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08.01.2016

Gericht BVwG

Entscheidungsdatum 08.01.2016

Geschäftszahl W178 1434033-1

Spruch W178 1434033-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Drin Maria PARZER als Einzelrichterin über die Beschwerde des Herrn XXXX , StA. , vertreten durch RA Dr. Bitsche, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Asyl und Fremdenwesen vom 14.03.2013, XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.12.2015 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides stattgegeben und Herrn XXXX gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.

III. Gemäß § 8 Abs 4 AsylG 2005 wird Herrn XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 08.01.2017 erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1 Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein und stellte am 10.08.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz. Er gab an, dass er XXXX geboren sei und aus der Provinz Baghlan in Afghanistan stamme. Er gehöre der Volksgruppe der Hazara an, mit schiitischem Religionsbekenntnisses, seine Muttersprache sei Dari. Hinsichtlich seiner Fluchtgründe gibt er an, dass er mit seinen Freunden vor ca. dreieinhalb Monaten (Aussage am 10.08.2012) beobachtet habe, dass ein Kommandant namens Mohammadad einen Einwohner seiner Ortschaft getötet habe. Er habe dies den Angehörigen des Verstorbenen ausgerichtet. Sie wollten, dass er als Zeuge bei Gericht aussage, der Kommandant sei festgenommen worden und die Beauftragten des Kommandanten hätten ihn als Zeuge auslöschen wollen. Deshalb habe er flüchten müssen.

I.2 Anlässlich der Befragung vor dem Bundesasylamt am 26.02.2013 gab er an:

www.ris.bka.gv.at Seite 1 von 15 Bundesverwaltungsgericht 08.01.2016

Zu seiner Lebenssituation führte aus, dass das Dorf, in dem er gelebt habe, groß sei, vielleicht 20 Haushalte. Dort lebten Hazara und Paschtunen. Sie hätten in typischer afghanisches Lehmhaus gehabt und auch eine Landwirtschaft. Sie hätten auch viele Tiere gehabt, sechs Kühe und 20 Schafe. Sein Onkel mütterlicherseits habe in dem Haus gewohnt. Wo sein Vater sei, wisse er nicht, der Rest der Familie sei in Pakistan. Er habe keinen Kontakt.

Auf die Frage warum er einen Asylantrag stelle, antwortete der Bf, in Afghanistan sei sein Leben in Gefahr. Er sei Zeuge eines Mordes gewesen. Eines Tages sei er mit anderen Dorfbewohnern im Bazar einkaufen gewesen, das sei in XXXX gewesen.. Auf dem Rückweg seien sie mit einem Minibus unterwegs gewesen. Dabei seien sie von fünf mit Militäruniformen angezogenen maskierten Leuten angehalten worden. Diese seien in den Bus gekommen und wollten das Geld von den Fahrgästen. Einer der Dorfbewohner hatte viel Geld dabei, er wollte das Geld nicht hergegeben. Es sei zu einem Handgemenge gekommen. Als dann der Dorfbewohner einem der Männer seine Maske heruntergerissen habe, hätten sie gesehen, dass es sich bei dieser Person um den Kommandanten des Dorfes gehandelt habe. Danach habe der Kommandant den Dorfbewohner erschossen und den Tatort verlassen. Als sie dann in das Dorf gekommen seien, hätten die Verwandten des Getöteten die Polizei gerufen. In der Zwischenzeit hätten sie ihn und die anderen des Dorfes gefragt wie das passiert sei. Er habe den Angehörigen gesagt, dass der Kommandant des Dorfes ihren Verwandten getötet habe. Zwei Tage danach sei der Kommandant festgenommen und inhaftiert worden. Seine Anhänger bzw. Gefolgsleute hätten herausgefunden, dass er den Angehörigen gesagt habe, wer geschossen habe. Zwei Tage später sei er bei einer Hochzeit eingeladen gewesen. Die Anhänger des Kommandanten hätten ihn zu Hause gesucht. Als sie feststellten, dass er nicht zuhause sei, hätten sie seinen Vater geschlagen und ihm gedroht, wenn er als Zeuge aussagen sollte, dann würde man ihn umbringen. Danach habe ihn sein Onkel mütterlicherseits angerufen und gesagt, er solle die Hochzeit noch nicht verlassen bzw. solle dort warten bis man ihn abhole. Er habe gesagt, dass die Leute des Kommandanten beim ihm zu Hause seien und nach ihm suchten und sie hätten seinen Vater geschlagen. Er solle nicht als Zeuge aussagen. Sein Onkel habe ihn abgeholt und nach Kabul gebracht, von wo er die Ausreise angetreten habe. Der Kommandant habe viele Freunde und Bekannte in Afghanistan, er hätte ihn in Afghanistan überall finden können. Zur Funktion des Kommandanten gibt er an dass es insgesamt fünf Beamte gewesen seien mit dem Kommandanten, das seien Polizisten, die vom Staat eingestellt sind.

Auf dem Vorhalt, warum genau er bedroht würde, wo doch mehrere Menschen im Bus gewesen seien antwortet er, dass 9 Personen in dem Bus gewesen seien, drei seien aus seinem Dorf gewesen, die anderen seien von anderen Dörfern gewesen, von den dreien von seinem Dorf sei er einer erschossen worden. Es blieben nur er und Herr XXXX . Als er in Griechenland war und mit seinem Onkel gesprochen habe, habe man ihm gesagt, dass die Leute des Kommandanten den XXXX umgebracht hätten. Auf die Frage, was passiert sei, als der Dorfbewohner erschossen worden sei, gibt er an, sie seien dann weitergefahren, die Leiche sei im Bus geblieben. Der XXXX habe dem Busfahrer gesagt, wo das Haus des Verstorbenen sei. Die Angehörigen hätten dann die Polizei benachrichtigt.

Er gibt über Nachfrage an, dass er dann gesehen habe, wie andere Polizisten den Kommandanten verhaftet und mitgenommen hätten. Er gibt weiters an, dass die Hazaras nicht beliebt sein, er habe Angst vor den Paschtunen.

I.3 Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 14.03.2013 wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung der Status des Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG abgewiesen, ebenso wurde der Antrag gemäß § 8 AsylG auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen und der Beschwerdeführer wird gemäß § 10 Absatz 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischem Bundesgebiet nach der Republik Afghanistan ausgewiesen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen angeführt, dass nicht festgestellt hätte werden können, dass der Bf begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention in der Republik Afghanistan zu gewärtigen habe.

Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftslandes wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer - sinngemäß und verkürzt dargestellt - angegeben habe, dass er einen aus Gewinnsucht begangenen Mord an einem Dorfbewohner gesehen habe. In weiterer Folge sei der Täter von den afghanischen Behörden unter anderem aufgrund seiner Identifizierung festgenommen worden, es handle sich hierbei um einen Polizeiangehörigen. Die Anhänger und Sympathisanten des Täters versuchten nun ihn und seine Angehörigen einzuschüchtern und sie von einer Zeugenaussage bei Gericht abzuhalten. Das Bundesasylamt prüfte unabhängig vom Fluchtvorbringen, ob er von besonderer Vulnerabilität betroffen sei. Dies wurde im Ergebnis verneint: Hinsichtlich seines vorgetragenen Asylgrundes komme ihm keine Asylrelevanz zu: Der von ihm als Fluchtgrund dargetane Sachverhalt der versuchten Einschüchterung durch Parteigänger einer des Mordes verdächtigen Person sei behauptetet, aber nicht bewiesen worden. Trotz der unsicheren Ausgangslage was den Realitätsgehaltes könne sich das Bundesasylamt durchaus vorstellen, dass kriminelle Elemente versuchten, Augenzeugen eines www.ris.bka.gv.at Seite 2 von 15 Bundesverwaltungsgericht 08.01.2016

Verbrechens massiv bis hin zu tätlichen Übergriffen einzuschüchtern, um sie von Zeugenaussagen bei der Polizei oder beim Gericht abzuhalten. Aber auch wenn man von der Glaubwürdigkeit des von ihm Dargetanen ausgehe, könne das nicht für ihn sprechen. So ist die ihm widerfahrene Straftat nicht als individuelle, mit einer ethnischen, politischen oder religiös motivierten Verfolgungskomponente verbundenes Ereignis zu werten, sondern war offenkundig nur die Anwesenheit des Beschwerdeführers am Ort des Verbrechens für die von ihm genannten Einschüchterungsversuche ausschlaggebend. Das bedeute, dass jedermann, der am Ort eines Verbrechens anwesend und Augenzeuge der Tat war, Opfer von Übergriffen werden kann. Relevant beim Vorbringen sei, ob der afghanische Staat und seine Behörden willens und fähig seien, seine Bürger vor strafbaren Handlungen Dritter zu schützen und ihnen bei Bedarf Schutz und Hilfe angedeihen zu lassen. Das sei nach dem Dafürhalten der Behörde klar der Fall. Es werde aber immer so sein, dass kein Staat der Erde seine Bürger jederzeit und überall, vielleicht sogar präventiv, vor allen nur erdenklichen Unglücksfällen schützen können werde. Gerade sein Vorbringen spreche für den Willen und die Fähigkeit Afghanistans und seiner Behörden, seinen Bürgern ein Mindestmaß an Sicherheit zu bieten. So sei seinem Vorbringen zu entnehmen, dass der mutmaßliche Mörder des Dorfbewohners wegen des genannten Deliktes festgenommen und der Gerichtsbarkeit überantwortet worden sei. Das sei besonders beachtlich weil diese Vorgangsweise ohnehin Rücksicht auf die Funktion des Täters als Polizeibeamten gewählt worden sei. Das spreche trotz der fallweise bestehenden Defizite in der öffentlichen Sicherheit - siehe dazu die beigeschafften landeskundlichen Feststellungen - hinreichend deutlich für die Funktionsfähigkeit und den Willen des Herkunftsstaates zu Schutzgewährung. Er könne auch darauf vertrauen, dass sein Herkunftsstaat und die Behörden ihn entsprechend schützen. Das Bundesamt weist auch darauf hin, dass er nicht der alleinige Zeuge des Verbrechens gewesen sei, da ja mehrere Personen im Bus gesessen seien, die alle das Gesicht des Täters gesehen hätten. Es sei unerheblich, aus welchen Dörfern die anderen Augenzeugen gekommen seien. Er sei damit nicht der alleinige Belastungszeuge und allein Verantwortlicher für die Inhaftierung des Kommandanten.

Bei entsprechenden Anhaltspunkten für eine nicht ausreichende Versorgung eines Fremden in seiner Heimat, insbesondere mit Lebensmittel, Trinkwasser usw. ,habe sich die Behörde im Rahmen der Non-refoulement Prüfung mit der diesbezüglichen aktuellen Situation im Heimatstaat auseinanderzusetzen. Diesbezüglich habe sich das Bundesasylamt unter Hinweis auf die landeskundlichen Feststellungen ausführlich mit der Situation von Rückkehrern beschäftigt. Eine elementare Grundversorgung dieses Personenkreises sei jedenfalls anzunehmen. Durch seinen unbedenklichen Gesundheitszustand und Kenntnis der landestypischen Verhältnisse sei eine Verbindung mit seinem verwandtschaftlichen Umfeld und den damit verbundenen ökonomischen Verhältnissen jedenfalls gewährleistet, sodass er seinen Lebensunterhalt sowie bisher aus eigenem bestreiten könne.

Zu der Stellungnahme der gesetzlichen Vertretung des Bf vom 13.03.2013 wird angemerkt, dass er als Minderjähriger bei Vorhandensein eines familiären Umfeldes jedenfalls in den Schutz der Familie zurückzuführen sei. Da seinen Aussagen zu entnehmen sei, dass ein solches familiäres Umfeld in Afghanistan vorhanden sei und auch konkrete Hinweise darauf es gebe, wo sich seine Familie aufhalte, könne verlangt werden dass er unter Mitwirkung des ihm betreuenden Personals alles unternehmen werde, um wieder zu seiner Familie zurückkehren zu können. ,

I.4 Der Beschwerdeführer hat, vertreten durch das Magistrat Salzburg, Jugendamt, dieses wieder vertreten durch die Maga Anja Schachinger, die gegenständliche Beschwerde erhoben.

Darin wird zur Begründung vorgebracht, dass die Kinderrechtskonvention (KRK), insbesondere Art 3 KRK anzuwenden sei, als Kind gelte er bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres. Der Bescheid verkenne, dass eine umfassende Kindeswohlprüfung unter Einbeziehung und Abwägung aller in der KRK verankerten Rechte durchzuführen sei und nicht nur das Recht auf Familieneinheit. Die Familie des Beschwerdeführers halte sich in Pakistan auf. Eine Familienzusammenführung. Im Herkunftsland sei daher nicht möglich. Bei der Prüfung, ob der Beschwerdeführer aufgrund seines Alters besonders vulnerable sei, seien verschiedene Sachverhalte vermischt worden, insbesondere Rückkehrfragen und Vulnerabilität. Ein Argument für seine Anpassung und Selbsterhaltungsfähigkeit sei, dass er die Reise nach Österreich allein bewältigt habe. Es sei auch darauf hinzuweisen, dass der EGMR unbegleitete minderjährige Asylsuchende zur Kategorie der verletzlichen Personen der Gesellschaft unter Hinweis auf Judikatur zähle. Es sei auch die Ermittlungspflicht verletzt worden. Es wäre Pflicht der belangten Behörde im gegenständlichen Fall gewesen, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu ermitteln. Hinsichtlich der behaupteten unrichtigen rechtlichen Begründung wird vorgebracht, dass beim Beschwerdeführer wohl begründete Furcht vor Verfolgung durch nicht staatliche Organe aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Halbwaisen, die unter sklavenartigen Bedingungen gehalten werden, vorliege. Es handle sich um eine kinderspezifische Erscheinungsform der Verfolgung. Es sei zu beachten, dass gemäß Art 9 Abs 2 lit f der Statusrichtlinie Handlungen, die gegen Kinder gerichtet seien, auch dann als Verfolgung gelten, wenn sie im Falle eines Erwachsenen noch nicht als Verfolgung anzusehen wären. Ein tatsächlicher und effizienter Schutz im Einzelfall durch staatliche Behörden in Afghanistan sei nicht gegeben, der minderjährige Beschwerdeführer sei eine interne Flucht- oder Schutzalternative nicht zumutbar. Dem Minderjährigen wäre aufgrund seines glaubhaften Vorbringens bezüglich der Bedrohung durch das Umfeld des www.ris.bka.gv.at Seite 3 von 15 Bundesverwaltungsgericht 08.01.2016

Kommandanten jedenfalls zumindest der Status des subsidiär Schutzberechtigten zu gewähren, da im Falle einer Abschiebung das reale Risiko einer Verletzung von Art 3 EMRK bestehe. Die Sicherheitslage in der Provinz Baghlan sei schlecht, ebenso die Versorgungslage.

