– Auszug – Plenarprotokoll 14/209

Deutscher

Stenographischer Bericht

209. Sitzung

Berlin, Freitag, den 14. Dezember 2001

Inhalt:

Zusatztagesordnungspunkt 18: Gesetz zur Bereinigung des Rechts- Beschlussempfehlung des Ausschusses mittelrechts im Verwaltungsprozess nach Art. 77 des Grundgesetzes zu dem Ge- (RmBereinVpG) setz zur Regelung der Rechtsverhältnisse (Drucksachen 14/6393, 14/6854, 14/7474, von Prostituierten (Prostitutionsgesetz) 14/7744, 14/7779) ...... 20702 B (Drucksachen 14/5958, 14/7174, 14/7524, 14/7748) ...... 20701 B Zusatztagesordnungspunkt 23: Beschlussempfehlung des Ausschusses Zusatztagesordnungspunkt 19: nach Art. 77 des Grundgesetzes zu dem Ge- Beschlussempfehlung des Ausschusses nach setz zur Fortentwicklung des Unternehmen- Art. 77 des Grundgesetzes zu dem Gesetz steuerrechts (Unternehmensteuerfortent- zur Änderung des Strafrechtlichen Re- wicklungsgesetz) habilitierungsgesetzes (Drucksachen 14/6882, 14/7084, 14/7343, (Drucksachen 14/7283, 14/7476, 14/7745, 14/7344, 14/7742, 14/7780) ...... 20702 C 14/7749) ...... 20701C Joachim Poß SPD ...... 20702 C Peter Rauen CDU/CSU ...... 20703 B Zusatztagesordnungspunkt 20: Beschlussempfehlung des Ausschusses Kristin Heyne BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20703 D nach Art. 77 des Grundgesetzes zu dem ... Carl-Ludwig Thiele FDP ...... 20704 D Gesetz zur Änderung der Strafprozess- ordnung Dr. Barbara Höll PDS ...... 20705 C (Drucksachen 14/5166, 14/6576, 14/7015, 14/7776) ...... 20701D Tagesordnungspunkt 19:

Zusatztagesordnungspunkt 21: a) – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD und des Beschlussempfehlung des Ausschusses nach BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Art. 77 des Grundgesetzes zu dem Gesetz eingebrachten Entwurfs eines Ge- zur Reform der Professorenbesoldung (Pro- setzes zur geordneten Beendigung fessorenbesoldungsreformgesetz) der Kernenergienutzung zur ge- (Drucksachen 14/6852, 14/7356, 14/7743, 14/7777) ...... 20702 A werblichen Erzeugung von Elek- trizität (Drucksachen 14/6890, 14/7825) 20706 C Zusatztagesordnungspunkt 22: – Zweite und dritte Beratung des von Beschlussempfehlung des Ausschusses der Bundesregierung eingebrach- nach Art. 77 des Grundgesetzes zu dem ten Entwurfs eines Gesetzes zur II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Dezember 2001

geordneten Beendigung der Kurt-Dieter Grill CDU/CSU ...... 20724 B Kernenergienutzung zur gewerb- Birgit Homburger FDP ...... lichen Erzeugung von Elektrizität 20724 D (Drucksachen 14/7261, 14/7825) 20706 D Jürgen Trittin, Bundesminister BMU ...... 20725 A b) Beschlussempfehlung und Bericht Dr. Christian Ruck CDU/CSU ...... 20725 C des Ausschusses für Umwelt, Natur- SPD ...... 20727 C schutz und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Walter Hirche FDP ...... 20729 C Dr. Peter Paziorek, Kurt-Dieter Grill, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Kern- Tagesordnungspunkt 20: energieausstieg ohne Konzept für Energiepolitik und Entsorgung a) – Zweite und dritte Beratung des von (Drucksachen 14/6886, 14/7825) 20706 D den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN c) Beschlussempfehlung und Bericht eingebrachten Entwurfs eines Geset- des Ausschusses für Umwelt, Natur- zes zur Einführung des diagnoseori- schutz und Reaktorsicherheit zu entierten Fallpauschalensystems für dem Antrag der Abgeordneten Kurt- Krankenhäuser (Fallpauschalenge- Dieter Grill, , weite- setz) rer Abgeordneter und der Fraktion (Drucksachen 14/6893, 14/7824, der CDU/CSU: Deutschland muss 14/7862) ...... 20730 C weiterhin in der Reaktorsicher- heitsentwicklung eine führende – Zweite und dritte Beratung des von Rolle einnehmen – Zusagen an der Bundesregierung eingebrachten Frankreich müssen eingehalten Entwurfs eines Gesetzes zur Ein- werden führung des diagnoseorientierten (Drucksachen 14/1212, 14/3327) 20707 A Fallpauschalensystems für Kran- kenhäuser (Fallpauschalengesetz) d) Beschlussempfehlung und Bericht (Drucksachen 14/7421, 14/7461, des Ausschusses für Umwelt, Natur- 14/7824, 14/7862) ...... 20730 C schutz und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Kurt- b) Zweite und dritte Beratung des von den Dieter Grill, Dr. Peter Paziorek, Fraktionen der SPD und des weiterer Abgeordneter und der BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN ein- Fraktion der CDU/CSU: Zukunft gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur der nuklearen Entsorgung – Entsor- Begrenzung der Arzneimittelausgaben gungskonzept jetzt vorlegen der gesetzlichen Krankenversicherung (Drucksachen 14/4644, 14/6030) 20707 A (Arzneimittelausgaben-Begrenzungs- Horst Kubatschka SPD ...... 20707 B gesetz) (Drucksachen 14/7144, 14/7827, Ernst Hinsken CDU/CSU ...... 20708 C 14/7855) ...... 20730 D Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) CDU/CSU 20710 A , Bundesministerin BMG . . . . . 20731 A Michaele Hustedt BÜNDNIS 90/DIE Dr. Hans Georg Faust CDU/CSU ...... 20733 B GRÜNEN ...... 20711 D Ekin Deligöz BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20735 B Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) CDU/CSU ...... 20712 B Dr. Dieter Thomae FDP ...... 20737 B Kurt-Dieter Grill CDU/CSU ...... 20713 D Klaus Kirschner SPD ...... 20738 B Birgit Homburger FDP ...... 20714 B Horst Schmidbauer (Nürnberg) SPD . . . . 20738 C Dr. Winfried Wolf PDS ...... 20716 C Dr. PDS ...... 20739 B Michael Müller (Düsseldorf) SPD ...... 20717 D Horst Schmidbauer (Nürnberg) SPD ...... 20740 D Walter Hirche FDP ...... 20719 C Dr. Hans Georg Faust CDU/CSU ...... 20741 D Michael Müller (Düsseldorf) SPD ...... 20720 A Dr. CDU/CSU ...... 20742 C Dr. Paul Laufs CDU/CSU ...... 20720 B Dr. Carola Reimann SPD ...... 20744 D SPD ...... 20721 D Annette Widmann-Mauz CDU/CSU ...... 20746 C Jürgen Trittin, Bundesminister BMU ...... 20722 D Dr. Carola Reimann SPD ...... 20746 D Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Dezember 2001 III

Tagesordnungspunkt 21: Grund, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten a) – Zweite und dritte Beratung des von Entwurfs eines Gesetzes zur Ände- den Fraktionen der SPD und des rung des Parteiengesetzes BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN (Drucksache 14/7441) ...... 20763 C eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zur Bekämpfung des interna- b) Erste Beratung des von den Fraktionen tionalen Terrorismus (Terroris- der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE musbekämpfungsgesetz) GRÜNEN eingebrachten Entwurfs ei- (Drucksachen 14/7386 (neu), nes Achten Gesetzes zur Änderung 14/7830, 14/7856) ...... 20747 D des Parteiengesetzes – Zweite und dritte Beratung des von Drucksache 14/7778) ...... 20763 D der Bundesregierung eingebrachten Wilhelm Schmidt (Salzgitter) SPD ...... 20763 D Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung des internationalen Dr. Norbert Röttgen CDU/CSU ...... 20765 A Terrorismus (Terrorismusbekämp- Hans-Christian Ströbele BÜNDNIS 90/DIE fungsgesetz) (Drucksachen 14/7727, 14/7754, GRÜNEN ...... 20769 A 14/7830, 14/7856) ...... 20747 D Dr. FDP ...... 20770 B b) Beschlussempfehlung und Bericht des Dr. Evelyn Kenzler PDS ...... 20771 B Innenausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten , Inge Wettig-Danielmeier SPD ...... 20772 A Volker Rühe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Si- cherheit 21 – Was zur Bekämpfung Tagesordnungspunkt 23: des internationalen Terrorismus jetzt Zweite und dritte Beratung des von der zu tun ist Bundesregierung eingebrachten Entwurfs (Drucksachen 14/7065 (neu), 14/7830) 20748 A eines Gesetzes zur Modulation von Direkt- zahlungen im Rahmen der gemeinsamen in Verbindung mit Agrarpolitik (Modulationsgesetz) (Drucksachen 14/7252, 14/7812) ...... 20773 D Zusatztagesordnungspunkt 24: Renate Künast, Bundesministerin BMVEL . . 20774 A Antrag der Abgeordneten , Ulla Peter H. Carstensen (Nordstrand) CDU/CSU 20775 C Jelpke, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der PDS: Bürgerrechte schützen – Waltraud Wolff (Wolmirstedt) SPD ...... 20777 D öffentliche Sicherheit verbessern Marita Sehn FDP ...... 20779 D (Drucksache 14/7792) ...... 20748 A Kersten Naumann PDS ...... 20780 D Dieter Wiefelspütz SPD ...... 20748 B (Recklinghausen) CDU/CSU ...... 20750 A Tagesordnungspunkt 24: (Köln) BÜNDNIS 90/DIE Erste Beratung des von den Abgeordne- GRÜNEN ...... 20752 A ten Detlef Parr, Sabine Leutheusser- Sylvia Bonitz CDU/CSU ...... 20753 D Schnarrenberger, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der FDP eingebrachten Dr. Max Stadler FDP ...... 20755 A Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung der Petra Pau PDS ...... 20756 C Präimplationsdiagnostik (Präimplationsdiagnostikgesetz) , Bundesminister BMI ...... 20757 C (Drucksache 14/7415) ...... 20781 D Jürgen Koppelin FDP ...... 20761 A

Otto Schily, Bundesminister BMI ...... 20761 C Tagesordnungspunkt 26: Wolfgang Zeitlmann CDU/CSU ...... 20761 C Antrag der Abgeordneten Karl-Josef Laumann, , weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Tagesordnungspunkt 22: Arbeit statt Sozialhilfe – Hin zu einer a) Erste Beratung des von den Abgeord- Kultur von Geben und Nehmen neten Dr. Norbert Röttgen, Manfred (Drucksache 14/7443) ...... 20782 A IV Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Dezember 2001

Tagesordnungspunkt 28: Tagesordnungspunkt 31: Antrag der Abgeordneten , a) Zweite und dritte Beratung des vom Heinz Seiffert, weiterer Abgeordneter und Bundesrat eingebrachten Entwurfs ei- der Fraktion der CDU/CSU: Übergangslö- nes Gesetzes zur Aufhebung der für die sung für Umsatzbesteuerung von Sport- Kostengesetze nach dem Einigungs- anlagen vertrag geltenden Ermäßigungssätze (Drucksache 14/7285) ...... 20782 B für den Teil des Landes Berlin, in dem das Grundgesetz vor dem 3. Oktober in Verbindung mit 1990 nicht galt (Ermäßigungssatz- Aufhebungsgesetz Berlin) (Drucksachen 14/6477, 14/7817) . . . . 20783 B Zusatztagesordnungspunkt 25: b) Beschlussempfehlung und Bericht des Antrag der Abgeordneten Dr. , Rechtsausschusses zu dem Antrag der Carl-Ludwig Thiele, weiterer Abgeordne- Abgeordneten , Dr. Edzard ter und der Fraktion der FDP: Umsatzbe- Schmidt-Jortzig, weiterer Abgeordneter steuerung von Sportanlagen wirtschafts- und der Fraktion der FDP: Ende der freundlich gestalten doppelten Benachteiligung für die (Drucksache 14/7813) ...... 20782 B Rechtsanwälte in den neuen Ländern (Drucksachen 14/3485, 14/7817) . . . . 20783 C

Tagesordnungspunkt 29: Nächste Sitzung ...... 20784 C Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Verkehr, Bau- und Wohnungs- Anlage 1 wesen Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 20785 A – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. , Hans- Michael Goldmann, weiterer Abgeord- Anlage 2 neter und der Fraktion der FDP: Mehr Eigentum, mehr private Anbieter und Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten zielgenaue Hilfen zum Strukturwan- Dr. (CDU/CSU) zur Abstim- del am Wohnungsmarkt in den neuen mung über den Entwurf eines Gesetzes zur Bundesländern Bekämpfung des internationalen Terrorismus (Terrorismusbekämpfungsgesetz) (Tagesord- – zu dem Antrag der Abgeordneten nungspunkt 21 a) ...... 20786 A Christine Ostrowski, Maritta Böttcher, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der PDS: Vorschläge der Bund-Län- Anlage 3 der-Arbeitsgruppe Wohnungsleer- Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten stand Ost sachgerecht modifizieren Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und umsetzen zur Abstimmung über den Entwurf eines Ge- – zu dem Antrag der Abgeordneten setzes zur Bekämpfung des internationalen Christine Ostrowski, Maritta Böttcher, Terrorismus (Terrorismusbekämpfungsgesetz) weiterer Abgeordneter und der Fraktion (Tagesordnungspunkt 21 a) ...... 20786 B der PDS: Altschuldenbefreiung für abzureißende bzw. rückzubauende Wohnungen Anlage 4 (Drucksachen 14/6055, 14/6848, 14/6849, Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung der 14/7449) ...... 20782 C Präimplantationsdiagnostik (Präimplantations- diagnostikgesetz) (Tagesordnungspunkt 24) 20787 A Tagesordnungspunkt 30: Helga Kühn-Mengel SPD ...... 20787 A Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- Margot von Renesse SPD ...... 20787 D schusses für Umwelt, Naturschutz und Re- Dr. Maria Böhmer CDU/CSU ...... 20788 D aktorsicherheit zu der Verordnung über die Entsorgung von gewerblichen Sied- (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE lungsabfällen und von bestimmten Bau- GRÜNEN ...... 20790 D und Abbruchabfällen Detlef Parr FDP ...... 20791 C (Drucksachen 14/7328, 14/7514 Nr. 2.2, 14/7828) ...... 20783 A Dr. Ilja Seifert PDS ...... 20792 D Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Dezember 2001 V

Anlage 5 Dr. SPD ...... 20804 B Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung Norbert Otto (Erfurt) CDU/CSU ...... 20806 B des Antrags: Arbeit statt Sozialhilfe – Hin Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ zu einer Kultur von Geben und Nehmen DIE GRÜNEN ...... 20807 B (Tagesordnungspunkt 26) ...... 20793 C Dr. Karlheinz Guttmacher FDP ...... 20808 A Walter Hoffmann (Darmstadt) SPD ...... 20793 C Christine Ostrowski PDS ...... 20808 D Brigitte Lange SPD ...... 20794 C Karl-Josef Laumann CDU/CSU ...... 20796 A Anlage 8 Ekin Deligöz BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . 20797 C Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Dr. Heinrich L. Kolb FDP ...... 20798 D Beschlussempfehlung und des Berichts: Ver- Pia Maier PDS ...... 20799 D ordnung über die Entsorgung von gewerbli- chen Siedlungsabfällen und von bestimmten Bau- und Abbruchabfällen (Tagesordnungs- Anlage 6 punkt 30) ...... 20810 C Rainer Brinkmann (Detmold) SPD ...... 20810 D Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: Georg Girisch CDU/CSU ...... 20811 D – Übergangslösung für Umsatzbesteuerung Michaele Hustedt BÜNDNIS 90/DIE von Sportanlagen GRÜNEN ...... 20813 A – Umsatzbesteuerung von Sportanlagen Birgit Homburger FDP ...... 20813 D wirtschaftsfreundlich gestalten Rolf Kutzmutz PDS ...... 20814 B (Tagesordnungspunkt 28 und Zusatztagesord- nungspunkt 25) ...... 20800 C Anlage 9 Horst Schild SPD ...... 20800 D Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: CDU/CSU ...... 20801 A – des Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhe- BÜNDNIS 90/DIE bung der für die Kostengesetze nach dem GRÜNEN ...... 20802 B Einigungsvertrag geltenden Ermäßigungs- Dr. Klaus Kinkel FDP ...... 20803 A sätze für den Teil des Landes Berlin, in dem das Grundgesetz vor dem 3. Oktober 1990 Heidemarie Ehlert PDS ...... 20803 C nicht galt (Ermäßigungssatz-Aufhebungs- gesetz Berlin) – der Beschlussempfehlung und des Berichts: Anlage 7 Ende der doppelten Benachteiligung für die Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Rechtsanwälte in den neuen Ländern Beschlussempfehlung und des Berichts zu den (Tagesordnungspunkt 31 a und b) ...... 20815 A Anträgen: SPD ...... 20815 A – Mehr Eigentum, mehr private Anbieter und zielgenaue Hilfen zum Strukturwandel am Dr. Norbert Röttgen CDU/CSU ...... 20815 D Wohnungsmarkt in den neuen Bundeslän- Hans-Christian Ströbele BÜNDNIS 90/DIE dern GRÜNEN ...... 20816 D – Vorschläge der Bund-Länder-Arbeits- Rainer Funke FDP ...... 20817 A gruppe Wohnungsleerstand Ost sachge- recht modifizieren und umsetzen Dr. Evelyn Kenzler PDS ...... 20817 C – Altschuldenbefreiung für abzureißende bzw. rückzubauende Wohnungen Anlage 10 (Tagesordnungspunkt 29) ...... 20804 A Amtliche Mitteilungen ...... 20818 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Dezember 2001 20747

