Sonderheft: Klassiksommer 2013 6. Juni 2013 – 81. Jahrgang

80 JAHRE QUALITÄT

Wo Musik am schönsten ist Alle Festivals und Freilichtveranstaltungen der Saison. Mit Rachel Harnisch, Michael Haefliger, Hélène Grimaud, Plácido Domingo u. v. a. m. ®.

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Mehr klassische Musik für die schweiz. Die Credit Suisse pflegt langjährige Partnerschaften mit ausgewählten Kulturinstitutionen.

So mit dem Lucerne Festival, Opernhaus Zürich, Tonhalle-Orchester Zürich, Orchestre de la Suisse Romande, kammerorchesterbasel, Grand Théâtre de Genève, Opernfestival Avenches, den St. Galler Festspielen und dem Musikkollegium Winterthur.

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22232_230x300_Weltwoche_kla_d.indd 1 14.05.13 08:14 Klassiksommer 2013 Klassikredaktor Christian Berzins hat sich Autoren dem Phänomen Alpenfestivals angenommen. ­Verbier, wo Stars wie Anna Netrebko auftreten, Christian Berzins Schon oft wurde das Ende der klassischen und das Menuhin Festival in Gstaad sind nur ­Musik vorausgesagt – und trotzdem boomt sie die bekanntesten zwei. Für Alpen­destinationen Der 1970 geborene wie kaum zuvor. In den Sommermonaten ist gehört es zum guten Ton, ein ­eigenes Klassik- Journalist gehört zu das Angebot an klassischen Konzerten beson- festival durchzuführen. Berzins hat schon viele den profiliertesten ders gross: Fast jede Tourismusregion verfügt dieser Festivals besucht. So sehr sie sich auf den Musikkritikern der über ein eigenes Klassikfestival, im Flachland ersten Blick ähneln, hat doch jedes seine Eigen- Schweiz. Bereits im ziehen Freiluft-Konzerte und -Opern selbst heiten. Seite 8 Alter von zwölf ­jene Leute an, die sich nicht zu den regelmässi- ­Jahren besuchte gen Klassikhörern zählen. Das Angebot reicht er in ­ ein Konzert mit der vom internationalen Topanlass wie dem ­Dirigentenlegende . ­Lucerne Festival über die exquisiten Alpen­ Zu dieser­ «Klassiksommer»-Beilage hat festivals in Verbier oder Gstaad bis zur er zwei grössere Artikel beigetragen. ­Konzertreihe Murten Classics am Ufer des Murtensees. Marianne Zelger-Vogt

Die promovierte ­Historikerin war bis zu ihrer Pensionie- rung über dreissig Jahre lang Feuilleton- Redaktorin bei der NZZ – zuerst im ­Bereich Literatur, dann vor allem im ­Bereich Oper. In dieser Beilage ­porträtiert sie die aufstrebende ­Schweizer Sopranistin Rachel Harnisch.

Impressum

Bei der vorliegenden Beilage handelt es sich um ein Sonderheft zum Schweizer Klassiksommer 2013. «Revolution»: «Lucerne»-Direktor Haefliger. Herausgeberin: Weltwoche Verlags AG, Das Lucerne Festival steht dieses Jahr unter Förrlibuckstrasse 70, Postfach, 8021 Zürich dem Motto «Revolution». Wie kann sich ein Redaktion: Telefon 043 444 57 00, Fax 043 444 56 69, E-Mail: redaktion weltwoche.ch klassisches Musikfestival ein solches Motto @ E-Mail: [email protected] ­geben? Ist das eine Provokation? Weit gefehlt. Verlag: Tel. 043 444 57 00, Fax 043 444 56 07, Weltwoche-Kulturchef Rico Bandle hat den E-Mail: [email protected] Exquisit: klassische Musik in Verbier. ­Intendanten des Festivals, Michael Heafliger, Internet: www.weltwoche.ch in seinem Büro in Luzern besucht. Ausführlich Gründer: Karl von Schumacher (1894–1957) Für uns Grund genug, in einer neuen Beilage diskutierten die beiden, was die klassische Verleger und Chefredaktor: Roger Köppel auf das vielfältige Angebot aufmerksam zu Musik heute noch zu leisten vermag und wie Redaktionelle Verantwortung: Rico Bandle machen. Dabei konzentrieren wir uns auf die die Zukunft dieser Musikgattung aussieht. Mitarbeiter dieser Ausgabe Schweizer Veranstaltungen sowie die grossen Für Haefliger ist klar: «Revolutionäre Prozesse Redaktion: Marianne Zelger-Vogt, Hildegard ­Schwaninger, Christian­ Berzins. Bild: Adam Schwarz, internationalen Festivals in Salzburg, Bay- entspringen den Köpfen der Komponisten, das Joël Hunn. Layout: Tobias Schär, Silvia Ramsay. reuth, Verona und Bregenz, die auch viele macht sie erst genial.» Seite 24 ­Korrektorat: Rita Kempter, Viola Antunovits, Eva König, Dieter Zwicky. Produktion:­ Benjamin Bögli Schweizer Besucher anlocken. Bei fast allen Festivalspielplänen stehen Nur wenige Schweizer Sängerinnen und Druck: Ziegler Druck- und Verlags-AG, ­dieses Jahr zwei Jubilare im Zentrum: Richard ­Sänger schaffen es an die Spitze der inter­ Rudolf-Diesel-Strasse 22, 8404 Winterthur Wagner und Giuseppe Verdi, beide vor 200 nationalen Opernwelt. Zu ihnen gehört die ­auf Die Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise Jahren geboren. Das Lucerne Festival zum dem Cover abgebildete Sopranistin Rachel oder in Ausschnitten, ist nur mit ausdrücklicher Genehmigung ­Beispiel führt Wagners gesamten «Ring des Harnisch. Ihr Werdegang ist aussergewöhn- der Redaktion gestattet. Nibelungen» konzertant auf, die Zürcher lich: Aufgewachsen ist sie im Wallis, ihre Eltern ­Festspiele sind sogar gänzlich dem deutschen führten ein Schuhgeschäft,­ waren aber auch Komponisten gewidmet. der Musik sehr ­zugetan. Heute singt Harnisch Der Weltwoche-Inhalt ist gedruckt auf Recyclingpapier, das aus Verdi-Opern sind zwar immer beliebt auf an den gros­sen Häusern und Festivals. Marian- 100 % Altpapier hergestellt ist. Open-Air-Bühnen, dieses Jahr werden aber ne Zelger-Vogt hat die Sängerin in der Kantine Es schont damit Ressourcen, Energie und somit die Umwelt. ­besonders viele aufgeführt: in St. Gallen, des ­Zürcher Opernhauses getroffen. Und eine ­Pfäf­fikon oder Avenches. Eine Übersicht über hochsensible Künstlerin kennengelernt, die Shortcut: Mit dem iPhone Weltwoche-Artikel alle Festivals und Freilichtaufführungen bie- vor allem eines schätzt: Ruhe. Seite 12 empfehlen und aufbewahren sowie Zusatzinhalte tet unser Veranstaltungskalender. Seite 28 Ihre Weltwoche ­entdecken. www.weltwoche.ch/shortcut

Klassik-Extra 2013 5 Titelbild: René Ruis; Bilder Intern: Oliver Maire (Keystone), Marco Borggreve Tonleitern sausen:^Verbier Festival. Seite 8

«Ring des Nibelungen»: KKL, Austragungsort des Lucerne Festival. Seite 28

Begehrt: Sängerin Harnisch. Seite 12 Gigantisch: Bregenzer Seebühne. Seite 34 «Wolfssonate»: Starpianistin Grimaud. Seite 21

Inhalt 8 Dresscode: «sportif» 22 Prinzessinnen und Bankdirektoren Faszination Alpenfestivals im Konzertsaal 12 Eine Stimme, die strahlend aufblüht Salzburg, Bayreuth, Luzern: Wo es welche Prominenten­ ­hinzieht Wie die Walliser Sopranistin Rachel Harnisch den Weg in die grosse Opernwelt schaffte 24 «Man kann klassische Musik auch etwas 16 Auch Fussballfans lockerer zeigen» sollen in die Oper Michael Haefliger, der Direktor des grossen LucerneFestival, ­ im Interview Ticketcorner-Gründer George Egloff bringt am Pfäffikersee­ «Aida» auf die Bühne 28 Klassiksommer 2013 18 Mächtiger Haufen Alle Festivals der Schweiz im Überblick Von Anne-Sophie Mutter bis David Garrett: 34 Die grossen internationalen Festivals Die grössten Stars der Klassikwelt Die wichtigsten Veranstaltungen im Ausland

6 Klassik-Extra 2013 Bilder: Lucerne Festival, Aline Paley, René Ruis, Bregenzer Festspiele, Menuhin Festival TRAUM | EWIGKEIT

UHREN SCHMUCK JUWELEN

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13_0020_I15Paar_WeltwKlassik.indd 1 15.05.13 KW 20 09:01 Dresscode: «sportif» Wer im Sommer in die Schweizer Alpen fährt, kann auf hohem Niveau Musik hören. Die Festivals könnten unterschiedlicher nicht sein – und der Konkurrenzkampf macht die zwei ­grössten jedes Jahr noch besser. Von Christian Berzins

Da helfen nur noch Ohropax, denn als Kunst­ Konzertsaal leuchten. Stolze 40 000 Besucher, ling und Ada Pesch, der ersten Konzertmeisterin verhinderer wollen wir nicht dastehen. Schon davon 34 000 zahlende, fahren nach Verbier: im Zürcher Opernorchester, betreute Barockmu­ gar nicht im Pyjama. 23.30 Uhr ist’s, und dank Knapp über fünfzig Prozent sind aus der sikwoche und schliesslich Kammermusik Plus, Schaumstoff im Ohr verschwinden die Violin­ Schweiz, davon bislang bloss etwa zehn Pro­ wo auch mal grössere ­Besetzungen zu hören sonatenfragmente vom Nachbarzimmer zent aus der Deutschschweiz. sind. Und das alles in einem Dorf mit 550 Ein­ ­hinter einem dumpfen Schleier. Die Ruhe Hinein ins Zelt! Meist lockt ein Star, sowohl wohnern, einem Hotel, dreizehn Zimmern. währt nicht allzu lange. Geiger sind Frühauf­ am Pult vor dem Festivalorchester als auch als Der Pianist György Sebök wollte sich Anfang steher . . . Glück oder Pech: In Verbier, dem Solist. Immer wieder mal ein zweifelhafter, der siebziger Jahre in Ernen vom Festival- trut­zigen, betonverklebten und mit millionen­ ­dafür umso berühmterer Name wie etwa David Stress erholen. Ganz der Künstler, baute er, teuren Pseudo-Chalets verbauten Walliser Garrett. Jener Geiger, der mit vierzehn Jahren in ausgehend von Meisterkursen, ein kleines ­Nobelskiort mit seinen neunzehn Sport­ Verbier als Wunderkind gefeiert wurde und heu­ ­Festival auf. Doch als Sebök 1999 starb, wusste geschäften und sieben Banken, sausen die te als geigender Popstar Sportstadien füllt. Wem man in Ernen nicht, wie es mit dem «Musik­ Tonleitern jeden Sommer fast 24 Stunden pro das nicht gefällt, der hat oben in der Kirche eine dorf» weitergehen sollte. Francesco Walter – Tag rauf und runter. Alternative: Schumanns 1991 bei einem Meisterkurs als Hörer dabei, An einem normalen Heiterer Glamour im «Dichterliebe» anstatt Gei­ seit 1994 im Vorstand des Vereins Musikdorf Samstag während «Verbier Zelt oder ernste Kunst in genschnulzen. Ernen – wurde 1998 dessen Präsident, er ging Festival and Academy» Am spannendsten ist gegen die vierzig und sah seine Chance, sich ­stehen mindestens vier der ­Kirche? Verbier, wenn der Star ­einen Lebenstraum zu erfüllen. 2004 wurde er Konzerte an, für die man kurzfristig absagt. Dann zum Intendanten gewählt. Nach neun Jahren Billette kaufen muss. Hinzu kommen Kinder­ nämlich zaubert Martin Engstroem einen im Amt verkörpert Francesco Walter immer konzerte, ein Amateurfestival, Workshops, ­Nobody aus dem Hut, den fünf Jahre später mit noch die rosige Gegenwart Ernens. Meisterkurse, Konzerteinführungen, musika­ 95-prozentiger Sicherheit die ganze Klassik­ Mit gerade mal 700 000 Franken Budget lische Spaziergänge, öffentliche­ Proben, Sere­ welt anhimmelt: Yuja Wang etwa spielte hier kommt Walter aus, die Eigenwirtschaftlich­ naden und Jazz-Häppchen auf dem Dorfplatz. lange vor ihrem Auftritt im KKL. Kaum einer keit liegt bei 45 Prozent. Kleinsponsoren und Vieles davon gratis. Der charismatische Festival­ weiss so gut wie Engstroem, was an Wettbe­ die Festivalfreunde unterstützen das Festival intendant Martin Engstroem überfordert seine werben und anschliessend bei den Plattenfir­ – von den grossen muss er immer wieder hö­ Gäste famos. Am Abend stellt sich fast immer men läuft. Beim Moskauer Tschaikowsky- ren, dass in Ernen das Umfeld fehle. Gelassen die Charakterfrage:­ heiterer Glamour im Zelt Wettbewerb sitzt er in der Jury. sagt er: «Wer Teil des Glamours sein will, ist oder ernste Kunst in der Kirche? Die Klassik-Stars sind im Dorf so präsent wie hier falsch: Hier geht es um die Musik.» kaum an einem anderen Festival. Vor einigen Walter zeichnet eine gesunde, freudige Be­ Brabeck, Rohner und Co. Jahren spotteten wir über den Tastenzauber des scheidenheit aus: «Wenn ich 250 Karten für den Doch von vorne. Um 8.45 Uhr beginnt dorfweit Pianisten Lang Lang, da stand er auch schon vor Pianisten Hüseyin Sermet verkaufe, ist das doch das offizielle Musikprogramm. Das erste Bezahl- uns und streckte uns lachend die Hand entge­ toll!» Wie auch immer: Fast ein Fünftel der Gäste Konzert folgt um 11 Uhr in der schmucklosen gen. Dabei hatte eine englische Pressedame ge­ sind Abonnenten, sie besuchen gleich die ganze Kirche. Die Sonne steht bereits über den Gipfeln, mahnt, leise zu sprechen, da nach den Konzerten Klavierwoche, hören auch mal eine Lesung von und dort oben oder auf den Balkons der Chalets «alles» im «Pub Mont Fort» Alain Claude Sulzer. Die sind dannzumal auch die meisten Verbier-Gäste. sein werde. Und tatsächlich Donna Leon liebt Ernen Preise sind so charmant wie Zu einem Konzert des deutschen Meisterpianis­ holte dann auch gleich der und führt dort seit Jahren das Dorf: Konzerte der Kla­ ten Lars Vogt kommen knapp 200 Hörer: An­ norwegische Meisterpia­ vierwoche kosten 35 Fran­ derswo wäre das beim Engagement eines solches nist Leif Ove Andsnes sein einen Schreib-Workshop. ken, jene der Barockmusik Kalibers eine Tragödie – in Verbier nimmt man’s Bier an der Bar. Einst sassen 45, Orchesterkonzerte beim gelassen. wir bei einer der legendären privaten Chalet- «Festival der Zukunft» 55 Franken. Rund 5000 Mittagessen oder in die Reihe «Une heure Einladungen am langen Holztisch, ­assen Käse­ Besucher kommen während der ganzen Saison. avec...» um 14.30 Uhr? Um 19 Uhr geht es je­ kuchen und Salat­ – gegenüber tratschten fünf Aber selbst wo sich Fuchs und Hase gute denfalls weiter in der Salle des Combins, im weltberühmte Streicher: angeführt von Brat­ Nacht sagen, schaut die grosse Welt vorbei. Die Hightech-Zelt. Schon um 18 Uhr können sich scher Juri Baschmet, gefolgt von Joshua Bell und Krimiautorin Donna Leon liebt Ernen und die Städter auf dem Vorplatz des Zeltes an den Julian Rachlin. führt dort seit Jahren einen Schreib-Workshop. Bergen nicht sattsehen. Im Nespresso-Zelt Ein werbetechnischer Segen für Walter. ­stehen derweil Nestlé-Chef Peter Brabeck und Ernens Charme und Stolz CS-Vize Urs Rohner Schulter an Schulter. In Wie Verbier zählt auch Francesco Walter, nim­ Murmeltiergulasch statt Cüpli den dunklen Anzügen sind diese VIPs alle mermüder Intendant des «Musikdorfes Ernen», Und wer nach einem famosen Abend in Ernen overdressed, denn der Dresscode in Verbier auf Stammgäste. Er bietet zwanzig Kilometer taumelnd aus der wunderschönen Kirche tritt, lautet «sportif». Rührend, wie sich alternde nordöstlich von Brig gleich drei Festivals mit­ auf die das Rhonetal sanft umgarnende Berg­ Chalet-Diven mit nonchalant wirkenden Edel­ samt einer Ouvertüre: zwei Kammermusiktage welt blickt, durch die stillen Gassen mit den roben schmücken, lustig, kurios, wie die gel­ unter der Leitung von Cellist Thomas Demenga Holzhäusern streift, der denkt nur ungern an ben und rosaroten Pullover der Herren im vor der Klavierwoche, dann die von Deirdre Dow­ nüchterne Konzertenden in Zürich oder Bern

