Andreas Huber, Linda Erker Und Klaus Taschwer: Der Deutsche
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Andreas Huber, Linda Erker und Klaus Taschwer DER DEUTSCHE KLUB Austro-Nazis in der Hofburg Andreas Huber, Linda Erker und Klaus Taschwer DER DEUTSCHE KLUB Austro-Nazis in der Hofburg Czernin Verlag, Wien Gedruckt mit Unterstützung der Kulturabteilung der Stadt Wien, Wissenschafts- und Forschungsförderung, des Zukunftsfonds der Republik Österreich und des Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus. Mit Unterstützung der RD Foundation Vienna – Research | Development | Human Rights | Gemeinnützige Privatstiftung Huber, Andreas / Erker, Linda / Taschwer, Klaus: Der Deutsche Klub. Austro-Nazis in der Hofburg / Andreas Huber, Linda Erker, Klaus Taschwer Wien: Czernin Verlag 2020 ISBN: 978-3-7076-0651-5 © 2020 Czernin Verlags GmbH, Wien Coverabbildung: Der Leopoldinische Trakt der Hofburg Anfang der 1930er-Jahre. In diesem Gebäude hatte der Deutsche Klub seinen Sitz. Credit: ÖNB Lektorat: Sabine Edith Braun Umschlaggestaltung und Satz: Mirjam Riepl Druck: Buch Theiss GmbH ISBN Print: 978-3-7076-0651-5 ISBN E-Book: 978-3-7076-0652-2 Alle Rechte vorbehalten, auch das der auszugsweisen Wiedergabe in Print- oder elektronischen Medien Dieses Buch ist eine Gemeinschaftsarbeit von Linda Erker, Andreas Huber und Klaus Taschwer, gleichwohl war die Arbeit daran aus ver- schiedenen Gründen nicht gleich verteilt. Vom Erstautor Andreas Huber stammen im Wesentlichen die Kapitel 2 bis 7, die durch Linda Erker und Klaus Taschwer unterschiedlich stark ergänzt wurden. Zudem trug er die Recherchen zu den Mitgliedern des Deutschen Klubs und die soziografischen Analysen bei. Für Kapitel 8 ist Linda Erker hauptverantwortlich. Die übrigen Abschnitte gehen vor allem auf Klaus Taschwer zurück. Inhaltsverzeichnis Einleitung Am Höhepunkt der Macht (März 1938) 9 Kapitel 1 Ein Verein im Geiste Georg Schönerers (1908 bis 1918) 26 Kapitel 2 Chronik einer Radikalisierung (1918 bis 1930) 49 Kapitel 3 Exkurs: Die Deutsche Gemeinschaft (1919 bis 1930) 89 Kapitel 4 Auf nationalsozialistischem Kurs (1930 bis 1938) 117 Kapitel 5 Karrieren nach dem »Anschluss« (ab März 1938) 148 Kapitel 6 Die umkämpfte Auflösung (1939) 171 Kapitel 7 Auf der Kriegsverbrecherliste (1945 und danach) 196 Kapitel 8 Der Neue Klub (1957 bis heute) 221 Resümee 249 Anhang Tabellen 262 Verwendete Abkürzungen 268 Archivverzeichnis 271 Bibliografie 274 Abbildungsverzeichnis 289 Personenverzeichnis 290 Danksagung 297 Das Autorenteam 299 Einleitung Am Höhepunkt der Macht (März 1938) Am Nachmittag des 11. März 1938 sah Kurt Schuschnigg keinen Ausweg mehr. Der österreichische Bundeskanzler, der seit 1934 auto- ritär regiert hatte, beugte sich an diesem Freitag dem Druck Hitler- Deutschlands. Bereits am frühen Nachmittag hatte Schuschnigg die für den 13. März geplante Volksbefragung über die Selbständig- keit Österreichs abgesagt. Bundespräsident Wilhelm Miklas, der seinen Amtssitz im selben Gebäude hatte, akzeptierte den Rücktritt des Kanzlers erst nach einigem Zögern. Auch dem Ultimatum aus Deutschland, Arthur Seyß-Inquart zu Schuschniggs Nachfolger zu ernennen, verweigerte sich der Bundespräsident für einige Stunden. Um 19:47 Uhr begann dann eine improvisierte Radioübertragung aus dem Eckzimmer des Kanzleramtes – wenige Meter von jener Stelle entfernt, an der im Juli 1934 Schuschniggs Vorgänger Engel- bert Dollfuß beim Putschversuch der Nationalsozialisten verblutet war. Umgeben von einer kleinen Gruppe verstörter Mitarbeiter trat Schuschnigg nun ans Mikrofon, um den Weg für den Einmarsch frei zu machen. Seine Ansprache schloss er »mit einem deutschen Wort und einem Herzenswunsch: Gott schütze Österreich!