienste angeboten. Diese Entwicklung müs- (Hubertus Heil [SPD]: Geht es auch sen wir unterstützen; denn sie ist sehr dynamisch und be- konkreter?) trifft auch unseren Markt. Sie entscheidet mit darüber, ob wir ein modernes Kommunikations-Deutschland sind Aber wir müssen uns von der Überlegung verabschie- oder ob wir in einem überregulierten Zustand verharren. den, jede Kleinigkeit regulieren und die Stellschrauben immer weiter nachziehen zu können; Ich glaube, wenn wir den Gesetzentwurf so betrach- ten und weiterdiskutieren, dann werden wir am Ende (Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- eine Regelung haben, mit der wir alle sehr gut leben NEN]: Welche möchten Sie denn nicht regu- können, die aber vor allen Dingen im Sinne der Verbrau- lieren?) cherinnen und Verbraucher ist. denn das geht nicht. Das werden wir nicht schaffen. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) der CDU/CSU) Ich finde, dass die in der Antwort auf die Große Anfrage beim Thema unseriöses Agieren gesetzten Schwer- Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: punkte ganz deutlich zeigen, dass wir nicht glauben soll- Das Wort hat die Kollegin Ulrike Höfken, ten, jede Kleinigkeit regulieren zu können. Bündnis 90/Die Grünen. (Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Ja, ja! Im Allgemeinen!) Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen So wird zum Beispiel eine Preisansageverpflichtung und Herren! Der Beitrag von Frau Kopp ist mir etwas für Telekommunikationsdienste mit mehr Transparenz unverständlich geblieben. auf dem Telekommunikationsmarkt begründet; das ist auch nachvollziehbar. (Zuruf von der SPD: Nicht nur dir!) 14844 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005

Ulrike Höfken (A) Aber man kann ihn im Grunde als eine große Lo- Diese Instrumente sind die Preisobergrenze, die Preisan- (C) beshymne auf unsere Politik in diesem Bereich auffas- sage, eine automatische Trennung der Verbindung nach sen; dafür können wir uns ja einmal bedanken. einer Stunde und der Auskunftsanspruch der Regulie- rungsbehörde und überhaupt die Schaffung der Regu- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN lierungsbehörde als eigene Institution. Wir haben die sowie bei Abgeordneten der SPD – Regulierungsbehörde noch einmal gestärkt. Über Dr. Martina Krogmann [CDU/CSU]: Er ist tat- 400 000 entzogene Dialernummern allein 2003 zeigen, sächlich nicht verstanden worden!) wie richtig und notwendig eine solche Regelung war. Ich will etwas zur Verbraucherpolitik der CDU/CSU Wir haben neuere Entwicklungen, auf die ich eben sagen. Frau Heinen, vielleicht wäre es gut, Sie würden hingewiesen habe. Die Preisinformation ist generell pro- sich hierhin stellen und vorlesen, blematisch. Dieses Thema wird immer wieder an uns he- (Ursula Heinen [CDU/CSU]: Ich rede ja rangetragen. Die Tarifinformationen bei Handys umfas- gleich!) sen nicht selten zehn bis 20 Seiten, Tarife im Call-by- Call-Verfahren wechseln manchmal von einem Wochen- was Sie in Ihrer letzten Presseerklärung zum verbrau- ende zum nächsten, Tarifmodelle sind nicht vergleich- cherpolitischen Konzept der CDU/CSU geschrieben ha- bar. Das sind Probleme für Verbraucher. Zusammen be- ben. Da steht nämlich drin, was Sie unter Verbraucher- trachtet mit den Missbrauchsangeboten schleicht sich bei politik verstehen: Verbraucherpolitik ist für die CDU/ den Verbrauchern eine Stimmung ein – natürlich berech- CSU, mehr Lebensqualität für den Einzelnen zu schaf- tigt, wenn man selbst betroffen ist –, dass man ständig fen, aber auch – und das aber muss man betonen – Spiel- übers Ohr gehauen wird. Dieser möchten wir etwas ent- raum für die Wirtschaft zu lassen. Das ist ein extrem gegensetzen, um die Entwicklung in diesem Wirtschafts- wirtschaftsfeindlicher Ansatz, den wir hier mit Abscheu bereich zu verstärken. von uns weisen. Die Bundesregierung hat in der Antwort auf die Große (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Anfrage viele Lösungen beschrieben. Ich denke, kein sowie bei Abgeordneten der SPD) einziger Punkt ist ohne ein entsprechendes Lösungs- Für uns sind Verbraucherschutz und Wirtschaftspoli- angebot geblieben. Deswegen ist diese Debatte heute tik zwei Seiten einer Medaille. eigentlich auch überflüssig. (Zuruf von der CDU/CSU: Aber mit Gänge- (Ursula Heinen [CDU/CSU]: Das sagen Sie lung der Wirtschaft!) mal der Branche!) (B) Es hat sich gezeigt, wie notwendig es ist, diese beiden Hinzu kommt noch, dass im Bundesrat gerade eine (D) Bereiche miteinander zu verknüpfen, um das erfolgrei- neue gesetzliche Regelung beraten wird. Bezogen auf che Funktionieren von neuen Wirtschaftsbereichen mög- die über die 0190er-Nummern hinaus bestehenden Pro- lich zu machen. Wir sind gemeinsam der Auffassung, bleme wird es Regelungen geben, nämlich bessere dass der Bereich der Telekommunikation noch unge- Preisansagepflichten, vorvertragliche Preisinformatio- heure Potenziale hat, und wir möchten dazu beitragen, nen und Regelungen bei Kurzwahlnummern, also bei dass sich diese auch entwickeln. Das kann aber nur funk- Premium-SMS, wodurch – ich denke, das ist ein großes tionieren, wenn die Menschen Vertrauen in die Angebote Ziel dabei – auch ein besserer Schutz von Minderjähri- haben. Es ist nun einmal so, dass es immer wieder einige gen in diesem Markt erreicht wird. wenige schwarze Schafe gibt, die versuchen, bei neuen Entwicklungen entstehende Lücken auszunutzen, und Aus verbraucherpolitischer Sicht sage ich: Ich finde, dort erheblichen Schaden anrichten. Darauf muss man das ist eine wirklich gute Ausgangsgrundlage, um das gesetzlich reagieren; dazu bedarf es auch entsprechender Verbrauchervertrauen zu stärken. Die Preisobergrenzen politischer Diskussionen. bereiten uns noch ein paar Probleme. Bei den 0190er- Nummern greifen die Regelungen ab dem ersten Cent. Wir müssen leider sagen: Der Telekommunikations- Bei den anderen Mehrwertdiensten ist das anders. Wir markt ist reichlich intransparent, wir haben in Einzelbe- finden, dass es dafür eigentlich keinen Grund gibt, da reichen immer noch erhebliche Probleme. Das sind zum auch die technischen Probleme inzwischen gelöst sind. einen die Klingeltöne, wie Sie gesagt haben, aber auch Man könnte das also noch verbraucherfreundlicher re- der ganze Bereich der Beteiligungsmöglichkeiten, etwa geln. Gewinnspiele, bei denen das Tor des Monats oder sonst irgendetwas von den Zuschauern durch den Anruf einer Man muss an dieser Stelle auch einmal sagen, dass 0137er-Nummer bestimmt werden soll. Die Überra- einzelne Unternehmen mit Selbstverpflichtungen und schung beim Öffnen der Rechnung ist oft eine ziemlich Angeboten für Minderjährige einen Schritt vorangegan- böse. gen sind. Die Telekom, Vodafone und E-Plus haben ent- sprechende Angebote gemacht. Ich finde, das ist ein un- Mit dem Gesetz zur Bekämpfung des Missbrauchs terstützenswerter Schritt in Richtung guter Angebote für von 0190er-/0900er-Mehrwertdiensterufnummern ha- Minderjährige. ben wir bereits Instrumente geschaffen – das ist der ent- scheidende Schritt, den wir gemacht haben –, auf deren Grundlage wir bei solchen Entwicklungen zum Wohle Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: des Verbrauchers und der Wirtschaft eingreifen können. Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist zu Ende. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005 14845

(A) Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretär: Vor- (C) Ja. – Ich denke, wir werden mit den gefundenen Lö- sichtig!) sungen einen großen Schritt weiterkommen und im par- denn ich wollte mich bei Ihnen bedanken, weil es eine lamentarischen Verfahren alles mit gewohnter Aufmerk- wirklich umfangreiche Ausarbeitung geworden ist, samkeit und in gewohnter Breite diskutieren. durch die wir, wie ich denke, einen guten Überblick über Danke schön. den Markt, über die Missbrauchsmöglichkeiten und über die Chancen für neue Entwicklungen bekommen haben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Insofern ist das eine gute Sache, die absolut notwendig und bei der SPD) war. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Nächste Rednerin ist Kollegin Ursula Heinen, CDU/ Wir haben es schon von allen Rednerinnen und Red- CSU-Fraktion. nern gehört: Premium-SMS und Mehrwertdienste spielen in unserer Informationsgesellschaft eine immer bedeu- (Beifall bei der CDU/CSU) tendere Rolle. Ein Beispiel zeigt sehr schön, wie gut man diese Möglichkeiten nutzen kann: Im Rahmen einer Ursula Heinen (CDU/CSU): Spendenaktion für die Flutopfer in Südostasien hat Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Unicef eine Sondernummer eingerichtet. Pro SMS, die Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht einmal ei- insgesamt 2,99 Euro gekostet hat, konnte man 2,65 Euro nes zur Wahrheitsfindung vorweg: Die Anfrage meiner spenden. Das ist ein gutes Beispiel dafür, dass diese Kollegin Krogmann und unserer Fraktion stammt von Mehrwertdienste tatsächlich mehr sein können und auch Juni 2004, also aus dem letzten Jahr. etwas bringen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- (Hubertus Heil [SPD]: Und hat sich mittler- neten der FDP) weile erledigt!) Daher sollten wir diese Sache durchaus positiv angehen. Sie gab es somit schon, lange bevor Sie über weitere Än- Auf der anderen Seite müssen wir darauf achten, dass derungen nachgedacht haben. Lassen Sie mich auch das unseriöse Anbieter, die das Vertrauen der Verbraucher noch sagen: Sie hoppeln unseren Initiativen schon die zerstören können, vom Markt verschwinden. Das ist un- ganze Zeit hinterher, anstatt selbst einmal zum richtigen ser Auftrag. Zeitpunkt aktiv zu werden. Die teuren Konsequenzen von Premium-SMS lernen (B) (D) (Dr. Martina Krogmann [CDU/CSU]: Sie he- manche erst dann kennen, wenn sie ihre Handyrechnung cheln hinterher! – Ute Kumpf [SPD]: Wir sind bekommen und sehen, auf wen sie hereingefallen sind. immer aktiv! – Hubertus Heil [SPD]: Wir han- Besondere Animationen, Gewinnversprechen oder eroti- deln, Sie reden!) sche Inhalte sollen die Kunden zum Versenden von Pre- Liebe Kollegin Höfken, Sie haben vorhin noch einmal miums-SMS verführen. Das scheint auch zu funktionie- die Missbrauchsbekämpfung bei den Dialern genannt. ren. Der Preis für eine simple Antwort kann schnell Ich weise darauf hin, dass meine Kollegin Krogmann ei- 3 Euro betragen. nen Forderungskatalog entwickelt hat, der fünf Forde- Aber auch bei den anderen Mehrwertdiensten gibt es rungen enthält. Sie sind vier dieser Forderungen dan- schwarze Schafe. Da helfen leider auch die gesetzlichen kenswerterweise nachgekommen und haben das Regelungen nichts. In diesem Zusammenhang werden entsprechend gesetzlich umgesetzt. Der fünften Forde- wir uns etwas überlegen müssen. rung, nämlich der Ausweitung auf andere Nummern- gassen, also auch auf die von Kollegin Höfken gerade Ein Beispiel: Es kann sein, dass man eine 0190er- angesprochenen 0137er-Nummern, sind Sie aber nicht Nummer anruft und dann in eine Konferenzschaltung nachgekommen. Das geschieht erst jetzt. Ich kann nur gelockt wird. Das heißt, es wird dazu aufgefordert, eine sagen: Wenn Sie eine solche Debatte als überflüssig be- bestimmte Nummer zu wählen, und danach würde man zeichnen, zeigt das nur, dass Sie mit diesem Thema im weiterverbunden. Mit dieser zusätzlichen Nummernwahl Grunde genommen gar nichts anfangen können und ge- aber gelangt man in eine Konferenzschaltung. Dann trieben werden müssen, hier etwas zu tun. Das finde ich nützt es wenig, dass nach einer Stunde die Verbindung sehr bedauerlich. unterbrochen wird. Die Regulierungsbehörde hat auf ih- rer Homepage Fälle aufgelistet, bei denen man vorsich- (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Martina tig sein soll. Wenn einem so etwas passiert, sollte man Krogmann [CDU/CSU]: Die haben kein Inte- das im Hinterkopf haben. In einem solchen Fall kann resse!) sich die Telefonrechnung nach einer Stunde auf sage und schreibe 600 Euro belaufen. Man muss sehen, ob es nach Bevor die Kollegin Höfken geredet und diese Debatte den neuen Verordnungen eine Möglichkeit gibt, hier- als überflüssig bezeichnet hat, wollte ich mich eigentlich gegen etwas zu unternehmen. Ich bin mir sicher, dass sowohl bei denjenigen, die die Fragen entwickelt haben, Ihnen unsere Fraktion dabei helfen wird, die richtigen als auch bei denjenigen, die die Antworten geschrieben Lösungen zu finden. haben, bedanken – Staatssekretär Staffelt, Sie könnten ruhig zuhören; (Beifall bei der CDU/CSU) 14846 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005

Ursula Heinen (A) Durch Missbrauch bei unseriösen Mehrwertdiensten nannt. Ich versuche, ohne Sie belehren zu wollen, einige (C) entsteht mittlerweile bei den seriösen Auskunfts- und Hintergründe dazu zu schildern. Mehrwertdiensten und leider auch bei neuen Geschäfts- modellen ein erhebliches Akzeptanzproblem. Es ist des- Vorweg aber will ich eines an die Adresse der Union halb entscheidend, die Verbraucher in diesem Bereich sagen, Frau Kollegin Heinen und Frau Kollegin vor einem weiteren Missbrauch zu schützen, damit das Krogmann: Man sollte nicht versuchen – das hat Herr Vertrauen in die Seriosität der Diensteanbieter insgesamt Staffelt deutlich gesagt –, künstlich Widersprüche aufzu- gestärkt wird. Deshalb braucht man zum Schutz der Ver- bauen, die nicht da sind. Über technische Details muss braucher klare Regeln. Produkt- und Preistransparenz man reden. Eines aber werden wir nicht zulassen, näm- müssen deutlich gesteigert werden. Ein angemessener lich dass die CDU arbeitsteilig agiert und Frau Ausgleich zwischen den Verbraucherrechten, den Inte- Krogmann zu den Unternehmen geht, diesen sagt, was ressen der seriösen Anbieter und den Anbietern des sie hören wollen, Netzzuganges muss gewährleistet werden. (Dr. Martina Krogmann [CDU/CSU]: Das ist wirklich eine Unverschämtheit, Herr Heil! Wir (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) wollen konstruktiv in der Sache arbeiten!) Natürlich sind wir für eine Preisansagepflicht vor dem und Frau Heinen am nächsten Tag den Verbraucher- Beginn der Entgeltpflichtigkeit; das ist keine Frage. schutzverbänden erzählt, was diese hören wollen. Aber das gilt nicht für billige Call-by-Call-Anrufe, wo sich die Kosten im Zehntelbereich bewegen und damit Ich will dazu ein Beispiel geben. Sie haben im Herbst nur zu zusätzlichem Aufwand, aber nicht zu zusätz- eine Flatrate für Jugendliche gefordert, wenn ich das lichem Nutzen führen. Als Folge kann der eine oder an- richtig gelesen habe, dere Anbieter vom Markt verdrängt werden. (Dr. Martina Krogmann [CDU/CSU]: Das ha- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und ben Sie falsch gelesen! Erkundigen Sie sich der FDP) mal!) Ich kann zum Abschluss nur sagen: Ich bin froh, dass als gäbe es keine Prepaidcards. Sie, Frau Heinen, haben diese Anfrage heute diskutiert wird und dass wir die An- eben davon gesprochen, wenn ich Sie richtig verstanden kündigungen nicht weiter via Presse machen, sondern habe, dass Sie Ansagepflichten für alle Nummerngassen dass sich auch der Deutsche Bundestag mit dem Thema haben wollen. Mehrwertdienste intensiv auseinander setzt. (Dr. Martina Krogmann [CDU/CSU]: Nein!) Danke. (B) Das wollen wir jetzt einmal miteinander durchgehen. (D) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- (Gudrun Kopp [FDP]: Herr Heil, da müssen neten der FDP – Dr. Martina Krogmann Sie noch was lernen!) [CDU/CSU]: Ausgezeichnete Rede!) Wir haben für die 0190er- und 0900er-Nummern seit Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: der letzten Novelle eine Ansagepflicht und das ist auch gut so. Jetzt gibt es die Diskussion darüber, welchen Das Wort hat der Kollege Hubertus Heil, SPD-Frak- Nummerngassen wir weitere Ansagepflichten auferlegen tion. und bei welchen das nicht sinnvoll ist. Ich bin der festen Überzeugung, dass bei 0137er-Nummern eine Preisansa- Hubertus Heil (SPD): gepflicht nicht sinnvoll ist, weil wir das Geschäftsmodell Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich – das ist ein Massenmarkt – dadurch zerstören würden. habe, ehrlich gesagt, am Anfang der Debatte die Auffas- Der faire Kompromiss, den das Ministerium erarbeitet sung der Kollegin Höfken geteilt, dass diese Debatte ei- hat, ist folgender: Wenn jemand eine 0137er-Nummer gentlich überflüssig ist, weil wir in einigen Tagen und anruft, erfolgt die Ansage, dass der Anruf registriert ist Wochen mit einem Gesetzgebungsverfahren konkret und soundso viel kostet. Das ist wichtig, damit einfache handeln und nicht nur darüber reden. Im Verlaufe der Gemüter nicht tausend Mal dort anrufen. Das ist ein Bei- Debatte habe ich allerdings meine Meinung geändert. spiel dafür, wie man im Dialog mit der Wirtschaft – das Frau Kopp, die Allgemeinheit Ihrer Ausführungen hat hat das Ministerium geschafft – eine vernünftige Lösung damit zu tun. Denn eine solche Debatte – da bin ich der herbeiführt. CDU/CSU sehr dankbar – kann auch dazu führen, dass man über konkrete Dinge redet. Insofern kann diese De- (Klaus Barthel [Starnberg] [SPD]: Genau!) batte hinsichtlich der Aufklärung der Sachverhalte In diesem Zusammenhang gibt es eine grundsätzliche durchaus einen pädagogischen Effekt haben. Frage. Wir wollen – das hat die Kollegin Höfken zu (Klaus Barthel [Starnberg] [SPD]: Könnte!) Recht gesagt – keinen künstlichen Widerspruch zwi- schen Verbraucherinteressen und Unternehmensinte- Frau Kopp, Sie haben Selbstverständlichkeiten ange- ressen; denn Verbraucher und Unternehmen bilden zu- führt, zum Beispiel dass wir auf der einen Seite Verbrau- sammen die Wirtschaft. Es ist nicht so, dass nur die cher schützen müssen, sie auf der anderen Seite aber Unternehmen die Wirtschaft sind, sondern auch die Ver- nicht totregulieren sollen. Das sagt jeder hier im Haus. braucher sind ein Teil davon. Vertrauen ist da ganz wich- Sie haben aber nicht einen einzigen konkreten Fall ge- tig. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005 14847