8 Klassik-Extra 2013 Geist und Stimmung: klassische Musik in den Alpen.

Klassik-Extra 2013 9 Bild: Marc Kronig zurück. Eine idealere Grundlage für intensiven­ men schon von einem Lucerne Festival der Al­ vor dem konventionellen Bach-Abend nicht Konzertgenuss gibt es selten. Statt achtzehn pen. Aber keine Angst: Die Kammerkonzerte ­zurück. Und parallel gibt es sowohl die kleinen Franken teure Cüpli aus dem Plastikbecher­ wie in den malerischen Kirchen des Saanenlandes, Sommerkonzerte Falera als auch die Waldhaus- in Verbier gibt’s in Ernen in der Pause kühles vor ­allem im Cello-Bauch der Kirche Saanen, Konzerte Flims im prächtigen Ambiente des le­ Wasser in die hohle Hand aus dem Dorfbrun­ bilden weiterhin das Herz des Festivals. gendären Hotels. Hier zeigt sich einmal mehr, nen – und zum Schluss wünscht der Festivalin­ Noch finden in Gstaad die grossen Sinfonie­ wie Tourismus und Kultur sich gegenseitig un­ tendant am Ausgang allen einen schönen konzerte in einem riesigen Zelt statt – hier ter die Arme greifen können. Abend. So haben wir uns immer den verwun­ gibt’s nicht nur Platz für die musizierenden schenen Ort vorgestellt,­ wo in den Restaurants Hundertschaften, sondern auch für die Gäste Erst das Hotel, dann die Oper noch Murmeltier­gulasch angeboten wird. der Sponsoren. Luxushotel und Musik verbinden sich auch Klaus Leuenberger bereitet es im «St. Georg» Seit drei Jahren hat Gstaad analog zu Luzern in der Opera St. Moritz, die es seit dreizehn tatsächlich zu. Nicht nur als Gulasch, sondern und Verbier auch ein eigenes Orchester: 2010 Jahren gibt. Eine Gratwanderung zwischen auf Wunsch auch cool- feierte das Gstaad Festival Kommerz und Kunst. Ursprüngliches Ziel war mondän – ganz Verbier- Ohne populäre Konvention Orchestra (GFO) im trutzi­ es, in einem der berühmten Fünfsternehotels like – als Mini-Hamburger. geht (auch) in gen Festivalzelt seine Pre­ eine unbekannte Oper zu spielen, danach den Was das Murmeli auf dem miere. Schweizer Orches­ Abend mit einem Galadinner abzurunden. Gstaader Festivalplakat den Alpen nichts. termusiker, Blechbläser ­Eine reizvolle Kombination, ja, fast ein roman­ dazu sagen würde? des Gewandhausorches­ reifer Genuss, wenn im legendären «Badrutt’s Es wäre verlockend, das Menuhin-Festival in ters und Studenten der Menuhin Music Acade­ Palace» Opern- und Hotel-Traumwelt inein­ Gstaad als Mittelding zwischen «Ernen» und my bildeten zusammen mit dem Kammeror­ anderflossen. «Verbier» zu bezeichnen. Aber Gstaad hat viel zu chester Basel das GFO. Müller sass bei der Zählt Präsident Martin Grossmann 3000 viel eigenen Charakter und Tradition, als dass es Premiere höchstpersönlich in der Cellogrup­ Gäste, ist das Budget von einer Million Fran­ sich mit dieser Rolle zufriedengeben würde. pe. Und am Dirigentenpult stand, die Festi­ ken im Lot. Mit seinem künstlerischen Leiter, valtradition beschwörend, mit Maxim Venge­ dem Dirigenten Jan Schultsz, diskutierte der Die Angst vor der Zugabe rov ein weltberühmter Geiger. Ingenieur und Ökonom jeweils heftig darü­ Das Menuhin-Festival in Gstaad wächst – wie­ ber, was gespielt wird. «Wir haben nun mal der. Denn die besten Zahlen (25 000 Besucher) Falera, Davos, Zermatt . . . zwei Märkte, die wir bedienen wollen: ‹nor­ gab’s immer noch unter der Leitung des Festi­ Von den Geldmengen und Zuschauern Verbiers male› Gäste und Sponsorengäste. Ohne Spon­ valgründers Yehudi Menuhin. Mit der Über­ und Gstaads können die anderen Alpenfestivals soren keine Oper – rund fünfzig Prozent des nahme der Festivalleitung 1996 durch Gidon nur träumen. Aber sie punkten mit Charme Budgets sind durch sie gedeckt.» Kremer fielen die Zuschauerzahlen in den Kel­ und Spontaneität. Etwa das Davos Festival. Das Hotel ist die halbe Miete: Ob in den ler, die Programmation war nicht kompatibel Hier sorgte die Dirigentin Graziella Contratto St. Moritzer Luxushäusern «Kulm» oder mit dem ganz normalen Geschmack der Gstaa­ dank Unterstützung der Credit Suisse 2007 bis «Badrutt’s Palace» oder im «Waldhaus» Sils der Gäste. Verheerend – denn nicht nur das 2012 für frischen Wind. Sie sah Davos als eine Maria – das Festival bezahlt keinen Rappen Festival lebte von den Gästen, sondern auch Stätte der Begegnung für junge, hochbegabte und erhält doch einen Saal für die Oper und die im Sommer nicht eben verwöhnten Hotels Kammermusiker – aber auch Stars schauten Zimmer für die Künstler. Das Hotel bekommt und Restaurants. Kultur und Tourismus ge­ vorbei. Der 37-jährige Schweizer Klarinettist viel zurück. In den zwei Festivalwochen in der hen hier Hand in Hand. Die Wirte im «Ber­ Reto Bieri übernimmt 2014 die Leitung. Zwischensaison ist das Haus voll – und alle ner-» oder «Gstaaderhof» bestimmen zwar Trotz langer Tradition war das BSI Engadin paar Abende finden grosse Dinners statt. nicht die Länge der Zugaben, aber noch heute Festival nicht mehr allzu bekannt – nun dreht In den vergangenen Jahren hat man hier ist ein Konzert von Punk-Geiger Nigel Ken­ der Wind wieder, der Dirigent Jan Schultsz mutig mit Raritäten gegen den Mainstream nedy ein Risiko, da keiner weiss, ob es viel­ ­engagiert grosse Namen wie Khatia Bunia­ angespielt. Aber wie das Beispiel Flims zeigte: leicht drei Stunden dauern wird. Da wird die tishv­i­li, Jordi Savall oder Emmanuel Pahud Ohne populäre Konvention geht (auch) in den Suppe kalt, Umsatz geht verloren. und verteilt sie über die ganze Region: von Alpen nichts. Und so wurde denn je nach Nach Übergangsintendanzen übernahm ­Zuoz über Celerina nach Samedan und ins Fes­ Finanz­lage das Ansinnen, unbekannte Opern 2002 der Basler Musikmanager und Cellist tivalzentrum Silvaplana. zu spielen, in St. Moritz auch mal aufgeweicht. Christoph Müller (geb. 1970) die Leitung. Das Noch weniger bekannt ist das treu in den In Zukunft ist das Populäre hier Programm. Festival zählt heute wieder rund 20 000 Besu­ Farben einer Schweizer Grossbank daherkom­ Schultsz wollte naturgemäss Kunst, Gross­ cher. Etwa 15 Prozent sind Einheimische, mende, seit 2005 durchgeführte Zermatt Fes­ mann hingegen vor allem Geld machen – und 20 Prozent stammen aus dem Kanton Bern, tival, wo mittlerweile Stars so kam es denn im letzten weitere 20 Prozent aus der Westschweiz, 25 Pro­ wie zeitgenössische Kom­ Aber Achtung beim Gang in Herbst zum endgültigen zent aus der übrigen Schweiz und der Rest aus ponisten zu erleben sind. die klingenden Berge: Bruch zwischen den bei­ dem Ausland. Das Festivalbudget beträgt vier Dass es viele Bergfestivals den Charakterköpfen. Millionen Franken, finanziert wird es zu je ei­ nicht leicht haben, zeigte ­Ohropax nicht vergessen! Der künstlerische Kom­ nem Drittel durch Kartenverkäufe und Wirt­ das Verschwinden von promiss fällt nicht allen­ schaftssponsoren, das letzte Drittel bringen Flimsklang. Der Flötist Matthias Ziegler wollte leicht, mit ihm klarkommen müssen aber alle Stiftungen, Mäzene, Festivalfreunde und die damit beweisen, dass es auch ohne Stars und Al­ Alpenfestivals – er täte auch manch subventio­ öffent­liche Hand auf, wobei der Subventions­ lerweltsprogramme geht. Kaum war das Ende niertem Flachlandbetrieb nur gut. Doch der anteil bei gerade mal fünf Prozent liegt. des experimentell-genreübergreifenden Festi­ Geist, die Stimmung der Alpenfestivals lässt Müller jongliert als geschäftsführender In­ vals betrauert,­ schossen Nachfolger aus dem Bo­ sich nun mal nicht ins Flachland übertragen. tendant, als CEO, mit diesen Zahlen. Und den: Flimserstein.ch heisst ein neues Festival, Aber Achtung beim Gang in die klingenden wenn 2018 tatsächlich der neue Konzertsaal das vom Cellisten Mathias Kleiböhmer geleitet Berge: Ohropax nicht vergessen! von ­Rudy Ricciotti steht, wird sein Festival wird. Sein Programm erinnert zwar ein wenig an Christian Berzins ist Musikkritiker der Nordwestschweiz ­einen Quantensprung machen. Manche träu­ den verspielten Flimsklang, scheut aber auch und der Schweiz am Sonntag.

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*MEHR ALS SIE SEHEN

10258-CHAjun13 Weltwoche PixieSteelDotsSP_230x300_CB.indd 1 24/05/13 18:00 Eine Stimme, die strahlend aufblüht Die Sopranistin Rachel Harnisch gehört zu den begehrtesten Sängerinnen der Schweiz. Im Wallis aufgewachsen, schaffte sie den Weg in die grosse Opernwelt. Von Marianne Zelger-Vogt

Hat man sie einmal auf der Bühne erlebt, akademie in Braunwald besuchte. Weiterhin ­vergisst man diese Sängerin nicht mehr. Ihre zweifelnd an ihrer Begabung, hatte sie sich Erscheinung und ihre Stimme strahlen etwas nur als Hörerin angemeldet, wurde dann aber aus, was über den klassischen Schönheits­ von der Dozentin zum Vorsingen aufgefor­ begriff hinausgeht: Persönlichkeit, Indivi­ dert. Auf deren Rat meldete sie sich 1993, dualität. Jetzt ist Rachel Harnisch auf gutem zwanzigjährig, zur Aufnahmeprüfung an der Weg, in die internationale Top-Klasse aufzu­ Hochschule für Musik in Freiburg i. Br. an. steigen: Mit Opernauftritten in Zürich und Für 120 Bewerberinnen und Bewerber waren Konzerten in ihrer Walliser Heimat, bei den nur gerade 2 Studienplätze zu vergeben, den «Proms» in sowie in Edinburgh ist einen davon erhielt die junge Walliserin. Aber ­ihre Festspielagenda­ dicht besetzt. noch immer waren ihre Selbstzweifel grösser Doch sie musste in ihrer Laufbahn immer als ihr Selbstvertrauen und ihre Freude über wieder innere Widerstände überwinden, was den Erfolg. «Die Leidenschaft, ja Gier, die es wohl die Entwicklung ihrer Persönlichkeit ge­ für den Sängerberuf­ braucht, war noch nicht fördert hat. In Brig, dem Bezirkshauptort des erwacht. Erst während des Studiums habe ich Oberwallis, ist Harnisch zwar mit Musik auf­ begriffen, dass die Stimme ein Geschenk ist, gewachsen, mit der Oper und dem klassischen für das ich Verantwortung übernehmen muss, Konzertrepertoire aber relativ spät in Kontakt und dass der Gesang das Medium ist, in dem gekommen. Ihre Eltern führten ein Schuhge­ ich alle meine Gefühle ausdrücken kann.» schäft, die Mutter war eif­ Die Bestätigung ihrer Be­ riges Mitglied des Kir­ «Die Leidenschaft, ja Gier, gabung kam bald. Schon chenchors, man besuchte die es für den Beruf braucht, während der Ausbildung Kirchen- und Blasmusik­ erhielt Rachel Harnisch so konzerte, doch Berufsmu­ war noch nicht erwacht.» viele Konzertengage­ siker gab es keine in der ments, dass sie das Studi­ Familie. Auch für Rachel Harnisch selber war um selber finanzieren konnte, und beim ers­ die Musik zunächst keine Option, als es um ten und einzigen Wettbewerb,­ an welchem sie ihre Berufswahl ging. Ohne grosse Ambitio­ teilnahm, dem re­nommierten Wiener Belve­ nen spielte sie Klavier – sie empfand das Inst­ dere-Wettbewerb, heimste sie gleich mehrere rument als zu wenig sinnlich –, brachte es Preise ein, darunter das Angebot für eine klei­ aber immerhin so weit, dass sie ihre Partien ne Partie an der Wiener Staatsoper. heute selber einstudieren kann. Weit mehr als das Klavierspiel bedeutete ihr die Mitwirkung Immer auf Abruf bereit im Studententheater. Mit ihrer Stimme be­ Als der damalige Direktor Ioan Holender gann sie sich erst ernsthaft zu beschäftigen, ihr stattdessen einen Festvertrag ab der Saison als der da­malige Briger Musik­direktor, dem 1999/2000 offerierte, zögerte sie nicht und un­ sie für seinen­ Chor vorgesungen hatte, ihre terschrieb. Warnende Stimmen wie diejenige Mutter anrief und sich anerbot, ­Rachel Ge­ Claudio Abbados, dem sie inzwischen vorge­ sangsunterricht zu erteilen. Das war der Be­ sungen hatte, kamen zu spät. Statt zum erhoff­ ginn ihrer Aus­bildung. ten Sprungbrett wurde die Wiener Staatsoper zur Sackgasse. Freimütig erzählt Rachel Har­ In Ohnmacht gefallen nisch in ihrem schönen Walliser Dialekt von Ihre erste Begegnung mit der Welt der Oper den schwierigen Anfängen ihrer Laufbahn. hatte sie bereits während der Primarschulzeit Wir sitzen an einem Vormittag in der Kan­ bei einer pantomimischen Aufführung von tine des Zürcher Opernhauses, das seit Beginn «Ein Geschenk»: Sängerin Harnisch. Mozarts «Zauberflöte». Mit achtzehn Jahren der Spielzeit 2012/2013 ihr Stammhaus ist. Die sah sie zum ersten Mal ein Opernhaus von Sängerin hat diesen Ort für unser Treffen vor­ fernt. Für kleine Partien in kaum geprobten ­innen. Mit ihrer Mutter besuchte sie in Zürich geschlagen, da es hier um diese Zeit ruhig sei. Repertoireaufführungen hatte sie sich ständig eine Aufführung von Strauss’ «Rosenkava­ Das war ganz pragmatisch gedacht. Doch im auf Abruf bereitzuhalten, Angebote anderer lier», doch für sie war die Vorstellung bald zu Verlauf unseres Gesprächs wird deutlich, dass Häuser für grössere Partien wie Pamina in der Ende: Schon im ersten Akt fiel sie in Ohn­ Ruhe und Stille für Rachel Harnisch existen­ «Zauberflöte», die sie aufgrund ihres Erfolgs macht, ob aus Ergriffenheit oder körperlicher zielle Grundbedürfnisse sind und dass sie beim Belvedere-Wettbewerb erhielt, durfte sie Schwäche, weiss sie nicht mehr. Den nächsten sich eben deshalb so schwertat, im hektischen nicht annehmen. So kündigte sie nach bloss Schritt in Richtung Gesang tat Rachel Har­ Opernbetrieb den ihr gemässen Platz zu fin­ ­einer Spielzeit ihren Vertrag, obwohl Holen­ nisch, als sie nach der Matura eine Sommer­ den. In Wien jedenfalls war sie weit davon ent­ der ihr drohte, unter seiner Direktion werde

12 Klassik-Extra 2013 «Ein Geschenk»: Sängerin Harnisch.

sie nie mehr an die Staatsoper zurückkehren. Im Jahr 2000 debütierte sie als Pamina in Bern krankheiten angesteckt zu werden.» Nach «Die Lehre, die ich aus der Wiener Zeit mitge­ und als Micaëla in Bizets «Carmen» in Genf, Bern kehrte Rachel Harnisch auch in den nommen habe, war, dass dieser Beruf ein stän­ pflegte ihre «stille Liebe», den Liedgesang, ­folgenden Jahren immer wieder zurück, als diger Kampf ist und dass man dafür seelisch und gab Konzerte. «In der Bühnenluft fühle ­Clémence in Kaija Saariahos «L’Amour de stark sein muss.» ich mich zwar wohl, ich habe gelernt, meine ­loin», als Debussys Mélisande, als Blanche in Ängste zu überwinden, aber Konzerte empfin­ Poulencs «Dialogues des Carmélites» und als Vertrauen des Meisters de ich als reiner, werkgerechter, hier braucht Anne in Strawinskys «The Rake’s Progress». Als freischaffende Künstlerin stieg Rachel man weniger Kompromisse zu machen und Eine weitere Konstante in ihrer Laufbahn Harnisch nun rasch die Karriereleiter empor. läuft zudem weniger Gefahr, mit Erkältungs­ ist die enge Zusammenarbeit mit Claudio

Klassik-Extra 2013 13 Bild: René Ruis ­Abbado. Diese begann 1999 im Rahmen der Karajan-Gedenkfeier in Salzburg und führte die Sopranistin noch im selben Jahr in die Ber­ liner Philharmonie und in die Carnegie Hall New York, später unter anderem nach Baden- Baden, in verschiedene Opernhäuser Italiens und seit 2003 immer wieder ans Lucerne Festi­ val: «Abbado hat mir von Anfang an vertraut, ich schätze ihn wegen seiner Ruhe und weil er den Interpreten eine eigene künstlerische Auffassung zugesteht.» Auch ihre Debüts als Pamina an der Pariser Opéra Bastille und an der Deutschen Oper Berlin, die erste «Figaro»- Gräfin in Verona, die erste Sophie im «Rosen­ kavalier» in Essen bestätigten, dass die Sopra­ nistin aus dem Wallis in der grossen Opernwelt angekommen war.

