Mitteilungsblatt des Bergischen Geschichtsvereins — Abt. - Hückeswagen · Radevormwald - Wermelskirchen 311..- .«s.- GESCHICHTE & HEIMAT

August 1993 — Nr. 8 / 60. Jahrgang Bikbkimafwtimtanir Eine Monatsbeilage des rga . „Warum in die Ferne schweifen...?« Urlaubsfreuden in Remscheid Anno dazumal — Von Andrea Kargus

Bali, Kenia, Kalifornien — kein der Haustür. Schließlich hatte Kai- willkommene Abkühlung. Wer es Segeltuch ausgestattet. Nach zehn Weg scheint zu weit und kein Flug ser Wilhelm II. höchstpersönlich bequemer liebte, löste eine Fahr- J ahren ließ die Begeisterung der zu beschwerlich, wenn es darum das Bergische Land in einem Ge- karte der Remscheider Straßen- Ausflügler über eine Rutschpartie geht die schönste Zeit des Jahres — spräch mit dem in Barmen woh- bahn, die ebenso wie die Barmer am Clemenshammer jedoch den wohlverdienten Urlaub — so er- nenden amerikanischen Konsul als Bergbahn und eine Reihe anderer schwer zu wünschen übrig.

lebnisreich wie möglich zu gestal- eine der schönsten Gegenden Kleinbahnen den Weg zu vielen Doch der neue Pächter des Lokals ‚.,. ten. Um die Jahrhundertwende sah Deutschlands gerühmt (Kerst). A1- Ausflugszielen verkürzte. hatte eine zündende Idee. Eine Ro- das noch ganz anders aus. Zwar so nichts wie hin zum Wallburg— Manche Ausflugslokale hatten dar- delbahn, die in Kurven und Schlei- waren die Remscheider Kaufleute seck oder zur „Hölzer Klippe“, überhinaus noch besondere At- fen auf den Hammerteich zuraste, und Fabrikanten schon früh in der zum Diederichstempel oder zum traktionen zu bieten. Dazu gehörte sollte wieder Leben in die Bude Welt herumgekommen und hatten Königstein (T eufelsklippe), die zum Beispiel die Restauration „Zur bringen. Aber die Freude über das dabei ferne Länder und fremde atemberaubende Ausblicke auf die kühlen Quelle“ am Clemensham— kühne Unternehmen war kurz und Kulturen kennengelernt. Und vielen Naturschönheiten boten. mer. Ihr Inhaber, der Hammer- der neue Pächter bald pleite, denn auch Urlaubsreisen ins In- und Solche Sonntagsausflüge bekamen schmied Ferdinand Flüs, ließ hier nach nur zwei Wochen erklärte die Ausland werden ihnen und ihren ihren zusätzlichen Reiz durch die die „erste feststehende Wasser- Polizei die Rodelbahn für betriebs- Familien nicht fremd gewesen vielen Sommerlokale. Ob im Mors- rutschbahn Deutschlands“ instal- unsicher und lebensgefährlich. sein. Doch die große Zahl der bach- oder Eschbachtal, an der lieren. Sie bestand aus einem Die „Sensationen“ am Clemens- Remscheider Arbeiter hätte bei Kräwinklerbrücke oder am Schiff, das mit einer elektrischen hammer brachten auch andere dem Gedanken an eine Ferienreise „Krebsögersteeg“, im Gelpe— oder Winde über Gleitschienen ein stei- Teichbesitzer auf den Gedanken, vor 100 Jahren nur ungläubig den Lobachtal — überall rund um Rem- les Gerüst hinaufgezogen wurde. ihrer Kundschaft etwas besonderes Kopf geschüttelt. Erst in den letz- scheid warteten Garten-Restau— Feuchte Rutschpartie zu bieten und der Konkurrenz ein ten Jahren vor dem Ersten Welt- rants wie „Zum kühlen Grunde“ Schnippchen zu schlagen. Der Wirt krieg bildete sich diese Freizeit- oder „Zur Grüne“ auf möglichst Von dort rutschte es dann mit ei- der Schankwirtschaft