I.5 In der mündlichen Verhandlung am 11.12.2015 hat der Folgendes ausgesagt:

BF: Ca. vor zwei Monaten habe ich zufällig einen Nachbarn von meiner Heimat getroffen. Er hat mir erzählt, dass meine Familie ums Leben gekommen ist mit einem Granatenangriff auf unser Haus.

R: Sie meinen, dass der Kommandant oder seine Leute, den Sie damals gesehen haben, das gemacht hat?

BF: Ja, seine Leute.

R: Das hat Ihr Nachbar gesagt?

BF: Ja.

R: Was ist das für ein Kommandant?

BF: Er ist ein Kommandant, aber mehr weiß ich nicht. Er trägt keine Uniform.

R: Ist der Kommandant ein Pashtune, ein Hazara oder ein Tadschike?

BF: Ein Hazara.

R: Erzählen Sie, wie das damals war, als der Kommandant jemanden umgebracht hat.

BF: Eines Tages gegeben Abend wollte ich von diesem Basar nach Hause gehen. Wir waren mit einem Pkw unterwegs. Das Auto wurde von bewaffneten Männern gestoppt und sie haben das Geld von uns weggenommen. Einer von uns hatte mehr Geld dabei und wollte es nicht abgeben. Es ist zu einer Handgreiflichkeit zwischen den beiden gekommen und er hat versucht die Maske von dem bewaffneten Mann runterzunehmen. Ich habe gesehen, dass es der Kommandant von unserem Dorf ist. Bei dieser Handgreiflichkeit ist der Mann ums Leben gekommen. Er wurde getötet. Ich habe die Familie informiert, wer das war und dass der Kommandant von unserem Dorf der Täter war. Der Kommandant wurde verhaftet und es gab ein Gerichtsverfahren. Zu dieser Zeit war ich auf einer Hochzeit in XXXX . Meine Mutter hat mich angerufen, dass ich nicht nach Hause kommen darf, weil die Leute von dem Kommandanten einen Augenzeugen umgebracht haben. Meine Mutter hat mir gesagt, dass ich nicht nach Hause kommen darf.

R: Waren Sie bei der Gerichtsverhandlung dabei?

BF: Nein, bei der Verhandlung war ich nicht dabei. Ich war noch in Afghanistan aber nicht dabei.

R: Wissen Sie, welche Strafe der Kommandant bekommen hat?

BF: Nein.

R: Wissen Sie, wie der Kommandant heißt?

BF: Er heißt Mohammad dad.

R: Wie lange war er schon im Dorf Kommandant?

BF: Sehr lange, ich weiß es aber nicht genau.

R: Sind seine Leute Polizisten oder ist das seine "private" Bande?

BF: Nein, sie waren Zivil.

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R: Haben Sie welche erkannt?

BF: Nein.

R: Auf welchem Basar waren Sie damals?

BF: Das war der Bazare XXXX .

R: Das Auto, mit dem Sie nach Hause gefahren sind, war das ein Sammeltaxi?

BF: Wir sind mit einem privaten Transport gefahren. Das ist in Afghanistan sehr üblich, dass Private eine bestimmte Strecke hin und her fahren und Fahrgäste gegen Bezahlung mitnehmen.

R: Wie hat der andere Zeuge geheißen, der getötet worden ist?

BF: Er war von unserem Dorf, aber ich kenne seinen Namen nicht.

R: Bei einer anderen Vernehmung haben Sie gesagt, dass er XXXX geheißen hat.

BF: XXXX wurde auch getötet, jedoch war ich da schon in Griechenland. Es handelt sich nicht um XXXX .

R: Bei einer anderen Vernehmung haben Sie gemeint, Ihre Familie wäre in Pakistan.

BF: Ich habe von meinem Nachbarn mitbekommen, dass sich die Sicherheitslage verbessert hat und meine Familie nach Afghanistan zurückgekommen war.

R: Was hat Ihr Vater gearbeitet?

BF: Er war Bauer in der Landwirtschaft.

R: Hatten Sie eigenen Grund?

BF: Er hat keine eigenen Felder gehabt.

R: Haben Sie auch dort gearbeitet?

BF: Ja. Ich habe geholfen.

R: Sind Sie in Afghanistan in die Schule gegangen?

BF: Nein.

R: Auch nicht in die Koranschule?

BF: Ich bin nicht in die Koranschule gegangen. Ich bin in die Moschee gegangen und habe dort den Koran gelernt.

R: Können Sie lesen und schreiben in Dari?

BF: Sehr gering.

R: Wer hat bei der Hochzeit geheiratet?

BF: Bekannte von mir. Es waren keine Verwandte, sondern Freunde.

R: Waren sie aus Ihrem Dorf?

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BF: Nein.

R: Woher haben Sie diese gekannt?

BF: Durch meinen Vater und Freunde von meinem Vater.

R: Wissen Sie, wie der Bräutigam geheißen hat?

BF: Nein.

R: Waren viele Leute auf der Hochzeit?

BF: Ja, sehr viele.

R: Sie waren auf der Hochzeit und Ihre Mutter hat angerufen, dass Sie nicht nach Hause kommen sollen. Wo waren Sie in der Zeit?

BF: Ich habe meinen Onkel mütterlicherseits telefonisch kontaktiert und ich habe ihm erzählt, was passiert ist. Er ist gekommen und hat mich abgeholt.

R: Wo hat er Sie hingebracht?

BF: Nach Hause zu ihm.

R: Wo wohnt er?

BF: In XXXX .

R: Wie lange sind Sie beim Onkel geblieben?

BF: Ich bin ca. eine Woche dort geblieben. Dann hat mein Onkel für mich einen Schlepper organisiert und ich habe das Land verlassen.

RV: Was würde in Bezug auf den Kommandanten passieren, wenn Sie nach Hause zurückkehren müssten?

BF: Ich habe Angst. Er wird mich umbringen. Ich habe niemanden mehr dort.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Zur Person des Bf:

Der Bf heißt XXXX , StA. Afghanistan, seine Muttersprache ist Dari, er gehört der Volksgruppe der Hazara an, mit schiitischem Religionsbekenntnis; er stammt aus der Provinz Baghlan, aus Distrikt/Stadt XXXX . Sein Vater arbeitete in der Landwirtschaft.

Nach den Angaben des Bf beim BFA und in der Beschwerde ist seine Familie nach seiner Ausreise nach Pakistan gezogen.

