1993 8 Geschichte Und Heimat
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Mitteilungsblatt des Bergischen Geschichtsvereins — Abt. Remscheid - Hückeswagen · Radevormwald - Wermelskirchen 311..- .«s.- GESCHICHTE & HEIMAT August 1993 — Nr. 8 / 60. Jahrgang Bikbkimafwtimtanir Eine Monatsbeilage des rga . „Warum in die Ferne schweifen...?« Urlaubsfreuden in Remscheid Anno dazumal — Von Andrea Kargus Bali, Kenia, Kalifornien — kein der Haustür. Schließlich hatte Kai- willkommene Abkühlung. Wer es Segeltuch ausgestattet. Nach zehn Weg scheint zu weit und kein Flug ser Wilhelm II. höchstpersönlich bequemer liebte, löste eine Fahr- J ahren ließ die Begeisterung der zu beschwerlich, wenn es darum das Bergische Land in einem Ge- karte der Remscheider Straßen- Ausflügler über eine Rutschpartie geht die schönste Zeit des Jahres — spräch mit dem in Barmen woh- bahn, die ebenso wie die Barmer am Clemenshammer jedoch den wohlverdienten Urlaub — so er- nenden amerikanischen Konsul als Bergbahn und eine Reihe anderer schwer zu wünschen übrig. lebnisreich wie möglich zu gestal- eine der schönsten Gegenden Kleinbahnen den Weg zu vielen Doch der neue Pächter des Lokals ‚.,. ten. Um die Jahrhundertwende sah Deutschlands gerühmt (Kerst). A1- Ausflugszielen verkürzte. hatte eine zündende Idee. Eine Ro- das noch ganz anders aus. Zwar so nichts wie hin zum Wallburg— Manche Ausflugslokale hatten dar- delbahn, die in Kurven und Schlei- waren die Remscheider Kaufleute seck oder zur „Hölzer Klippe“, überhinaus noch besondere At- fen auf den Hammerteich zuraste, und Fabrikanten schon früh in der zum Diederichstempel oder zum traktionen zu bieten. Dazu gehörte sollte wieder Leben in die Bude Welt herumgekommen und hatten Königstein (T eufelsklippe), die zum Beispiel die Restauration „Zur bringen. Aber die Freude über das dabei ferne Länder und fremde atemberaubende Ausblicke auf die kühlen Quelle“ am Clemensham— kühne Unternehmen war kurz und Kulturen kennengelernt. Und vielen Naturschönheiten boten. mer. Ihr Inhaber, der Hammer- der neue Pächter bald pleite, denn auch Urlaubsreisen ins In- und Solche Sonntagsausflüge bekamen schmied Ferdinand Flüs, ließ hier nach nur zwei Wochen erklärte die Ausland werden ihnen und ihren ihren zusätzlichen Reiz durch die die „erste feststehende Wasser- Polizei die Rodelbahn für betriebs- Familien nicht fremd gewesen vielen Sommerlokale. Ob im Mors- rutschbahn Deutschlands“ instal- unsicher und lebensgefährlich. sein. Doch die große Zahl der bach- oder Eschbachtal, an der lieren. Sie bestand aus einem Die „Sensationen“ am Clemens- Remscheider Arbeiter hätte bei Kräwinklerbrücke oder am Schiff, das mit einer elektrischen hammer brachten auch andere dem Gedanken an eine Ferienreise „Krebsögersteeg“, im Gelpe— oder Winde über Gleitschienen ein stei- Teichbesitzer auf den Gedanken, vor 100 Jahren nur ungläubig den Lobachtal — überall rund um Rem- les Gerüst hinaufgezogen wurde. ihrer Kundschaft etwas besonderes Kopf geschüttelt. Erst in den letz- scheid warteten Garten-Restau— Feuchte Rutschpartie zu bieten und der Konkurrenz ein ten Jahren vor dem Ersten Welt- rants wie „Zum kühlen Grunde“ Schnippchen zu schlagen. Der Wirt krieg bildete sich diese Freizeit- oder „Zur