Vizepräsidentin Dr. (A) ner Beschlussempfehlung auf Drucksache 14/7824, den stimmen. Darauf bin ich vom Geschäftsführer hingewie- (C) Gesetzentwurf in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich sen worden. bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschuss- Wir kommen nun zur Abstimmung über den Ent- fassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Ge- genstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist schließungsantrag der Fraktionen der SPD und des damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koali- Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache 14/7858. Wer tionsfraktionen gegen die Stimmen der gesamten Oppo- stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Wer stimmt sition angenommen worden. dagegen? – Enthaltungen? – Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Wir kommen zur Stimmen von CDU/CSU und FDP bei Enthaltung der dritten Beratung PDS angenommen worden. und Schlussabstimmung. Ich bitte Sie, sich zu erheben, Bevor ich die nächsten Tagesordnungspunkte aufrufe, wenn Sie dem Gesetzentwurf zustimmen wollen. – Wer habe ich noch etwas aus der Debatte über den Ausstieg aus stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf der Kernenergie nachzuholen. Während einer Antwort ist damit in dritter Lesung mit dem eben festgestellten von Minister Trittin hat der Abgeordnete Hildebrecht Stimmenverhältnis angenommen worden. Braun „Bin Laden“ gerufen. Kurze Zeit später gab es mehrere Zurufe von der CDU/CSU, und zwar ebenfalls Wir kommen nun zur Abstimmung über die Ent- „Bin Laden“. Diese konnte ich nicht einzeln zuordnen. schließungsanträge. Wer stimmt für den Entschließungs- antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksa- (Walter Hirche [FDP]: Sie haben „Bin im La- che 14/7843? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der den“ gerufen! – Gegenruf des Abg. Wilhelm Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koali- Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das müssen Sie tionsfraktionen gegen die Stimmen von CDU/CSU und nicht noch rechtfertigen! Das ist unglaublich!) FDP bei Enthaltung der PDS abgelehnt worden. – Nein, ich selber habe es gehört, hatte aber das Problem, Wer stimmt für den Entschließungsantrag der Fraktion diese nicht genau zuordnen zu können. – Ich glaube, wir der FDP auf Drucksache 14/7844? – Gegenstimmen? – alle sind uns einig, dass die Persönlichkeitsrechte verletzt Enthaltungen? – Der Entschließungsantrag ist mit den werden, wenn man mit gesuchten Verbrechern verglichen Stimmen der Koalitionsfraktionen und der PDS gegen die wird. Das muss ich rügen. Stimmen der FDP abgelehnt worden, während die CDU/CSU sich enthalten hat. (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS) Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschus- (B) (D) ses für Gesundheit zu dem Gesetzentwurf der Bundes- Ich rufe jetzt die Tagesordnungspunkte 21 a und 21 b regierung zur Einführung des diagnoseorientierten sowie Zusatzpunkt 24 auf: Fallpauschalensystems für Krankenhäuser, Drucksa- che 14/7824. Der Ausschuss empfiehlt unter Nr. 2 seiner a) – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen Beschlussempfehlung, den Gesetzentwurf, also die der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜ- Drucksachen 14/7421 und 14/7461, für erledigt zu erklä- NEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur ren. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gibt Bekämpfung des internationalen Terrorismus (Ter- es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die Beschlussemp- rorismusbekämpfungsgesetz) fehlung ist einstimmig angenommen worden. – Drucksache 14/7386 (neu) – Abstimmung über den von den Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen eingebrachten Ge- (Erste Beratung 201. Sitzung) setzentwurf zur Begrenzung der Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung. Ich bitte dieje- – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre- nigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist in (Terrorismusbekämpfungsgesetz) zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfrak- – Drucksachen 14/7727, 14/7754 – tionen gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP ange- nommen worden. Die PDS hat sich enthalten. (Erste Beratung 207. Sitzung) aa) Beschlussempfehlung und Bericht des Innen- Wir kommen zur ausschusses (4. Ausschuss) dritten Beratung – Drucksache 14/7830 – und Schlussabstimmung. Ich bitte Sie, sich zu erheben, Berichterstattung: wenn Sie dem Gesetzentwurf zustimmen wollen. – Wer Abgeordnete Dieter Wiefelspütz stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf Günter Graf (Friesoythe) ist mit dem eben festgestellten Stimmenverhältnis ange- Erwin Marschewski (Recklinghausen) nommen worden. Cem Özdemir Über den Entschließungsantrag, von dem ich vorhin Dr. Max Stadler gesagt habe, er hätte sich erledigt, müssen wir doch ab- 20748 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Dezember 2001

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer (A) bb) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Aus- Dies ist Ausdruck einer verantwortungsvollen Politik. (C) schuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung Gleich zu Anfang will ich sagen: Dies ist ein Gesetz, – Drucksache 14/7856 – das in jedem Detail uneingeschränkt rechtsstaatlich ist Berichterstattung: und die Sicherheit in Deutschland in zentralen Bereichen Abgeordnete Jürgen Koppelin fördert. Deswegen ist es ein Gesetz, das von Kompetenz, Gunter Weißgerber Gestaltungskraft und Verantwortung zeugt. Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein (Wolfgang Zeitlmann [CDU/CSU]: Halleluja!) Oswald Metzger Dr. Der Bundesinnenminister hat dieses Gesetz ange- stoßen und die Verhandlungen von den ersten Entwürfen b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- an geführt und begleitet. Wir haben einen außerordentlich richts des Innenausschusses (4. Ausschuss) zu dem intensiven Beratungsprozess hinter uns gebracht, der Antrag der Abgeordneten Wolfgang Bosbach, viele von uns sehr stark belastet hat. Ich will dem Bun- Volker Rühe, , weiterer Ab- desinnenminister, aber auch seinen Mitarbeitern und den geordneter und der Fraktion der CDU/CSU Koalitionsabgeordneten von Rot-Grün für diesen inten- Sicherheit 21 – Was zur Bekämpfung des inter- siven Einsatz danken. Dieses Gesetz kann sich nicht nur nationalen Terrorismus jetzt zu tun ist sehen lassen, sondern es ist Ausdruck einer außerordent- lich beachtlichen Leistung. – Drucksachen 14/7065 (neu), 14/7830 – Berichterstattung: Abgeordnete Dieter Selbstverständlich hat es öffentliche Diskussionen ge- Wiefelspütz geben; das kann auch gar nicht anders sein. Wir haben Günter Graf (Friesoythe) Wert darauf gelegt, eine große Anhörung durchzuführen; Erwin Marschewski (Recklinghausen) diese war außerordentlich aufschlussreich. Es gab unter- Cem Özdemir schiedliche öffentliche Kritik. Allerdings möchte ich be- Dr. Max Stadler merken: Ich würde mir schon wünschen, dass sich man- Ulla Jelpke che Kritiker entscheiden. Die einen sagen, dass das alles nichts bringe, und für die anderen geht es um den Aus- ZP 24 Beratung des Antrags der Abgeordneten Petra Pau, verkauf von Rechtsstaatlichkeit. Man sollte sich in der Ulla Jelpke, Sabine Jünger, weiterer Abgeordneter Argumentation entscheiden, was wirklich Sache ist. und der Fraktion der PDS Herr Kollege Stadler, wer wie die FDP das Verfahren Bürgerrechte schützen – öffentliche Sicherheit kritisiert, der sollte die Änderungsanträge kennen. Ihr (B) verbessern Entschließungsantrag ist – wenn man so will – eigentlich (D) – Drucksache 14/7792 – überholt. Überweisungsvorschlag: (Dr. Max Stadler [FDP]: Der vom Mittwoch ja, Innenausschuss (f) Rechtsausschuss wir haben aber einen neuen vorgelegt!) Zum Entwurf des Terrorismusbekämpfungsgesetzes – Dann haben Sie möglicherweise einen Schnellschuss liegen ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU abgegeben. – Es wird darauf zu achten sein, wie be- sowie ein Entschließungsantrag der Fraktion der FDP vor. stimmte Teile der Landesregierungen, in denen auch die FDP vertreten ist, reagieren werden. Ich rechne mit einer Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die breiten Zustimmung für dieses Gesetz im Bundesrat, weil Aussprache eine Stunde vorgesehen. – Widerspruch höre die Bundesländer bereit sind, sich an der Herstellung von ich nicht. Dann ist so beschlossen. Sicherheit zu beteiligen. Es ist nicht allein eine An- Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst der gelegenheit des Bundes, sondern des Bundes und der Abgeordnete Dieter Wiefelspütz. Länder gemeinsam. Es ist auch eine besondere Leistung dieser Bundes- Dieter Wiefelspütz (SPD): Frau Präsidentin! Liebe regierung, dass in der Innenministerkonferenz eine Art Kolleginnen und Kollegen! Verantwortliche Politik be- der Zusammenarbeit gefunden wurde, die sicherstellt, ginnt damit, dass man Wirklichkeit zur Kenntnis nimmt, dass Bund und Länder gemeinsam in die Lage versetzt ( [SPD]: Da hat er Recht!) werden, Sicherheit zu produzieren. Deswegen haben wir auch die Vorschläge, Hinweise und Forderungen der Län- und zwar auch dann, wenn sie tragisch ist, weil es, wie am der nicht nur gewürdigt und geprüft, sondern sie in den 11. September, um Mord und Totschlag geht. Fällen, in denen sie berechtigt waren, selbstverständlich Der Bundesregierung und insbesondere dem Bun- auch aufgegriffen. desinnenminister Otto Schily ist dafür zu danken, dass Wenn beispielsweise – das ist nach dem 11. September unverzüglich nach dem 11. September das umfassendste notwendig – den Nachrichtendiensten, insbesondere dem Sicherheitsgesetz angestoßen wurde, das es in der Ge- Bundesamt für Verfassungsschutz, zusätzliche Befug- schichte der Bundesrepublik Deutschland jemals gegeben nisse eingeräumt werden, dann ist es legitim, diese Befug- hat. nisse auch den Landesämtern für Verfassungsschutz ein- (Beifall bei der SPD) zuräumen; denn sonst würde die Zusammenarbeit Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Dezember 2001 20749

Dieter Wiefelspütz (A) zwischen Bund und Ländern auf diesem Gebiet nicht den ist. Dies trägt jetzt Früchte. Wir alle wissen, dass Re- (C) funktionieren. Deswegen haben wir diese wichtige For- pression kein Allheilmittel ist. Aber, meine Damen und derung gern aufgegriffen; die Länder hatten mit diesem Herren, wir müssen darauf achten, dass die Regeln, die Petitum Recht. Dies verschärft allerdings nichts, sondern wir alle uns in diesem Land geben, eingehalten werden. ist ein Vorgang, der die Länder in die Lage versetzt, im (Wolfgang Zeitlmann [CDU/CSU]: Auch im selben Maße Sicherheit zu produzieren, wie es auch der Parlament! Auch hier!) Bund in Anspruch nimmt. Wir müssen sie selbst ernst nehmen und müssen auch von ( Vorsitz: Vizepräsidentin Petra Bläss) anderen einfordern, Herr Zeitlmann, dass die Gesetze ein- Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich räume ein, dass gehalten werden. Gerichte bestraften Herrn Kaplan man die Schnelligkeit, mit der wir auf Ereignisse rea- rechtskräftig, sein Verein aber war weiterhin legal. Das gieren, auch kritisieren kann. Den einen geht manches hat jetzt ein Ende. Dies war dringend an der Zeit und ist zu langsam, den anderen manches zu schnell. Ich hätte ein Ausweis von Handlungsstärke dieser Regierung. mir schon gewünscht, dass wir ein wenig mehr Zeit ge- Ich habe betont, dass es in Sachen Rechtsstaatlichkeit habt hätten, damit auch andere Kollegen, die an dem gegen dieses Gesetz nicht die geringsten Einwände geben Beratungsprozess nicht so intensiv beteiligt gewesen kann. Was die Effektivität angeht, will ich sagen, dass dies sind, genauer hätten begreifen können, Herr Marsche- ein Gesetz ist, das die Sicherheit in unserem Land beför- wski und Herr Stadler, wie gut dieses Gesetz ist, wie gut dern wird. Ich habe gerade davon gesprochen, dass es auch durch viele zusätzliche Gespräche geworden ist. Sicherheitspolitik damit beginnt, dass man die Wirklich- Natürlich ist ein Referentenentwurf nicht das letzte keit zur Kenntnis nimmt und dann verantwortlich und mit Wort. Die Anhörung hat viele zusätzliche Anregungen Augenmaß handelt. gegeben. Ich erlaube mir an dieser Stelle einen kleinen Hinweis, Gerade nach den Debatten im Innenausschuss ist für liebe Kolleginnen und Kollegen, die wir alle mit dieser mich völlig evident, dass es im Hinblick auf Rechts- Materie sehr vertraut sind. Es macht gelegentlich durch- staatlichkeit nicht den geringsten durchgreifenden Kri- aus Sinn, einmal zu schauen, was im Ausland unternom- tikpunkt gibt. Herr Stadler, alle Argumente, die Sie vor- men wird, und zu fragen, welche Diskussionen es gegen- getragen haben – Sie haben allerdings auch zugehört und wärtig in Großbritannien oder in den Vereinigten Staaten von Amerika gibt. sich auf Argumentationen eingelassen –, sind nach meiner festen Überzeugung widerlegt. (Wolfgang Zeitlmann [CDU/CSU]: Ja, das wäre interessant! Aber da schaut ihr ja nicht (Beifall bei Abgeordneten der SPD) hin!) (B) (D) Es gibt nie zu viel Rechtsstaatlichkeit. Aber ich bin schon Ich will Ihnen sehr deutlich sagen: Rot-Grün und der der Auffassung, dass wir da und dort doppelte und dreifa- Bundesinnenminister Otto Schily sind ein Garant für che Sicherungen eingebaut haben, wo eine einfache Si- Rechtsstaatlichkeit und für eine effektive Verbre- cherung vielleicht ausgereicht hätte. Gleichwohl räume chensbekämpfung mit Augenmaß. ich ein, dass es gar nicht genug Rechtsstaatlichkeit geben kann, weshalb eine Doppel- und Dreifachsicherung auch (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Volker gar nicht schlecht ist. Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]) Rechtsstaatlichkeit ist keine Schwäche, sondern eine Stärke. Ich denke, dass Sie alle wissen, was ich damit mit Blick auf die – das sage ich ohne jegliche Ironie – geschätzten (Beifall bei der SPD) Bündnispartner Großbritannien und die Vereinigten Staa- ten von Amerika meine. Verbrechensbekämpfung kann es nur im und mit dem Rechtsstaat geben. Deswegen war es wichtig, dass wir in- Ich wiederhole es: Eine offene Gesellschaft ist keine tensiv darum gerungen haben und aus guten Gesetzen im schwache Gesellschaft. Rechtsstaatlichkeit ist nicht Laufe der Diskussion noch bessere gemacht haben. Dafür Schwäche, sondern Stärke. Wenn wir Verbrechens- ist ein intensiver Beratungsprozess erforderlich. bekämpfung mit Augenmaß durchführen, wenn wir uns dabei unserer eigenen Werte bewusst sind und sie nicht in- Wie wichtig dieser Koalition und dieser Bundesregie- frage stellen – auch dann, wenn es gegen brutale Verbre- rung innere Sicherheit ist, meine Damen und Herren, mer- cher geht –, dann sind wir stark und nicht schwach. ken Sie an der Entscheidung des Bundesinnenministers in Sachen Kaplan-Verein. Für die SPD-Bundestagsfraktion Ich denke, dieses Gesetz verdient Zustimmung. Ich er- erkläre ich: Das Verbot war ein notwendiger Schritt, der kenne an, dass sich die Union trotz aller Probleme mit deutlich macht, dass wir hier nicht nur Gesetze verab- dem Verfahren und mit der Eile, mit der wir reagiert ha- schieden, sondern den Gesetzen dann auch Taten folgen ben, zum Schluss doch noch dazu durchgerungen hat, die- lassen. sem Gesetz zuzustimmen. Die FDP wird dies in den Län- dern tun, Herr Stadler, hier vielleicht nicht. Dieses Gesetz (Beifall bei der SPD) hat eine breite Zustimmung verdient. Dazu war es eben notwendig, das Vereinsgesetz zu än- Selbst wenn man sorgfältig und gewissenhaft arbeitet, dern, wenngleich der Anstoß dazu schon weit vor dem gibt es allerdings die eine oder andere redaktionelle Ver- 11. September vom Bundesinnenminister gegeben wor- besserung. Frau Präsidentin, ich will zum Ende meiner 20750 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Dezember 2001

