Die neu entdeckte Burgstelle Chammenegg bei : ein Beitrag zu Prospektion und Burgenforschung im Oberen

Autor(en): Glanzmann, Jonas

Objekttyp: Article

Zeitschrift: Archäologie : Jahrbuch des Archäologischen Dienstes des Kantons Bern = Archéologie bernoise : annuaire du Service archéologique du canton de Berne

Band (Jahr): - (2018)

PDF erstellt am: 07.10.2021

Persistenter Link: http://doi.org/10.5169/seals-787345

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http://www.e-periodica.ch 184 ARCHÄOLOGIE BERN /ARCHÉOLOGIE BERNOISE 2018

Die neu entdeckte Burgstelle Chammenegg bei Trachselwald Ein Beitrag zu Prospektion und Burgenforschung im Oberen Emmental

JONAS GLANZMANN

Seit einigen Jahren befasst sich der Autor mit 1 der Siedlungsgeschichte des Emmentals. Dieses Die Entdeckung umfasst die Einzugsgebiete der beiden Flüsse Emme und Ilfis sowie die Hügellandschaft Die im April 2017 entdeckte und bislang zwischen dem Oberaargau, dem Aaretal und dem unbekannte Burgstelle Chammenegg (Abb. 1 und 2) Berner Oberland. Die Täler der zwei Flüsse liegt östlich der Ortschaft Thal im Liecht- sowie ihre Seitentäler mit den zahlreichen guetgrabe in der Gemeinde Trachselwald. Die Bächen wurden bislang nur am Rande und punktuell Wehranlage wurde nach dem örtlichen Flurnamen auf die Besiedlung vor dem Spätmittelalter benannt, da für den Ort kein überlieferter hin erforscht. Die bis ins 13. Jahrhundert dürftig Name besteht. Aufder Landeskarte im Massstab vorhandenen Schriftquellen und die wenigen 1:25000 wird die Bezeichnung Chammenegg archäologischen Aufschlüsse mögen Gründe erst seit 2001 geführt. Das Gebiet des Liechtguet- dafür sein. In seiner Arbeit verknüpft der Autor bachs befindet sich unterhalb der heutigen die Erkenntnisse aus den Untersuchungen Alpwirtschaftszone. Unterhalb der Burg liegen die zu den bisher kaum erforschten alten Wegsystemen Höfe Äsch, Vorder- und Hinterliechtguet. Letzterer und zur Topografie mit den schriftlichen ist in den Schriftquellen um 1659 belegt.1 Quellen. Dieses Vorgehen führte in den letzten Die restlichen Höfe stammen aus dem 18. oder vier Jahren zu fünfNeuentdeckungen von 19. Jahrhundert.2 Burgstellen im Emmental, eine davon die Burgstelle die hier näher vorgestellt werden Chammenegg, 1 Trachselwald-Grundbuch Nr. 6, fol. 120. soll. 2 Minder 2017.

Abb 1: Trachselwald, Chammenegg. Burghügel und Umfassungsgraben. Vorgelagert sind die beiden Terrassenflächen. Blick nach Norden. TRACHSELWALD, BURGSTELLE CHAMMENEGG AUFSÄTZE

