Zwischen Saastal und Simplon gibt die -Kette eine unver- gleichliche Panoramarunde her. Im Bann einiger Walliser Viertausender verheißen vergessene Täler einsame Bergabenteuer. Text und Fotos: Iris Kürschner, Dieter Haas

Um die Weissmies- Kette Unter

Gletscherntrekken Weissmies-Trek

Über Italien geht die Sonne auf – frühmor- gendliche Impressionen Gletschern am Zwischbergenpass

DAV 4/2018 17 insam und wild sollte es wer­ Saas Almagell an Höhe, verdecken erst den, mit Blick auf eisgepanzer­ Täschhorn, und Lenzspitze den Tal­ te Viertausender. Im Wallis einschnitt der Almageller Alp. Mit jedem lässt sich das selbst an so be­ Meter bergwärts schieben sich weitere kannten Orten wie Saas Fee Viertausender ins Bild: , Allalin­ Efinden. Während die Tour mit horn, Rimpfschhorn, . Als wür­ berühmtem Namen lockt und entspre­ de ein Vorhang aufgehen – für alle Sinne. chend gut begangen wird, scheint das Es lässt sich freier atmen, weiter denken, Simplon-Fletschhorn-Trek­ intensiver schmecken über king niemanden zu interes­ Ein Vorhang den Schluchten des Alltags. sieren. Die neuntägige Tour Knallrote Himbeeren und schlägt einen Bogen um das geht auf pralle Heidelbeeren säumen Gipfeltrio Fletschhorn, Lag­ im August den Wegesrand. ginhorn und Weissmies, mit für alle Ulli schiebt sich Hände voll ausladendem Schwenk ins des süßen Früchteangebots in Piemont durch die Täler von Sinne den Mund. Wir sind zu viert Antrona und Bognanco. Eine und haben keine Eile. Dreiein­ aufregende Partie auf uralten Schmugg­ halb Stunden Eingehmarsch zur Alma­ ler- und Grenzpfaden und etwas für Hart­ geller Hütte. Erst die nächste Etappe wird ten – mehr leidenschaftlicher Bergführer gesottene, denn einige Etappen sind auf­ fordern. denn Koch – wusste schon, warum er dem grund mangelnder Unterkünfte sehr lang. Damit einem beim Warten auf das Sohn die Bewirtschaftung überließ. „34 Jah­ Leicht lässt sich aber auch eine kürzere Abendessen nicht langweilig wird, hat re ist das nun her“, schmunzelt Hugo. Und Variante herauspicken, indem man über Hugo Anthamatten vor der Hütte Slack­ er erzählt vom Vater, der hier mit seinem den Zwischbergenpass den Kreis um das lines aufgespannt. Hugos Balanceakt findet Gast, dem Visper Arzt Donat Jäger, noch in Gipfeltrio enger schließt. Schon der Auf­ in der Küche statt: Schnitzel panieren, den 1970er Jahren von einer Hütte träumte. takt dieser fünftägigen Runde um die Risotto sämig rühren ... Alfred Anthamat­ Die beiden Bergsteiger liebten das Hochtal Weissmies-Kette beschert Augenschmaus mit seinem reizvollen Tourenpotenzial, auf die Saaser Riesen. Gewinnt man von

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Gletscherschau vom Zwischber- genpass auf Monte Rosa, Strahl- horn, , und Alphubel (o.); beim Aufstieg zum Wyssbodehorn imponiert die eindrucksvolle Nordflanke des Fletschhorns (ganz l.); über letzte Gletscherreste zieht die Route ins Zwischbergental (l.).

dort, wo der steinige Boden jäh nach Osten abbricht, kitzeln die ersten Sonnenstrah­ len die Berge Italiens. Die Weissmies-Aspi­ ranten sind längst abgebogen, und der Zwischbergenpass gehört uns alleine. Eine mit Felstrümmern übersäte wilde Furche zieht durch die Steilflanken von Portjen­ aber weniger die langen Zustiege. Dank ih­ Uhr geweckt. „Steht mit den Weissmies-As­ grat und Tällihorn über letzte Gletscher­ rer Initiative kam es zu der in der Hütten­ piranten auf“, gibt uns Hugo den Tipp. „Es reste talwärts. Aus den himmelhohen geschichte recht späten Erschließung – der gibt nichts Schöneres, als den Sonnenauf­ Mauern lösen sich immer wieder Gesteins­ SAC realisierte 1984 seine jüngste Hütte. gang am Zwischbergenpass zu erleben.“ brocken und kollern in den Höllenschlund. Die Kletterrouten am Portjengrat und Stirnlampen huschen durch die Dunkel­ Gottlob in gebührendem Abstand, doch der den Dri Horlini, die Besteigung des Weiss­ heit. Mit der Dämmerung verschwindet dumpfe Aufprall lässt uns die Haare zu Ber­ miesgipfels über den Südgrat benötigen auch die Müdigkeit. Im Westen leuchtet ge stehen. Unglaublich, dass hier einst ein seither kein Expeditionslager mehr. Ein das weiße Diadem der Viertausender, und rege genutzter Saumweg zwischen Gondo, strikter Zeitplan bleibt dennoch. Zum Zwischbergen und Saas Almagell hindurch­ Frühstück wird um vier und um sieben

