Mitteilungen des Sozialpolitischen Arbeitskreises im Bezirksverband Charlottenburg-Wilmersdorf der Partei AKK DIE LINKE für die Mitglieder und Sympathisanten der LINKEN. SSA Ausgabe März 2009

Inhalt Seite Themen Bella Ciao - Lesung und Lied mit Diether Dehm 2 Die Finanz- und Wirtschaftskrise 3

Berichte Wahl der Vertreter/innen aus vier Westbezirken zur Wahl der Bundesliste zur Europawahl 8 D. Hetzel: Wahl der Landesliste zur Bundestagswahl 9 M. Schauzu: Nach dem Europaparteitag der LINKEN 10 A. Wehr: Linkspartei, Lederer, Gaza – Eine Diskussionsveranstaltung 12

Dokumente Offener Brief an Klaus Lederer 13

MITTEILUNGEN DES HARTZ IV ARBEITSKREISES Links wirkt – auch in der LINKEN 15 A. Gödel: Die BVV-Linksfraktion beim Hartz IV Arbeitskreis 17 D. Hetzel: Schlechter Ersatz eines Antrags des Hartz IV Arbeitskreises 18 Konstituierende MV der BAG Hartz IV am 6.3.09 in Berlin 19

Termine, Impressum 20 Dokumente (nur in der elektronischen Ausgabe) Andreas Steike: Die Macher hinter den Kulissen – Wie INSM, Bertelsmann und andere Netzwerke Deutschland regieren 21

Zum Inhalt:

Das italienische Partisanenlied „Bella Ciao“ im griechischen Restaurant Terzo Mondo und Arbeitssitzungen über die Wirtschaftskrise – Politik und Kultur gehören untrennbar zusammen, erst recht im beginnenden Wahlkampf. Über beides lest ihr mehr in dieser Ausgabe der SAK-Mitteilungen. Sie enthält außerdem Berichte über die jüngsten Ereig- nisse in der Partei in Bund und Land und die neuesten Nachrichten aus dem Hartz IV- Arbeitskreis.

Marianna Schauzu, Sprecherin des Sozialpolitischen Arbeitskreises

www.sak-dielinken-berlin.de

Mitteilungen des Sozialpolitischen Arbeitskreises März 2009 Seite 1

Bella Ciao - Lesung und Lied mit Diether Dehm von Marianna Schauzu

Bella Ciao, den meisten von uns bekannt als Lied der Partisanen und der internationalen Ar- beiterbewegung, ist auch Titel eines Romans, den der Bundestagsabgeordnete und Landesvor- sitzende der LINKEN in Niedersachsen geschrieben hat. Doch was kann uns ein Roman aus der Zeit Mussolinis, der „Republik von Salo“ in Italien am Ende des zweiten Weltkrieges, heute noch sagen?

Um die Beantwortung dieser Frage ging es in der Veran- staltung des SAK am 3. März 2009 mit dem Autor Diether Dehm, der aus seinem Buch* vorlas und in den geschicht- lichen Hintergrund des Romans einführte. Zu hören war unter anderem auch seine Version des berühmten Liedes Bella Ciao als Liebeslied, begleitet von Michael Letz am Piano.

Der Roman handelt von Krieg und Widerstand im faschisti- schen Italien des Jahres 1943, in der Zeit nach dem Sturz des „Duce“ und seiner anschließenden Wiedereinsetzung durch die SS. Ein Faschist und ein Partisan, einst Freunde, stehen sich als Todfeinde gegenüber. Peter Sodann schrieb über das Buch: „Ein Abenteuerroman, ein Liebesroman, ein politischer Roman in einem außerordentli- chen Geschichtsbuch“.

Im Mittelpunkt der Handlung stehen die Widersprüche, die sich in einer zugespitzten politischen Situation herausbilden und das Verhalten der handelnden Menschen in ihnen. Der Held des Romans, ein bürgerlicher Dichter, der sich den kommunistischen Partisanen angeschlossen hatte, unterliegt seinen Genossen in einer entscheidenden Frage. Im revolutionären Über- schwang und unter Verkennung der Kräfteverhältnisse glaubt die Mehrheit der Partisanen, be- freite Gebiete schaffen zu können, angesichts der noch ungebrochenen Macht der faschisti- schen Gegner ein von Beginn an aussichtsloser Versuch.

Obwohl der Romanheld aufgrund seiner theoretischen Kenntnisse, fußend auf denen der Füh- rer der italienischen Arbeiterbewegung Antonio Gramsci und Palmiro Togliatti, weiter sehen konnte als die anderen, geriet er in die Isolation. Doch er ließ sich dadurch nicht abschrecken, sondern war im entscheidenden Moment wieder zur Stelle, als es darum ging, die Folgen der falschen Entscheidung zu bewältigen. Er half bei der notwendig gewordenen Evakuierung der Bevölkerung des „befreiten“ Gebietes. Mitten im Winter war die Flucht von 35.000 Menschen aus dem norditalienischen Ossola-Tal in die Schweiz zu organisieren.

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Diese Fabel ist ein Lehrstück darüber, wie notwendig es ist, vor jedem Handeln eine konkrete Analyse der konkreten Situation vorzunehmen. Nur so lassen sich unnötige Niederlagen ver- meiden. Sie zeigt uns zugleich die Größe der Wissenden, die sich durch die Zurückweisung ih- rer historisch richtigen Urteile nicht entmutigen lassen sondern sofort daran gehen, den dadurch entstandenen Schaden - gemeinsam mit ihren Widersachern - zu bewältigen. Es ist ein Beispiel für das, was wirkliche Revolutionäre auszeichnet. Es ist die Zurückstellung persönlicher Ver- letztheit und die Bereitschaft, jede auch noch so kleine sich bietende Chance zur Veränderung der Verhältnisse hin zu einer gerechten Gesellschaft zu ergreifen.

Mit ihrem begeisterten Beifall zeigten die gut 40 Teilnehmer, dass diese Botschaft verstanden und angenommen wurde. Die Veranstaltung zeigte, wie mit Hilfe von Kultur solche wichtigen Einsichten einfühlsam und überzeugend vermittelt werden können.

*Diether Dehm: Bella Ciao. Das Neue Berlin, 2007, 396 Seiten, 19,90 Euro

Die Finanz und Wirtschaftskrise war Thema mehrerer gut besuchter Veranstaltungen des SAK. Eingeleitet wurde dieser Zyklus mit der Diskussion über ein Thesenpapier mit dem Titel „Ursachen und Folgen der Wirtschafts- und Finanzmarktkrise“ von Jens Carlberg am 9. Dezember 2008. In der zweiten Veranstaltung am 6. Januar 2009 stellte Marianna Schauzu die Thesen von Lucas Zeise zur Analyse der Wirt- schaftskrise aus marxistischer Sicht vor. Am 20. Januar 2009 referierte Thomas Kuczynski zum Thema „Was sind die Aufgaben der Linken in der Wirtschaftskrise?“

Beendet wurde die Veranstaltungsreihe mit einer Diskussion über das Thema „Die Macher hin- ter den Kulissen: Wie INSM, Bertelsmann und andere Netzwerke Deutschland regieren“ am 3. Februar 2009 mit einem Referat von Andreas Steike, das sich in voller Länge im Anhang der elektronischen Ausgabe dieser SAK-Mitteilungen befindet.

Es folgt ein zusammenfassender Bericht über die ersten drei der vorgenannten Veranstaltungen:

Alle reden über die Krise - die Linke(n) auch – aber ganz anders. von Eckhard Dietz Natürlich muss darüber geredet werden, wieso und woher plötzlich zig Milliarden Euro vorhan- den sind, um Banken zu retten, Konzerne zu stützen, wo es vorher unmöglich schien, den Grundbedarf für HartzIV-Empfänger mit nur Bruchteilen dieser Summen auf ein menschenwür- diges Niveau zu heben, wobei von diesem Geld 100% mit völliger Sicherheit wieder in den Bin- nenmarkt geflossen wären.

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Natürlich muss darüber geredet werden, dass diese Banken und Konzerne Milliarden-Gewinne in den Jahren davor angehäuft haben – und dabei zum Teil (siehe Deutsche Bank) auch Ar- beitsplätze abgebaut hatten.

Natürlich muss man sich fragen, weshalb sie – mit Steuergeldern gestützt – das jetzt weniger tun. Uns als Linke geht es also darum, über die Dinge zu reden, die jetzt nicht gefragt werden, Vorschläge zu machen, die nicht in den Medien breit getreten werden.

Und wir haben diskutiert: An 3 langen Abenden stand das Thema Krise – Analyse, Folgen und 'Was tun?’ zur Diskus- sion und viele, die anders und Anderes denken waren mit dabei. Zuletzt am 20. Januar ein Dis- kussionsabend im TERZO MONDO mit THOMAS KUCZYNSKI, Ökonom und ehemaliger Direktor am Institut für Wirtschaftsgeschichte der Akademie der Wissenschaften der DDR.