Mozart als Leitstern Sie hätte zufrieden sein können: Ihre Agenda war voll, sie hatte Erfolg. Stattdessen verlor sie die Freude an ihrem Beruf, sie sang zu viel und zu verschiedenartige Partien, fühlte sich überfordert, funktionierte nur noch, bis schliesslich ihr Körper streikte. «Singen kos­ tet sehr viel Kraft, körperlich und emotional, es braucht eine Balance von Geben und Neh­ men, Körper und Seele müssen im Gleichge­ wicht sein, damit die Stimme klingt. Denn dieses ­Instrument ist ein Teil von mir, ich ­trage es in mir.» Als sie einen Tag vor ihrem wichtigen Debüt beim Glyndebourne-Festi­ val (als Fiordiligi in Mozarts «Così fan tutte») die Nachricht erhielt, dass ihre beste Freun­ «Reiner, werkgerechter»: Harnisch als Clémence­ in «L’Amour de loin». din Suizid begangen hatte, versagte das In­ strument. Bis zur Pause sang sie wie mit zuge­ ein Umfeld gefunden, das ihr entspricht, der Höhe strahlend aufblüht und sich in gros­ schnürter ­Kehle, dann bat sie, durch die und vor gut ­einem Jahr hat sie mit ihrem sen Legato-Phrasen verströmen kann, eine Kollegin, die die Partie als Cover mitstudiert ­Partner, einem­ Architekten, auch hier ihren Stimme für Mozart und Strauss und das fran­ hatte, ersetzt zu werden. Da der herbeigerufe­ Wohnsitz genommen. Ihre «Antrittspartie», zösische Repertoire.­ Damit gibt sich die ne Arzt keine organische­ Erkrankung fest­ die «Figaro»-Gräfin, war ein Einstand nach Künstlerin jedoch­ nicht zufrieden, ihr Rollen­ stellte, wurde sie gezwungen, weiterzuma­ Mass: «Ich liebe Mozarts Musik ­wegen ihrer spektrum reicht vom Barock bis zur Gegen­ chen. Wie in Trance sang oder eher sprach sie klaren Strukturen, wegen ihrer Ehrlichkeit, wart, und sie betont, dass sie die Pflege der die Rolle zu Ende. da ist nichts überflüssig, sentimental oder zeitgenössischen Musik nicht als Pflicht­ Nach dieser traumatischen Erfahrung sagte überladen.» übung, sondern als intellektuelle­ Herausfor­ sie alle weiteren Vorstellungen ab und sang Wer Rachel Harnisch auf der Bühne erlebt, derung versteht. drei Monate lang nicht mehr. Doch genau könnte aus dieser Charakterisierung gerade­ ­diese Zeit hat sie weitergebracht: «Ich habe zu ein Selbstporträt der Sängerin herauslesen. gemerkt, dass Singen Sie ist keine Interpretin, trotz allem mein Leben Wie in Trance sang oder die sich dem Publikum ist. Und ich habe mir eher sprach sie die Rolle entgegenwirft und mit überlegt, was ich als Sän­ heftiger Gestik und lauten gerin eigentlich will: Er­ zu Ende. Tönen auftrumpft. Rachel folg oder einen Beruf, der Harnisch zieht die Auf­ mich glücklich macht und den ich lange aus­ merksamkeit auf sich durch ihre Ruhe, ihre Marianne Zelger-Vogt war über dreissig Jahre lang üben kann.» Rachel Harnisch hat sich für den Konzentration, ihren Ernst und ihre Kontrol­ Feuilleton-Redaktorin bei der NZZ. Ihr Buch «Ich singe nachhaltigen Weg entschieden und die Krise liertheit. Ihr schmales Gesicht mit den dunk­ mit Leib und Seele» über die Mezzosopranistin Vesselina­ Kasarova erschien bei Bärenreiter/Henschel. aus eigener Kraft überwunden. Ihre Skepsis len ­Augen scheint wie geschaffen, um Schmerz gegenüber dem schnelllebigen Musikbetrieb und Trauer auszudrücken – umso mehr be­ Nächste Auftritte von Rachel Harnisch: 30. 6., 4., 9. und ist nicht verschwunden, aber sie fühlt sich zaubert dann ein Lächeln. Doch das Besonde­ 12. 7. Opernhaus Zürich: «Der Rosenkavalier» von Strauss (Sophie); 31. 7. Musikdorf Ernen: Arien von diesem weniger ausgeliefert, hetzt nicht re ihrer Künstlerpersönlichkeit beruht auch ­Händel, Mattheson und Hasse; 2. 8. Musikdorf Ernen: mehr von Konzert zu Konzert, insistiert auf auf dem Klang ihrer Stimme und der behutsa­ Werke von Monteverdi­ und Pergolesi; 17. 8. London, genügend Proben und schafft sich Freiräume, men Art, wie sie dieses Instrument behandelt. Proms: «Ein Deutsches Requiem» von Brahms; 21. 8. ­Sion Festival,­ Ferme-Asile: Mozart-Arien; 26. 8. um ihre Partien in ­Ruhe erarbeiten zu Es ist ein genuin lyrischer Sopran mit war­ ­Edinburgh Festival: «Ein Deutsches Requiem» mit dem ­können. Im Zürcher Opernhaus hat sie jetzt mem Timbre und reicher Farbpalette, der in Tonhalle-Orchester­ Zürich

Klassik-Extra 2013 15 Bild: Annemie Augustijns Festival La Perla: «Aida» Vom 9. bis 18. August 2013 fi ndet das Opern-Spektakel «Festival La Perla» am Seequai in Pfäffi kon ZH statt. Aufgeführt wird die Oper «Aida» in vier Akten von Antonio Ghislanzoni, Musik von Giuseppe Verdi, inmitten einer beeindruckenden Naturkulisse.

Weltwoche-Spezialangebot Das Open-Air-Highlight mit über 200 Mit- Das neue Klassik-Highlight soll in der wirkenden – nur 20 Minuten von Zürich Schweizer Kulturszene einen festen Platz entfernt. bekommen. Worauf sich die Besucherinnen Festival La Perla: «Aida» und Besucher freuen dürfen, wird in einer vom 9. bis 18. August 2013 Wenn im Jahr 2013 der 200. Geburtstag von 1:45-minütigen Simulation eindrucksvoll Giuseppe Verdi (1813–1901) gefeiert wird, bereits heute gezeigt: Die 300 m2 grosse Festivaltickets vom gelangt sein Meisterwerk «AIDA» zu einer Opernbühne und die 3900 Zuschauer fas- 11. und 18. 08. 2013 10 % reduziert Neuaufführung an einem der schönsten sende Sitzplatztribüne sind in allen Details Seen der Schweiz: In Pfäffi kon ZH, weniger zu sehen – vollbesetzt mit Zuschauern und Premium Fr. 224.10 anstatt Fr. 249.– als eine halbe Stunde von Zürich entfernt, dem Orchester – mit der Naturumgebung Kategorie A Fr. 179.10 anstatt Fr. 199.– wird dazu eine Seebühne aufgebaut. Auf der mit Bäumen, Wiesen und dem See. Veran- Kategorie B Fr. 152.10 anstatt Fr. 169.– Tribüne fi nden pro Vorstellung 3900 Gäste stalter George Egloff erklärt: «Es war uns Kategorie C Fr. 80.10 anstatt Fr. 89.– Platz. Insgesamt werden an den acht Auf- ein Anliegen, unsere Produktion schon führungen über 30 000 Festivalbesucher in jetzt anschaulich zeigen zu können. Dies, Veranstaltungsort den Genuss der puristischen «Aida»-Insze- weil das Festival ja noch nie stattgefunden Seebühne Pfäf kersee, Pfäf kon ZH nierung kommen. hat. Hierfür setzen wir modernste virtuelle Grafi k ein.» Anmeldungen Namhafte Solistinnen und Solisten werden www.weltwoche.ch/platinclub dabei auftreten, unter anderem Paolo Bat- Zu sehen ist die Animation auf der Website Veranstalter taglia, Manrico Signorini, Tiziana Carra- www.festival-la-perla.ch und auf der Face- Festival La Perla AG ro, Sanja Anastasia, Gustavo Porta, Ernesto book-Page facebook.com/festivallaperla. www.festival-la-perla.ch Grisales, Franco de Grandis, Gregor Rozy- cki, Marcello Lippi, Gianfranco Montresor, Infos und Tickets Oreste Cosimo, Vilislava Gospodiva, Noëmi unter www.festival-la-perla.ch Nadelmann und Barbara La Faro.

LA_Aida.indd 14 03.12.12 08:07 Auch Fussballfans sollen in die Oper Zwanzig Jahre lang war George Egloff CEO von Ticketcorner, jetzt bringt er mit dem Festival La Perla und der Oper «Aida» am Pfäffikersee eine eigene Grossproduktion auf die Bühne. Von Rico Bandle

«Wir wollten das Feld sofort besetzen: Computer-Modell der «Aida»-Opernbühne am Pfäffikersee; das Festival findet dieses Jahr zum ersten Mal statt.

In der Schweiz mangelt es nicht an Open-Air- lingen von nun an jedes zweite Jahr mit den ­Manager Freddy Burger beteiligt, die Kultur- Theatern: Auf verschiedenen Seen werden internationalen Schwergewichten Bregenz stelle des Kantons Zürich unterstützt das Pro- Musicals gespielt, in Burg- und Klosterhöfen und Verona konkurrieren. Allein die erste Pro- jekt mit 50 000 Franken. Der Festivalgründer Opern aufgeführt, und im ganzen Land gibt duktion, Verdis «Aida», kostet 3,5 Millionen hat nichts dem Zufall überlassen; dass seine es unzählige Laien-Freilichtspiele, das grösste Franken. ­«Aida» scheitern könnte, scheint er gar nicht davon ist das Einsiedler Angesichts der Konkur- erst in Betracht gezogen zu haben. «Die gros­ «Welttheater», das dieses Auch der legendäre renzsituation liegt der Ge- sen Opernfestivals sind alle ausserhalb der Jahr in einer Version des ­Manager Freddy Burger ist danke nahe, dass in dieser Grossregion Zürich stationiert», sagt Egloff. Autors Tim Krohn über «Aida» der sterbende Das Festival soll sich irgendwo zwischen dem die Bühne geht. Der Markt an der Produktion beteiligt. Feldherr Radames nicht Opern-Disneyland Bregenz und der traditio- scheint mehr als gesättigt, nur seine Geliebte Aida nellen Arena-Oper in Verona positionieren, zumal die grenznahen Opernfestspiele in mit ins Grab nimmt, sondern auch einen wobei seine Sympathien klar zu Verona ten- ­Bregenz und die Festspiele in Verona ebenfalls ­ganzen Haufen Geld. Doch wenige Monate vor dieren. Die Seebühne in Bregenz fasst knapp Zehntausende von Schweizern anlocken. Und der Premiere gibt sich Egloff zuversichtlich. 7000 Plätze und lockt jährlich über 150 000 doch hat ein findiger Unternehmer noch eine 12 000 Tickets hat er bereits verkauft, ab 15 000 Zuschauer an, die Arena von Verona mit ihren Lücke ausfindig gemacht. Und was für eine. schreibt er schwarze Zahlen. «Das werden wir 15 000 Plätzen noch mehr. Dass sich Egloff George Egloff, der langjährige Geschäftsfüh- sicherlich erreichen.» ­ausgerechnet mit diesen Giganten des Frei- rer und Mitinhaber von Ticketcorner, erstellt lichtspektakels vergleicht, zeigt die Ambitio- am Pfäffikersee im Kanton Zürich ein Frei- Beispiellose Werbekampagne nen des Managers. lichttheater mit 3900 Plätzen; mit seinem Fes- Den Grossteil der Produktion finanziertEgloff ­ Egloff selbst ist nicht der grosse Opern­ tival unter dem Namen La Perla will er bei Ge- selbst, zu vierzig Prozent ist der legendäre liebhaber. Er kennt zwar die wichtigsten