Dieter Wiefelspütz (A) Rede kurz zu Protokoll geben, dass Art. 1 Nr. 3 Buch- Geldwäsche und ein Ausländerzentralregistergesetz, das (C) stabe c ganz korrekt heißen muss: „Nach Absatz 3 wird insbesondere hilft, das Schlepperunwesen zu bekämpfen. folgender Absatz 4 angefügt.“ Das ist aber nur eine re- daktionelle Sache, die ich hier erwähnen wollte. Ich will nicht nachkarten, aber Sie haben dies vor ein paar Wochen nicht akzeptiert und haben Nein gesagt. Des- Ich bedanke mich, liebe Kolleginnen und Kollegen, für wegen fordere ich erneut, Herr Bundesinnenminister: Wir Ihre Bereitschaft zuzuhören. Dieses Gesetz ist ein wichti- müssen vor allen Dingen die Dienste stärken. Das ist ganz ger Beitrag für mehr Sicherheit in Deutschland unter Be- wichtig. Wir brauchen – das sage ich zum wiederholten achtung der Rechtsstaatlichkeit. Male – eine funktionsfähige strategische Fernmeldekon- Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. trolle und endlich – Frau Kollegin Bonitz setzt sich be- sonders dafür ein – ein funktionierendes System Inpol- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten neu. Nur so werden wir in Deutschland mehr Sicherheit des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) gewährleisten. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Bläss: Für die CDU/CSU- Fraktion spricht jetzt der Kollege Erwin Marschewski. Es nützen mehr Gesetze nichts, sagt mein Kollege Max Stadtler immer, und da hat er völlig Recht, wenn Men- (Dr. Michael Bürsch [SPD]: Jetzt hören wir schen und Mittel fehlen, Herr Bundesinnenminister. Das den ganz neuen Erwin!) weiß niemand besser als ein Mitglied der Parlamentari- schen Kontrollkommission. Erwin Marschewski (Recklinghausen) (CDU/CSU): (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Her- GRÜNEN]: Die gibt es gar nicht mehr, Herr ren! Es ist mehr als selbstverständlich und auch ver- Marschewski! Parlamentarisches Kontrollgre- pflichtend für uns, dass die Union im Kampf gegen die mium!) terroristische Bedrohung der freien Welt und unseres Landes Gemeinsamkeit will. Der fundamentalistische, – Ich würde mich freuen, Herr Kollege Ströbele, wenn Sie jedes religiöse Bekenntnis missbrauchende Terrorismus diese Lehre annehmen würden. Sie müssten das eigentlich erfordert gemeinsames Handeln aller Demokraten in die- wissen. Aber Sie sind auf dem besten Wege, wenn Sie sem Hause. meine Rede in Ruhe anhören. Gestern konnten wir die Bilder von Bin Laden sehen, Die Lage der Dienste ist nicht gut. von den selbstzufriedenen und selbstgerechten Massen- (Ludwig Stiegler [SPD]: Das ist falsch! Wirk- (B) mördern, die sich im Mord sonnten, die lachten und die lich falsch!) (D) sich bewundern ließen. Dies ist erschütternd. Deswegen müssen wir handeln. Herr Bundesinnenminister, wir un- Im Gegenteil: Sie ist miserabel, und das, obwohl im Ver- terstützen Ihre Vorschläge; denn sie stärken die Dienste fassungsschutzbericht steht, es gebe in Deutschland und die Polizei, sie sichern die Freiheit und sie helfen, die 85 000 Links- und Rechtsextremisten, 60 000 Mitglieder Terroristen zu erkennen und ihrer habhaft zu werden. in extremistischen ausländischen Organisationen und 31 000 Mitglieder in islamistischen Gruppen. Deswegen Ihre Vorschläge, Herr Bundesinnenminister, geben war der Personalabbau bei den Diensten ein schwerer po- mehr Einsatzmöglichkeiten gegen den Terror und sind im litischer Fehler. Wer den Verfassungsschutz schwächt, Großen und Ganzen akzeptabel. Sie werden trotz oft an- der verzichtet auf wirksame Mittel im Kampf gegen Ter- ders lautender Presseäußerungen den Rechtsstaat nicht roristen und Extremisten. beeinträchtigen. Dieses Gesetz verrät nicht, wie Irregelei- tete schreiben, totalitären Geist. Ich möchte, dass sich Deswegen halte ich es für gut, dass die Verbotsgründe diese Leute einmal das Video von gestern ansehen. Dann im Vereinsgesetz erweitert werden. Extremistische Orga- würden sie zum gleichen Ergebnis kommen. nisationen, die Spenden für terroristische Aktivitäten sammeln, die Kämpfer rekrutieren, die Anschläge andro- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- hen oder befürworten, müssen verboten werden, wie im neten der SPD) Fall des Kalifatsstaats völlig zu Recht, Herr Bundesin- Hier will niemand Bürgerrechte einschränken. Unser nenminister. Ich begrüße diese Beschlussfassung in Ihrem Staat muss nur das sein, was die Union stets gefordert hat: Hause und Ihren Einsatz gegen diese terroristische wehrhaft, ein wehrhafter Staat, der eines weiß: Wer Frei- Gruppe ausdrücklich. heit gegen Sicherheit ausspielt, wird beides verlieren. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem Deswegen, Herr Bundesinnenminister, haben wir BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) schon vor ein paar Monaten gefordert, die Regelanfrage Denn das Handeln dieser Gruppen steht in unauflösli- beim Verfassungsschutz bei Einbürgerungen einzu- chem Widerspruch zum Prinzip der Volkssouveränität, führen, weil wir in Bayern gesehen haben, dass viele zum Gleichheitsgrundsatz, zur freiheitlich-demokrati- Leute wegen sicherheitsrelevanter Bedenken die deutsche schen Grundordnung schlechthin. Staatsbürgerschaft nicht bekommen konnten. Deswegen haben wir als Union den Fingerabdruck in Ausweis- Es darf für Terroristen keinen Platz in Deutschland ge- papieren zur Identitätsermittlung gefordert. Deswegen ben. Wer sich extremistisch betätigt, muss ausgewiesen wollten wir eine Verschärfung der Vorschriften bei der werden. Wer eine Gefahr für die innere Sicherheit in Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Dezember 2001 20751

Erwin Marschewski (Recklinghausen) (A) Deutschland darstellt, wer schwere Straftaten begeht, darf Deswegen meine dringende Empfehlung, Herr Bun- (C) durch das deutsche Asylrecht nicht geschützt sein. desinnenminister – auch der Kollege Wiefelspütz hat das angedeutet –: Führen Sie bitte Verhandlungen mit den In- Dies sage ich in vollem Einklang mit der UN-Resolu- nenministern anderer Länder, etwa mit dem Labour-In- tion 1373 – ich zitiere –: nenminister von Großbritannien, Mr. Blunkett, mit dem Demjenigen, der terroristische Handlungen plant, Ziel, zum Beispiel im Zusammenhang mit der Schaffung begeht oder unterstützt, muss sicherer Zufluchtsort eines internationalen Strafgerichtshofs zu verhindern, verweigert werden. dass diese Menschen weiter Verbrechen begehen. Was in Großbritannien rechtswidrig ist, kann in Deutschland Dies gilt es umzusetzen, meine Damen und Herren, Herr nicht legal sein. Wir müssen dieses Problem international Bundesinnenminister, weil wir die freiheitlichste Gesell- angehen. schaftsordnung, die wir in Deutschland je hatten, erhalten und stärken wollen. (Beifall bei der CDU/CSU) In diesem Punkt stimme ich interessanterweise mit Denn – da sind wir sicherlich einer Meinung – wir müs- dem Herrn Bundesaußenminister völlig überein, zumin- sen uns vor Terroristen schützen können, wenn sie unser dest, was seine Worte anbelangt. Ich zitiere die „Rheini- Leben, unsere Freiheit bedrohen. Dem Terroristen – so sche Post“ vom 26. November, die die Worte von Herrn steht es in der UNO-Resolution – muss jeglicher Zu- Joseph Fischer aufgreift: fluchtsort verweigert werden. Mehr habe ich nicht gefor- dert. Die Forderungen des Bundesinnenministers (Beifall bei der CDU/CSU) – so sagt er – Die Bundesregierung hat den Gesetzentwurf am seien maßvoll und zurückhaltend – gegenüber den 11. Oktober eingebracht. Am 15. November haben wir im UN-Formulierungen. Und doch sei ein beträchtli- Innenausschuss die Anhörung beschlossen, am 30. No- cher Teil der Koalition dagegen. vember haben wir sie durchgeführt. Am 12. Dezember ha- Fischer wird weiter zitiert: ben wir diesen Gesetzentwurf im Innenausschuss ab- schließend in nur einer Sitzung – wenn auch stundenlang – Ich hätte größte Lust, die Resolution 1373 hier zur beraten, mit über 20 Änderungsanträgen der Koalition, Abstimmung zu stellen. die uns unmittelbar vor Beginn der Beratung zugegangen Ferner heißt es, eines dürfe es nicht mehr geben: Man waren. dürfe sich nicht mehr hindurchwurschteln bis zur nächs- Dieses Verfahren ist bei aller Eile – man mag manches ten gequälten Ausnahmeentscheidung – wie bei Ihren Ko- (B) verstehen – nicht seriös. Die Beratungszeit für ein Gesetz (D) alitionsverhandlungen, so füge ich hinzu. Meine Damen mit circa 100 Gesetzesänderungen war zu kurz und die und Herren, tun Sie doch das, was der Bundesaußenminis- Behandlung von Parlamentariern unzumutbar. ter hier von Ihnen verlangt! Verhindern Sie insbesondere zunächst einmal die Einreise von Terroristen! Ich habe mir gestern in Vorbereitung dieser Rede auf- geschrieben, das dürfe sich nicht mehr wiederholen. Aber Was das angeht, bin ich ein bisschen traurig, Herr Bun- heute im Innenausschuss war es das Gleiche: wieder diese desinnenminister. Sie haben ursprünglich den Vorschlag Hektik, wieder diese Eile. Wir haben deshalb den Antrag gemacht, die Einreise zu verweigern, wenn Terrorismus- auf Feststellung der Beschlussfähigkeit gestellt. Sie wa- verdacht besteht. Damit hatten Sie völlig Recht; denn die ren nicht beschlussfähig. Wir haben diesen Antrag vor jetzige Regelung ist zu eng, um uns wirksam gegen die zwei Tagen nicht gestellt, obwohl Sie auch am Mitt- Einreise von Terroristen mittels Visum zu schützen. wochabend nicht beschlussfähig gewesen wären. Ich frage weiter: Was wird aus der zugesagten Kron- (Jörg Tauss [SPD]: Doch!) zeugenregelung? Was wird daraus, Europol – denn wir müssen ja gemeinsam handeln – zu einer bundeskrimi- Wir haben das deswegen nicht getan und die Beratungen nalamtsähnlichen Einrichtung zu machen? deswegen ernsthaft mit viel Einsatzbereitschaft, Anstren- gung, Disziplin und auch Verantwortungsbereitschaft zu (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Ende geführt, weil wir wie der Bundesinnenminister mei- NEN]: Die Graffitisprayer nicht vergessen!) nen, dass die jetzige Auseinandersetzung nicht auf Tage Was die Abschiebung anbelangt: Kein Terrorist wird oder Wochen angelegt ist; sie wird vielmehr über eine sehr nach Ihrem Gesetz leichter als bisher abgeschoben wer- lange Zeit gehen. Für die Union als Partei der Freiheit, als den können, weil unser Ausländerrecht, weil die Europä- Partei der Sicherheit und, Herr Bundesinnenminister, als ische Menschenrechtskonvention die Abschiebung auch Partei von „law and order“ ist Verantwortungsbereitschaft von Terroristen verhindert, wenn ihnen im Ausland mög- selbstverständlich. licherweise erniedrigende Behandlung droht. So werden (Beifall bei der CDU/CSU – Jörg Tauss [SPD]: die Terroristen nach Verbüßung der Freiheitsstrafe entwe- Wo ist denn der Herr Pfahls? Ist er immer noch der rund um die Uhr von 25 Polizeibeamten bewacht wer- auf der Flucht?) den oder in der Freiheit ihr schändliches Tun fortsetzen können. Dies wird kein Bürger verstehen. Die Bürger – Frau Präsidentin, können Sie diesen Schreihals nicht ab- werden sich anderen zuwenden, die einfachere Lösungen stellen? Ansonsten ist er ein liebenswerter Kollege; aber anzubieten haben. es ist hier doch ein bisschen laut. 20752 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Dezember 2001