Ohne lange Diskussion war man sich einig, • dass der Zusammenbruch nicht unerwartet kam, dass national und international immer wieder vor dem Platzen der Spekulationsblase gewarnt worden war und • dass auch die Bundesfinanzaufsicht alles wissen konnte und auch eingreifen hätte kön- nen, • dass die Krise mit der Propaganda und der Politik für die sogenannte Liberalisierung der Finanzmärkte auf den Weg gebracht wurde, • dass eine 'normale' Wirtschaft und Produktion Profite von über 20% gar nicht erreichen kann, dass sie durch das Finanz-Casino aber dahin gedrückt wurde, • dass es also nicht gierige Finanzmakler und Manager waren (wenn es auch solche ge- ben mag), die die Krise verursacht haben.

Recht schnell war man sich auch darüber einig, • dass das gesamte System einer auf immer wachsenden Gewinnen basierten Wirtschaft krisenanfällig ist und bleibt. In der Krise stehen heißt, vor der (nächsten) Krise stehen. • dass die Folgen jeder großen oder kleinen Krise immer und in erster Linie diejenigen trifft, die am großen Spiel und Gewinn überhaupt nicht teilnehmen können, • dass man im Interesse dieser Mehrheit der Betroffenen dieses System stabilisieren muss, selbst wenn das nur bedingt und nicht grundsätzlich zu schaffen ist und • dass man deswegen über Lösungen diskutieren muss, die über das System hinauswei- sen können.

Es gab aber auch eine Reihe von Fragen, die strittig waren – oder die offen geblieben sind und auch Fragen, bei denen wir sagen müssen:

Niemand weiß und auch die Linke(n) wissen nicht, wie sie zu beantworten sind.

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Zu diesen Fragen gehören folgende: • Wie lange wird die Krise dauern, welchen Schaden wird sie insgesamt, materiell und ge- sellschaftlich, anrichten? • Wie wirksam sind Konjunkturprogramme – wie groß auch immer -, die in ein Fass ge- schüttet werden, das im Boden ein Loch hat, dessen Größe sich laufend ändert? • Wann und unter welchen Umständen werden die Betroffenen die richtigen Fragen stel- len und Lösungen fordern, die es nicht mehr zulassen, dass Gewinne privatisiert und Verluste sozialisiert werden? • Wie kann man nationale und internationale Kräfte, Organisationen, Netzwerke und Bemühungen bündeln, um insgesamt Fortschritte bei der Eindämmung solcher Krisen zu bewirken?

Es gab Stimmen in der Diskussion, die feststellten, dass es in gewisser Weise ein Fortschritt ist, dass Krisen dieses Ausmaßes nicht wie früher üblich durch Krieg und nachfolgenden Aufbau 'gelöst' werden.

Einige Diskussionspunkte wollen wir festhalten, weil sie so wichtig waren und ungelöst, aber nicht nur in der Krise diskutiert werden sollten: • Wie ist der Zusammenhang von natürlichen Ressourcen, Wachstum, Wohlstand und Profit im nationalen und globalen Rahmen zu sehen? Wie sind Ziele und internationaler Interessenausgleich zu fordern? • Welche allgemeinen und politischen Möglichkeiten müssen wir entwickeln, um Bildung und Wissen über gesellschaftliche Zusammenhänge voran zu bringen, damit nicht me- dialer Nebel, Begriffsverklärungen, -verwirrungen und Präsentation von Pappkameraden und Sündenböcken die Köpfe verkleben? • Nationale Politik wird zunehmend europäische Politik. Was tun wir, um die europäische Linke nach vorne zu bringen?

Die Frage zu Bildung und Wissen war uns vor allem deswegen so wichtig, weil bekanntlich eine Krise die Betroffenen auch dazu bringen kann, Recht und Ordnung, Nationalismus und Aus- grenzung zu fordern. Ein Weg, der schon einmal ins Verderben führte. Mit der letzten Frage landeten wir konkret bei unseren Anstrengungen, mit Öffentlichkeitsarbeit auf die Bedeutung der Wahlen zum europäischen Parlament hinzuweisen.

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Thesen zur Analyse der Wirtschaftskrise aus marxistischer Sicht von Marianna Schauzu

Die aktuelle Entwicklung bestätigt die Krisenanfälligkeit des Kapitalismus und zugleich seine historische Überkommenheit. Lucas Zeise hat untersucht, was diese Krise ausgelöst hat und wer wann welche Entscheidungen traf, die zu dem fatalen Absturz führten, und er diskutiert Er- folg versprechende Auswege aus der Krise*. 1. Zeise setzt den Beginn der Finanzkrise auf den Sommer 2007 fest: Im August 2007 beginnt die massive und noch anhaltende Störung bei der Liquiditätsversor- gung im Innerbankenmarkt (die Banken misstrauen einander und leihen sich gegenseitig kein Geld, so dass die Zentralbanken zur Liquiditätsversorgung einspringen müssen). Die Krise ist von ihrer Struktur her vergleichbar mit der 1929 ausgebrochenen Weltwirtschaftskrise. Auch damals war eine massive Spekulation der Auslöser. Zu der Großen Depression wurde diese Krise aufgrund des damaligen prozyklischen Verhaltens der Staaten (Stichwort: Sparen in der Krise). Nach Zeise könnte die gegenwärtige Krise die neoliberale, vom Finanzmarkt dominierte Phase der Globalisierung beenden. 2. Nach Zeise ist die gegenwärtige Krise durch folgende Merkmale gekennzeichnet: - Sie hat ihren Ausgang in den USA, dem Kernland des Kapitalismus. - Die USA haben eine unvergleichlich höhere öffentliche als auch private Verschuldung als die übrigen OECD-Staaten (mit Ausnahme von Japan). - International – v. a. aber in den USA und Großbritannien – expandiert der Finanzsektor seit 30 Jahren stärker als die sogenannte „Realwirtschaft“, folglich wächst das „überschüssige“ anlagesuchende Kapital seit Jahren exorbitant und begünstigt Verschuldungen (private und öffentliche) und ermutigt zu waghalsigen Spekulationen. - Angetrieben wurde das Wachstum des Finanzsektors durch die massive Umverteilung des Reichtums von unten nach oben (Absenken der Lohnquote, Privatisierungen öffentlichen Ei- gentums, Umwandlung der staatlich organisierten Versicherungssysteme in private Vorsorge). - Ermöglicht wurde die Spekulationswelle durch die weitreichenden Deregulierungen im Fi- nanzmarktsektor, beginnend mit den Liberalisierungen unter Thatcher nach 1979 in GB und in den USA unter Reagan nach 1980, internationale Regulierungsvereinbarungen (etwa die Basel I+II-Abkommen zu Eigenkapitalvorhaltung und Risikobewertungsmethoden bei der Kreditvergabe) blieben halbherzig und waren daher ungeeignet, um den Spekulationswahn zu stoppen. Die bestehende schwache Banken- und Finanzmarktaufsicht hat zudem versagt. - Die aktuelle Finanzmarktkrise steht in Kontinuität zu vorangegangenen Krisen, die alle durch hohe Verschuldung bzw. Spekulation gekennzeichnet waren (Mexikokrise 1982, Ost- asien/Russlandkrise 1997/98, Krise der New Economy 2000/1). 3. Spekulationskrisen beginnen regelmäßig mit Boomphasen in der Realwirtschaft: So locken neue Technologien mit hohen Gewinnaussichten Spekulanten an (so geschehen in der Krise der New Economy). Auch die aufstrebende Schwellenländer Mexiko, Tigerstaaten Südostasiens und Russland versprachen hohe, kurzfristige Gewinne. In der jetzigen Krise wa- ren es die niedrigen Hypotheken-, Kreditkarten- und Privatkreditzinsen - ermöglicht durch nied- rige Zinsen der Federal Reserve (die Notenbank der USA), die in den USA ursprünglich als Konjunkturbelebungsmaßnahme gedacht waren - die den gegenwärtigen Spekulationsboom auslösten. Angefeuert wurde diese Spekulation durch Kapitalzufuhr aus dem Ausland (etwa aus China, Japan, den ölfördernden Staaten aber auch aus Deutschland).