Altenham- form, wenngleich kurz und unbe— zahlreiche Kundschaft. Hier konn- nem großen Spritzer in den Ham- mer irn Eschbachtal ließ sich dazu zahlt, auch für sie heraus. Vorerst ten sich die müden Wanderer mit merteich. Bei der Premiere am ein Wasserfahrrad bauen, das man konnten es sich allerdings nur die Kaffee und Kuchen oder einem ge- Pfingstsonntag 1903 waren die er- als Vorfahre der heutigen Tretboo- wenigsten von ihnen leisten für ei- pflegten Bier stärken und abends sten 42 Passagiere allerdings pitsch— te bezeichnen könnte. Auf einem nige Tage zu verreisen. Statt dessen dann das Tanzbein schwingen. naß geworden. Deshalb wurde das Floß, das von zwei Blechkästen hielten sich die meisten Remschei- Die Hammerteiche lockten mit „Kaiser Wilhelm II“ getaufte Boot über Wasser gehalten wurde, saß der frei nach Goethes Spruch Kahn— und Gondelfahrten oder bald darauf Zum Schutz mit einem „Warum in die Ferne schweifen. versprachen Badelustigen eine Dach und einer Umkleidung aus Fortsetzung nächste Seite Sieh, das Gute liegt so nah“ an f rei- en Sommersonnentagen an die Freizeitmöglichkeiten, die Rem- scheid und Umgebung zu bieten hatten. Heimelige Wege Bei dem Bau der Talsperre, dem Wiederaufbau von Schloß Burg und der Einweihung der Müngste- ner Brücke zog es im Sommer aber auch immer mehr Besucher von außerhalb nach Remscheid, um „diesen bisher noch wenig bekann- ten Erdenwinkel“ zu entdecken. Und da gab es zunächst einmal viel Natur, die durchwandert werden wollte. „Schattige Wälder voll hei- meliger Wege und blumige Wie- sen, lauschige bachdurchmurmelte Täler und luftige Höhen, weite von Bergland umstandene Seen . . .“, so war es in einer alten Broschüre der Verkehrsvereine des Kreises Len- nep werbewirksam zu lesen, luden zu ausgedehnten Spaziergängen oder Hmehrstündigen Wanderun- gen ein. Das Zillertal, Tyrol oder Bergisch Nizza — wie alte Ortsbe- zeichnungen in der Remscheider „Pack die Badehose ein . . .” Im 1912 eröffneten Strandbad im Eschbachtal tobt das Leben. Gegend lauten — lagen gleich vor Postkarte: Stadtarchiv Remscheid

Urlaubsfreuden Anno dazumal Fortsetzung von vorheriger seite Tag eröffnete der damalige Rem- scheider Oberbürgermeister Karl ein „Maschinist“ und trat kräftig in Jarres das Remscheider Strandbad. die Pedale, um das Wasserrad an- Daß auch damals mit dem Som— zutreiben. Das steuerruder wurde mer nicht automatisch schönes mit der Lenkstange bedient. Vorne Wetter ins Haus stand, erfährt man konnten die Passagiere die Fahrt aus einem Bericht des RGA vorn auf Holzbänken genießen. Ein 30. J uni 1912. Don hieß es: „Das noch größeres und schöneres Was— im Rahmen waldgekrönter Berge serfahrrad, das mit zwei Fahrrä— idyllisch und geschützt gelegene dern und zwei Wasserrädern aus- Strandbad im Eschbachtal ist ge- gestattet schon als „Wasserrenn— stern nachmittag seiner Zweckbe- rad“ zu bezeichnen war, schaffte stimmung übergeben worden. Die sich einige Zeit später der Wirt Bürgerschaft nahm an diesem be- vom Zillertal an. deutenden Augenblick trotz der garstigen Witterung lebhaften An- Reizvolle Talsperre teil.