In der mündlichen Verhandlung hat er angegeben, dass die Familie wieder in das Dorf zurückgekehrt sei. Ein Landsmann habe ihm erzählt, dass das Haus seiner Familie zerstört von den Anhängern des Kommandanten zerstört worden sei und seine Familie tot sei

Ab 21.04.2015 scheint im Zentralen Melderegister (ZMR) keine aufrechte Meldeadresse des Beschwerdeführers auf, auch teilte Frau Maga Schachinger, dass der Verein Menschen- Leben den Beschwerdeführer nicht mehr vertrete, es wurde aber übernommen, dem Bf die Ladung zuzustellen. Wie in der mündlichen Verhandlung bekannt gegeben ist der Beschwerdeführer nun mehr an der Adresse Starkgasse 3/18, 1050 Wien gemeldet. www.ris.bka.gv.at Seite 6 von 15 Bundesverwaltungsgericht 08.01.2016

Der Beschwerdeführer befand sich wegen einer Fremdgefährdung vom 02.12.2013 bis 06.12.2013 in stationärer psychiatrischer Behandlung in der XXXX Salzburg. Es wurden im Anschluss daran weitere Kontrollterminen vereinbart.

1.2 Zu den Fluchtgründen:

Der Bf wurde auf der Fahrt von einem Bazar in sein Dorf mit einem Sammeltaxi Zeuge eines Raubüberfalls, bei dem eine Person getötet wurde. Der Bf hat angegeben, dass der Überfall von Personen in zivil verübt wurde und während des Überfalls er und die anderen Passagiere sehen konnten, dass ein Kommandant der Polizei einen Mitfahrenden, der sein Geld nicht hergeben wollte, erschossen hat. Der Bf hat angegeben, dass er nicht genau sagen könne, von welcher Einheit der Kommandant gewesen sei. Das Gericht geht davon aus, dass es sich um einen Funktionär einer lokalen Polizeieinheit handelte. Der Bf hat bei der Rückkehr ins Dorf den Angehörigen des Getöteten erzählt, wer den Mord verübt hat.

Der Täter (Kommandant) wurde festgenommen und verurteilt. Der Bf hat nicht als Zeuge ausgesagt. Die Mutter des Bf hat den Bf, als er auf einer Hochzeit war, informiert, dass ein anderer Augenzeuge des Überfalls getötet worden sei und den Bf ersucht, nicht nach Hause zu kommen. Er wurde von seinem Onkel abgeholt, von dessen Haus aus hat er die Ausreise angetreten.

1.3 Zur Lage in Afghanistan, soweit für das gegenständliche Verfahren aktuell:

1.3.1 Die Islamische Republik Afghanistan liegt in Zentralasien, grenzend an Turkmenistan, Tadschikistan, Usbekistan (im Norden), China und Pakistan (im Osten und Süden), Iran (im Westen). Die Fläche beträgt 652.000 km2, die Einwohnerzahl 30,6 Millionen (geschätzt 2013). 23% der Bewohner leben in Städten (geschätzt 2011). Ethnische Aufteilung der Bevölkerung (geschätzt 2011): Paschtunen ca. 42%, Tadschiken ca. 27%, Hazara und Usbeken je ca. 9%, zahlreiche kleinere ethnische Gruppen (Aimak ca. 4%, Turkmenen ca. 3%, Baluchi 2%, sowie Nuristani und andere). Bevölkerungswachstum: 2,2% (geschätzt 2013). Durchschnittsalter der Bevölkerung: 18,2 Jahre (geschätzt 2011). 42,3% der Bevölkerung sind jünger als 15; nur 2,5% sind über 64. Geburtenrate 37,8 pro 1000 Einwohner (geschätzt 2014). Die Hauptstadt ist Kabul und hat ca 4,5 Millionen Einwohner (geschätzt 2011).Es gibt zwei offizielle Landessprachen: Dari (50%) und Paschtu (35%); daneben Turksprachen (insb. Usbekisch und Turkmenisch) 11% und zahlreiche weitere Sprachen. Viele Bürger sind zweisprachig. 99% der Bevölkerung sind Muslime (80% Sunniten und 19% Schiiten), 1% der Bevölkerung sind sonstigen Religionsbekenntnisses (geschätzt 2012).

Zu Beginn dieses Jahres hatten die afghanischen Sicherheitskräfte die volle Verantwortung für die Sicherheit ihres Landes übernommen - die internationale ISAF-Mission (Internationalen Schutz- und Unterstützungstruppe) war nach mehr als einem Jahrzehnt zu Ende gegangen. Nach dem Ende von ISAF bleibt die Sicherheitslage in vielen Teilen des Landes instabil, und regierungsfeindliche Kräfte bleiben teilweise handlungsfähig. Doch die Afghanischen Nationalen Sicherheitskräfte (ANSF) werden immer besser und kompetenter. Sie haben die Sicherheitsverantwortung vollständig übernommen. Im Januar 2015 hat die NATO 'Resolute Support Mission' (RSM) begonnen, deren Schwerpunkt auf der Ausbildung, Beratung und Unterstützung der afghanischen Entscheidungsträger liegt.

1.3.2 Kurzer Überblick zu aktuellen Entwicklungen der Sicherheitslage:

Wie der UNO-Generalsekretär in seinem Bericht vom Februar 2015 anführt, hat die UNO im Zeitraum vom 16. November 2014 bis 15. Februar 2015 insgesamt 5.075 sicherheitsrelevante Vorfälle verzeichnet. Dies stellt einen Anstieg um 10,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum und einen Anstieg um 33,2 Prozent im Vergleich zum gleichen Zeitraum zwei Jahre vorher dar. Der weiterhin hohe Level bei der Zahl der Sicherheitsvorfälle wird teilweise auf eine Zunahme der Aktivitäten regierungsfeindlicher Elemente, vor allem im November und Dezember 2014, zurückgeführt. Laut dem Bericht verzeichnete der Zeitraum Dezember 2014/Jänner 2015 im Vergleich zum gleichen Zeitraum in jedem Jahr seit 2001 die größte Zahl an Sicherheitsvorfällen. Dies wird zum Teil auf den relativ milden Winter zurückgeführt, der allen Konfliktparteien ermöglicht hat, weiterhin Operationen durchzuführen. (UNGA, 27. Februar 2015, S. 4)

Radio Free Europe/Radio Liberty (RFE/RL) geht in einem Artikel vom April 2015 auf einen UNAMA-Bericht ein, dem zufolge in den ersten drei Monaten des Jahres 2015 eine Rekordzahl an afghanischen ZivilistInnen bei Bodenkämpfen getötet wurde. Die Zahl der bei Bodenkämpfen Getöteten oder Verletzten stieg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um acht Prozent an. Die Gesamtzahl der zivilen Opfer ging allerdings um zwei Prozent www.ris.bka.gv.at Seite 7 von 15 Bundesverwaltungsgericht 08.01.2016 zurück. Insgesamt wurden im ersten Jahresviertel 655 ZivilistInnen getötet und 1.155 verletzt. (RFE/RL, 12. April 2015)