Hubertus Heil (A) (Gudrun Kopp [FDP]: Beide hängen zusam- Jetzt wird es übrigens, Frau Kopp, wieder genauso lau- (C) men!) fen. Wir laden Sie herzlich zu Gesprächen ein. Am Ende werden sich SPD und Grüne mit der Union auf einen Insofern – da sind wir uns einig – sollten wir nicht versu- vernünftigen Kompromiss einigen. Sie aber werden ir- chen, hier im Haus künstliche Widersprüche aufzu- gendeinen Punkt finden, der Ihnen nicht schmeckt, um bauen. dann heldenhaft die Oppositionsrolle zu spielen. Beim (Dr. Martina Krogmann [CDU/CSU]: Wenn TKG war es genauso. Es war ganz erstaunlich, was Sie man einen solchen Stil wie Sie einführt, Herr sich beim TKG zum Schluss alles ausgedacht haben, um Heil!) nicht mitstimmen zu müssen, nur weil Sie Ihre Maxi- malforderungen nicht durchsetzen konnten. Ein Vermitt- Lassen Sie uns lieber im Zuge des Gesetzgebungsverfah- lungsverfahren, das wahrscheinlich ist, das wir aber rens an die Arbeit gehen und schauen, welche Einzelre- nicht brauchen, weil wir das hier im Parlament vernünf- gelungen verhältnismäßig sind und welche Regelungen tig miteinander regeln können, ist ein Geben und Neh- tatsächlich dazu führen, dass Verbraucher effektiv ge- men, wenn man unterschiedliche Positionen hat. Inso- schützt werden. fern bin ich der CDU/CSU ganz dankbar, dass sie Dabei sind zwei Punkte wichtig, Frau Kollegin Kopp. mitarbeiten will. Ich weiß auch die Kompetenz der Kol- Der erste ist: Wir wollen natürlich Missbrauch aktiv be- leginnen dieser Fraktion zu schätzen. kämpfen. Wir wissen aber, dass die Entwicklung der (Ursula Heinen [CDU/CSU]: Was war denn Technik in diesem Bereich häufig so schnell ist, dass der das für ein schöner Spruch?) Gesetzgeber nicht rechtzeitig reagieren kann. Deshalb ist die Möglichkeit der Regulierungsbehörde, selbst aktiv – Das können Sie sich ruhig gefallen lassen. Ich sage Ih- zu werden, ein ganz wichtiger Punkt. Der zweite Aspekt nen an dieser Stelle auch einmal etwas Nettes. ist die Frage der Transparenz, vor allen Dingen der (Ursula Heinen [CDU/CSU]: Das wird auch Preistransparenz. Es ist wichtig für eine entwickelte Zeit!) Marktwirtschaft, dass man weiß, um welche Preise es geht. Wir müssen aber den Menschen eines offen sagen: Es geht aber, wie gesagt, nicht an, sich vom Acker Ein Gesetz, das gegen menschliche Dummheit schützt, zu machen oder so zu tun, als habe man das Ei des kann dieses Parlament nicht beschließen. Das heißt, es Kolumbus erfunden. Wir haben im Juni die Ermäch- gibt Dienste, bei denen sich niemand dafür interessiert, tigungen zu Kundenschutzverordnungen in das TKG wie viel sie kosten. Dort sind Preisansagepflichten aufgenommen. Zeitgleich haben Sie Ihre Anfrage ge- zwecklos. startet, wohl wissend, dass die Verordnungen in Vor- bereitung waren und gesetzgeberisch umgesetzt wer- (B) (D) Ich nehme aber einen Bereich aus, nämlich den, wo den, um Pendelverordnungen zwischen Bundestag und Kinder betroffen sind. Da geht es nicht um Dummheit, Bundesrat zu vermeiden. sondern darum, Kinder zu schützen. Darüber müssen wir uns unterhalten. Das betrifft insbesondere die Klingel- Ich bin mir sicher, dass wir letztendlich einen ver- töne. Das ist ein Riesenthema. Wir müssen uns darüber nünftigen gesetzlichen Rahmen schaffen werden, um unterhalten, wie wir verhindern können, dass sich Kin- Missbrauch zu bekämpfen, Transparenz und Verbrau- der, ohne geschäftsfähig zu sein, Abonnements einhan- cherinteressen zu fördern und die notwendige Sicherheit deln. Dazu hat die Bundesregierung in dem Gesetzent- zu schaffen, damit sich neue Geschäftsmodelle, die wir wurf gute Vorschläge gemacht. als Politiker nicht absehen können, entwickeln können. (Ursula Heinen [CDU/CSU]: Das haben die Wer hätte vor einigen Jahren gedacht, dass sich aus Unternehmen schon selber geregelt!) den SMS ein Massenmarkt entwickelt? Wer hätte ge- dacht, dass sich der MMS so rasant entwickelt? Ich weiß Diese müssen wir uns ansehen. Das betrifft auch das nicht, wie es bei Ihnen ist, aber ich hätte vor einigen Jah- Thema Handshake-SMS. Wir müssen schauen, wo wir ren nicht erwartet, dass es einmal eine Hitparade für in diesem schwierigen Bereich einen Schnitt machen. Klingeltöne geben wird. Über Fragen des Geschmacks (Gudrun Kopp [FDP]: Das ist doch schon be- muss ein Parlament nicht entscheiden – ich sage nur: arbeitet!) „Schni Schna Schnappi“ –; für uns ist entscheidend, den Menschen nicht vorzuschreiben, was sie sich als Unter- Wir müssen die Trennlinie zu dem ziehen, was wir bei haltung oder im Informationsbereich zu Gemüte führen. Jugendlichen zu regeln haben. An diesem Punkt müssen Wir sollten vielmehr den notwendigen Rahmen schaffen, wir schauen – da gebe ich Ihnen von der Union Recht –, damit die Menschen nicht über den Tisch gezogen wer- dass wir Micropaymentsysteme nicht unnötig belasten. den. Sie haben vorhin das Gummibärchenbeispiel genannt. Lassen Sie uns darüber reden und eine vernünftige Lö- Es gibt gerade bei den so genannten Ansagediensten sung finden. Dafür sind wir offen. Ich sage aber ganz Entwicklungen, die nicht gutzuheißen sind. Zwar ist es deutlich: Wir können nicht zulassen, dass Sie so tun, als vernünftig, dass es im Bereich der 118er-Nummern An- ob das etwas ganz Neues wäre, etwas, was die CDU er- sagedienste gibt, wir müssen aber meiner Ansicht nach funden hätte. dafür Sorge tragen, dass jemand, der eine Auskunft an- ruft und das Angebot erhält, weiterverbunden zu werden, Wir haben doch gemeinsam – mit Ausnahme der woraufhin er möglicherweise noch mit einer Mehrwert- FDP – das Telekommunikationsgesetz beschlossen. dienstnummer verbunden wird, weiß, dass er dreimal zu 14848 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005

Hubertus Heil (A) zahlen hat: bei der Einwahl, bei der Weitervermittlung ERP-Sondervermögens für das Jahr 2005 (C) und bei der neuen Mehrwertdienstnummer. (ERP-Wirtschaftsplangesetz 2005) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) – Drucksache 15/3596 – Ich meine, wir können nicht zulassen, dass es an dieser (Erste Beratung 145. Sitzung) Stelle keine Preistransparenz gibt. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus- Ich verlange für die 118er-Nummern keine Preis- ses für Wirtschaft und Arbeit (9. Ausschuss) ansagepflicht. Ich halte eine Ankündigung bei der Be- – Drucksache 15/4704 – werbung dieser Dienste für ausreichend. Aber ich bin für eine Preisansagepflicht, wenn jemand weiterverbunden Berichterstattung: wird. Dies muss sich auch auf den Vermittlungsvorgang Abgeordnete Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk beziehen. Ich denke, auch dafür bietet der Gesetzentwurf eine gute Grundlage. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre Lassen Sie uns zusammenarbeiten! Dabei sollten wir keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. sachorientiert vorgehen, Gespräche mit den Unterneh- men und den Verbraucherschutzverbänden führen und Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kolle- klären, was die Regulierungsbehörde leisten kann. gin Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk, SPD-Fraktion. Damit komme ich zu meinem letzten Punkt. Es geht Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk (SPD): nicht an, dass die Opposition ständig Kritik daran übt, dass die Regulierungsbehörde mehr Personal braucht, Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir während wir als Politiker dieser Behörde immer mehr wollen heute das ERP-Wirtschaftsplangesetz 2005 ver- Aufgaben zuordnen. Wenn wir wollen, dass Missbrauch abschieden. Der Zeitpunkt ist so spät wie schon lange vernünftig bekämpft wird, dann muss die Regulierungs- nicht mehr. behörde in der Lage sein, diesen Job zu leisten. Grund für die Verzögerung ist vor allem die Diskus- (Beifall des Abg. Klaus Barthel [Starnberg] sion um die Planung der Bundesregierung, die Wirt- [SPD]) schaftsförderung und damit das ERP-Sondervermögen für die Zukunft neu zu ordnen und dabei Ich möchte keine Regulierungsbehörde um ihrer 2 Milliarden Euro aus dem ERP-Sondervermögen zu selbst willen. Ich möchte auch nicht, dass wir einen verwenden, um den Haushalt auszugleichen. Das ist (B) Superregulierer schaffen, der beispielsweise zukünftig zwar heute nicht unser Thema, es wird uns aber in den (D) contentreguliert. Lassen Sie uns das gemeinsam ange- kommenden Wochen in den zuständigen Parlamentsaus- hen. schüssen noch intensiv beschäftigen. Aber, Frau Kopp, wenn es das nächste Mal um den Ich will dazu nur so viel sagen: Am Kern der ERP- Haushalt des Bundeswirtschaftsministers und um die Wirtschaftsförderung zugunsten des Mittelstandes und Frage geht, wie sich Ihre Haushälter zum Thema Kosten am ERP-Sondervermögen selbst darf ebenso wenig ge- der Regulierungsbehörde verhalten, dann werden wir ge- rüttelt werden wie an der Entscheidung des Parlaments nau hinhören und auch die immer weiteren Forderungen über die Ausrichtung der damit bewirkten Wirtschafts- hinsichtlich der Aufgaben der RegTP wie auch die Be- förderung; denn das ERP-Sondervermögen war und ist reitschaft berücksichtigen, sicherzustellen, dass die ein wichtiges Instrument der Wirtschaftsförderung. Das RegTP ihre Aufgaben erfüllen kann. muss es auch bleiben. Ich möchte mich herzlich für Ihre Aufmerksamkeit Der Zahlenbeweis dafür ist eindrucksvoll. Seit dem bedanken. Lassen Sie uns jetzt das Gesetzgebungsver- Kriege sind 115 Milliarden Euro an Krediten aus diesem fahren beginnen, nach Lösungen suchen und das Gesetz Vermögen zur Unterstützung der mittelständischen Wirt- beschließen! Zu diesem Thema sollte auf weitere Anfra- schaft geflossen. Bis heute sind unmittelbar 8 Millionen gen verzichtet werden. Es ist Zeit zu Handeln. neue bzw. bestehende Arbeitsplätze aus dem ERP-Son- dervermögen gefördert worden. Auch und gerade in den Herzlichen Dank. neuen Bundesländern hatten und haben die ERP-Kredite positive Wirkungen. Seit der Wiedervereinigung wurde (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ der Aufbau eines leistungsfähigen Mittelstandes in den DIE GRÜNEN) neuen Bundesländern massiv unterstützt. Seit 1990 gab es in den neuen Bundesländern 460 000 Kreditzusagen Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: mit einem Gesamtvolumen von 44 Milliarden Euro. Ich schließe die Aussprache. Rund 1,7 Millionen Arbeitsplätze wurden so geschaffen und 1,75 Millionen bestehende Arbeitsplätze gesichert. Ich rufe Tagesordnungspunkt 26 auf: 200 000 Existenzgründungen konnten vorgenommen werden. Das ist eine Bilanz, die sich wirklich sehen las- Zweite und dritte Beratung des von der Bundes- sen kann. regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Wirtschaftsplans des (Beifall bei der SPD) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005 14849

Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk (A) Das sind zwar nur wenige Zahlen. Aber sie illustrie- (Beifall bei der SPD) (C) ren, dass die Wirtschaftsförderung aus dem ERP- Ich denke in diesem Zusammenhang insbesondere an die Sondervermögen einer der wichtigsten Bausteine zur Nachrangkapitalprodukte „ERP-Kapital für Gründer“ Unterstützung von Gründern und mittelständischen Un- und das „ERP-Kapital für Wachstum“, aber auch den ternehmen darstellt. Weil das so ist, haben der ERP-Un- ERP/EIF-Dachfonds und die neuen ERP-Startfonds für terausschuss, der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit junge innovative Unternehmen. Darüber haben wir ge- und der Deutsche Bundestag an der Umsetzung der meinsam diskutiert und dazu stehen wir auch gemein- ERP-Förderung immer regen Anteil genommen. Sie ha- sam. ben aktiv darauf hingewirkt, dass die Ausrichtung und die Schwerpunktsetzung bei der Wirtschaftsförderung Wir gehen davon aus, dass die Nachfrage nach diesen immer wieder den veränderten Umständen angepasst Förderprogrammen mit zunehmender Bekanntheit der wurden. Nur so konnten wichtige Beiträge im Rahmen Programme und vor allem mit zunehmender Konjunk- der deutschen Einheit erfolgreich geleistet werden. turerholung anziehen wird. Dies kann allerdings nur ge- lingen – zum Abschluss noch ein kritisches Wort –, Der Kern, das Grundprinzip, ist immer gleich geblie- wenn sich auch die deutsche Kreditwirtschaft ihrer ben: Das ERP-Sondervermögen gewährt keinen Zu- Aufgaben und ihrer hohen Verantwortung für die Finan- schuss, sondern gibt Hilfe zur Selbsthilfe, das heißt, das zierung des Mittelstandes wieder bewusst wird. Der Kapital wird zu sehr günstigen Bedingungen – sei es Staat kann nämlich die riesigen Summen, die hier für die beim Zinssatz, sei es bei der Haftung – zur Verfügung Finanzierung fehlen, nicht aufbringen. Er kann an der ei- gestellt. Es erleichtert so Investitionen und den Aufbau nen oder anderen Stelle helfen. Aber für die breite Kre- von Unternehmen und fließt dann wieder zurück, um er- ditversorgung ist und bleibt die Kreditwirtschaft verant- neut für die Förderung von mittelständischen Unterneh- wortlich. Dieses Ziel darf sie nicht völlig überzogenen men und Gründern eingesetzt zu werden. Die USA ha- Gewinnerwartungen opfern. ben uns nämlich nach dem Zweiten Weltkrieg die Marshallplangelder nicht wie anderen Europäern als Ge- Herzlichen Dank. schenk, sondern als Kredit gegeben und haben damit die (Beifall bei der SPD) Grundlage für den dauerhaften Erfolg des Instruments gelegt. Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Um es ganz offen zu sagen: In anderen Ländern wur- Nächster Redner ist der Kollege Otto Bernhardt, den die Gelder unmittelbar in den Haushalt eingestellt CDU/CSU-Fraktion. und verbraucht. Bei uns wurden durch die erwähnte Son- (B) derkonstruktion die Begehrlichkeiten der Finanzminister Otto Bernhardt (CDU/CSU): (D) jahrzehntelang im Zaum gehalten. Nur Österreich ist Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und ähnlich verfahren wie die Bundesrepublik. Auch dort Herren! Bei diesem Tagesordnungspunkt geht es um die wirken die ERP-Fonds genannten Mittel nach wie vor Frage, wie die Erträge des ERP-Sondervermögens im segensreich und werden zur Unterstützung der Wirt- Jahre 2005 eingesetzt werden sollen. Im Grunde unter- schaft eingesetzt. Übrigens denkt in Österreich niemand scheidet sich dieser Wirtschaftsplan nur wenig von den daran, die ERP-Fonds aufzulösen. Ich werde weiterhin vorangegangenen Plänen. Wir müssen leider feststellen, nachdrücklich dafür eintreten, dass auch bei uns dieses dass die Inanspruchnahme der Mittel aus den Program- wichtige Förderinstrument in seiner vollen Kraft erhal- men rückläufig ist; in den letzten drei Jahren sank sie um ten bleibt. etwa 20 Prozent. Besonders traurig ist, dass der Abfluss der Gelder für Existenzgründungen im Jahr 2004, vergli- (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Otto chen mit 2003, um etwa 40 Prozent zurückgegangen ist. Bernhardt [CDU/CSU]) Das hängt aber nicht damit zusammen, dass wir zu we- Wir müssen uns aber heute – unabhängig von allen nig Geld zur Verfügung stellen. Nein, die Gelder reichen anderen Überlegungen – auch um die haushaltsmäßige aus, sie werden auch im nächsten Jahr ausreichen. Tatsa- Grundlage, also das ERP-Wirtschaftsplangesetz, küm- che aber ist, dass es vor dem Hintergrund der allgemei- mern. Der Wirtschaftsplan 2005 sieht wie der nun gel- nen wirtschaftlichen Entwicklung nicht so viele Men- tende ein Fördervolumen von rund 4 Milliarden Euro schen in Deutschland gibt, die investieren können oder vor. Er ist wiederum darauf ausgerichtet, die Unterneh- wollen. Dennoch dürfen wir dieses Vermögen auf keinen men in ihrer deutlich schwieriger gewordenen Finanzie- Fall schmälern; denn ich gehe davon aus, dass diese Mit- rungssituation zu unterstützen. Die richtigen Instrumente tel nach einem Regierungswechsel im Jahr 2006 wieder dafür sind im Wirtschaftsplan angelegt. in erheblichem Umfang benötigt werden. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich darf mich bei dieser Gelegenheit bei den Kolle- ginnen und Kollegen des ERP-Unterausschusses bedan- Eigentlich könnten wir wie in den vorangegangenen ken. Wir haben immer in einer offenen und konstruktiv- Jahren diesem Plan unsere Zustimmung geben. Es gibt kritischen Weise diskutiert. Es ist uns über die Fraktions- eine hervorragende Zusammenarbeit im Unterausschuss. grenzen hinweg – nicht immer in jedem Detail, aber Die Regierung erteilt uns alle Auskünfte. Unsere Wün- doch weitgehend – gelungen, bei den Zielen und Instru- sche werden berücksichtigt. Dennoch werden wir uns menten Einigkeit zu erzielen, wie dies selten im Deut- heute wie bereits in den Ausschüssen der Stimme enthal- schen Bundestag ist. ten, und zwar einzig und allein um unsere Kritik daran 14850 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005