:hloss

Sumiswald Burgstelle Burgbüel •

ScHloss Trachselwald Mühle Burgstelle Thal Chammenegg Trachselwald Sparenegg

Gtgnenm t Burgstelle Hopfere

Zollbrück

Hinweise auf eine Burgstelle in dieser Emmental war seit Beginn der Besiedlung durch Abb. 2: Trachselwald, Chammenegg. Lage der Gegend lieferte bereits der Altertumsforscher Verkehrswege mit den umliegenden, grösseren Burgstelle im Albert Jahn.3 Er erwähnte die Sage einer Heidenstatt Siedlungsräumen verbunden, so mit Thun Liechtguetgrabe und die im Dürrgraben.4 Auch Emanuel Lüthi und dem Berner und Solothurner Mittelland, wichtigsten Stationen entlang nannte eine Burgstelle auf der «Egg», zwischen dem Oberaargau und dem Luzerner Hinterland. der Wegverbindung von Hornbach und Dürrgraben.5 In beiden Fällen Die geografisch ideale Lage mit kürzesten Sumiswald nach Langnau und . Ausschnitt aus es sich die handeln. zwischen diesen Siedlungsräumen muss um Chammenegg Verbindungen der Landeskarte verhalf dem Emmental offenbar zu einem M. 1:50 000. 2 1 Verbindung von Sumiswald nach Liechtguet- Wegsysteme graben 3 Jahn 1964, 55. 2 Hohlwegverbindung von des Oberen 4 Das Gebiet das «Dürrgraben», Die vielen Kleinsiedlungen trug ursprünglich Toponym der Burgstelle Chammenegg bis es 1967 Ehren des Mundartdichters Simon Gfel- Emmentals waren durch zahlreiche Wege durch zu zur Sparenegg ler nach dessen gleichnamigem Roman in Heimisbach 3 Weg nach Langnau und Täler und über Höhen miteinander verbunden. umbenannt wurde. Der Liechtguetgrabe bildet die östliche Trub Dabei lassen sich regionale und überregionale Fortsetzung des Heimisbachs nach der Ortschaft Thal. Das Gewässer, das durch den Heimisbach fliesst, wird heute Wege unterscheiden, welche vornehmlich zu Dürrbach genannt. Zentren und kleineren Siedlungen führten. Das 5 Lüthi 1966, 207. 186 ARCHÄOLOGIE BERN /ARCHÉOLOGIE BERNOISE 2018

gut genutzten Transitgebiet. Als überregionale hundert die noch freien Gebiete geschickt für Hauptstrecke führt eine Nord-Süd-Verbindung eine gezielte Besiedlung und profitierten von von Lützelflüh über Rüderswil, , Si- den Handelsrouten. Diese drei für das Emmental gnau und Röthenbach nach Thun. Wenn man bedeutendsten regionalen Adelsgeschlechter in Betracht zieht, dass diese Wegführung eine stammen mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht Alternative zu der Route durch das Wiggertal direkt aus dem Emmental, sondern haben ihren war, um auf kürzestem Weg über Grimsel- und Ursprung ausserhalb dieser Region. Aus diesem Abb. 3: Trachselwald, Griespass nach Oberitalien zu gelangen, so kann Grund bestanden über die Grenzen hinaus Chammenegg. Terrainmodell, die Route durch das Emmental einen nicht familiäre Beziehungen. aufgenommen mit unerheblichen Teil des Verkehrs aus dem Mittelland Bei der Beurteilung der Funktion und der Totalstation und dem in das Berner Oberland geleitet haben. Bedeutung einer ist neben der Grösse, Laserscanner. Im Zentrum Burg Lage, liegen die Kern- und die Einen Einfluss auf die Verkehrsführung dem Ausbau, der Einrichtung sowie der Vorburg mit dem hatten ab dem 8. Jahrhundert auch die Herr- Rechtsstellung vor allem die verkehrstechnische Lage Umfassungsgraben. Südlich der schaftsverhältnisse im Mittelland im Bereich zu betrachten. Obwohl die Burgstelle Burg liegen die beiden der Aaregrenze. Chammenegg zuhinterst im Tal des Liechtguetbachs Siedlungsflächen West die die den und Ost, wobei die westliche Auf Bedeutung der genannten Nord- liegt, sind Verbindungen zu grösseren Fläche zusätzlich Süd-Verbindung weisen Wegbegleiter wie Talschaften kurz. Über die bewaldeten Höhen abgestuft wurde. Auf der Kirchen und Burganlagen, die möglicherweise den der im Norden gelegenen Chleinegg führen Siedlungsfläche West Schutz der Wegstrecken zu garantieren gute Fusswege nach Sumiswald und im Südosten sind Grundrisse von drei Lützelflüh Gebäuden sichtbar. versuchten. Die Freiherren von , welche über die Sparenegg nach Langnau M. 1:1000. und Sumiswald nutzten ab dem 10. Jahr¬ und Trub (Abb. 2). Dadurch war die Anbin-

Befunde Befundgrenze t t t t künstliche Böschung 'l'l'l'l'l' historische Böschung ^— hist, fraglich/vermutet i==— hist, rekonstruiert c==— Weg Aufgang historisch Wasserlauf

Flächen Graben historisch Terrasse/Siedlung natürlicher Graben Wasser

1207

1207 TRACHSELWALD, BURGSTELLE CHAMMENEGG AUFSATZE 187

dung an einen grösseren Wirtschaftsraum und andere Verkehrswege ohne weite Umwege gewährleistet.