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UM DIE WEISSMIES-KETTE Anspruchsvolle Trekkingrunde bis auf knapp 3300 Meter Höhe für konditionsstarke und routinierte Bergwanderer. Entsprechende Erfahrung und adäquate Ausrüstung für hochalpines Ambiente sind neben guten Verhältnissen Voraussetzung für diese vergleichsweise wenig begangene Mehrtagestour, die auch als Tour Fletschhorn beschrieben ist.

Anreise Zuganfahrt über Visp nach und per Postauto zum Ausgangspunkt nach Saas Almagell.

Etappen 1. Tag (Eingehetappe): Saas Almagell (1660 m) – Almageller Hütte (2894 m), o 1220 Hm, 3 ½ Std. 2. Tag: Almageller Hütte – Zwischbergenpass (3268 m) – Zwischbergen (1359 m), o 400 Hm, a 1940 Hm, 7 ½ Std. 3. Tag: Zwischbergen – Furggu (1872 m) – Simplon Dorf (1460 m), o 740 Hm, a 630 Hm, 4 Std.; lohnende Variante: Furggu – Laggintal – Simplon Dorf, 1 Std. länger. 4. Tag: Simplon Dorf – Sirwoltesattel (2621 m) – Gibidumpass (2201 m) – Gspon (1893 m), o 1350 Hm, a 930 Hm, 9 Std. 5. Tag: Gspon – Kreuzboden (2397 m) – Almageller Alp (2194 m) – Saas Almagell, o 1000 Hm, a 1230 Hm, 8 Std. Unterkünfte ››Almageller Hütte, almagellerhuette.ch ››Pension Zwischbergen, Tel.: 0041/27/979 13 79 ››Simplon Dorf: Restaurant Mountain Café Simplon, mountaincafe-simplon.ch; Hotel Post, hotel-post.ch; Hotel Grina, hotelgrina.ch; Hotel Fletschhorn, hotelfletschhorn.ch ››Gspon: Hotel Alpenblick, alpenblick-gspon.ch; Berghotel Almageller Alp, almagelleralp.ch ››Saas Almagell: Hotel Kristall Saphir, kristall.ch Karten Swisstopo 1:50.000, Blätter 274T Visp und 284T Mischabel.

Literatur Bernhard Rudolf Banzhaf: Alpinwandern Wallis, SAC Verlag 2003. Hier als Tour Fletschhorn beschrieben. Remo Nanzer: Simplon-Fletschhorn-Trekking, Rotten Verlag 2004. Das Büchlein stellt die große Runde vor.

Information Wallis Promotion: .ch; Saas Fee Tourismus: saas-fee.ch; Brig-Simplon Tourismus: brig-simplon.ch; Gspon Tourismus: staldenried-gspon.ch

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Im unbewohnten Nanztal ist Genuss- wandern entlang der Suone Heido angesagt – der historische Wasserka- nal geht bis ins 14. Jahrhundert zurück; die zotteligen Schwarzhalsziegen am Sirwoltesattel sind gut an das Leben in den Bergen angepasst.