Otto Bernhardt (A) zum Ausdruck zu bringen, dass der Finanzminister beab- Ich sage daher sehr deutlich: Im Unterausschuss sind (C) sichtigt, dem ERP-Sondervermögen 2 Milliarden Euro wir uns im Grunde sehr einig. Die Front verläuft eigent- zu entnehmen, um damit allgemeine Haushaltslöcher zu lich ein bisschen mehr zwischen den Abgeordneten, die stopfen. Dies hat der Mittelstand in Deutschland nicht etwas von der Sache verstehen, und dem Finanzminister, verdient. der sich kurzfristig bedienen will. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- (Bernhard Schulte-Drüggelte [CDU/CSU]: Das neten der FDP) gibt es oft! Das musste mal gesagt werden!) Das ERP-Sondervermögen geht auf die Zeit nach Nun weiß ich natürlich, dass die Kollegen im Unter- dem Krieg zurück. Sie wissen, dass uns die Amerikaner ausschuss – sie geben mir immer Recht, wenn ich mit damals in erheblichem Umfang Kredite für den Wieder- diesen Thesen komme – aus Solidarität nachher wahr- aufbau Westdeutschlands gewährt und vertraglich auf scheinlich verkehrt abstimmen werden. Das werden wir die Rückflüsse verzichtet haben. Sie haben uns sicherlich nicht verhindern können. Wir können nur an zugestanden, diese Mittel zu sammeln – das ist das Son- die Bundesregierung appellieren, einen Weg zu finden, dervermögen – und daraus Wirtschaftsförderung zu be- der sicherstellt, dass die parlamentarische Mitwirkung treiben. Es ist ein stattliches Vermögen zusammenge- bei der geplanten Übertragung erhalten bleibt. kommen: 12,7 Milliarden Euro. (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In diesem Vertrag aus dem Jahr 1949 sind zwei Richtig!) Grundsätze festgelegt worden. Der erste Grundsatz ist Wenn es hier eine vernünftige Lösung gibt, dann wer- das Substanzerhaltungsgebot; es dürfen also nur die den wir uns ihr nicht verschließen. Erträge verwendet werden. Es geht hier nicht um eine nominelle Erhaltung des Vermögens, sondern um eine (Beifall der Abg. Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/ effektive. Das haben wir bis heute durchgehalten. Der DIE GRÜNEN]) Erste, der das nicht durchhalten wird, wird wie in vielen Wir werden aber mit Sicherheit ablehnen, dass anderen Bereichen auch hier Hans Eichel sein. Auch in 2 Milliarden Euro zur allgemeinen Haushaltsdeckung dieser Hinsicht wird er als sehr traurige Gestalt in die herangezogen werden. Deshalb enthalten wir uns heute. Geschichte eingehen. Wir wollen das Signal setzen: Finger weg vom (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- ERP-Sondervermögen! Wir brauchen dieses Vermögen neten der FDP) ungeschmälert für die Mittelstandsförderung in Deutsch- land. (B) Der zweite Grundsatz ist die parlamentarische Kon- (D) trolle. In dem Vertrag heißt es, dass jedes Jahr ein Wirt- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- schaftsplan vom Bundestag zu verabschieden ist. Es neten der FDP) muss also eine ordnungsgemäße parlamentarische Bera- tung geben. Auch darauf hat Hans Eichel einen An- Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: schlag vor. Wir kennen noch nicht alle Vorschläge; wir Der Kollege Hans-Josef Fell, Bündnis 90/Die Grü- werden darüber in Ruhe im Unterausschuss diskutieren. nen, hat seine Rede zu Protokoll gegeben.1) Zurzeit aber sieht es so aus, als wollte der Finanzminis- ter dem Sondervermögen nicht nur 2 Milliarden Euro Nächste Rednerin ist die Kollegin Gudrun Kopp, entnehmen – diese Mittel wären dann endgültig weg –, FDP. sondern die verbleibenden Mittel der KfW geben. Gudrun Kopp (FDP): Wenn diese Mittel dort Eigenkapital werden sollen Frau Präsidentin! Sehr geehrte Herren und Damen! – ich komme darauf zu sprechen –, dann wäre das das Herr Kollege Bernhardt, wir sind uns im Plenum und in Ende der parlamentarischen Mitwirkung. Die KfW hat den Ausschüssen einig – das ist wirklich selten –, dass ausgerechnet, dass sie mit 2 Milliarden Euro weniger ge- wir das ERP-Sondervermögen für die Wirtschaftsförde- nauso viel Wirtschaftsförderung betreiben kann, wenn rung erhalten wollen. Wenn man bedenkt, wie schwierig diese Mittel echtes Eigenkapital werden. Wenn es aber unsere Wirtschaftslage und wie hoch die Arbeitslosen- so kommt, Frau Kollegin, dann – ich wiederhole – ist quote seit vielen Jahren ist, dann sollte man umso mehr unsere Mitwirkung beendet. Deshalb sage ich: Dazu darf zu schätzen wissen, wenn der Wert dieses Sondervermö- es nicht kommen. gens erhalten bleibt. Unser Unterausschuss hat eine Anhörung durchge- (Beifall des Abg. Otto Bernhardt [CDU/CSU]) führt. In dieser Anhörung hat niemand, weder die Kre- ditinstitute noch der Bundesrechnungshof noch die Wirt- Auch deshalb ist es bisher – jedenfalls solange ich schaftsverbände, die Pläne der Bundesregierung begrüßt, Mitglied dieses Unterausschusses bin – Usus gewesen, jedes Jahr, wenn es um das ERP-Wirtschaftsplangesetz (Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk [SPD]: So ist es!) ging, Einigkeit im Abstimmungsverhalten zu zeigen. Ich kann für die FDP-Bundestagsfraktion auch heute sagen: weil sich alle darüber im Klaren sind, dass das ERP-Son- Wir Liberalen wollen ebenfalls ein Zeichen setzen, und dervermögen das wichtigste Förderungsinstrumentarium des Bundes für den Mittelstand ist. Mit diesem Vermö- gen sollte man nicht so leichtfertig umgehen. 1) Anlage 4 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005 14851

Gudrun Kopp (A) zwar gegen die Hilflosigkeit, die wir gegenüber dem Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: (C) empfinden, was hinter den Kulissen in den Ministerien Frau Kollegin, schauen Sie bitte einmal auf die Uhr. geplant ist, nämlich das ERP-Sondervermögen Schritt Sie haben deutlich überzogen. für Schritt als Steinbruch zu missbrauchen, um Haus- haltslöcher zulasten der Wirtschaft zu füllen. Die Gudrun Kopp (FDP): FDP-Bundestagsfraktion wird sich daher der Stimme Ja, letzter Satz. enthalten, um auch auf diese Art und Weise ihren Protest kundzutun. Dies ist ein Raubbau an der Wirtschaft in unserem Land zulasten von Arbeitsplätzen und dem sollten wir Ich weiß, dass die Kollegen aller Fraktionen, auch des uns nach Kräften widersetzen. Bündnisses 90/Die Grünen und der SPD, im Grunde ge- nommen der Meinung sind, dass wir das nicht zulassen Vielen Dank. dürfen. Insofern wird sich die Frage stellen, ob Sie bei (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) der Abstimmung Ihrer Überzeugung folgen werden. Ver- mutlich nicht; das ist eben so. Aber es ist wirklich eine Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: sehr schwierige Lage. Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär für Wir haben einen Bericht des Bundesrechnungshofs Wirtschaft und Arbeit, Ditmar Staffelt. eingefordert. Der Bundesrechnungshof hat uns zu allen Punkten eine klare Auskunft gegeben. Er hat uns aufge- Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretär beim Bun- tragen, dass dann, wenn 2 Milliarden Euro herausgelöst desminister für Wirtschaft und Arbeit: werden sollen, die US-amerikanische Regierung zu be- Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und fragen bzw. zu beteiligen ist. Uns ist gesagt worden, dass Herren! Erstens stelle ich fest: Was den ERP-Wirt- dieses Prozedere in etwa ein Jahr in Anspruch nehmen schaftsplan betrifft, besteht, denke ich, ein hohes Maß an wird. Das heißt, dieser Prozess des Vermögensabbaus Übereinstimmung darüber, dass wir das, was wir in den wird sich nur allmählich vollziehen können. Gleichwohl letzten Jahren getan haben, kontinuierlich fortschreiben wird diese böse Entwicklung auf uns zukommen. und dazu bei den ERP-Aktivitäten Akzentuierungen vor- Ich sehe die Frontlinie eher woanders, Herr Kollege nehmen, die sich infolge der Nachfrage durch Unterneh- Bernhardt. Ich sehe sie in erster Linie zwischen den mer bzw. Unternehmen als notwendig erwiesen haben. beiden Ministern verlaufen, nämlich zwischen Bundes- Sie alle werden begrüßen, so hoffe ich jedenfalls, dass wirtschaftsminister Clement und Bundesfinanzminister wir mit dem ERP/EIF-Dachfonds ein Instrument ge- Eichel. Wir haben uns natürlich gefragt: Wie kann der schaffen haben, das uns in die Lage versetzt, wieder in (B) (D) Wirtschaftsminister im Wissen um die Daten und Fakten stärkerem Maß Risikokapital zu bilden, um insbesondere am Markt und darum, wie wichtig dieses Sondervermö- Technologieunternehmen und innovativen Unterneh- gen für die Wirtschaft ist, zustimmen? Wie kann er das men unter die Arme zu greifen oder die Gründung sol- zulassen? Die einzige Erklärung, die jedenfalls ich dafür cher Unternehmen zu fördern und darüber hinaus dafür habe, ist: Minister Clement ist dazu vergattert worden, Sorge zu tragen, dass sich Unternehmen, die sich in Einsparungen zu realisieren, und hat gesagt: Okay, dann schwierigen Phasen der Entwicklung befinden, finanzie- gebe ich hier klein bei und lasse es zu, dass die 2 Milliar- ren können. den Euro quasi entzogen werden. Ähnliches gilt für den ERP-Startfonds. Das ist eben- Man muss einmal sehen, welche Folgen es haben falls eine Maßnahme, der wir alle in diesem Haus, denke wird, wenn das Parlament nicht mehr beteiligt wird. Das ich, zustimmen. Vermögen soll verringert werden. Es wird gesagt, die Ich glaube auch, dass die Schaffung der KfW-Mittel- KfW könne bessere Renditen erzielen, effizienter wirt- standsbank ein wichtiger Schritt war, um Programme zu schaften. Wenn das so ist, dann – auch das haben wir im vereinheitlichen, neu zu strukturieren und damit auch an Unterausschuss gesagt – müsste es doch eigentlich zur die Marktgegebenheiten anzupassen. Summa summa- Ausschreibung dieser Leistungen kommen. Man müsste rum finde ich – das ist ein wichtiges Ergebnis dieser einmal in Erfahrung bringen, ob eine andere Bank nicht Diskussion –: Wir sollten uns dazu bekennen, dass die noch ganz andere Effizienzgewinne erwirtschaften Förderkulisse für das Entstehen von kleinen und mittle- könnte als die bundesnahe KfW. ren Unternehmen in Deutschland ausgesprochen gut ist. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Dies – so habe ich die Ausführungen von Ihnen allen verstanden – wird von Ihnen allen mitgetragen. Die Argumentationslinie ist also alles andere als logisch. Die Kritik, die hier laut geworden ist, richtet sich so- Ich vermute, dass zweierlei geschehen wird. Die zusagen auf das Bild der Zukunft. In diesem Zusammen- 2 Milliarden Euro werden abfließen; dafür wird es in hang ist zunächst festzuhalten, dass wir alle die Details diesem Hause leider eine Mehrheit geben. Es wird ir- noch nicht kennen. Ich bitte zugleich diejenigen, die mit gendein Hilfskonstrukt geschaffen, bei dem das Parla- mir gemeinsam im Unterausschuss darüber diskutiert ha- ment in irgendeiner Weise beteiligt wird. Was derzeit ben, anzuerkennen, dass sich die Bundesregierung um stattfindet, nämlich die jährliche intensive Beratung ei- weitestmögliche Transparenz bei den jeweiligen Ar- nes Wirtschaftsplangesetzes, wird es so nicht mehr ge- beitsschritten bemüht hat und dass wir auch sehr offen ben. Das können wir uns, finde ich, nicht leisten. über die einzelnen Teilschritte, von denen aus wir dieses 14852 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005