Ein Teil der Wegverbindung von der Burgstelle Chammenegg zur Sparenegg verläuft als gut sichtbarer Hohlweg. Diese Verbindung muss bereits vor dem Bau der Burganlage eine grössere Bedeutung gehabt haben. Mit dem Ausbau des Wegnetzes verstärkte sich die Siedlungstätigkeit. Der Burg selbst fiel eine wichtige Rolle im Landesausbau zu. Dieser Prozess setzte im Emmental im 11. Jahrhundert ein. Die noch wenig besiedelten Waldzonen wurden durch Roden und Entwässern in Kultur- und Siedlungsland umgewandelt.

3 Rolle der Burgstelle Hopfere

In die Betrachtung der Burgstelle Chammenegg gilt. Die Gewässer und Quellen in unmittelbarer Abb. 4: Trachselwald, muss auch die am Eingang des Heimisbachs Nähe der Anlage versorgten die Bewohner und Chammenegg. Umfassungsgraben und Burghügel gelegene Burgstelle Hopfere einbezogen werden das landwirtschaftlich genutzte Gelände mit der Kernburg. (Abb. 2). Diese Anlage hatte die Funktion einer genügend Frischwasser. Blick nach Südwesten. Sperre am Eintritt ins Tal und markierte das Aus dem Gelände wurde die eigentliche durch die von Rüti herrschaftlich organisierte Wehranlage ausgeschieden und eine Fläche für Land. Um die Örtlichkeit ist denn auch Besitz die Kernburg und eine andere für die Vorburg des Adelsgeschlechtes der von Rüti in den planiert. Der wohl nur schwach ausgeprägte Urkunden indirekt bezeugt. natürliche Graben wurde künstlich vertieft und Über die Burgstelle Hopfere sind keine so ein tief eingeschnittener Umfassungsgraben schriftlichen Hinweise vorhanden. Der Weiler ausgebildet, der zu beiden Seiten in die wird erstmals 1371 genannt.6 Auf dem Boden der natürlichen Gewässer mündet (Abb. 4). Der heutige heutigen Gemeinde Trachselwald waren neben Graben fasst ein Volumen von rund 1400 m3. den von Rüti weitere adlige Familien begütert. Wie tief der ehemals natürliche Graben verlief, kann nur vermutet werden. Trotzdem zeigt 4 das grosse Volumen, welch grosse Leistung Die Befunde auf dem Burggelände damals durch Körperkraft erbracht wurde. Durch den Aushub des Umfassungsgrabens trennten Die Burg Chammenegg entstand in einer die Erbauer den Burghügel vom Vorgelände ab. weitläufigen Waldregion. Vor den Anpassungen des Zusätzlich wurde auf der Südwestseite ein Geländes mussten Bäume und Gebüsche weiterer Quergraben angelegt und so die Burg seitlich entfernt werden, wobei das anfallende Rundholz zusätzlich geschützt. zum Bau der Burg verwendet werden konnte.7 Die Bauherren nutzten geschickt den Platz 4.1 Zusammenfluss die am zweier Gewässer, gegen Burganlage Süden einen ausgedehnten Geländesporn bildeten (Abb. 3). Zusätzlich trennte ein natürlicher Die Burganlage erstreckte sich auf einer Fläche Graben das flach nach Süden abfallende von 570 m2 auf zwei unterschiedlich hohen Gelände in eine westliche und eine östliche Hälfte, Plateaus (Abb. 3). Auf dem höheren, das aus dem die einen besonnten Siedlungs- und Erdmaterial des Umfassungsgrabens gebildet Landwirtschaftsraum boten. Der landwirtschaftlich genutzte beider Terrassen bildete das Umschwung 6 Ausburgerrodel 1371. Burggut, das als fester Bestandteil einer Burg 7 Schneider/Meyer 1991, 131. 188 ARCHÄOLOGIE BERN /ARCHÉOLOGIE BERNOISE 2018

