Gericht Entscheidungsdatum Geschäftszahl Spruch Text
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08.01.2016 Gericht BVwG Entscheidungsdatum 08.01.2016 Geschäftszahl W178 1434033-1 Spruch W178 1434033-1/10E IM NAMEN DER REPUBLIK! Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Drin Maria PARZER als Einzelrichterin über die Beschwerde des Herrn XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch RA Dr. Bitsche, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Asyl und Fremdenwesen vom 14.03.2013, XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.12.2015 zu Recht erkannt: A) I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen. II. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides stattgegeben und Herrn XXXX gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt. III. Gemäß § 8 Abs 4 AsylG 2005 wird Herrn XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 08.01.2017 erteilt. B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig. Text ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE: I. Verfahrensgang: I.1 Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein und stellte am 10.08.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz. Er gab an, dass er XXXX geboren sei und aus der Provinz Baghlan in Afghanistan stamme. Er gehöre der Volksgruppe der Hazara an, mit schiitischem Religionsbekenntnisses, seine Muttersprache sei Dari. Hinsichtlich seiner Fluchtgründe gibt er an, dass er mit seinen Freunden vor ca. dreieinhalb Monaten (Aussage am 10.08.2012) beobachtet habe, dass ein Kommandant namens Mohammadad einen Einwohner seiner Ortschaft getötet habe. Er habe dies den Angehörigen des Verstorbenen ausgerichtet. Sie wollten, dass er als Zeuge bei Gericht aussage, der Kommandant sei festgenommen worden und die Beauftragten des Kommandanten hätten ihn als Zeuge auslöschen wollen. Deshalb habe er flüchten müssen. I.2 Anlässlich der Befragung vor dem Bundesasylamt am 26.02.2013 gab er an: www.ris.bka.gv.at Seite 1 von 15 Bundesverwaltungsgericht 08.01.2016 Zu seiner Lebenssituation führte aus, dass das Dorf, in dem er gelebt habe, groß sei, vielleicht 20 Haushalte. Dort lebten Hazara und Paschtunen. Sie hätten in typischer afghanisches Lehmhaus gehabt und auch eine Landwirtschaft. Sie hätten auch viele Tiere gehabt, sechs Kühe und 20 Schafe. Sein Onkel mütterlicherseits habe in dem Haus gewohnt. Wo sein Vater sei, wisse er nicht, der Rest der Familie sei in Pakistan. Er habe keinen Kontakt. Auf die Frage warum er einen Asylantrag stelle, antwortete der Bf, in Afghanistan sei sein Leben in Gefahr. Er sei Zeuge eines Mordes gewesen. Eines Tages sei er mit anderen Dorfbewohnern im Bazar einkaufen gewesen, das sei in XXXX gewesen.. Auf dem Rückweg seien sie mit einem Minibus unterwegs gewesen. Dabei seien sie von fünf mit Militäruniformen angezogenen maskierten Leuten angehalten worden. Diese seien in den Bus gekommen und wollten das Geld von den Fahrgästen. Einer der Dorfbewohner hatte viel Geld dabei, er wollte das Geld nicht hergegeben. Es sei zu einem Handgemenge gekommen. Als dann der Dorfbewohner einem der Männer seine Maske heruntergerissen habe, hätten sie gesehen, dass es sich bei dieser Person um den Kommandanten des Dorfes gehandelt habe. Danach habe der Kommandant den Dorfbewohner erschossen und den Tatort verlassen. Als sie dann in das Dorf gekommen seien, hätten die Verwandten des Getöteten die Polizei gerufen. In der Zwischenzeit hätten sie ihn und die anderen des Dorfes gefragt wie das passiert sei. Er habe den Angehörigen gesagt, dass der Kommandant des Dorfes ihren Verwandten getötet habe. Zwei Tage danach sei der Kommandant festgenommen und inhaftiert worden. Seine Anhänger bzw. Gefolgsleute hätten herausgefunden, dass er den Angehörigen gesagt habe, wer geschossen habe. Zwei Tage später sei er bei einer Hochzeit eingeladen gewesen. Die Anhänger des Kommandanten hätten ihn zu Hause gesucht. Als sie feststellten, dass er nicht zuhause sei, hätten sie seinen Vater geschlagen und ihm gedroht, wenn er als Zeuge aussagen sollte, dann würde man ihn umbringen. Danach habe ihn sein Onkel mütterlicherseits angerufen und gesagt, er solle die Hochzeit noch nicht verlassen bzw. solle dort warten bis man ihn abhole. Er habe gesagt, dass die Leute des Kommandanten beim ihm zu Hause seien und nach ihm suchten und sie hätten seinen Vater geschlagen. Er solle nicht als Zeuge aussagen. Sein Onkel habe ihn abgeholt und nach Kabul gebracht, von wo er die Ausreise angetreten habe. Der Kommandant habe viele Freunde und Bekannte in Afghanistan, er hätte ihn in Afghanistan überall finden können. Zur Funktion des Kommandanten gibt er an dass es insgesamt fünf Beamte gewesen seien mit dem Kommandanten, das seien Polizisten, die vom Staat eingestellt