“ Immerhin waren im Sommer Fest zum Sommerprogramm ge- darauf 242 155 Besucher zu ver- ‚; „1 . „' _ . _ _; hörten auch Ausflüge an die zeichnen. So gestalteten unsere Alt- 1889/91 erbaute Remscheider Tal- vorderen mit relativ bescheidenen Rund 50 Jahre lang zog Schloß Küppelstein Ausflügler von nah und fern sperre. Ein kleiner Führer aus dem Vergnügungen ihren „Sommerur- cm. (Aus „Remscheid —- Führer durch Stadt und Umgebung"‚1909) Jahre 1914 zählte sie zu den belieb- laub“. Stadtarchiv Remscheid testen und lohnendsten Wander- zielen, denn: „Gar reizvoll ist es, auf einsamen Fqufaden um den Literatur : Bergsee der Talsperre zu lustwan- Boch. Rudolf/Krause. Manfred: Histori- deln, wo man bei jedem Schritt sches Lesebuch zur Geschichte der Arbei— neuen Uberraschungen begegnet.“ terschaft im Bergischen Land, Köln 1983 Was damit wohl gemeint war? Wer Grüber, Karl: Führer durch Remscheid und Umgebung. Remscheid 1909 es sich leisten konnte, kehrte an- Horstmann. Siegfried. Von bergischen schließend im „Hotel—Restaurant Menschen und den Stätten ihrer Arbeit. und Luftkurort Remscheider Tal- Remscheid 1971 sperre“ ein. Sehr beliebt war auch Kersl. Friedrich: Nach Altenberg! Eine kunstgeschichtliche Wanderung durchs das heute noch bestehende Lokal Dhünntal. Elberfeld 1908 „Mebusmühle“. „Halbwegs rüstige Lorenz, Walter: Remscheid auf alten Post- Fußgänger“ zog es von der Talsper- karten, 1979 re noch weiter zu einem Besuch Mit Straßenbahn und Aulobus durch das Bergische Land. Remscheid 0. J. von Schloß Burg. Und falls die Fü- Remscheid. Müngsten/Burg/Talsperre. ße nicht mehr wollten, konnte man Kleiner Führer, Düsseldorf 1914 ja auch mit der elektrischen Klein- Remscheider General-Anzeiger bahn bis nach Burg fahren. vom 30. Juni und 6.Ju1i1912 Eine beliebte Wandertour führte Sommerfrischen. Erholungsaufenthalte und Ausflugsziele in landschaftlich reizvol- außerdem von Müngsten über die ler und billiger Gegend — Landkreis Lennep Müngstener Brücke (damals Kai- mit den Glanzpunkten des schönen Bergi- Mit Schwanenfeich, Karussell und Schiffschoukeln lockte Tocksiepen, schen Landes. Lennep 1926 ser Wilhelm-Brücke) nach Schloß das „erste Vergnügungs—Efcblissement von Lennep”. (Postkarte aus der Küppelstein. Auf dieser Wande- Nachdruckserie 3 der Altstodffreunde Lennep) rung konnte man in dem alten Bürgerhaus, das früher den Ham- merwerksbesitzern Halbach gehört hatte, eine erste Verschnaufspause einlegen. 1963 wurde das vielbe- suchte Vergnügungslokal mit der Verbreiterung der solinger Straße abgerissen. An längst vergangene Zeiten erinnert hier nur noch die alte Bogenbrücke, auch „Napole- onsbrücke“ genannt. Hinter der Brücke ging es links weiter zur Müngstener Brücke und zu der ro- mantisch gelegenen Wirtschaft „Bergische Schweiz“. Badefreuden Wer hier nicht schon wieder rasten wollte, wanderte den Fußweg hin- auf nach „Schloß Küppelstein“. Vom Aussichtsturm dieses 1954 ab- gerissenen Restaurants konnte man auf Remscheid, die Brücke und das Wuppertal hinuntersehen. Zum Schluß noch ein Blick auf die sommerlichen Badefreudem denen man im Freien lange Zeit nur in den Hammerteichen oder anderen

Tümpeln frönen konnte. Doch das sollte mit dem 29. Januar 1912 ganz Mit 42 Passagieren an Bord schießt das Schiff „Kaiser Wilhelm II” in den Teich om Clemenshommer. (Aus: anders werden, denn an diesem Siegfried Horstmann „Von bergischen Menschen . . .")