Thomas Ruttig vom Afghanistan Analysts Network (AAN) schreibt in einem Artikel vom Mai 2015, dass sich die Intensität der Kämpfe in Afghanistan in einem Anstieg der Opferzahlen widerspiegelt. Laut US- amerikanischen und afghanischen BeamtInnen sei die Zahl der verletzten oder getöteten Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte in den ersten 15 Wochen des Jahres 2015 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 70 Prozent angestiegen. (Ruttig, 3. Mai 2015)

Der UNO-Generalsekretär erwähnt in seinem Bericht vom Juni 2015, dass die UNO im Zeitraum vom 15. Februar bis zum 30. April 2015 insgesamt 5.033 sicherheitsrelevante Vorfälle verzeichnet hat. Dies stellt einen sechsprozentigen Anstieg gegenüber demselben Zeitraum im Vorjahr und einen 45-prozentigen Anstieg im Vergleich zum selben Zeitraum im Jahr 2013 dar. Die Mehrheit der Vorfälle (71 Prozent) ereignete sich weiterhin in den südlichen, südöstlichen und östlichen Regionen. Die nördlichen und nordöstlichen Regionen verzeichneten einen zwölfprozentigen Anstieg bei der Zahl der Sicherheitsvorfälle im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. (UNGA, 10. Juni 2015, S. 4)

Die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UN Assistance Mission in Afghanistan, UNAMA) führt in ihrem Halbjahresbericht zum Schutz von ZivilistInnen im bewaffneten Konflikt vom August 2015 an, dass sie im Zeitraum vom 1. Jänner bis 30. Juni 2015 insgesamt 4.921 zivile Opfer dokumentiert hat (1.592 Getötete und 3.329 Verletzte), was im Vergleich zum Vorjahreszeitraum einen sechsprozentigen Rückgang bei den getöteten und einen vierprozentigen Anstieg bei den verletzten ZivilistInnen darstellt. Die Zahl der zivilen Opfer in den ersten sechs Monaten des Jahres 2015 liegt höher als im gleichen Zeitraum in vorangegangenen Jahren. Im Zeitraum von 1. Jänner 2009 bis 30. Juni 2015 hat die UNAMA insgesamt 52.653 zivile Opfer (19.368 Getötete und 33.285 Verletzte) dokumentiert. Laut der UNAMA ist der Anstieg der Zahl ziviler Opfer im ersten Halbjahr 2015 vor allem auf eine Zunahme komplexer Angriffe und Selbstmordabschläge sowie eine Zunahme von gezielten Tötungen zurückzuführen. Für 70 Prozent der zivilen Opfer waren der UNAMA zufolge regierungsfeindliche Elemente, für 16 Prozent regierungstreue Kräfte und für zehn Prozent Bodenkämpfe zwischen regierungsfeindlichen Elementen und afghanischen Sicherheitskräften verantwortlich. Die restlichen vier Prozent wurden auf explosive Kampfmittelrückstände zurückgeführt. (UNAMA, August 2015, S. 1-2) (ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: ecoi.net-Themendossier zu Afghanistan: Allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan & Chronologie für Kabul, letzte Aktualisierung 31. August 2015 http://www.ecoi.net/news/188769::afghanistan/101.allgemeine-sicherheitslage-in-afghanistan-chronologie-fuer- kabul.htm)

1.3.3. Zur Lage in der Herkunftsprovinz Baghlan

Aus: Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Stand 19.11.2014, letzte Kurzinformation eingefügt am 24.02.2015,82)

Baghlan liegt im Nordosten Afghanistans und wird als eine der industriellen Provinzen Afghanistans gesehen. Sie ist von strategischer Bedeutung, da sie an sieben weitere Provinzen, inklusive Kabul, angrenzt. Baghlan hat 14 administrative Bezirke, inklusive der Provinzhauptstadt : Kinjan, Dushi, Banu, Dih Salah, Puli Hisar, Jilgah, Khost, Talawa Barfak, Farang, Guzargah-a-Noor, Nahrin, Burkah und Dahana-i-Ghori. Im Nordosten grenzt sie an die Provinzen Panjsher, Takhar und Kundoz, im Westen an Samangan und Bamyan, im Süden grenzt sie an die Provinz Parwan (Pajhwok o.D.h).

Baghlan zählt zu den relativ friedlichen Provinzen im Norden Afghanistans. Jedoch haben regierungsfeindliche bewaffnete Aufständische ihre Aktivitäten in einer Anzahl von Bezirken in den letzten Monaten erhöht (Khaama Press 24.9.2014; vgl. Khaama Press 15.9.2014).

Afghanische Sicherheitskräfte haben in der nördlichen Provinz Baghlan militärische Operationen geführt, um diese noch vor Abhaltung der Wahlen von Aufständischen zu befreien. Gleichzeitig führten Sicherheitskräfte Operationen in Gegenden, in denen sich die Sicherheitsbedrohung erhöht hat, durch (Tolo News 1.3.2014). Es wird erwartet, dass ein Großteil der Sicherheitsverantwortung in Baghlan an die afghanischen Truppen übergeben wird. Aus diesem Grund werden, laut offiziellen Vertretern, massive militärische Operationen geführt, um die Aufständischen zu eliminieren oder sie zu veranlassen ihren Aufstand aufzugeben (ATN 30.6.2014). In einer gemeinsamen militärischen Operation wurde, laut Sicherheitskräften, in Baghlan die bewaffnete regierungsfeindliche Opposition besiegt (ATN 28.8.2014).

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Im Jahresvergleich 2011 und 2013, ist die Zahl regierungsfeindlicher Angriffe um 120% gestiegen. 2013 wurden 180 Vorfälle registriert (Vertrauliche Quelle 1.2014)

1.3.4 Weiterer Bericht über die Lage in Baghlan:

Quelle: EASO (European Asylum Office), Country of Origin Information Report, Afghanistan, Security Situation, Jänner 2015, 109 ff.

According to the ACSO, the population of this province of North Afghanistan is 863,700, which comprises diverse ethnic groups (mainly , also Pashtuns, Uzbeks, Turkmens and Ismailis).

Impact of the violence

In the province, responsibility for security was transferred to the Afghan security forces in June 2013. The situation is now considered precarious by the AAN. In 2013, the province was affected by a lot of violence which led the AAN to consider the possibility that Baghlan might become an insurgent stronghold. In 2014, the number of violent acts attributed to armed opposition activists increased, though the proportion is not specified

According to information obtained from a Western security official, between January and 31 October 2014, the province of Baghlan counted 355 reported security incidents (see table).