Erwin Marschewski (Recklinghausen) (A) Ich hätte mir gewünscht, die SPD hätte alle Anträge der Rechtsstaatlichkeit, Freiheit und Bürgerrechte. Das (C) Union akzeptiert. Aber wir wissen aus der Erfahrung mit Terrorbekämpfungsgesetz ist ein austariertes, verhältnis- der Ablehnung von Anträgen: Sie werden unsere Anträge mäßiges Bündel von Maßnahmen, mit denen wir die ohnehin ein paar Monate später beschließen. Das haben erforderliche Balance wahren. wir heute mitgemacht. Das kennen wir. Gerade deswegen sagen wir Ja zu Ihrem Antiterrorgesetzentwurf. Drei Fragen haben die Anschläge von New York und Washington für die Sicherheitspolitik aufgeworfen: Wel- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) che Maßnahmen hätten die Anschläge am 11. September Denn wir müssen der Bedrohung unseres Landes und der 2001 verhindern können? Welche Maßnahmen können der freien Welt gemeinsam widerstehen. wir ergreifen, um eine Wiederholung unwahrscheinlich zu machen? Welche Maßnahmen brauchen wir, um die Herzlichen Dank. von den Terroristen angekündigten weiteren Anschläge (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- und Sabotageaktionen unwirksam oder unmöglich zu ma- neten der SPD) chen? Dieses Gesetz findet auf all diese Frage angemes- sene Antworten, ohne dass jemand garantieren kann, dass mit diesem Gesetz die Gefahren völlig ausgeräumt seien. Vizepräsidentin Petra Bläss: Wann wir den Kolle- Aber das kann ein Rechtsstaat nie versprechen. gen Tauss abstellen, bestimme immer noch ich. Ich habe ihn schon kräftiger gehört. Dies sollte Sie, Herr Tauss, je- Auch wenn uns der 11. September eine neue Form der doch nicht zu weiteren Zwischenrufen ermuntern. Bedrohung vor Augen geführt hat, die besondere Maß- nahmen erfordert, schlagen wir mit diesem Gesetz nicht (Dr. Michael Bürsch [SPD]: Der Kollege über die Stränge. Wir bewahren unsere rechtsstaatlichen Tauss schwächelt am Freitag!) Grundsätze und werfen sie nicht leichtfertig über Bord. Nächster Redner ist der Kollege Volker Beck für die Das ist eine wohltuende, klare rechtsstaatliche Linie in Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. dieser Gesetzgebung. Da unterscheiden wir uns – Kollege Wiefelspütz hat es angesprochen – vom Kurs mancher Si- cherheitsgesetze in den Vereinigten Staaten oder in Groß- Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): britannien, wo man Sondergerichte schafft oder die Euro- Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Während päische Menschenrechtskonvention, wie dies auch Herr wir heute über das Sicherheitspaket II beraten, zeigt das Marschewski will, kündigen möchte, um auch ohne Sicherheitspaket I bereits erste Wirkungen. Diese Woche Gerichtsurteil Personen festnehmen und gefangen halten hat der Bundesinnenminister die Organisation „Kali- zu können. Ich meine, wir sollten die gemeinsame Grund- fatsstaat“ völlig zu Recht verbieten lassen. (B) lage von Rechtsstaatlichkeit hier in Europa auch ange- (D) ( [Heilbronn] [CDU/CSU]: Das sichts des Terrors nicht verlassen. Wir dürfen es nicht zu- hören wir jetzt zum dritten Mal!) lassen, dass aufgrund der Terroranschläge wir selbst zum Diese Möglichkeit haben wir als Koalition überhaupt erst Instrument der Abschaffung von Rechtsstaatlichkeit und geschaffen. Es ist dringend notwendig, eine Organisation, Freiheit in unseren Gesellschaften werden. aus der heraus zu Mord aufgerufen wird und die Morde (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN verübt, zu verbieten. und bei der SPD) An der Beseitigung des Religionsprivilegs im Ver- Der 11. September hat eine Dimension des internatio- einsgesetz gab es sehr fundamentale Kritik. Die PDS hat nalen Terrorismus offenbart, die besondere Maßnahmen sich massiv dagegen ausgesprochen. Ich habe diese Wo- notwendig macht, Maßnahmen, zu denen man unter nor- che erstaunlich wenig Kritik an dieser vernünftigen Maß- malen Umständen nicht die Hand reichen würde. Das be- nahme gehört. Ich hoffe, dass das vielleicht zu einem deutet aber noch lange nicht Zustimmung zu jedweder Überdenken der vergangenen Redebeiträge zu diesem Kompetenzerweiterung für Polizei und Geheimdienste. Thema führt. Das bedeutet auch nicht ein Ja zu ausufernden Auswei- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sungsmöglichkeiten für „irgendwie“ des Terrorismus sowie bei Abgeordneten der SPD) „möglicherweise“ verdächtige Ausländer. In einem Rechtsstaat gilt: Der Verdacht ist Anlass für weitere Er- Die Religionsfreiheit schützt vieles. Sie ist auch so et- mittlungen. Nur wenn man Belege hat, die die Aussage was wie eine Narrenfreiheit in religiösen Dingen. Aber da, rechtfertigen „Das ist ein Terrorist“, können die entspre- wo Menschen unter dem Mantel der Religionsfreiheit chenden Sanktionen strafrechtlich wie ausländerrechtlich Verbrechen planen und die Freiheitlichkeit unserer folgen – und nicht aufgrund einer womöglich falschen Gesellschaft bedrohen, ist eine Grenze überschritten. Dies Verdächtigung. ist auch keine Frage von Gesinnungsschnüffelei oder To- leranz. Diese Form der Auseinandersetzung dürfen wir (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht tolerieren. und bei der SPD) Mit dem Sicherheitspakt II, mit dem Terrorismus- Meine Damen und Herren, hätten wir hier manche An- bekämpfungsgesetz, ist der Koalition ein enormer Kraft- träge der Unionsfraktion oder des Bundesrates uneinge- akt gelungen. Wir garantieren den Bürgerinnen und Bür- schränkt übernommen, wie Sie sich das gewünscht haben, gern ein Maximum an Sicherheit. Zugleich wahren wir Herr Kollege Marschewski, dann hätten wir in diesem Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Dezember 2001 20753

Volker Beck (Köln) (A) Land tatsächlich ohne Not eine Einschränkung von Frei- Gefahren für Leib, Leben und Freiheit drohen, der ent- (C) heitsrechten in Kauf nehmen müssen. sprechende Schutz gewährt werden kann. Dass auch die vier von der FDP mitregierten Länder im Wir haben keine uferlose Datenweitergabe durch den Bundesrat eine Verdachtsausweisung von Ausländern, Verfassungsschutz vorgenommen; aber wir haben bei den sicherheits- und verteidigungspolitisch wichtigen Ein- (Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE richtungen entsprechend dem Sicherheitsüberprüfungs- GRÜNEN]: Hört! Hört!) gesetz eine Übermittlung von und eine Warnung vor Si- eine Ausweitung der Befugnisse der Geheimdienste ohne cherheitsrisiken auch an private Stellen ermöglicht. jede parlamentarische Kontrolle, ohne entsprechende Wir haben keine unkontrollierbaren Befugnisse für die Rechte für Betroffene wollen, das halte ich für einen sehr Geheimdienste. Wir haben den Katalog von Auskunfts- bedauerlichen Vorgang. Verehrte Kolleginnen und Kolle- rechten des Verfassungsschutzes und der anderen Dienste gen von der FDP, Ihre Landesminister sägen im Bundes- erweitert. Gleichzeitig haben wir jedoch hinreichende rat gemeinsam mit dem Kollegen Beckstein an den Fun- parlamentarische Kontrollen und Mitteilungspflichten an damenten des Rechtsstaates, während Sie hier zusammen die Betroffenen vorgesehen und deutliche rechtsstaatliche mit dem Kollegen Möllemann „einen auf Bürgerrechte Grenzen gesetzt. machen“. Glaubwürdig ist diese Veranstaltung nicht. Ich glaube, Sie haben innenpolitisch den Kompass verloren. Wir haben im Passgesetz und im Gesetz über Perso- nalausweise kein zusätzliches biometrisches Merkmal (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN verankert, sondern uns für ein späteres Gesetzgebungs- und bei der SPD – Dieter Wiefelspütz [SPD]: verfahren vorbehalten, darüber ausführlich und besonnen Herr Stadler, es ist ja entsetzlich! Wir werden zu beraten. Aber schon heute haben wir vereinbart: Eine noch ein paar Fragen stellen müssen!) bundesweite Referenzdatei für diese biometrischen Merk- Ich will gar keinen Hehl daraus machen: Wir haben male – eine der größten Sorgen der Datenschützer bei die- selbstverständlich nicht nur die Bedenken und Anregun- sem Thema – gen der Sachverständigen und Bürgerrechtler aus der An- (Wolfgang Zeitlmann [CDU/CSU]: Wahnsinn! hörung im Innenausschuss beherzigt, sondern sind auch Riesige Sorgen!) vernünftigen Länderwünschen nachgekommen. Aber wenn wir einen Strich unter das ziehen, was wir vorgelegt wird es nicht geben. Wir haben im Gesetzentwurf explizit haben, kann ich sagen: Der Gesetzentwurf – das ist auch vorgesehen, dass dies verboten ist. die Meinung der SPD-Fraktion – ist nach der Anhörung Ich sage, durchaus stolz auf die rot-grüne Koalition noch um ein entscheidendes Stück besser geworden. (B) und auf die Arbeit meiner Fraktion bei diesen Verhand- (D) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN lungen und den Beratungen im Ausschuss: Wir haben eine und bei der SPD) Reihe von problematischen Verschärfungen, die aus Ihrer Ecke kamen, verhindert. Bei der Herstellung von Sicher- Beispiel: Landesämter für Verfassungsschutz. Hier heit haben wir als Koalition einen klaren rechtsstaatlichen haben wir den Länderwünschen entsprochen und die Auf- Kurs gewahrt. gabenerweiterung vorgenommen, aber nur unter den glei- chen Kontrollmechanismen, die wir dem Bundesamt zu- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN muten, und nur mit den entsprechenden Rechten der und bei der SPD) Betroffenen. Ich finde, das ist auch legitim so. Das Bun- Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, Sie ha- desamt und die Landesämter können auf gleicher Augen- ben im Innenausschuss ja einen ausführlichen, vierseiti- höhe verhandeln und tätig werden. Das ist angemessen. gen Antrag vorgelegt. Jede Sicherheitsmaßnahme muss auch rechtsstaatlich aus- tariert werden. (Dr. Max Stadler [FDP]: Der war sehr gut!) Rechtsänderungen, die ein Horrorszenario für jeden – Ja, er enthielt viele richtige und vernünftige Punkte. Ihr Bürgerrechtler bedeutet hätten, sind in diesem Gesetz Antrag, den Sie heute vorlegen, ist auf eine halbe Seite zu- nicht Wahrheit geworden. Zum Beispiel gibt es die Vorer- sammengeschrumpft. All Ihre Wünsche wurden von der mittlungskompetenz des BKA, die in der Diskussion war, Koalition erledigt, ohne dass wir Ihren Antrag überhaupt nicht. Wir haben nur einige bürokratische Hürden abge- kannten. Bei der Wahrung von Rechtsstaatlichkeit und baut. Diese neuen Regelungen haben wir auch noch be- Bürgerrechten machen Sie uns nichts vor. Da kann man fristet, um sie nach fünf Jahren vernünftigerweise zu eva- sagen: Rot-Grün weiß, was Liberale wünschen. luieren. Die Verdachtsausweisung von Ausländern ist nicht ge- Vizepräsidentin Petra Bläss: Herr Kollege Beck, kommen, sondern wir stellen darauf ab, dass Tatsachen gestatten Sie eine Frage der Kollegin Bonitz? – Das ist der belegen müssen, dass ein Ausländer einer Vereinigung an- Fall. Bitte. gehört, die den Terrorismus unterstützt. Es gibt keinen großen Lausch- und Spähangriff für den Verfassungs- Sylvia Bonitz (CDU/CSU): Herr Kollege, Sie als Mit- schutz; aber wir haben unabweisbaren Eigenschutz für die glied der Koalition beteiligen sich daran, dass dieses Ge- Beauftragten und Mitarbeiter der Ämter vorgesehen, da- setzespaket jetzt im Eiltempo durch den Bundestag gejagt mit, wenn ihnen in der Aufgabenerfüllung ihres Dienstes wird. Warum sperren Sie sich eigentlich dagegen, dass der 20754 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Dezember 2001

Sylvia Bonitz (A) Fingerabdruck in den Pass aufgenommen und dies in das tition in Ruhe und Besonnenheit erwogen und über diese (C) Paket mit eingeführt wird? Frage erst dann entschieden wird, wenn man sich schlau gemacht hat über die technischen und datenschutzrechtli- (Dieter Wiefelspütz [SPD]: Das ist eine gute Frage, Herr Beck!) chen Implikationen. (Walter Hirche [FDP]: Können Sie nicht etwas Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): ausführlicher antworten und das dann wieder- Das ist eine gute Frage – auch deshalb, weil ich dadurch holen?) die Chance bekomme, ausführlich auf dieses Thema ein- Welchen Weg wir gehen werden, das werden wir in der zugehen. Koalition, mit Ihnen und, wie ich hoffe, den europäischen Ich bin durchaus offen, was die Frage der Speicherung Partnern diskutieren. Eine solche Diskussion, will man sie eines biometrischen Merkmals in Pass- und Personalaus- vernünftig führen, hätten wir bis heute nicht abschließen weispapieren zur Verbesserung der Identitätssicherung können. zwischen Passinhaber und Pass angeht. Bislang aber be- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – stehen eigentlich keine großen Sorgen bei den Polizei- Abg. Sylvia Bonitz [CDU/CSU] meldet sich zu behörden – das haben Sie bei der Anhörung vom Chef des einer weiteren Zwischenfrage) Bayerischen Landeskriminalamtes gehört –, dass es zu umfänglichen Fälschungen bei Pass- und Personalaus- weisdokumenten kommt. Hier müssen wir noch einmal Vizepräsidentin Petra Bläss: Die Antwort war genau nachschauen und das Gespräch mit den Sicher- äußerst ausführlich. Frau Kollegin Bonitz, ich würde Sie heitsfachleuten suchen. bitten – auch angesichts der fortgeschrittenen Zeit –, auf Ihre zweite Frage zu verzichten. Sollten wir aber ein zusätzliches biometrisches Merk- mal einführen, dann bin ich dafür, dass wir dasjenige (Sylvia Bonitz [CDU/CSU]: Wenn der Redner Merkmal nehmen, das zum einen die höchstmögliche Si- Sie zulässt?) cherheit bei der Identitätsfeststellung gewährleistet und – Ich denke, die Antwort war ausführlich genug. zum anderen den geringstmöglichen Eingriff in die Rechte der Bürgerinnen und Bürger bedeutet. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- Es ist die Präsidentin, die das Wort erteilt. SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Dieter Wiefelspütz [SPD]: Das ist der Fingerabdruck! (B) Genau, Herr Beck, Sie haben es begriffen!) Vizepräsidentin Petra Bläss: Ich glaube, die Stim- (D) mung im Haus ist eindeutig. In keinem Fall aber will ich, dass diese Daten über eine Referenzdatei zu anderen Zwecken als zur Identitäts- sicherung von Passinhaber und Pass verwendet werden. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (Wolfgang Zeitlmann [CDU/CSU]: Dann müss- Gut. tet ihr auch das Foto herausnehmen!) Zu einem weiteren Punkt, den man bei einem solchen Vizepräsidentin Petra Bläss: Ich danke für Ihre Verfahren bedenken muss – denn schließlich geht es auch Rücksichtnahme. darum, dass wir als Politiker nicht leichtfertig Steuergel- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ der, die uns anvertraut sind, ausgeben –: Eine solche Maß- DIE GRÜNEN) nahme der biometrischen Merkmalsspeicherung macht meines Erachtens als Investition nur dann Sinn, wenn wir sie im gesamten Schengen-Raum einheitlich tätigen. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Denn stellen wir uns vor: Die Franzosen entscheiden sich Zum Schluss: Die einzige Kritik, die von der Opposition für die Handbiometrie, die Belgier entscheiden sich für geblieben ist, war: Es geht ein bisschen zu schnell. In der die Gesichtsbiometrie und wir nehmen nach Ihrem Vor- Tat: Wir haben ein zügiges Beratungsverfahren wählen schlag den Fingerabdruck. Dann können die Pässe vom müssen, weil die Bundesländer, von denen heute leider jeweils anderen nicht gelesen werden, weil unterschiedli- kein Vertreter da ist, gewünscht haben, dass der Entwurf che Lesegeräte benötigt werden. Das wäre eine totale Fehl- am 20. Dezember in den Bundesrat kommt. Das heißt, investition. In solchen Fragen sollten wir die europaweite dass wir diese Woche fertig werden müssen. Vergnügen Abstimmung suchen. macht dies für uns als Parlamentarier nicht. Wir alle wol- len sorgfältig beraten. Ich verstehe jeden, der dabei ein Sie wissen auch: Allein die Einführung der Passdoku- bisschen grummelt. Das hätten wir in der Opposition auch mente dauert nicht nur zehn Jahre, sondern kostet auch getan. 5 Milliarden DM. Bis dahin haben Sie noch kein einziges Gerät zum Lesen der Pässe und zum Vergleichen des Pas- Hätten wir jetzt aber lange gewartet, dann hätten Sie ses mit dem Passinhaber angeschafft. Das kostet dann einfach eine andere Karte mit Kritik aus Ihrer Schachtel noch einmal 5 Milliarden DM, will man eine hinreichende gezaubert. Dann hätten Sie gesagt: Diese Koalition lässt Kontrolldichte organisieren. Insofern hat das Parlament, sich angesichts der terroristischen Bedrohung endlos Zeit, so meine ich, die Verantwortung, dass eine solche Inves- hat interne Schwierigkeiten und ist sicherheitspolitisch Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Dezember 2001 20755