Seine Erziehung bestimmte sein Wirken Zu Fritz Holthoffs Buch über den Remscheider Karl J arres Von Andrea Kargus ,,Keiner Macht der Erde kann ich Mehrheit. Für den zweiten Wahl- das Recht Zugestehen, mich aus gang verzichtete er dann zugunsten meiner rheinischen Heimat, in der des späteren Reichspräsidenten ich fest verwurzelt bin und wichti- . Anschlie- ge Aufgaben zu erfüllen habe, ge- ßend blieb er bis zu einer Amtsent- gen meinen Willen zu entfernen. hebung durch die Nationalsoziali— Ich darf und werde deshalb ihrem sten am 6. Mai 1933 Oberbürger— Ausweisungsbefehl keine Folge ge- meister von Duisburg. ben.“ Wer war dieser Mann, der als einer Mit diesen Worten, die damals in der „großen Oberbürgermeister“ ganz Deutschland bekannt und der Weimarer Republik in die Ge- von allen großen Zeitungen zitiert schichte eingegangen ist‚ und der wurden, protestierce das damalige auf grund seines großen Ansehens ' Stadtoberhaupt von Duisburg, in hohe politische Amter gerufen Karl Jarres, gegen eine Ausweisung wurde? Was hat ihn dazu befähigt, - durch die belgische Besatzungs- sein ungewöhnliches Leben zu be- macht am 29. Januar 1923. Der stehen? Diesen Fragen ist Fritz - Grund für den Ausweisungsbefehl Holthoff in seinem Buch „Karl Jar- lag in der klaren Haltung, die der res. Prägung und Bewährung“ gebürtige Remscheider und ehe- nachgegangen, das kürzlich von malige Oberbürgermeister seiner der Remscheider Abteilung des Heimatstadt bezog, als f ranzösi- Bergischen Geschichtsvereins her- sche und belgische Truppen im Ja- ausgegeben worden ist. nuar 1923 das Ruhrgebiet besetz- ten. Historische Kräfte J arres, der das Vorgehen der Besat- Der 1915 geborene Bildungspoliti- zungsmacht in einem ersten ker und ehemalige Kultusminister Schreiben an den belgischen Gene— von Nordrhein-Westfalen versteht ralmajor Beaurain als „Vertrags- seine Schrift als „Lebenserzähhmg bruch“ und völkerrechtswidrigen unter der leitenden Annahme, daß Akt bezeichnet hatte, befolgte die in Karl Jarres’ Jugend das Funda— Anordnungen der Berliner Regie- ment einer Persönlichkeitsent— rung „passiven Widerstand“ zu lei- wicklung liegt.“ Die Suche nach sten. Wie in den anderen Städten den aktuellen und historischen des besetzten Gebietes wurde in Kräften, die den Remscheider Karl Jarres hat zeit seines Lebens an seiner Heimatstadt Remscheid Duisburg Anordnungen der Mili- Kauf mannssohn und Juristen von gehangen. Diese Zuneignung verstärkte sich noch, als er von 1910 bis tärregierung nicht befolgt und ge- der Kindheit bis zum Abschluß des 1914 ihr Oberbürgermeister war. (Aus: Karl Jorres. Prägung und Bewäh- forderte Dienstleistungen und Lie- Studiums formten und leiteten, rung, $. 13) ferungen von Gütern verweigert. nimmt deshalb den größten Teil des Buches ein. Erschwert wurde standhaft geblieben diese Spurensuche dadurch, daß sehr gehangen hat, schildert Holt- Während der Schulzeit in Rem— Karl J arres ließ es jedoch nicht bei Kar1 Jarres keine Lebenserinne- hoff als liebevollen und zärtlichen scheid und Wuppertal gingen we- seinem verbalen Protest über den rungen verfaßt hat, und von seinen Mittelpunkt der Familie. Auch ih- sentliche Impulse von drei weite- Ausweisungsbefehl bewenden, Eltern und seiner Jugendzeit bis re Familie war mit Handel und Ge- ren Persönlichkeiten aus, deren sondern kehrte nach einer Woche dahin nur wenig bekannt war. werbe verbunden. Bild Fritz Holthoff ebenfalls leben- nach Duisburg