Most incidents have involved insurgents against security forces, in particular within the context of several security operations conducted by the authorities since the beginning of the year. These operations led to the death or arrest of many insurgents. Hence, in March 2014, in order to secure the first round of presidential elections planned in April 2014, security forces launched a military operation aimed at neutralising the insurgents. At the beginning of June 2014, another offensive was conducted by the police and the army in the Baghlan-e Markazi district. This offensive led to the death of 15 fighters. In August 2014, the Brishna Operation 1 led to the defeat of several armed opposition groups. Some of its members fled to Kunduz, a neighbouring province in the north of Baghlan. These security operations forced many insurgents in the province to surrender and join the peace process initiated by authorities, as was the case of 96 fighters who laid down their arms on 14 July 2014. Besides fighting that directly opposed insurgents and security forces, several attacks occurred, such as the explosion of a roadside bomb in the Burka district, which led to the death of six civilians on 20 September 2014. Another bomb exploded in the Baghlan-e Markazi district on 15 September 2014, killing a policeman and injuring many, including civilians.The operations led by the insurgents in Baghlan are diverse: firearms attacks, mines laid on roads, setting petrol trucks on fire, hand-grenade attacks or bombs blasts(. Acts of intimidation are also mentioned, such as letters sent by groups linked to the Taliban, at night, to the population, in order to discourage people to participate in the presidential election. If the Taliban continue to conduct these "classical" guerilla operations, their strategy in Baghlan has evolved. Currently, it does not concentrate a great number of combatants in a single district to avoid airstrikes and raids. Instead, the strategy favours the presence of small groups responsible for targeting local authorities and for gaining influence in the local social structures. This new strategy could explain why the presence of a high number of fighters does not necessarily lead to a high number of attacks. The Taliban seeks to gain the support of populations, with, for instance, its declared struggle against corruption corroding the local government. Attacks occur mainly in public spaces. Hence, bombs can be placed in a kiosk or close to mosques, as in the Barka district where a bomb exploded near a mosque on 20 September 2014 and killed six civilians.

Victims

Between 1 September 2013 and 31 August 2014, most districts count civilian victim figures at between one and 25, according to UNAMA, referred to by UNOCHA. Two districts have a higher number of civilian victims: Pul-e Khumri (between 26 and 50) and Baghlan-e Jadid (between 51 and 150). Security forces and public installations (for instance the logistical storerooms) are among the main targets. Soldiers from the ANA and policemen were kidnapped or killed by the Taliban. Officials, such as members of provincial council, can also be targeted. Civilians are also targets, including women and children. They can be targeted directly or they can become collateral victims of "blind" attacks.

Displacement

No data could be found on the population displacements in the province for the current year.

Actors in the conflict www.ris.bka.gv.at Seite 9 von 15 Bundesverwaltungsgericht 08.01.2016

Several armed groups, particularly the Taliban, can be found in Baghlan. The Haqqani Network is also present, along with HIA. Also in the province is the IMU linked to Al Qaeda. Pajhwok Afghan News mentions the presence of men under the command of the Islamic State who were arrested in May 2014 during a security operation conducted in the Dahana-i Ghori district. Finally, "illegal armed men" are present and constitute a real source of insecurity in the province. According to Afghan authorities, more than 600 of them are believed to operate in the Bano area, in the Dehsalah, Pul-e Hesar, Nahrin and Baghlan-e Markazi districts. Some of them are said to benefit from the support of high-level officials.

1.3.5 Sicherheitsbehörden

Aus: Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Stand 19.11.2014, letzte Kurzinformation eingefügt am 24.02.2015, 103)

Das afghanische Innenministerium (Afghanistans Ministry of Interior - MoI), das Verteidigungsministerium (Ministry of Defense - MoD), das Büro des Präsidenten und das Parlament sind direkt in die zivile Aufsicht des Sicherheitssektors involviert (CGS 2.2014; vgl. USDOS 27.2.2014).

Afghan National Security Forces (ANSF) Am 18. Juni 2013 übernahmen die afghanischen Sicherheitskräfte (Afghan National Security Forces - ANSF) die Hauptverantwortung für die landesweite Sicherheit (World Report 15.4.2014; vgl. AA 31.3.2014). Diese Kräfte unterteilen sich in drei Hauptkomponenten: afghanische Nationalarmee (ANA) und Luftwaffe (AAF) unter der Kontrolle des Verteidigungsministeriums, sowie der afghanische Nationalpolizei (ANP) unter der Kontrolle des Innenministeriums. Aufgrund von finanziellen Beschränkungen und schlechtem Management, stellte die Regierung die vierte Komponente - Afghan Public Protection Force (APPF) - ein (World Report 15.4.2014).

Die Stärke der afghanischen Sicherheitskräfte (Afghan National Security Forces - ANSF) beträgt ungefähr 376.264 (USDOD 4.2014). Dieses Personal wird zwischen den zwei Hauptkomponenten der ANSF - der ANP und ANA - aufgeteilt. Die Zahl repräsentiert 95 Prozent des für Ende 2014 anvisierten Personalzieles von 352.000 Personen (CSG 2.2014; vgl. World Report 15.4.2014). Die Finanzierung hängt völlig von Fremdhilfen ab, die derzeit bei USD 7 Milliarden liegt. Es wird erwartet, dass diese nach dem Jahr 2014 auf USD 2 - 4 Milliarden sinken werden (BFA Staatendokumentation 3.2014; vgl. NATO 9.2014). Gleichzeitig ist auch geplant die Größe der ANSF auf 228.500 im Jahr 2015 zu reduzieren (BFA Staatendokumentation 3.2014; vgl. NATO 9.2014). Die ANSF besitzen mittlerweile die Fähigkeit, ohne schwere US und NATO-Unterstützung für Sicherheit sorgen zu können (CSG 2.2014).

Afghan National Police (ANP) und Afghan Local Police (ALP)

Die ANP besteht ihrerseits aus vier Polizeistreitkräften und zwei Hilfstruppen, unter der Leitung des Innenministeriums: Afghan Uniform Police (AUP), Afghan National Civil Order Police (ANCOP), Afghan Border Police (ABP), und Afghan Anti-Crime Police (ACCP). Die Afghan Local Police (ALP) wurde durch ein Dekret des Präsidenten und mit Unterstützung der USA errichtet. Die 19.000 Mitglieder, wurden von Dorfältesten und lokalen Machthabern ausgewählt, um die Gemeinden gegen Angriffe der Taliban zu schützen. Diese werden von Teams der U.S. Spezialkräfte ausgebildet, finanziert und mit Waffen, Kommunikationsausrüstung und Verstärkung versorgt. Ortsverteidigungseinheiten ("village defense units") bewachen Gebäude und führen lokale Operationen gegen die Rebellen durch (USIP 2.2013). ANP und ALP tragen unter der Leitung des Innenministeriums die Hauptverantwortung für die innere Ordnung, sind aber auch an der Bekämpfung der Aufständischen beteiligt (USDOS 27.2.2014).

Mit Stand Ende März betrug die Personalstärke der ANP 152.678 Mann bzw. 96% der autorisierten 157.000 Mann. Die durchschnittliche Schwundquote während des ersten Quartals des Jahres 2014 betrug 1,6%, höher als das Ziel von 1,4% (USDOD 4.2014). Laut amerikanischem Verteidigungsministerium betrug die Personalzahl der ALP 26.632 Mann (USDOD 4.2014). Ziel ist es, bis Ende 2014 30.000 Mann zu erreichen (CGS 2.2014).

Nationalarmee (ANA)

Die afghanische Nationalarmee (ANA) untersteht dem Verteidigungsministerium und ist verantwortlich für die externe Sicherheit, bekämpft aber auch den internen Aufstand (USDOS 27.2.2014). Mit Stand März 2014 betrug der Personalstand der ANA www.ris.bka.gv.at Seite 10 von 15 Bundesverwaltungsgericht 08.01.2016

187.984 Mann, inklusive 6.780 Mann Luftstreitkräfte (Afghan Air Force - AAF), 9.321 Zivilisten und 10.312 Trainees, Studenten und Andere (USDOD 4.2014).