16 Klassik-Extra 2013 Bild: Festival La Perla Werke, geht es aber um Sänger, Details der Ein perfekt orchestriertes Marketing garan- eine gewisse­ Zeit, um sich an die leisen musikalischen oder szenischen Umsetzung, tiert aber noch keine gute Oper. Mit der Wahl Töne zu ­gewöhnen, ganz ähnlich wie das so verweist er auf Sergio Fontana, den künst- von Verdis «Aida» geht man zwar als Veran- ­Auge in der Dunkelheit. Von der Regie durch lerischen Leiter. Fontana ist Mitbegründer stalter einer Open-Air-Oper das geringstmög- Pier Francesco Maestrini sind allerdings kei- und war Direktor des Opernfestivals von liche Risiko ein – nur Puccinis «Bohème», Ver- ne Überraschungen zu erwarten: Er ist ­Avenches – und er war Egloffs erster Kunde, dis «Nabucco» und Bizets «Carmen» haben ­bekannt für sehr konventionelle, üppige als dieser vor zwanzig Jahren die Leitung bei ähnliches Massenpotenzial –, trotzdem gibt es ­Inszenierungen. ­Ticketcorner übernahm. «Im Frühling 2011 einige Unwägbarkeiten. Das grösste Risiko bei habe ich Sergio zu mir nach Pfäffikon Freiluftproduktionen ist das Wetter, dafür hat ­eingeladen, wo ich mein Büro und auch Egloff eine Versicherung abgeschlossen. Bei ­meinen Wohnsitz habe. Wir sassen zu­ ­einem neuen Opernstandort ist zudem die sammen am See – und für beide war sofort Akustik ein wesentlicher Unsicherheitsfaktor. klar, dass hier der ideale Standort für Werden die Stimmen und das Orchester elek­ unser angedachtes­ Opernfestival sei.» Im tronisch verstärkt, so stellt sich bei Gross­ Sommer hat Egloff bei der Gemeinde das produktionen mit Heerscharen von Statisten ­Bewilligungsgesuch eingereicht – die Ein- das Problem, dass für das Publikum oft gar sprachen von Nachbarn wurden abgelehnt, nicht feststellbar ist, wer nun gerade singt. im Herbst begann die Planung. Egal, auf welcher Seite der Bühne der Sänger Für Aufsehen in der Branche sorgte Egloff steht, der Ton kommt immer gleichmässig aus mit seinem Projekt bereits vergangenen den Lautsprechern. ­Sommer. Mehr als ein Jahr vor der Premiere Die Bregenzer Festspiele haben vor einigen lancierte er eine gigantische Werbekampa­ Jahren ein äusserst aufwendiges und teures gne, überall hingen seine System angeschafft, das grossformatigen Plakate «Unsere Sänger werden dafür sorgt, dass der ver- mit den Pyramiden und ­dafür an einem FCZ-­ stärkte Gesang immer aus 12 000 Tickets verkauft: Festivaldirektor Egloff. der Kamel-Silhouette. jener Richtung ertönt, wo «Wir hatten gehört, dass Benefizanlass auftreten.» der Sänger auf der Bühne sich auch andere Veran- gerade steht. Doch auch stalter in der Grossregion Zürich Gedanken mit der ausgeklügeltsten Technik gehen durch über ein Opernfestival machten, und wollten die Verstärkung die stimmlichen Nuancen das Feld sofort besetzen», begründet er die verloren, die Quali­täten der Sänger kommen Grossoffensive. Zudem habe sich die frühe weniger zum Ausdruck – was Sängern mit Werbung auch bezüglich der Ticketverkäufe schwachen Stimmen natürlich entgegen- aus­gezahlt. «Wir lagen von Beginn an über kommt. Andere Festspiele, insbesondere jene Budget.» Heute ist es zwar üblich, dass in römischen Theatern, verzichten auf eine ­Museen oder auch Grossproduktionen wie elektronische Verstärkung. Selbst in Verona die Thuner Seespiele nationale Kampagnen mit seinen 15 000 Zuschauern wurde bis vor fahren und sogar TV-Werbung machen – wenigen Jahren vollständig darauf verzichtet. ­«Aida» dürfte beim Kulturmarketing trotz- Diesen Weg möchte auch George Egloff be- dem neue Massstäbe setzen. Selbst im Fuss- schreiten – und allein auf die Kraft der Stim- ballstadion Letzigrund stehen bei den men setzen. Aber ist das möglich? «In Verona Heimspielen des FC Zürich «Aida»-Werbe- besteht zwischen dem Bühnenrand und dem «Premium-Bereich»: Sopranistin Nadelmann. banner hinter den Toren. hintersten Zuschauerplatz eine Distanz von 150 Metern, bei uns werden es 35 Meter sein. 200 Sänger, Musiker und Statisten werden an Unverstärkte Stimmen Ich bin zuversichtlich, dass dies funktioniert», jeder Vorstellung vom 9. bis zum 18. August Bei Verdis «Aida», der Arena-Oper schlecht- sagt der Festivalgründer. Zudem werde man mitwirken, grösstes Zugpferd dürfte die hin, sind gewisse Parallelen zwischen Fuss- akustische Elemente aufbauen, die den Ton ­populärste Schweizer Opernsängerin, Noëmi ball und Oper durchaus feststellbar – aber wie in einer römischen Arena kanalisieren Nadelmann, sein. «Wir wollen uns ganz klar sind Fussballfans tatsächlich das anvisierte ­sollen. Sollte sich bei den ersten Proben her- im Premium-Bereich ansiedeln», sagt Egloff. Publikum? Mit Ticketpreisen zwischen 89 ausstellen, dass die unverstärkten Stimmen Selbst wenn er von den Künstlern schwärmt, und 389 Franken ist das Festival schliesslich doch nicht ausreichen, steht aber trotzdem ein dem aufwendigen Bühnenbild und den nicht gerade im Niedrigpreissegment ange- Soundsystem zur Verfügung, das sofort einge- ­Kos­tümen, die alle in Italien angefertigt siedelt. «Die Bandenwerbung ist ein Gegen- setzt werden kann. ­werden, der Marketing-Jargon verrät jeder- geschäft mit dem FCZ, dafür bezahlen wir zeit den Geschäftsmann hinter dem Festival- nichts. Unsere Sänger werden dafür an einem 200 Mitwirkende direktor. Und Egloff wäre kein guter Unter- FCZ-Benefizanlass auftreten», sagt er. Dank Dass in Betracht gezogen wird, die Oper ohne nehmer, würde er nicht schon vorausschauen. seinen guten Verbindungen aus seiner Ti- Verstärkung über die Bühne zu bringen, Bereits laufen die Vorbereitungen für die cketcorner-Zeit kann er die Marketingkosten zeigt allein schon, dass die Macher musika- zweite Ausgabe des Festivals La Perla, wie bei maximaler Präsenz im Rahmen halten. lisch ­keineswegs den Weg des geringsten ­Egloff das Opern-Open-Air nennt. Welches Gemäss eigenen Angaben fliessen aus dem ­Widerstands gehen. Unverstärkte Musik zu Stück 2015 gespielt wird, will er allerdings 3,5-Millionen-Franken-Budget fünfzehn bis hören, ist heute für die meisten Leute eine noch nicht verraten. Man muss keine Angst zwanzig Prozent ins Marketing, was im übli- ­Erfahrung, der sie kaum mehr ausgesetzt haben, den Titel der Neuproduktion zu ver- chen Bereich für kommerzielle Bühnen­ sind, und verlangt­ dadurch eine hohe Bereit- passen – die Werbekampagne wird nicht zu produktionen liegt. schaft zur Aufmerksamkeit. Das Ohr braucht übersehen sein. g

Klassik-Extra 2013 17 Bilder: (2) Festival La Perla Fleiss, Ehrgeiz­ und Schönheit: deutsche Violinistin Mutter. Unerreichtes Wunder: spanischer Tenor Domingo. Heisse Liebe, eisiger Hass: Italienerin Bartoli. Mächtiger Haufen Stars sind an den Festivals die grossen Zugpferde. Der Begriff «Star» wird allerdings überbeansprucht. Auch ohne den zweifelhaften Titel kann einer in der Klassikwelt zu Ruhm und Millionen kommen. Von Christian Berzins

Nichts Peinlicheres als die Ankündigung eines zeigt gerade der Fall Bartoli, dass Klassikstars chern ausgebuht. Dasselbe erlebte Amerikas Stars, und dann steht da bloss ein grossartiger keine weichgespülten, alle paar Jahre aus­ Diva Renée Fleming 1998 an der Scala. Un­ Musiker auf der Bühne. Konzertanbieter verfal­ tauschbaren Produkte sind: Klassikstars denkbar in der Schweiz, in Deutschland oder len dem Fehler dennoch immer wieder. Nur weil ­zeigen sogar sehr viel Charakter, ja Extra­ den USA. einer mal den zweiten Zwerg von links an der vaganzen, auch wenn sie alle die Uhr dessel­ Die Mailänder Opernhooligans sind anders Scala gesungen hat, ist er noch längst kein Star. ben Sponsors am Arm tragen. als der Durchschnittsklassikfreund: Letzterer Und selbst wenn er dort als Rigoletto brilliert Ist einer mal ein Star, bleibt er meist lange gibt sich nämlich gerne als Liebhaber, distan­ hat, ist er meist noch weit davon entfernt. Scha­ Zeit der Umjubelte, da mag er noch so kuriose ziert sich von den Fachleuten – und ist oftmals de, will alles einen Star haben, ist dieser Titel Wege nehmen, Abstürze erleben oder immer über siebzig. Für diesen grossen Kreis ist einer, doch in Wahrheit eine höchst zweifelhafte­ Ehre. älter werden und längst nicht mehr die Leis­ der schon in den 1970er Jahren zum Star Aber der Star ist dennoch ein hochspannen­ tung von einst bringen – erstaunlich viele ­wurde, heute meist noch beliebter als einst: Er der Fall in der Klassikszene. Eine nicht ganz Opernstars beweisen es: Montserrat Caballé, wird gehegt und gepflegt von der alten Haupt­ falsche Kurzdefinition könnte lauten: Wenn Roberto Alagna, Kiri Te Kanawa, Jessye Nor­ hörerschaft, die sich auf feste Werte besinnt der Name grösser wird als die Leistung, ist man, José Carreras, Simon Estes, Grace Bumb­ und mit den schnellen Auf- und Absteigern man ein Star, dann ist man in einem hoch­ ry oder Dmitri Chworostowski. Auch die In­ wenig anfangen kann. komplexen Marketingsegment gelandet, wird strumentalisten Ivo Pogorelich, James Galway, Der Ruhm eines aktuellen Märchentenors multimedial angepriesen, und die CDs wer­ Joshua Bell, Maxim Vengerov oder Martha wie Piotr Beczala ist neben jenem eines Plácido den international verkauft. ­Argerich gehören dazu. Domingo verschwindend klein. Sol Gabetta Ohne bedeutende Agentur wird keiner zum Wagt sich der Star in unbekanntes Gelände, mag zu recht gross gefeiert werden, doch Yo- Star. Tonangebende Agenten erkennen das kann’s allerdings böse enden. Berüchtigt ist Yo Mas Ruf ist weltweit um ein Vielfaches grös­ künstlerische Potenzial – in raffinierter Zu­ Mailands Opernhaus. Hier sind Namen Schall ser. Selbst der in Fachkreisen verblasste Name sammenarbeit mit der CD-Industrie, den In­ und Rauch. Als Cecilia Bartoli im Dezember von Itzhak ­Perlman leuchtet an den traditio­ tendanten und der Presse wird ein Name auf­ 2012 nach neunzehn Jahren Absenz wieder an nellen Festivals noch heller als diejenigen ei­ gebaut. Die Reihenfolge kann variieren. Allein der Scala sang, wurde sie von den auf die nes Heers von exzellenten jungen Geigerin­ mit Singen wird keine eine Bartoli. Und doch ­nackte Leistung achtenden Stehplatzbesu­ nen. Pianistinnen wie Khatia Buniatishvili

18 Klasik-Extra 2013 Bild: Breuel-Bild (ullstein bild), Dmitry Lovetsky (AP, Keystone), Leiser (ullstein bild) Heisse Liebe, eisiger Hass: Italienerin Bartoli. Grosse Vergangenheit: indischer Dirigent Mehta. Heroin aus alten Tagen: russische Sopranistin Netrebko.

oder Yuja Wang spielen ­famos, gegen Legen­ der hehren Klassikwelt hingegen nicht kom­ spielt (über 100). Selbst mit 72 singt Domingo den wie Maurizio Pollini oder Martha Arge­ men. Solche Künstler werden vom traditionel­ weiterhin und lernt laufend neue Rollen, so­ rich ist ihre Strahlkraft bescheiden. len Publikum naserümpfend negiert. Hier be­ eben für London Verdis «Nabucco». Den 2010 ginnt auch der Übergang zum Pop, wo andere diagnostizierten Darmkrebs hat er offenbar Die Aura macht’s Kriterien massgebend sind. Wer sich dort besiegt. Neben seinem Leben als Tenor ist er Dirigenten zehren von ihrem alten Ruf noch nicht Star nennen darf, hat ein hartes Leben. immer öfter auch Bariton, Dirigent und dazu mehr als alle anderen, da ihr Können sowieso we­ Ganz im Unterschied zum Klassikbetrieb – Generaldirektor der Opern von Washington niger genau beurteilt werden kann: Die ­Aura hier schafft man es durchaus auch als normaler und Los Angeles. Als Domingo seinen 60. Ge­ macht’s. Die alternden Kritiker sowie die gros­ grosser Künstler zu Ruhm und Millionen. burtstag feierte, präsentierte er der Welt nicht sen traditionellen Orchester in Wien, Berlin oder nur neue CDs, sondern auch eine Biografie, in Amerika lieben sie, da sie oft viel freier spielen der sein Geburtsschein abgebildet war: Das lassen, Proben als ein notwendiges Übel erach­ Die zehn Topstars der Klassikwelt Datum lautete auf den 21. Januar 1941. Das ten. Eine Win-win-Situation. Georges Prêtre, wirft Fragen auf, denn es gibt (zu) viele Hin­ Bernard Haitink, Lorin Maazel, Herbert Bloms­ Anne-Sophie Mutter: die Mutter aller Gei- weise, dass Domingo schon 1934 geboren wur­ tedt oder Claudio Abbado vergolden sich und gengirlies _ Geigengirlies kommen, Geigen­ de. Wäre er 1941 geboren, hätte er mit 16 gehei­ dem Publikum den Lebensabend. Die überaus girlies gehen. Anne-Sophie Mutter (geb. 1963) ratet und so jung gleich auch noch die ersten aktiven Zubin Mehta,­ Riccardo Muti und Daniel bleibt. Ihr Fundament ist stark, die deutsche Zarzuela-Abende gesungen. Egal: Das Wunder Barenboim sind ihnen dicht auf den Fersen. Geigerin nutzt es perfekt. Mutter bietet seit je «Plácidissimo» ist unerreicht, obwohl der Erst wenn dem jungen Musiker das Kunst­ viel Haut und solides Handwerk: Spielt sie «Weltmeister» nie unfehlbar war. stück gelingt, die Phalanx der Altstars zu neue CDs ein, meistert sie einen Interviewma­ durchbrechen, ja, ihr etwas Neues entgegenzu­ rathon ohnegleichen, der sie multimedial prä­ Cecilia Bartoli: grosse Kunst aus Mängeln _ stellen, kann er den Star-Stempel erhalten. Es sent hält. Spielt sie in Zürich unter dem Label Wo immer Cecilia Bartoli (geb. 1966) Anfang sind wenige, die sich ins kollektive Bewusstsein «Audi classical experience», streicht sie durch­ der Neunziger sang, war die Verblüffung spielen oder singen: Anna Ne­trebko, Daniel aus mal einen sechsstelligen Betrag ein. Mut­ enorm. Nur in ihrer Heimat, in Italien, wollte Harding, Gustavo Dudamel, Jonas Kaufmann, ters Ruhm beruht auf ungeheurem Fleiss, sich ihre Kunst nicht durchsetzen. Und so ver­ Rolando Villazón, Nils Mönkemeyer oder Lang ­Ehrgeiz und Schönheit – sowie dem Glück, die liess sie denn den traditionellen Repertoire- Lang. Schon eine Stufe darunter ist man bereits Legende Herbert von Karajan als Förderer ge­ Weg, ging über zu Raritäten und zur histo­ nur mehr beim Fachpublikum ein Star: Oder habt zu haben: Er ebnete schon dem Kind den risch informierten Aufführungspraxis. Dass wer kauft sich die Aufnahmen der grossartigen Weg zur Deutschen Grammophon. sie mit ihrer Beschäftigung mit alter Musik im Elina Garanca, von Bryn Terfel, Christian Thie­ Trend lag, war ein grandioser Nebeneffekt. lemann, Simon Rattle oder Hilary Hahn? Plácido Domingo: das Wunder «Plácidis­ Auf dem Höhepunkt des Bartoli-Booms ver­ Mit wirklich populären Weltstars wie An­ simo» _ Keiner hat so viele Opernrollen ge­ kaufte sich ihr Vivaldi-Album weltweit über drea Bocelli oder David Garrett muss man in sungen (über 140), keiner so viele Opern einge­ 500 000 Mal. Die anfänglich erst im Ansatz

Klassik-Extra 2013 19 Bilder: Herbert P. Oczeret (EPA, Keystone), Johan Persson (ArenaPAL, ullstein bild) Wem gehört der Thron? Deutscher Tenor Kaufmann. Mit dreizehn einen Plattenvertrag: deutscher Geiger Garrett. Ein Segen für den Markt: Pianist Lang aus China.