zurück, um seine Durch umfangreiche Nachfor- Neben dem Leben in der Familie dig werden läßt. Der erste war Karl Amtsgeschäfte wieder aufzuneh- schungen, vor allem auch im Rem- stellt Holthoff die heimatliche Um- Grüber, Leiter der Vorschule der men. Am selben Tag wurde er ver- scheider stadtarchiv, und Aus- welt und ihr geistiges Milieu als Remscheider Realschule, dessen haftet und schließlich von einem künfte von Familienangehörigen wichtiges prägendes Element für Schüler Kar1 Jarres Ostern 1881 belgischen Militärgericht zu zwei konnte Holthoff diese Lücke je— J arres’ Persönlichkeitsentwicklung wurde. Der heimatkundlich begei- Monaten Gefängnis verurteilt. doch schließen. heraus. Der Kaufmannssohn war sterte Erzieher wollte seinen schü- Nach seiner Freilassung ernannte Glückliche Kindheit mit der heimischen Arbeitswelt lern die engere Heimat als Lebens- man ihn kurz darauf zum Vertrau- und ihrer traditionsreichen Ge- raum des Menschen verständlich ens— und Verbindungsmann der Auf der Suche nach den Wurzeln schichte eng vertraut. machen und fand in Jarres einen Reichs- und preußischen staatsre- für Karl Jarres’ späteres Denken, Vorbild Hasenclever eifrigen Anhänger. gierung im Ruhrkampf. Fühlen und Handeln führt Holt- Ganz andere Einflüsse gingen an- Doch auf den weiterhin aus seiner hoff den Leser zunächst zurück an Da lag es nahe, daß er sich zwei schließend von seinem Lehrer auf Stadt verbannten Oberbürgermei- die stätten einer glücklichen Kind- herausragende Vertreter der Rem- der Realschule, Professor Richard ster warteten noch höhere Aufga- heit in Remscheid während des scheider Kauf mannschaft zu f rü- Eickhoff, aus. Jarres ging zwar ben. Jarres, der zum rechten Flügel wilhelminischen Kaiserreichs. hen Vorbildern wählte. Während nicht so weit, die linksliberale der liberalen Deutschen Volkspar- Hier kam Karl Jarres am 21. sep- es ihm bei Peter Hasenclever Überzeugung diees engagierten Po- tei gehörte, war unter anderem In- tember 1874 als zweites von fünf (1716—1793) wohl dessen von Frei- litikers zu übernehmen, sondern nenminister im Kabinett Strese- Kindern des Remscheider Kauf- heit, Abenteuer und selbstverwirk- blieb vorherrschend nationalen mann und wurde in den beiden manns Richard Jarres und dessen lichung geprägtes Leben angetan und konservativen Einstellungen nachfolgenden Kabinetten von Ehefrau Maria Viktoria Emilie, ge- hatte, lag die Faszination, die von verhaftet. Eickhoff hatte jedoch zugleich Vizekanz- borene Busch, zur Welt. Von sei- Josua Hasenclever ( l783—1855) wesentlichen Anteil an der Ent- ler. Nach Aufhebung der Auswei- nem Vater, der viel lieber Theolo- ausging, in etwas anderem begrün— wicklung einiger herausragender sung schied er im Januar 1925 aus gie studiert hätte, als das elterliche det. Der Remscheider Unterneh— charakterzüge von Karl J arres, zu der Reichsregierung aus und kehr— Geschäft fortzuführen, erbte er die mer verkehrte mit führenden Gei- denen ,,bei allem Denken um Hei- te in sein Amt als stadtoberhaupt Liebe zur Musik. stesgrößen seiner Zeit, darunter mat und Vaterland“ vor allem sei- von Duisburg zurück. Als Karl Jar- Als Jarres sich später für einen Be- Goethe, Wilhelm und Alexander ne realistische Weltoffenheit ge- res zwei Monate später bei der ruf entscheiden mußte, wiederhol- von Humbo1dt sowie Ernst Moritz hörte. Wahl zum Reichspräsidenten als te sich die Familiengeschichte Arndt. Holthof f dazu : „Karl J arres Als 12jähriger verspürte J arres Kandidat der Rechtsparteien an— Während er selbst am liebsten Di- war immer davon fasziniert, daß dann, wie Holthof f es etwas pathe- trat, erhielt er im ersten Wahlgang rigent geworden wäre, riet ihm sein der Atem der großen Geschichte tisch ausdrückt, „zum ersten zwar die meisten Stimmen, aber Vater Richard zum J urastudium. einst den vertrauten Ort seiner J u- nicht die notwendige absolute Seine Mutter, an der Karl Jarres gend berührte.“ Fortsetzung nächste Seite

