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Nibelungenlied Erste Seite der Handschrift C des Nibelungenlieds (um 1220) Darstellung aus der Handschrift K des Nibelungenlieds (1480–90) Das Nibelungenlied ist ein mittelalterliches Heldenepos. Es entstand zu Beginn des 13. Jahrhunderts und wurde in der damaligen Volkssprache Mittelhochdeutsch aufgeschrieben. Der Titel, unter dem es seit seiner Wiederentdeckung Mitte des 18. Jahrhunderts bekannt ist, leitet sich von der Schlusszeile in einer der beiden Haupttextfassungen, *C, ab: hie hât daz mære ein ende: daz ist der Nibelunge liet („hier hat die Geschichte ein Ende: das ist ‚das Lied von den Nibelungen‘“). Allerdings muss man beachten, dass „liet“ im Mittelhochdeutschen nicht als „Lied“ in unserem Sinne zu verstehen ist, sondern „Strophen“ oder „Epos“ bedeuten kann. Die dem (verlorenen) Original näher stehende Fassung *B (Haupthandschrift in St. Gallen) endet diz ist der Nibelunge NOT. Angehängt an das Nibelungenlied ist in den mittelalterlichen Handschriften eine formal eigenständige Erzählung, die das Geschehen fortzusetzen und zu rekapitulieren scheint, die „Klage“. Inhaltsverzeichnis • 1 Der historische Kern • 2 Verfasser und Entstehung o 2.1 Suche nach einem Verfasser • 3 Form und Sprache • 4 Die Handlung • 5 Überlieferung • 6 Nibelungenkenntnis im deutschen Mittelalter o 6.1 Der Nibelungenstoff im Spätmittelalter • 7 Rezeptionsgeschichte • 8 Siehe auch • 9 Literatur o 9.1 Textausgaben o 9.2 Forschungsgeschichtlich wichtige Ausgaben (Reprints) o 9.3 Sekundärliteratur • 10 Rezeption o 10.1 Lit. Bearbeitungen o 10.2 Verfilmungen • 11 Weblinks • 12 Quellen Der historische Kern Das Nibelungenlied ist die wichtigste hochmittelalterliche deutsche Ausformung der Nibelungensage, deren Ursprünge bis in das heroische Zeitalter der germanischen Völkerwanderung zurückreichen. Ein historischer Kern der Sage ist die Zerschlagung des Burgunderreiches im Raum von Worms in der Spätantike (um 436) durch den römischen Heermeister Aëtius mit Hilfe hunnischer Hilfstruppen. Weitere historische Ereignisse, die hier vermutlich eine Rolle spielen, sind der Streit im Haus der Merowinger zwischen Brunichild und Fredegunde sowie die Hochzeit zwischen Attila und der germanischen Fürstentochter Ildikó (453). Vgl. dazu den Artikel Nibelungensage. Verfasser und Entstehung Der Verfasser des Nibelungenliedes wird im Text nicht genannt. Dies entspricht der Gattungskonvention der Heldenepik, die nicht die literarische Eigenleistung eines Dichters akzentuiert, sondern die Verwurzelung des Erzählstoffes in der mündlichen Überlieferung (altiu maere, „Sagen“) hervorhebt. Genaugenommen ist bis heute nicht geklärt, ob es eine einzige „Originalfassung“ (und damit einen einzigen „Autor“) jemals gegeben hat, oder ob es sich eher um einen Redaktor oder gar nur um einen oder mehrere begnadete Rezitatoren von älteren, mündlich überlieferten Stoffen handelt. Die Entstehung des Textes lässt sich durch in ihm vorausgesetzte politische Strukturen und durch Bezüge zur zeitgenössischen Dichtung auf die Jahre 1180 bis 1210 (und damit auf die „Blütezeit“ der mittelhochdeutschen Literatur) eindeutig eingrenzen; Indizien gibt es für eine Entstehung knapp vor 1204. Genauere Ortskenntnis des Verfassers, ein Übergewicht der frühen Überlieferung im südostdeutsch-österreichischen Raum und die augenfällige Hervorhebung des Bischofs von Passau als handelnder Figur machen das Gebiet zwischen Passau und Wien als Entstehungsort wahrscheinlich, insbesondere den Hof des als Mäzen bekannten Bischofs von Passau, Wolfger von Erla (Bischof in Passau 1191–1204). Wolfger ist für die Datierung mittelhochdeutscher Literatur von großer Bedeutung, weil sich in seinen Reiserechnungen mit dem Datum 12. November 1203 eine Notiz findet, dass dem cantor ("Spielmann") Walther von der Vogelweide Geld für einen Pelzmantel ausgezahlt wurde. Diese Notiz stellt den einzigen außerliterarischen Nachweis für die Existenz dieses Dichters dar und ist damit ein wichtiges Indiz zur zeitlichen Einordnung der mittelhochdeutschen Dichtung, die größtenteils ohne Jahres- und Verfasserangaben überliefert ist. Meist geht man heute davon aus, dass der Dichter des Nibelungenliedes ein sowohl geistlich wie literarisch gebildeter Mann im Umkreis des Passauer Bischofshofs und dass sein Publikum ebenfalls dort unter den Klerikern und adligen Laien zu suchen war. In einer Art Anhang zum Nibelungenlied, der Nibelungenklage, wird auch von der Entstehung der Dichtung erzählt. Diesen für die Heldenepik topischen Angaben ist daran gelegen, den Inhalt der Sage als „wirklich geschehen“ auszuweisen und die erste Aufzeichnung noch in die Lebenszeit der Protagonisten zu verlegen. Ein „Meister Konrad“ wird genannt, den der Bischof „Pilgrim“ von Passau als Augenzeuge der Geschehnisse mit der Niederschrift