Volker Beck (Köln) (A) nicht handlungsfähig, um die Sicherheit unseres Landes Die Fachabteilungen des Bundesinnenministeriums (C) ist es schlecht bestellt. haben die Zettelkisten aus den Schubladen geholt und ge- leert. Herausgekommen ist ein Gesetzentwurf, der wie Die Tatsache, dass wir ein bisschen schneller lesen und keiner zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik arbeiten müssen, als es Parlamentarier normalerweise tun, Deutschland in die Grundrechte der Bürgerinnen und ist das geringere Problem. Ich finde es gut, dass wir die- Bürger eingreift. Es ist, wie Herr Wiefelspütz zu Recht ses Gesetz über die Bühne gebracht haben. Die Tatsache, sagte, ein epochales, ein einmaliges Gesetzeswerk. Ge- dass Sie Ihren Antrag in der Sache zurückgezogen haben, rade deswegen wäre eine besonders sorgfältige parlamen- hat gezeigt, dass wir die notwendige Balance zwischen tarische Beratung notwendig gewesen. Rechtsstaatlichkeit und Sicherheit geschafft haben. Wir haben unsere Handlungsfähigkeit bewiesen. Es ist ein (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten gutes Gesetz. der CDU/CSU) Rutschen Sie alle zusammen sicher ins Jahr 2002. Das Gegenteil haben Sie gemacht. Sie reden an der Sa- che vorbei, wenn Sie meinen, wir würden die Intensität (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und das Tempo Ihrer Beratungen in der Koalition kritisie- und bei der SPD) ren. Das ist nicht der Punkt. Wir kritisieren, dass Sie mit dem von Ihnen gewählten Verfahren die Mitwirkungs- Vizepräsidentin Petra Bläss: Der nächste Redner ist möglichkeiten der Opposition praktisch übergangen ha- der Kollege Dr. Max Stadler für die FDP-Fraktion. ben. Das ist zu kritisieren. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Max Stadler (FDP): Frau Präsidentin! Meine Da- men und Herren! Ohne Zweifel haben die Ereignisse vom Ich erinnere Sie an das Hauptwerk des Rechtsphilo- 11. September uns allen die besondere Verantwortung sophen Niklas Luhmann. Es heißt „Legitimation durch auferlegt, geeignete und rechtsstaatliche Maßnahmen zur Verfahren“. Die These von Niklas Luhmann ist wie folgt Bekämpfung des Terrorismus zu ergreifen. Die FDP hat zu beschreiben: Der Inhalt einer Entscheidung ist für die sich an dieser Aufgabe von Anfang an konstruktiv betei- Akzeptanz einer Entscheidung nicht alleine maßgeblich, ligt. (Beifall bei der FDP) Wir wissen uns mit vielen Praktikern einig, dass der sondern es kommt auch darauf an, wie eine Entscheidung wirkungsvollste Beitrag zur Erhöhung der inneren Si- zustande kommt. Ich sage für die FDP-Fraktion: So wie cherheit die bessere finanzielle, personelle und technische (B) Sie die Mitwirkungsrechte der Opposition übergangen ha- (D) Ausstattung der Sicherheitsbehörden ist. ben, verliert das Gesetzeswerk durch das von Ihnen ge- (Beifall bei der FDP – Erwin Marschewski [Reck- wählte Verfahren in Umkehrung des Satzes von Luhmann linghausen] [CDU/CSU]: Wohl wahr!) seine Legitimation. Die gesetzlichen Grundlagen für eine effektive Arbeit von (Beifall bei der FDP) Polizei, Geheimdiensten und Justiz sind allerdings längst Wenn Sie am Dienstagabend Änderungsanträge im gelegt worden, insbesondere durch eine ausgiebige Ge- Umfang von 30 Seiten vorlegen, machen Sie es der Op- setzgebungstätigkeit der Koalition von FDP und CDU/ position unmöglich, sich bis zur Beratung am Mittwoch CSU in den 90er-Jahren. Vormittag um 9.15 Uhr mit externen und internen Exper- ten über das zu beraten, was Sie in letzter Sekunde vorle- (Beifall bei der FDP sowie des Abg. gen. Für dieses unangemessene Tempo gibt es nur eine Erwin Marschewski [Recklinghausen] einzige Erklärung: Sie wollten die innerhalb der Koalition [CDU/CSU]) mühsam erzielte Einigung nicht durch eine gehaltvolle Gleichwohl hat die FDP notwendige gesetzgeberische Kritik der Opposition, auf die Minister Schily mit seinem Neuerungen wie etwa das so genannte Sicherheitspaket Entwurf Anspruch gehabt hätte, gefährden. Schily I ebenfalls unterstützt. Ich sage ausdrücklich: Wir (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten respektieren, dass der Bundesinnenminister und die In- der CDU/CSU) nenpolitiker von SPD und Grünen heute einen Versuch vorlegen, in rechtsstaatlicher Weise weitere Verbesserun- Die rot-grüne Koalition möchte mit der raschen Verab- gen zur inneren Sicherheit zu beschließen. schiedung dieses Gesetzes Handlungsfähigkeit und Stärke demonstrieren. Betrachtet man das Verfahren, hat (Dieter Wiefelspütz [SPD]: Haben Sie „Ver- man den Eindruck: Es gibt in Wahrheit einen Beweis der such“ gesagt? Wir machen ein Gesetz!) inneren Schwäche und Zerrissenheit der Koalition. Es bleibt dabei, dass der erste Entwurf, der von den Frak- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten tionen von SPD und Grünen eingebracht worden ist und der CDU/CSU – Dieter Wiefelspütz [SPD]: Das der sehr wohl auch die Unterschrift von Rezzo Schlauch möchte ich ein bisschen erklärt haben! – und Kerstin Müller trägt, viel zu weit in Richtung „Big Ludwig Stiegler [SPD]: Das ist der Neid!) Brother“ geht. Zu Recht hat Herr Beck erwähnt, dass ein Teil der Kri- (Beifall bei der FDP) tikpunkte, die wir von der FDP formuliert hatten, in die 20756 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Dezember 2001

Dr. Max Stadler (A) Beratungen der Koalition eingeflossen ist. Ich möchte Ich komme zum Schluss: Es bleiben – trotz vieler Ver- (C) jetzt nicht mit kleiner Münze heimzahlen, wenn Herr besserungen – inhaltliche Kritikpunkte. Das Verfahren Beck sagt, die Kritikpunkte der FDP seien ihm unbekannt war unzumutbar. Es liegt auf der Hand, dass wir nicht zu- gewesen. Ich war bei Ihren Verhandlungen nicht dabei, stimmen können. habe allerdings gehört, unsere Kritikpunkte hätten sehr (Dieter Wiefelspütz [SPD]: Aber die FDP in wohl eine Rolle gespielt. den Ländern stimmt zu!) (Dieter Wiefelspütz [SPD]: Was? Ein Herr Beck, Sie haben mich insoweit gereizt, dass ich Lauschangriff? Woher wissen Sie das? Das ist angesichts dessen, was die Grünen früher vertreten ha- ja unglaublich!) ben, das berühmte Bonmot von Honoré de Balzac zitiere: Entscheidend ist aber, was Sie jetzt vorlegen. Für uns Erinnerung macht das Leben schön, aber nur das bleiben inhaltliche Punkte zu kritisieren, die ich wegen Vergessen macht es erträglich. der Kürze der Zeit nur stichwortartig nennen kann: (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Erstens. Die Geheimdienste erhalten Zugriff auf der CDU/CSU und der PDS – Jörg Tauss [SPD]: Kundendaten von Banken, Telekommunikationsunter- Ich lese Ihnen mal vor, was der Herr Flach so nehmen, Post- und Luftfahrtunternehmen, und zwar ohne dass dieser Zugriff auf Verdächtige begrenzt wäre. Das ist gesagt hat!) ein wichtiger Kritikpunkt. Vizepräsidentin Petra Bläss: Für die PDS-Fraktion Zweitens. Wir hätten uns bei diesen Eingriffen eine vorrangige richterliche Kontrolle gewünscht. spricht die Kollegin Petra Pau. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Petra Pau (PDS): Frau Präsidentin! Liebe Kollegin- der CDU/CSU) nen und Kollegen! Seit den Terroranschlägen vom Drittens. Bei der Benachrichtigung Betroffener stellt 11. September sind drei Monate vergangen, eine Zeit, die sich dasselbe Problem wie beim G-10-Gesetz. In man- neues Nachdenken über die öffentliche Sicherheit hierzu- chen Fällen – ich gebe zu, es handelt sich um Ausnah- lande und auch in unserer Fraktion auslöste. Wir haben men – wird ein von einer geheimdienstlichen Überwa- dies sehr intensiv getan. Wir kennen die Sorgen, die Ängs- chungsmaßnahme Betroffener überhaupt nicht informiert. te und die Verunsicherung, die es in der Bevölkerung gibt. Damit entfällt natürlich auch die Möglichkeit, nachträg- Wir teilen sie im Wortsinne. Unstrittig ist auch: Es gibt bei lich Rechtsschutz durch ein unabhängiges Gericht zu er- der Gefahrenvorbeugung, bei der Gefahrenabwehr und im langen. Diese Tatsache kritisieren wir ausdrücklich. Katastrophenschutz – um nur drei Felder zu nennen – viel (B) (D) (Beifall bei der FDP) zu tun. So weit, glaube ich, herrscht in diesem Hause über alle Fraktionsgrenzen hinweg Konsens. Viertens. Die für die Polizei im Zusammenhang mit der Informationsgewinnung geltenden Vorschriften der StPO Nun reden wir aber heute abschließend über ein ganzes können nunmehr umgangen werden. Maßnahmenpaket, das häufig als Otto-Katalog II be- zeichnet wird. Das schmeichelt sicherlich dem Herrn In- Fünftens. Der Bundesnachrichtendienst erhält immer nenminister und es klingt, als wäre es ein bestelltes mehr Befugnisse im Inland, obwohl seine Aufgabe die vorweihnachtliches Geschenk. In Wahrheit aber geht es Auslandsaufklärung ist. bei diesem Gesetzeswerk um den größten Eingriff in die Sechstens. Dass Personen, die Ausländer nach Verfasstheit der Bundesrepublik, den es im Namen der Deutschland einladen, in bestimmten Fällen selber von inneren Sicherheit jemals gegeben hat. Daran gemessen den Geheimdiensten überprüft werden, hätten wir uns in ist das parlamentarische Schnellschussverfahren schlicht der alten Koalition wirklich nicht vorstellen können. unangemessen – um nicht zu sagen: verantwortungslos –, liebe Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dieter Wiefelspütz [SPD]: (Beifall bei der PDS und der FDP sowie bei Warum denn nicht, Herr Stadler, wenn die Abgeordneten der CDU/CSU – Wolfgang Sicherheit in Gefahr ist?) Zeitlmann [CDU/CSU]: Das ist das erste Mal, dass ich bei der PDS Beifall klatsche!) Letzter Punkt: Sie legen so großen Wert darauf, durch- gesetzt zu haben, dass bei der Aufnahme von Fingerab- Nun argumentierte der Innenminister vorgestern, es drücken in Ausweispapiere keine Vergleichsdatei errich- gebe UNO-Beschlüsse und die UNO dränge, sehr schnell tet wird. Ihre Formulierung lautet: Es wird keine etwas Vernünftiges auf den Tisch zu legen. Das stimmt. bundesweite Datei eingerichtet. – Wenn Sie aber 15 Län- Nur liegt heute leider nichts Vernünftiges zur Beratung derdateien zulassen und diese vernetzt werden, haben Sie und Abstimmung auf dem Tisch. Die Fachleute warnen die Referenzdatei, die wir aus Datenschutzgründen ab- nicht erst seit gestern. Ich möchte an Folgendes erinnern: lehnen. Vor 14 Tagen gab es eine Anhörung zum so genannten Antiterrorpaket. Der Innenausschuss hatte Fachleute ge- (Beifall bei Abgeordneten der FDP – Volker laden. Der Innenminister war leider nicht anwesend. Das Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: ist heute allerdings nebensächlich. Hauptsächlich war, Lesen Sie mal die Begründung! – Dieter dass in der Anhörung eine klare Mehrheit der Sachver- Wiefelspütz [SPD]: Das ist nicht erlaubt!) ständigen das vorliegende Gesetzespaket skeptisch bis Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Dezember 2001 20757

Petra Pau (A) ablehnend beurteilte, vor allem weil es rechtsstaatlich be- Zivilisation verletzbar ist? Nachvollziehen können die (C) denklich ist und mit der Terrorismusbekämpfung nur ganz Beschäftigten schon gar nicht, dass sie von vornherein wenig zu tun hat. wie potenzielle Terroristen behandelt werden. (Beifall bei der PDS) Ein letztes Wort. Sie haben gestern hier ein Einwande- rungsgesetz eingebracht. Heute stellt sich die Sinnfrage, Daran ändern die von Ihnen vorgenommenen Änderun- weil Sie sich mit diesem Gesetzesvorhaben ein Instru- gen fast nichts. Deshalb wird die PDS heute das sagen, mentarium schaffen, das die Einreise und die Ausweisung was nach meinem Kenntnisstand auch mancher Grüner von Ausländern strenger als je zuvor reglementiert. Sie und manches Mitglied der SPD-Fraktion gern sagen stellen mit diesem Gesetzespaket die Fremden, um die Sie würde, nämlich Nein zu diesem Gesetzespaket. gestern hier geworben haben, unter Generalverdacht. (Beifall bei der PDS) (Beifall bei der PDS) Der große Schwindel ist doch: Sie gaukeln den Bürge- Am Mittwoch mahnten Sie, möglichst keine Maßnah- rinnen und Bürgern vor, dass Sie ihnen etwas geben wür- men, die nichts mit der Terrorismusbekämpfung zu tun den. Tatsächlich nehmen Sie ihnen aber das, was Sie haben, vorzuschlagen. Wenn Sie konsequent gewesen gegen den Terrorismus verteidigen wollen. Ein Kommen- wären, dann hätten Sie Ihr Paket heute zurückgezogen tator der „Berliner Zeitung“ schrieb: Dies ist eine „große und ein neues vorgelegt. Grundgesetzreform“. Sein Fazit lautete: Danke schön. Man kann es als Abschied von der liberalen Verfas- sungsidee bezeichnen. (Beifall bei der PDS) (Beifall bei der PDS) Vizepräsidentin Petra Bläss: Jetzt spricht der Bun- Denn der verheißene Zugewinn an Sicherheit durch desminister des Innern, Otto Schily. den Staat wird mit einem signifikanten Verlust an Si- cherheit vor dem Staat – also Freiheit – bezahlt. Otto Schily, Bundesminister des Innern: Frau Präsi- Ich möchte Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von dentin! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Pau, an SPD und Bündnisgrünen, sagen: Es geht auch anders. Ich Ihren Ausführungen kann man sehr gut erkennen, was für empfehle Ihnen, das nachzulesen, was in Berlin zwischen Sie die eigentliche Gefahr ist: Für Sie sind offenbar die Si- SPD und PDS zum Thema innere Sicherheit vereinbart cherheitsinstitutionen des Staates und nicht der Terroris- wurde. Man könnte es überschreiben mit: Mehr Sicherheit, mus die Gefahr. aber nicht auf Kosten von Grund- und Freiheitsrechten. (B) (Erwin Marschewski [Recklinghausen] (D) (Beifall bei der PDS) [CDU/CSU]: Genauso ist es! Sehr gut!) Ich würde Ihnen heute gerne en détail begründen, Sie haben hier erklärt, es gehe um die Gefahr durch den warum wir Nein sagen, und zwar auch unter Verwendung Staat. Ich möchte wissen, in welcher Welt Sie leben. der intelligenzarmen Widersprüche, die Sie selbst produ- Wahrscheinlich haben Sie noch ein bisschen Erinnerung zieren. Aber fünf Minuten Redezeit reichen dafür nicht. an die DDR. Da war es nämlich so, dass man Sorge vor Das ist unser Oppositionslos auf der linken Seite. Wir ar- den Gefahren durch den Staat haben musste. beiten daran, dass es besser wird. Ich möchte deshalb nur noch ein Beispiel nennen, das zeigt, dass der Teufel im (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Wider- Detail steckt. Das Gesetzespaket sieht Sicherheitsüber- spruch bei der PDS – [PDS]: Das prüfungen für Beschäftigte in „lebenswichtigen und passt ja nicht zusammen!) verteidigungswichtigen Einrichtungen“ vor. Das kann Was Ihre Koalitionsvereinbarung angeht, wünsche ich sinnvoll sein. Es kann aber auch für Millionen Beschäf- Ihnen viel Glück. Immerhin wollen Sie selbst zugestehen tigte gefährlich werden, wenn letztendlich Geheimdienste – das ist bemerkenswert –, dass bestimmte Gruppierungen darüber entscheiden, wer beschäftigt wird. Ihrer Partei weiterhin vom Verfassungsschutz beobachtet Nun haben die Sachverständigen schon gemahnt, mög- werden. Dazu beglückwünsche ich Sie! lichst genau einzuschränken, welche Bereiche und Be- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des rufsgruppen gemeint sind, weil andernfalls Konflikte mit BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Wider- dem EU-Recht, dem Arbeitsrecht und anderen Alltäglich- spruch bei der PDS) keiten drohten. Sie, Herr Minister, meinten am vergange- Ich bedanke mich bei allen Koalitionsfraktionen, die nen Mittwoch, das würden Sie nicht tun, weil Sie poten- unser wichtiges Vorhaben unterstützen. Ich bedanke mich ziellen Terroristen nicht noch Hinweise geben wollten, auch bei der CDU/CSU-Fraktion dafür, dass sie ihrer Ver- wo die Bundesrepublik verletzbar sei. Sie haben auch ge- antwortung in dieser Frage gerecht wird. Ich kann verste- sagt, dass dies im Einzelnen durch die Exekutive, also hen, dass die FDP-Fraktion mit Blick auf die Kürze des durch Sie, festgelegt werde. Alle Achtung! Ihr Vorgehen Verfahrens einige Bauchschmerzen hat. Herr Kollege soll Rechtssicherheit schaffen und ist offensichtlich „De- Stadler – ich kenne den sachlichen Ton, den Sie norma- mokratie in Ottos Vollendung“. lerweise an den Tag legen –, (Beifall bei der PDS) (Roland Claus [PDS]: Vielleicht sollte man die Anders gefragt: Glauben Sie wirklich, dass mögliche Ter- Manuskripte bei Ihnen, Herr Minister, einrei- roristen auf eine Liste warten, aus der hervorgeht, wo die chen!) 20758 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Dezember 2001