Grüne“ auf möglichst Von dort rutschte es dann mit ei- der Schankwirtschaft Altenham- form, wenngleich kurz und unbe— zahlreiche Kundschaft. Hier konn- nem großen Spritzer in den Ham- mer irn Eschbachtal ließ sich dazu zahlt, auch für sie heraus. Vorerst ten sich die müden Wanderer mit merteich. Bei der Premiere am ein Wasserfahrrad bauen, das man konnten es sich allerdings nur die Kaffee und Kuchen oder einem ge- Pfingstsonntag 1903 waren die er- als Vorfahre der heutigen Tretboo- wenigsten von ihnen leisten für ei- pflegten Bier stärken und abends sten 42 Passagiere allerdings pitsch— te bezeichnen könnte. Auf einem nige Tage zu verreisen. Statt dessen dann das Tanzbein schwingen. naß geworden. Deshalb wurde das Floß, das von zwei Blechkästen hielten sich die meisten Remschei- Die Hammerteiche lockten mit „Kaiser Wilhelm II“ getaufte Boot über Wasser gehalten wurde, saß der frei nach Goethes Spruch Kahn— und Gondelfahrten oder bald darauf Zum Schutz mit einem „Warum in die Ferne schweifen. versprachen Badelustigen eine Dach und einer Umkleidung aus Fortsetzung nächste Seite Sieh, das Gute liegt so nah“ an f rei- en Sommersonnentagen an die Freizeitmöglichkeiten, die Rem- scheid und Umgebung zu bieten hatten. Heimelige Wege Bei dem Bau der Talsperre, dem Wiederaufbau von Schloß Burg und der Einweihung der Müngste- ner Brücke zog es im Sommer aber auch immer mehr Besucher von außerhalb nach Remscheid, um „diesen bisher noch wenig bekann- ten Erdenwinkel“ zu entdecken. Und da gab es zunächst einmal viel Natur, die durchwandert werden wollte. „Schattige Wälder voll hei- meliger Wege und blumige Wie- sen, lauschige bachdurchmurmelte Täler und luftige Höhen, weite von Bergland umstandene Seen . .“, so war es in einer alten Broschüre der Verkehrsvereine des Kreises Len- nep werbewirksam zu lesen, luden zu ausgedehnten Spaziergängen oder Hmehrstündigen Wanderun- gen ein. Das Zillertal, Tyrol oder Bergisch Nizza — wie alte Ortsbe- zeichnungen in der Remscheider „Pack die Badehose ein . .” Im 1912 eröffneten Strandbad im Eschbachtal tobt das Leben. Gegend lauten — lagen gleich vor Postkarte: Stadtarchiv Remscheid Urlaubsfreuden Anno dazumal Fortsetzung von vorheriger seite Tag eröffnete der damalige Rem- scheider Oberbürgermeister Karl ein „Maschinist“ und trat kräftig in Jarres das Remscheider Strandbad. die Pedale, um das Wasserrad an- Daß auch damals mit dem Som— zutreiben. Das steuerruder wurde mer nicht automatisch schönes mit der Lenkstange bedient. Vorne Wetter ins Haus stand, erfährt man konnten die Passagiere die Fahrt aus einem Bericht des RGA vorn auf Holzbänken genießen. Ein 30. J uni 1912. Don hieß es: „Das noch größeres und schöneres Was— im Rahmen waldgekrönter Berge serfahrrad, das mit zwei Fahrrä— idyllisch und geschützt gelegene dern und zwei Wasserrädern aus- Strandbad im Eschbachtal ist ge- gestattet schon als „Wasserrenn— stern nachmittag seiner Zweckbe- rad“ zu bezeichnen war, schaffte stimmung übergeben worden. Die sich einige Zeit später der Wirt Bürgerschaft nahm an diesem be- vom Zillertal an. deutenden Augenblick trotz der garstigen Witterung lebhaften An- Reizvolle Talsperre teil.