Parl. Staatssekretär Dr. Ditmar Staffelt (A) Thema erschlossen haben, Frau Kollegin Skarpelis- schaftsplangesetzes 2005, Drucksache 15/3596. Der (C) Sperk, diskutiert haben. An der Stelle weise ich darauf Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit empfiehlt auf hin, dass wir selbstverständlich auch die Einwände, die Drucksache 15/4704, den Gesetzentwurf anzunehmen. es gegeben hat, abarbeiten und sie in vollem Umfang in Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen die Überlegungen einbeziehen werden. wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter (Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk [SPD]: Sehr gut!) Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Dazu gehört – das haben wir sehr wohl verstanden –, Enthaltung der CDU/CSU und der FDP angenommen. dass die Mitwirkung des Deutschen Bundestages, die Dritte Beratung sich im Übrigen in der Vergangenheit außerordentlich bewährt hat, von allen weiterhin für erforderlich gehal- und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem ten wird. Wir werden daher alles unternehmen, damit im Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Gesetz die bisher vorgesehenen Mitwirkungsmöglich- Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzent- keiten nicht eingeschränkt werden. wurf ist damit in dritter Beratung mit demselben Stimm- ergebnis wie in der zweiten Beratung angenommen. Ich möchte einen zweiten Punkt ansprechen: In der Anhörung gab es ja Hinweise auf Sondierungsgespräche Ich rufe den Tagesordnungspunkt 27 auf: mit den Vereinigten Staaten von Amerika. Diese hat es Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- gegeben. Wir sind optimistisch, dass wir hierbei zu ei- richts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz nem guten Ergebnis kommen werden. und Reaktorsicherheit (15. Ausschuss) zu dem Ein weiterer wichtiger Punkt: Natürlich hängt viel Antrag der Abgeordneten Birgit Homburger, von der Vertragsgestaltung ab. Ich gehe fest davon aus, Angelika Brunkhorst, Michael Kauch, weiterer dass die KfW eine klare Zusage geben muss, dass sie für Abgeordneter und der Fraktion der FDP die von ihr prognostizierte Verwertung eine ausrei- Mülltrennung vereinfachen – Haushalte ent- chende Rendite aus den 8,4 Milliarden Euro erzielen lasten wird. Das ist Voraussetzung dafür, dass die vorhandenen Programme überhaupt finanziert werden können. Wir – Drucksachen 15/2193, 15/4786 – bemühen uns darum, hier zu einer einvernehmlichen Lö- Berichterstattung: sung zu kommen. Abgeordnete Petra Bierwirth Zu Ihrem Vorschlag, das auszuschreiben, Frau Kolle- Werner Wittlich gin Kopp, kann ich nur sagen: Natürlich kann man Aus- Dr. Antje Vogel-Sperl (B) schreibungen machen. Es wird auch tolle Angebote ge- Birgit Homburger (D) ben, bei denen erheblich bessere Renditen versprochen Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die werden. Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre (Gudrun Kopp [FDP]: Aha!) keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Die Frage ist nur, in welchem Umfang wir bezüglich der Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kolle- gin Petra Bierwirth, SPD-Fraktion. Renditen, die wir dringend benötigen, um die Förder- maßnahmen weiterhin durchführen oder gar noch aus- bauen zu können, Risiken in Kauf nehmen wollen. Des- Petra Bierwirth (SPD): halb stehen wir einer Ausschreibung eher zurückhaltend Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! gegenüber. Die Getrenntsammlung bestimmter Abfälle ist eine Grundvoraussetzung für eine qualitativ hochwertige Die weitere Diskussion sollten wir in der bewährten stoffliche Verwertung. Durch die getrennte Erfassung Art und Weise des offenen Meinungsaustausches mitei- von Verpackungsmaterialien werden hohe Sammel- und nander führen. Ich gehe davon aus, dass wir in den Verwertungsquoten erreicht. Deutschland nimmt neben nächsten Wochen weitere wichtige Schritte unternehmen Dänemark und den Niederlanden in Europa eine Spit- werden, da es letztlich, wie ich glaube, kaum eine Alter- zenstellung bei der Verwertung von Verpackungsabfäl- native dazu gibt, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen. len ein. Deshalb bitten wir den Deutschen Bundestag um ent- sprechende Unterstützung und um Zustimmung zum Mit der Verpackungsverordnung wurde der Wirt- vorliegenden ERP-Wirtschaftsplangesetz. schaft die Produktverantwortung übertragen. Dies hat – das wissen wir alle – zur Entwicklung paralleler Struk- Danke schön. turen in der Abfallwirtschaft geführt. Sortieranlagen sind weitgehend von privaten Investoren getragen. In den (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ letzten Jahren haben sich Verwertungswege herauskris- DIE GRÜNEN) tallisiert, die als Maßstab für zukünftige Veränderungen genommen werden müssen. Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Ich schließe die Aussprache. Daran müssen wir den heute zur Beschlussfassung vorliegenden Antrag der FDP-Fraktion messen. Aus Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun- dem Antrag ist meiner Auffassung nach lediglich er- desregierung eingebrachten Entwurf eines ERP-Wirt- kennbar, dass die derzeitigen Strukturen durchbrochen Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005 14853

Petra Bierwirth (A) und das bisher Erreichte vernachlässigt werden sollen. gemischt worden. Ich denke daher, diese Ergebnisse (C) Grundlage des uns vorliegenden Antrages sind Testläufe können in keiner Weise verallgemeinert werden. großer Entsorgungsunternehmen, deren Ziel nicht die Vereinfachung der Müllentsorgung ist, sondern der wei- Für mich steht fest, dass die ökonomischen, rechtli- tere Zugriff auf die Abfallströme und damit letztendlich chen, wirtschaftlichen und Umweltauswirkungen eines auch auf die Gebühren der Verbraucher. Systemwechsels zum heutigen Zeitpunkt – das hat die Anhörung ganz klar ergeben – nicht mit Namen und (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Hausnummer benannt werden können. Aus der Anhö- DIE GRÜNEN) rung können wir aber Folgendes mitnehmen: Wenn ein solcher Systemwechsel stattfinden sollte, dann ergibt Für mich sind bei der Diskussion auf diesem Feld sich auf alle Fälle eine Erhöhung der Gebühren für die noch viele Fragen unbeantwortet. Zum Beispiel hat das Verbraucherinnen und Verbraucher. Denn die Abfallent- Sammelsystem, das wir derzeit in der Bundesrepublik sorger müssen überall diese neue Technik einführen. haben, in der Bevölkerung eine sehr hohe Akzeptanz. Diese bekommt man nicht umsonst. 95 Prozent der Bürgerinnen und Bürger sammeln ge- trennt. Die Bürgerinnen und Bürger identifizieren sich Die Anhörung hat ebenfalls gezeigt, dass die derzeit mit diesem System. Für sie ist das praktizierter Umwelt- eingesetzte Technik zwar in den Versuchen funktioniert, schutz vor der Haustür. Hier stelle ich mir schon die aber noch nicht für einen großflächigen Einsatz aus- Frage: Können wir das einfach leichtfertig aufs Spiel set- reicht. Außerdem – das ist ein zusätzliches Problem bei zen? einem Systemwechsel – muss dann noch die Biotonne eingeführt werden. Denn ohne diese lässt sich die Sys- Auch ist völlig ungeklärt, ob das neue System, das temumstellung nicht realisieren. eingeführt werden soll, den bisher hohen Standard im Umweltschutz, wie wir ihn durch die Getrenntsammlung Ich persönlich halte es bei all diesen Unklarheiten für erreicht haben, weiterhin gewährleisten wird. Für mich völlig unverantwortlich, einen Systemwechsel zu voll- stellt sich auch die Frage: Ist ein solch neues System ziehen. Bevor wir zu einer solchen Entscheidung kom- wirtschaftlich? Die wohl wichtigste Frage ist: Ist über- men, müssen noch viele Antworten gegeben werden. Es haupt die Technik schon so weit, dass wir eine solche darf nicht nur vage Versprechungen geben, wie wir es komplette Systemumstellung vornehmen können? Ist sie teilweise erlebt haben. schon so weit, dass das System großflächig eingeführt Für meine Fraktion und mich gibt es derzeit zum Sys- werden kann? tem der getrennten Sammlung keine Alternative. Eine weitere Frage: Können die heute in dieser Bran- (Beifall bei der SPD) (B) (D) che tätigen mittelständischen Unternehmen eine sol- Wir sind natürlich immer offen für Verbesserungen – da che technische Umstellung überhaupt realisieren? Oder verweigern wir uns nicht –; denn kein System ist so gut, leiten wir hiermit durch die Hintertür einen eleganten dass es nicht verbessert werden könnte. Darüber disku- Wechsel in der Unternehmensstruktur ein? Eine äußerst tieren wir gerne. Aber die heutige ökologisch sinnvolle wichtige Frage ist auch: Was bedeutet eine Systemum- und aller Erfahrung nach gut funktionierende Getrennt- stellung für die Verbraucherinnen und Verbraucher? sammlung darf nicht aufgegeben werden, bevor kein Werden sie eine Gebührensenkung erleben oder nicht besseres und ausgereifteres System vorhanden ist. doch eher eine Gebührenerhöhung? (Beifall bei der SPD) Diese Reihe von Fragen ließe sich noch beliebig lang fortsetzen. Um fundierte Antworten zu erhalten, haben Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: wir im Umweltausschuss eine Expertenanhörung durch- geführt, in der wir auch diese Fragen gestellt haben. Für Das Wort hat der Kollege Werner Wittlich, CDU/ mich war das Ergebnis dieser Anhörung, dass die An- CSU-Fraktion. tragsteller mit ihrem Anliegen gescheitert sind; die Ant- worten fielen in meinen Augen niederschmetternd aus. Werner Wittlich (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! (Beifall bei der SPD) Im ersten Moment scheint es eine geniale Idee zu sein, Verpackungsmaterial zusammen mit dem Restmüll in Wir können heute in keiner Weise von einem System- Sortieranlagen technisch aufzubereiten und zu verwer- wechsel in der Abfallsammlung und Abfallentsorgung ten. Alle Abfälle wandern künftig in dieselbe Tonne. Die sprechen. Davon sind wir noch meilenweit entfernt. Ein Unterscheidung zwischen Verpackungs- und Rest- solcher Systemwechsel ist in meinen Augen noch nicht müll entfiele und das leidige Sortieren hätte ein Ende: einmal spruchreif. Zum einen sind die Pilotversuche ge- Nie mehr nachschauen müssen, ob ein Grüner Punkt auf- rade erst abgeschlossen und die Auswertung liegt uns im gedruckt ist – dann gehört die Verpackung in die gelbe Detail noch gar nicht vor. Zum anderen wurde in der An- Tonne und nicht in den Restmüll – oder ob das Papier hörung deutlich, dass wir es bei diesen Pilotversuchen nicht doch an irgendeiner Stelle beschichtet ist und somit doch eher mit Ergebnissen unter laborähnlichen Bedin- nicht in die normale Papiersammlung gehört. gungen zu tun haben. Sie haben im kleinteiligen Raum stattgefunden. Auf den Fließbändern spiegelte sich das Hinzu kommt, dass die Müllentsorgung von Region Abfallverhalten auf dem flachen Land wider. Leichtver- zu Region unterschiedlich gehandhabt wird. Die einen packungen und Restmüll sind erst in der Sortieranlage sammeln Verpackungen in der gelben Tonne, die anderen 14854 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005

Werner Wittlich (A) setzen auf den gelben Sack. In meinem Wahlkreis, im Unklar ist auch, welche Auswirkungen die Aufhe- (C) Landkreis Neuwied, ist die gelbe Tonne sogar grün. bung der Mülltrennung auf die Müllgebühren hätte. Wir dürfen hier den Bürgerinnen und Bürgern keinen Sand in (Zuruf von der FDP: Oh!) die Augen streuen. Der Bürger kann heute durch die ge- – Wir waren sehr fortschrittlich und haben diese Tonne zielte Rückgabe von Abfällen die Inanspruchnahme der schon seit mindestens 15 bis 20 Jahren. kommunalen Abfallentsorgung und den entsprechenden Anfall von Abfallgebühren vermeiden. Dieser Anreiz Die Forderung nach einem Ende der Getrenntsamm- entfiele mit der gemeinsamen Erfassung. lung klingt deshalb zunächst innovativ und viel verspre- chend. Im Moment aber ist das Modell „Alles in eine Nach Einschätzung des Städte- und Gemeindebundes Tonne“ noch Zukunftsmusik. besteht aus Sicht des Bürgers kein Anlass, vom beste- henden System abzugehen. Die Aufgabe der getrennten (Michael Kauch [FDP]: Das beantragen wir Abfallerfassung wird entgegen den versprochenen Kos- doch gar nicht!) tenreduzierungen eher Kostensteigerungen zur Folge ha- – Lesen Sie einmal Ihren Antrag und hören Sie zu! Ich ben. Abfälle sollten nach unserer Auffassung auch wei- will Ihnen, unserem zukünftigen Koalitionspartner, aber terhin getrennt werden. nicht zu nahe treten. Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: (Beifall bei der CDU/CSU – Wilhelm Schmidt Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des [Salzgitter] [SPD]: Meinen Sie, dass Sie 2014 Kollegen Kauch? noch hier sind?) Es wäre aus Sicht der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ab- Werner Wittlich (CDU/CSU): solut verfrüht, zum jetzigen Zeitpunkt das System der Ja, bitte. Getrennterfassung aufzugeben. Auch in der Sachverständigenanhörung im Umwelt- Michael Kauch (FDP): ausschuss am 1. Dezember wurde deutlich, dass in den Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Wittlich, Sie nächsten Jahren auf die Trennung des Hausmülls in haben ebenso wie Frau Bierwirth, an die ich die Frage Deutschland nicht verzichtet werden kann. Nach wie vor genauso hätte richten können, erläutert, warum aus Ihrer gibt es zu viele offene, ungelöste Fragen. Zu dem Ergeb- Sicht ein Systemwechsel nicht infrage kommt, und reden nis kam die Mehrheit der Sachverständigen in ihren Stel- von einem bewährten System der Abfallsammlung. Ich lungnahmen. möchte fragen, ob Sie ein System für bewährt halten, bei (B) dem nach einer Studie des Bayerischen Landesamtes für (D) Sollte das Getrennterfassungssystem in naher Zukunft Umweltschutz im Restmüll in ländlichen Gebieten umgestellt werden, wäre dies kaum wieder rückgängig 43 Prozent, in innerstädtischen Verdichtungsräumen zu machen, falls die Umstellung nicht funktionieren 53 Prozent der Müllmenge verwertbare Stoffe ausma- würde. chen und eben nicht Restmüll sind und umgekehrt in der Zwar wurden schon Pilotprojekte durchgeführt, in de- gelben Tonne 15 bis 20 Prozent Fehlwürfe sind, die in nen Restmüll und Verpackungsabfälle gemeinsam ge- diese Tonne nicht hineingehören. Halten Sie das für ein sammelt und anschließend maschinell getrennt wurden. bewährtes System? Diese Versuche sind bislang jedoch nur als so genannte Testversuche mit geringen Mengen und unter Labor- Werner Wittlich (CDU/CSU): bedingungen durchgeführt worden. Erforderlich sind Verehrter Herr Kollege Kauch, darüber reden wir jetzt unseres Erachtens jedoch Langzeitversuche unter Praxis- gar nicht. bedingungen. Auf der Grundlage des derzeitigen Kennt- nisstandes wäre es einfach unverantwortlich, aus diesen (Lachen bei der FDP) Versuchen Rückschlüsse auf die technische Machbarkeit Wir reden über Ihren Antrag. Dabei geht es darum, ob zu ziehen. wir die jetzigen Restabfälle zusammen mit dem DSD- Müll in einer Tonne sammeln. Die für die Müllentsorgung zuständigen kommunalen Gebietskörperschaften wären in erster Linie von einer (Birgit Homburger [FDP]: Jetzt ist es zum ers- Umstellung auf gemeinsame Sammlungen von Abfällen ten Mal korrekt!) betroffen. Die Landkreise und kreisfreien Städte müssten Allein darum geht es zunächst. ihre gesamten bisher bewährten Systeme der Müllentsor- gung umstellen. Für die öffentlich-rechtlichen Entsor- Wir als CDU/CSU-Fraktion sind offen für alle techni- gungsträger würde sich eine Umstellung mehr als schen Entwicklungen. Sie werden mich als jemand, der schwierig gestalten; denn die meisten sind an langfris- aus dem technischen Umfeld kommt, doch nicht am tige Verträge mit den Abfallentsorgungsunternehmen ge- Ende noch der Technikfeindlichkeit bezichtigen. Ganz bunden. Aus diesen Verträgen können sie nicht von im Gegenteil. heute auf morgen aussteigen. Ich komme in meiner Rede – vielleicht hören Sie Die kommunalen Spitzenverbände kritisieren vor al- dann noch zu – nachher noch zu diesem Punkt und sage lem, dass sich die Hersteller künftig aus ihrer Produkt- Ihnen dann, dass wir den Umstieg zum jetzigen Zeit- verantwortung stehlen könnten. punkt für verfrüht halten. Einen Tag nach der Anhörung Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005 14855