Abb 5: Trachselwald, Chammenegg. Das Plateau der Kernburg mit rundlichem Grundriss war von einem Randwall begrenzt. Reste davon sind im Gelände noch sichtbar. Blick nach Süden.

wurde, stand die Kernburg, auf dem tieferen werk.8 Diese Befestigung umfasst das gesamte die Vorburg. Dazwischen liegt ein terrassierter obere Plateau der Kernburg. Die innere Fläche Bereich, in dem sich der Sodbrunnen befindet. bot Platz für ein Wohngebäude oder einen Auf der Nordseite fällt das Gelände sehr steil ab. turmartigen Bau. Anhand der Ausgestaltung des Die Flanken des Burghügels sind im Winkel von Burghügels lässt sich der Burgtypus einer Motte 36 Grad stark angeböscht. oder einer Turmburg ableiten.9 Das Plateau der Kernburg zeigt einen Das Plateau der Vorburg liegt auf der rundlichen Grundriss mit einer Fläche von 138 m2 nördlichen, tiefer gelegenen Seite und zeigt eine Fläche und ist nach drei Seiten von einem Randwall von 154 m2. Auf der Nordwestseite befindet begrenzt (Abb. 5). Dieser besteht vermutlich auch sich ein Zugang. An den Abbruchkanten lassen aus dem Aushubmaterial des Umfassungsgrabens. sich keine Randwälle erkennen. Offenbar war Noch gut erkennbar ist der östliche, deutlich die Vorburg nur schwach befestigt. höhere Teil des Walls. Damit wurde die Das Gelände zwischen den beiden Burg auf dieser Seite besonders gut gegen Plateaus wurde mit mindestens einer Stufe terras- Annäherung geschützt. Aufgrund der Aufschüttungen siert. Auf dieser befindet sich der Sodbrunnen. Abb 6: Trachselwald, ist anzunehmen, dass zur Befestigung Er zeichnet sich deutlich als kreisrunde Senke Chammenegg. Bereich der keine Palisaden ab und etwas erhöht Plateau der zwischen der Vor- und der Kernburg pfostenbündigen liegt vom Kernburg mit der verwendet wurden, sondern vielmehr die Vorburg (Abb. 6). Vertiefung des Sodbrunnens. Kombination einer Pfählung mit einem Flecht- 44?

Vorgelagerte Siedlungsflächen

Südlich des Burghügels befinden sich zwei ausgedehnte Siedlungsflächen (Abb. 3), deren Gelände künstlich bearbeitet wurde. Auf der Siedlungsfläche West sind drei Geländestufen auszumachen, welche die Hangneigung aufheben. Hier dürften Ökonomiebauten gestanden haben. Im Gelände zeichnen sich drei Grundrisse von möglichen Gebäuden ab: Gebäude 1 ist als Vertiefung zu erkennen. Gebäude 2 ist am Rand der Terrasse in den Hang eingelassen. Das Gebäude 3 kann aufgrund der Befunde nicht sicher nachgewiesen werden. Wel-