umzuhauen. Der stattliche Dorfplatz träumt vor sich hin. Melancholisch plät­ schert der Steinbrunnen, um den sich einst Säumer mit ihren Packtieren schar­ ten. Im Eco-Museum gleich daneben hän­ gen die Bilder aus jener Zeit, als der Tran­ sithandel die Bewohner ernährte. Aber im­ mer noch wird das Roggenbrot gebacken, seit über hundert Jahren nach dem über­ lieferten Rezept der Bäckerei Arnold. Ein Sauerteigbrot ohne Zusätze, ewig haltbar und heute als Slow Food zelebriert. Und immer noch dient das Hotel Post, unter Napoleon 1810 als Kaserne erbaut, dann lange Zeit Pferdewechselstation für Post­ kutschen, als Herberge. Auf der Speisekarte macht die „Cholera“ neugierig. Sie ent­ puppt sich als Walliser Spezialität: ein herzhafter Gemüsekuchen aus Kartoffeln, Lauch, Äpfeln und Käse. Der etwas ab­ schreckende Name wird gerne auf die Cho­ geführt haben soll. An ein schnelles Vor­ treibt. „Die Landflucht setzte hier in den lera-Epidemie von 1830 zurückgeführt, als wärtskommen durch das chaotische Block­ 1970er Jahren ein. Von einst zwölf Voller­ die Walliser ihre Häuser nicht verlassen werk ist nicht zu denken. Man fühlt sich werbsbauern ist nur noch einer geblieben.“ sollten und kochen mussten, was Speise­ klein und zerbrechlich – wie Ameisen, die Die nächste Etappe wäre eigentlich eine kammer und Garten hergaben. „Doch das über Mammutsteine kraxeln. Die Urland­ kurze, würde da nicht ein Höhenweg zu ei­ taten die Bäuerinnen ja ohnehin“, bemerkt schaft beängstigt und fasziniert zugleich. nem Schwenk durch das das „Schweizerische Idio­ Der Schlauch öffnet sich zu einer Ter­ unbewohnte Laggintal tikon“ dazu. Andere ver­ rasse, wo man wie auf einem Sprungbrett verlocken. Jede Ecke des Die „Cholera“ muten eine Wortab­ über dem Zwischbergental steht. Alterna­ gewundenen Pfades gibt entpuppt sich als stammung von der Kohle tiv zum alten Weg, der über eine steile und neue Perspektiven preis: (Chole, Cholära), mit der bröckelnde Moräne in den Talboden führt, mal auf die Simplon- Walliser die Pfanne zum Garen hat man eine neue, sichere Route durch Passstraße und die Mon­ überdeckt wurde. die Flanken der Sonnenseite angelegt. te-Leone-Gruppe, mal in Spezialität Sehr, sehr früh raus Schafe blöken über uns. Erst in der Sied­ den wilden Talschluss, heißt es anderntags. Die lung Bord weit unten begegnen uns wieder wo rauschende Wasser­ Etappe ins Vispertal lässt Menschen. „Nur noch vier ganzjährige Be­ fälle in Silberfäden vom zie­ bei einem Blick auf die Landkarte Endlo­ wohner zählt das Zwischbergental“, weiß hen. Dann Simplon Dorf, das, von der Pass­ sigkeit vermuten, und die Zeitangabe am Lukas Escher, der die einzige Pension be­ straße längst weit umfahren, in sich selbst Hotel Post von drei Stunden zum Sirwolte­ ruht. Die mit Granitplatten gedeckten see gilt wohl eher für Trailrunner. Auf je­ Häuser mit dicken Mauern scheint nichts

DAV 4/2018 21 den Fall ein landschaftliches Highlight, entgegen. Ein frei stehender Gipfel, bei dem Der Dorfplatz von Simplon Dorf hat einen ganz besonderen für das es passables Wetter braucht. Fels­ nichts von oben kommen kann und der Charme; am besten schmecken trümmer beim Aufstieg zum Rossbo­ mit kontrast­reicher Schau in die verglet­ die lokalen Alpprodukte; der denstafel erinnern an eine der größten scherte Nordflanke des Fletschhorns wie Almagellerbach bildet maleri- Katastrophen der Alpen. Am frühen Mor­ auf die weite Höckerlandschaft des Sim­ sche Kaskaden – hier führt der schönste Abstieg zum Ausgangs- gen des 19. März 1901 erschütterte nach plonpasses alle Bedenken vergessen lässt. punkt Saas Almagell zurück. tagelangem Schnee­fall und Föhnsturm Zwischen Gletschermoränen eingebettet eine gewaltige Detona­ liegen auf dem Weiter­ tion das Land. Mächti­ weg zum Sirwoltesattel ge Felsbrocken hatten Zwischen Gletscher- türkisblaue Seen. Man sich unter dem Gipfel moränen liegen fühlte sich in den Hi­ des Fletschhorns ge­ malaya versetzt, wären Wasserführen jenes ausgeklügelten Be­ löst und einen Teil türkisblaue da nicht die Schwarz­ wässerungssystems, das sich die Men­ des Rossbodenglet­ halsziegen, die uns schen im niederschlagsarmen Wallis aus­ schers mitgerissen – Seen über den Pass ins denken mussten, um das kostbare Nass eine Masse von etwa Nanz­tal begleiten. Wie von den Gletscherbächen an die trocke­ drei Millionen Kubikmetern, vergleichbar Freaks sehen sie aus mit ihren langen, zot­ nen Hänge zu leiten. In sanftem Gefälle mit dem Volumen von 5000 Einfamilien­ teligen Haaren, aus denen uns freche Au­ zieht der Wasserweg dem Gibidumpass häusern, ließ eine Schneise der Verwüs­ gen mustern. Eine uralte Walliser Gebirgs­ entgegen, der Blick schweift dabei frei tung zurück. Mit der Klimaerwärmung ziegenrasse, halb schwarz, halb weiß. über Nanz- und Rhonetal zum Berner Al­ werden solche Ereignisse keine Seltenheit Den hochalpinen Part haben wir hinter penkamm, auf die mächtige Pyramide des bleiben. Wir steigen, die jüngsten Schlag­ uns, es folgt bequemes Dahinschlendern Bietschhorns, auf Nest- und Aletschhorn. zeilen vom Bergsturz in Bondo im Bergell entlang eines historischen Wasserkanals, Tumult am Gibidumpass, wo Schäfer ge­ im Kopf, nachdenklich dem Wyssbodehorn hier Suone genannt. Die Suone Heido rade ihre Tiere in Sicherheit bringen. Ein durch das Nanztal, um 1305 erstmals ur­ Wolf hat mehrere Schafe gerissen. Zwi­ kundlich erwähnt, zählt zu den ältesten