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4. Zeise sieht folgende Anlässe für den Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise: - Es begann mit dem Zusammenbruch des Hypothekenmarkts in den USA durch Preisverfall bei Häusern und fehlender Kreditsicherheit bei immer mehr Hauskäufern (Eingehen außerordentlich hoher Risiken bei zu geringem Eigenkapital). - Die Situation verschärfte sich durch kreatives Umgehen der Banken mit unzureichenden Fi- nanzmarktregulierungen: Mit den sogenannten Verbriefungen wurden Hypotheken in Anleihen umgewandelt und damit auch die Risiken weitergereicht (Zeise nennt das eine „kreative Verpackungsindustrie“). Auf diese Weise wurden die Risiken nicht, wie angenommen, breit gestreut und damit minimiert, sondern der gesamte Finanzsektor wurde mit „toxischen Papieren“ infiziert. - Die hohen Forderungsverluste führten bei den Banken zu einer Reduzierung ihres Eigenkapi- tals. Im Ergebnis sehen sich die Bankensehen nicht mehr in der Lage, ihre bisherige großzü- gige Kreditpolitik fortzusetzen. Es kommt zu einem Kreditmangel, höheren Kreditzinsen und damit zu einem Einbruch der Investitionen in der Realwirtschaft. 5. Erfahrung aus der Wirtschaftskrise der dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts: - Es ist besser, massiv staatliche Mittel (etwa durch staatlich angeordnete Erhöhung des Eigen- kapitals der Banken) einzusetzen als den Finanzsektor, und in Folge davon die Volkswirtschaft, untergehen zu lassen (Paul Krugman). - Den Zusammenbruch großer Kreditinstitute kann die Volkswirtschaft nicht verkraften (solche Zusammenbrüche haben die tiefste Wirtschaftskrise nach 1929 in Friedenszeiten mit Folge der Machtübernahme der Nazis 1933 in Deutschland ausgelöst und zum 2. Weltkrieg geführt). Zeise spricht sich ausdrücklich dafür aus, keine Bank untergehen zu lassen, denn der volkswirtschaftliche Schaden daraus wäre unabsehbar. - Ökonomische Entwicklungen können und müssen vielmehr durch rechtzeitiges und wirkungs- volles politisches Handeln beeinflusst werden, so ist etwa die Stimulierung von Produktion und Nachfrage durch ein massives Konjunkturprogramm gegenwärtig dringend notwendig. 6. Wie der Bankenkrise begegnen? Zeise geht davon aus, dass „es ist nicht einmal so (ist), dass das ganze kapitalistische System verändert oder umgestürzt werden muss, um Finanzkrisen zu verhindern. Nichts davon. Die entscheidenden Institutionen gibt es schon, die Banken und Finanzmarktakteure bändigen könnten.“ (LZ, S. 181) Hinsichtlich konkreter Forderungen verweist Zeise auf die Positionen von Attac vom Juni 2008. (LZ, S. 186-191) Er erhebt anschließend v. a. folgende Forderungen: - Verstaatlichung sowie Kontrolle und Regulierung der Banken „Die Verstaatlichung der Banken ist jedoch eine klare und aus der Logik wie Banken funktionieren eine folgerichtige Entwick- lung.“ (LZ, S. 171) - Wiedereinführung von Kapitalverkehrskontrollen (für die EU bedeutet das die Aufhebung des Artikel 56 des EG-Vertrags mit der Garantie der Kapitalfreiheit). - Kontrolle der Zentralbanken: „Sie müssen (…) einem Minimum an demokratischer Kontrolle unterworfen werden und die von ihnen geliebte Unabhängigkeit im Interesse der Finanzwelt aufgeben“ (LZ, S. 196) - Aufhebung der Übermacht des Finanzsektors durch Umverteilung des Reichtums von oben nach unten (deutliche Anhebung von Löhnen und Sozialeinkommen, Rückgängigmachung von Privatisierungen, Anhebung der Steuerlast für die Vermögenden).

*Lucas Zeise: Ende der Party - Die Explosion im Finanzsektor und die Krise der Weltwirtschaft, Verlag PapyRossa, Köln 2008, 196 Seiten, 14,90 Euro

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Wahl der Vertreter/innen aus vier Westbezirken zur Wahl der Bundesliste zur Europawahl

Am 28.1.09 fanden im Münzenbergsaal des ND-Gebäudes am Franz-Mehring-Platz 1 - an ei- nem für eine Versammlung von Parteimitgliedern aus dem Westen Berlins ungewöhnlichen Ort – die Wahlen der von den Mitgliedern der Bezirke Charlottenburg-Wilmersdorf, Reinickendorf, Spandau und Steglitz-Zehlendorf zu wählenden VertreterInnen zur VertreterInnenversammlung zur Wahl der Europaliste der Partei DIE LINKE am 1. März 2009 statt. Geleitet wurde die Wahl- versammlung von Sylvia Müller und Klaus Glöde.

Diese Wahlen waren notwendig, weil das Wahlgesetz vorschreibt, dass Wahl der KandidatIn- nen zu Europawahlen – ebenso wie zu Bundestagswahlen – nicht durch die gewählten Dele- gierten zu den Parteitagen sondern von eigens für diesen Zweck gewählten VertreterInnen erfolgen muss.

Zu wählen waren jeweils zwei Vertreter/innen und zwei Ersatz-Vertreter/innen. Im ersten Wahl- gang zur Sicherung der Geschlechterparität votierten von 37 stimmberechtigten Mitgliedern

10 für Cornelia Hildebrandt (Charlottenburg-Wilmersdorf) 27 für Monika Merk (Spandau).

Im zweiten Wahlgang votierten von 37 stimmberechtigten Mitgliedern, bei zwei Enthaltungen,

28 für Hasko Hüning (Steglitz-Zehlendorf) 7 für Uwe Stürmke (Charlottenburg-Wilmersdorf).

Im dritten und vierten Wahlgang wurden von jeweils 36 stimmberechtigten Mitgliedern – bei je- weils drei Enthaltungen - für die als Ersatz-VertreterInnen kandidierenden

Pia Imhof-Speckmann (Steglitz-Zehlendorf): 29 Ja- und 4 Neinstimmen Michael Rohr: 30 Ja- und 3 Neinstimmen abgegeben.

Gewählt wurden somit

Monika Merk und Hasko Hüning als VertreterInnen und

Pia Imhof-Speckmann und Michael Rohr als Ersatz-VertreterInnen.

Mitteilungen des Sozialpolitischen Arbeitskreises März 2009 Seite 8

Bertolt Brecht: Am Grunde der Moldau

Am Grunde der Moldau wandern die Steine es liegen drei Kaiser begraben in Prag. Das Große bleibt groß nicht und klein nicht das Kleine. Die Nacht hat zwölf Stunden, dann kommt schon der Tag.

Es wechseln die Zeiten. Die riesigen Pläne der Mächtigen kommen am Ende zum Halt. Und gehn sie einher auch wie blutige Hähne Es wechseln die Zeiten, da hilft kein Gewalt.

Am Grunde der Moldau wandern die Steine es liegen drei Kaiser begraben in Prag. Das Große bleibt groß nicht und klein nicht das Kleine. Die Nacht hat zwölf Stunden, dann kommt schon der Tag.

Wahl der Landesliste zur Bundestagswahl von Dieter Hetzel

Am 29. März 2009 wählt der Berliner Landesverband der Partei DIE LINKE die Mitglieder der Landesliste für die Bundestagswahl. Fast alle vom Landesvorstand für aussichtsreiche Listenplätze präferierte KandidatInnen haben eine DDR-Sozialisation und/oder sind in den Ostbezirken beheimatet. Berlin besteht aber nicht nur aus der ehemaligen Hauptstadt der DDR. DIE LINKE will bei der Bundestagwahl sowohl in Ost- als auch in Westberlin gewählt werden.

Die Wahlchancen der LINKEN im Westen würden sich zweifellos erhöhen, wenn auf der Lan- desliste auch ein „Westlinker“ präsent wäre. Dahin zielt der folgende Antrag von Walter Mayer an die Mitgliederversammlung der LINKEN im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf am 10.03.09:

„Die Mitgliederversammlung möge beschließen: Die Mitgliederversammlung bittet die Landesvertreterversammlung der LINKEN am 28./29.03.2009, auf Platz 4 der Landesliste der LINKEN für die Wahl zum Deutschen Bundestag einen Genossen zu wählen, - der aus einem der Bezirke im Westteil der Stadt kommt, - der eine politische Biographie durch die „alte“ Bundesrepublik (einschließlich dem „alten“ West- Berlin) hat, und - der keiner der Strömungen innerhalb der LINKEN angehört.“

Mitteilungen des Sozialpolitischen Arbeitskreises März 2009 Seite 9

Nach dem Europaparteitag der LINKEN von Marianna Schauzu, Delegierte der Sozialistischen Linken

Seit der Hessenwahl ist es offensichtlich: Konkurrierende Parteien und Medien bekämpfen Die Linke erbittert. Nur damit glauben sie die Etablierung eines Fünfparteiensystems noch verhin- dern zu können. Doch selbst für skrupellose politische Gegner oder Journalisten ist es schwer, ein Feuer dort zu entfachen, wo nicht bereits ein in der Partei selbst erzeugter Funke glimmt. Für solche Brandsätze sorgten in Hessen Mitglieder, die längst entschlossen waren, der Linken den Rücken zu kehren. Auch bei der jetzigen Medienkampagne gegen eine angeblich europa- feindliche Partei kommen die Stichworte aus den eigenen Reihen.

„Europas Gegner auf dem Vormarsch“ konnte man am 28. Februar auf faz.net lesen. Doch be- kanntlich lehnt Die Linke nicht die EU, sondern den Lissabonner Vertrag ab, mit dem weder ein soziales Europa noch eines der Solidarität unter den Mitgliedsländern zu machen ist. Statt des- sen müssen die wirtschaftlich schwächeren Länder ihre Grenzen für Waren, Dienstleistungen und Kapital auch dann weit offen halten, wenn ihnen – wie jetzt in der Krise – die Puste aus- geht. Unterstützung von stärkeren Mitgliedern haben sie nicht zu erwarten. Der Lissabonner Vertrag untersagt ausdrücklich das Einstehen des einen Landes für das andere. Proeuropäisch ist das nicht. Gefördert werden vielmehr Protektionismus und Nationalismus. Ganz anders sieht dies Sylvia-Yvonne Kaufmann, die den Lissabonner Vertrag befürwortet. Erst kürzlich erhielt sie das Bundesverdienstkreuz. Geehrt wurde sie damit, weil sie sich u. a. „beharrlich nationalisti- schen Angriffen auf das europäische Projekt widersetzt“ habe. André Brie sieht bei den Kritikern der EU „nationale Untertöne, die sich eine internationalistische Linke nicht leisten kann“ (Frank- furter Rundschau, 24.2.2009). Welch eine Verdrehung der Wirklichkeit!