«. 1 Bereits am Nachmittag war im Leopoldinischen Trakt der Hofburg, schräg gegenüber dem Bundeskanzleramt, Jubel zu hören gewesen. 2 Dass auch in unmittelbarer Nähe des innenpolitischen Machtzen- trums ausgelassene Freude über den bevorstehenden »Anschluss« herrschte, lag an den Mietern dieser Räumlichkeiten: Direkt unter dem heutigen Sitz des österreichischen Bundespräsidenten logierte 1 Zur ausführlichen Darstellung der Ereignisse am 11. März 1938 vgl. zuletzt Jelinek (2017), S. 238–272. 2 Vgl. Mitteilungen des Deutschen Klubs (im Folgenden: MDK), März 1938, S. 3. 9 Einleitung seit 1923 der Deutsche Klub, der mit seinen knapp 1.000 männ- lichen Mitgliedern vor allem aus dem Wiener Bürgertum – unter ihnen Spitzenbeamte, Industrielle, Rechtsanwälte, Universitätspro- fessoren, Ärzte sowie ehemalige Offiziere und frühere Adelige – in den Jahren zuvor auf einen Anschluss an das nationalsozialistische Deutschland hingearbeitet hatte. Nun endlich sah man das große Ziel erreicht. Wie aber hat man im Deutschen Klub, der in den zahlreichen bisherigen Darstellungen der Märztage 1938 so gut wie nie Erwäh- nung fand, die entscheidenden Stunden rund um den »Anschluss« erlebt? 3 Laut Darstellung in der vereinseigenen Zeitschrift kamen bereits am 10. März mehrere nationalsozialistische Berufsverbände – jene der Richter, Staatsanwälte und Ärzte – in den repräsentativen Räumlichkeiten des Deutschen Klubs zusammen, um den Boykott der von Schuschnigg geplanten Volksbefragung zu beschließen. Diese Ablehnung des Referendums sei auch der Anfang vom Ende »der Schuschnigg’schen Gewaltherrschaft« gewesen. Am späteren Abend dieses 10. März habe man gemeinsam den »Deutschlandsen- der« gehört. 4 Als dann das Horst-Wessel-Lied erklang, sei es »von allen in den dicht gefüllten Räumen anwesenden Mitgliedern und Gästen mitgesungen« worden. Bereits in den Morgenstunden des nächsten Tages herrschte laut Eigendarstellung abermals reges Treiben in den Klubräum- lichkeiten. Verschiedene Gerüchte machten die Runde, so unter anderem über die »Aufbietung und Ausrüstung der Arbeiterschaft durch Bürgermeister Schmitz«, der sich durch eine Allianz mit linken Kräften gegen die Machtübernahme der Nationalsozialisten 3 Für die folgenden Schilderungen und Zitate: »Die Befreiungstage in unseren Klubräumen«, MDK, März 1938, S. 2f. 4 Gemeint war vermutlich der Deutsche Kurzwellensender, das Auslandsrund- funkprogramm des »Dritten Reiches«. 10 Am Höhepunkt der Macht aus Deutschland wehren wollte. 5 Für den Abend war ein Vortrag von Klubmitglied Hugo Jury geplant, dem stellvertretenden Landes- leiter der NSDAP, der in den Vereinsräumlichkeiten zur aktuellen politischen Lage referieren sollte. 