Werner Wittlich (A) im Umweltausschuss im Dezember letzten Jahres stand getrennt gesammelt werden. Es ist mehr als fraglich, ob (C) in der „FAZ“ oder in der „Süddeutschen Zeitung“ dem Bürger diese unterschiedliche Behandlung vermit- telt werden kann. Denn schließlich hat er jahrelang für (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Ich den Umweltschutz Abfälle getrennt und Joghurtbecher wollte noch zum Wochenende nach Hause fah- ausgespült. Der Bürger sammelt ja keinen Abfall; er ren!) trennt Wertstoffe. – Herr Schmidt, Sie sind doch gerade erst gekommen; dann können Sie doch noch ein bisschen länger hier blei- Stichwort Bioabfälle. Das ist ein Punkt, Herr Kauch, ben – ein Artikel mit der Überschrift „Zeit der Getrennt- der das ganze System ins Wanken bringen würde. Es sammlung vorbei“. Dieser ist populistisch aufgemacht darf nicht der Eindruck entstehen, dass Biomüll zusam- worden. men mit dem gesamten Restabfall in eine Tonne kommt. In Deutschland sind bisher 50 Prozent der Haushalte Uns geht es darum, dem Bürger nicht den Eindruck zu nicht an die Bioabfallentsorgung angeschlossen. Auch vermitteln, man könne zum jetzigen Zeitpunkt alles in für diese Haushalte müsste zuerst die Biomüllerfassung eine Tonne stecken und das würde am Ende noch billiger flächendeckend eingeführt werden. Denn ehe man in werden. Das ist der eigentliche Punkt, um den es geht. diesem Bereich Hals über Kopf etwas ändert, muss man Ansonsten sind wir gar nicht weit auseinander. eine sorgfältige Kostenoptimierung ins Auge fassen. Dem Bürger wird vorgegaukelt, es würde billiger wer- (Horst Kubatschka [SPD]: Nur eine Tonne den. Das ist aber gerade nicht der Fall. auseinander!) Wenn wir eine Lösung hätten, die insgesamt günstiger Bemerkenswert ist, dass die grüne Umweltministerin wäre, den Umweltinteressen entgegenkäme, die wirt- in Nordrhein-Westfalen gegen erhebliche Widerstände schaftlich wäre und den Bürger entlasten würde, würden der kommunalen Spitzenverbände Langzeitversuche mit wir hier eine einvernehmliche Lösung finden. Mischtonnen durchboxen will. Die Ministerin tut dies, obwohl schon jetzt bekannt ist, dass damit in den Städten (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Wilhelm die nächste Gebührenerhöhung vorprogrammiert ist. Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das stimmt!) Denn das System der Mischtonne ist in den Städten er- Ich habe vorhin gesagt, dass der Anreiz zur gezielten heblich teurer als das bewährte System der Getrennter- Rückgabe von Abfällen entfallen würde, wenn man den fassung. Müll zusammenschütten würde. Nach Einschätzung des Auch in den nächsten Jahren wird auf die Trennung Städte- und Gemeindebundes besteht aus Sicht des Bür- des Hausmülls in Deutschland nicht verzichtet werden gers kein Anlass, vom bisherigen System abzugehen. (B) können. Weder die technische Machbarkeit noch die (D) Die Aufhebung der getrennten Abfallerfassung wird ent- ökologischen und ökonomischen Vorteile sind bisher ge- gegen den Versprechen, die Kosten zu reduzieren, eher klärt. Zum jetzigen Zeitpunkt ist es daher aus Sicht der Kostensteigerungen zur Folge haben. CDU/CSU-Bundestagsfraktion nicht sinnvoll, das beste- Abfälle sollten also auch weiterhin getrennt gesam- hende und funktionierende System der Mülltrennung in melt werden. Das bisherige System kann noch im Hin- Deutschland abzuschaffen. blick auf die Kosten verbessert werden. Vorhandene Auch das Umweltbundesamt kommt in seinem Sach- Potenziale sollten ausgeschöpft und an den Bürger in standspapier „Getrennte Sammlung von Abfällen aus Form von sinkenden Müllgebühren weitergegeben wer- Haushalten“ vom Juli 2004 zu der Einschätzung – ich zi- den, sofern das möglich ist. tiere mit Erlaubnis der Frau Präsidentin –, Eines ist klar: Steigende Müllgebühren sind in diesem Zusammenhang für die Union nicht akzeptabel. dass es zur Praxis der getrennten Sammlung derzeit keine Alternative gibt, da die Praxisreife der techni- (Beifall bei der CDU/CSU) schen Alternativen noch nicht nachgewiesen ist. Aber nach allen Erkenntnissen ist durch die Müllsamm- Für alle Abfallarten gelte – so das Umweltbundesamt lung in einer Tonne eine Gebührenerhöhung vorpro- weiter –, dass die nach bisherigen Erkenntnissen ökolo- grammiert. Zudem würde eine Aufhebung der Mülltren- gisch sinnvollen und aller Erfahrung nach gut funktio- nung es schwierig machen, ein verursachergerechtes nierenden Getrennthaltungssysteme nicht aufzugeben Gebührensystem umzusetzen. Ein Anreiz zur Müllver- seien, bevor bessere Alternativen zur Verfügung stün- meidung wäre kaum noch gegeben. den. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion befürchtet, dass Das System der Getrenntsammlung von Abfällen hat die Bürger mit sehr widersprüchlichen Signalen kon- nicht zuletzt erheblich zu einem gestiegenen Umwelt- frontiert würden. Einerseits diskutieren wir über die ge- bewusstsein und zu einem sorgfältigeren Umgang mit meinsame Erfassung und Sortierung von Rest- und Ver- Ressourcen in Deutschland geführt. Die CDU/CSU- packungsabfällen, auf der anderen Seite weiten eine Bundestagsfraktion – – Vielzahl von Regelungen, wie zum Beispiel die Batterie- verordnung, die Gewerbeabfallverordnung, die Altholz- (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Die hört verordnung oder das Elektronikgerätegesetz, die Ge- nicht einmal zu!) trenntsammlung auf weitere Abfallanteile aus. Papier, Glas und vor allem Bioabfall müssten auch in Zukunft – Sie hört nicht einmal zu; das muss auch ich feststellen. 14856 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005

Werner Wittlich (A) (Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Das heißt, meine Damen und Herren, der Abfall- (C) DIE GRÜNEN) markt stagniert. Und das heißt für die Beteiligten in der Entsorgungswirtschaft vor allem eines: Zuwächse im Weil diese Sitzung so gut besucht ist, habe ich schon Abfallgeschäft sind für Unternehmen nur zu machen, überlegt, nachher schnell zu meinem Platz zu laufen, um wenn umverteilt wird. Deshalb ist die Debatte, die in den mir selbst Beifall zu klatschen, damit das wenigstens im vergangenen Wochen und Monaten über die Zukunft der Protokoll vermerkt ist. Getrenntsammlung geführt wurde, vor allem vor diesem (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Hintergrund zu bewerten; DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN CDU/CSU) und bei der SPD) Die CDU/CSU-Fraktion – Herr Kauch, jetzt werden denn der Wegfall eines Sammelgefäßes hätte natürlich wir wieder versönlich – stellt die Berechtigung des FDP- eine Verschiebung von Abfallströmen zur Folge. Dies Antrages überhaupt nicht in Abrede. Für die CDU/CSU- wiederum hätte spürbare wirtschaftliche Auswirkungen Fraktion ist das Modell „Alles in eine Tonne“ nach dem für die Beteiligten in der Entsorgungsbranche und des- gegenwärtigen Kenntnisstand noch Zukunftsmusik. Das halb werden neue technologische Verfahren derzeit – je heißt aber nicht, dass die Bundestagsfraktion der CDU/ nachdem, ob man zu den potenziellen Gewinnern oder CSU vor dem technischen Fortschritt und der Weiterent- Verlierern zählt – entweder generell verteufelt oder in wicklung in der Abfallwirtschaft die Augen verschließen den Himmel gehoben. würde. Das Ziel von uns Grünen ist es, dafür zu sorgen, dass Wer die Abfallwirtschaft vor allem in den 90er-Jahren – ungeachtet jeglicher Verteilungskämpfe – jeweils das verfolgt hat, kann feststellen, welch tief greifende Ver- ökologisch sinnvollere Verfahren zum Einsatz kommt. änderungen es seitdem auf diesem Gebiet in Deutsch- Vor diesem Hintergrund sind wir für neue, ökologisch land gegeben hat. Standen noch vor zehn bis 15 Jahren vorteilhafte Techniken offen. Aber – und das sage ich in Mülldeponien im Mittelpunkt der Abfallentsorgung, so aller Deutlichkeit – wir prüfen sehr genau, wo sich aus sind heute überwiegend Maßnahmen zur Verwertung der ökologischer Sicht Vorteile ergeben und wo nicht. Ich Abfälle das Maß der Dinge. Zum jetzigen Zeitpunkt möchte darauf hinweisen, dass der Umgang mit Abfall, wäre die Aufhebung der Mülltrennung in technischer, das selbstverständliche Trennen und der Anspruch einer ökonomischer und ökologischer Hinsicht mit einem zu hochwertigen Verwertung nach wie vor als zentrale Ele- großen Risiko behaftet. mente des praktizierten Umweltschutzes in Deutsch- land gelten. (B) (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Horst (D) Kubatschka [SPD]: Jetzt klatsche ich mal, da- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit Sie wenigstens ein bisschen Beifall krie- und bei der SPD) gen!) Wir haben uns im parlamentarischen Verfahren ein- Daher lehnt die CDU/CSU-Fraktion Ihren Antrag ab. schließlich der durchaus interessanten Anhörung im Umweltausschuss zum Thema Getrenntsammlung inten- Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. siv mit dem Antrag der FDP auseinander gesetzt. Auch aus unserer Sicht möchte ich die wichtigsten Ergebnisse (Beifall bei der CDU/CSU) der Anhörung kurz vorstellen.

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Erstens. Es gibt inzwischen eine ganze Reihe unter- schiedlicher Versuche unterschiedlicher Auftraggeber, Das Wort hat die Kollegin Antje Vogel-Sperl, das heißt Modellprojekte, nicht zuletzt ausgelöst durch Bündnis 90/Die Grünen. die von der RWE Umwelt durchgeführten Untersuchun- gen zur Getrenntsammlung. Aber bislang – das ist der Dr. Antje Vogel-Sperl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- entscheidende Punkt – liegen noch keine vollständigen NEN): Ergebnisse der Untersuchungen vor; das wurde schon Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zu- von verschiedenen Seiten gesagt. nächst möchte ich auf das Argument eingehen, das von- Erste Ergebnisse der in NRW durchgeführten Studie seiten der Wirtschaft und der Opposition immer wieder werden am kommenden Montag vorgestellt. Diese Er- gern und immer wieder zu Unrecht angeführt wird: dass gebnisse werden wir mit Interesse verfolgen. Zu den der- innovative Umweltpolitik wirtschaftliches Wachstum zeit untersuchten Verfahren gehört neben der genannten bremsen würde. Nun gibt es aber in der Tat einen Be- gemeinsamen Erfassung von Leichtverpackungen und reich, in dem dies der Fall ist – und zwar politisch ge- Restmüll unter anderem auch die zu einer so genannten wollt –, den Abfallbereich, das heißt das Aufkommen trockenen Wertstofftonne geadelte gelbe Tonne, die so- von Abfall. Es ist nicht zuletzt ein Verdienst unserer er- zusagen als Gegenprogramm zur Zebratonne initiiert folgreichen Umweltpolitik – ich nenne an dieser Stelle wurde. nur das Stichwort Dosenpfand –, dass Abfälle zum einen mehr und mehr vermieden werden und dass zum anderen Das zweite Ergebnis der Anhörung war: Die techni- die Menge des Gutes, um das es geht, des Abfalls, ten- sche Machbarkeit einer gemeinsamen Erfassung von denziell zurückgeht. Restmüll und Leichtverpackungen wurde grundsätz- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005 14857

Dr. Antje Vogel-Sperl (A) lich von keinem Sachverständigen bestritten. Gleichzei- trennung notwendig ist, um ein entsprechendes ökologi- (C) tig hat sich aber auch ganz klar herausgestellt: Eine Ze- sches Ergebnis zu erreichen oder nicht. bratonne wird weder per se ökologisch besser noch kostengünstiger als das bisherige Verfahren sein. (Beifall bei der FDP) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Wir wissen, dass im Restabfall bis zu 54 Prozent ver- sowie bei Abgeordneten der SPD) wertbarer Anteil enthalten ist, und wir wissen, dass von den 2,3 Millionen Tonnen Material, die im Jahr 2002 Sondern es wird stark von regionalen Gegebenheiten ab- beim Grünen Punkt in den Sammelsystemen für Leicht- hängen, wie das Ergebnis im Einzelfall ausfällt. In Bal- verpackungen gesammelt wurden, nur 1,4 Millionen lungszentren ist es durchaus eine sinnvolle Option, aber Tonnen verwertet wurden – das sind 58 Prozent –, der in ländlichen Räumen macht das Festhalten an der Ge- Rest aber einer Entsorgung hat zugeführt werden müs- trenntsammlung von grauem und gelbem Müll aufgrund sen. Das bedeutet doch, dass wir in der grauen Restmüll- der geringen Anzahl von Fehlwürfen selbstverständlich tonne und im gelben Sack teilweise nahezu dieselben Sinn. Und diese differenzierte Betrachtung, meine Da- Mischungsverhältnisse haben. Deswegen macht es über- men und Herren, fehlt in dem Antrag der FDP völlig. haupt keinen Sinn, diese Trennung so aufrechtzuerhal- ten. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der SPD) (Beifall bei der FDP) Und daraus folgt ganz klar: Jetzt pauschal das Ende der Ich sage ganz deutlich: Wir wollen nicht wieder eine Getrenntsammlung von Restmüll und LVP zu verkünden Tonne, sondern wir wollen, dass die graue Tonne und die und zu behaupten, das derzeitige System sei technisch gelbe Tonne zusammengefasst werden. Alle, die in die- überholt, uneffektiv und zu teuer, ist sachlich schlicht ser Debatte etwas anderes behauptet haben, liegen und einfach nicht haltbar und zu kurz gedacht. falsch. Auch gilt unverändert – ich zitiere aus unserem Ein drittes Ergebnis der Anhörung war auch: Es gibt Antrag –, dass derzeit keine Notwendigkeit für gesetzliche Veränderun- Bioabfälle, Papier, Pappe, Karton und Glas sowie gen, da das bestehende Abfallrecht die Möglichkeit zur besonders problematische Abfälle weiterhin ge- gemeinsamen Erfassung von Restmüll und Leichtver- trennt packungen durchaus zulässt. gesammelt werden sollen. Zum Schluss möchte ich eines klarstellen: Es geht in dieser Debatte ausschließlich um die gemeinsame Erfas- (Beifall bei Abgeordneten der FDP – Horst Kubatschka [SPD]: Das bezweifelt ja kei- (B) sung von Leichtverpackungen und Restmüll – und nicht (D) um die Getrennterfassungssysteme für Papier, Glas oder ner!) die Biotonne. Das widerlegt, was vorhin behauptet wurde: Wir woll- Tatsache ist: Die gemeinsame Erfassung mit anschlie- ten, dass alles in eine Tonne kommt. Das wollen wir ßender Sortierung ist durchaus ein viel versprechender nicht. Wir wollen allerdings durch Zusammenlegung Ansatz, zum einen bei Berücksichtigung regionaler Un- von zwei Abfallarten erreichen, dass die Haushalte ent- terschiede und zum anderen vor dem Hintergrund des lastet werden, und zwar erstens bei der Sortierung und Ziels einer abfallfreien Kreislaufwirtschaft für Sied- zweitens finanziell. Wenn das geht, dann sollte man das lungsabfälle nach 2020. Tatsache ist aber auch, dass Er- im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher auch gebnisse aus den zuvor genannten Untersuchungen größ- tun. tenteils noch nicht vorliegen. Deshalb sage ich noch (Beifall bei der FDP) einmal in aller Deutlichkeit an die Adresse der FDP: Ihr Antrag ist einseitig, pauschal und eindeutig verfrüht. Die Kollegin Bierwirth sprach von einem Desaster in Deswegen lehnen wir ihn ab. der Anhörung, weil diese ganzen Verfahren technisch nicht ausgereift seien. Vielen Dank. (Horst Kubatschka [SPD]: Stimmt doch! Sind (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN noch in der Versuchsphase!) und bei der SPD) Meine Damen und Herren, die Sie hier sitzen, wenn von Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: acht geladenen Sachverständigen sechs ausdrücklich er- Das Wort hat die Kollegin Birgit Homburger, FDP- klären, dass eine getrennte Sammlung für eine hochwer- Fraktion. tige Verwertung nicht mehr notwendig ist, dass so etwas also technisch machbar ist – sechs von acht Sachverstän- digen! –, Birgit Homburger (FDP): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! (Horst Kubatschka [SPD]: Sie waren eindeutig „Die Getrenntsammlung ist in Deutschland ein Kultur- in einer anderen Anhörung!) gut“, erklärte der Sachverständige Pretz, benannt von der dann heißt das doch wohl, dass es technisch möglich ist. SPD-Bundestagsfraktion. Das macht das Problem deut- Nichts anderes behauptet die FDP. lich: Für uns ist das nicht ein Kulturgut, sondern es ist schlicht und ergreifend eine praktische Frage, ob Müll- (Beifall bei der FDP) 14858 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005

Birgit Homburger (A) Die Mülltrennung ist technisch überholt und zu teuer. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 28 a und b auf: (C) Allein die Tatsache, dass sie ein Element des prakti- a) Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD zierten Umweltschutzes ist, ist kein Grund, sie aufrecht- und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN einge- zuerhalten. Wir betreiben eine praktische und keine brachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur ideologische Politik. Das ist der Unterschied an dieser Neuordnung des Gentechnikrechts Stelle. – Drucksache 15/4834 – (Beifall bei der FDP – Horst Kubatschka Überweisungsvorschlag: [SPD]: Das war natürlich notwendig!) Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (f) Bei der Mülltrennung auf automatisierten Anlagen Rechtsausschuss können sogar mehr Wertstoffe und Verpackungsmateria- Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit lien verwertet werden als bei der getrennten Sammlung Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung über das DSD. Auch das hat die Sachverständigenanhö- Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Bildung, Forschung und rung klar, eindeutig und zweifelsfrei ergeben. Alle Sach- Technikfolgenabschätzung verständigen haben gesagt: Ja, aufgrund der Qualität dessen, was wir dort herausholen, ist es möglich, das b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Helmut hinterher zu verwerten. Heiderich, Peter H. Carstensen (Nordstrand), Marlene Mortler, weiterer Abgeordneter und der Als letzten Punkt spreche ich die Kosten an. Wir wol- Fraktion der CDU/CSU len den Grünen Punkt in keiner Weise abschaffen. Das Gentechnikgesetz wettbewerbsfähig vervoll- heißt, es wird keine Kostensteigerungen geben. ständigen