National Directorate of Security (NDS)

Das National Directorate of Security (NDS) ist verantwortlich für die Ermittlung in Fällen der nationalen Sicherheit und hat auch die Funktion eines Geheimdienstes (USDOS 27.2.2014).

Als Reaktion auf eine steigende Präsenz regierungsfeindlicher Elemente in manchen Bezirken, initiierten die afghanischen Kräfte ihre eigenen Operationen zum Schutz des Territoriums - speziell verstärkt durch Checkpoints und Patrouillen. Dies führte zu einer Zunahme der Kämpfe in bewohnten Gebieten, was mit zivilen Opfern einherging (UNAMA 7.2014).

1.3.6 Medizinische Versorgung in Afghanistan

Aus: Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Stand 19.11.2014, letzte Kurzinformation eingefügt am 24.02.2015, 161)

Grundsätzlich hat sich die medizinische Versorgung, insbesondere im Bereich der Grundversorgung, in den letzten zehn Jahren erheblich verbessert, fällt jedoch im regionalen Vergleich weiterhin drastisch zurück (AA 31.3.2014). Eine medizinische Grundversorgung ist in weiten Landesteilen nahezu nicht gegeben. Lediglich in größeren Städten kann man eine bessere medizinische Versorgung vorfinden (GIZ 6.2014).

Die medizinische Versorgung leidet trotz der erkennbaren und erheblichen Verbesserungen landesweit weiterhin an unzureichender Verfügbarkeit von Medikamenten und Ausstattung der Kliniken, insbesondere aber an fehlenden Ärztinnen und Ärzten, sowie gut qualifiziertem Assistenzpersonal (v.a. Hebammen). Im Jahr 2013 stand 10.000 Einwohnern Afghanistans ca. eine medizinisch qualifiziert ausgebildete Person gegenüber. Auch hier gibt es bedeutende regionale Unterschiede innerhalb des Landes, wobei die Situation in den Nord- und Zentralprovinzen um ein Vielfaches besser ist als in den Süd- und Ostprovinzen (AA 31.3.2014).

Obwohl freie Gesundheitsdienstleistungen in öffentlichen Einrichtungen zur Verfügung gestellt wurden, können sich viele Haushalte gewisse Kosten für Medikamente oder den Transport zu Gesundheitsvorsorgeeinrichtungen nicht leisten (USDOS 27.2.2014).

Gemäß der afghanischen Verfassung ist die primäre Gesundheitsversorgung in öffentlichen Einrichtungen, inklusive Medikamente, kostenfrei. Jedoch sind die Bestände oft erschöpft und die PatientInnen sind gezwungen die Medikamente in privaten Apotheken oder am Bazar zu kaufen (IRIN 2.7.2014).

Durch die gute ärztliche Versorgung im "French Medical Institute" und dem Deutschen Diagnostischen Zentrum in Kabul können auch kompliziertere Krankheiten in Kabul behandelt werden. Afghanische Staatsangehörige mit guten Kontakten zum ausländischen Militär oder Botschaften können sich unter bestimmten Umständen auch in Militärkrankenhäusern der ausländischen Truppen behandeln lassen (AA 31.3.2014).

Das Ministerium für öffentliche Gesundheit implementiert das notwendig Paket von Spitalsleistungen in 15 Provinzen, während Nichtregierungsorganisation die Arbeit in den restlichen 19 Provinzen durchführen (BMJ 17.6.2014)

Zwar findet die Behandlung von psychischen Erkrankungen - insbesondere Kriegstraumata - abgesehen von einzelnen Pilotprojekten, nach wie vor nicht in ausreichendem Maße statt (AA 31.3.2014). Eine der wahrscheinlich wichtigsten Verbesserungen in der Gesundheitsvorsorge ist, dass ein Ort existiert, zu dem sie gehen können, um Hilfe bei mentalen Gesundheitsproblemen zu bekommen. Die mentale Gesundheitseinrichtung im Regionalspital Herat zum Beispiel, gibt einen kleinen Einblick der Probleme der Bevölkerung und die Versorgung, die sie nun erhalten. Die Einheit, bestehend aus 25 Betten, wurde vor sechs Jahren etabliert. Im letzten Jahr wurden 5.161 PatientInnen aufgenommen, der Großteil von ihnen mit Störungen wie z.B. Depression, Anpassungsstörungen, aber auch mit Psychosen und bipolaren Störungen. Der Großteil von ihnen waren Frauen. Nachdem diese Frauen entlassen werden, werden sie durch regelmäßige Besuche von psychosozialen Arbeitern nachbehandelt (BMJ 17.6.2014). Zum Beispiel gibt es in Kabul eine psychiatrische Einrichtung mit 60 Betten, in und Herat gibt es jeweils nur 15 Betten für psychiatrische Fälle und in Mazar-e Sharif gibt es eine private Einrichtung, die psychiatrische Fälle stationär aufnimmt (AA 31.3.2014).

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Unsichere Lage, große Entfernungen und Transportkosten sind die Haupteinschränkungen für die Bevölkerung beim Zugang zu Gesundheitsleistungen. Die Disparität zwischen sicheren urbanen Gegenden und unsicheren ländlichen oder abgelegenen Gegenden, steigt weiterhin. Diese Beschränkungen spielen eine besondere Rolle für Frauen und Kinder. (WHO 2.2013; vgl. BFA Staatendokumentation 3.2014).

2. Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen zur Lage in Afghanistan im Allgemeinen und in der Provinz Baghlan im Besonderen beruhen auf den angeführten Quellen. Diese Berichte verschiedener anerkannter und zum Teil in Afghanistan agierenden Institutionen ergeben in ihrer Gesamtheit ein nachvollziehbares und schlüssiges Bild über die Lage im Heimatland des Beschwerdeführers. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Darstellung zu zweifeln.

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich im Übrigen aus dem unbedenklichen Inhalt des den Beschwerdeführer betreffenden dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt der belangten Behörde sowie dem vorliegenden Gerichtsakt und dem vor dem Bundesverwaltungsgericht durchgeführten Ermittlungsverfahren.

Die Feststellungen zur Person, Herkunft, Staats-, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers basieren auf den vom Beschwerdeführer vor der Behörde erster Instanz und vor dem Bundesverwaltungsgericht diesbezüglich gemachten glaubhaften Angaben.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung deckt sich nicht mit jenem in der Vernehmung vor dem BFA, insbesondere bestehen Widersprüche in Bezug auf die Ereignisse nach dem Überfall und auch bezüglich des oder der ermordeten weiteren Augenzeugen. So gab der Bf beim BFA an, die Leute des Kommandanten seien zu seiner Familie gekommen, als er bei einer Hochzeit war, und hätten seine Familie und ihn - in Abwesenheit - bedroht, um ihn von einer Aussage abzuhalten und seinen Vater geschlagen. Bei der mündlichen Verhandlung gab er an, seine Mutter habe ihn bei der Hochzeit von der Ermordung eines Augenzeugen informiert und dass er nicht nach Hause kommen solle, sondern auf seinen Onkel warten.

