Leni Riefenstahl Als Kind Ihre Zeit Am Liebsten Mit Ihrem Bruder in Freier Natur
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Titelbild DIE AUTORIN: Aus einer bürgerlichen Familie stammend, verbringt Leni Riefenstahl als Kind ihre Zeit am liebsten mit ihrem Bruder in freier Natur. Bald gilt ihre ganze Hingabe dem Tanz. Ihre glanzvolle Karriere - Max Reinhardt stellte ihr das Deutsche Theater zur Verfügung - wird durch einen Unfall beendet. Unter dem Eindruck von den Bergfilmen Dr. Fancks erlernt sie das Klettern und Skifahren und wird Hauptdarstellerin in vielen seiner Filme. Ihr erster Film Das blaue Licht wird in Venedig preisgekrönt. Der Anfang ihrer Karriere als Regisseurin! Sie schildert das Zusammentreffen mit Hitler, von dem sie den Auftrag annimmt, einen Film über den Nürnberger Parteitag zu drehen: Triumph des Willens. Ein Triumph für Leni Riefenstahl wird die Verfilmung der Olympischen Spiele 1936, die ihr das Olym- pische Komitee antrug. »Wie ein Film sind die Erlebnisse jener Jahre unzählige Male vor meinen Augen wieder abgelaufen - und bis auf den heutigen Tag werde ich mit der Vergangenheit konfrontiert ... Meine Absicht war, vorgefaßten Meinungen zu begegnen und Mißverständnisse zu klären. Diese Arbeit... ist mir nicht leichtgefallen, da nur ich selbst diese Erinnerungen schreiben konnte. Es wurde kein fröhliches Buch.« (Leni Riefenstahl im Nachwort, 1987) Weitere Veröffentlichungen: Schönheit im olympischen Kampf (1988); Die Nuba (1990); Wunder unter Wasser (1990); Korallengärten (1991); Die Nuba von Kau (1991); Memoiren 1945-1987 (1992). Leni Riefenstahl MEMOIREN 1902-1945 Mit 44 Abbildungen Zeitgeschichte Zeitgeschichte Von derselben Autorin Ullstein Buch Nr. 33114 in der Reihe im Verlag Ullstein GmbH, der Ullstein Bücher: Frankfurt/M - Berlin Die Nuba (34687) Ursprünglicher Titel: Korallengärten (34698) Memoiren Die Nuba von Kau (34706) Memoiren 1945-1987 (34998) Für das Taschenbuch neu eingerichtete Ausgabe Umschlagentwurf: Hansbernd Lindemann Unter Verwendung eines Fotos vom Ullstein Bilderdienst, Berlin Leni Riefenstahl, 1931, (in: Stürme über dem Montblanc) Alle Rechte vorbehalten © 1987 Leni Riefenstahl © 1987 der deutschsprachigen Ausgabe Albrecht Knaur Verlag GmbH, München und Hamburg Printed in Germany 1994 Druck und Verarbeitung: Ebner Ulm ISBN 3 548 33114 9 2. Auflage Mai 1994 Gedruckt auf alterungs- beständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Riefenstahl, Leni: Memoiren: 1902-1945 / Leni Riefenstahl. - Für d. Taschenbuch neu eingerichtete Ausg., 2. Aufl. - Frankfurt/M; Berlin: Ullstein, 1994 (Ullstein-Buch; Nr. 33114: Zeitgeschichte) ISBN 3-548-33114-9 NE:GT Dem Andenken meiner Eltern und meines Bruders INHALT Titelbild Tanz und Film Sonne, Mond und Sterne 15 • Mein Elternhaus 17 • Rauchfangs- werder 20 • Jugenderlebnissse 23 • Die Grimm-Reiter-Schule 26 • Nach der Schulzeit 28 • Die Rennbahn 31 • Erstes öffentliches Auftreten 33 • Der große Krach 34 • Pensionat Thale/Harz 35 • Auf dem Tennisplatz 39 • Erste Operation 40 • Hinauswurf aus dem Elternhaus 41 • Tragische Jugendliebe 43 • Der Zauberkünstler 45 • Inflation 48 • Eine Schönheitskonkurrenz 51 • Ein Film über Einstein 55 • Der erste Mann 56 • Tanz und Malerei 60 • Mein erster Tanzabend 61 • Gastspiel in Zürich 65 • Das Unglück in Prag 67 • «Berg des Schicksals» 68 • Aus Traum wird Wirklichkeit 70 • «Der heilige Berg» 73 • Trenker und Fanck 75 • Tanz oder Film 86 • Von Lawinen verschüttet 89 • Die Wunderheilung in St. Anton 90 • Eine Freundschaft zerbricht 92 • «Der große Sprung» 95 • Abel Gance 98 • Erich Maria Remarque 100 • Die weiße Arena 103 • «Das Schicksal derer von Habsburg» 104 • Berlin - eine Weltstadt 105 • «Die weiße Hölle vom Piz Palü» 106 • «Die schwarze Katze» 114 • Josef von Sternberg 118 • «Stürme über dem Montblanc» 125 • Der Landstreicher vom Montblanc 134 • Der Tonfilm kommt 135 • «Das blaue Licht» 137 • Schicksalhafte Begegnung 152 • «SOS Eisberg» 160 • Dr. Sorge 172 • Der Polarwinter naht 173 • Abschied von Grönland 176 • Hotel Kaiserhof 179 • 6. November 1932 183 • Hitler am Ende 185 • Dr. Goebbels 187 • Flucht in die Berge 189 • Besuch in der Reichskanzlei 194 • Panne im Grunewald 198 • Ein Geständnis von Magda Goebbels 201 • Der Propaganda- minister 202 • «Sieg des Glaubens» 204 • Der große Ball 213 • Begegnung mit Max Reinhardt 215 • «Tiefland» 216 • «Triumph des Willens» 220 • In Davos 232 • In der Berliner Oper 235 • Olympia 235 • «Das Stahltier» 242 • Dahlem, Heydenstraße 30 244 • «Tag der Freiheit» 245 • Auf der Zugspitze 246 • Die Olympiade-Film GmbH 247 • Hitler privat 249 • Winterolympia- de in Garmisch 252 • Mussolini 253 • Der Olympiafilm 257 • Anatol, der Fackelläufer 262 • Schloß Ruhwald 264 • Olympia - Berlin 1936 265 • Die Legende um Jesse Owens 267 • Skandal im Stadion 269 • Glenn Morris 271 • Die Kurische Nehrung 273 • Die Archivierung 275 • Ein Graphologe 276 • Probleme und Sorgen 278 • Willy Zielke 281 • Im Schneideraum 283 • «Der gefallene Engel des III. Reiches« 285 • Pariser Weltausstellung 287 • Auf dem Berghof 288 • Tag der Deutschen Kunst 291 • Die Guglia di Brenta 294 • Wieder im Schneideraum 298 • Silvester in St. Moritz 299 • Im Ton-Studio 302 • Die verschobene Premiere 303 • Welturauf- führung der Olympiafilme 306 • Der Deutsche Filmpreis 1938 308 • Unerwarteter Besuch 309 • Die Europa-Tournee 312 • Biennale in Venedig 319 • Im Rosengarten 320 • Premiere in Rom 322 • Amerika 322 • Ein Spion 329 • In Paris 333 • Skandalberichte aus Hollywood 336 • «Penthesilea» 338 • Bei Albert Speer 342 • Hitler sieht Stalin 344 • Auf der Himmelsspitze 345 Im Krieg Krieg in Polen 349 • Noch einmal «Tiefland» 354 • Peter und ich 371 • Udets letzter Anruf 373 • Ein böser Traum 374 • Das Jahr 1942 376 • Feldpostbriefe 381 • Verlobung 385 • Der totale Krieg 389 • In Spanien 1943 390 • Haus Seebichl 392 • Letzte Begegnung mit Hitler 394 • Am 20. Juli 1944 397 • Sippenhaft 399 • Vor dem Untergang 400 • Wettlauf mit dem Ende 402 • Die ersten Verhaftun- gen 410 • Im amerikanischen Hauptquartier 415 Nachbemerkung Photos (Eine Auswahl) Szenenbilder aus Olympia, Das blaue Licht und Triumph des Willens Rückseite «Über mich sind schon massenweise so unver- schämte Lügen und freie Erfindungen erschienen, daß ich längst unterm Boden wäre, wenn ich mich darum kümmern sollte. Man muß sich damit trö- sten, daß sie Zeit ein Sieb hat, durch welches die meisten Nichtigkeiten im Meer der Vergessenheit ablaufen.» - ALBERT