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: – Drucksache 15/4828 – Frau Kollegin, den letzten Punkt sprechen Sie bitte Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und nur kurz und knapp an. Landwirtschaft (f) Rechtsausschuss Birgit Homburger (FDP): Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung Gerne, Frau Präsidentin. – Ich sage Ihnen klar und Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit deutlich: Der von den Grünen benannte Sachverstän- Ausschuss für Bildung, Forschung und dige, Herr Kerres, hat erklärt, wir könnten 5 bis Technikfolgenabschätzung (B) 10 Prozent der Kosten einsparen. Wir wollen, dass das, Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die (D) was möglich ist, im Sinne der Bürgerinnen und Bürger Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre auch getan wird. Sie werden den Fortschritt nicht aufhal- keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich er- ten können. öffne die Aussprache. Das Wort hat die Kollegin Elvira Drobinski-Weiß, SPD-Fraktion. Sie werden heute noch dagegen stimmen. Am Montag wird Frau Höhn die Ergebnisse vorstellen und positiv bewerten. In einigen Jahren werden Sie feststellen, dass Elvira Drobinski-Weiß (SPD): in den Kreisen genau das getan wird, was die FDP vor- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und hergesagt hat. Dafür werden wir im Sinne der Bürgerin- Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem das nen und Bürger weiter kämpfen. erste Gentechnikneuordnungsgesetz Anfang des Jahres in Kraft getreten ist, beraten wir heute unseren Entwurf Vielen Dank. eines Zweiten Gesetzes zur Neuordnung des Gentech- nikrechts sowie einen Antrag der CDU/CSU mit dem Ti- (Beifall bei der FDP – Horst Kubatschka tel „Gentechnikgesetz wettbewerbsfähig vervollständi- [SPD]: Es gibt nichts, was die FDP nicht schon gen“. vorher gesagt hat!) Mit unserem Gesetzentwurf zur Neuordnung des Gen- technikrechts kommen wir unserer Verpflichtung nach, Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: die EU-Freisetzungsrichtlinie in nationales Recht umzu- Ich schließe die Aussprache. setzen. Der heute eingebrachte Entwurf des Zweiten Ge- Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss- setzes enthält im Wesentlichen Verfahrenserleichterun- empfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz gen und Verfahrensbeschleunigungen für gentechnische und Reaktorsicherheit auf Drucksache 15/4786 zu dem Arbeiten. Ich nenne hier einige Beispiele: Antrag der Fraktion der FDP mit dem Titel „Mülltren- Für erste gentechnische Arbeiten in der Sicher- nung vereinfachen – Haushalte entlasten“. Der Aus- heitsstufe 1 und weitere gentechnische Arbeiten in der schuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 15/2193 Sicherheitsstufe 2 ist anstatt einer Anmeldung nur noch abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh- eine Anzeige der gentechnischen Arbeit vorgesehen. Das lung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Die Beschluss- heißt konkret, dass der Betreiber sofort nach Eingang der empfehlung ist mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/ Anzeige bei der Behörde und nicht wie bisher erst Die Grünen und CDU/CSU bei Gegenstimmen der FDP 30 Tage nach dem Eingang der Anmeldung bei der Be- angenommen. hörde mit der gentechnischen Arbeit beginnen kann. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005 14859

Elvira Drobinski-Weiß (A) Eine Vereinfachung ist auch, dass bestimmte Mikroorga- Uns ging es um ein zügiges Gesetzgebungsverfahren; (C) nismen aus dem Anwendungsbereich des Gentechnikge- denn wie Sie wissen, ist die Umsetzungsfrist für die EU- setzes herausgenommen werden können, ohne dass für Freisetzungsrichtlinie im Oktober 2002 abgelaufen. den Umgang mit solchen Organismen eine Melde- und Registerführungspflicht besteht. (Helmut Heiderich [CDU/CSU]: Eben!) Das müsste doch voll in Ihrem Sinne sein, meine Da- Die EU-Kommission hatte sich damals geweigert, EU- men und Herren von der CDU/CSU; denn damit werden weit geltende Koexistenzregelungen zu schaffen. Das wir das Gentechnikgesetz wettbewerbsfähig vervollstän- machte die Erarbeitung solcher Regelungen auf nationa- digen. Dazu erwarten wir allerdings Ihre Unterstützung; ler Ebene notwendig. Das ist eine schwierige und zeit- denn uns einerseits dafür zu kritisieren, dass wir mit der aufwendige Arbeit, wie man auch daran sieht, dass die Umsetzung in Verzug sind, und andererseits die Umset- Mehrheit der EU-Länder noch nicht so weit ist wie wir. zung zu blockieren, halte ich für unredlich. Nun hat Frau Fischer Boel während der Grünen Woche angedeutet, dass es eventuell doch zu EU-weit geltenden (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Regelungen für Koexistenz kommen würde. Das würden DIE GRÜNEN) wir natürlich sehr begrüßen. Sie werfen uns in Ihrem Antrag vor – ich zitiere –, (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ „aus rein politischen Gründen“ das Gesetz in zwei Teile DIE GRÜNEN) gespalten zu haben. Uns aber ging es darum, schnellst- möglich Rechtssicherheit für die Betroffenen zu schaf- Aber noch ist unklar, ob und wann es zu einem solchen fen. Regelwerk kommen könnte. Deshalb müssen wir nun zügig auch den zweiten Teil unseres Gesetzes zur Neu- (Beifall der Abg. Ulrike Höfken [BÜND- ordnung des Gentechnikrechts auf den Weg bringen. NIS 90/DIE GRÜNEN]) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich denke, wir sind Eine rein taktische Blockade des Gesetzes durch die uns einig, dass wir dieses Gesetz schnellstmöglich brau- CDU/CSU-regierten Länder mit ihrer Mehrheit im Bun- chen. Mir scheint, wir sind in der Zielrichtung gar nicht desrat drohte dies zu verhindern. Das war der Grund für weit auseinander. die Teilung. (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Na!) So ist der erste Teil des Gentechnikneuordnungsgeset- zes bereits in Kraft getreten. Wir gehören gemeinsam Wir wollen durch den vorliegenden Entwurf mit Verfah- mit den Dänen und den Österreichern zu den Ersten, bei rensvereinfachungen bei gentechnischen Arbeiten die (B) denen Koexistenzregelungen geltendes Recht sind. Das Wettbewerbsfähigkeit stärken. Damit diese Vorteile (D) sind Regelungen, um die wir in anderen EU-Ländern be- möglichst bald genutzt werden können, bitte ich Sie, neidet werden. Letzte Woche hörte ich im Deutschland- meine Damen und Herren von der Opposition: Unter- funk in einem Beitrag über die Koexistenzregelungen in stützen Sie unseren Gesetzentwurf und setzen Sie sich den Niederlanden davon, wie ein Biobauer davon für ein zügiges Gesetzgebungsverfahren auf allen Ebe- träumte, in einem Land wie Deutschland zu leben. nen ein! (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Er kann ja Vielen Dank. kommen!) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Er sagte – ich zitiere –: Da ist das alles sehr viel besser DIE GRÜNEN) geregelt als bei uns. Wirklich wahr, ich wollte, ich wäre ein deutscher Biobauer. Der hat es sehr viel leichter als Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: wir hier in Holland. Das Wort hat der Kollege Helmut Heiderich, CDU/ Wie groß auch in anderen EU-Ländern das Interesse CSU-Fraktion. ist, neben dem Gentechnikanbau auch den Fortbestand einer gentechnikfreien Landwirtschaft zu gewährleisten, Helmut Heiderich (CDU/CSU): zeigt das immer größer werdende Netzwerk gentechnik- freier Regionen in der EU. In Italien beispielsweise ha- Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Es sind ben sich von 20 Regionen 14 für gentechnikfrei erklärt. heute exakt 14 Tage, seit das neue Gentechnikgesetz in Rund 50 gentechnikfreie Regionen – mit steigender Ten- Kraft getreten ist, und schon kommen Sie mit dem Ent- denz – sind es in Deutschland. Bis auf Sachsen, Thürin- wurf eines Zweiten Gesetzes zur Neuordnung des Gen- gen und das Saarland gibt es sie in allen Bundesländern. technikrechts. Anlässlich der Grünen Woche hat EU-Agrarkommis- (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das ha- sarin Fischer Boel zum Nebeneinander von gentechnik- ben Sie uns doch aufgezwungen!) freier und gentechnikanwendender Landwirtschaft er- Allein diese kurzfristigen Versuche des Nachbesserns klärt: Wenn sich die Pflanzen erst einmal mischen, dann machen schon deutlich, welch einseitige Position Sie bekommt man sie nie wieder auseinander. – Auch des- vertreten halb war Eile geboten. Das hat sie mehrfach erklärt und das haben auch die Kolleginnen und Kollegen von der (Beifall bei der CDU/CSU – Ulrike Höfken Opposition gehört. [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also echt!) 14860 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005

Helmut Heiderich (A) und dass Sie unablässig bemüht sind, der Gentechnik in auf europäischer Ebene um Entscheidungen geht, klein (C) Deutschland ein negatives Image anzuhängen. beigibt und sich dort der Stimme enthält. Wenn sie also hier so furios gegen diese Technologie auftritt, warum Ich will vorab feststellen: Die ständige Verunsiche- schrumpft sie dann auf europäischer Ebene jedes Mal rung der Verbraucher und der Bürger ist Ihnen offen- auf Zwergengestalt, wenn es dort um Entscheidungen sichtlich wichtiger, als eine wettbewerbsfähige Position geht? Deutschlands in einer anerkannten Zukunftstechnologie zu schaffen. (Beifall bei der CDU/CSU – Gustav Herzog (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. [SPD]: Herr Kollege, sagen Sie doch mal was Dr. Christel Happach-Kasan [FDP]) Sachliches!) Es ist höchste Zeit, dass Sie hier und heute öffentlich – Ich kann Ihnen gerne noch weitere solche sachlichen feststellen, dass von der Gentechnik weder Gefahren für Punkte vortragen, Herr Kollege. die Gesundheit der Bürger ausgehen noch Beeinträchti- (Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- gungen der Umwelt entstehen und dass deren Produkte, NEN]: Nicht solche Sachen, sondern Sachli- ob das nun Futtermittel, Arzneimittel oder Lebensmittel ches!) sind, genauso sicher sind wie die bisherigen. Die Ministerin greift auch persönlich in die deutsche Ihr ständiges unbegründetes Risikogerede ist letztlich, Forschung ein. Sie hat durch direkten persönlichen Ein- wenn Sie das einmal durchdenken, nichts anderes als ein fluss – das werden Sie hoffentlich nicht vergessen ha- Affront gegen die Wissenschaft und gegen die eigenen ben – die Forschung in Pillnitz und in Quedlinburg im Zulassungsbehörden. vergangenen Jahr verboten, obwohl alle Fachleute ge- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) sagt haben, dass die Forschung, die dort geleistet wird, Spitzenniveau hat. Frau Künast hat persönlich verbo- Sie machen den Menschen Angst, statt sie sachlich zu in- ten, dass wir solche Erfahrungen in Deutschland ma- formieren. Anschließend nutzen Sie die Verunsicherung chen dürfen. und sagen – das haben wir hier schon x-mal gehört –, so- undso viel Prozent der Bevölkerung wollten keine Gen- (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. technik, um damit wiederum Ihre eigene Verhinderungs- Dr. Christel Happach-Kasan [FDP]) politik zu begründen. Das ist keine Innovationspolitik für Deutschland. Da müssen wir zu anderen Regeln kom- Auch an anderen Standorten werden die Wissen- men. schaftler zunehmend behindert. Ich will Ihnen zwei Bei- spiele nennen. Die Forschungen im Rahmen des Napus- (B) (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Projektes – das sind Forschungen an Rapspflanzen und (D) Dr. Christel Happach-Kasan [FDP]) anderen Ölpflanzen – haben zu weltweit beachteten Er- gebnissen geführt. Jetzt lässt das BMBF dieses Projekt Sagen Sie doch unseren Bürgern endlich einmal, wie auslaufen, ohne entsprechende Anschlussprojekte zu fi- umfassend die wissenschaftlichen Kontrollen sind und nanzieren. dass schon allein das deutsche Lebensmittelgesetz jedes neue Produkt verbietet, das irgendein Risiko für den Ein zweites Beispiel ist das Pflanzengenomfor- Menschen wäre, ganz abgesehen davon – ich bitte Sie, schungsprojekt GABI, das vom Bundeskanzler persön- sich das einmal anzusehen –, dass heute umfangreiche lich vor Jahren in höchsten Tönen gelobt wurde. Inzwi- Prüfungen von der neuen europäischen Behörde EFSA schen haben Sie die Mittel für dieses Projekt auf die vorgenommen werden müssen, ehe überhaupt ein Pro- Hälfte zusammengestrichen. Das sind konkrete Bei- dukt für den Markt freigegeben werden darf. spiele für Ihren Versuch, die Gentechnik in Deutschland Hören Sie also endlich auf mit Ihren Ablenkungsma- zurückzufahren und die Forscher um ihre Chancen zu növern. Sie bemühen schon heute Länder wie Kanada, bringen. Argentinien und andere für Ihre Argumente. Sorgen Sie Lassen Sie mich noch ein drittes Beispiel anführen. doch endlich dafür, dass in unserem Lande die Voraus- Während Sie in der Forschung – wie eben beschrieben – setzungen geschaffen werden, den Geldhahn zudrehen, fördern Sie Projekte von Gen- (Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Wir müssen die technikgegnern aus Steuermitteln. Das BfN fördert ein Fehler ja nicht wiederholen, Herr Kollege!) Projekt des BUND, der im Internet schreibt: dass solche Pflanzen auf deutschen Feldern wachsen Der beste Weg, Probleme mit der Gentechnik zu können, dass deutsche Wissenschaftler diese begutach- vermeiden, ist, die Gentechnik zu vermeiden. Und ten können und dass wir deren Ergebnisse in die Gesetze hier sind gentechnikfreie Regionen die ideale Lö- und Verordnungen aufnehmen können, damit wir wett- sung. bewerbsfähig bleiben bzw. werden. Wir wollen nicht So macht sich die Bundesregierung zum willfährigen ständig Ihre Verhinderungstaktik hinnehmen. Werkzeug der Gentechnikgegner. Statt neuer Erkennt- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) nisse fördern Sie die Verhinderer und Blockierer. Das eben ist der falsche Weg; ihn sollten wir in Deutschland Es ist doch ganz offensichtlich, dass Sie hier im Deut- nicht beschreiten. schen Bundestag und in Deutschland ständig negativ über Gentechnik reden, Frau Künast aber dann, wenn es (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005 14861

Helmut Heiderich (A) Das international anerkannte deutsche Saatzuchtun- Mein nächstes Beispiel ist bereits angesprochen wor- (C) ternehmen KWS aus Einbeck hat kürzlich mitgeteilt, den. Hinsichtlich der Zukunftsorientierung wäre es von dass es bei Mais auf dem internationalen Markt inzwi- Vorteil, wenn wir uns ein wenig am Nachbarland Hol- schen 50 Prozent als GV-Saatgut – das heißt gentech- land ausrichten würden. nisch verändertes Saatgut – verkauft. Ich frage Sie in diesem Zusammenhang: Wo, meinen Sie, ist dafür die (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Richtig! Ein Forschung angesiedelt? Wo, meinen Sie, befinden sich wenig!) die Felder der Saatgutvermehrer? Wo, meinen Sie, sind In Holland hat man – das ist ein hervorragendes Bei- die damit zusammenhängenden Arbeitsplätze entstan- spiel – alle Beteiligten, einschließlich der von Ihnen er- den? wähnten Ökoverbände, an einen Tisch geholt und ge- Mit der Einstellung, die Sie gegenüber der Gentech- meinsam eine ebenso pragmatische wie einfache Lösung nik in den vergangenen Jahren vertreten haben, vertrei- gefunden. Durch pflanzenspezifische Festlegung von ben Sie die vorhandenen Potenziale aus dem Land, statt Abstandsregeln, zu deren Einhaltung sich die Landwirte hier bei uns die bestehenden Möglichkeiten zu entwi- verpflichten, hat man ein Problem einvernehmlich ge- ckeln. löst, das Sie hier in Deutschland zu dem bekannten und von Ihnen verabschiedeten Gentechnikverhinderungsge- Ministerin Künast hat im Übrigen – auch das ist eben setz genutzt haben. Ich denke, Lösungen wie die in Hol- schon angesprochen worden – vor dem Bundesrat selbst land sind viel zukunftsfähiger. Solche Überlegungen die Mängel ihres Gentechnikgesetzes schriftlich einge- sollten deshalb in einem Änderungsgesetz berücksichtigt standen. Sie hat in einer Sechs-Punkte-Erklärung zugesi- werden. chert, diese Mängel umgehend abstellen zu wollen. Ich frage Sie: Welche Aktivitäten sind bisher erfolgt, die (Beifall bei der CDU/CSU) deutlich machen, dass diese sechs Punkte in das Gen- Das Zweite Gesetz zur Neuordnung des Gentechnik- technikrecht eingebracht werden sollen? rechts bietet dafür die beste Gelegenheit. Frau Künast hat in der Erklärung beispielsweise fest Wie weit Sie sich inzwischen mit Ihrer Einstellung zugesagt, den Erprobungsanbau der Bundesländer von der Realität entfernt haben, zeigt ein Blick auf das aus dem vergangenen Jahr in 2005 unter Führung des Bundeskabinett. So hat Wirtschaftsminister Clement vor BMVEL über ganz Deutschland verteilt fortzusetzen. wenigen Wochen öffentlich erhebliche Vorbehalte gegen Doch wo bleiben Ihre Verhandlungen mit den Bundes- das neue Gentechnikgesetz geäußert und mit Nachdruck ländern in dieser Sache? Wo ist das Programm? Wo sind davor gewarnt, in der Grünen Gentechnik den Anschluss die Standorte? Wer übernimmt das begleitende Monito- (B) zu verlieren. Wörtlich: „Eine Tabuisierung einzelner (D) ring? Nichts davon wurde bisher realisiert. Das zeigt, Technologien können wir uns nicht leisten.“ Anschlie- dass Sie an dieser Entwicklung nicht ernsthaft interes- siert sind. ßend hat er ausdrücklich festgehalten, dass er mit Minis- terin Künast in dieser Sache nicht übereinstimme. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Der Bundeskanzler selbst, Ihr Regierungschef, hat Zusätzlich verzögert die Ministerin auch noch die Zu- kürzlich hier in Berlin festgestellt, dass es im deutschen lassung neuen Saatguts, obwohl die Prüfungen beim Parlament eine Zurückhaltung bezüglich aller Fragen der Bundessortenamt längst positiv abgeschlossen sind und Gentechnik und deren Entwicklung gibt. Daraus hat er entsprechende Sorten in Spanien und Frankreich seit den Schluss gezogen, dass dies Deutschland auf den Jahren kommerziell angebaut werden. Wohin man auch Märkten der Welt schwäche sowie Forschung und Ent- schaut, wird Ihre Verhinderungstaktik deutlich. wicklung in Deutschland nicht befördere. Volle Überein- stimmung, Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Her- Im zentralen Punkt der Haftungsregelungen hat Mi- ren von der Regierungskoalition, es ist nun an Ihnen, den nisterin Künast in ihrer Sechs-Punkte-Erklärung zugesi- Worten des Bundeskanzler zu folgen und die gesetzli- chert, sich für einen Haftungsfonds oder – man höre und chen Regelungen entsprechend zu ändern; denn das staune! – eine Versicherungslösung einzusetzen. Bisher Gentechnikgesetz ist eine Vorlage Ihrer Regierung und haben wir von Ihnen immer wieder die Auskunft erhal- deswegen von Ihnen neu zu fassen. ten, eine Versicherungslösung sei nicht möglich. Frau Künast erklärt nun, sie wolle sich bei der Versicherungs- Bisher ist der von Ihnen vorgelegte Entwurf eines wirtschaft für eine Versicherungslösung einsetzen. Zweiten Gesetzes zur Neuordnung des Gentechnikrechts nicht mehr als ein Placebo. Außer zwei kleinen Verfah- (Renate Künast, Bundesministerin: Lesen, renserleichterungen – Frau Kollegin Drobinski-Weiß, Herr Heiderich! Lesen erleichtert die Rechts- wir, die CDU/CSU, sind übrigens schon vor drei Jahren findung!) initiativ geworden und haben diese Erleichterungen vor- Wann beginnen Sie denn mit dem, was Sie angekündigt geschlagen – ist nichts Positives festzustellen. Wir dür- haben? fen nicht länger zusehen, wie deutsche Spitzenforschung an der Ignoranz einer Ministerin und ihrer Getreuen zer- (Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Sie bricht. Wir dürfen Deutschland nicht vom Fortschritt ab- wollen nur Porzellan zerschlagen, Herr riegeln. Wir müssen dafür sorgen, dass das Zweite Ge- Heiderich, oder?) setz zur Neuordnung des Gentechnikrechts so gefasst 14862 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005

