Landschaftspflege Und Naturschutz in Thüringen
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Landschaftspflege und Naturschutz in Thüringen 48. Jahrgang • Heft 2 • 2011 Aus dem Inhalt • Steinbruch am Mönchsberg und Artenvielfalt • Wanderrouten für Wildkatzen – eine GIS-Analyse • 10 Jahre Libellen-Monitoring im Kuhbergbruch, Landkreis Greiz • Schülerinnen forschen für den Naturschutz – Streuobstwiesen in Großbockedra Impressum Namentlich (auch mit Kürzel) gekenn- Landschaftspflege und Naturschutz zeichnete Beiträge geben nicht in jedem Fall die Meinung der Redaktion wieder. Für in Thüringen fehlerhafte Angaben kann keine Haftung übernommen werden. 48. Jahrgang Heft 2 • 2011 Herausgeber: Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie Göschwitzer Straße 41 07745 Jena Fernruf: (03641) 684 103 Fax: (03641) 684 222 e-mail: [email protected] Internet: http://www.tlug-jena.de Redaktionskollegium: O. Bellstedt K.-H. Bock Dr. F. Fritzlar M. Großmann Prof. Dr. R. Haupt U. Katzenberger Dr. S. Klaus R. Knebel A. Martius Dr. R. Mohr Dr. H.-U. Peter Dr. J. Pusch A. Thiele Dr. Ch. Unger H. Uthleb Dr. W. Westhus Dr. J. Wiesner Lektorat und Redaktion: A. Nöllert Redaktionsschluss: 18. 09. 2011 ©Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie Abteilung Naturschutz/Weimar Gesamtherstellung: Gutenberg Druckerei GmbH Weimar Marienstraße 14 | 99423 Weimar Bezugsbedingungen: Jährlich vier Hefte (einschl. Sonderheft) Einzelverkaufspreis: € 5,00 Sonderheft: € 5,00 Jahresabonnement: € 13,00 (inkl. Versand) Bestellungen nur über den Herausgeber, Lieferung mit Rechnung Titelbild: Ehemaliger Kalksteinbruch am Mönchsberg (Jena/Thüringen) von Osten, 18.06.2009. (Aufn. K. Winter; © D. Stremke) – Blauflüglige Ödlandschrecke, Oedipoda caerulescens, zwischen verrosteten Patronenhülsen, 21.08.2010. (Aufn: G. Köhler) Blaugrüne Mosaikjungfer, Aeshna cyanea, Männchen. (Aufn. F. leo, www.fokus-natur.de) Landschaftspflege und Naturschutz in Thüringen 48 (2) 2011: 37–59 37 Hauptbeiträge Günter köhler, Simone Pfeiffer & WolfGanG heinrich Der ehemalige Kalksteinbruch am Mönchsberg bei Göschwitz (Jena/Thüringen) – Geschichte, Renaturierung und Naturschutz Kurzfassung Am Mönchsberg bei Jena/Thüringen ist von 1886–1967 Kalkstein für die Zement- und Betonproduktion gebrochen worden. Der aufgelassene Steinbruch (ca. 18 ha) wurde danach bis 1989/90 als paramilitärisches Übungsgelände genutzt und ist seit 2007 Teil des NSG „Leutratal und Cospoth“. Anhand von Luftbildern werden die Veränderungen in den letzten 50 Jahren dokumentiert und für den Zeitraum 1991–2011 die naturschutzrelevanten floristisch- vegetationskundlichen und ökofaunistischen Befunde dargestellt. In einem Mosaik aus Magerrasen- und Waldbio- topen konnten 246 Phanerogamen- (darunter 12 Orchideen-) Arten in 10 Gesellschaften sowie 35 Moos-Arten nachgewiesen werden. Die spontan aufgewachsenen Wald-Kiefern wiesen (2005) ein Altersspektrum von etwa 8–60, vereinzelt auch bis 100 Jahren auf. Der Steinbruch beherbergt 19 Schnecken-, 82 Webspinnen-, 20 Heuschre- cken- und 273 Großschmetterling- (darunter 47 Tagfalter-) Arten. Im Gegensatz zur seltenen Rotflügeligen Ödland- schrecke, Oedipoda germanica (Kat. 1 in RLD und RLT) erfuhr Oe. caerulescens