Bereits im Vorfeld des Parteitags wurde der Vorwurf lanciert, dass „erfahrene Genossen kaltge- stellt“ werden sollen (FR, 24.2.2009). Nun heißt es: „Die profilierten Linke-Politiker Sylvia- Yvonne Kaufmann und André Brie wurden nicht nominiert“ (stern.de, 1.3.2009) und „Parteitag kanzelt langjährige Abgeordnete ab“ (FR, 2.3.2009). Die Berliner Zeitung sieht gar „Graue So- cken für Europa“ auf dem Weg (2.3.2009). Selbst das Neue Deutschland stieß in dieses Horn: „Die endgültige Liste vor Augen, fragte sich manches Parteimitglied, ob es klug war, auf Kom- petenz und Erfahrung zweier Europapolitiker wie Kaufmann und Brie zu verzichten“ (ND, 1.3.2009). Und das angesichts einer Liste, die von angeführt wird, der immerhin Vorsitzender der Europäischen Linkspartei (EL) ist. Auch Helmut Scholz auf Platz acht ist Vor- standsmitglied der EL. Sabine Wils, die zweite auf der Liste, arbeitet im Gewerkschaftsnetzwerk der EL mit. Unter den ersten Zehn finden sich außerdem Martina Michels (Listenplatz neun), die europapolitische Sprecherin der Berliner Abgeordnetenhausfraktion, und die ATTAC-Aktivistin Sabine Lösing (Listenplatz sieben). Sie alle, und noch manch anderer auf den ersten 16 Listen-

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plätzen, sollen also keine erfahrenen Europapolitiker sein? „Erfahren“ und „profiliert“ ist man für die Medien offensichtlich nur dann, wenn man die EU weitgehend unkritisch sieht.

Es heißt, dass sich die Parteispitze mit ihrem Personalvorschlag nicht habe behaupten können: „Die Linie der Parteiführung hat bis Platz neun gehalten. Danach konnte sich die Spitze bei der Listenaufstellung (...) nicht mehr durchsetzen“ (Spiegel-Online, 1.3.2009). Tatsächlich gab es aber unter den zwölf ersten aussichtsreichen Plätzen nur einen Wechsel. Auf Platz zehn setzte sich Tobias Pflüger gegen den vorgeschlagenen Wilfried Telkämper durch. Auch die Verände- rungen auf den weniger chancenreichen Plätzen hielten sich in engen Grenzen. Dennoch glaubt das ND feststellen zu können, das „die Vorschlagsliste des Bundesausschusses nicht auf ungeteilte Zustimmung traf“ (1.3.2009). Das Gegenteil war der Fall. Der Vorschlag erwies sich als viel stabiler als etwa der des Parteivorstandes zur Europawahl 2004. Seinerzeit fielen gleich zwei der für die damals sieben aussichtsreichen Plätze nominierten Kandidaten durch. Eine weitere Legende ist, dass in Essen das zuvor mühsam ausgehandelte Verhältnis zwischen Ost und West infrage gestellt wurde. Dazu hieß es im ND: „Doch nicht alle Delegierten teilten diese Meinung“ (1.3.2009).Tatsächlich wurde dieses Schema aber nur einmal durchbrochen. Auf dem weniger aussichtsreichen Platz 14 verdrängte der Wessi Wilfried Telkämper den vor- geschlagenen Ossi Dominic Heilig.

Vergeblich griff Kaufmann in ihrer Kandidatenrede diese West-Ost-Aufteilung der Liste an. Die- ser Vorschlag war aber nicht verantwortlich für ihr Scheitern. Sie unterlag sowohl Bewerberin- nen aus dem Osten wie dem Westen. Bei ihrer Kandidatur um Platz neun wurde sie gar nur Dritte. Sowohl Kaufmann als auch Brie fehlte einfach die notwendige Zustimmung. Doch André Brie wäre nicht André Brie, würde er den Grund dafür nicht bei anderen suchen: „Ich bin vielen in der Partei zu kritisch. Weil ich immer wieder angemerkt habe, dass Fragen von realistischer Politik noch unterwickelt sind“ (Interview auf www.tagesschau.de, 2.3.2009). Merke: Die Partei ist für den ewigen Vor- und Querdenker eben noch nicht reif für seine Ideen. Sylvia-Yvonne Kaufmann sah sich sogar in ihre alte Partei zurückversetzt: „Ich kam mir auf diesem Parteitag vor wie auf einer schlechten SED-Parteiversammlung. Wenn Sie früher in der SED nur eine klit- zekleine kritische Frage hatten, dann wurden Sie mit dem Totschlagargument diszipliniert ‚Bist du etwa nicht für den Weltfrieden Genossin?’ In Essen war es die Frage ‚Bist du für oder gegen Lissabon?’ “ (Phönix, 2.3.2009).

An in der Partei selbst gelegten Brandsätzen ist also auch in Zukunft kein Mangel. Die medialen Vorwürfe, die Kandidatinnen und Kandidaten der Linken für die Wahlen zum Europäischen Parlament seien inkompetent, gemäß einer starren Ost-West-Quotierung gewählt und vor allem nicht europafreundlich genug, werden uns also wohl noch ein Stück des Weges begleiten.

Mitteilungen des Sozialpolitischen Arbeitskreises März 2009 Seite 11

Linkspartei, Lederer, Gaza – Eine Diskussionsveranstaltung von Andreas Wehr, DIE LINKE Reinickendorf

„Israels Krieg gegen die Palästinenser in Gaza – Was ist jetzt zu tun?“, so hieß es in der Einla- dung zu einer Diskussion der Sozialistischen Linken (eine Strömung in der Partei DIE LINKE) am 5. Februar in Berlin. Groß war das Interesse der Teilnehmer an authentischen Informationen über den Krieg. Groß war aber auch ihr Bedürfnis, über die Haltung ihrer Partei in diesem Krieg zu sprechen, gibt es doch in der LINKEN angeblich eine „anhaltende Debatte über den Nahost- konflikt“ wie die Frankfurter Allgemeine kürzlich schrieb. Da war es gut, mit Harri Grünberg ei- nen Referenten zu Gast zu haben, der aus erster Hand berichten konnte. Der wissenschaftliche Mitarbeiter des Bundestagsabgeordneten Wolfgang Gehrcke hatte sich während des Krieges mehrere Wochen in Israel aufgehalten. Nach Grünberg gibt es dort in der Gesellschaft gegen- wärtig „keine Bereitschaft für einen Friedensschluss“. Bei den anstehenden Wahlen sei viel- mehr ein Rechtsruck zu erwarten. Grundlegende Veränderungen könnten sich womöglich in Folge einer Zuspitzung der sozialen Situation im Lande ergeben. Dann „stelle sich auch die Friedensfrage neu“.

Doch was ist jetzt hier zu tun? Notwendig sind die Vermittlung von Informationen und die Auf- klärung über die Hintergründe des Konflikts. Vor allem aber muss Position bezogen werden. Ei- nig waren sich die Teilnehmer darin, dass die Diskussion in der LINKEN geführt werden muss, etwa über den Auftritt des Berliner Landesvorsitzenden, Klaus Lederer auf der Pro-Israel-Kund- gebung am 11. Januar 2009 in Berlin, ein Vorgang, für den es, so Harri Grünberg, „in der israelischen Linken kein Verständnis gibt“. In einem offenen Brief war Klaus Lederer von Par- teimitgliedern vorgeworfen worden, damit „die Berliner Partei in eine unerträgliche Nähe mit ak- tiven Unterstützern des gegenwärtigen Krieges gebracht zu haben.“ Unterzeichner waren u.a. Elmar Altvater, Ellen Brombacher, Klaus Höpcke, Ralf Krämer, Hans Modrow und Sahra Wa- genknecht. Unter dem Brief stehen auch die Namen der Vorsitzenden von vier der sechs west- lichen Berliner Bezirksverbände. Sehr gern hätten die Veranstaltungsteilnehmer an diesem Abend mit Klaus Lederer direkt darüber gesprochen. Doch dies war ihm aufgrund anderer Ver- pflichtungen nicht möglich.

Wie hingegen eine offene Diskussion nicht zu führen ist, zeigte die am 2. Februar herausgege- bene Stellungnahme von sechs Landesvorsitzenden und Sprechern der LINKEN. Ganz offen- sichtlich verfasst zur Entlastung von Klaus Lederer, wird in falsch verstandener Pluralität ver- sucht, es allen Seiten Recht zu machen. Gerechtfertigt wird darin sowohl der Gang zu De- monstrationen, die den Krieg rechtfertigen als auch zu solchen, die ihn verurteilen. Mit einer solchen Position erreicht man alles Mögliche nur Eines nicht: Ein auch nach außen erkennbares eigenständiges Profil der Partei im Nahostkonflikt. Die Veranstaltung der Sozialistischen Linken hat aufgezeigt, was man tun kann, um dahin zu gelangen.