beauftragt habe. Man nimmt an, dass dies einen ehrenden Verweis auf einen Amtsvorgänger des mutmaßlichen Förderers Wolfger darstellt, den heiligen Bischof Pilgrim von Passau (971–991). Suche nach einem Verfasser Die germanistische Erforschung des Nibelungenlieds ist von jeher verbunden mit einer geradezu verzweifelten Suche nach einem Verfassernamen. In den letzten Jahrzehnten hat die seriöse Fachwissenschaft diese Suche eingestellt. Besonders seit Michel Foucaults Untersuchungen über die unwillkürliche Fixierung auf den Autor ist deutlich geworden, dass textuelle Anonymität nur für uns Leser der Neuzeit eine unerträgliche Erscheinung ist. Der mittelalterlichen Literatur, zumal der noch weitgehend mündlich verbreiteten Heldenepik, ist dieser Zwang zur Zuschreibung unangemessen. Heute ist es Aufgabe der Mediävistik, die Andersartigkeit mittelalterlicher Dichtung und ihrer (beispielsweise autorlosen) Existenzformen zu beschreiben und zu zeigen, wo der unreflektierte moderne Blick diese Texte verzeichnet. Vor allem populärwissenschaftliche und heimatgeschichtliche Forschungen haben im Laufe der Zeit das Nibelungenlied an nahezu jeden zwischen 1180 und 1230 im baierisch- österreichischen Raum bezeugten Literaten anknüpfen wollen. Auch heute werden regelmäßig Namen aufs Tapet gebracht. Ausnahmslos handelt es sich dabei um methodisch fragwürdige Außenseiterthesen, die sich der Diskussion in anerkannten Fachzeitschriften nicht stellen. Dazu gehören (geordnet nach Wahrscheinlichkeit): • Der Kürenberger (Der Kürnberger Wald liegt bei Linz, Oberösterreich), in dessen Strophenform das Nibelungenlied geschrieben ist, und auf dessen "Falkenlied" auch der Falkentraum Kriemhilds verweist. Der Kürenberger wird aber von den meisten Forschern zu früh für das Nibelungenlied datiert. • Walther von der Vogelweide. Auf ihn treffen viele für den Dichter des Nibelungenliedes geforderte Charakteristika zu: starke Anteile gemeinsamen Wortschatzes, die aber wohl aus der gemeinsamen räumlichen Herkunft (österreichischer Donauraum) zu erklären sind; Gönnerschaft Bischof Wolfgers von Passau. In wesentlichen Punkten der Weltsicht unterscheidet sich aber das Nibelungenlied von Walther stark. • Bligger von Steinach • Konrad von Fußesbrunnen (Feuersbrunn, Niederösterreich), urkundlich um 1182 bezeugt. Er ist Autor des in 3.000 Reimpaarversen verfassten Werkes „Die Kindheit Jesu“ und wirkte in Passau[1]. Sein Stil hat aber nichts mit dem des Nibelungenliedes gemeinsam. • eine unbekannte Niedernburger Nonne[2]. Die Erwähnung des Klosters Passau- Niedernburg, neben dem Passauer Bischof und den Kaufleuten der Stadt, im Nibelungenlied ist aber am besten so zu erklären, dass sie zum Publikum des Autors bei einem Vortrag gehörten und als Gönner und Mäzene verewigt wurden; nicht so, dass sich der Autor (oder eine Autorin) unter ihnen befunden hätte. Bischof Wolfger von Passau war wohl der Haupt-Mäzen, der die Arbeit sicherlich einem erfahrenen und gleichzeitig literarisch gebildeten und schriftkundigen Sänger von Heldenliedern anvertraute. • Die drei letztgenannten "Verfasser"theorien (Bligger von Steinach, Konrad von Fußesbrunnen und die Niedernburger Nonne)werden von den meisten Fachgermanisten als kaum diskussionswürdig angesehen. Form und Sprache Das Nibelungenlied ist in sangbaren vierzeiligen Strophen gedichtet (heute als Nibelungenstrophe bezeichnet), deren Melodie sich jedoch nicht rekonstruieren lässt. Diese metrische Form ist ein Charakteristikum der Heldenepik (vgl. das Kudrun-Epos eines unbekannten Dichters und die Dietrichepik); tritt aber schon vor dem Nibelungenlied in der Lyrik auf, beim "Kürenberger". Gesungene Strophenepik unterscheidet sich aufs deutlichste von der zeitgleichen höfischen Erzählliteratur, vor allem dem Antiken- und Artusroman, die fast ohne Ausnahme in (gesprochenen) Reimpaarversen gehalten ist. In dieser Hinsicht war das Nibelungenlied „archaischer“ als die „moderne“ Ritterliteratur eines Hartmann von Aue, Gottfried von Straßburg und Wolfram von Eschenbach. Die ca. 2.400 Strophen des Nibelungenlieds sind in 39 âventiuren (sprich: Aventüren) untergliedert, kapitelartige Erzähleinheiten von variabler Länge, die in den meisten Handschriften Überschriften tragen. Diese Überschriften und die Bezeichnung der Abschnitte als 'Aventüren' gehen jedoch nicht auf den Autor zurück, da jede Handschrift andere Titel setzt, diese also unabhängig von einander sind, und die dem Original am nächsten stehende St. Galler Handschrift nur Absätze zwischen den Abschnitten macht, ohne Titel. An der Sprache und Erzählhaltung des Nibelungenliedes lässt sich ein zweifaches Dilemma ablesen: Nicht nur die Kluft zwischen mündlicher Improvisationstradition und Literarisierung (Mündlichkeit vs. Schriftlichkeit) wollte überbrückt sein; daneben war auch die Kunde mythisch-heroischer