6 Doch als sich am Nachmittag dieses 11. März die weiteren Entwicklungen im Bundeskanzleramt überschlugen, war daran nicht mehr zu denken – zumal aus Berlin ultimativ gefordert wurde, dass Seyß-Inquart neuer Bundeskanzler werden sollte. Während Schuschniggs Abschiedsrede füllte sich der Ballhaus- platz schnell mit Hunderten SA- und SS-Männern. Gegen 20:30 Uhr sammelten sich auch 200 Klubmitglieder im Inneren Burghof, um von da die wenigen Schritte in Richtung Bundeskanzleramt zu gehen, inklusive »Durchbrechung der Polizeikette und erster Absin- gung der Hymnen«. 7 Die Besetzung des Bundeskanzleramtes durch die SS-Standarte 89, die beim Putschversuch 1934 noch gescheitert war, sowie Hitlers Befehl, am nächsten Morgen in Österreich ein- zumarschieren, veranlassten Bundespräsident Wilhelm Miklas um 22:00 Uhr schließlich doch, Arthur Seyß-Inquart zum Bundeskanz- ler zu ernennen. 8 Irgendwann um diese Zeit schickte der Deutsche Klub einen »Drahtgruß« nach Berlin, adressiert »An den Führer und Reichskanzler Adolf Hitler«. Der Inhalt des Schreibens war kurz und bündig: »Die Nationalsozialisten des Deutschen Klubs entbieten dem Führer in tiefster Dankbarkeit für die Erlösung aus Erniedri- gung und Unterdrückung ihre ehrerbietigsten Grüße und geloben unverbrüchliche Gefolgschaft.« 9 5 Vgl. Botz (2018), S. 61. 6 Vgl. Lebenslauf Rudolf Pfeiffer, ÖStA/AdR, Gauakt Rudolf Pfeiffer (50.597), Blatt 14. 7 Ebd. 8 Für eine detaillierte Schilderung vgl. Botz ([2008] 2018), S. 61–79. 9 MDK, März 1938, S. 1. 11 Einleitung Nationalsozialistische Kundgebung vor dem Bundeskanzleramt am Abend des Die Regierungsmitglieder am Balkon des Bundeskanzleramts. Fünf von ihnen 12. März 1938. Unter den Teilnehmenden waren 200 Mitglieder des Deutschen Klubs. gehörten dem Deutschen Klub an. Rund 90 Minuten nach Mitternacht zeigten sich dann die meisten der neuen Minister der letzten österreichischen Regierung auf dem Balkon des Bundeskanzleramts, von dem bereits eine kleine Hakenkreuzfahne herabhing. Mit dabei: Hugo Jury, dessen Vortrag im Deutschen Klub abgesagt worden war. Er war nun neuer Minister für soziale Verwaltung und verlas die Namen der neuen Regierungs- mitglieder. Neben Jury und Seyß-Inquart gehörten der neunköpfigen Ministerriege noch drei weitere Mitglieder des Deutschen Klubs an: Handels- und Verkehrsminister Hans Fischböck, Justizminister Franz Hueber und Unterrichtsminister Oswald Menghin. Laut den Mitteilungen des Deutschen Klubs hatten sich dessen Mitglieder bereits vor Mitternacht in geschlossenem Zug zum Rathaus begeben: »Dort waren sie nach langem Warten, gemeinsam mit vielen Tausenden von Volksgenossen, Zeugen eines geschichtlichen Augenblickes: Auf diesem Gebäude, seit dem unglückli- chen Kriegsausgange die Hochburg der Unterdrückung alles 12 Am Höhepunkt der Macht Die Regierungsmitglieder am Balkon des Bundeskanzleramts. Fünf von ihnen gehörten dem Deutschen Klub an. Rund 90 Minuten nach Mitternacht zeigten sich dann die Deutschtums, erst durch die Roten, dann durch die Klerikalen, meisten der neuen Minister der letzten österreichischen Regierung wurde die Hakenkreuzfahne gehißt. Dann löste sich unsere auf dem Balkon des Bundeskanzleramts, von dem bereits eine kleine Gruppe auf. Es sollen sich in dieser Nacht viele Mitglieder erst Hakenkreuzfahne