sind. Auf dem Vorhalt, warum genau er bedroht würde, wo doch mehrere Menschen im Bus gewesen seien antwortet er, dass 9 Personen in dem Bus gewesen seien, drei seien aus seinem Dorf gewesen, die anderen seien von anderen Dörfern gewesen, von den dreien von seinem Dorf sei er einer erschossen worden. Es blieben nur er und Herr XXXX . Als er in Griechenland war und mit seinem Onkel gesprochen habe, habe man ihm gesagt, dass die Leute des Kommandanten den XXXX umgebracht hätten. Auf die Frage, was passiert sei, als der Dorfbewohner erschossen worden sei, gibt er an, sie seien dann weitergefahren, die Leiche sei im Bus geblieben. Der XXXX habe dem Busfahrer gesagt, wo das Haus des Verstorbenen sei. Die Angehörigen hätten dann die Polizei benachrichtigt. Er gibt über Nachfrage an, dass er dann gesehen habe, wie andere Polizisten den Kommandanten verhaftet und mitgenommen hätten. Er gibt weiters an, dass die Hazaras nicht beliebt sein, er habe Angst vor den Paschtunen. I.3 Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 14.03.2013 wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung der Status des Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG abgewiesen, ebenso wurde der Antrag gemäß § 8 AsylG auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen und der Beschwerdeführer wird gemäß § 10 Absatz 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischem Bundesgebiet nach der Republik Afghanistan ausgewiesen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen angeführt, dass nicht festgestellt hätte werden können, dass der Bf begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention in der Republik Afghanistan zu gewärtigen habe. Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftslandes wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer - sinngemäß und verkürzt dargestellt - angegeben habe, dass er einen aus Gewinnsucht begangenen Mord an einem Dorfbewohner gesehen habe. In weiterer Folge sei der Täter von den afghanischen Behörden unter anderem aufgrund seiner Identifizierung festgenommen worden, es handle sich hierbei um einen Polizeiangehörigen. Die Anhänger und Sympathisanten des Täters versuchten nun ihn und seine Angehörigen einzuschüchtern und sie von einer Zeugenaussage bei Gericht abzuhalten. Das Bundesasylamt prüfte unabhängig vom Fluchtvorbringen, ob er von besonderer Vulnerabilität betroffen sei. Dies wurde im Ergebnis verneint: Hinsichtlich seines vorgetragenen Asylgrundes komme ihm keine Asylrelevanz zu: Der von ihm als Fluchtgrund dargetane Sachverhalt der versuchten Einschüchterung durch Parteigänger einer des Mordes verdächtigen Person sei behauptetet, aber nicht bewiesen worden. Trotz der unsicheren Ausgangslage was den Realitätsgehaltes könne sich das Bundesasylamt durchaus vorstellen, dass kriminelle Elemente versuchten, Augenzeugen eines www.ris.bka.gv.at Seite 2 von 15 Bundesverwaltungsgericht 08.01.2016 Verbrechens massiv bis hin zu tätlichen Übergriffen einzuschüchtern, um sie von Zeugenaussagen bei der Polizei oder beim Gericht abzuhalten. Aber auch wenn man von der Glaubwürdigkeit des von ihm Dargetanen ausgehe, könne das nicht für ihn sprechen. So ist die ihm widerfahrene Straftat nicht als individuelle, mit einer ethnischen, politischen oder religiös motivierten Verfolgungskomponente verbundenes Ereignis zu werten, sondern war offenkundig nur die Anwesenheit des Beschwerdeführers am Ort des Verbrechens für die von ihm genannten Einschüchterungsversuche ausschlaggebend. Das bedeute, dass jedermann, der am Ort eines Verbrechens anwesend und Augenzeuge der Tat war, Opfer von Übergriffen werden kann. Relevant beim Vorbringen sei, ob der afghanische Staat und seine Behörden willens und fähig seien, seine Bürger vor strafbaren Handlungen Dritter zu schützen und ihnen bei Bedarf Schutz und Hilfe angedeihen zu lassen. Das sei nach dem Dafürhalten der Behörde klar der Fall. Es werde aber immer so sein, dass kein Staat der Erde seine Bürger jederzeit und überall, vielleicht sogar präventiv, vor allen nur erdenklichen Unglücksfällen schützen können werde. Gerade sein Vorbringen spreche für den Willen und die Fähigkeit Afghanistans und seiner Behörden, seinen Bürgern ein Mindestmaß an Sicherheit zu bieten. So sei seinem Vorbringen zu entnehmen, dass der mutmaßliche Mörder des Dorfbewohners wegen des genannten Deliktes festgenommen und der Gerichtsbarkeit überantwortet worden sei. Das sei besonders beachtlich weil diese Vorgangsweise ohnehin Rücksicht auf die Funktion des Täters als Polizeibeamten gewählt worden sei. Das spreche trotz der fallweise bestehenden Defizite in der öffentlichen Sicherheit - siehe dazu die beigeschafften landeskundlichen Feststellungen - hinreichend deutlich für die Funktionsfähigkeit und den Willen des Herkunftsstaates