Helmut Heiderich (A) wird, dass Deutschland im Vergleich zu anderen Län- tungsresistenz handeln. Das hat mit dem Gesetz über- (C) dern in Europa auf dem wichtigen Feld dieser Zukunfts- haupt nichts zu tun. technologie wettbewerbsfähig wird. Keine Regelung im neuen Gentechnikgesetz behin- Schönen Dank. dert ein mit der üblichen Sorgfalt geplantes For- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) schungsvorhaben. Im Gegenteil: Der heute vorliegende Gesetzentwurf sieht sogar Erleichterungen im For- schungsbereich vor, und zwar für die Forschung im Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: geschlossenen System, die wir im Übrigen klar unter- Das Wort hat die Kollegin Ulrike Höfken, Bündnis 90/ stützen. Wenn bei Freilandversuchen die schon seit meh- Die Grünen. reren Jahren nach geltendem Recht vorgeschriebenen Sicherheitsauflagen eingehalten werden, können Aus- Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): kreuzungen auf benachbarte landwirtschaftlich genutzte Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Felder vermieden werden. Die Wirtschaft hat immer ge- Kollegen! Mit dem Zweiten Gesetz zur Neuordnung des sagt, dass sie diese Auflagen einhalten könne. Ein Haf- Gentechnikrechts, das als Entwurf vorliegt – dem muss tungsfall würde also gar nicht eintreten. Aber selbstver- der Bundesrat zustimmen –, werden weitere wichtige ständlich kann Forschungsfreiheit nicht bedeuten, dass EU-Vorgaben umgesetzt: Vorgaben zur Unterrichtung Wissenschaftler die Freiheit haben, das Eigentum oder der Öffentlichkeit oder Vorschriften darüber, welche An- die Gesundheit anderer zu beschädigen. gaben zur Risikobewertung oder zum Monitoringplan ein Gentechnikbetreiber in seinem Zulassungsantrag ma- Die Haftungsregelungen in der bisher erfolgten Ge- chen muss. Ich hoffe, dass die Ergänzungen zum bisher setzgebung sind daher keine unbillige Verschärfung an- geltenden Gentechnikgesetz schnell verabschiedet wer- lässlich der Gentechnikgesetzgebung. Der verschuldens- den. unabhängige Ansatz ist bereits im Nachbarschaftsrecht verankert. Es handelt sich um nichts anderes als die An- Es ist zu betonen, dass das rot-grüne Gentechnikge- wendung des Verursacherprinzips und des Prinzips, setz die Forschung unterstützt und gleichzeitig die Men- dass jemand, wenn ihm durch die Tätigkeit eines ande- schen vor gesundheits- oder umweltbezogenen Verstö- ren ein Schaden zugefügt wird, zu entschädigen ist. ßen schützt, wie sie die Opposition quasi fordert. Wenn Sie wollen, dass die große Mehrheit der Bauern (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hier vom geltendem Recht ausgeschlossen wird, dann und bei der SPD) sollten Sie das auch ganz deutlich sagen. Die bisherigen Erfahrungen widersprechen im Übri- (B) Denn die CDU/CSU verlangt in ihrem Antrag – genauso (D) wie die FDP – von der Bundesregierung, die EU-Kom- gen all dem, was Herr Heiderich hier vollmundig vorge- mission zu überreden, dafür zu sorgen, dass Auskreu- tragen hat. Es wird der Eindruck erweckt, im weltweiten zungen aus Freisetzungsexperimenten keine Zulassung Agrogentechnikgeschäft gebe es nur eine kleine unein- mehr brauchen und so in den Verkehr gebracht werden sichtige Minderheit, die gegen den Durchmarsch der können, wohlgemerkt aus Experimenten, also Kon- Gentechnik in diesem Bereich eintritt, strukte, die sich noch in der wissenschaftlichen Entwick- (Helmut Heiderich [CDU/CSU]: Richtig! Fra- lung befinden. gen Sie Clement! Fragen Sie den Bundeskanz- Man stelle sich einmal Folgendes vor: Eine For- ler!) schungsanstalt betreibt einen Versuchsacker mit Pharma- pflanzen und einige Gene wandern quasi auf das Nach- was vollkommener Unsinn ist. barfeld. Die CDU/CSU möchte nun das, was dort Rund 85 Prozent der Anbaufläche liegt in zwei Län- gefunden wird, in die Babynahrung oder auf den Teller dern und ein einziges US-amerikanisches Unternehmen, bringen. Das ist doch unglaublich. Seit Jahren gibt es nämlich Monsanto, verfügt über mehr als 90 Prozent EU-Gesetze, die genau das nicht zulassen. Das heißt, Sie Marktanteil an den kommerziell angebauten gentech- verlangen von der Ministerin einen regelrechten Verstoß nisch veränderten Sorten. Das heißt umgekehrt, dass auf gegen geltendes Recht und gegen den gesunden Men- über 95 Prozent der Anbaufläche keine gentechnisch schenverstand. Gott sei Dank würde die Ministerin so et- veränderten Pflanzen wachsen. was niemals unterstützen, genauso wenig wie wir. Was aber weltweit ansteigt, ist der Widerstand gegen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN diese Technik und damit gegen die Großkonzerne, die und bei der SPD) sich aggressiv über die Interessen der Landwirte und Diese absurde Forderung wurde aber auch von ver- Verbraucher hinwegsetzen wollen. Denn die Erfahrun- schiedenen Forschungsgesellschaften vorgebracht. Wir gen in der landwirtschaftlichen Praxis in den USA, aber sind daher – ich denke, das betrifft nicht nur uns Grüne, genauso in Argentinien – damit komme ich auf die sondern auch die SPD-Fraktion – in langen Gesprächen neuen Studien, Herr Heiderich; das werde ich Ihnen zum Beispiel mit Professor Winnacker jeden einzelnen nicht ersparen – belegen, dass sich die Versprechungen Paragraphen durchgegangen und haben sämtliche Vor- in Bezug auf weniger Umweltgifte und höhere Erträge würfe der angeblichen Forschungsfeindlichkeit im Gen- nicht realisiert haben. Nach zahlreichen Studien in den technikgesetz widerlegt. Wenn diese Forderung nun USA mussten bei GVO-Mais und GVO-Raps nicht etwa wiederholt wird, muss es sich um eine tendenziöse Bera- weniger Pestizide, sondern im schlechtesten Fall mehr Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005 14863

Ulrike Höfken (A) Pestizide eingesetzt werden als bei konventionellen Sor- Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: (C) ten. Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Christel Happach-Kasan, FDP-Fraktion. (Helmut Heiderich [CDU/CSU]: Fahren Sie mal nach China!) Dr. Christel Happach-Kasan (FDP): Höhere Erträge konnten langfristig im Schnitt mit keiner Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! der beschriebenen und von Ihnen immer angeführten Frau Kollegin Höfken, ich glaube, Sie blenden die Wirk- gentechnisch veränderten Pflanzen erreicht werden, und lichkeit aus. das, obwohl dieses Saatgut deutlich teurer ist. Obendrein hat Monsanto wegen Patentverletzungen mehr als (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) 90 Klagen gegen Landwirte und kleine Wirtschaftsunter- Wer Pollenflug als Verunreinigung bezeichnet, der weiß nehmen erhoben. nicht, was Natur ist. (Abg. Helmut Heiderich [CDU/CSU] meldet Wir, die FDP, lehnen diesen Gesetzentwurf ab. Wir sich zu einer Zwischenfrage) werden uns im Vermittlungsausschuss für eine grund- legende Änderung dieses Gesetzes wie auch des Ersten – Ich lasse keine Zwischenfragen zu. Sonst bekommt Gentechnikgesetzes einsetzen. Ich will noch hinzufügen: Herr Schmidt eine Krise. Das Wahlergebnis in Schleswig-Holstein vergrößert un- Monsanto macht sich im Übrigen auch bei der Wirt- sere Möglichkeiten. Ich bin da sehr zuversichtlich. schaft nicht beliebt. Investmentgruppen warnen schon, (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Zuruf Monsanto sei an der Börse zu hoch notiert. Die Begrün- von der SPD: Machen Sie wieder Wahlkampf?) dung lautet, man betreibe eine Marktstrategie gegen die Interessen der Verbraucher und mögliche Regressforde- Wir wollen, dass gentechnische Forschung auch in rungen durch ungewollte Ereignisse gefährdeten das Un- Deutschland weiterhin möglich ist. Wir wollen, dass ternehmen. Professor Jung von der CAU in Kiel nicht der einzige Leibniz-Preisträger bleibt, und wir wollen, dass seine In Argentinien – um auch darauf zu sprechen zu kom- Ergebnisse auch in Deutschland genutzt werden können. men – ist der Einsatz von Totalherbiziden massiv ange- Wir wollen, dass auch in Deutschland Landwirte die stiegen. Dasselbe gilt für den Einsatz von Stickstoff- Möglichkeit erhalten, transgene Sorten zu nutzen, um dünger. Probleme gibt es auch im sozialen Bereich. Der damit am Züchtungsfortschritt teilzuhaben. Ob sich „WWF-Bericht“ stellt fest: diese Sorten durchsetzen, entscheidet ihre Qualität, nicht eine rot-grüne Regierung. (B) Die Kombination aus ökonomischen Krisen und der (D) Vertreibung von kleinen Bauern und Landarbeitern (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten durch die zunehmende Mechanisierung des Soja- der CDU/CSU) anbaus führte zu einem Verlust an Nahrungssouve- ränität und erhöhte Armut und Hunger. Die Züchtungsmethode „Grüne Gentechnik“ ist – das merkt man ein bisschen – politisch noch immer heiß um- Das sei noch als Reaktion auf Ihre Dauerbotschaft, mit stritten; in der Bevölkerung nimmt die Polarisierung je- Gentechnik könne man den Hunger beseitigen, gesagt. doch ab. Anders kann man wohl nicht erklären, dass die Ich komme zum Schluss. Wer wie die CDU, die CSU Bürgerinitiative für ein gentechnikfreies Schleswig-Hol- und die FDP die weiträumige Verunreinigung von Flä- stein es nicht geschafft hat, die erforderlichen 20 000 chen und Lebensmitteln durch gentechnisch veränderte Stimmen zu sammeln. Anders lässt sich wohl auch nicht Pflanzen aktiv betreiben will erklären, dass wir in Deutschland in diesem Jahr erst- mals 1 000 Hektar Bt-Mais haben werden. (Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/ Das bedeutet, dass die gesamte politische Aufregung CSU) über dieses Thema ihre Ursache allein in machtpoliti- und den angemessenen Schutz, den wir verankern wol- schen Erwägungen hat. len, hintertreibt, (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) (Helmut Heiderich [CDU/CSU]: Fragen Sie Sie, die Grünen, können es sich nicht leisten, zuzugeben, doch Herrn Clement!) dass Ihnen Ihr Paradethema, der Kampf gegen die Züch- der handelt nicht nur gegen die Interessen der Verbrau- tungsmethode „Grüne Gentechnik“, zwischen den Hän- cher, den zerrinnt. Die vermeintlichen Argumente, die Sie immer wieder anführen, fallen wie ein Kartenhaus zu- (Zuruf von der CDU/CSU: Sondern auch sammen: gegen den Bundeskanzler!) Erstens: Ablehnung durch die Bevölkerung. Sie ha- sondern behindert auch massiv die Wahlfreiheit. Das ben es aber nicht geschafft, in Schleswig-Holstein die nenne ich nach wie vor Freiheitsberaubung. für eine Volksinitiative erforderlichen 20 000 Stimmen zusammenzubekommen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Helmut Heiderich [CDU/ (Gustav Herzog [SPD]: Dafür gewinnen wir CSU]: Unerträglich!) die Wahl!) 14864 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005

Dr. Christel Happach-Kasan (A) – Die Grünen gewinnen die Wahl mit Sicherheit nicht, Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: (C) mein lieber Kollege. Frau Kollegin, es ist nun einmal so, dass die FDP drei Minuten Redezeit hat. Ihre Redezeit ist überschritten. Zweitens: Gesundheit. Selbst Verbraucherschutz- ministerin Renate Künast sieht keine Anhaltspunkte für (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Gefährdungen. des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Hans- Michael Goldmann [FDP]: Aber es war doch Drittens: Ökologie. Seit 1987 wird in Deutschland interessant, Frau Präsidentin, nicht?) biologische Sicherheitsforschung betrieben. Es gibt keine Ergebnisse, die gegen diese Züchtungsmethode sprechen. Dr. Christel Happach-Kasan (FDP): Ich komme zum letzten Satz. – Gleichwohl setzt Rot- Viertens: Entwicklungspolitik. Frau Kollegin Höfken, Grün mit der Vorlage des Entwurfs eines Zweiten Geset- blenden Sie doch nicht die Ergebnisse aus: In China und zes zur Neuordnung des Gentechnikrechts seinen Weg Indien ist Bt-Baumwolle ein Erfolgsprogramm. fort, heimische Betriebe daran zu hindern, die Vorteile gentechnisch veränderter Sorten zu nutzen. Den minima- (Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): len Verfahrenserleichterungen stehen an anderer Stelle Gerade die hat massiven Schaden angerichtet!) erhöhte bürokratische Anforderungen gegenüber. Sie Die Beurteilung dieser Ergebnisse durch die FAO besagt sind nicht zu rechtfertigen. Wir lehnen das Gesetz ab. ganz klar, dass die Kleinbauern in China und in Indien (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) dadurch einen entscheidenden Fortschritt gemacht ha- ben. Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Zurufe Ich schließe die Aussprache. von der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf – Stellen Sie eine Frage oder halten Sie den Mund! den Drucksachen 15/4834 und 15/4828 an die in der Ta- gesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. (Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann Können Sie eigentlich nicht lesen?) sind die Überweisungen so beschlossen. Fünftens: Pflanzenschutzmitteleinsatz. Über den Er- Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages- folg neuer Sorten entscheidet der Geldbeutel: Neue Sor- ordnung. ten setzen sich nur durch, wenn sie Vorteile gegenüber (B) älteren Sorten haben. Teure Sorten rentieren sich nur, Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun- (D) wenn die Erträge besonders hoch sind bzw. wenn der destages auf Mittwoch, den 23. Februar 2005, 13 Uhr, Pflanzenschutzmitteleinsatz besonders niedrig ist. Es ist ein. eindeutig: Die Anbauflächen werden in jedem Jahr aus- Ich wünsche allen Kolleginnen und Kollegen, aber geweitet. auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ebenso wie Schließlich zu dem schönen Argument von der Macht den Besucherinnen und Besuchern auf den Tribünen ein der Konzerne: Es ist doch völlig absurd, die Macht glo- schönes Wochenende. bal wirkender Konzerne über die Ächtung einer Züch- Die Sitzung ist geschlossen. tungsmethode begrenzen zu wollen. Wo leben wir denn? Das ist albern. (Schluss: 15.05 Uhr)

Berichtigung 157. Sitzung, Seite 14745 (D), letzter Absatz, der erste Satz ist wie folgt zu lesen: „,In dubio contra reum‘, also ,im Zweifel gegen den Angeklagten‘.“ Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005 14865

(A) Anlagen zum Stenografischen Bericht (C) Anlage 1

Liste der entschuldigten Abgeordneten (alle CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den Antrag: Zurückweisung des Ein- spruchs des Bundesrates gegen das Gesetz zur entschuldigt bis Errichtung der Akademie der Künste (AdKG) Abgeordnete(r) einschließlich (Zusatztagesordnungspunkt 12)

Austermann, Dietrich CDU/CSU 18.02.2005 Die Enthaltung der CDU/CSU-Fraktion bei der na- mentlichen Abstimmung bezüglich der Zurückweisung Bahr (Neuruppin), Ernst SPD 18.02.2005 des Einspruchs des Bundesrates gegen das Gesetz zur Errichtung der Akademie der Künste bedeutet für uns Carstensen (Nordstrand), CDU/CSU 18.02.2005 nicht eine Abkehr von der grundsätzlichen Bereitschaft Peter H. der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, die Akademie der Künste in Berlin in die Verantwortung des Bundes zu Göppel, Josef CDU/CSU 18.02.2005 übernehmen. Diese Auffassung wurde durch Zustim- mung zum Gesetz vonseiten der CDU/CSU-Fraktion bei Günther (Plauen), FDP 18.02.2005 der Abstimmung im Bundestag im November 2004 deut- Joachim lich.