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schen aufgebrachtem Stimmgefecht und Talsohle­ und der Mischabelgruppe, mit Blöken wird uns der Weg nach Gspon ge­ dem Dom als höchstem Punkt, beträgt wiesen. Noch anderthalb Stunden. Die 3822 Höhenmeter. Jetzt verdeckt eine Wol­ Füße wollen nur eins: endlich ankommen. ke, aus der Gletscherströme wie Haarsträh­ Wo das Wasser der Suone Heido zu den nen fließen, den Gipfelkamm. Am Gsponer Weinreben von Visperterminen hinun­ Höhenweg werden sie morgen Spalier ste­ terperlt, geht es für uns auf der Höhenli­ hen: die Saaser Riesen. Wie schrieb Mau­ nie erneut talein. Der Rückweg ins Saastal, rice Chappaz, der Walliser Poet der Berge, nun auf der Westseite der Weissmies-­ so treffend? „Was jedoch bei den Leuten Kette, fädelt sich durch knorrige Lärchen­ zählt, sind die Augen. Wie klar sie doch haine. Das Erste, was man vom Bergnest nach den Bergtouren sind! So durchsich­ Gspon sieht, ist unerwartet. In einem Ge­ tig, wie heißes Wasser oder Eis; die Iris ver­ lände, wo es kaum einen ebenen Winkel blasst: Das Unendliche der Erde oder des gibt: ein brettflaches Stück Kunstrasen. Himmels tritt in sie ein. Man liest in ih­ Zum Training auf Europas höchstem Fuß­ nen die Entfernungen.“ ballplatz müssen die Spieler mit der Seil­ bahn kommen, denn Gspon ist autofrei. Auch sonst gelten hier besondere Regeln, Flach spielen zum Beispiel. Dennoch ver­ schwinden pro Jahr an die 30 Bälle im Ab­ grund, erzählt Lisa, die mit ihrem Partner Iris Kürschner und Dieter Haas sind als das Hotel Alpenblick betreibt. Die Terrasse Alpinjournalisten und Fotografen rund die Hälfte des Jahres in den Alpen unterwegs, balanciert über dem tiefsten Einschnitt gerne auch auf weniger bekannten der Schweiz. Die Differenz zwischen der Runden.

Gelingt bei 170° C. Von hier. Von uns.

Schmeckt bei 11° C.

Wahre Grillmeister. Wenn draußen der Sommer erwacht, freut man sich auf Leckeres vom Grill. Am besten mit frischen Produkten von hier. Von uns kommen dazu die Roséweine, die das Grillvergnügen auf frische und fruchtige Weise perfekt abrunden. Entdecken Sie das Beste aus Württemberg: Achten Sie einfach auf das Siegel unserer Erzeuger. Württemberger Weingärtnergenossenschaften wein-heimat-württemberg.de

Württemberg ist eine geschützte Ursprungsbezeichnung (g.U.) der Europäischen Union. www.wein-heimat-württemberg.de/gU-wuerttemberg

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