­erkennbare expressive Gesangskunst spitzte nahmen mit Andrea Bocelli dirigiert? Mehta! gern mit der Nummer 4 auf dem Rücken zu­ sich gegen Mitte der neunziger Jahre immer «Tosca» an den Originalschauplätzen? Klar friedengeben. Zwanzig Jahre später ist mit mehr zu. Oft verschwindet die Stimme im doch! Dank Alexander Pereira, der weiss, was dem Peruaner Juan Diego Flórez immerhin ein Gaumen, wenn die Läufe aufsteigen oder seine Salzburger schätzen, ist Mehta nun Tenorprinz erkoren. Doch wem gehört der wenn es in die Tiefe geht. Spitzentöne klingen ­wieder dick drin im glänzenden Geschäft. Thron der Tenöre? Wer singt Verdi so, dass lili­ sehr scharf, oft angestrengt und verkrampft. enfüssige Mädchen in Ohnmacht fallen? Der Ihr Piano ist häufig nur mehr gehaucht anstatt Anna Netrebko: Primadonna assoluta _ Das Lockenkopf Jonas Kaufmann (geb. 1969) wird ausgesungen – und auch wenn Bartoli von Märchen beginnt bei den Salzburger Festspie­ zwar zurzeit weltweit viel eher als Wagner-Te­ ­hohen Tönen ausgehen muss, ist meist nicht len 2002, am 27. Juli um 18 Uhr. «Don Giovan­ nor gefeiert, aber darauf lässt er sich nicht re­ mehr als ein Hauch zu hören. Mit dem Verweis ni» steht an: Eine verstörende Regie, ein blasser duzieren, auch Verdi wie Puccini zählen zu sei­ auf Ausdrucksmalerei wird diese Kritik ent­ Titelheld – allenthalben lange Gesichter. Doch nen Standbeinen. Und wenn er dazwischen in kräftet: Was zählten die paar Kritikpunkte eine Frau im kurzen gelben Rock singt wie eine Wien gar Massenets «Werther» singt, beweist schon, wenn mit dieser Stimme eine leiden­ Heroin aus alten Tagen: eine gewisse Anna Ne­ er der Welt, dass es falsch ist, ihn in der Schub­ schaftliche Italianità – heisse Liebe, eisiger trebko ( geb. 1971). Alsbald posiert das Sopran­ lade der heldischen Tenöre zu verstauen. Hass – ausgedrückt werden könne? model so, dass Vorne und Hinte(r)n bestens aus­ geleuchtet sind, setzt sich für einen Werbeclip David Garrett: Beckham der Geiger _ Der Zubin Mehta: der Sonnyboy _ Kaum einer gar in die Badewanne. Auf der Opernbühne «Fall» David Garrett (geb. 1980) ist spannend, seiner Generation zehrt mehr von seiner schlägt ihr Showtalent allerdings in extrover­ da dieser Künstler im Unterschied zu Casting- ­gros­sen Vergangenheit als Zubin Mehta (geb. tierte Schauspielkunst um. Und dazu diese Siegern à la Paul Potts tatsächlich etwas konn­ 1936). Sonnyboy und Womanizer Mehta erober­ Stimme voller Leid und Eleganz! Die Baby­ te, bevor er berühmt wurde. Der 1980 geborene te die Klassikwelt in Amerika wie in Europa in pause hat Netrebko bestens überstanden, ihre Garrett war ein Wunderkind: Mit dreizehn den sechziger Jahren. Auch wenn er in den nul­ Stimme ist voll, die Augen leuchten wie einst. Jahren spielte er bereits mit berühmten Sinfo­ ler Jahren in Salzburg nicht mehr präsent war, Netrebko hat sich gefangen, sucht sich ihre Auf­ nieorchestern und hatte einen Plattenvertrag hielt er sich: Beim Israel Philharmonic Orches­ tritte zwischen Moskau, Wien und New York bei der Deutschen Grammophon. Dann aber tra ist er auf Lebenszeit verpflichtet, die Wiener sehr gezielt aus, sie ist die Primadonna assoluta. tauchte er nach New York ab. Angeblich wollte Philharmoniker lieben ihn, und in Florenz, wo er nochmals wirklich weiterkommen und et­ er Chefdirigent ist, baute man ihm gar eine Jonas Kaufmann: auf dem Tenorthron _ Er­ was dazulernen: Er lernte vor allem zu leben neues Opernhaus. Dumm nur, dass man dort innern Sie sich an die «drei Tenöre»? José Car­ und verlernte das Geigenspiel. Egal: Als Gar­ nun kein Geld hat und gar beim ­Orchester reras, Luciano Pavarotti selig, Placido Domingo rett wieder im Geschäft war, tat er so, als habe ­Abstriche machen muss. Mehta ist sich für for ever? Ob zu Recht oder nicht: Das Trio ver­ er das normale klassische Repertoire immer nichts zu schade, Hauptsache, die Welt schaut körperte vor zwanzig Jahren den Typus des Te­ noch etwas drauf, doch er setzte auf die Schie­ zu: Brauchten «The Three Tenors» ­einen Diri­ nors schlechthin. Roberto Alagna, José Cura ne Crossover. Entscheidend für den Erfolg war genten, stand Mehta bereit. Einer, der die Auf­ oder Neil Shicoff mussten sich in den Neunzi­ aber nicht sein blasses, vibratogeschwängertes

20 Klassik-Extra 2013 Bilder: Roman Vondrous (CTK, ullstein bild), Jazz Archiv Hamburg (akg-images), Jazz Archiv Hamburg (ullstein bild) Ein Segen für den Markt: Pianist Lang aus China. Psyche der Wölfe: französische Pianistin Grimaud. «Dani kann alles»: argentinischer Dirigent Barenboim.

Spiel oder sein Repertoire, sondern sein Image. dem Vergrösserungsglas betrachtet. Und so sachlich kritisiert, wird hart angegangen. Ein­ Garrett sah mit dem hängenden Hosenboden werden aus den unscheinbarsten Nebensäch­ fach sind die Kritiken am Kritiker: Man ver­ so verrucht wie ein H&M-Model aus, er wurde lichkeiten durch angeberisches Understate­ stehe den Menschen Grimaud nicht und somit zum «Beckham der Geiger». ment kühne Wichtigkeiten. Man fragt sich nur: auch nicht ihr Spiel. – Heute liefert das Die junge Masse war begeistert, dass so einer Warum macht er das? Wahrhaft grosse Kunst ist ­Management keine Wolfsbilder mehr. Das Geige spielen konnte. Garretts CDs schafften es doch, tausend kleine Dinge zu beachten, aber ­Klavierspiel soll im Zentrum stehen. es bis in die Popcharts, und in Deutschland nicht wie ein Süchtiger auszukosten. Lang Lang füllte er mit seinen Konzerten alsbald Sport­ sieht in Chopin nur ein pianistisches Wunder­ Daniel Barenboim: der Alleskönner _ ­«Dani stadien. Da aber seine Liebe trotz (oder wegen) werk, der Tausendsassa macht es zum zuckri­ kann alles», schrieb ein prophetischer Kritiker seiner Millionen bringenden Pop/Rock-Bear­ gen Zauberwerk. «Seht, wie toll ich spielen vor fast vierzig Jahren. Heute kann Daniel beitungen die Klassik geblieben ist, erfüllte kann!» ist die Geste dieses zehn-, vielleicht auch ­Barenboim noch viel mehr und ist – als Pianist ihm die Deutsche Grammophon gerne einen zwölffingrigen Unikums. Lang Lang ist zum wie als Dirigent – omnipräsent. Er regiert ein Lebenstraum: Er durfte Beethovens Violin­ Übertreibungskünstler geworden. Musikimperium, wie es vor ihm bestenfalls konzert einspielen. Herbert von Karajan gelang. Barenboim, der Hélène Grimaud: die mit den Wölfen spielt sich zwischen Berlin und Mailand als Völker­ Lang Lang: der Übertreibungskünstler _ _ Die Französin Hélène Grimaud ist eine versöhner gibt, spielt auch im Vorderen Orient Nichts Leichteres, als ein Buch über Pianisten gros­se Pianistin. So gross, dass sie bereits als die erste Geige. Mit dem West-Eastern Divan zu schreiben, über dem die Leute einschlafen. Teenager in der Klassikwelt Fuss fassen konn­ Orchestra schuf er ein Ensemble, das sich aus Jürgen Otten aber hat mit «Die grossen Pianis­ te. Schnell nahm Grimaud bei einem kleinen jungen Instrumentalisten aus Israel und aus ten der Gegenwart» das Gegenteil geschafft. Label auch CDs auf. Doch erst als Grimaud die arabischen Ländern zusammensetzt. Öffentliche Aufmerksamkeit, schreibt er, habe Geschichte mit den Wölfen zu erzählen be­ Barenboim ist der Künstler, der immer im nichts mit Grösse zu tun. Vielmehr brauche es gann, erst als es Bilder von Alawa, dem Wolf, richtigen Moment am richtigen Platz ist. Das Kühnheit und Richtigkeit. Und aufgrund die­ gab, wurde sie zum Klassikstar. Für die Deut­ begann schon früh: 1954 spielte das zwölf­ ser Kriterien liess Otten gleich vier der zehn schen Grammophon war es ein Geschenk, dass jährige pianistische Wunderkind Wilhelm ­berühmtesten lebenden Pianisten in seinem Grimaud alsbald ein Buch über ihr Leben mit Furtwängler kurz vor dessen Tod in Salzburg Buch weg: Lang Lang, Hélène Grimaud, Martin den Menschen, das zum Buch mit den Wölfen vor und erhielt viel Lob. Spektakulär die Ehe Stadtfeld sowie Jean-Yves Thibaudet. Chapeau, wurde, schrieb. In «Wolfssonate» erfährt man mit Cello-Girlie Jacqueline du Pré. Er ist ein auch wenn Lang Lang (geb. 1982) ein Phäno­ alles über ein eigenwilliges Kind und über das Kommunikator erster Güte, der sich auch men, ja ein Segen für den Klassikmarkt bleibt. Leben und die Psyche der Wölfe. Dank des schon zusammen mit dem verstorbenen Lang Lang zeigt nämlich Unglaubliches. Da ­Buches gewann Grimaud neue Freunde: Men­ ­Denker und Soziologen Edward Said als Buch­ gibt es kleinste dynamische Regungen in den schen, die dieses spannende Wesen verstanden autor zeigte. Sogar sein Traum, Chefdirigent wildesten Läufen, alles ist da nicht nur perfekt – und dadurch ihre Interpretationen deuten zu der Berliner Philharmoniker zu werden, herausgearbeitet, sondern jede Schönheit unter können glaubten. Wer nun Grimauds Spiel ­könnte sich 2018 erfüllen. g

Klassik-Extra 2013 21 Bilder: Lebrecht Music Collection (Interfoto), Brill (ullstein bild) Prinzessinnen und Bankdirektoren An den exquisiten Klassikfestivals stellt die Prominenz aus Politik, Wirtschaft, Show und Kultur gerne ihre Kultiviertheit zur Schau. Wer geht wohin? Von Hildegard Schwaninger

Kulturpessimisten, die gern das Ende der spielt. Bayreuth ist gar nicht zu ertragen, verkünden Bläser vom Balkon des Festspiel- ­klassischen Musik voraussagen, haben noch wenn man Wagners Musik nicht liebt. Es hauses das Ende der Pause – mit einem Motiv nie versucht, an einem der Festivals Karten zu muss eine Qual sein, diese langen Werke aus dem gespielten Werk. bekommen. Das ist fast unmöglich. Wenn durchzusitzen, wenn man an ihnen keine Auf dem Grünen Hügel herrscht eine spezi- grosse Interpreten auftreten, sind die be- Freude hat. Die Sitze­ im Festspielhaus Bay- elle Atmosphäre, und so kommen zur Fest- rühmten Festspiele Monate im Voraus ausver- reuth sind denkbar unbequem. Man sitzt eng, spielzeit auch Gäste, die keine Karten ergat- kauft. Für die Bayreuther Festspiele gilt, dass und es herrscht weihevolle Stille. Wer zu spät tert haben. Die gehen halt dann in die «Eule», man acht bis zehn Jahre warten und sich im- kommt, wird nicht mehr eingelassen. Damen, das traditionsreiche Lokal, essen. mer wieder bei der Festspielleitung melden die mit ihrem Schmuck klimpern, sind nicht muss, bis man endlich auf der Bestellliste nach gern gesehen. Bayreuth kennt keine Kleider- Der Adel liebt Salzburg vorne rückt und Karten bekommt. Das ist na- vorschriften. Nach der Eröffnung, wo die Eine total andere Atmosphäre zeichnet Salz- türlich ein Mythos, manchmal bekommt man ­Leute aufgebretzelt daherkommen, kann burg aus. Die Salzburger Festspiele, 1920 ge- auch Karten im letzten Moment. man anziehen, was man will. Armin Trösch, gründet von , Hugo von Hof- Die Bayreuther Festspiele, gegründet vom Ehrenpräsident der Schweizerischen Richard- mannsthal und Max Reinhardt, gelten als Komponisten Richard Wagner, sind die ältes- Wagner-Gesellschaft (36 Jahre lang war er Prä- renommierteste Festspiele der Welt. Mit dem ten Festspiele der Welt. sident), erscheint immer grössten Staraufgebot und den teuersten 1876 fand die erste Vorstel- Die Sitze­ im Festspielhaus im Frack. Aus Ehrfurcht Karten.­ Anna Netrebko, Jonas Kaufmann, lung statt, es war die Ur- Bayreuth sind vor dem Genie. ­Plácido Domingo, Elina Garanca, Valery aufführung des «Ringes Für die (fürs Publikum) Gergiev, Simon Rattle, Daniel Barenboim: des Nibelungen», und im denkbar ­unbequem. unsichtbaren Orchester- Wer immer Star der Stunde ist, man trifft ihn Auditorium sassen nicht musiker gilt keine Klei- zur Festspielzeit an der Salzach. Entspre- nur Kaiser und Könige und namhafte Kompo- derordnung. Sie können in Badehosen spie- chend zahlungskräftig die Klientel. Die Coro- nisten (unter ihnen Peter Tschaikowsky), len, wenn sie wollen, heisst es in Bayreuth. Es na der deutschen Wirtschaft, Fabrikanten sondern auch Schriftsteller Leo Tolstoi und kann sehr heiss werden, das Festspielhaus hat und Mil­liardäre, amerikanische Tycoons, Po- der Philosoph Friedrich Nietzsche. Heute keine Klimaanlage, früher wurde während litprominenz. Showbusiness-Glitzerstern- sieht man bei der jährlichen Festspiele-Eröff- der Pause das Dach mit kaltem Wasser abge- chen – in Salzburg sieht man alles. Seit Jahren nung Angela Merkel, Thomas Gottschalk, spritzt, um dem Publikum Kühlung zu ver- die gleichen Leute. Fürstin Gloria von Thurn und Taxis. Gesell- schaffen (mittlerweile hat man ­eine moderne- Dirigentenwitwe Eliette von Karajan ist, schaftlich relevant ist nur die Premiere. Da re Lösung gefunden). Ja, man muss Wagner obwohl Herbert von Karajan seit Juli 1989 tot kommen Politik- und Wirtschaftsstars auf lieben, sonst hält man Bayreuth nicht aus. ist, immer noch First Lady. Herbert von den Grünen Hügel, der rote Teppich wird aus- Wer Richard Wagners Musikdramen liebt, be- ­Karajan prägte die Festspiele von 1960 bis 1989 gerollt, die Auffahrt zum Festspielhaus ge- kommt allerdings das Beste. Das Festspielor- (er starb mitten in den Vorbereitungen zu schmückt, Polizei und Paparazzi stehen her- chester setzt sich aus den besten Musikern der «Falstaff»). Er dirigierte, inszenierte, regierte um sowie ein Haufen ­Einheimischer, die die Welt zusammen, auch die ­Chorsänger kom- als Autokrat. Auf ihn folgten Gerard Mortier, Prominenten sehen wollen. Während des Jah- men aus allen Teilen der Welt. Der Mann der Peter Ruzicka, Jürgen Flimm, Markus Hin- res ist Bayreuth ein verschlafenes Städtchen, Stunde ist seit zehn Jahren Christian Thiele- terhäuser und zurzeit Alexander Pereira. Glanz und Gloria gibt es nur während der mann, der als bester Wagner-Dirigent der Ge- Letzterer agiert hier etwas glücklos. Da er Festspielzeit vom (dieses­ Jahr) 25. Juli bis genwart gilt. Der ­Orchesterklang ist homo- schon vor Amtsantritt mit Rücktritt drohte 28. August. gen, aber nicht zu laut. Man hört die Stimmen (weil seine Budgetvorstellungen nicht erfüllt Bayreuth, das ist Anbetung, das ist Kult. «Es gut. Bayreuth ist der Himmel der Sänger, wer wurden), war er bei den Salzburgern von gibt drei Arten, nach Bayreuth zu reisen», hier gesungen hat, hat es ­Anfang an unten durch. schrieb ein Wagner-Verehrer vor über hundert geschafft. Salzburg hat das grösste Pereira und die Salzburger Jahren, «mit der Eisenbahn, mit der Kutsche Früher sah das Publi- Staraufgebot und können nicht miteinan- oder auf Knien.» Und als Marcel Reich-Ra­ kum Wolfgang Wagner, der. nicki gefragt wurde: «Wie können Sie, der Sie den Hausherrn und Enkel die teuersten­ Karten. Seit dreissig Jahren sind das Warschauer Getto überlebt haben, Wagner Richard Wagners, herum- es die gleichen Ladys, wel- lieben, der doch so einen schlechten Charakter spazieren, wenn es auf dem Grünen Hügel che den harten Kern der Salzburg-Society bil- hatte?», antwortete er: «Wissen Sie, es gibt war; die Halbschwestern Katharina Wagner den: neben Eliette­ von Karajan die unver- ­viele gute Menschen, aber keiner von ihnen und Eva Wagner-Pasquier, die nach seinem wüstliche ­Fürstin Manni Wittgenstein, ihre hat den ‹Tristan› geschrieben.» Tod die Leitung übernahmen, sieht man nach Schwiegertochter­ Sunnyi Melles, Bianca der Premiere selten. Die Pausen in Bayreuth Jagger, die den ­Sommer seit Jahren als Gast Ehrfurcht vor dem Genie dauern eine Stunde, man stärkt sich im Fest- des Kunsthändlers­ Thaddaeus Ropac in Nach Bayreuth fährt man wegen der Musik, spiel-Restaurant (wo man vor der Vorstellung Salzburg ­verbringt, die Gabriele Inaara nicht wegen der Gesellschaft. Ganz im Gegen- schon die Bestellung aufgegeben hat) oder an ­Begum Aga Khan und ihre Mutter Renate satz zu Salzburg, wo das gesellschaftliche Stehtischen mit Sekt und Nürnberger Brat- Thyssen-Henne, Francesca von Habsburg. Drumherum für viele sogar die Hauptrolle würsteln. Vor Beginn des nächsten Aufzugs Neue ­Gesichter sind Prinzessin Madeleine

22 Klassik-Extra 2013 von Schweden und ihr zukünftiger Mann Chris O’Neill, dessen Mutter aus Felix Aust- ria stammt. Stammgäste sind Peter Brabeck (Nestlé ist grosser Sponsor), Roche-Präsident Franz Humer,­ der am Residenzplatz eine Wohnung besitzt. Bei ihm und seiner Frau Majo Fruit- hof zum Lunch eingeladen zu sein, bedeutet den gesellschaftlichen Ritterschlag. Dort trifft man «Hotel Sacher»-Besitzerin Elisa- beth Gürtler. Die Zürcher Kunsthändler Pi- erre Koller und Cyril Koller checken mit der ­ganzen Familie (mindestens zehn Leute) im Hotel «Fuschl» ein. Der Zürcher Treuhänder Marcel Studer logiert im Hotel «Goldener Hirsch», seit der Bogensberg in Berchtesga- den, wo Studer bei Konsul Bruno Schubert Hausgast war, verkauft wurde.

