66 Geol. Paläont. Westf. 90: Mitteilungen Krokodilfund aus dem Ornatenton (Callovium, Jura) dazu gehörenden Unterkiefer (Waskow et al. 2018). bei Minden Während die Schädel- und Unterkieferknochen recht Schatzfund* vollständig überliefert sind und entsprechend ausführ- lich beschrieben werden konnten, fehlen die meisten Im Herbst 2014 wurde in der Ornatenton-Formation Zähne. Die eruptierten Zähne sind abgebrochen, jedoch (Callovium, Mitteljura) des Wiehengebirges, im Mas- sind auch einige nicht eruptierten Exemplare zu erken- loh-Steinbruch bei Minden, Unterkieferbruchstücke eines nen. Die osteologischen Merkmale zeigen eine breite Krokodils entdeckt. Der Finder, Herr Maik Sieker (Her- Übereinstimmung mit Tyrannoneustes lythrodectikos ford), ist vom LWL-Museum für Naturkunde beauftragt, Young et al., 2013. Da jedoch auch Unterschiede zu dem die Belange der paläontologischen Bodendenkmalpflege bekannten Material dieser Art vorhanden sind, haben die in diesem Gebiet wahr zu nehmen. Entsprechend §17 des Bearbeiter den Fund als Tyrannoneustes cf. T. lythrodecti- Denkmalschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen hat er den kos beschrieben. Fund an die Wissenschaftler des Referats Paläontologie Die Gattung Tyrannoneustes wird zu den Metriorhyn- im LWL-Museum für Naturkunde, Münster gemeldet. Es chidae gerechnet, einer Gruppe von marinen Krokodi- wurde umgehend eine Ausgrabung durch Mitarbeiter len, die im Mitteljura auftraten und in der Unterkreide des Museums durchge- ausstarben. Die Vertreter dieser Gruppe zeigen markante führt. In dem Zuge Anpassungen wurde der an ein per- zuge- manentes hörige Leben im Schädel Wasser: Kopf des In- und Körper dividuums sind stromli- gefunden und (Foto C. Steinweg) nienförmig, ausgegraben; Kno- die Vorder- chen des Postcraniums wurden nicht gliedmaßen sind klein und entdeckt. Das Stück wird unter der Inventarnum- paddelförmig, der Schwanz zeigt mer P 64162 in der paläontologischen Sammlung des Anzeichen für das Vorhanden- LWL-Museums für Naturkunde in Münster verwahrt. sein einer Schwanzflosse, ein Die Ornatenton-Formation des Weser-Wiehengebir- leichter Knochenbau im Schädel, es sind keine osteo- ges hat bereits in der Vergangenheit mehrfach Wir- dermalen Knochenplatten ausgebildet. Damit stellen die beltierfossilien geliefert. Michalis et al. (1996) haben Metriorhynchidae die einzige pelagisch lebende Gruppe eine umfassende Bearbeitung der Wirbeltierfunde aus der Archosaurier dar, die bislang bekannt ist. Tyranno- dem Steinbruch Störmer beschrieben. Die dokumen- neustes ist aus dem mittleren und oberen Callovium von tierte Fauna umfasst überwiegend marine Vertreter, England, Frankreich und Polen bekannt, der Fund bei die durch Einzelfunde oder disartikulierte Reste belegt Minden stellt also den Erstnachweis für Deutschland dar. sind. Neben Chondrichthyern und Osteichthyern fanden (AS) sich so auch Reste von Ichthyosauriern, Plesiosaurieren, marinen Krokodilen und, vereinzelt, Dinosauriern. Damit Literaturverzeichnis ergibt sich eine breite Überschneidung mit der Fauna Martill, D.M. & Hudson, J.D. 1996: Fossils of the Oxford Clay. - Palaeontological Association Field Guide to des englischen Oxford-Clays (Martill & Hudson 1996). Fossils 14, 1–286. Unweit des Steinbruchs Wallücke wurden 1998 durch Michalis, I., Sander, P. M., Metzdorf, R., Breitkreuz, H. Mitarbeiter des LWL-Museums für Naturkunde Reste 1996: Die Vertebratenfauna des Calloviums (Mit- tlerer Jura) aus dem Steinbruch Störmer (Wallücke, eines großen Theropoden ausgegraben, die Rauhut et al. Wiehengebirge). - Geologie und Paläontologie in (2016) als Wiehenvenator albati beschrieben haben. Der Westfalen 44, 1–66. Fund dieses Krokodilschädels erweitert nun die Fauna Rauhut, O. W., Hübner, T. & Lanser, K.-P. 2016: A new megalosaurid theropod dinosaur from the late der Meereskrokodile, die bislang aus den westfälischen Middle () of north-western Germa- Aufschlüssen der Ornatenton-Formation bekannt ist. ny: Implications for theropod evolution and faunal turnover in the Jurassic. - Palaeontologia Electronica Die wissenschaftliche Auswertung dokumentiert einen 19.2.26A, 1–65. vollständigen Schädel von etwa 69 cm Länge mit dem