8 Schneider/Meyer 1991, 134. 9 Küng/Obrecht/Hörsch 2017, 113. TRACHSELWALD, BURGSTELLE CHAMMENEGG AUFSÄTZE 189

che Art von Gebäuden auf der Siedlungsfläche West standen, bleibt ungewiss, und ohne archäologische Untersuchung lässt sich keine genaue Aussage machen. Die Siedlungsfläche Ost ist schwach geneigt und weist eine leicht bearbeitete kleine Fläche auf. Diese könnte rein landwirtschaftlich genutzt worden sein. Auf der Nordseite unterhalb der Siedlungsfläche Ost besteht eine weitere künstlich angelegte schmale Fläche nahe am Bach, deren Nutzung unklar bleibt. Der künstlich vertiefte Umfassungsgraben ISjâRïj des Burghügels folgt dem ehemals natürlichen Graben in Richtung Norden bis zum Hangfuss. Die topografische Aufnahme macht deutlich, dass nicht nur dieser Graben künstlich abgetieft und verbreitert, sondern dass am südlichen Ende zu beiden Seiten zusätzlich eine Aufschüttung angelegt wurde. Mithilfe dieser 5 kleinen Wälle konnte der Zugang zur Abb 7: Trachselwald, Siedlungsfläche West zusätzlich erschwert werden, Chammenegg. Vermessung Aufnahme des Terrainmodells des Geländes mithilfe indem der Weg durch diese Enge am Hangfuss der Totalstation und des geführt wurde. Bei der Vermessung der Burgstelle Chammen- Laserscanners mit Der ehemalige Zugang zur gesamten egg wurde Equipment der Firma Trimble Unterstützung des Globalen Anlage muss von Osten her, auf dem heutigen verwendet. Vor Ort unterstützte Martin Kupffer Navigationssatellitensystems (GNSS). Forstweg erfolgt sein. Es besteht am Zugang der ALLNAV AG den Autor beratend und mit zur Siedlungsfläche Ost ein noch gut erkennbarer Equipment. Bei der Datenerfassungsmethode Graben, der den Zugang zum Burggut handelt es sich um die Kombination aus Tachy- erschwert und die Anlage dadurch schützt. metrie und bildgebender Messung (Totalstation; Dahinter führte der Weg über die östliche Terrasse Abb. 7). und verlief dem Hang folgend als tief Um die Georeferenzierung im Schweizer eingeschnittener Hohlweg weiter in südlicher Richtung. Landeskoordinatensystem zu gewährleisten, Mit dem Weg durch die Anlage könnte wurde die Totalstation mit GNSS (Globales eine Strassenkontrolle und damit eine Abgabe Navigationssatellitensystem) eingesetzt. Dadurch für die Benutzung und das Geleit einer sind die einzelnen Scans und Aufnahmen bestimmten Strassenstrecke verbunden gewesen bereits vor Ort richtig platziert und orientiert. Bei sein. Weiter konnte so durch den Verkehrsweg der Nachbearbeitung im Büro war daher die die Herrschaft erschlossen und weiter ausgebaut sonst für reine Laserscanprojekte typische, werden. Dies bedeutet auch, dass die aufwendige Registrierung der Scans nicht mehr Anlage mit der zugehörigen Siedlung eine gewisse erforderlich. Mit der Auswertungssoftware ist es «siedlungspolitische» Bedeutung hatte. möglich, direkt aus den im Feld erfassten Daten Von der Burg aus überblickt man das Tal ein Geländemodell, Schnitte oder Höhenlinien des Liechtguetgrabe und die nördliche zu erzeugen, um so als Endprodukte eine Anhöhe des Senggenberg. Der Standort der Burg Visualisierung und Dokumentation der Daten liefern wurde nicht primär aus strategischer Sicht zu können. Während der Vermessung der fast gewählt. Vielmehr muss die Lage der Burg unter 12 ooo m2 grossen Fläche konnten Bruchkanten dem Aspekt ihrer Wirkung betrachtet werden oder archäologische Befunde eingemessen werden. und vor allem aus der Sicht des bedeutenden Nach der Bereinigung des digitalen Zentrums eines Amtes. Die Anordnung von Geländemodells wurden die Befunde zeichnerisch in Siedlung und Burg ergab eine deutliche Trennung den aus dem Geländemodell erstellten von herrschaftlichem und wirtschaftlichem Situationsplan übertragen und in einer abschliessenden Bereich. Begehung im Gelände verifiziert. 190 ARCHÄOLOGIE BERN /ARCHÉOLOGIE BERNOISE 2018

Die Vermessung der Burgstelle Chammenegg teilt. Damit konnte er eine eigene Grundherrschaft ist ein ausgezeichnetes Beispiel dafür, wie durch errichten und sein Auskommen sichern.

den Einsatz moderner Technologie mit geringem Die Chammenegg wurde zur Adelsburg ausgebaut zeitlichem Aufwand und hoher Effizienz und eine kleine dazugehörige Siedlung als eine sehr genaue Dokumentation erstellt werden Burggut errichtet. Die Anbindung an regionale kann. Verkehrswege brachte eine willkommene Einnahmequelle. So wurden das Auskommen und 6 Fortbestehen der Familie gesichert. Offenbar Schriftquellen, historische entstand durch die Rodungstätigkeit ein eigenes Kolonisationsrecht. Das erschlossene Land Überlieferungen galt als Eigengut. Die Burg und das Burggut auf der In den Schriftquellen taucht immer wieder das Chammenegg gingen mit grosser Wahrscheinlichkeit Amt Rüti als Teil der Herrschaft Trachselwald nach der Auflassung im Gut der auf. Bis zur Entdeckung der Burgstelle Herrschaft Trachselwald auf und die Anlage wurde