von 2005–2010 einen starken Popu- lations- und Flächenzuwachs. Insgesamt wurden 12 in Thüringen gefährdete Pflanzen- und 30 Wirbellosen-Arten nachgewiesen. Der aktuelle Geländezustand sowie Entwicklung und Pflege der Lebensräume werden aufgezeigt. Abstract The former limestone quarry Mönchsberg near Göschwitz (Jena/Thuringia) – history, renaturation and nature conservation From 1886 until 1967 on the Mönchsberg near Jena/Thuringia limestone was broken for the cement and concrete production. Afterthat till 1989/90, the closed quarry (about 18 ha) served as a paramilitary training area, and in 2007 it became part of the nature reserve „Leutratal und Cospoth“. On the basis of aerial photographs the changes in the past half century are documented and floristic and vegetation aspects as well as faunistic results from 1991– 2011, relevant to nature protection, are presented. In a mosaic of dry grassland and wooded biotopes a total of 246 spermatophyte (including 12 orchid) species in 10 plant communities and 35 moss species were detected. The spontaneously distributed pines (Pinus sylvestris) showed (in 2005) a broad age spectrum of 8–60, occasionally up to 100 years. In the quarry 19 Gastropoda, 82 Araneae, 20 Orthoptera, and 273 butterflies and moths species occur. The population of the red-winged grasshopper, Oedipoda germanica (critically endangered in Germany and Thuringia), was very low, whereas that of Oe. caerulescens considerably increased from 2005–2010. Altogether, 12 plant and 30 invertebrate species of the quarry are endangered in Thuringia. The actual situation of the area as well as its further development and management are described. Key words Araneae, Gastropoda, limestone quarry, Oedipoda, orchids, Orthoptera, renaturation, Spermatophyta, vegetation, Thuringia, Germany 1 Einleitung 21 in der Terebratel- und 7 in der Schaumkalkzone. Die meisten dieser Ende des 19. Jh. und Anfang des 20. Jh. Die Bedeutung von Steinbrüchen als Extremlebensräu- angelegten Brüche sind seit Jahrzehnten aufgelassen me und schützenswerte Landschaftsbestandteile ist seit und wuchsen im Laufe der Zeit soweit zu, dass sie oft- langem erkannt und in einschlägigen Beiträgen und mals kaum noch in der Landschaft erkennbar sind. Ihre Handbüchern beschrieben worden (u. a. Gilcher & BrunS regionale naturschutzfachliche Bedeutung wurde dem- 1999, ZerBe & WieGleB 2009, Durka et al. 2010). Auch in der zufolge erst recht spät erkannt und deren floristisch- eindrucksvollen Triaslandschaft um Jena, geologisch ge- vegetationskundliche und ökofaunistische Erforschung prägt vom Oberen Buntsandstein (Röt) und Unteren Mu- erfolgte – etwa im Vergleich zu den unzerstörten, natur- schelkalk (Wellenkalk), hat man deren Gesteinsschichten nahen Muschelkalkhängen um Jena – eher sporadisch über die Jahrhunderte als Bau- und Zusatzstoffe abge- und lückenhaft. Umfangreichere Erhebungen liegen nur baut. So verzeichnen WeiSe & SchillinG (1997) in einer Re- aus wenigen Kalksteinbrüchen vor: Jenaer Forst, Tatzend, gionalkarte allein 28 Stellen mit Wellenkalkabbau, davon Leutratal (marStaller 1980 – Moose), SteuDnitZ (seit 1994 38 Günter köhler, Simone Pfeiffer & WolfGanG heinrich wieder in Betrieb: heinrich 1984 – Vegetation; WaGner rich & kühn 2009, krahn 2010), wurde der Steinbruch samt 2000, köhler & WaGner 2000 – Oedipoda), Pennickental seines saaleseitigen Steilhanges in das erweiterte und (heinrich 1994, 2001, 2002 – Vegetation) und Münchenro- gesicherte NSG „Leutratal und Cospoth“ (Nr. 150, EUS-Da- da (köhler et al. 2005a, köhler & Pfeiffer 2005 – Vegetation, tum 23.01.2007) eingegliedert (WenZel 2009, WenZel et al. Wirbellose). 