*Nach dem Denkmalschutzgesetz NRW § 17 "Schatzregal" könnten, muss umgehend die zuständige Untere Denkmalbehör- gehen Fossilien von besonderer wissenschaftlicher Bedeutung de (Gemeinde) oder das Referat Paläontologie des LWL-Museums bei ihrer Entdeckung in das Eigentum des Landes NRW über. für Naturkunde, Münster informiert werden. Werden Fossilien entdeckt, die unter diese Kategorie fallen Geol. Paläont. Westf. 90: Mitteilungen 67 Waskow, K., Grzegorcyzk, D. & Sander, P. M. 2018: The Young, M. T., Brusatte, S. L., Andrade, M. B., Sakamoto, M. first record ofTyrannoneustes (: Met- & Liston, J. 2013: The oldest known metriorhynchid rorhynchidae): a complete skull from the Callovium super-predator: A new genus and species from the (late Middle Jurassic) of Germany. - Paläontologische Middle Jurassic of England, with implicatons for serra- Zeitschrift 92, 457-480. tion and mandibular evolution in predacious clades. - Journal of Systematic Palaeontology 11, 475–513.

Ein Plesiosaurier aus dem Amaltheenton (Pliensbachium, Jura) von Bielefeld

Bereits in den frühen 1980er Jahren entdeckte der Hannoveraner Fossiliensammler Lothar Schulz ein unvollständiges Plesiosaurier-Skelett in der Amaltheen- ton-Formation (oberes Pliensbachium, Unterjura) der 1 m Tongrube Beukenhorst II im Bielefelder Stadtteil Jöllen- (Abb. aus Sachs & Keiter 2018) beck (Schubert 2018). Der Fund umfasst, nebst diver- sen Fragmenten, etwa 90 Einzelknochen. Unter diesen Sammler Siegfried Schubert, der den Fund aus seiner befindet sich ein unvollständiger Unterkiefer, Zähne, Sammlung der Wissenschaft zugänglich machte. Die sowie Teilen der Wirbelsäule, der Gürtelknochen und genannten anatomischen Besonderheiten finden sich der Extremitäten (Sachs & Keiter 2018). Der Jöllenbecker im Unterkiefer, den Halswirbeln und dem Schulterblatt. Plesiosaurier gelangte später in den Besitz von Siegfried Hinter der Gelenkpfanne des Unterkiefers ist eine mar- Schubert, einem Sammler von Fossilien aus der Region kante Kerbe ausgebildet, die eigentlich charakteristisch Bielefeld. Im Jahr 2015 übergab Herr Schubert den Fund für eine kreidezeitliche Plesiosaurier-Gruppe ist, den dem Naturkunde-Museum Bielefeld, wo er seitdem unter Leptocleida. An den Halswirbeln von Arminisaurus sind der Inventarnummer Namu ES/jl 36052 verwahrt wird. seitlich am Wirbelbogen kleine dornenartige Vorsprünge, Plesiosaurier sind eine ausgestorbene Gruppe von so genannte parazygapophyseale Fortsätze, ausgebildet, Meeresreptilien, die während des Mesozoikums weltweit die sich nur bei sehr wenigen Plesiosaurier-Arten finden. verbreitet waren. Ihr Körperbau spiegelt eine aquati- An der unteren Außenseite des Schulterblatts ist ein aus- sche Lebensweise wider, was unter anderem durch die ladender Kiel vorhanden, der in ähnlicher Form ebenfalls vollständige Umwandlung der Gliedmaßen in Paddel zu bei den Leptocleida auftritt. Ein weiteres besonderes erkennen ist. Einer der frühesten Plesiosaurier ist Rhaeti- Merkmal am Schulterblatt ist der flache, aufgerichtete cosaurus mertensi aus der Obertrias von Bonenburg im Teil, der sogenannte dorsale Fortsatz, dem die sonst für Kreis Höxter (Wintrich et al. 2017). Plesiosaurier des Unterjura typische Verdickung auf der Im Unterjura, speziell in der Stufe des Toarciums, Innenseite fehlt. zeigen Plesiosaurier bereits eine beträchtliche Diversität. Die stammesgeschichtliche Analyse der anatomischen Aus dem Pliensbachium hingegen sind entsprechende Merkmale durch Sachs und Kear (2017) ergab, dass Armi- Fossilien selten, was den Bielefelder Fund besonders nisaurus der Familie der zugeordnet werden macht (Sachs et al. 2014). Die einmalige Kombination kann, die mit Rhaeticosaurus bereits seit der Obertrias der anatomischen Merkmale (Sachs & Kear 2017) erlaubt bekannt ist. Die Pliosaurier bildeten später (vor allem im die Aufstellung einer neuen Gattung und Art, Armini- Oberjura) auch Formen mit Riesenwuchs aus, die eine saurus schuberti Sachs & Kear, 2017. Der Gattungsname, Körperlänge von über 10 m erreichen konnten (vgl. Sachs der sich auf Arminius, den Cherusker bezieht, ist eine & Nyhuis 2015). Verglichen hiermit war Arminisaurus mit Hommage an die Fundregion. Der Artname ehrt den einer Länge von ca. 3 m ein eher kleinerer Vertreter.