“ Immerhin waren im Sommer Fest zum Sommerprogramm ge- darauf 242 155 Besucher zu ver- ‚; „1 . „' _ . _ _; hörten auch Ausflüge an die zeichnen. So gestalteten unsere Alt- 1889/91 erbaute Remscheider Tal- vorderen mit relativ bescheidenen Rund 50 Jahre lang zog Schloß Küppelstein Ausflügler von nah und fern sperre. Ein kleiner Führer aus dem Vergnügungen ihren „Sommerur- cm. (Aus „Remscheid —- Führer durch Stadt und Umgebung"‚1909) Jahre 1914 zählte sie zu den belieb- laub“. Stadtarchiv Remscheid testen und lohnendsten Wander- zielen, denn: „Gar reizvoll ist es, auf einsamen Fqufaden um den Literatur : Bergsee der Talsperre zu lustwan- Boch. Rudolf/Krause. Manfred: Histori- deln, wo man bei jedem Schritt sches Lesebuch zur Geschichte der Arbei— neuen Uberraschungen begegnet.“ terschaft im Bergischen Land, Köln 1983 Was damit wohl gemeint war? Wer Grüber, Karl: Führer durch Remscheid und Umgebung. Remscheid 1909 es sich leisten konnte, kehrte an- Horstmann. Siegfried. Von bergischen schließend im „Hotel—Restaurant Menschen und den Stätten ihrer Arbeit. und Luftkurort Remscheider Tal- Remscheid 1971 sperre“ ein. Sehr beliebt war auch Kersl. Friedrich: Nach Altenberg! Eine kunstgeschichtliche Wanderung durchs das heute noch bestehende Lokal Dhünntal. Elberfeld 1908 „Mebusmühle“. „Halbwegs rüstige Lorenz, Walter: Remscheid auf alten Post- Fußgänger“ zog es von der Talsper- karten, Duisburg 1979 re noch weiter zu einem Besuch Mit Straßenbahn und Aulobus durch das Bergische Land. Remscheid 0. J. von Schloß Burg. Und falls die Fü- Remscheid. Müngsten/Burg/Talsperre. ße nicht mehr wollten, konnte man Kleiner Führer, Düsseldorf 1914 ja auch mit der elektrischen Klein- Remscheider General-Anzeiger bahn bis nach Burg fahren. vom 30. Juni und 6.Ju1i1912 Sommerfrischen. Erholungsaufenthalte Eine beliebte Wandertour führte und Ausflugsziele in landschaftlich reizvol- außerdem von Müngsten über die ler und billiger Gegend — Landkreis Lennep Müngstener Brücke (damals Kai- mit den Glanzpunkten des schönen Bergi- Mit Schwanenfeich, Karussell und Schiffschoukeln lockte Tocksiepen, schen Landes. Lennep 1926 ser Wilhelm-Brücke) nach Schloß das „erste Vergnügungs—Efcblissement von Lennep”. (Postkarte aus der Küppelstein. Auf dieser Wande- Nachdruckserie 3 der Altstodffreunde Lennep) rung konnte man in dem alten Bürgerhaus, das früher den Ham- merwerksbesitzern Halbach gehört hatte, eine erste Verschnaufspause einlegen. 1963 wurde das vielbe- suchte Vergnügungslokal mit der Verbreiterung der solinger Straße abgerissen. An längst vergangene Zeiten erinnert hier nur noch die alte Bogenbrücke, auch „Napole- onsbrücke“ genannt. Hinter der Brücke ging es links weiter zur Müngstener Brücke und zu der ro- mantisch gelegenen Wirtschaft „Bergische Schweiz“. Badefreuden Wer hier nicht schon wieder rasten wollte, wanderte den Fußweg hin- auf nach „Schloß Küppelstein“. Vom Aussichtsturm dieses 1954 ab- gerissenen Restaurants konnte man auf Remscheid, die Brücke und das Wuppertal hinuntersehen. Zum Schluß noch ein Blick auf die sommerlichen Badefreudem denen man im Freien lange Zeit nur in den Hammerteichen oder anderen Tümpeln frönen konnte. Doch das sollte mit dem 29. Januar 1912 ganz Mit 42 Passagieren an Bord schießt das Schiff „Kaiser Wilhelm II” in den Teich om Clemenshommer.