2011). Aufgrund ihres Orchideenreichtums wurden zwei Dagegen war der Steinbruch Mönchsberg auch nach Auf- frei zugängliche Unterhangbereiche des Mönchsberges lassung weder für die Öffentlichkeit noch die Forschung schon lange vorher als GLB unter Schutz gestellt: 1976 zugänglich. In diesem 1886 angelegten Kalkbruch des der südöstliche, 1990 auf 0,8 ha erweiterte Mittelhang als ehemaligen Zementwerkes Göschwitz wurde bis 1967 „Mönchsbergwiese“ und 1990 auf 5 ha ein vormals wohl Gestein gebrochen, danach diente er bis 1989/90 als pa- teilweise als Gesteinshalde genutzter nordöstlicher Be- ramilitärischer Übungsschießplatz (Kampfgruppen, Po- reich mit lichtem Kiefernwald als „Über der Lut(z)schke“ lizei, Gesellschaft für Sport und Technik) sowie 1990/91 (krahn, nach 1997, heinrich 1997). als Grobmüll- und Autoverwertungsdeponie. Nach der Beräumung (1995/96) zunächst Teil des Kerngebietes Die detaillierte Erforschung des Steinbruchs wurde erst Nr. 7 des Naturschutzgroßprojektes „Orchideenregion ab 1991 nach Zugänglichkeit des zuvor eingezäunten Jena – Muschelkalkhänge im Mittleren Saaletal“ und von und teils bewachten Geländes möglich (Tab. 1). In den dessen Zweckverband aufgekauft (krahn et al. 2001, frieD- 1990-er Jahren wurden vor allem floristisch-vegetations- Tab. 1: Arterfassungen (ohne Wirbeltiere) und ökologische Geländeaufnahmen im Steinbruch am Mönchsberg, 1991–2011. Termin / Zeitraum Untersuchung Bearbeiter Quelle 8.VIII.91 Heuschrecken (Artenspektrum) Köhler, Krahn, Köhler, in litt. Julich M VII – M IX 92 Vegetationsaufnahmen, Pflanzenge- Weiß, Heinrich WeiSS (1993, Dipl.) sellschaften, Pflanzenlisten Stadtbiotopkartierung (Heinrich, Marstaller) 16.VII./24.VII./21.VIII.95 Vegetationsaufnahmen, Pflanzenge- Rothe rothe (1997, Dipl.) sellschaften (Westteil) A IV – E VI 96 Rasterkartierung Marstaller, Peter, inStitut für ökoloGie (1996) ausgewählter Pflanzenarten, Groß- Voigt + Studenten schmetterlinge III 97 – VII 98 Großschmetterlinge Grajetzki GottSchalDt et al. (2000, (Artenspektrum) 2001) 22.V.98 Schnecken (Aufsammlung) Bößneck BöSSneck (2000) 28.VII.00 Vegetationsaufnahmen Jetschke + Stu- Jetschke, in litt. (Kalkschuttfluren) denten 15.VI.05 Gebietsbegehung Köhler Köhler, in litt. 16.VII.05 Oedipoda Köhler Köhler, in litt. (Morphometrie, Begleitarten) 27.–30.VII.05 Biotopkartierung, Vegetations- Köhler, Pfeiffer + Terr. Grundpraktikum aufnahmen, Baumalter, Bodenlese, Studenten 2005 (Köhler & Pfeiffer, Bodenfallen, Kescherfänge, Oedipoda in litt.) (Kartierung) 17.IX.05 Oedipoda (Kartierung, Habitatnutzung, Köhler, Specht köhler et al. (2005b) und Morphometrie, Begleitarten) in litt. 31.VII. – 1.VIII.06 Oedipoda Ritz + Studenten Modulpraktikum 2006 (Ethogramme, Habitatnutzung) (Köhler & Ritz, in litt.) 29./30.VII.08 Oedipoda Arnold, Marquart, Terr. Grundpraktikum