Wirtschaftselite in Luzern Gesellschaftlich relevant ist nur die Premiere: Gloria von Thurn und Taxis, Tochter Elisabeth in Bayreuth. Das exklusivste Festival der Schweiz ist das Lucerne Festival. Das gibt es seit 75 Jahren, Startschuss dazu war ein Konzert, das Arturo Toscanini 1938 in Triebschen gab, ab 1940 hiess es Internationale Musikfestwochen Lu- zern. Heute kommen die besten Musiker aus aller Welt, Claudio Abbado gründete 2003 das Lucerne Festival Orchestra. Michael Haefli- ger ist Intendant, das Kultur- und Kon- gresszentrum Luzern (KKL) direkt am Vier- waldstättersee ist eines der schönsten Konzerthäuser der Welt. Hier trifft sich die Schweizer Finanz- und Wirtschaftselite: Oswald­ Grübel, Carolina­ Müller-Möhl, ­Michael Ringier, Rainer E. Gut, WEF-Grün- der Klaus Schwab, Roche-CEO Severin Schwan, Raymond Bär, Urs Rohner (CS), Axel Lehmann (Zurich Financial Services), Felix Meyer (Paul-Sacher-Stiftung), Hugo Bütler (Zuger Kulturstiftung Landis & Gyr), alt Bundesrat Hans-Rudolf Merz und Sänger Roberto Blanco. Madeleine von Schweden, Freund O’Neill in Salzburg. Ehemaliger CS- und UBS-Chef Grübel in Luzern. Neue Festivals schiessen aus dem Boden und wachsen heran. Siebzehn Tage Stars der klassischen Musik vor der Kulisse der Schwei- zer Berge­ bietet das Verbier Festival. Etablier- te Künstler und Nachwuchstalente treten auf. Evgeny Kissin, Lang Lang, Martha Ar- gerich, Thomas Quasthoff durften schon das herzhafte Engagement und die Gast- freundschaft der aus aller Welt kommenden «Amis du Verbier Festival» im sonnigen ­Wallis erleben. Gstaad stellt jeden Sommer mitten im Dorf sein Festivalzelt auf. Hier ­findet sieben Wochen lang das Menuhin ­Festival statt. Dieses Jahr heisst das Motto «Wasser», so werden auch die «Moldau» von Smetana und «La Mer» von Debussy gespielt. Die Elite der Interpreten wird im Berner Oberland erwartet: Christoph Eschenbach, Fazil Say, Juan Diego Flórez, Sol Gabetta, Andris Nelsons. Der Sommer kann kom- men. Er wird heiss erwartet. g Tradition in Salzburg: Sunnyi Melles, Ehepaar Henne, Gabriele Inaara Begum Aga Khan (v.l.).

Klassik-Extra 2013 23 Bilder: Christian Stiefler (babiradpicture), Andreas Kolarik (Brauer Photos), A. Pauli (babiradpicture), Doris Wild (HR, Agence People Image) «Man kann klassische Musik auch etwas lockerer zeigen» Das Lucerne Festival ist das grösste und wichtigste Klassikfestival der Schweiz. Direktor Michael Haefliger erklärt, weshalb Finanz-CEOs so oft an Konzerten zu sehen sind, was man von Dirigenten lernen kann und was an den Gerüchten über seinen Abgang nach Salzburg dran ist. Von Rico Bandle

Herr Haefliger, kann man mit klassischer ren und die Werke möglichst unbeschädigt Bereich bieten wir das Beste der Welt. Rund Musik heute noch eine Revolution an­ lassen. um diesen Pfeiler entsteht aber sehr viel Le- zetteln? Aber was konkret wird neu? bendigkeit, sehr viel Innovation. Und auch Wir haben immer wieder Revolutionen in Formal wird sich einiges ändern. So über­ bei den Sinfonieorchestern bewegt sich eini- der Musik erlebt, auf diese wollen wir an legen wir uns, kürzere Konzertformate ges. Wenn ich sehe, was Simon Rattle in Ber- dem 75-Jahr-Jubiläum zurückblicken. Der ­anzubieten. Ich glaube nicht, dass das tradi- lin alles macht, so lässt mich das hoffnungs- Aufbruch in die Moderne mit Strawinskys tionelle, zweistündige Konzert, das um voll in die Zukunft blicken. Ballett «Le sacre du printemps» exakt vor 19.30 Uhr beginnt, in zwanzig Jahren noch Was genau fasziniert Sie an Simon Rattle? hundert Jahren war ein Meilenstein, den zeitgemäss sein wird. Für das kommende Er verfügt über ein riesiges Repertoire, ins- wir aufnehmen. Oder Wagner, der Revolu- Festival haben wir bereits ein neues Format besondere natürlich im Barock- und Roman- tionär schlechthin: Wir führen erstmals eingeführt, genannt «40 min»: kurze Vor- tikbereich, aber weit darüber hinaus. Zudem den ganzen «Ring» konzertant auf. Wag- abendkonzerte, die kostenlos sind. Mit sol- arbeitet er stark mit Inszenierungsformen. ner war ja in die Schweiz geflüchtet, bei chen Formaten experimentieren wir gerne Einzigartig sind auch seine Jugendprojekte, ihm gibt es sehr viele – was ich aber nicht möch- er vermag mit seiner Ausstrahlung und sei- interessante Aspekte. «Das Revolutionäre te, ist eine inhaltliche Po- ner Persönlichkeit auch bildungsferne Ju- Mit unserer Academy muss man in den Werken pularisierung. Wir wollen gendliche für die Klassik zu begeistern. In und unseren moder- ein traditionelles, klassi- dieser Hinsicht ist er ein grosses Vorbild: nen Programmen wol- selbst suchen.» sches Festival bleiben. Auch wir wollen die Klassik für Kinder zum len wir aber natürlich Das sind ja eher über­ Erlebnis machen – sie sind unser Publikum auch zeigen, wo sich die klassische Musik schaubare formale Änderungen. Mit der von morgen. in Zukunft hinbewegen wird. Salle Modulable wollten Sie viel weiter ge­ Unter Ihnen ist das Lucerne Festival stark Sie machen ein Festival auf höchstem Ni­ hen und die klassische Musik als Klanger­ gewachsen, Sie haben das Festival Orchestra veau, Ihre Besucher kommen in Anzug und lebnis in einem neuartigen Raum revoluti­ wiederbelebt, die Academy gegründet. Krawatte, die Eintrittskarten sind nicht onieren. Ist diese Vision mit dem Scheitern Nach der starken Expansion verkürzten Sie ganz billig, die Formalitäten spielen eine des Neubaus gestorben? die Festivaldauer vor einigen Jahren wieder. grosse Rolle. Steckt da hinter dem Motto Das Ziel ist weiterhin, eine Infrastruktur zu er- Ich hatte die Festivaldauer von vier auf «Revolution» auch eine gewisse Ironie? richten, die neue Formen des Musiktheaters fünfeinhalb Wochen erweitert. Das hatte Nein. Das Thema ist nicht in einem provo- zulässt. Beim neuen Projekt wird die Politik mit der Gründung des Festival Orchestra zu kativen oder zerstörerischen Zusammen- federführend sein, nicht mehr das Lucerne tun. Mittlerweile sind wir wieder bei vier hang zu sehen, sondern in einem positi- Festival. Kürzlich wurden die Pläne ja vorge- Wochen, das Budget ist aber dasselbe. In ven: Wo gelang es, neue Positionen zu stellt, wonach in der Nähe des Kultur- und ­einem kürzeren Zeitraum machen wir ein definieren? Oder Konventionen zu bre- Kongresszentrums (KKL) ein neues Theater- vergleichbares Programm. chen? Als Strawinsky «Sacre» zur Urauf- haus entstehen soll, das auch wir werden be- Hatten Sie die Expansion zu weit getrie­ führung brachte, rechnete er nicht damit, spielen können. Es ist ein grosser Wunsch von ben? dass das Publikum den Saal verlassen mir, dass das Lucerne Festival nicht nur wie So würde ich das nicht sagen. Aber das Pro- ­würde; er hatte nicht die Absicht, zu pro- bisher Konzerte, sondern auch Opern und an- gramm franste aus, alle waren müde in der vozieren. Das Stück verkörpert Strawins- deres inszeniertes Musiktheater bieten kann. fünften Woche, die Medien interessierten kys Entwicklung, die neue musikalische Mit der ursprünglichen Idee einer Salle Mo­ sich nicht mehr für uns. Also beschlossen Dimensionen geschaffen hat. Das interes- dulable nach den Plänen des Komponisten wir, wieder zurück zu den vier Wochen zu siert mich mehr als die geplante Provoka- und Dirigenten Pierre Boulez hat das neue gehen, allerdings mit grösserer Intensität. tion – und ist auch das Ziel des Lucerne Projekt aber nicht mehr viel zu tun. Ich bin in dieser Hinsicht unverkrampft: Festival: immer mal wieder die Grenzen zu Die Salle Modulable war Wenn ich sehe, dass sich durchbrechen, die Musik neu zu denken. eine einzigartige Chan- «Im Bereich der etwas nicht bewährt, habe Sie beschäftigen sich seit vielen Jahren ce, die wir planerisch be- ­Sinfoniekonzerte bieten wir ich keine Mühe, einen Ent- ­intensiv mit der Frage: Wie sieht die reits sehr weit gebracht scheid rückgängig zu ma- ­Zukunft der klassischen Musik aus? Wo hatten. Nun hat es nicht das Beste der Welt.» chen. Unser Problem ist: sehen Sie die nächsten revolutionären geklappt, damit müssen Wir haben so viele heraus- Tendenzen? wir uns abfinden. ragende Künstler, die bei uns etwas machen Das Revolutionäre muss man in den Wer- Bei allen Ideen, wie man die klassische möchten, da muss man oft nein sagen. ken selbst suchen, da wird man immer ­Musik erneuern kann: Am beliebtesten Sie arbeiten mit den besten Künstlern unse­ wieder fündig. Beethoven zum Beispiel ist sind dann doch die konventionellen Sinfo­ rer Zeit zusammen. Welche Persönlichkeit heute noch äusserst überraschend. Revolu- niekonzerte mit den grossen, traditionsrei­ hat Sie in den vierzehn Jahren als Intendant tionäre Prozesse entspringen den Köpfen chen Orchestern, die die alten klassischen in Luzern am meisten fasziniert? der Komponisten, das macht sie erst ge­ Werke spielen. Für mich sind natürlich Claudio Abbado nial. Das wird auch in Zukunft so bleiben: Die grossen Sinfoniekonzerte sind der und Pierre Boulez die grossen Persönlich- Man muss sich auf die Inhalte konzentrie- Grundpfeiler unseres Festivals. In diesem keiten, die das Festival auch prägen. Mit

24 Klassik-Extra 2013 «Jeder Künstler ist nervös»: Festival-Direktor Haefliger.

Klassik-Extra 2013 25 Bild: Marco Borggreve ­ihnen stehe ich tagtäglich in Kontakt. Bei- unmittelbare Anspannung vielleicht etwas ren und Formalitäten, auch was die Klei- des sind ältere Herren, Boulez hat mittler- kleiner als bei einem Instrumentalisten. dung betrifft, sind nicht nötig. weile auch gesundheitliche Probleme, er Ist es bei Ihnen schon vorgekommen, dass Gerade bei einem Festival ist doch der fest­ sieht nicht mehr gut; Abbado ist aber noch der Dirigent das Orchester schlicht nicht in liche Charakter mitentscheidend. sehr fit. Beide sind für das Festival ein rie- den Griff kriegte? Ich sehe bei meiner Tochter: Sie und ihre siger Glücksfall. Bei den Gästen kann ich Immer wieder. Es gibt fabelhafte Konzerte Freunde hören gerne klassische Musik, aber den Dirigenten Daniel Barenboim hervor- und andere, bei denen die Motivation nicht alles ist ihnen zu formalistisch. Ich bin es heben und natürlich Simon Rattle, einen ganz stimmt. Man muss wissen, dass die mir gewohnt, einen Anzug zu tragen, für ­Dirigenten, den ich sehr bewundere für Spitzenorchester permanent unterwegs mich ist das normal. Für viele junge Leute ist seine Konsequenz, die er in die Musik hin- sind auf weltweiten Tourneen. Das Niveau dies anders: Sie kommen nur schon deswe- eingebracht hat. ist allerdings grundsätzlich sehr hoch, star- gen nicht an ein klassisches Konzert, weil sie Was zeichnet diese Konsequenz aus? ke Ausreisser nach unten sind sehr selten. sich nicht so kleiden möchten und vielleicht Einerseits ist er unerbittlich in der Inter- Musik ist eine sehr emotionale Angelegen­ auch gar keinen Anzug besitzen. Ich will pretation von Werken, anderseits zeigt er heit und lebt entsprechend stark von My­ ­diese Leute nicht ausschliessen. eine grosse Offenheit, Konventionen zu then: Ein grosser Name, was das Orchester Wie stehen Sie zu den Formalitäten im Kon­ durchbrechen. Er verfügt über die seltene betrifft, den Dirigenten oder den Saal, ist zertsaal selbst? Wann geklatscht werden Fähigkeit, das Publikum wachzurütteln, es genauso wichtig wie die eigentliche Quali­ darf, ist genau vorgegeben, wer fälschli­ zu überraschen, ohne zum Populismus zu tät der Musik. Täuscht dieser Eindruck? cherweise nach dem ersten Satz applau­ neigen. Meiner Meinung nach gehört er zu Man sieht bei uns Menschen, nicht Mythen. diert, wird vom Publikum mit bösen Bli­ den ganz Grossen, mit ihm zusammenzu- Abbado, Boulez, Rattle, Jansons­ oder wie sie cken bestraft. arbeiten ist immer eine Herausforderung.­ alle heissen sind letztendlich ganz normale Interessanterweise war dies früher noch Wie äussert sich das? Menschen, die aber die ­anders: Vor 200 Jahren wurde nach dem Stellt er besondere An­ «Vor 200 Jahren wurde ­Fähigkeit besitzen, etwas ­ersten Satz noch applaudiert, erst später galt sprüche? nach dem ersten Satz noch Ausserordentliches zu dies als verpönt. In New York gibt es wieder Nein, die Tourneen, die leisten – was sie vielleicht einen Konzertveranstalter, der aktiv pro­ er mit den Berliner ­applaudiert.» zu Mythen macht. moviert, dass man dann applaudiert, wenn Philharmonikern im Der Direktor der sich im man seine Freude kundtun möchte, und Sommer macht, sind vorgegeben: Das Or- Bau befindlichen Elbphilharmonie in nicht so lange warten soll, bis man endlich chester probt in Berlin, geht dann nach ­Hamburg hat einmal gesagt, die grosse darf. Salzburg, Luzern, oft auch noch an die BBC ­Herausforderung sei nicht unbedingt, dass Bei Klassikveranstaltungen fällt auf, wie Proms in London. Da kann ich nicht mehr die Akustik eines Konzertsaales ausseror­ viele Topleute aus der Finanzbranche im viel mitreden. Es entstehen nicht dieselben dentlich sei, sondern dass die Leute glaub­ Publikum sitzen und sich auch in den Gre­ Diskussionen wie mit Claudio Abbado oder ten, sie sei ausserordentlich. Ähnliches gilt mien von Klassikinstitutionen engagieren. Pierre Boulez, die ihre Programme speziell doch auch bei den Orchestern: Die Wiener Gibt es eine geistige Verwandtschaft zwi­ für Luzern zusammenstellen. Was bei Philharmoniker sind ein Mythos, der eben­ schen klassischer Musik und Geld? ­Rattle aber auffällt: Er hat sehr klare Vor- so wichtig ist wie ihre Musik. Die Musik vermittelt Werte, die die Finanz- stellungen und Ideen. Bei der Programm- Ein Mythos entsteht durch eine kontinuier- branche gerne auch für sich beansprucht: gestaltung geht er nicht musikwissen- lich ausserordentliche Leistung, oft über Tradition, Stil, Werthaltigkeit. Deshalb fin- schaftlich vor, sondern denkt vom Inhalt Jahrzehnte hinweg. Da sehe ich kein Pro­ den wir auch viele Sponsoren: Das Festival her: Was passt wie zusammen? Das ist ein blem. Aufpassen muss man bei kurzfristi- finanzieren wir zu 95 Prozent selbst, nur 5 einzigartiges Vorgehen, das mich immer gen Hypes. Diese fallen immer irgendwann Prozent der Einnahmen stammen von Sub- wieder fasziniert. in sich zusammen, was dann für den Veran- ventionen. Das ist einmalig in Europa. Wenn Sie mit den grossen Dirigenten in stalter unbefriedigend ist. Was aber stimmt: Diese «Werte» mögen für das Marketing Luzern essen gehen, worüber sprechen Sie Die Marke ist sehr wichtig. wichtig sein, doch wenn man die vielen dann? Wie anfällig ist das Lucerne Festival trotz­ CEOs an Ihren Konzerten sieht, fragt man Nach den Konzerten stehen die Entspan- dem dafür, Hypes mitzumachen? Der junge sich doch: Weshalb kommen die alle zu nung, die Freude im Zentrum, meist sind Stardirigent Gustavo Dudamel zum Beispiel ­Ihnen? Das Interesse an der Musik scheint auch andere Leute dabei. Bei Mittagessen war bei Ihnen, bevor er sich etabliert hatte. bei vielen Wirtschaftsführern durchaus echt. sind die Gespräche konzentrierter, da Ich hatte Dudamel in Venezuela gesehen, Natürlich gibt es auch bei uns Manager, die spricht man gerne über Musik, neue ­Pierre Boulez hatte mit ihm dort gearbeitet. nur zu uns kommen, weil sie als Sponsor ­Projekte und so weiter. Dann kam er mit dem Simón-Bolívar-­ eingeladen sind. Das sind dann jene Leute, Bei Sängern oder Instrumentalisten weiss Jugendorchester nach Luzern, was wirklich die während des Konzerts am Blackberry man, dass selbst Topstars vor den Auftrit­ ein Hype war. Das war etwas komplett ­E-Mails beantworten. Ob es tatsächlich eine ten oft unglaublich nervös sind, sich zum ­Neues: Jugendliche aus den Slums von geistige Verwandtschaft zwischen Klassik Teil sogar übergeben müssen. Wie ist das ­Caracas, die klassische Musik machten – und Geld gibt, habe ich mir noch nie über- bei Dirigenten? Medien und Publikum lieben solche emo­ legt. Die Freude vieler Wirtschaftsführer an Jeder Künstler ist nervös. Bei Instrumenta- tionalen Geschichten. Heute ist Gustavo klassischer Musik ist auch damit zu erklä- listen kommt natürlich die Beherrschung ­Dudamel Chefdirigent der Los Angeles ren, dass viele von ihnen aus einem bürgerli- des Instruments dazu: Die Noten müssen Philharmonic und hat sich dort hervorra- chen Haushalt kommen und als Kind schon sitzen, das Publikum bemerkt jeden Feh- gend entwickelt. Es handelte sich bei ihm ein Instrument gespielt haben. Meist ist ler. Bei Dirigenten ist das anders: Ihre also doch nicht nur um einen Hype. Was ­entscheidend, ob jemand schon in der Ju- ­Herausforderung besteht darin, gewisse solche jungen Dirigenten mir auch zeigen: gend zur Klassik gefunden hat. Partien so zu spielen, dass Leben in das Man kann die klassische Musik durchaus Oft wird die Verbindung über den Dirigen­ ­Orchester kommt. Entsprechend ist die etwas lockerer zeigen, die starren Struktu- ten hergestellt, der die Führungsperson