Bundesminister Otto Schily (A) heute sind Sie zum Teil wie der Bauchredner von Herrn unser Land zurückzukehren. Ich halte das für eine pure (C) Möllemann aufgetreten. Das tut Ihnen nicht gut, Herr Selbstverständlichkeit. Stadler. Frau Pau, Sie haben gemeint, das stehe im Widerspruch (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ zum Zuwanderungsgesetz. Dazu will ich Ihnen Folgen- DIE GRÜNEN – Dr. Max Stadler [FDP]: des sagen: Das Zuwanderungsgesetz soll Terroristen nicht Schwacher Gag!) ermöglichen, in unser Land zu kommen. Es soll nicht – Herr Stadler, Herr Möllemann möchte eine Art Basar- dafür sorgen, dass Terroristen, soweit sie sich schon in un- handel veranstalten, indem ein Junktim zwischen diesem serem Land befinden, in unserem Land bleiben können. Gesetz und dem Zuwanderungsgesetz hergestellt wird. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Das ist nicht die richtige Herangehensweise. DIE GRÜNEN sowie des Abg. Erwin (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Marschewski [Recklinghausen] [CDU/CSU]) DIE GRÜNEN) Das sollte unter allen, die sich mit dem Thema beschäfti- Wir haben es mit einem Gesetz zu tun, durch das die gen, doch eigentlich Konsens sein. Konsequenzen aus einem ganz schlimmen Ereignis und aus einer Bedrohung, die uns wahrlich das Fürchten lehrt, Nun hat es einen Streit über die Frage gegeben, mit gezogen werden. welchem Vokabular wir in dem Gesetzestext arbeiten. Ich rege an, doch die Unterschiede zur Kenntnis zu nehmen, (Zuruf von der PDS: Sie lehren uns auch das die es zwischen der Terminologie im Polizeirecht und Fürchten!) derjenigen im Strafverfahren gibt. Im Strafverfahren Ich meine die Bedrohung durch den weltweiten islamis- kennen wir den Begriff des Verdachts, der eine Abgren- tischen Terror, die in ihrer Tiefendimension am 11. Sep- zung etwa in folgenden Fragen ermöglicht: Unter wel- tember erkennbar geworden ist. Wir brauchen so etwas chen Voraussetzungen können Ermittlungen eingeleitet wie ein Langzeitgedächtnis. Wir dürfen nicht wieder in werden? Unter welchen Voraussetzungen kann eine An- den alten Trott zurückfallen, sondern wir müssen unsere klage erhoben werden? Unter welchen Voraussetzungen Wachsamkeit aufrechterhalten. Der Kollege Marschewski kann jemand in Haft genommen werden? hat mit Recht darauf hingewiesen, dass diese Gefahr nicht etwa verschwunden ist, sondern fortbesteht. Im Polizeirecht geht es nicht um diesen Begriff. Im Po- lizeirecht geht es um eine Gefahrenbeurteilung. Deshalb Wir haben sie übrigens schon vorher kennen gelernt. ist die Wortwahl, die wir jetzt getroffen haben, dem Wir haben – jedenfalls was die politische Diskussion an- Polizeirecht entnommen. Es geht um die Beschreibung ei- (B) geht – weder nach den Ereignissen von Daressalam noch ner Gefahr. Das steht auch in Übereinstimmung mit ande- (D) nach der Festnahme von Personen, die im Dezember kurz ren Bestimmungen, übrigens – das sage ich, damit alle das davor standen, im benachbarten Frankreich einen Terror- begreifen – schon im geltenden Recht. Da steht nämlich anschlag zu begehen, die nötige Aufmerksamkeit an den Tag gelegt. Man muss aber auch feststellen – das ist der etwas von einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit ge- entscheidende Gesichtspunkt –: Wir hatten keine Kennt- schrieben. Das ist der Kern dieser Bestimmung. nis über die in verschiedenen Ländern getroffenen Vorbe- (Zuruf von der CDU/CSU: Das haben wir be- reitungen dieser schrecklichen Terroranschläge in New reits begriffen, Herr Bundesinnenminister!) York und in Washington. Wir müssen uns bewusst sein, was da angegriffen worden ist: New York ist die interna- Im Zusammenwirken aller, die daran beteiligt waren tionalste Stadt der Welt. Dort ist der Sitz der Vereinten Na- – insbesondere bedanke ich mich beim Bundesjustizmi- tionen. Unter den Opfern waren Menschen aus mehr als nisterium – haben wir, wie ich finde, eine gute Formel ge- 80 Nationen dieser Welt. New York, ein Symbol für den funden. Freiheitswillen dieser Welt, für die Demokratie in dieser Ich möchte noch etwas zur Frage der Zuständigkeiten Welt, war der Zielpunkt. Viele Menschen, die unter der des Bundeskriminalamts sagen, weil auch das heute von Terrorherrschaft der Nazis oder unter der Terrorherrschaft Ferne her kritisiert worden ist. Herr Kollege Marschewski, anderer totalitärer Systeme verfolgt waren, haben in New York Zuflucht gesucht. Das ist in das Geschichtsbewusst- Sie haben behauptet, ich hätte mich in wichtigen Punkten sein der Menschheit tief eingegraben. Deshalb hat das nicht durchgesetzt, das Bundeskriminalamt bleibe wegen auch diese große Bedeutung. der Grünen „ein zahnloser Tiger“. Ich werde in Wiesbaden ausrichten, was Sie gesagt haben. Wenn das zutrifft, dann Wir müssen dafür sorgen, dass unsere Sicherheitsinsti- müsste das Bundeskriminalamt bisher ein zahnloser Tiger tutionen zur Früherkennung solcher Aktivitäten in der gewesen sein. Diese Einschätzung kann ich mir nach der Lage sind. Dazu brauchen sie die Möglichkeit, in Finanz- erfolgreichen Arbeit des Bundeskriminalamts in den transaktionen hineinzuschauen, Reisebewegungen und zurückliegenden Jahren, gerade auch in jüngster Zeit, nun Auffälligkeiten im Verhalten von bestimmten Personen wahrlich nicht zu Eigen machen. festzustellen. Wir müssen besser in der Lage sein, Perso- nen zu identifizieren, damit es nicht gelingen kann, sich (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ mit unterschiedlichen Identitäten zu tarnen. Jemandem, DIE GRÜNEN – Dieter Wiefelspütz dem der Aufenthalt in Deutschland untersagt wird, darf es [SPD]: Kein Verhältnis zur Sicherheit, Herr nicht möglich sein, unter einer anderen Identität wieder in Marschewski!) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Dezember 2001 20759

Bundesminister Otto Schily (A) Nun zu der Frage: Wie beurteilen wir diese Befug- Ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt steht unter (C) nisse? Wir haben nichts anderes gemacht, als die Befug- Ziffer 6.4: nisse, die das Bundeskriminalamt nach seinem Zustän- Bei Initiativermittlungen digkeitskatalog in § 2 des Bundeskriminalamtgesetzes bereits hat, – ein Wort also, das völlig gängig ist, hier aber in der öf- fentlichen Diskussion zu einem großen Tohuwabohu ge- (Dieter Wiefelspütz [SPD]: So ist es!) führt hat – so zu gestalten, dass es die Möglichkeit hat, Daten unmit- liegen häufig die Elemente der Strafverfolgung und telbar zu erheben, und nicht den Umweg über die Länder der Gefahrenabwehr in Gemengelage vor und gehen gehen muss. im Verlauf eines Verdichtungs- und Erkenntnispro- Insofern kann ich auch überhaupt nicht verstehen, was zesses ineinander über. der Richterbund – da muss ich einmal auf die Anhörung Wie wahr! zurückkommen – an der Stelle auszusetzen hat. Ich will Sie nur darauf hinweisen, damit Sie bemerken, (Dieter Wiefelspütz [SPD]: Ich auch nicht!) dass manche Vorbehalte, die selbst in richterlichen Krei- sen geäußert werden, ohne Grundlage sind. Der Richterbund fragt, wieso das BKA sozusagen unkon- trolliert auf Länderdaten zugreifen dürfe. Das darf es Ich will einen weiteren Punkt ansprechen, den auch der heute schon; es geht nur darum, dass es im Rahmen sei- Kollege Beck, für dessen sachliche Rede ich ihm meine ner Zentralstellenfunktion unmittelbar Daten erheben ausdrückliche Anerkennung aussprechen möchte, er- kann. wähnt hat. Nun muss ich Ihnen noch etwas sagen, weil einige das (Zurufe von der CDU/CSU) Wort „Initiativermittlungen“ als Schreckensbild vor sich – Das sage ich doch ganz offen. Dass wir mitunter eine hergetragen haben. Es scheint mir so zu sein, dass einige Kontroverse haben, ist doch in Ordnung oder was haben die geltende Rechtslage nicht kennen. Vielleicht wird Sie daran auszusetzen? nicht so oft in den Richtlinien für das Strafverfahren ge- lesen. Tun Sie das einmal. Nehmen Sie sich einen Kom- (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Wolfgang mentar zur Hand. Darin finden Sie die gemeinsamen Zeitlmann [CDU/CSU]: Weil ich die Rede nicht Richtlinien der Justizminister und -senatoren sowie der so sachlich finde!) Innenminister und -senatoren der Länder über die Zusam- Warum soll denn nicht auch einmal in einer Koalition menarbeit von Staatsanwaltschaften und Polizei bei der über eine Sachfrage geredet werden? Dazu möchte ich (B) (D) Verfolgung der organisierten Kriminalität. Dies sind al- einmal den Streit zwischen Ihnen und der FDP in Erinne- lerdings Richtlinien, die für den Terrorismus nicht gelten, rung rufen. Darüber gibt es viel zu berichten. die aber auf der Basis des geltenden materiellen Straf- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ rechts und Strafverfahrensrechts erarbeitet worden sind. DIE GRÜNEN – Wolfgang Zeitlmann [CDU/ Unter Ziffer 6 unter der Überschrift „Initiativermitt- CSU]: Ich sage gleich etwas dazu!) lungen“ finden Sie folgende Definition: Jetzt loben Sie Ihre Gesetzgebungsarbeit aus vergangenen Die Aufklärung und wirksame Verfolgung der orga- Jahren, die Sie ohne die SPD-Fraktion gar nicht zustande nisierten Kriminalität setzt daher voraus, dass Staats- gebracht hätten. Also seien Sie in diesen Fragen einmal anwaltschaft und Polizei von sich aus im Rahmen ih- ganz ruhig. rer gesetzlichen Befugnisse Informationen gewinnen (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Wolfgang oder bereits erhobene Informationen zusammen- Zeitlmann [CDU/CSU]: Aber die Rede von führen, um Ansätze zu weiteren Ermittlungen zu er- Beck war Quatsch!) halten: Initiativermittlungen. Ich möchte etwas zu den biometrischen Merkmalen Liegt ein Sachverhalt vor, bei dem nach kriminalisti- sagen. Ich glaube, wir waren gut beraten, dies erst einmal scher Erfahrung die – wenn auch geringe – Wahr- nur in dem Bereich einzuführen, in dem es wirklich dring- scheinlichkeit besteht, dass eine verfolgbare Straftat lich ist, nämlich bei der Visaerteilung, vor allem im Zu- begangen worden ist, besteht ein Anfangsverdacht. sammenhang mit Problemstaaten, damit wir hier bessere Dieser löst die Strafverfolgungspflicht aus. Es ist Möglichkeiten haben, und uns in anderen Fragen ein biss- nicht notwendig, dass sich der Verdacht gegen eine chen mehr Zeit zu gönnen. bestimmte Person richtet. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Weiter heißt es: Dies passt ja eigentlich zu dem, was auch Sie immer sa- Bleibt nach Prüfung der vorliegenden Anhaltspunkte gen: Sie wollen mehr Zeit. Selbst die CDU/CSU hat hef- unklar, ob ein Anfangsverdacht besteht, und sind An- tig geklatscht, als Herr Stadler vorgetragen hat, es habe sätze für weitere Nachforschungen vorhanden, so zeitliche Probleme gegeben. können die Strafverfolgungsbehörden diesen nach- Ich möchte Sie nur auf Folgendes hinweisen, damit gehen. In solchen Fällen besteht allerdings keine ge- Sie den Erkenntnisprozess mit uns zusammen weiter setzliche Verfolgungspflicht. nachvollziehen können: Heute werden schon in vielen 20760 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Dezember 2001