Er gibt auch an, dass der von der Mutter erwähnte Augenzeuge nicht " XXXX " gewesen sei, auf den er in der Vernehmung vor dem BFA hinwies, sondern ein anderer Passagier.

Der Kern der Aussage zum Fluchtgrund, nämlich der Überfall und die Erschießung eines Dorfbewohners, deren Augenzeuge der Bf war sowie die Tatsache, dass es der Kommandant einer Polizeieinheit des Dorfes war, der den Passagier erschossen hat, ist als hinreichend glaubwürdig zu bezeichnen, ebenso das Vorbringen, dass der Kommandant verhaftet und verurteilt wurde.

Auch in Bezug auf die Stellung seiner Familie (keine eigene Landwirtschaft im mündlichen Verhandlung, eigene Felder und Tiere in der Vernehmung vor dem BFA) gibt es eine Divergenz.

Bei der Würdigung der Aussagen ist aber die Minderjährigkeit des Bf und seine angegriffene psychische Gesundheit miteinzubeziehen und diese Kernaussage als glaubhaft anzusehen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1 Zuständigkeit und verfahrensrechtliche Grundlagen:

Gemäß § 75 Abs 19 AsylG sind alle mit Ablauf des 31.12.2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren ab 01.01.2014 vom BVwG nach Maßgabe des Abs 20 zu Ende zu führen.

§ 1 BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG, BGBl I Nr 87/2012 in der Fassung BGBl I Nr 144/2013, bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG 2005 und Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG bleiben unberührt.

Gemäß § 7 Abs 1 Z 1 des BFA-VG, BGBl I Nr 87/2012 in der geltenden Fassung, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA das BVwG.

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Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

3.2. Zum Spruchpunkt A) I:

Gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.

Als Flüchtling im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

3.2.1 Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung". Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl zB VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; VwGH 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH 25.1.2001, Zl. 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde.

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht.

Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 2000/01/0131; 2001/20/0011, 2000/01/0131; 2001/20/0011; 2008/19/1031).

Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 95/01/0454, 95/01/055), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH 95/20/0239; 99/01/0397), sondern erfordert eine Prognose. Verfolgungshandlungen die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl VwGH 98/01/0318).

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 93/01/0284; 99/20/0128; 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

3.2.2 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 95/19/0041; 94/20/0836; 99/20/0208; 99/20/0373; 99/20/0509; 99/20/0505; 2001/20/0177; 2006/01/0793) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (VwGH 99/01/0256).

3.2.3 Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 2006/01/0191; 2006/01/0793). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht "zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (VwGH 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der von www.ris.bka.gv.at Seite 13 von 15 Bundesverwaltungsgericht 08.01.2016 dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichem Schutz einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (vgl. VwGH 99/01/0256 im Anschluss an Goodwin-Gill, The Refugee in International Law2 [1996] 73; weiters VwGH 99/20/0509, 2001/20/0430; 2006/20/0120; 2006/01/0191; 2006/01/0793). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert werden kann. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat "nicht gewillt oder nicht in der Lage" sei, Schutz zu gewähren. In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen.

3.2.4 Das bedeutet für den konkreten Fall:

Im gegenständlichen Verfahren geht nach dem festgestellten Sachverhalt die Verfolgungsgefahr von Privatpersonen aus, nämlich von einem Kommandanten einer Polizeieinheit, der aber nicht als Amtsorgan, sondern als Privatperson ein Verbrechen verübt hat, und von seinen Mittätern, Die asylrechtliche Relevanz des Vorbringens des BF ist aber nicht allein deshalb zu verneinen, weil es sich um Übergriffe von Privatpersonen handelt. Für die Asylgewährung ist nicht von entscheidender Bedeutung, dass die mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Eingriffe nicht direkt von staatlicher, sondern von dritter Seite drohen oder dass diese von der gegenwärtigen afghanischen Regierung nicht angeordnet werden.

Die Gefahr ist dann asylbegründend, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (VwGH 99/01/0256).Fallbezogen ist zu berücksichtigen, dass der Täter des Verbrechens, dessen Augenzeuge der Bf war, sehr wohl von den zuständigen Behörden gefasst und verurteilt wurde. Auch hat der Bf nicht gegen ihn in einer Gerichtsverhandlung ausgesagt.

Es kann daher nicht von einem gänzlichen Nichtfunktionieren des Rechtsstaates Afghanistan in dieser Region und in diesem Fall ausgegangen werden.

Die vom Bf vorgebrachte Verfolgungsgefahr hat somit ihre Ursache nicht in einem der Gründe des Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK, sodass Asyl im Sinne des § 3 AsylG 2005 nicht zu gewähren ist.

3.3. Zu Spruchpunkt A) II:

Gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden. Gemäß § 8 Abs 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 leg.cit. offen steht.

Neben der politischen Lage bzw. Sicherheitslage im Herkunftsland können das Vorhandensein einer Unterkunft und die Möglichkeit der Versorgung im Zielstaat unter dem Gesichtspunkt des Art 3 EMRK relevant sein (vgl. VfSlg 19.0602/2011 mwH, VfGH U 2112/2012 vom 24.02.2014)

Dem BF ist subsidiärer Schutz nach § 8 AsylG 2005 zu gewähren, weil nach den obigen Länderfeststellungen die Betreuung psychisch kranker Personen in Afghanistan, von einigen Pilotprojekten, abgesehen, im ländlichen Bereich nicht gegeben ist.

Auch hat das Ermittlungsverfahren ergeben, dass der Bf in der Heimatprovinz keine familiäre und soziale Basis mehr hat, er würde daher in eine ausweglose Lebenssituation geraten, die auch im Hinblick auf sein Alter besonders gravierend ist.

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Im Übrigen sprechen die neueren Berichte über die Sicherheitslage in der Heimatprovinz Baghlan (EASO, Jänner 2015) davon, dass sich die Sicherheitslage verschlechtert hat (vgl. oben unter I.3.4 ).

Bei einer Rückkehr des Bf in diese Provinz bestünde auch die Gefahr, dass er als Zivilperson durch den innerstaatlichen Konflikt bedroht wird.

3.3.1 Eine innerstaatliche Fluchtalternative besteht für Beschwerdeführer nicht, da die maßgebliche Wahrscheinlichkeit in seinen Rechten nach Art 3 EMRK verletzt zu werden, im gesamten Staatsgebiet Afghanistans zu erwarten ist. Der Bf verfügt in anderen Teilen Afghanistans über kein familiäres Netzwerk.

Es ist ihm daher subsidiärer Schutz zu gewähren.

Ein Ausschließungsgrund im Sinne des § 8 Abs 3a AsylG 2005 besteht nicht.

3.4. Zum Spruchpunkt A) III:

Die Voraussetzungen für die Zuerkennung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter sind gemäß § 8 Abs 4 AsylG 2005 gegeben.

Gemäß § 8 Abs 4 AsylG 2005 ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl oder vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

Daher war gemäß § 8 Abs 4 AsylG 2005 gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer eines Jahres zu erteilen.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

3.5. Zu B) Zur Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

European Case Law Identifier ECLI:AT:BVWG:2016:W178.1434033.1.00

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