Chammenegg waren sowohl die Lage des Amtes Rüti dem Zerfall überlassen. Diese Vorgänge lassen als auch die Herkunft des Adelsgeschlechts von sich anhand der schriftlichen Quellen im Rüti unbekannt. Da von der Burg Chammenegg 13. Jahrhundert indirekt nachweisen, müssen keine Schriftquellen berichten und auch aber noch vor 1200 erfolgt sein. Damals kamen keine archäologischen Befunde vorliegen, lässt die von Rüti in den Besitz von Teilen der Burg sich die Rechtsstellung der Wehranlage nur Trachselwald. Sie verlagerten somit ihren aufgrund der Ausprägung und Grösse sowie Herrschaftssitz an die bedeutendere Verkehrsverbindung der beschriebenen Hinweise erschliessen. Der von Norden über Sumiswald in das Tal der tiefe Umfassungsgraben der Burg, die bearbeiteten Emme und weiter nach Thun. Flanken, die Wallreste auf dem Burghügel, die Einteilung in eine Kern- und eine 64 Vorburg sind Beweise für eine eindeutige befestigte Chammenegg als Adelssitz Anlage mit einer dazugehörigen kleinen Siedlung. Die vorgelagerte Siedlungs- und Eine sichere Identifizierung der Burgherren auf Landwirtschaftsfläche lässt zusammen mit der Befestigung Chammenegg ist wegen des Fehlens direkter auf eine Bewohnerschaft aus der sozialen Schriftquellen schwierig. Es lassen sich jedoch Oberschicht schliessen. Darauf deuten auch die einige Hypothesen aufstellen. schriftlichen Quellen des 12. bis 14. Jahrhunderts Von einer frühen Zugehörigkeit des Gebietes über das Adelsgeschlecht der von Rüti sowie die um die Ortschaft Thal zu einer Herrschaft Nennung eines Amtes in diesem Raum. zeugt eine schriftliche Überlieferung von 1508. Die isolierte und abgesetzte Lage spricht auf Die Äbtissin respektive der Konvent des den ersten Blick nicht für einen Herrschaftssitz. Frauenklosters Rüegsau verkaufte der St. Oswaldskapelle Doch offensichtlich wurde die Burg mit im «Holderwald» (Gemeinde Trachselwald) einer kleinen Siedlung bewusst in einer vermutlich für 102 Gulden das Gut «zur Mühle in der noch unerschlossenen Talschaft des Oberen Dürre» (Thal, Heimisbach) als freies Eigen.10 Emmentals angelegt. Es ist nicht auszuschlies- Mit der Erwähnung des Mühlerechts ist sen, dass sie einst aus einem Herren- oder Fronhof gesichert, dass die Mühle als Infrastruktur zu einer entstand, der stets im Verbund mit Dörfern Herrschaft bereits vor dieser Nennung bestand. oder Weilern erscheint. Der Hof Thal wird 1278 erstmals erwähnt.11 In diesem Beispiel einer neu errichteten Die Suche in güterschafflichen Dokumenten Herrschaft an einem regional wichtigen von Trachselwald führte zu interessanten Verkehrsweg zeigt sich exemplarisch die erbliche Hinweisen betreffend die wahrscheinlichen Aufteilung eines grossen, wohl einst zusammenhängenden Burgherren der Chammenegg. Die Annahme, Gebietes im Grossraum Sumiswald- dass die Burg wohl als Zentrum des Amtes Rüti Trachselwald. Der Sohn eines örtlichen diente, half dabei (Abb. 8). Adelsgeschlechtes (vermutlich der Sumiswald) bekam im des Ausbaus und der des Zuge Besiedlung 10 StAB, Urkunde 11.12.1508, Fach Trachselwald. Oberen Emmentals ein grösseres Gebiet zuge¬ 11 Dubler 2007. TRACHSELWALD, BURGSTELLE CHAMMENEGG AUFSÄTZE 191