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Offener Brief an Klaus Lederer

Als Reaktion auf seine Rede anlässlich einer Solidaritätskundgebung mit Israel am 11. Januar 2009 haben Repräsentanten der Berliner LINKEN einen offenen Brief an Klaus Lederer ver- fasst:

Lieber Genosse Klaus Lederer, wir teilen die von Dir auf der Solidaritätskundgebung mit Israel am 11. Januar 2009 geäußerte Position, dass niemand das Recht hat, seine politische Kritik am Gazakonflikt in Antisemitismus umzumünzen. Dies öffentlich zu sagen, hätte Deiner aktiven Teilnahme an dieser Kundgebung nicht bedurft. Wie wir gemeinsam wissen, handelte es sich um eine Veranstaltung zur aus- drücklichen Unterstützung des militärischen Angriffs israelischer Truppen auf den Gazastreifen. Im Aufruf zur Kundgebung heißt es unmissverständlich: „Israels Selbstverteidigung ist legitim und kein Verbrechen!“ Für das Leiden der palästinensischen Bevölkerung wird im Aufruftext ausschließlich die Organisation Hamas verantwortlich gemacht. Dieser überaus einseitigen Sicht widersprichst Du in Deiner Rede nicht. Auch ziehst Du es vor, über den zentralen Aus- gangspunkt des Nahostkonflikts zu schweigen. Dies ist bekanntlich die seit mehr als 40 Jahren andauernde Besetzung bzw. Kontrolle des Gazastreifens und der Westbank, wodurch der dort lebenden palästinensischen Bevölkerung beharrlich eine friedliche Entwicklung verweigert wird.

Zum Aufruf der Kundgebung selbst erklärtest Du, dass darin eine Solidarität eingefordert würde, die Du so nicht geben könnest. Zur Begründung führst Du aus: „Weil ich als Sozialist eine grundsätzliche Schwierigkeit habe, mich pauschal mit Institutionen und Staaten solidarisch zu erklären.“ Geht es für Sozialistinnen und Sozialisten nicht zuvörderst um die grundsätzliche Schwierigkeit, den Krieg als politisches Mittel zu akzeptieren? Das ist doch wohl Konsens in un- serer Partei, den Du mit Deiner Rede – und mehr noch mit Deiner Anwesenheit auf dieser Kundgebung – faktisch aufgekündigt hast. „Meine Solidarität gehört Menschen. Menschen in Bedrohung und Menschen in Not“, führtest Du weiter aus. Offen gestanden: Diese Formulierung wirkt wie eine bloße Ausflucht und sie ist alles andere als eine Distanzierung von den Parolen der Veranstalter. Etwas später sagst Du: „Ich teile die Einschätzung des israelischen Sicher- heitschefs Amos Gilad, dass es bis zum heutigen Tag 'keine optimale militärische Lösung' für den Gazastreifen gäbe und Militäreinsätze nicht das Allheilmittel sind, um die Probleme des Nahen Ostens zu beseitigen.“ Dies ist eine zynische Relativierung von Krieg als Mittel der politi- schen Auseinandersetzung. Auch damit stellst Du Dich außerhalb des breiten Meinungsspekt- rums, das es in unserer Partei zu den Ursachen des Nahostkonflikts gibt.

Mitteilungen des Sozialpolitischen Arbeitskreises März 2009 Seite 13

Lieber Genosse Klaus Lederer, mit manchen Feststellungen in Deiner Rede gehen wir durchaus konform, aber insgesamt stehst Du im tiefen Gegensatz zur Haltung, die Gregor Gysi in der Debatte zum Nahostkonflikt im Deutschen Bundestag am 14. Januar 2009 im Namen der Fraktion DIE LINKE vertreten hat. Auch wir wollen, dass der Nahe Osten endlich in Frieden und Sicherheit gedeihen kann. Auch uns schmerzt das unendliche Leid, das der Krieg über Menschen bringt. „Einen Krieg kann ich nicht rechtfertigen“, führtest Du aus. Aber, Du hast Dich dazu hergegeben, auf einer Veranstal- tung zu sprechen, die aus einseitiger Betrachtung eigens zur Rechtfertigung der brutalen israe- lischen Aggression einberufen wurde, und – trotz einiger kritischer Momente Deiner Rede: Die Tendenz Deiner Ausführungen entspricht dem Mainstream des dort Gesagten.

Durch Deinen demonstrativen Auftritt als Landesvorsitzender hast Du die Berliner Partei in eine unerträgliche Nähe mit aktiven Unterstützern des gegenwärtigen Krieges gebracht.

Wir wissen, dass Dein Auftreten auf der Kundgebung „Solidarität mit Israel – Stoppt den Terror der Hamas“ am 11. Januar 2009 von außerordentlich vielen Mitgliedern des Berliner Landes- verbandes der Partei DIE LINKE nicht gebilligt wird. Auch in ihrem Namen verfassten wir diesen Brief.

Berlin, den 21. Januar 2009

Elmar Altvater, Ellen Brombacher, Christine Buchholz, Erkan Demirtas, Paul Grasse, Victor Grossman, Harri Grünberg, Kurt Gutmann, Klaus-Dieter Heiser, Klaus Höpcke, Pia Imhof-Speckmann, Sascha Kimpel, Hermann Klenner, Ralf Krämer, Monika Merk, Hans Modrow, Kurt Neumann, Mischa Olbrisch, Carola Radigk, Marianna Schauzu, Andreas Schlüter, Lucia Schnell, Werner Schulten, , Andreas Wehr, Irmgard Wurdack Weitere UnterstützerInnen: Dietrich Antelmann, Adelheid Barnickel, Phil Butland, Said Essaid, Ruth Fischbach, Edwin Fischer, Benedikt Frank, Georg Frankl, Barbara Fuchs, Ursula Grabowski, Wolfgang Grabowski, Michael Groß, Issam Haddad, Khaldoun Halalo, Andreas Hallbauer, Dieter Hetzel, Jens-E. Jahn, Brian E. Janßen, Brigitte Jaschke, Hanna Jolly, Kate P. Katzenstein-Leiterer, Mary Killian, Michael Klein, Dieter Klengel, Wulf Kleus, Heidi Kloor, Carla Krüger, Lydia Krüger, Ralf Otto Lang, Piotr Luczak, Hamdan Mahmoud, Walter Mayer, Dietmar Müller, Reuven Neumann, Rosemarie Nünning, Christian Oberthür, Rudolf Palmer, Wolfgang Preller, Rudolf Reddig, Gideon Reifenberg, Sara Reifenberg, Michael Rohr, Katharina Rolfes, Frank Schelm, Cathrin Schütz, Bernhard Schulz, Carsten Schulz, A. Sepperer, Andreas Steike, Regina Sternal, Ibrahim Taha, Achim Wahl, Eduard van der Wal, Jürgen Weckesser, Erika Wegener, Elena Woltemade, Arslan Yilmaz, Funda Zillinger Berlin, den 5. Februar 2009

Die Rede Klaus Lederers ist hier nachzulesen: http://www.sozialistische-linke.de/cms/upload/Gaza-Krieg/20090111_Rede_Klaus_Lederer.pdf

Mitteilungen des Sozialpolitischen Arbeitskreises März 2009 Seite 14 Hartz IV Nachrichten Informationen des Hartz IV Arbeitskreises

Links wirkt – auch in der LINKEN

Der Leitantrag „Gute Arbeit! Gute Bildung! Gute Rente! – Eine starke LINKE für Berlin“ zum Landesparteitag am 6.12.08 enthielt zu Hartz IV die Passage:

„Kernthemen der LINKEN sollen die Hauptforderungen des Wahlprogramms bilden und als Themen die Wahlkampagne auf der Bundesebene prägen: a. Kampf für einen gesetzlichen Mindestlohn, die Überwindung von Hartz IV und gegen prekäre Arbeitsverhältnisse – Für gute Arbeit!, b. Zugang zu besserer Bildung für alle – Für gute Bildung! c. Kampf gegen den Renteneintritt erst mit 67 – Für gute Rente!, d. Beendigung der Auslandseinsätze der Bundeswehr und weitere Themen, die mit der Partei in den jeweiligen Bevölkerungsgruppen verbunden werden. Die Partei DIE LINKE kann mehr gewinnen, wenn sie stärker darauf achtet, bei Themen wie Mindestlohn, prekärer Beschäftigung und Niedriglöhne oder sozialer Absicherung gegen Armut herauszustellen, dass es sich hierbei um gesellschaftliche Bereiche handelt, in denen vor allem Frauen diskriminiert und ihrer eigenständigen Entwicklungschancen beraubt werden.“

Dies war der LAG Hartz IV zu wenig. Deshalb hatte sie den Antrag gestellt, hinter diesen Passus den folgenden Text einzufügen:

„Seit der Einführung von Hartz IV sind gerade die Lebensmittel- und Energiepreise sowie die Gesundheitskosten spürbar gestiegen. Hartz IV bedeutet mehr denn je Armut per Gesetz. Die Anhebung des Regelsatzes auf 435 Euro ist deswegen eine dringend erforderliche Sofortmaß- nahme. Der Landesverband Berlin wird in Umsetzung des Parteivorstandsbeschlusses eine bundesweite Unterschriftensammlung für eine Bundestagspetition mit folgenden Punkten initiieren: • sofortige Anhebung des Regelsatzes auf mindestens 435 Euro • jährliche Anpassung der Regelsätze an die Entwicklung der Lebenshaltungskosten • Abschaffung aller Sanktionen und Strafen, die zur Folge haben, dass ein menschenwürdiges Existenzminimum unterschritten wird.“

Dieser Antrag der LAG wurde an den Landesausschuss überwiesen. Anstelle des von der LAG vorgeschlagenen Textes wurde der folgende Text zusätzlich in den Leitantrag übernommen und beschlossen:

Mitteilungen des Sozialpolitischen Arbeitskreises März 2009 Seite 15 Hartz IV Nachrichten Informationen des Hartz IV Arbeitskreises

„Gerade angesichts der bevorstehenden Wahlen muss DIE LINKE öffentlich als die Interessen- vertreterin der sozial Benachteiligten und als Partei der sozialen Gerechtigkeit stärker wahrgenommen werden. Die Berliner LINKE wird deshalb bundesweite Kampagnen zur Über- windung der Hartz IV Gesetzgebung und bis zur Erreichung dieses Zieles zur Veränderung der sozialpolitischen Ausrichtung von Hartz IV anstoßen.“

Der Landesausschuss fasste am 9.1.09 einstimmig folgenden Beschluss:

„Seit der Einführung von Hartz IV sind gerade die Lebensmittel- und Energiepreise sowie die Gesundheitskosten spürbar gestiegen. Hartz IV bedeutet mehr denn je: Armut per Gesetz. Die Anhebung des Regelsatzes auf 435 Euro ist deswegen eine dringend erforderliche Sofortmaß- nahme. Für eine Massenpetition an den Deutschen Bundestag mit nachfolgenden Punkten sollen bun- desweit Unterschriften gesammelt werden: - sofortige Abhebung des Regelsatzes auf mindestens 435 Euro - jährliche Anpassung der Regelsätze an die Entwicklung der Lebenshaltungskosten - Abschaffung aller Sanktionen und Strafen Der Landesvorstand wird aufgefordert, sich gegenüber dem Parteivorstand für die Initiierung ei- ner solchen Kampagne einzusetzen.“

Der Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft Hartz IV zur Interessenvertretung der Erwerbslo- sen und prekär Beschäftigten in der Partei DIE LINKE. Landesverband Berlin, Werner Schulten erklärt dazu: „Bereits auf ihrem Landesparteitag im Dezember hat sich die Berliner LINKE klar für die Abschaffung von Hartz IV ausgesprochen. Bis zur Erreichung dieses Zieles wird sie sich für die Veränderung der sozialpolitischen Ausrichtung von Hartz IV einsetzen. Der gest- rige Beschluss ist auch eine klare Absage der Berliner LINKEN an jene Kräfte in der Partei, die sich mit einer Art „Hartz IV light“ zufrieden geben wollen. Konzepte, die wei- terhin Sanktionen und Strafen für Erwerbslose vorsehen, wie die Vorlage von Klaus Ernst, wird es mit der Berliner LINKEN nicht geben. Wir wenden uns gegen jede Form von Arbeitszwang.“

Mitteilungen des Sozialpolitischen Arbeitskreises März 2009 Seite 16 Hartz IV Nachrichten Informationen des Hartz IV Arbeitskreises

Die BVV-Linksfraktion beim Hartz IV Arbeitskreis von Axel Gödel Zur Sitzung des Hartz IV-Arbeitskreises am 10. Februar 2009 erschien geschlossen die gerade zum 1. Januar 2009 gegründete BVV-Linksfraktion, bestehend aus Hans-Ulrich Riedel, Nurda Tazegül und Wolfgang Tillinger. Ziel des Treffens war ein Gedankenaustausch rund um Hartz IV und die Auslotung der begrenzten Möglichkeiten, im kommunalpolitischen Rahmen hier zu wirken. Hierzu war auch das JobCenter-Beiratsmitglied, Elisabeth Miklitz, geladen. Zunächst entwickelte sich eine sehr kontroverse Debatte um die Thematik, was nach Hartz IV kommt. Einig war man sich in dem Punkt, dass DIE LINKE bis zum heutigen Tage kein schlüs- siges Konzept weder erarbeitet noch beschlossen hat. Hier wurde der innerparteiliche Diskussi- onsbedarf deutlich, der auch die Anwesenden betraf. Hans-Ulrich Riedel sprach, durchaus zu Recht die Probleme an, die einige Forderungen der LINKEN mit sich bringen. So warf er z.B. ein, dass der geforderte Mindestlohn sich an Stundenlöhnen orientiert. Dies führt jedoch, in Zeiten von verbreiteter Teilzeitbeschäftigung bei vielen Menschen nicht zu existenzsichernden Löhnen.

Die Konzepte, die der Genosse Riedel dem entgegensetzte, trafen jedoch bei vielen Anwesen- den auf wenig Verständnis. So führte er das magische Viereck an, das zu Zeiten des „rheini- schen Kapitalismus“ funktionierte, von anderen aber als bürgerlich und unzeitgemäß betrachtet wurde. Fazit: Die innerparteiliche Zerrissenheit, für die auf bundespolitischer Ebene Klaus Ernst und Katja Kipping stehen, gibt es auch im Bezirksverband Charlottenburg-Wilmersdorf. Auch hier besteht Einigkeit nur darin, dass Konzepte benötigt werden und Hartz IV weg muss. Schließlich berichtete das Mitglied des JobCenter-Beirats Elisabeth Miklitz von ihrer rein ehren- amtlichen Tätigkeit, die sie hier als GEW-Vertreterin ausübt. Sie führte das Problem an, dass die JobCenter-Beiräte keinerlei Entscheidungs- oder Kontrollbefugnis haben sondern lediglich beraten könnten und sich hin und wieder positiv für Einzelfälle einsetzten. Deshalb diskutieren die Gewerkschaften auch über einen Rückzug aus den Beiräten.

Es wurde vereinbart, dass der Kontakt zwischen Elisabeth Miklitz und den Bezirks-verordneten aufrecht erhalten wird, um Informationen auszutauschen und so die Arbeit des JobCenters par- lamentarisch besser im Blick behalten zu können.

Des Weiteren berichtete der Genosse Tillinger von den Vorbereitungen für den vom Bezirksver- band geplanten Hartz IV-Aktionstag am 14. März auf dem Mierendorffplatz. Hier wird sich der Arbeitskreis mit einem Informationsstand einbringen und versuchen, einen Rechtsanwalt für Be- ratungen zu gewinnen.

Außerdem wird sich die BVV-Linksfraktion auf einer Klausurtagung speziell mit dem Thema Hartz IV befassen. Auch hieran wird sich der Arbeitskreis beteiligen.

Fazit der Veranstaltung: Der konstruktive Kontakt der seit längerem zwischen dem Arbeitskreis und den LINKEN Bezirksverordneten besteht, konnte vertieft werden. Trotz einiger unterschied- licher Auffassungen ist eine fruchtbare Zusammenarbeit möglich und es sollte eine Fortsetzung solcher gemeinsamen Sitzungen geben.

Mitteilungen des Sozialpolitischen Arbeitskreises März 2009 Seite 17 Hartz IV Nachrichten Informationen des Hartz IV Arbeitskreises

Schlechter Ersatz eines Antrags des Hartz IV Arbeitskreises von Dieter Hetzel

An die Mitgliederversammlung des Bezirks Charlottenburg-Wilmersdorf am 10.02.09 hatte der Hartz IV Arbeitskreis den folgenden Antrag gestellt:

„Der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf fordert die Partei auf a) die Forderung nach einem verbindlichen Mindestlohn und b) die Forderung nach einer Erhöhung der Hartz IV-Bezüge auf deutlich über 400 € zu den zentralen Wahlkampfthemen für die Bundestagswahlen 2009 zu machen. Der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf fordert den Landesvorstand auf, sich diese Forderung zu eigen zu machen.“

Wie man sieht, macht der Antrag bewusst keine Angaben über die Höhe des Mindestlohns und der Hartz IV-Bezüge. Dies soll den Wahlkampfstrategen der Partei überlassen werden.

Den Teilnehmern der Mitgliederversammlung lag dann ein nicht angekündigter „Ersetzungsan- trag“ von Hans Ulrich Riedel zu diesem Antrag vor, der sich nicht auf die Wahlkampfthemen 2009 bezieht. Die Mitgliederversammlung beschloss, die Behandlung beider Anträge auf die Mitgliederversammlung am 10.03.09 zu vertagen.