Holthoff das von Karl Jarres 1945 Holthof f : Karl J arres auf Bitten der Alliierten verfaßte Unser Programm Memorandum über die Lage des wurde diese Entwicklung durch Fortsetzung von vorheriger Seite deutschen Volkes. Obwohl sein seinen Eintritt in die Bonner Bur- Glaube an Deutschland auch Remscheid Mal . . . den Flügelschlag eines gna— schenschaft Alemannia, der er bis durch die Erfahrungen, die er sel- sonntag, 5. september: denlosen schicksals über sich . . “. zu seinem Tod in verschiedenen ber nach der Machtergreifung Hit- studienfahrt in die südliche Auf Wunsch seiner Eltern wechsel- verantwortlichen Funktionen eng lers machte, schwer erschüttert ge- Eifel: Festung Ehrenbreitstein, te er 1886 auf das Gymnasium in verbunden blieb. wesen sein muB, gibt er sich in sei- Hier fand nicht nur seine Vereh- Bassenheim, Obermendig, Elberfeld, das wie die anderen ner Denkschrift als Freund des Va- Maria Laach, Andernach. Gymnasien zu jener Zeit alles an- rung für Bismarck, den er für eine terlandes zu erkennen. Jarres ver- Führung: Hans Eu1er. Ab- dere als einen Ort des fröhlichen der gröBten Persönlichkeiten der suchte darin Argumente für die In- fahrt: RS, Theatervorplatz und kindgerechten Lernens dar- deutschen Geschichte hielt, Nah- tegrität eines Volkes zusammenzu- stellte. Jarres selbst bezeichnete sei- rung. Die nach Holthoffs Schilde- 7.30 Uhr, Lennep, Kreishaus tragen, dessen Weg durch Enttäu- 7.45 Uhr. ne schuljahre in Elberfeld später rung in ihrer Einstellung als tole- schungen und Täuschungen am als großen Lebensgewinn. Hier rant und freigeistig einzuschätzen- Samstag, 11. September: Ende fast unausweichlich in die „Sehnsucht nach der fremden entdeckte er durch seinen Lehrer, de verfolgte eine Diktatur geführt habe. An seiner ausgeprägte Erziehung zur Verant- Heimat“ — als Westdeutsche in den Humanisten Professor Ludwig nach der Zeit der Diktatur tief me- wortung sowie eine auch nach au- Schlesien und Ostpreußen“. Martens, seine Liebe zum Alter- lancholischen „deutschen Zuver- ßen gerichtete, sozial orientierte Vortrag von Ursula Schmidt- tum. sicht“ hat er bis zu seinem Tod am Goertz, Kulturreferentin des Bildungsarbeit. Holthoff zieht dar- 20. Oktober 1951 festgehalten. Daß seiner weitgespannten schuli- aus den Schluß, daß „ . . . die Erleb- Rheinisch-Bergischen Kreises. schen Bildung und seinen umfang- nisse der Heimat und die Bildung Gradliniger Politiker Städt. Heimatmuseum, RS- reichen Interessen auch seine an- der Burschenzeit ihren Anteil an Hasten, Cleffstr. 2, 16.30 Uhr. schließenden Studien entsprachen, Jarres ausgeprägtem Verantwor- Fritz Holthoff hat in seinem Buch Samstag, 6. November: machen Holthoffs Ausführungen tungsgefühl für den arbeitenden das Bild eines gradlinigen, demo- „Brücken aus alter und neuer im Anschluß deutlich. Jarres. der Menschen (hatten), das ihn in allen kratischen und vor allem mensch- Zeit. Formen und Konstruk- sein Jurastudium nach zwei seme- seinen kommunalen Amtern aus- lich „großen“ Politikers gezeichnet, tionen aus Holz, Stein, Stahl der bei seinem Handeln stets sei- stern am Londoner University col- zeichnete.