Bundesminister Otto Schily (A) Ländern biometrische Merkmale angewendet. In Sicherheitsbehörden mit Personal- und Sachmitteln. (C) Frankreich – ich habe das auch erst neulich erfahren, Herr Marschewski, Sie haben gesagt, wir hätten Personal vielleicht haben das andere schon früher gewusst; Herr zurückgeführt. Das ist falsch. Wir haben, obwohl wir von Marschewski hat das selbstverständlich alles schon ge- Ihnen eine gewaltige Schuldenlast geerbt haben, die Aus- wusst; gaben im Sicherheitsbereich kontinuierlich erhöht und sie (Erwin Marschewski [Recklinghausen] jetzt noch einmal mit 500 Millionen besonders aufge- [CDU/CSU]: Nein nicht alles!) stockt. – aber fast alles – werden bei der Beantragung eines Per- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des sonalausweises Fingerabdrücke genommen. Niemand hat BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) gehört, dass dort die Menschenrechtsvereine und ähnliche Das haben Sie in Ihrer ganzen Regierungszeit nicht ge- aufgetreten sind und dies als Verletzung der Menschen- schafft. würde angesehen haben. In den USA – das habe ich Ihnen schon bei früherer Gelegenheit mitgeteilt – gibt es Fin- (Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/ gerabdrücke auf der „resident alien card“. In Spanien wer- CSU]: Nein, nein! Da muss ich leider wider- den diese bei den Antragstellungen für längerfristige Auf- sprechen!) enthalte genommen. Wir werden der Überprüfung, die der Ausschuss der UNO (Erwin Marschewski [Recklinghausen] vornehmen wird, also in Ruhe entgegensehen können. [CDU/CSU]: USA?) Lassen Sie mich ein letztes Wort sagen: Wir sollten bei – In Spanien. In den USA gibt es die „resident alien card“. Gegensatzbildungen mit befreundeten Staaten vorsichtig Das ist ein Ausweis für diejenigen, die in den USA eine sein. Mein Freund, der britische Innenminister David Arbeit aufnehmen wollen, lieber Herr Marschewski. Blankett, ist ein Mann des Rechtsstaates Aber wir werden uns mit diesen Fragen umfassend zu (Erwin Marschewski [Recklinghausen] beschäftigen haben, auch mit dem Hinweis, dass isolierte [CDU/CSU]: Völlig richtig!) Regelungen relativ wenig bringen. Da hat Herr Beck voll- kommen Recht. Deshalb bemühen wir uns ja, auch auf der und niemand sollte auf den Gedanken kommen, ihn in ir- europäischen und internationalen Ebene diese Dinge so gendeinen Verdacht zu bringen, das sei anders. zu gestalten, dass ein vernünftiges Konzept daraus wird. (Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/ Wir werden uns damit beschäftigen müssen – und das CSU]: Das sehe ich auch so! Ich war vor einer werden wir tun –, wie die modernen Techniken aussehen, Woche da!) (B) (D) die ja nicht mehr mit Tusche arbeiten. Heute geht es um Ich glaube, die Frage, die Herr Marschewski aufge- Scannen oder Digitalisieren. Die Kosten sind übrigens gar worfen hat, ist der Prüfung wert. nicht so hoch, Herr Beck. Sie sollten mit den übertriebenen Volumina, die Sie hier vorgetragen haben, vorsichtig sein. (Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/ CSU]: Ich mache auch einen Strich!) (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Haben Sie jetzt Sonderangebote in – Wenn Sie das wollen, müssen Sie einen Antrag vorle- petto? – Dieter Wiefelspütz [SPD]: Das musste gen, dass Sie sich von der Menschenrechtskonvention einmal kritisiert werden! Das ist äußerst unse- verabschieden und sie in den Papierkorb werfen wollen. riös! (Erwin Marschewski [Recklinghausen] Seien Sie mal ganz zurückhaltend bei diesen Fragen. [CDU/CSU]: Nein, nein!) Man muss Fragen nach der technischen Gewinnung, Ich bin gespannt, welche Anträge Sie vorlegen werden. der Übermittlung und der Speicherung der Fingerab- drücke stellen. Alles das macht natürlich nur Sinn, wenn (Zuruf von der CDU/CSU: Das wollen wir ja Sie auch einen Abgleichungsmodus finden, der die opti- nicht!) male Nutzung solcher Techniken ermöglicht. Jedenfalls Ich stehe zur Europäischen Menschenrechtskonvention, müssen wir nicht nur erreichen, dass Fälschungen er- kennbar sind, sondern wir müssen auch verhindern, dass (Beifall bei Abgeordneten der SPD) echte Dokumente zur Tarnung benutzt werden, um mit ih- aber wir werden uns mit der Frage beschäftigen müssen, nen schlimmen Dingen nachzugehen. was mit Personen geschieht, die unter Terrorismusver- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) dacht stehen, die bei uns leben, nicht der hiesigen Ge- richtsbarkeit unterliegen und international zur Fahndung Meine Damen und Herren, ich glaube, dass wir auch im ausgeschrieben sind. Wie ist es in solchen Fällen mit den internationalen Rahmen mit unseren Maßnahmen sehr gut entsprechenden Auslieferungsbestimmungen? Wo kön- aufgestellt sind. Heute war der Attorney General John nen diese Personen vor Gericht gestellt werden? Die bes- Ashcroft bei mir zu Gast. Ich glaube, dass wir gerade im te Lösung in solchen Fällen ist in der Tat ein internationa- Blick auf die UNO-Sicherheitsresolution damit zufrieden ler Strafgerichtshof. sein können, wie weit wir bei unseren Maßnahmen gekommen sind, übrigens nicht nur bei gesetzlichen Maß- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des nahmen, sondern auch bei der Ausstattung unserer BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Dezember 2001 20761

Bundesminister Otto Schily (A) Aber auch dann werden wir der Frage nicht ausweichen Vizepräsidentin Petra Bläss: Zur Erwiderung Herr (C) können: Wo werden sie vorläufig untergebracht und wo Bundesminister Schily. werden sie nach einer Verurteilung endgültig unterge- bracht? Otto Schily, Bundesminister des Innern: Lieber Kol- (Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/ lege Koppelin, ich kenne Herrn Stadler als einen wirklich CSU]: Die Frage bleibt! Völlig richtig!) vorzüglichen und sachlichen Kollegen. Der Frage können wir gerechterweise und ehrlicherweise (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der nicht ausweichen. Ich denke, darüber werden wir noch zu FDP) diskutieren haben. Es war nun wirklich nicht als Herabsetzung gemeint, es war der Versuch eines Scherzes. Er scheint bei Ihnen nicht Ich möchte meinen Dank wiederholen. Der Dank gilt als Scherz angekommen zu sein. Belassen wir es also bei auch denen, die heute nicht zustimmen, weil ich weiß dem Scherz. Wenn Sie es als Herabsetzung empfunden – ich bin ja selber ein engagierter Parlamentarier –, wie haben, nehme ich das gerne zurück. Sie wissen, dass ich schwer es ist, innerhalb kurzer Fristen solche Gesetzes- Herrn Stadler besonders schätze; das gilt auch über alle texte angemessen zu prüfen. Ich bedanke mich bei allen, politischen Gegensätze hinweg. die das auf sich genommen haben. Ich hoffe, dass wir auch in der kommenden Woche mit einem epochalen Ge- Der Scherz wird also zurückgenommen. setzeswerk – wie Sie es gesagt haben – zu einem guten (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Ende kommen. FDP) Vielen Dank. Vizepräsidentin Petra Bläss: Letzter Redner in un- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ serer Debatte ist der Kollege Wolfgang Zeitlmann für die DIE GRÜNEN) CDU/CSU-Fraktion.

Vizepräsidentin Petra Bläss: Zu einer Kurzinter- Wolfgang Zeitlmann (CDU/CSU): Frau Präsidentin! vention erteile ich dem Kollegen Jürgen Koppelin das Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister Wort. Schily, Sie dürfen mich in Zukunft jederzeit Bauchredner irgendeines CSU-Innenpolitikers nennen. Jürgen Koppelin (FDP): Herr Bundesinnenminister, (Jörg Tauss [SPD]: Stoiber!) (B) Sie haben in Ihrer Rede Äußerungen zu meinem Kollegen (D) Ich habe damit kein Problem. Das Problem liegt wohl Max Stadler getan, die ich so nicht stehen lassen möchte. mehr in der Person begründet, von der er, wie Sie sagten, Ich denke, Sie sollten sie zurücknehmen. Sie haben den der Bauchredner sein sollte. Kollegen Max Stadler als Bauchredner – ich wiederhole das, was Sie gesagt haben – des stellvertretenden FDP- Zur Terrorismusbekämpfung sage ich vorab: Wir hat- Bundesvorsitzenden Jürgen Möllemann bezeichnet. ten seit dem 11. September drei Monate Zeit gehabt, aber erst am 15. November war die erste Lesung dieses Geset- Herr Bundesinnenminister, nehmen Sie einfach zur zes. Das heißt auf gut Deutsch: Zwei Monate hat die Re- Kenntnis: Die FDP-Bundestagsfraktion hat bei ihrer Sit- gierung gebrütet, dann hat sie es hier eingebracht, den ver- zung am Dienstag auch diese Sitzung heute vorbereitet. bliebenen Monat hat die Koalition über den Vorschlag der Wir haben eine intensive Diskussion geführt, allerdings Exekutive gebrütet und dann sollte der Innenausschuss nicht im Beisein von Herrn Möllemann, wenn Ihnen das das im Grunde innerhalb eines Tages abnicken. Da hatte etwas hilft. Der Kollege Stadler hat sich an unserer Dis- Heribert Prantl, wohl das erste Mal, Recht, als er sagte: kussion federführend beteiligt. Auch Sie kennen sicher- Der Gesetzgeber verkommt zum Paketträger. Dieses Vor- lich die sehr sachbezogene Art des Kollegen Stadler. Sie gehen ist nicht nur zutiefst unparlamentarisch, sondern haben es ja auch angedeutet. Ich denke, Sie sollten solche ich halte es auch für eine Unverschämtheit und für eine Herabsetzungen nicht vornehmen. Missachtung der Parlamentarier, dass man ihnen zumutet, ein wichtiges Gesetz innerhalb nur einer Sitzung eines Wenn es Sie stört, dass der Kollege Möllemann, der Fachausschusses durchzupauken. Kollege Stadler und die FDP-Bundestagsfraktion in die- (Beifall bei der CDU/CSU) ser Sache einer Meinung sind – das mag Sie ja stören –, dann tut es uns Leid. Wir sind aber in diesem Punkt nun Meine Damen und Herren, ich will einmal mit dem an- einmal einer Meinung. Der Kollege Stadler – ich will das fangen, was jeder von Ihnen heute früh oder heute Nacht noch einmal ausführlich sagen – hat das vorgetragen, was wahrscheinlich schon mitbekommen hat, nämlich diesen wir in der FDP-Bundestagsfraktion beraten und ent- schrecklichen Videofilm, in dem sich der Verbrecher Bin schieden haben. Sie sollten diese Herabsetzung lassen. Laden damit brüstet, dass er mit einem solchen „Erfolg“ Ich vermute, dass Sie es nicht so gemeint haben. So ken- nicht gerechnet hat. Im Zusammenhang mit diesem Video nen wir Sie ja auch. wird berichtet, dass es Anhaltspunkte gebe, dass wohl mit weiteren Aggressionen gerechnet werden muss. Man (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Roland kann eigentlich nur beten, dass uns, der freien und zivili- Claus [PDS] – Zurufe von der SPD: Oh!) sierten Welt, ein weiterer Schlag erspart bleibt. Aber ich 20762 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Dezember 2001

Wolfgang Zeitlmann (A) fürchte, dass die Brutalität dieser Truppe uns hier noch des Vizepräsidentin Petra Bläss: Herr Kollege (C) Öfteren zusammenführen wird. In diesem Lichte ist zu be- Zeitlmann, bevor Sie zum zwölften Finger kommen, frage sorgen, dass manche der Bedenken, die heute hier an- ich Sie, ob Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Otto klangen und besagten, dass unser Staat in eine Schieflage Schily zulassen. gerate, dass die Organe der Sicherheit zu viele Kompe- tenzen bekämen und dass die Freiheit in Gefahr sei, ganz schnell verflogen sein werden. Ich habe manchmal das Wolfgang Zeitlmann (CDU/CSU): Nein. – Herr Gefühl, dass einige Mitglieder dieses Hauses weit in der Minister Schily, ich sage Ihnen auch, warum ich die Zwi- Vergangenheit leben. Im Hinblick auf diejenigen, die schenfrage nicht zulasse: Wer mir als Oppositionspoliti- noch bis vor zwölf Jahren in einer Diktatur lebten, habe ker in der Ausschussberatung kaum Raum gibt, kann nicht ich Verständnis. Aber für uns im westlichen Teil unseres die Plenardebatte zum Dialog mit mir nutzen wollen. Ma- Landes ist es kaum vorstellbar, dass nach 50 Jahren die chen Sie beim nächsten Mal eine gescheite Innenaus- Bürgerrechte und Freiheitsrechte tangiert sein könnten. schusssitzung, kommen Sie frühzeitig und kommen Sie auch zur Anhörung, dann können wir intensiv darüber Die Dimension dessen, worum es geht, ist noch nicht sprechen. von allen verstanden worden. Es geht um Terrorismus- bekämpfung. Herr Minister Schily, Sie haben sich eben (Beifall bei der CDU/CSU – Ilse Janz [SPD]: in Ihren Äußerungen selbst einen Bärendienst erwiesen, Die Ausschusssitzung ist Angelegenheit des als Sie vorgelesen haben, dass die Regeln der Innenminis- Parlaments, nicht der Regierung!) ter- und Justizministerkonferenz zur organisierten Krimi- Meine Damen und Herren, Terrorismusbekämpfung nalität beim Terrorismus keine Anwendung fänden. Das darf nicht anders als Kriminalitätsbekämpfung gesehen muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: Es werden. Wir müssen unseren Sicherheitsorganen deutlich wird eine Unterscheidung zwischen dem, was wir gegen machen, dass wir voll hinter ihnen stehen. Es gibt keinen organisierte Kriminalität einsetzen – – Grund zu Misstrauen, es besteht nicht die Gefahr, dass un- (Widerspruch von Bundesminister sere Dienste uns in eine undemokratische Ecke manöv- Otto Schily) rierten. – Ich kritisiere das ja nicht; ich gebe nur Denkanstöße. Einen Punkt halte ich für sehr bedenklich: In Ihrem Ge- Man darf in der praktischen Konsequenz nicht zwischen setz können Sie sehr wohl die biometrischen Merkmale beiden Gefahren unterscheiden. vorschreiben. Nach jetziger Rechtslage planen Sie aber eine Änderung des Passgesetzes, nach der in die Pässe von Meine Damen und Herren, wir müssen einmal mit ei- Deutschen – das halte ich für richtig – weitere Merkmale ner Sprachverwirrung aufräumen, der wir vielleicht alle (B) aufgenommen werden sollen, haben aber nichts vorgese- (D) ein bisschen unterliegen, der Vorstellung nämlich, Terro- hen, um die 7 Millionen Ausländer passrechtlich gleich zu rismus sei eine abgeschwächte Form der Kriminalität. Zu behandeln. Ich warne davor. Sie haben nur eine Regelung dieser Vorstellung trägt sicherlich bei, dass weltweit im- im Ausländerrecht, dass für zukünftige Fälle der Neuer- mer wieder zu beobachten ist, dass Terroristen von ges- teilung einer Aufenthaltsgenehmigung solche biome- tern Staatspräsidenten von heute werden, und dass es auch trischen Merkmale erfasst werden können. schon Terroristen gegeben hat, die den Friedensnobelpreis bekommen haben; ich deute das nur an, ohne Namen zu Meine Damen und Herren, es fällt mir noch eine Be- nennen. Sie merken, worauf ich hinaus will: Was ist ein sonderheit auf – damit komme ich zum Ende –, nämlich Terrorist? Nach meiner Definition ist ein Terrorist ein po- die, dass Sie bei der Einreise den kleinen Visa-Beamten in litisch motivierter Verbrecher, Kiew, im Jemen oder wo auch immer auf der Welt mit unserer Rechtsproblematik belasten. Sie sagen nicht ein- (Erwin Marschewski (Recklinghausen) fach, dass die Einreise nach Deutschland bei dem gerings- [CDU/CSU]: Sehr wahr!) ten Anfangsverdacht verweigert wird. Bei der Dimension ein Gewalttäter und Krimineller, sonst gar nichts. der Gefahr wäre es doch normal, zu sagen, dass uns der kleinste Anfangsverdacht daran hindert, jemanden, der (Beifall bei der CDU/CSU) möglicherweise ein Terrorist ist, ins Land zu lassen. Dies bedeutet, dass ich unsere Sicherheitsorgane mit (Zuruf des Abg. Hans-Christian Ströbele allen zur Verfügung stehenden gesetzlichen Mitteln aus- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) statten muss, ob das nun das Instrument des Generalver- dachtes oder die Aufnahme des Fingerabdrucks in den – Ich sage ganz deutlich, dass ich die Grenze zu einem An- Pass ist. Ich kann nicht verstehen, dass sich manche von fangsverdacht verschieben will. solchen Lappalien beschwert fühlen. Sie werden Otto Sie können dem kleinen Beamten nicht zumuten, die Normalverbraucher nicht erklären können, dass diese Re- feine Unterscheidung zwischen dem Belegen von Tatsa- publik in Gefahr sei, man aber mit solchen Instrumenten chen und dem Beweisen von Tatsachen zu treffen. Diese vorsichtig sein müsse. Dem kleinen Mann auf der Straße saubere Grenzziehung schafft er nicht. Er muss außer- ist es völlig wurscht, ob in seinem Pass, in dem ohnehin dem mit einem anschließenden Verfahren vor dem ein Foto von ihm ist, auch die Abdrücke von zehn Fingern Verwaltungsgericht rechnen. Es ist übrigens eine deutsche enthalten sind. Vom elften Finger will ich gar nicht reden. Besonderheit, dass man sich ein Visum erstreiten kann. (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU – Ich höre, dass es das in anderen freiheitlichen Ländern Lachen bei der SPD) kaum gibt. Angesichts Ihrer Vorstellung, dass es dem klei- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. 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Wolfgang Zeitlmann (A) nen Beamten möglich sein soll, zu sagen: „Ich sehe zwar bei einer Enthaltung aus der CDU/CSU-Fraktion ange- (C) den Anfangsverdacht, aber der reicht nicht für das Bele- nommen. gen von Tatsachen aus und deswegen darf die Person ein- Wir kommen nun zur Abstimmung über den Ent- reisen“, wünsche ich Ihnen viel Vergnügen. schließungsantrag der Fraktion der FDP auf Drucksache Es wäre auch noch einiges dazu zu sagen, dass Sie, 14/7860. Wer stimmt für den Antrag der FDP? – Wer Herr Beck, den Ländern Auflagen machen wollen, wie sie stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Entschließungs- zu kontrollieren haben. Das ist ein eigenartiges Demokra- antrag ist gegen die Stimmen der FDP-Fraktion bei Ent- tieverständnis. Ich möchte Sie einmal hören, wenn uns haltung der PDS-Fraktion abgelehnt. Europa mit einem Gesetz vorschreiben würde, wie die Ich rufe jetzt die Beschlussempfehlung des Innenaus- Kontrollen zu regeln sind und wer was anordnen darf. Sie schusses zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU mit werden doch zu den eigenen Genossen so viel Vertrauen dem Titel „Sicherheit 21 – Was zur Bekämpfung des in- haben, dass sie es vor Ort regeln können. Ich möchte den ternationalen Terrorismus jetzt zu tun ist“, Drucksache Ländern keine Vorschriften machen. 14/7830 auf. Der Ausschuss empfiehlt unter Nr. 2 seiner Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. Beschlussempfehlung, den Antrag auf Drucksache 14/7065 (neu) abzulehnen. Wer stimmt für diese Be- (Beifall bei der CDU/CSU – Volker Beck [Köln] schlussempfehlung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer die Befug- Die Beschlussempfehlung ist gegen die Stimmen der nisse hat, hat auch die Verantwortung!) CDU/CSU-Fraktion angenommen. Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf Vizepräsidentin Petra Bläss: Ich schließe die Aus- Drucksache 14/7792 an die in der Tagesordnung aufge- sprache. führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein- Wir kommen zur Abstimmung über die von den Frak- verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung tionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen sowie so beschlossen. von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwürfe zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus. Es han- Ich rufe die Tagesordnungspunkte 22 a und b auf: delt sich um die Drucksachen 14/7386 (neu), 14/7727 und 14/7830. Ich verweise darauf, dass es nach § 31 der Ge- a) Erste Beratung des von den Abgeordneten schäftsordnung zwei schriftliche Erklärungen zur Abstim- Dr. Norbert Röttgen, , Norbert mung gibt, nämlich von der Kollegin Sabine Leutheusser- Hauser (Bonn), weiteren Abgeordneten und der Schnarrenberger1) und von dem Kollegen Dr. Norbert Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs 2) (B) Lammert. eines Gesetzes zur Änderung des Parteiengeset- (D) zes Der Innenausschuss empfiehlt unter Nr. 1 seiner Beschlussempfehlung, die genannten Gesetzentwürfe als – Drucksache 14/7441 – Gesetz zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus Überweisungsvorschlag: in der Ausschussfassung anzunehmen. Hierzu liegt ein Innenausschuss (f) Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Druck- Ausschuss für. Wahlprüfung, Immunität und sache 14/7861 vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer Geschäftsordnung Rechtsausschuss stimmt für diesen Änderungsantrag der CDU/CSU-Frak- tion? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der b) Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD Änderungsantrag ist gegen die Stimmen der CDU/CSU- und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN einge- Fraktion abgelehnt. brachten Entwurfs eines Achten Gesetzes zur Än- Ich bitte jetzt diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der derung des Parteiengesetzes Ausschussfassung mit der vorhin von dem Berichterstat- – Drucksache 14/7778 – ter vorgetragenen Berichtigung zustimmen wollen, um Überweisungsvorschlag: das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltun- Innenausschuss (f) gen? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und gegen die Stimmen der FDP-Fraktion und der PDS-Frak- Geschäftsordnung tion angenommen. Rechtsausschuss Wir kommen zur Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Debatte eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre keinen dritten Beratung Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Ich eröffne die Aussprache. Erster Redner für die SPD- Gesetz zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer stimmt Fraktion ist der Kollege Wilhelm Schmidt. – Herr Kol- dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist damit lege, bitte warten Sie, bis diejenigen Kolleginnen und gegen die Stimmen von FDP-Fraktion und PDS-Fraktion Kollegen, die uns unbedingt verlassen wollen, gegangen sind.