26 Klassik-Extra 2013 schlechthin darstelle, von der jeder Mana­ ich bin überzeugt, dass wir das hinkriegen nal, die bereit sind, auf der Bühne viel von ger lernen könne. Was ist hier dran? werden. sich selbst preiszugeben. Dass ich selber Mu- Sehr viel. Ein Orchester mit 120 Leuten al- Ein grosses Gesprächsthema letztes Jahr siker war, hilft mir, den richtigen Umgang lein mit Gesten durch eine komplexe Parti- war, dass Claudio Abbado wenige Wochen mit ihnen zu finden. tur zu führen, das ist eine enorme Leis- vor dem Festival die Aufführung von Mah­ Wenn Sie unbeschränkte Mittel zur Verfü­ tung. Die Frage bei einer Führungsperson lers 8. Sinfonie absagte. Sie hatten bereits gung hätten: Welches Projekt würden Sie ist ja immer: Wie viel muss ich befehlen, alles fertig geplant, drei grosse Chöre enga­ gerne durchführen? wie viel ergibt sich allein aus meiner Hal- giert. Wie war das für Sie, als der grosse Dass wir Wagners «Ring»-Zyklus machen, ist tung und durch meine Ausstrahlung? Inte- Meister dann zu Ihnen ins Büro kam und für mich schon so ein Traum, den ich schon ressant zu beobachten bei Dirigenten ist ja, Ihnen sagte, er wolle es doch nicht machen? immer verwirklichen wollte. Was eher uto- dass die grossen Koryphäen mit dem Alter Er kam nicht ins Büro, sondern teilte mir pisch klingt, aber mich sehr reizen ­würde: immer weniger zu gestikulieren brauchen, ­seine Entscheidung am Telefon mit. Das war das Gesamtwerk Stockhausens aufzuführen. um das Orchester zu lenken. In jungen Jah- für mich eine der schwierigsten Situationen Samt Helikoptern. ren holen sie gross aus, irgendwann mer- meiner Intendanz. Nicht wegen der drei Ja. Mir gefallen auch diese Theatermara- ken sie, dass kleinste Bewegungen schon Chöre und des enormen Aufwands, der be- thons, wenn zum Beispiel Peter Stein den ge- genügen, um beim Orchester enorme­ Kräf- reits für das Projekt betrieben worden war – samten «Wallenstein» aufführt. Diese In- te freizulegen. Da sieht man, wie essenziell das ist nebensächlich. Sondern wegen des tensität hinzukriegen, ist fantastisch. Erfahrung und Konzentration sind. künstlerischen Aspekts. Die 8. Sinfonie hätte Sie werden als Nachfolger von Alexander Pierre Boulez hat gesundheitliche Pro­ ein Höhepunkt werden sollen, viele Leute Pereira an den Salzburger Festspielen ge­ bleme, Claudio Abbado ist auch schon 79 wollten nur deswegen von weither nach Lu- handelt. Ist das eine Option für Sie? Jahre alt. Sie sind die zentralen Stützen, zern reisen. Ich musste aber den Entscheid Wichtig ist: Solange ich hier bin, setze ich die grossen Aushängeschilder des Festi­ akzeptieren. Abbado kam mit dem Werk mich mit Haut und Haar für das Lucerne vals. Wie geht es weiter? einfach nicht zurecht. Auch die bereits enga- Festival ein. Es gibt noch viel zu tun in den Boulez hat die Lucerne Festival Academy gierten Musiker haben das verstanden, der nächsten Jahren. zwar aufgebaut, aber sie ist nicht mehr al- Schaden war deshalb eher gering. Das heisst also: Ja. lein von ihm abhängig. Wir haben grossar- Wie sehr kann man einem Star wie Abbado, Wenn ich Journalist wäre, würde ich diese tige Künstler für die Academy gewinnen der so viel für das Festival geleistet hat, eine Frage auch stellen. Aber Sie müssen verste- können, nächstes Jahr zum Beispiel Simon Spezialbehandlung gewähren? hen, dass ich dazu nicht mehr sagen kann. Rattle. Mit Abbado arbeiten wir noch so Es ist Teil meiner Aufgabe, hier die richtige Michael Haefliger, 53, ist seit 14 Jahren Intendant des lange zusammen, wie es geht; irgendwann Balance zu finden. Künstler sind hochkom- Lucerne Festival. Der ehemalige Geiger ist der Sohn des kommt es aber zum Generationenwechsel, plexe Menschen, sehr sensibel, sehr emotio- berühmten Tenors Ernst Haefliger.

Concerts of a Lifetime. 2. – 15. August 2013

Khatia Buniatishvili mit dem Sinfonieorchester des Nationaltheaters Prag | Konstantin Scherbakov | Håkan Hardenberger und Jonathan Scott | Jordi Savall und Dimitri Psonis Maurice Steger | Trio di Clarone mit Sabine Meyer | Leipziger Streichquartett und Dietlinde Turban-Maazel | Emmanuel Pahud und Eric Le Sage | Midori Seiler | Die 12 Cellisten der Berliner Philharmoniker Programmheft und Tickets an allen Tourist Infostellen Engadin St. Moritz und auf www.engadinfestival.ch International: Menuhin Festival Gstaad.

Mehrere Jubiläen: Lucerne Festival im KKL. «Über zwanzig Weltstars»: Dutoit in Verbier. Klassiksommer 2013 Die Schweizer Festivals und Open-Air-Veranstaltungen im Überblick.

Lucerne Festival die St. Petersburger Philharmoniker, das Verbier Festival 16. August bis 15. September Symphonieorchester­ des Bayerischen Rund- 19. Juli bis 4. August funks, die Sächsische Staatskapelle Dresden Dieses Jahr hat das grösste und bedeutendste oder das West-Eastern Divan Orchestra. Zu den Das Verbier Festival bietet seit zwanzig Jahren Klassikfestival der Schweiz gleich mehrere namhaften Dirigenten gehören neben Claudio jeden Sommer ein Programm mit interna­ ­Jubiläen zu feiern: Das Festival ist 75 alt, das ­Abbado und Pierre Boulez auch Daniel Baren- tionalen Top-Künstlern der Klassikwelt. Die Lucerne Festival Orchestra und die Lucerne boim, Daniele Gatti, Daniel Harding, Mariss wunderbare Bergwelt mit Panoramablick auf Festival Academy bestehen beide seit 10 Jahren. Jansons, Esa-Pekka Salonen und Christian Matterhorn und Montblanc, kombiniert mit Das Motto lautet «Revolution!». Der Diri- Thielemann. Musik auf höchstem Niveau, macht Verbier zu gent Claudio Abbado und das Lucerne Festival Zu Ehren Richard Wagners führt Jonathan einer der begehrtesten Destinationen auf dem Orchestra präsentieren Beethovens epochale Nott mit den Bamberger Symphonikern den Festivalkalender. dritte Sinfonie, die «Eroica», und Bruckners vollständigen «Ring des Nibelungen» konzer- Das Festival verfügt über ein eigenes Sin­ neunte Sinfonie. Am 29. August ­erinnern die tant auf. International gefragte Wagner-Inter- fonieorchester, ein eigenes Kammerorchester Berliner Philharmoniker und ­Simon Rattle mit preten bilden die Sängerriege, unter ihnen und eine eigene Academy. Das Sinfonieorches- Strawinskys «Le Sacre du printemps» an den Torsten Kerl, Albert Dohmen, Petra Lang, ter (Verbier Festival Orchestra) wird dieses Jahr wohl denkwürdigsten ­Premierenskandal der Klaus Florian Vogt und Mikhail Petrenko. unter anderen von Charles Dutoit und Kent Na- Musikgeschichte vor hundert Jahren im Pariser Neu dieses Jahr ist das Konzertformat «40 gano dirigiert. An den sechzig Konzerten treten Théâtre des Champs-Elysées. Zudem sind viele min». An elf Terminen während des Festivals unter anderen die Opernstars Anna Netrebko,­ der weltweit renommiertesten Orchester in bietet die Konzertreihe Klassik und Moderne Bryn Terfel und Natalie Dessay auf sowie die ­Luzern zu Gast: die Wiener und Berliner im Luzerner Saal des KKL, jeweils um 18.20 ­Pianisten Grigory Sokolov, Hélène Grimaud, ­Philharmoniker, das Budapest Festival Or­ Uhr, vor den abendlichen Sinfoniekonzerten. Menahem Pressler und Yuja Wang. Eingeladen chestra, das Pittsburgh Symphony Orchestra, Die 40-min-Konzerte sind kostenlos. sind auch zwei Spitzenchöre: The Collegiate das Concertge­bouw-Orchester Amsterdam, www.lucernefestival.ch Chorale und der Chor des Teatro Regio­ Torino.

28 Klassik-Extra 2013 Bilder: Priska Ketterer, Menuhin Festival, Nicolas Brodard Imposant: St. Galler Festspiele im Klosterhof.

Unter dem Titel Verbier Festival Discovery den Höhepunkten gehört auch der Konzert- Richard Wagner, dessen Geburtstag sich in ­bietet das Festival zahlreiche kostenlose Vor- abend mit dem peruanischen Tenor Juan Die- diesem Jahr zum 200. Mal jährt, lebte neun träge, Konzerteinführungen, Diskussions­ go Flórez, der an der Seite von Mikhail Pletnev Jahre in Zürich. Hierzu bringen das Schau- runden und Künstlerbegegnungen an. Höhe- und dem Russian National Orchestra Arien spielhaus und das Opernhaus in einer Kopro- punkt des Festivals ist das Jubiläumskonzert von Donizetti und Verdi interpretieren wird. duktion «Richard Wagner – Wie ich Welt am 28. Juli in der Salle des Combins. «Über www.menuhinfestivalgstaad.ch ­wurde» unter der Regie von Hans Neuenfels zwanzig Weltstars werden gemeinsam auftre- zur Uraufführung. Nike Wagner, die Urenke- ten», so die Ankündigung der Festivalverant- lin des Komponisten, beleuchtet in ihrem Fest- wortlichen. Festspiele Zürich vortrag «Geretteter Revolutionär oder toben- www.verbierfestival.com 14. Juni bis 14. Juli der Asylant?» die Lebenssituation Wagners in Zürich. Dazu bringt das Opernhaus Wagners Einst hiess das Sommerfestival der Zürcher «La Straniera» mit Edita Gruberova in der Menuhin Festival Gstaad Kulturinstitutionen «Junifestwochen», später ­Titelrolle auf die Bühne. Im Schauspielhaus ist 18. Juli bis 7. September «Zürcher Festspiele», nun hat es sich in «Fest- mit «Rheingold» ein Musiktheaterabend des spiele Zürich» umbenannt. Dabei handelt es Regisseurs David Marton zu erleben, und auch Das Menuhin Festival Gstaad ist das zweite sich weniger um ein Festival im klassischen das Tonhalle-Orchester führt in verschiedenen grosse Alpenfestival in der Schweiz mit inter- Sinn, sondern eher um ein Marketinginstru- Konzerten Wagner auf. nationaler Ausstrahlung. Gegründet wurde es ment, um die reguläre Saison in den Sommer www.festspielezuerich.ch 1957 vom legendären Violinisten und Dirigen- hinein verlängern zu können: Die Vorstellun- ten Yehudi Menuhin (1916–1999). Rund fünf- gen und Ausstellungen in Zürcher Theatern, zig Konzerte finden dieses Jahr in den Kirchen Museen und Konzerthäusern im Juni und Juli St. Galler Festspiele des Saanenlandes, des Pays-d’Enhaut und im werden dabei unter der Bezeichnung «Fest- 21. Juni bis 5. Juli Festivalzelt in Gstaad statt. spiele» subsumiert. Mit speziellen Veranstal- «Artist in Residence 2013» ist die Pianistin tungen wie den Open-Air-Übertragungen von Seit 2006 hat auch die Stadt St. Gallen ihre Hélène Grimaud, die auch das Eröffnungs- Opern im Münsterhof oder einem Symposium ­eigenen Festspiele. Eine Open-Air-Bühne im konzert spielen wird. Das Gstaad Festival Or- wird versucht, so etwas wie Festspielstim- Klosterhof, unmittelbar vor den imposanten chestra, geleitet von principal conductor Kristjan mung aufkommen zu lassen. Türmen des Doms, bildet das Herzstück des Järvi, spielt unter anderem ein Konzert mit Dieses Jahr stehen die Festspiele unter dem Festivals. Dieses Jahr wird darauf «Attila» auf- dem türkischen Star-Pianisten Fazil Say. Zu Motto «Treibhaus Wagner». Der Komponist geführt, eine von Verdis weniger bekannten

Klassik-Extra 2013 29 Bild: St. Galler Festspiele «Young Artists in Concert»: Davos Festival.