Während in der ursprünglichen Fassung des Antrag von Hans Ulrich Riedel nur der Bezirksver- band aufgefordert worden war, werden in einer jetzt vorliegenden neuen Fassung des Antrags alle Gremien der Partei aufgefordert,

„trotz der anstehenden Wahlkämpfe die inhaltliche Diskussion über die zukünftige Ausgestal- tung des Sozialstaates kritisch weiterzuführen, und nicht vorschnell Festlegungen zu treffen, ohne langfristige Auswirkungen ausreichend zu berücksichtigen.“

Der „linke Unternehmer“ Hans-Ulrich Riedel möchte offensichtlich nicht, dass die vom Hartz IV Arbeitskreis gestellten Forderungen zentrale Wahlkampfthemen der LINKEN für die Bundes- tagswahlen 2009 werden. Diese gehören für ihn offensichtlich zu den „vorschnellen Festlegungen“, die man vermeiden muss. Inhaltlich bietet Riedels Antrag wahrlich nichts Neues. Derartige Berechungen sind bereits vielfach publiziert worden. Die Ergebnisse sind ähnlich. Sie differieren abhängig von der jeweiligen Berechnungsgrundlage geringfügig.

Damit der Antrag des Hartz IV Arbeitskreises in der MV nicht behandelt wird, versucht er Äpfel durch Birnen zu ersetzen, und stellt einen „Ersetzungsantrag“. Würde der Antrag des Hartz IV Arbeitskreises nämlich beschlossen werden, so würde dies ihm und einigen anderen nicht ge- fallen, würde er jedoch abgelehnt werden, so könnte dies Missfallen innerhalb und außerhalb des Bezirksverbands hervorrufen.

Mitteilungen des Sozialpolitischen Arbeitskreises März 2009 Seite 18 Hartz IV Nachrichten Informationen des Hartz IV Arbeitskreises

Als zusätzlicher Antrag würde der Antrag von HU Riedel vermutlich breite Zustimmung finden. Er kann jedoch den Antrag des Hartz IV Arbeitskreises keinesfalls ersetzen.

Änderungs- und Ersetzungsanträge werden in der Landessatzung nur in Zusammenhang mit dem Landesparteitag erwähnt. Bei diesem entscheidet eine Antragskommission darüber, wel- che Anträge behandelt werden. Wir sind aber nicht der Landesparteitag, sondern der Bezirks- verband Charlottenburg-Wilmersdorf. Jedes Mitglied des Bezirksverbands kann m.E. mit Fug und Recht erwarten, dass ein von ihm eingebrachter Antrag unverändert der Mitgliederver- sammlung vorgelegt wird. Dies scheint der Bezirksvorstand anders zu sehen. Sollte der Be- zirksvorstand auf seiner Sichtweise bestehen, so kann man diese Frage ja auch durch die der Schiedskommission klären lassen.

Konstituierende Versammlung der BAG Hartz IV am 6. März 2009 in Berlin

Im vergangenen Monat haben Mitglieder aus mehreren Landesarbeitsgemeinschaften die

Bundesarbeitsgemeinschaft Hartz IV zur Interessenvertretung der Erwerbslosen und prekär Beschäftigen in und bei der Partei DIE LINKE (BAG Hartz IV) gegründet.

Die konstituierende Versammlung der Mitglieder der BAG begann um 13:30 Uhr im Haus der Demokratie und Menschenrechte. Mit fast 90 Teilnehmern war sie sehr gut besucht. Mehr als 40 Teilnehmer waren zu diesem Zweck extra aus anderen Bundesländern nach Berlin gekom- men. Die Bundestagsabgeordneten Klaus Ernst, Katja Kipping und Elke Reinke waren als Gäste der Mitgliederversammlung mit Redebeiträgen vertreten.

Von der Mitgliederversammlung wurden zunächst die Satzung und die Gründungserklärung be- raten und beschlossen. Anschließend wurde ein 16köpfiger SprecherInnenrat gewählt.

Eva Bernhardi aus Bayern wurde als 1. Sprecherin und Werner Schulten aus Berlin als 1. Sprecher gewählt. Aus Berlin ist u.a. auch Ulrich Thom im SprecherInnenrat.

Siehe auch: www.hak-dielinke-berlin.de/lagh4-berlin.htm www.hak-dielinke-berlin.de /bagh4.htm

Mitteilungen des Sozialpolitischen Arbeitskreises März 2009 Seite 19

Termine Termine des Sozialpolitischen Arbeitskreises Datum, Zeit Ort Inhalt

17.03.09, 19 Uhr Galerie Terzo Mondo Mitgliedertreffen 31.03.09, 19 Uhr Galerie Terzo Mondo Mitgliedertreffen Veranstaltung „Die neue Sekundar- 14.04.09, 19 Uhr Galerie Terzo Mondo stufe – Reform oder Sackgasse“ Termine des Hartz IV Arbeitskreises Veranstaltung 10.03.09, 19 Uhr Galerie Terzo Mondo “Missstände in Berliner Jobcentern“ 24.03.09, 19 Uhr Galerie Terzo Mondo Mitgliedertreffen 07.04.09, 19 Uhr Galerie Terzo Mondo Mitgliedertreffen 21.04.09, 19 Uhr Galerie Terzo Mondo Mitgliedertreffen Das Terzo Mondo befindet sich in der Grolmanstr. 28 (zwischen Savignyplatz und Ku-Damm, an der S-Bahn-Brücke) in Charlottenburg Termine des Bezirksverbands der LINKEN Charlottenburg-Wilmersdorf Wahl des BT-Direktkandidaten und 11.03.09, 19 Uhr Rathaus Charlottenburg Wahlen zur Vertreterversammlung Charlottchen, Diskussionsveranstaltung “Alle reden 19.03.09, 19 Uhr Droysenstr. 1/ Ecke Gervinusstr. von Krise“ mit Dr. Mario Candeias 08.04.09, 19 Uhr Rathaus Charlottenburg

Weitere Termine 18.03.09, 19 Uhr jW-Ladengalerie, Torstr. 6, „Gegen Demokraten helfen nur Nähe Rosa-Luxemburg-Platz Soldaten …!“ – Lieder und Texte aus der Revolution von 1848 19.03.09, 19 Uhr jW-Ladengalerie, Torstr. 6, Fidel Castro – Die Geschichte wird Nähe Rosa-Luxemburg-Platz mich freisprechen 20./21.03.09 Marie-Elisabeth-Lüders-Haus, Konferenz der BT-Fraktion DIE Adele-Schreiber-Krieger-Straße LINKE „Linke Auswege aus der Krise“ 27.03.09, 19 Uhr IG Metall-Haus, 5. Stock, Auftaktveranstaltung „Aktiv werden Alte Jakobstr. 149, Kreuzberg für linke Alternativen gegen die Krise“ 28.03.09, 12 Uhr Rotes Rathaus Demonstration „Wir bezahlen nicht für eure Krise“ 15 Uhr Gendarmenmarkt Abschlusskundgebung

Impressum Herausgeber: Sozialpolitischer Arbeitskreis (SAK) im Bezirksverband Charlottenburg-Wilmersdorf der Partei DIE LINKE. Redaktion: Marianna Schauzu, Dieter Hetzel V.i.S.d.P. Dieter Hetzel Erscheint 6- bis 12mal im Jahr. Gedruckte Auflage: 40 Exemplare. Die PDF-Version des Mitteilungsblatts wird den Mitgliedern des Bezirksverbands per E-MAIL zugestellt. Die in diesem Mitteilungsblatt veröffentlichten, namentlich gekennzeichneten Beiträge unterliegen der Verantwortung der Autoren und stellen nicht notwendigerweise die Meinung des SAK dar.

Mitteilungen des Sozialpolitischen Arbeitskreises März 2009 Seite 20 Dokumente (nur in der elektronischen Ausgabe)