Der Junker Thüring von Trachselwald wird 1284 zum letzten Mal urkundlich erwähnt und verschwindet danach aus den Überlieferungen.12 Beim Verkauf vertrat Junker Thüring von Trachselwald offenbar seinen nahen Verwandten Cuno von Rüti. Mit diesem ist das Geschlecht der von Rüti 1226 erstmals bezeugt.13 Er war Sumiswald teilweise im Besitz der Burg Trachselwald. Wie die Herren von Rüti in diesen Besitz gelangten, Burgstelle Chammenegg ist nicht überliefert. Dieser Vorgang muss vor Trachselwald 1200 erfolgt sein, als sie ihr Altsiedelland auf '' der Chammenegg verliessen. Die Gründe dafür Grünepmatt Burgstelle 1 • Hopfere können vielfältig sein. Neben einer Heirat oder dem Erbe in das Gut der Trachselwald könnte die bessere Lage an einer überregional wichtigen Wegverbindung zum Wechsel auf die Burg Trachselwald geführt haben. Cunos Enkel Dietrich von Rüti war durch seinen Schwager, den Königsmörder Rudolf von Balm, in die habsburgische Blutrache Zollbrück verwickelt. Dietrich verlor durch das Urteil des kaiserlichen Gerichts die Vogtei und das Meieramt nebst sonstigen Lehen zu Rohrbach, die er von der Abtei zu St. Gallen als Lehen hatte.14 Er derts über einen grossen zusammenhängenden Abb. 8: Trachselwald, Blauer verkaufte deshalb 1313 die halbe Burg Trachselwald Güterbesitz auf der nördlichen Seite der Chammenegg. Bereich: Einzugsgebiet des mit allem, was dazugehörte.15 Die andere Hälfte Emme. Dieser reichte bis nach , Escholz- Amtes Rüti; rote Punkte: der Herrschaft Trachselwald scheint bei dieser matt und . Der vermutete Besitz der urkundlich genannte Höfe; Gelegenheit lehensweise an Kyburg gekommen von Rüti, der sich erst aus den ab dem 14. Herrschaftsmittelpunkt: zu sein. Dies gilt wohl auch für das Amt Rüti, Jahrhundert in den Urkunden genannten Rechten Burgstelle Chammenegg, Burgstelle Hopfere. obwohl dieses schriftlich erst 1394 genannt wird.16 und Besitzungen erahnen lässt, hegt im südöstlich Ausschnitt aus der Landeskarte Das Geschlecht der Herren von Rüti reicht von Sumiswald gelegenen Gebiet. Aus all M. 1:100 000. aber weiter zurück. Es gibt mehrere Indizien, dem lässt sich der Schluss ziehen, dass die Herren welche die Herren von Rüti bis mindestens in von Rüti mit grosser Wahrscheinlichkeit das 11. Jahrhundert zurückverfolgen lassen. mit dem Geschlecht der Herren von Sumiswald Bereits der Familienname verrät, dass dieses verwandt waren und die einst grosse Herrschaft Adelsgeschlecht das Land, das sie beanspruchten, unter den Nachkommen aufgeteilt wurde. Dies zuerst gereutet (gerodet) hatte. Daraus lässt sich muss noch vor Erscheinen der ersten urkundlichen ebenfalls ableiten, dass es sich um den Zweig Erwähnung der Sumiswald von 1127 einer Familie handelte, die durch Landgewinnung geschehen sein. Für eine solche Abspaltung spricht zum Ausbau ihres angestammten Herrschaftsgebietes auch die bis zum Aussterben des Geschlechtes beitrug. Im Jahrzeitbuch Attinghausen17 der von Rüti bestehende Nähe zu St. Urban, wie finden sich zwei Einträge: Darin wird eine dies bei den Herren von Sumiswald üblich war. «Frow Hemmon von Rüti» erwähnt. Diese Freifrau von Rüti war vermutlich die Grossmutter väterlicherseits von Wernher I. von Attinghausen.18 12 StAB, Urkunde 21.05.1284, Fach Trachselwald, Fontes 3, 366, 387 Ebenfalls verwandt mit den von Rüti waren 13 StAB, Urkunde 25.03.1226, Fach Aarberg, Fontes 2, 77 die Herren von Sumiswald. Konrad von Su- 14 Jufer 1994, 146. 15 StAB, Urkunde 01.04.1313, Fach Trachselwald, Fontes 4, miswald erwarb 1313 den Anteil Dietrichs von 543,518. Rüti an der Burg Trachselwald. In der Urkunde 16 Häusler 1958, 22-30. wird er als Oheim bezeichnet.19 Die Herren von 17 Jahrzeitbuch Attinghausen 1501. 18 Gasser 2011, 20. Sumiswald als Nachbarherrschaft im Tal bei 19 StAB, Urkunde 01.04.1313, Fach Trachselwald, Fontes 4, Sumiswald verfügten zu Beginn des 12. Jahrhun¬ 543, 518. 192 ARCHÄOLOGIE BERN /ARCHÉOLOGIE BERNOISE 2018