“ und Beton mit Beispielen aus lege und der „Faculté de droit de Wie sich die Einflüsse in seiner J u- nem Gewissen folgte. Zwar haben Nachbarländern, aus Deutsch— Paris“ seit 1894 an der Bonner Uni— gend- und Studienzeit später in die Ideale von „Heimat“ und „Va- land und auch aus dem Bergi- terland“, denen er sich verpflichtet versität fortsetzte, und dort — nach konkretem Handeln auswirkten, schen Land“. Diavortrag von einem kurzen Abstecher an die beschreibt der Autor im zweiten fühlte, heute durch die Erfahrun- Walter Ziegler. Städt. Heimat- Berliner Friedrich-Wilhelms-Uni- Teil des Buches an einigen ausge- gen der jüngeren Vergangenheit ei- museum, Cleffstr. 2, 16.30 versität — beendete, bereitete sich wählten „Situationen der Bewäh— nen tiefen Bedeutungswandel Uhr. nicht nur gründlich auf seinen Be- rung“. So wurde Jarres‘ Streben durchgemacht. Sein Leben bleibt Anmeldung: Dr. W. Lorenz, ruf vor. Er setze sich auch intensiv nach Menschlichkeit zum Beispiel jedoch eine Mahnung, an ethi- Gewerbeschulstr. 8, Tel. mit vielen gesellschaftsrelevanten auf dem Burschentag von 1896 schen Werten festzuhalten und 29 23 11; J. Brüninghaus, Fragen auseinander- deutlich, wo er als Vertreter der sich gegen ein als schicksalhaft Stadtbücherei, Tel. 4423 37, Holthof f mith Jarres’ studienzeit Alemannia gegen eine die jüdi- empfundenes Ausgeliefertsein zu oder Am Grafenwald 13, Tel. eine hohe Bedeutung für die Ent- schen Mitstudenten diskriminie- wehren. 38 60 51 oder in der Geschäfts- faltung seiner Persönlichkeit zu, rende Resolution stimmte. Später stelle Schützenstr. 28, Tel. denn durch sie seien ihm . . Maß- hat er während der Hitlerdiktatur 42 00 24 (Anrufbeantworter) stäbe für ein eigenes freies Urteil in verfolgten Juden wie auch inhaf- Fritz Holthoff: Karl Jarres. Prägung und Be- vielen Verhältnissen und Zusam- währung. Herausgegeben von der Abtei- tierten sozialdemokraten geholfen. 1ung Remscheid des Bergischen Geschichts- Wermelskirchen menhängen des Lebens zugewach- Als „letzten Dienst für sein Volk vereins e. V.. Remscheid 1993 (ISBN sen.“ Unterstützt und verstärkt und sein Vaterland“ bezeichnet 3—924224—09—9). 27 Mark. Samstag, 25. September: „Streifzug durch das histori- sche Wipperfürth“. Heimat- kundliche Wanderung. Lei- tung: Stud. Dir. Erich Kahl, Wipperfürth; Anfahrt mit ei- genem PkW, Mitfahrwünsche bitte bald anmelden! Treff- punkt: 14.15 Uhr Surgéres- Platz (Neumarkt) Wipper- fürth. Montag, 11. Oktober: „Früheste Bauern und Vieh- züchter im Bergischen Land“; Vortrag mit Lichtbildern von Dr. Thomas Frank, Lindlar; 19.30 Uhr Hotel zur Eich. Anmeldungen zu Wanderun- gen und Studienfahrten: Hans—Werner Bisterfeld, Oststr. 24; @ 02196 / 2277; Lothar Kellermann, Brauns- berger Str. 28, @ 3997 Hückeswagen Information: BGV-Geschäfts- stelle im Rest. „Ratsstube“ (@ 02192 / 7381).

Die nächste Ausgabe von „Geschichte & Heimat“ er— j— ; H scheint Samstag, 24. September. Die Großfomilie Jcrres im Jahre 1904. Vorn in der Mitte die Eltern Rudolf und Maria Jarres. In der 2. Reihe rechts Freyo und Karl Jorres, die ein Jahr zuvor geheiratet hatten. (Aus: Karl Jarres. Prägung und Bewährung, Druck und Verlag; 1. F. Ziegler KG, Remscheid S. 43) Verantwortlich: Jürgen Feld