Dr. Hoyer, Werner FDP 18.02.2005 Gemeinsam mit den Ländern sehe ich allerdings er- heblichen Klärungsbedarf, nach welchen Kriterien Kul- Koppelin, Jürgen FDP 18.02.2005 turpolitik des Bundes in Berlin erfolgen sollte. Das trifft insbesondere da zu, wo der Bund die Verantwortung für Lengsfeld, Vera CDU/CSU 18.02.2005 Einrichtungen übernimmt, mit denen der Senat von Ber- lin offensichtlich und nicht nur finanziell überfordert ist. Lintner, Eduard CDU/CSU 18.02.2005* Kompetenzstreitigkeiten sollten aber nicht auf dem Rü- cken und schon gar nicht zulasten der Künstler und Kul- Lips, Patricia CDU/CSU 18.02.2005 turschaffenden ausgetragen werden.

Michelbach, Hans CDU/CSU 18.02.2005 Um auch das berechtigte Klärungsinteresse der Län- der deutlich zu machen, sehe ich bei der heutigen Ab- (B) (D) Probst, Simone BÜNDNIS 90/ 18.02.2005 stimmung der Zurückweisung des Bundesratseinspru- DIE GRÜNEN ches mit einer Stimmenthaltung beide Gesichtspunkte des Problems am besten vertreten. Rauen, Peter CDU/CSU 18.02.2005 Ich wünsche der Akademie der Künste eine gute und Ronsöhr, Heinrich- CDU/CSU 18.02.2005 sichere Zukunft und erklären gerade als Kulturpolitiker Wilhelm nicht nur unsere Bereitschaft der Zusammenarbeit, son- dern ausdrücklich und Berliner Bundestagsabgeordnete Rühe, Volker CDU/CSU 18.02.2005 Unterstützung für eine Akademie der Künste in Bundes- verantwortung. Schauerte, Hartmut CDU/CSU 18.02.2005

Dr. Stinner, Rainer FDP 18.02.2005 Anlage 3 Dr. Thomae, Dieter FDP 18.02.2005 Zu Protokoll gegebene Rede

Türk, Jürgen FDP 18.02.2005 zur Beratung des Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Betreuungsrechts (… Betreu- ungsrechtsänderungsgesetz – … BtÄndG) (Ta- * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- gesordnungspunkt 24) sammlung des Europarates Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Das Betreuungsrecht ist ein Anlage 2 wichtiges Thema, wichtig nicht nur, weil immer mehr Erklärung nach § 31 GO Menschen davon betroffen sind – sei es, dass für sie selbst eine Betreuerin oder ein Betreuer bestellt ist, sei der Abgeordneten Günter Nooke, Edeltraud es, dass Angehörige oder Freunde einer rechtlichen Be- Töpfer, Roland Gewalt, Renate Blank, Siegfried treuung bedürfen –, sondern wichtig auch, weil es um Helias, Peter Rzepka, Verena Butalikakis, Dr. eine ganz elementare staatliche und gesellschaftliche Martina Krogmann, Dr. Norbert Lammert, Aufgabe geht: um die Hilfe für Menschen, die nicht Erika Steinbach und Bernd Neumann (Bremen) mehr selbst für sich sorgen können. 14866 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005

(A) Bei der ersten Lesung dieses Gesetzentwurfs vor -betreuer genau beobachten und dem Bundestag zum (C) knapp einem Jahr hat Bundesministerin Zypries verspro- 1. Juli 2007 einen Bericht vorlegen. Sollten sich Fehlent- chen, dass die Bundesregierung beim weiteren Gesetz- wicklungen insbesondere bei den für die Betreuten er- gebungsverfahren intensiv mitarbeiten wird. Daran ha- brachten Leistungen abzeichnen, werden wir diesen ben wir uns gehalten. Ich danke all denen, die schnell begegnen. Auch die wirtschaftlichen Auswirkun- gemeinsam mit uns an diesem Gesetz gearbeitet haben: gen der Reform auf die Berufsbetreuer werden wir genau den Berichterstatterinnen und Berichterstattern der Frak- untersuchen und dort helfen, wo es nötig sein sollte. tionen genauso wie den beteiligten Vertretern der Län- Dazu gehört auch die Frage Besteuerung. der. Sie alle haben zu diesem tragfähigen Kompromiss beigetragen. Das Ergebnis unserer vielen Gespräche und Sehr zufrieden bin ich, dass der Gesetzentwurf wirk- der zwei umfassenden Sachverständigenanhörungen same Vorschläge zur weiteren Stärkung der Vorsorge- kann sich sehen lassen. Mit dieser Reform verbessern vollmacht enthält. Es kann nicht genug betont werden, wir das Betreuungsrecht und machen es zukunftsfähig. dass mithilfe von Vorsorgevollmachten das Selbstbe- stimmungsrecht der betroffenen Menschen am besten Wenn im letzten Jahrzehnt die Zahl der Betreuungen gewahrt werden kann. Die Persönlichkeit und Autono- enorm angestiegen ist, dann ist das auch ein Beleg dafür, mie der Betroffenen wird gestärkt, da sie nicht fremdbe- dass wir mit der Betreuungsrechtsreform von 1992 den stimmt, sondern aus eigenem Antrieb eine Regelung für richtigen Weg eingeschlagen haben. Für die damals ge- den Vorsorgefall treffen. Zugleich ist damit der erfreu- schaffenen Regelungen gibt es einen großen und stetig liche Nebeneffekt verbunden, dass die Bestellung einer wachsenden gesellschaftlichen Bedarf. Das Betreuungs- Betreuerin oder eines Betreuers vermieden wird. Die gesetz hat sich dabei als Instrument staatlicher Rechts- Bundesregierung wird hier auch und vor allem mit der fürsorge bewährt. Kreditwirtschaft an weiteren Verbesserungen arbeiten. Wir wollen dahin kommen, dass auch die Banken privat- Es ist in den letzten Jahren aber auch Reformbedarf schriftliche Vorsorgevollmachten möglichst unproble- sichtbar geworden. Dabei geht es weniger um den äuße- matisch anerkennen. Erste Gespräche sind bereits ge- ren demographischen Wandel als vielmehr um die Bin- führt worden. Ich bin sehr optimistisch, dass wir in nenstruktur des Betreuungsrechts. Außerdem wurde das diesem Bereich kurzfristig zu guten Lösungen kommen Betreuungsrecht in immer stärkerem Ausmaß mit Auf- werden. gaben befrachtet, die nichts mit staatlicher Rechtsfür- sorge zu tun haben. Die vom Bundesministerium der Gerade die Stärkung der individuellen Vorsorge unter Justiz in Auftrag gegebene rechtstatsächliche Untersu- Inanspruchnahme der Familien- und Generationensolida- chung hat diese problematischen Entwicklungen gründ- rität kann helfen, den demographischen Wandel zu be- (B) lich und sorgfältig belegt. wältigen. Dieser Solidaritätsgedanke ist in der Gesell- (D) schaft im Übrigen viel stärker ausgeprägt, als häufig Das heißt zweierlei. Erstens: Die Berufsbetreuung beklagt wird. Das fügt sich in ein insgesamt sehr erfreu- muss auf den Aufwand zurückgeführt werden, der für liches Bild: Durch diese Reform bleiben die Grundprin- die rechtliche Betreuung erforderlich und ausreichend zipien des Betreuungsgesetzes von 1990 gewahrt: das ist. Das schulden wir sowohl denjenigen, die selbst für Wohl der Betreuten und die Erhaltung ihrer größtmögli- ihre Betreuungskosten aufkommen, als auch der Staats- cher Selbstbestimmung. kasse, die für die Mittellosen einspringt. Zweitens: Der Verwaltungs- und Verfahrensaufwand muss reduziert werden. Anlage 4 Der Entwurf greift den Vorschlag einer Pauschalie- rung der Vergütung und des Auslagenersatzes für Be- Zu Protokoll gegebene Rede rufsbetreuer auf. Wir haben mit dem Inklusivstunden- zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über satz, der Vergütung, Auslagenersatz und Umsatzsteuer die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP- enthält, eine Lösung gefunden, die auch den Forderun- Sondervermögens für das Jahr 2005 (ERP- gen der Berufsbetreuerinnen und -betreuer nach Erhö- Wirtschaftsplangesetz 2005) (Tagesordnungs- hung ihrer Stundensätze und Berücksichtigung besonde- punkt 26) rer Betreuungssituationen entgegenkommt; und ganz wichtig ist mir, dass die Betreuungsvereine, die einer niedrigeren Umsatzsteuer unterliegen, dadurch gefördert Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das werden. ERP-Sondervermögen führt zu gigantischen Ergebnis- sen. Die Wortwahl ist nicht übertrieben. Dies zeigt der Damit erreichen wir ein ganz wichtiges Ziel: Alle im Airbus A380. Dieses gigantische Passagierflugzeug Betreuungswesen tätigen Personen werden von den auf- wurde letztlich zu einem großen Teil über das ERP-Son- wendigen und aus vielerlei Gründen fragwürdigen Ein- dervermögen finanziert. Doch das ERP-Sondervermö- zelabrechnungen befreit und können so ihre Arbeit auf gen bringt nicht nur Flieger zum Starten. das einzig Maßgebliche konzentrieren: auf das Wohl der Betreuten. Das ERP-Sondervermögen ist das wichtigste Instru- ment, der Innovations-, Mittelstands- und Umwelttech- Die Bundesregierung wird in den nächsten Jahren das nologieförderung. Alleine 2005 werden mit dem ERP- Betreuungswesen, insbesondere die Auswirkungen der Wirtschaftsplan 3,8 Milliarden Euro bereitgestellt. In den neuen Pauschalvergütung der Berufsbetreuerinnen und neuen Bundesländern sind mittlerweile 169 000 Vorha- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005 14867

(A) ben im Bereich Gründung und Festigung von Unterneh- nicht dagegen, dass der Bundesfinanzminister 2 Milliar- (C) men gefördert worden. Der Aufbau dieser mittelstän- den Euro im Haushalt verwenden kann; denn 2 Milliar- dischen Unternehmen wäre ohne die gezielten Finanzie- den müssen logischerweise nur Beteiligungswerte in rungshilfen häufig nicht möglich gewesen, wie der gleiche Höhe entgegenstehen. Und schon sind zwei Flie- Subventionsbericht der Bundesregierung herausstreicht. gen mit einer Klappe geschlagen: Verringerung der Neu- Wir wissen hier alle, dass die Mittelstandskredit-Förde- verschuldung und Substanzerhalt des Sondervermö- rung nie wichtiger war als heute, da sich die Banken lei- gens. Diesen Weg gibt es und wir halten ihn für den der mehr und mehr vom Mittelstand entfernt haben. richtigen und den einzigen gehbaren angesichts der in- ternationalen Vertragslage. Das ERP-Sondervermögen ist darüber hinaus ein Umweltprogramm: In den letzten zehn Jahren wurden Neben dem Substanzerhaltungsgebot muss die Effi- 18 Milliarden Förderkredite alleine für die ERP-Um- zienz im Vordergrund stehen, mit der das Geld angelegt weltschutzförderung zugesagt, zum Beispiel für Abfall- wird. Folgerichtig muss wie bei jeder Geldanlage vergli- wirtschaft, Abwassereinigung, Luftreinigung oder Ener- chen werden, was der Markt anbietet. Wer das beste An- gieeinsparung. Mit ihrer Hilfe ist die Markteinführung gebot macht, soll dann auch den Zuschlag erhalten. Dies einer Vielzahl von Umwelttechnologien gelungen. Hier- ist ein selbstverständliches Vorgehen. von haben sowohl die Umwelt als auch der Arbeitsmarkt in erheblichem Maße profitiert, vor allem im Osten, in den alleine fast 7 Milliarden flossen. Anlage 5 Das ERP-Sondervermögen ist vor allem ein Innova- Amtliche Mitteilungen tionsprogramm. Und es ist das wichtigste Instrument, welches der Bundesregierung für ihre Innovationsoffen- Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben sive zur Verfügung steht; denn es stellt genau dort Kapi- mitgeteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 tal zur Verfügung, wo andere das Risiko scheuen. Ohne der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den das ERP-Sondervermögen mit Mut zu Investitionen nachstehenden Vorlagen absieht: wäre jede Innovationsoffensive zum Scheitern verurteilt. Ich will das anhand der jüngsten Innovationsbausteine Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und darstellen. Reaktorsicherheit

Ohne das ERP-Sondervermögen gäbe es keinen – Unterrichtung durch die Bundesregierung Dachfonds für Venture Capital. Ohne diesen Dachfonds Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung im Jahr (B) würde das Kapital des European Investment Fonds nicht 2003 (D) in Deutschland investiert werden. Ohne die Beteiligung – Drucksachen 15/3889, 15/4086 Nr. 1 – des ERP-Sondervermögens gäbe es kaum eine Chance, das Venture-Capital in Deutschland wiederzubeleben. – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über den Verhandlungs- Ich komme zu dem jüngsten Spross, der ERP-Sonder- fortschritt bezüglich der EG-Verordnung über die Ver- vermögen-Familie: der ERP-Startfonds: Er wird zu bringung von Abfällen und der Weiterentwicklung der 90 Prozent über das ERP-Sondervermögen finanziert. europäischen Abfallpolitik Dieses war als einziges Vermögen bereit, so viel Geld in – Drucksachen 15/3890, 15/4009 Nr. 9 – die Hand zu nehmen, um Start-ups kozufinanzieren. Selbst die durchführende KfW war nur zu eher symboli- Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe schen 10 Prozent zu bewegen. Ohne das ERP-Sonder- vermögen gäbe es folglich auch keinen Startfonds und – Unterrichtung durch die Bundesregierung somit weit geringere Chancen für junge Technologie- Bericht der Bundesregierung über die deutsche huma- unternehmen, an Geld zu gelangen. nitäre Hilfe im Ausland 1998 bis 2001 Der ERP-Unterausschuss hat nicht nur mutig in die – Drucksache 14/3891 – Zukunft investiert; er hat dabei auch das Vermögen er- (Berichtigung: Die in der Amtlichen Mitteilung vom halten – und das über Jahrzehnte hinweg. Mit diesem 28. Januar 2005 vom Ausschuss für Menschenrechte und Vermögen konnten zugleich Dutzende Milliarden in die Humanitäre Hilfe mitgeteilte Kenntnisnahme auf Druck- Zukunft des Landes investiert werden. Da der ERP-Un- sachen 15/3891, 15/4086 Nr. 2 ist hinfällig.) terausschuss eine große Verantwortung für das ERP- Sondervermögen und damit auch für die Zukunft unseres Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben Landes trägt, muss er größten Wert darauf legen, wie das mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden EU- Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Geld angelegt wird. Hier muss selbstverständlich auch in Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Bera- der Zukunft das Substanzerhaltungsgebot gelten. An- tung abgesehen hat. sonsten würden wir Gefahr laufen, in eine Innovations- defensive zu geraten. Der Vertrag mit den USA bietet hierzu eine wichtige Gewährleistung; denn in diesem Auswärtiger Ausschuss Vertrag ist die Substanzerhaltung als oberstes Gebot fest- Drucksache 15/4567 Nr. 1.5 geschrieben. Die Substanzerhaltung spricht übrigens Drucksache 15/4567 Nr. 1.13 14868 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Februar 2005

(A) Innenausschuss Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung (C) und Landwirtschaft Drucksache 15/3779 Nr. 1.39 Drucksache 15/3779 Nr. 1.53 Drucksache 15/4567 Nr. 1.14

Rechtsausschuss Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 15/4458 Nr. 2.8 Drucksache 15/3403 Nr. 1.3 Drucksache 15/4458 Nr. 2.7 Finanzausschuss Drucksache 15/4567 Nr. 1.10 Drucksache 15/4458 Nr. 2.25 Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Drucksache 15/979 Nr. 2.33 Drucksache 15/4296 Nr. 1.1 Drucksache 15/1153 Nr. 2.22 Drucksache 15/4296 Nr. 1.2 Drucksache 15/2519 Nr. 2.49 Drucksache 15/4296 Nr. 1.6 Drucksache 15/3403 Nr. 2.86 Drucksache 15/4296 Nr. 1.9 Drucksache 15/3403 Nr. 2.89 Drucksache 15/4296 Nr. 1.10 Drucksache 15/3696 Nr. 2.30 Drucksache 15/4296 Nr. 1.18 Drucksache 15/3779 Nr. 1.74 Drucksache 15/4458 Nr. 2.1 Drucksache 15/3779 Nr. 1.113 Drucksache 15/4458 Nr. 2.10 Drucksache 15/4458 Nr. 2.13 Drucksache 15/4458 Nr. 2.17 Ausschuss für die Angelegenheiten Drucksache 15/4458 Nr. 2.23 der Europäischen Union Drucksache 15/4567 Nr. 1.1 Drucksache 15/4567 Nr. 1.16 Drucksache 15/3876 Nr. 1.8

(B) (D)

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