EINSTEIN TANZ UND FILM Sonne, Mond und Sterne Es ist nicht leicht, mich aus der Gegenwart zu lösen und in die Ver- gangenheit zu versenken, um die lange Gratwanderung meines Lebens zu begreifen. Es kommt mir vor, als hätte ich viele Leben gelebt, die mich durch Höhen und Tiefen führten und nie zur Ruhe kommen lie- ßen - gleich den Wellen eines Ozeans. Immer war ich auf der Suche nach dem Ungewöhnlichen, dem Wunderbaren und den Geheimnis- sen des Lebens. In meiner Jugend war ich ein glücklicher Mensch. Als «Naturkind» wuchs ich auf, unter Bäumen und Sträuchern, mit Pflanzen und In- sekten, behütet und abgeschirmt, in einer Zeit, die weder Radio noch Fernsehen kannte. Schon mit vier oder fünf Jahren machte es mir Spaß, mich zu ver- kleiden und mir die phantastischsten Spiele einfallen zu lassen. So erinnere ich mich ganz deutlich an einen Abend in unserer Wohnung am Berliner Wedding, in der Prinz-Eugen-Straße, in der ich auch ge- boren wurde. Meine Eltern waren ausgegangen. Mit Hilfe von Bett- laken hatte ich meinen drei Jahre jüngeren Bruder Heinz in eine ägyp- tische Mumie verwandelt, damit er sich nicht rühren konnte, hatte selbst die langen lila Abendhandschuhe meiner Mutter angezogen und mich obenherum mit Tüll als indische Bajadere verkleidet. Der große Augenblick, vor dem mir ziemlich bange war, war ge- kommen, als meine Eltern zurückkehrten. Fassungslos betrachtete meine Mutter diese Verkleidungsszene und den eingewickelten klei- nen Bruder. Wie sie mir später gestand, hatte sie selbst Schauspiele- rin werden wollen, hatte aber schon mit zweiundzwanzig geheiratet. Sie war das 18. Kind meines Großvaters, der aus Westpreußen kam und Baumeister war. Die Hände über dem Bauch gefaltet, hatte sie während ihrer Schwangerschaft gebetet: «Lieber Gott, schenke mir eine wunderschöne Tochter, die eine berühmte Schauspielerin werden wird.» Das Kind, das sie am 22. August 1902 zur Welt brachte, schien freilich aber eine Ausgeburt an Häßlichkeit zu sein, verschrum- pelt, mit struppigem dünnen Haar und schielenden Augen. Meine Mutter weinte sehr, als sie mich zum ersten Mal betrach- tete, und für mich war es ein geringer Trost, wenn die Kameraleute mir später versicherten, mein «Silberblick» eigne sich hervorragend für das zweidimensionale Medium Film. Mein Vater Alfred Riefen- stahl, der meine Mutter, Bertha Scherlach, auf einem Kostümfest ken- nengelernt hatte, war ein moderner, vorausschauender Geschäfts- 15 mann, Inhaber einer großen Firma für Heizungs- und Lüftungs-An- lagen. Vor dem Ersten Weltkrieg richtete er in Berliner Häusern sa- nitäre Anlagen ein. Zwar liebte er das Theater, das er mit meiner Mutter häufig besuchte, aber Schauspieler, besonders Schauspiele- rinnen, waren für ihn «Halbseidene», wenn nicht sogar «Halbwelt», mit Ausnahme von Fritzi Massary, die einzigartige Soubrette, die er glühend verehrte und von deren Premieren er keine versäumte. Er war ein großer, kräftiger Mann, mit blondem Haar und blauen Augen, le- bensfroh und temperamentvoll, aber zu Jähzorn neigend, wenn sein starker Wille sich gegen meine Mutter und mich nicht durchsetzen konnte. Selten wagte jemand, ihm zu widersprechen, überall ver- schaffte er sich wie selbstverständlich Autorität, ob bei seinen