1) Anlage 2 Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Frau Präsiden- 2) Anlage 3 tin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und 20786 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Dezember 2001

(A) Simmert, Christian BÜNDNIS 90/ 14.12.2001 der rechtspolitisch noch nach dem Verfassungsprinzip der (C) DIE GRÜNEN Verhältnismäßigkeit zu rechtfertigen. Stünker, Joachim SPD 14.12.2001 Weder sind die meisten Maßnahmen zur Terrorismus- bekämpfung geeignet, noch sind sie erforderlich und erst Dr. Süssmuth, Rita CDU/CSU 14.12.2001 recht nicht sind sie verhältnismäßig in Bezug auf die ein- schränkenden Auswirkungen auf die Grundrechte der Türk, Jürgen FDP 14.12.2001 Bürgerinnen und Bürger. Den Nachweis der Verhältnis- Dr. Waigel, Theodor CDU/CSU 14.12.2001 mäßigkeit bleibt das Innenministerium auch weiterhin schuldig. Nicht dargelegt wird, warum die bisherigen Wieczorek-Zeul, SPD 14.12.2001 Kompetenzen von Geheimdiensten, BGS, BKA und Län- Heidemarie derpolizeien – die in den letzten Jahren schon massiv er- weitert wurden – nicht ausreichen sollen. Wolf, Aribert CDU/CSU 14.12.2001 Vielmehr ist festzustellen, dass eine Reihe der beab- * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- sichtigten Gesetzesänderungen seit Jahren in den Schub- sammlung des Europarates laden der Sicherheitsbehörden lagen und nunmehr unter ** für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung und der Instru- sammlung der NATO mentalisierung der Ängste der Bevölkerung schnellst- möglich, ohne ausführliche, abwägende und das Grund- gesetz achtende Diskussion verabschiedet werden sollen. Anlage 2 In hoch technisierten, demokratischen und offenen Ge- sellschaften kann es keine absolute Sicherheit geben, Erklärung nach § 31 GO ohne dass die in ihr lebenden Bürger als potenzielle des Abgeordneten Dr. Norbert Lammert (CDU/ Verbrecher behandelt und polizeistaatlicher Willkür Tür CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines und Tor geöffnet werden. Gesetzes zur Bekämpfung des internationalen Besonders bedenklich sind folgende Punkte: Terrorismus (Terrorismusbekämpfungsgesetz) (Tagesordnungspunkt 21 a) Die Vorschläge für das Ausländer- und Asylrecht führen zu einer Ausweitung der Ausgrenzung und infor- mationellen Sonderbehandlung von Ausländern und de- In der Schlussabstimmung zum Gesetz zur Bekämp- ren Überwachung. Die Daten aus Ausländerausweisen (B) fung des internationalen Terrorismus – Terrorismus- dürfen pauschal von öffentlichen Stellen erfasst und wei- (D) bekämpfungsgesetz – enthalte ich mich der Stimme, ob- terverarbeitet werden. Das gesamte Ausweisungsrecht wohl ich die Intention dieses Gesetzespaketes teile, zur wird durch den vorgesehenen Strafvollzug massiv ver- wirksamen Bekämpfung des Terrorismus vorhandene In- schärft. Durch äußerst fragwürdige Verdachtstatbestände strumente zu stärken und neue Aufklärungs- und Sankti- werden die Einreise – einschließlich des Familiennachzu- onsmöglichkeiten zu schaffen. ges zu Deutschen – erschwert, die Ausweisung erleichtert, Die ebenso komplexe wie sensible Gesetzgebungs- das Asylrecht verschärft und das Vereinsrecht beschränkt. materie ist allerdings in den zwei Tagen, die seit der Vor- Um dies zu erreichen, müssen Ausländer umfassend lage des veränderten Textes in einem völlig unangemes- durch Geheimdienste überwacht werden – ein deutliches senen Eilverfahren zur Verfügung standen, nicht ernsthaft Zeichen auf dem Weg in den Polizei- und Überwa- auf die beabsichtigten und die möglichen unbeabsichtig- chungsstaat. Diese Regelungen werden dazu beitragen, ten Nebenwirkungen zu prüfen. So bleibt nur zu hoffen, dass sich das gesellschaftliche Klima gegenüber Nicht- dass die vorgesehenen Maßnahmen die erklärten Ziele deutschen massiv verschärft. und nur diese erreichen: Beurteilen kann ich es nicht. Die Novellierung des Sicherheitsüberprüfungsgeset- zes führt dazu, dass ein unbestimmter, wesentlich größe- rer Personenkreis als bisher in das Visier des Ver- Anlage 3 fassungsschutzes gelangen wird. Zu befürchten ist die Vernichtung zahlreicher beruflicher Existenzen durch für Erklärung nach § 31 GO die Betroffenen faktisch nicht angreifbare arbeits- der Abgeordneten Sabine Leutheusser- rechtliche Kündigungen. Zudem wirkt die Maßnahme als Schnarrenberger (FDP) zur Abstimmung über Einstellungs- und Beschäftigungshindernis. den Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung Die neuen Kompetenzen für die Bundespolizeien und des internationalen Terrorismus (Terrorismusbe- die Geheimdienste des Bundes verwischen die grundge- kämpfungsgesetz) (Tagesordnungspunkt 21a) setzlich festgeschriebene und historisch wohl begründete Trennung von Nachrichtendiensten und Polizeien. Bank-, Ich lehne den Gesetzentwurf der Bundesregierung und Post- und Fernmeldegeheimnis werden zur Makulatur. der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen zur Die neuen Kompetenzen für Polizei und Geheimdiens- Bekämpfung des internationalen Terrorismus – Terroris- te haben weitreichende Auswirkungen auf das Strafrecht musbekämpfungsgesetz – ab. Der Gesetzentwurf ist we- sowie das Strafprozessrecht. Ein faires Verfahren, mit Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Dezember 2001 20787

(A) Waffengleichheit zwischen Angeklagten und Staats- einigen Wissenschaftlern gewünschte Einstieg in die ver- (C) anwaltschaft ist nicht mehr gegeben, wenn – wie vorge- brauchende Embryonenforschung. sehen – verstärkt geheim gesammelte Informationen in Es ist für mich kein Bewertungswiderspruch, dass ein Strafverfahren als Beweise angenommen werden. Dies Schwangerschaftsabbruch nach Pränataldiagnostik zuläs- widerspricht der bundesrepublikanischen Rechtskultur sig ist, die Präimplantationsdiagnostik aber nicht. Zum zutiefst. Zeitpunkt der individuellen Entscheidung für die PID be- Noch nie ist ein so umfassendes Gesetzespaket in sol- steht keine Schwangerschaft, der Konflikt spielt sich im cher Hektik und unter solcher Missachtung der Befug- Labor ab, nicht innerhalb der untrennbaren Einheit von nisse des Parlaments verabschiedetet worden. Noch nie Mutter und Kind. wurden die Ergebnisse einer Anhörung so offenkundig Wir alle wissen: Keine Schwangerschaft kann gegen den missachtet. Willen einer Frau aufrechterhalten werden. Aus frauenpo- litischer Sicht ist die Entscheidung Kinder zu bekommen oder aber ein Leben ohne Kinder zu führen, eine Frage der Anlage 4 Wahl. Aber weibliche Selbstbestimmung kann jedenfalls nicht auf die freie Wahl zwischen verschiedenen techni- Zu Protokoll gegebene Reden schen Optionen reduziert werden. Auch wenn dem Kinder- zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur wunsch von Paaren zweifellos eine sehr hohe Priorität bei- Regelung der Präimplantationsdiagnostik (Prä- gemessen werden muss: Gibt es ein Recht auf Erfüllung des implantationsdiagnostikgesetz – PräimpG) Kinderwunsches mit medizinisch-technischer Hilfe? (Tagesordnungspunkt 24) Was wir angehen sollten, ist die verstärkte Förderung von Alternativen zur Präimplantationsdiagnostik für „Ri- Helga Kühn-Mengel (SPD): Liebe Kolleginnen und sikopaare“ wie Pflegeschaft, Adoption. Das Mindeste ist Kollegen von der FDP. Sie haben hier einen Gesetzesent- eine qualifizierte umfassende Beratung zu Beginn dieser wurf vorgelegt, der es dem Einzelnen, der Einzelnen er- schwierigen Entscheidung. möglichen soll, Präimplantationsdiagnostik in Anspruch Neben dem frauenpolitischen Aspekt ist mein zweiter zu nehmen. Der Gesetzgeber soll sich nach Ihrem Entwurf Punkt die gesellschaftliche Dynamik, die einer gesetzli- dem, was der Wirtschaft dient, nicht in den Weg stellen, chen Öffnung der Präimplantationsdiagnostik folgen das heißt den Kräften des Marktes. würde. Das Angebot der Präimplantationsdiagnostik birgt Bemerkenswert ist, wie wenig Zweifel, wie wenig die Gefahr einer unrealistischen Erwartungshaltung auf Nachdenklichkeit Sie im Umgang mit diesem Thema zei- ein gesundes Kind und dass der gesellschaftliche Druck (B) gen. weiter erhöht wird, die Geburt eines Kindes mit Behinde- (D) rung zu verhindern. Für diese gesellschaftlich bedingten Der Wunsch nach einem eigenen und möglichst gesun- Probleme scheint Präimplantationsdiagnostik augen- den Kind ist nachvollziehbar. Für circa 50 Paare jährlich scheinlich individuelle Lösungen bereitzustellen. in Deutschland wird der Kinderwunsch zum Problem, weil sie wegen genetischer Belastungen mit großer Wahr- Als Behindertenbeauftragte der SPD-Bundestagsfrak- scheinlichkeit ein erbkrankes Kind bekommen können. tion ist es mir ein besonderes Anliegen zu hinterfragen: Ich verstehe die Hoffnung, die mit der Möglichkeit ver- Was bedeutet dies alles für Menschen mit Behinderun- bunden ist, in die Natur des Menschen eingreifen zu kön- gen? Die Einzigartigkeit jedes Menschen ist Ausdruck nen. Aber wir müssen diese Hoffnungen gegen die Inte- seiner Würde. Die Zulassung der PID kann stigmatisie- ressen, Rechte und Pflichten aller anderen Menschen rende, ausgrenzende und diskriminierende Tendenzen in abwägen. Wir haben nicht nur die rechtliche Dimension der Gesellschaft gegenüber Menschen mit Behinderungen zu bewerten, sondern auch ethische Fragen, die Auswir- und chronisch Kranken verstärken. Behinderung wird kungen auf Frauen und Gesellschaft. dann womöglich nicht mehr als Schicksal betrachtet, son- dern als selbst verschuldet verurteilt werden. Dahinter Wenn Sie sich die Erfolgsrate der PID anschauen, kön- steckt natürlich die grundsätzliche Frage, wie unsere Ge- nen Sie vielleicht ermessen, welche Belastung dies für die sellschaft jetzt und in Zukunft mit Krankheiten und Be- betroffenen Frauen bedeutet. Die ESHRE-Studie weist für hinderungen umgehen will. den Zeitraum von 1993 bis 2000 weltweit die Behandlun- gen von 886 Frauen aus; diese Behandlungen hatten Ist es denn nicht viel wichtiger, dass die Gesellschaft 123 Geburten mit 162 Kindern zur Folge. Durchschnitt- lernt, mit Verschiedenheiten und Krankheiten umzuge- lich wurden pro Geburt 74 Eizellen befruchtet, 11 Em- hen, dass wir das Diskriminierungsverbot unseres Grund- bryonen übertragen. Bezogen auf die etwa 50 betroffenen gesetzes – Art. 3 Abs. 2 – weiter umsetzen, anstatt Behin- Paare in Deutschland, von denen einige letztlich auch derungen als menschenunwürdig einzustufen? Diese noch andere Alternativen wählen, kämen jährlich zwei bis Überlegungen sollten sich zumindest in einem Gesetzent- drei Kinder nach PID in unserem Land zur Welt. Die nicht wurf widerspiegeln. einfach abzuwägende Frage lautet: Sollen wir dafür den Embryonenschutz aufgeben? Margot von Renesse (SPD): Nachdem ich den Ge- Zur PID gehört eben nicht nur der Wunsch nach einem setzentwurf der FDP zur Präimplantationsdiagnostik ge- eigenen Kind, sondern auch die so genannte Verwerfung lesen habe, habe ich für Vorträge und Podiumsdiskussio- genetisch belasteter Embryonen. Vielleicht ist das der von nen dankenswerterweise neuen Stoff bekommen: Ich