Neunte Ausgabe: Zermatt Festival. Verona der Schweiz: Opernfestival Avenches.

Opern. Für die Geschichte über die verfeinde- Zermatt Festival dieses Jahr mit Verdis «Nabucco», einer klassi- ten Heere der Hunnen und der Römer entsteht 30. August bis 15. September schen Arena-Oper, bei der bezüglich Ausstat- gemäss den Plänen des Theaters ein gigan­ tung und Bühnenbild alle Register gezogen tisches Schlachtgemälde. Den Startschuss für die neunte Ausgabe des werden können. Höhepunkt ist der Auftritt Zum Festival gehörte bisher auch ein Tanz- Zermatt Festival gibt der Dirigent und Pianist des Gefangenenchors mit der weltberühmten stück im Dom, diesmal wird es erstmals in die Christian Zacharias mit dem Orchestra della Melodie von «Va, pensiero, sull’ali dorate . . .». Kirche St. Laurenzen verlegt. Zur Aufführung Svizzera italiana. Im Übrigen steht das Regie führt Marco Carniti, es spielt das Frei- kommt eine Choreografie des St. Galler Bal- ­Scharoun Ensemble im Mittelpunkt des Pro- burger Kammerorchester unter Nir Kabaretti. lettdirektors Marco Santi. Abgerundet wird gramms. Die Formation, die aus Mitgliedern www.avenchesopera.ch das Festivalprogramm von mehreren Konzer- der weltbekannten Berliner Philharmoniker ten des Forums für alte Musik. besteht, hat das kleine, exquisite Alpenfestival www.stgaller-festspiele.ch initiiert. Nebst dem Konzertbetrieb verfolgen Murten Classics die Musiker das Ziel, begabten Musikstuden- 11. August bis 1. September ten aus aller Welt im Rahmen von Kursen und Davos Festival gemeinsamen Konzerten in Zermatt ihr Zum 25. Mal finden im malerischen Städtchen 3. bis 17. August ­Wissen weiterzugeben. Sommerfestspiele statt, die dem klassischen www.zermattfestival.com Konzertrepertoire gewidmet sind. Kern des Das Davos Festival – Young Artists in Concert Festivals sind die Veranstaltungen im Schloss- ist eine Plattform für hochbegabte junge hof von Murten, der einen einmaligen Blick ­Musikerinnen und Musiker aus aller Welt. Es Opernfestival Avenches auf den Murtensee und den Sonnenuntergang wurde 1986 auf Initiative von Michael Haefli- 5. bis 18. Juli bietet. Dieses Jahr stehen mehr als dreissig ger, dem heutigen Intendanten des Lucerne Konzerte auf dem Programm, unter anderem Festival, gegründet. Mittlerweile ist das Festi- Avenches ist das Verona der Schweiz. Jedes mit dem English Chamber Orchestra oder dem val zu einem Anlass mit bis zu 25 Veranstaltun- Jahr findet im römischen Amphitheater eine Schweizer Star-Blockflötisten Maurice Steger. gen gewachsen, der weit über die Landesgren- Opern-Grossproduktion statt, die sich nicht Für die Kammermusikkonzerte kommen vier zen Beachtung findet. Zum letzten Mal steht nur an Klassikfreunde, sondern an die breite Schweizer Quartette nach Murten: Carmina, das Festival dieses Jahr unter der Intendanz Masse richtet. Die Inszenierungen sind in der Casal, Gringolts und Sine Nomine. der Dirigentin Graziella Contratto. Regel klassisch-pompös, bei der Stückauswahl www.murtenclassics.ch www.davosfestival.ch bleibt man bei den sicheren Werten. So auch ›››

30 Klassik-Extra 2013 Bilder: Marc Kronig, Davos Festival, Avenches Opéra 200 Jahre Verdi: Solothurn Classics.

Drei Festivals vereint: Klassiksommer Flims. Verschiedene Kirchen und Säle: Bachwochen Thun.

tro. Die Vorstellungen finden entweder auf der phony Orchestra aus Enschede, Regie führt die BSI Engadin Festival mittelalterlichen St.-Ursen-Bastion oder – bei Schweizerin Eva Buchmann. Achtzig Mitwir- 2. bis 15. August Regenwetter oder kühlen Temperaturen – in kende auf der Bühne und im Orchester stehen der daneben gelegenen Rythalle statt. maximal 300 Zuschauern gegenüber. Das er- Das BSI Engadin Festival geht heuer bereits in www.solothurnclassics.ch gibt ­eine Nähe, wie sie in keinem Opernhaus die 73. Saison. Täglich findet an einem anderen ­erfahrbar ist. Ort im Tal ein hochkarätiges Konzert statt. www.opera-stmoritz.ch Zu den Höhepunkten gehören der spanische Festival La Perla, Pfäffikon ZH Gambist Jordi Savall, der gefeierte Solo-Oboist 9. bis 18. August der Berliner Philharmoniker Albrecht Mayer Musikdorf Ernen und das renommierte Leipziger Streichquar- Eigens für das jüngste Opern-Open-Air der 6. Juli bis 17. August tett. Zu den bekannten Namen im Festival­ Schweiz bauen die Veranstalter eine tempo­ programm gehören auch die Sängerinnen räre Arena mit 3900 Plätzen am Ufer des Pfäf- Das Festival im idyllischen Binntal bietet eine Noëmi Nadelmann und Vesselina Kasarova, fikersees. Aufgeführt wird Verdis «Aida» in hochstehende Auswahl an Kammermusik-, Kla- die Cellistin Sol Gabetta oder die Geigerin ­einer üppigen Inszenierung mit über 200 Mit- vier- und Barockkonzerten. Die Aufführungen ­Patricia Kopatchinskaja. wirkenden. Künstlerischer Leiter ist Sergio finden in der Kirche St. Georg mit ihren prächti- www.engadinfestival.ch Fontana, der Gründer und langjährige Direk- gen Holzschnitzereien statt. Auch das Rahmen- tor der Opernfestspiele von Avenches. Bei programm kann sich sehen lassen, unter ande- ­Gelingen soll das Festival von nun an alle zwei rem wird dieses Jahr ein Schreibseminar mit der Solothurn Classics Jahre stattfinden. Bestsellerautorin Donna Leon angeboten. 27. Juni bis 7. Juli www.festival-la-perla.ch www.musikdorf.ch

Das Solothurner Klassik-Open-Air steht ganz im Zeichen des 200. Geburtstags von Giuseppe Opera St. Moritz Klassiksommer Flims Verdi. Eröffnet wird es am 27. Juni mit Verdis 29. Juni bis 13. Juli 5. Juli bis 4. August «Requiem», gefolgt von seinen grossen Opern «Aida», «Rigoletto», «Un Ballo in Maschera» Das exquisite Opernfestival im Hotel «Kulm» Unter dem Namen Klassiksommer Flims sind und «Don Carlo». Zudem gibt es einige Konzer- in St. Moritz zeigt dieses Jahr Mozarts «Don drei kleine Festivals in der ­Region Flims ver- te, unter anderem mit den Tenören von I Quat- Giovanni». Es spielt das Netherlands Sym­ eint: das Festival Flimserstein.ch, die Wald-

32 Klassik-Extra 2013 Bilder: flimserstein.ch, Solothurn Classics, Bachwochen Thun haus-Konzerte und die Sommerkonzerte rung, eine populäres Werk, bestens geeignet für aber auch Veranstaltungen mit dem Clown ­Falera. Insbesondere der prächtige Jugend­stil- eine Aufführung, die ganz im ursprünglichen ­Dimitri oder dem Künstler Ted Scapa. Festsaal im Nobelhotel «Waldhaus» in Flims Sinne auch ein bisschen ein Volksfest sein soll. www.kuenstlerhausboswil.ch bietet ein wunderbares Ambiente für kleinere www.operschenkenberg.ch klassische Konzerte. Sion Festival www.flimserstein.ch 9. bis 21. August www.waldhauskonzerte-flims.ch Swiss Chamber Music Festival, Adelboden www.sommerkonzertefalera.ch 14. bis 29. September Vierzehn Konzerte in Kirchen und an anderen historischen Orten der Walliser Kantons- Das Musikfestival ist eine Auftrittsplattform hauptstadt stehen beim diesjährigen Sion Fes- Bachwochen Thun für die Gewinner des gesamtschweizerisch tival auf dem Programm: sinfonische Musik, 11. August bis 8. September ausgeschriebenen Orpheus-Musikwettbewer- Kammermusik und Rezitals. Zu den gelade- bes. Dieser richtet sich an junge Berufsmusiker nen Ensembles gehören unter anderen das Das Johann Sebastian Bach gewidmete Festival in festen Kammermusik-Formationen. Elf ­Lithuanian Chamber Orchestra und das Inter- findet in verschiedenen Kirchen und Sälen Formationen erhalten dieses Jahr die Gele­ national Menuhin Academy Orchestra. Thuns statt. Mit dabei sind dieses Jahr unter genheit, sich in der altgotischen evangelischen www.sion-festival.ch anderen die Barockensembles Les Arts Floris- Kirche im Dorfzentrum Adelbodens dem sants und La Cetra. ­Publikum zu präsentieren. www.bachwochen.ch www.adelboden.ch Música Romântica, Saas-Fee 4. bis 16. August

Oper Schenkenberg, Schinznach Boswiler Sommer Bei dem kleinen Musikfestival in der Pfarr­ 13. bis 31. August 28. Juni bis 7. Juli kirche Saas-Fee spielen unter anderen das St. Pe- tersburg Academic Symphony Orchestra und Die Freiluftoper in Schinznach wird von­ Seit dreizehn Jahren führt das Künstlerhaus Bos- das russische Stravinsky Quartet. Die täglichen einem hochengagierten Verein mit vielen wil im Kanton Aargau ein Sommerfestival durch. Proben sind kostenlos. Initiantin des Festivals ­ehrenamtlichen Helfern veranstaltet. Für die Fast täglich geht in der Kirche ein Konzert über ist die brasilianische Pianistin und Dirigentin Aufführungen wird eigens ein Theaterbau die Bühne. Im Zentrum des Festivals stehen die- Eliane Rodrigues, die bei fast jedem Konzert am ­erstellt, die Sänger und Orchestermitglieder ses Jahr der Pianist Kit Armstrong, die Geigerin Klavier oder am Dirigentenpult mitwirkt. sind Profis, der Chor besteht aus Laien. Dieses Julia Schröder, der Cellist Benedict Klöckner und www.musicaromantica.ch Jahr kommt Verdis «Il Trovatore» zur Auffüh- die Pianistin Shani Diluka. Angeboten werden Die grossen internationalen Festivals ›››

20 jahRe KlassiK auf höchstem niveau PRÄSENTIERT Monty Alexander Barbara Hendricks Natalie Dessay Evgeny Kissin Charles Dutoit Anna Netrebko Valery Gergiev Maxim Vengerov

VoM 19. juli Bis 4. AuGust 2013

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Wewo_Cover_230x300.indd 2 29.05.13 09:47 «Ring»-Tetralogie kommen «Tannhäuser» ­sowie «Lohengrin» zur Aufführung. Für die kleinen Zuschauer wird eine eigens für Kinder erstellte Fassung des Musikdramas «Tristan und Isolde» angeboten. Zum Jubiläum gibt es auch ein umfangreiches Rahmenprogramm. www.bayreuther-festspiele.de

Bregenzer Festspiele 17. Juli bis 18. August

Bregenz beansprucht für sich, «die grösste Seebühne der Welt» zu besitzen. Tatsächlich sind die Bühnenbilder der Festspiele jeweils gigantisch und locken jeden Sommer gegen 200 000 Zuschauer an das österreichische Bo- denseeufer. Wegen der grossen Nachfrage und des riesigen Bühnenaufwands wird jede Neu- produktion während zweier Saisons gespielt. Dieses Jahr kommt Mozarts berühmtestes Werk, «Die Zauberflöte», zur Aufführung. Drei 28 Meter hohe Drachenhunde bilden die eindrückliche Kulisse. Die Aufführung auf dem See ist zwar das zentrale Element des Festivals, aber nicht das einzige. Im Festspielhaus wird die Oper «Der Kaufmann von Venedig» von André Tchai- kowsky uraufgeführt, und es gibt auch ­Konzerte, unter anderem mit den Wiener ­Symphonikern. www.bregenzerfestspiele.com

«Grösste Seebühne der Welt»: Bregenz, 2011. Opernfestival Verona 14. Juni bis 8. September Die grossen internationalen Festivals Die Arena di Verona ist nach dem Kolosseum in Rom und der Arena von Capua das drittgrösste Salzburger Festspiele bilden den Auftakt eines Mozart/Da-Ponte-­ noch erhaltene antike Amphitheater. Zum 19. Juli bis 1. September Zyklus. Künftig soll in Salzburg rund um 100. Geburtstag Giuseppe Verdis 1913 wurde Sven-Eric Bechtolf und Franz Welser-Möst darin erstmals eine Oper aufgeführt, mittler- Das bedeutendste und glamouröseste Klassik- ein Mozart-Ensemble entstehen, das den Zy- weile gehört das Opernfestival von Verona zu festival der Welt nimmt sich ebenfalls der klus jährlich betreut. Insgesamt werden an den bekanntesten Klassikereignissen der Welt. ­beiden 1813 geborenen Komponisten Richard den diesjährigen Festspielen 220 Vorstellun- Anders als Salzburg oder Bayreuth richtet sich Wagner und Giuseppe Verdi an. Mit Starbeset- gen in den Bereichen Oper, Konzert und Verona an die grossen Massen: Bis zu 15 000 zung kommt Verdis «Giovanna d’Arco» auf Schauspiel aufgeführt. Zuschauer finden in der Arena Platz. die Bühne: Anna Netrebko, Plácido Domingo­ www.salzburgerfestspiele.at Verona ist eigentlich bekannt für klassische und Fabio Sartori werden die Hauptrollen sin- Inszenierungen mit viel Pomp und Hunder- gen. Weitere Verdi-Beiträge sind «Don Carlo» ten von Darstellern. Für das Jubiläum wird in der Regie von Peter Stein, «Nabucco» mit Bayreuther Festspiele nun ein neuer Weg eingeschlagen: Die weltbe- dem Dirigenten Riccardo Muti und eine kam- 25. Juli bis 28. August rühmte katalanische Theatergruppe La Fura mermusikalische Version des «Falstaff» unter dels Baus wird Verdis «Aida» neu auf die Zubin Mehta (musikalische Leitung) und Die Wagner-Festspiele nehmen den 200. Ge- ­Bühne bringen, was eine märchenhafte Insze- Damiano Michieletto (Regie). Für Wagner-­ burtstag des Komponisten zum Anlass, einen nierung verspricht. Als Kontrast zu der zeit­ Anhänger stehen «Die Meistersinger von neuen «Ring des Nibelungen» auf die Bühne zu genössischen Interpretation wird auch die his- Nürnberg» unter Daniele Gatti sowie das bringen. Nach langer Suche konnte der streit­ torische Inszenierung von 1913 rekonstruiert ­Jugendwerk «Rienzi» mit dem Schweizer Di- bare Schauspielregisseur Frank Castorf gewon- und wieder auf die Bühne gebracht. rigenten Philippe Jordan auf dem Programm. nen werden, die mächtige Tetralogie mit rund Aus dem Repertoire gespielt werden unter Zu Salzburg gehört Mozart, auch im Verdi/ sechzehn Stunden Gesamtspielzeit zu stemmen. anderem Verdis «Nabucco», «La Traviata», «Il Wagner-Jahr. Vom österreichischen Kompo- Die musikalische Leitung des «Rings» liegt in Trovatore», und «Rigoletto». Zudem gibt es nisten werden «Lucio Silla», eine seiner den Händen von Kirill Petrenko.­ verschiedene Konzerte, unter anderem mit ­frühen Opern, und «Così fan tutte», eine sei- Insgesamt stehen sieben Produktionen auf Plácido Domingo. ner letzten,­ einander gegenübergestellt. Sie dem Spielplan: Neben den vier Opern der www.arena.it

34 Klassik-Extra 2013 Bild: André Chénier IM SOMMER versammeln wir die Weltstars der Klassik 16. August – 15. September 2013

Anne-Sophie Mutter | Berliner Philharmoniker | Christian Thielemann | Claudio Abbado | Daniel Barenboim | Lucerne Festival Orchestra | Martin Grubinger | Mariss Jansons | Mitsuko Uchida | Pierre Boulez | Royal Concertgebouw Orchestra | Simon Rattle | Thomas Hampson | West-Eastern Divan Orchestra | Wiener Philharmoniker und viele mehr

Karten und Informationen: +41 (0)41 226 44 80 | www.lucernefestival.ch Menswear Collection Spring/summer 2013 available at all Paul Kehl and PKZ Stores www.paulkehl.com

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