Zusammenfassung Résumé

Im April 2017 wurde im Oberen Emmental En avril 2017, un nouveau château fort a été eine neue Burgstelle entdeckt. Direkte schriftliche découvert dans le Haut-Emmental. Il n'existe Überlieferungen zu einer Burg im Liecht- aucun témoignage écrit direct de l'existence d'un guetgrabe in der Gemeinde Trachselwald sind château dans le Liechtguetgrabe, dans la nicht vorhanden. Die Holz-Erdburg mit künstlich commune de Trachselwald. Le bâtiment en bois et angehobenem Burghügel und Umfassungsgraben terre, construit sur un monticule artificiel et entspricht dem Typus einer entouré d'un fossé, correspond typiquement hochmittelalterlichen Motte. Die zwei dem Burghügel à une motte du Moyen Âge central. Les deux vorgelagerten Siedlungsflächen wurden aires d'habitat situées devant le monticule vermutlich als Landwirtschaftsfläche und Burggut étaient vraisemblablement utilisées comme genutzt. Dadurch ergab sich eine deutliche terres agricoles et domaine. Les espaces Trennung von herrschaftlichem und wirtschaftlichem seigneurial et économique étaient de ce fait Bereich. Die Burg wurde an einem clairement séparés. Le château était situé sur une regionalen Verbindungsweg angelegt. Bei der voie de circulation régionale. Le passage Führung des Weges durch die Anlage entstanden obligatoire de cette route par ce dernier a généré ein Strassenzwang und damit die Basis zur les conditions nécessaires à son contrôle, Ausübung einer Wegkontrolle verbunden mit einer associé au prélèvement d'une taxe. Les observations Abgabe. Die Befunde im Gelände und schriftlichen de terrain et les sources écrites pour la Zeugnisse aus der Gegend von Trachselwald région de Trachselwald et Sumiswald confortent und Sumiswald unterstützen die Vermutung, l'idée que le château de Chammenegg était dass die Burg Chammenegg von einer habité par une famille de notables locaux. Familie aus der lokalen Oberschicht bewohnt Plusieurs familles nobles aux environs du war. In der Umgebung der Burg waren château possédaient des terres, comme celle des verschiedene adlige Familien begütert, so auch das seigneurs de Rüti. Dans les sources écrites, un Adelsgeschlecht der Herren von Rüti. Nach bailliage est désigné sous le nom de cette diesem Adelsgeschlecht wird in den schriftlichen famille. La famille de Rüti apparaît pour la Quellen ein gleichnamiges Amt bezeichnet. Das première fois en 1226 et était vraisemblablement Geschlecht der von Rüti erscheint erstmals 1226 apparentée aux seigneurs de Sumiswald. und war vermutlich mit den Herren von Sumiswald L'ensemble des indices disponibles et la découverte verwandt. Mithilfe aller Hinweise wie auch du nouveau site castrai dans une région der Entdeckung der neuen Burgstelle im Gebiet située entre les seigneuries de Trachselwald et zwischen der Herrschaft Trachselwald und Sumiswald rendent donc l'attribution du Sumiswald ist eine Zuweisung der Burganlage château de Chammenegg aux seigneurs de Rüti Chammenegg an die Herren von Rüti plausibel. plausible. TRACHSELWALD, BURGSTELLE CHAMMENEGG AUFSÄTZE 193

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