DIE MACHER HINTER DEN KULISSEN: WIE INSM, BERTELSMANN UND ANDERE NETZWERKE DEUTSCHLAND REGIEREN Referat von Andreas Steike im SAK am 3. Februar 2009 Die Geld- und Machteliten der USA verfügen inzwischen in einem beängstigenden Ausmaß über die Bedingungen der Verteilung der Reichtümer dieser Welt. Gegliedert ist diese Ober- schicht wie folgt: PRIVATE WEALTH: Den innersten Kern bilden die Superreichen: Sie unterscheiden sich von den Reichen dadurch, daß sie in keinerlei Gefahr schweben, ihre Vermögen durch irgendwelche Umstände plötzlich zu verlieren. Im Gegensatz zu den Reichen können die Superreichen absolut ruhig schlafen. Ihre Vermögen sind so riesig, so weit verzweigt, so gut platziert, auch so gut versteckt, dass dieser Planet schon zerplatzen müsste, damit auch sie nur noch im Hemd dastünden (Ferdinand Lundberg, Die Reichen und die Superreichen). Lässt man einmal die Frage beiseite, wo sie ihren Hauptwohnsitz haben, verfügt das reichste halbe Prozent der U.S. Bevölkerung über einen größeren Anteil am nationalen Reichtum als die unteren 90 Prozent, und die reichsten 10 Prozent verfügen über dreiviertel des gesamten Reichtums. Und mit diesem Reichtum geht außerordentliche soziale Macht einher - die Macht, Politiker, Publizisten und Professoren einzukaufen, die Macht, die Politik des Gemeinwesens ebenso wie die Politik der Konzerne zu diktieren. CEOs Den ersten Ring um den Kern der Superreichen nennen wir den CEO-Komplex: Die Chief Executive Officers aus Industrie und Finanz sind vorrangig mit der Mehrung und Verwaltung des Vermögens der Superreichen beschäftigt und wissen ihrerseits viele Multimillionäre unter sich. Als Spitzenmanager großer Unternehmen, Versicherungen, Investmentfonds usw. bilden sie zusammen mit den Superreichen den magischen Zirkel der oberen Zehntausend. Diese Zahl ist seit Jahrzehnten konstant geblieben, auch wenn andere diese Gruppe betreffende Zahlen unablässig steigen. 419mal mehr als seine Arbeiter verdient im Durchschnitt der CEO eines großen amerikanischen Konzerns: 10.7 Millionen Dollar jährlich. Sein Gehalt stieg bei- spielsweise 1998 um 36 Prozent, der Lohn eines Facharbeiters um 2.7 Prozent (Geneva Overholser, International Herald Tribune). "Statt die Reichen zu besteuern, borgt die Regierung von ihnen, und bezahlt für dieses Privileg auch noch Zinsen. Auch jeder Konsumentenkredit macht die Reichen reicher. Wer bei stagnie- renden Löhnen und Gehältern seine VISA-Karte benutzt, um über die Runden zu kommen, füllt mit jeder Monatsrate die Brieftaschen der großen Kreditgeber im Hintergrund. Kein Wunder also, dass Reichtum auf spektakuläre Weise ganz oben zusammenfließt." (Doug Henwood, Wall Street) Schon 1960 hatte Dwight D. Eisenhower vor ihrer Kollaboration mit den anderen CEOs ge- warnt: "Die Verbindung eines riesigen Militärestablishments mit einer gewaltigen Rüstungsindustrie ist eine neue Erscheinung in der Geschichte Amerikas. POLITICAL CLASS Den zweiten Ring um das Zentrum des Private Wealth bevölkert die politische Klasse im wei- testen Sinne. Dazu gehören nicht nur die Spitzen der Regierung, der Parteien usw., sondern auch andere Gruppen, die mit politics befasst sind: Verbandsfunktionäre, Rechtsanwälte, politi- sche Beamte und die maßgeblichen Medienleute. Sie vermitteln auf die eine oder andere Weise zwischen den oberen Zehntausend und der restlichen Gesellschaft, den Massen. Sie halten das ganze System einigermaßen stabil und mehren nicht nur den Wohlstand der Superreichen, sondern kümmern sich, trotz ständiger Umverteilung von unten nach oben, auch um ein Mini- mum an Verteilungsgerechtigkeit. Denn dieses ist die ureigenste Aufgabe der politischen Klasse.

Mitteilungen des Sozialpolitischen Arbeitskreises März 2009 Seite 21 Dokumente (nur in der elektronischen Ausgabe)

Der Enron-Skandal hat hier großen Schaden angerichtet. Er ist ein zentrales Ereignis in der US- Elitengeschichte und spielt zwischen CEOs und besagter politischer Klasse. Ken Lay, der ent- ehrte Chef von Enron, hatte Bush-Sohn während des Wahlkampfs nicht nur seinen corporate jet, sondern auch viel soft money zur Verfügung gestellt. Ken Lay wählte die Spitzenleute des Energieministeriums aus und gründete mit Dick Cheney (bis 2000 Topmanager der Ölfirma Hal- liburton) jene energy task force, die eine neue Energiepolitik entwickeln sollte. Lawrence Lindsay, Bushs Chefberater in Wirtschaftsfragen, kam aus dem Dunstkreis der Enron- Connection, auch Finanzminister Paul O'Neill, desgleichen Robert Zoellick, Bushs Federal Trade Representative, und der Bürochef des Weißen Hauses, Karl Rove. Verfassungspolitisch ist der Enron-Skandal gravierender als Watergate. SUPPORTING CLASSES Den Außenring um die oberen Zehntausend und die politische Klasse schließlich bildet die Schicht der Technokraten und Dienstleister: Dieses Heer von Beratern, Experten, Helfern aus allen Bereichen der Gesellschaft (Wissenschaft, Medien, Kultur, Technik usw.) geht in die Milli- onen. Hier finden sich auch viele Angehörige der Mittelschichten - Facharbeiter und Angestellte - als dienstbare Geister, als Chauffeure, Physiotherapeuten, Köche, Sicherheitspersonal. Ro- bert Reich, Clintons erster Arbeits- und Sozialminister, hat diesen Trend zu einer 'Dienstboten- gesellschaft' am Hofe der Superreichen unter dem Titel The Care and Feeding of the Rich anschaulich beschrieben. MEETING PLACES • Treffpunkt der Machteliten ist beispielsweise The Bohemian Grove, ein nur auf Einladung zugängliches Sommerrefugium für die reichsten und mächtigsten Männer Amerikas im Nor- den San Franciscos, wo man unter sich bleibt und wo auch Präsidentschaften ausgehandelt wurden. • Das Council on Foreign Relations, die mächtigste, seit 1921 bestehende private Denkfabrik der amerikanischen Außenpolitik stellt mit seinen rund 3000 Mitgliedern so etwas wie eine geistige Ressource für den Machterhalt des Establishments dar. Das CFR gibt das Journal Foreign Affairs heraus. "Rufen Sie nicht an, wenn sie Mitglied werden wollen, man wird Sie anrufen. Und warten Sie nicht auf den Anruf, wenn sie nicht wirklich reich sind, Erfahrung in nationalen Sicherheitsfragen oder mit der CIA haben, wichtige politische Interessen vertre- ten oder in den Medien mitreden." (Laurence Shoup / William Minter, Imperial Brain Trust: The Council on Foreign Relations and Foreign Policy) • Die Bilderberg Group, 1954 in Holland gegründet, gehört zu den Vereinigungen, an denen sich die Phantasie der Verschwörungstheoretiker besonders entzündet. Die Liste der be- kannten Mitglieder (die Amerikaner unter ihnen gehören meist auch dem CFR an) ist lang und schließt z.B. George Bush Sr., Bill Clinton und Tony Blair ein. "By now Bilderberg is a symbol of world management by Atlanticist elites." (Anthony Sampson) • Die Trilateral Commission ist z.T. aus der Bilderberg Group hervorgegangen. Nach einer Befragung von 100 der 325 'Trilateralisten' befand Professor Stephen Gill, York University in Toronto, schon 1991: 1) der Einfluss Amerikas ist durch seine internationalistische, Europa und Japan einbindende Politik und die größere Mobilität des Kapitals enorm gewachsen; 2) 'transnationale Kapitalisten' können die vorherrschenden politischen und ökonomischen Trends und die enormen Fortschritte in der globalen Kommunikationstechnologie viel besser nutzen; 3) Gruppen wie das CFR, die Trilateral Commission und Bilderberg machen große Anstrengungen, Spitzenintellektuelle zu kooptieren, um so die Ideen des Internationalismus, des Freihandels und einer Neue Weltordnung in der öffentlichen Meinung durchzusetzen. • Über die großen amerikanischen Stiftungen - allen voran die Carnegie, Ford und Rockefeller Foundations - wird an verschiedenen Stellen zu berichten sein. Bereits 1958 schrieb René A. Wormser: "In den Händen dieser vernetzten und sich selbst verewigenden Gruppe ist un- vergleichliche Macht konzentriert. Anders als Unternehmensmacht, wird sie nicht durch Aktionäre, anders als Regierungsmacht, wird sie nicht durch Parlamente, anders als Kir- chenmacht, wird sie nicht durch einen festen Wertekanon kontrolliert."

Mitteilungen des Sozialpolitischen Arbeitskreises März 2009 Seite 22 Dokumente (nur in der elektronischen Ausgabe) http://www.uni-muenster.de/PeaCon/global-texte/g-m/n/uselites.htm H.J. Krysmanski Direkte politische Einflussnahme am Beispiel PNAC: Project for the New American Century Projekt für das neue amerikanische Jahrhundert, ist eine US-amerikanische neokonservative Denkfabrik. Das PNAC bildet einen Teil eines weitreichenden neokonservativen Netzwerks von Denkfabri- ken, Medien, Bildungseinrichtungen, Stiftungen und Werbe- bzw. PR-Agenturen. Das PNAC vertritt u. a. folgende Thesen: • US-amerikanische Führerschaft ist sowohl gut für die Vereinigten Staaten von Amerika als auch für die ganze Welt. • Eine solche Führerschaft erfordert militärische Stärke, diplomatische Energie und Hingabe an moralische Prinzipien. • Eine multipolare Welt hat den Frieden nicht gesichert, sondern stets zu Kriegen geführt. • Die Regierung der Vereinigten Staaten soll Kapital schlagen aus ihrer technologischen und wirtschaftlichen Überlegenheit, um durch Einsatz aller Mittel - einschließlich militärischer - unangefochtene Überlegenheit zu erreichen. Wenn Diplomatie gescheitert sei, seien Militäraktionen ein akzeptables und nötiges Mittel (Carl von Clausewitz). Das PNAC befürwortet die weltweite Errichtung dauerhafter eigener Militärstützpunkte, um die USA weitestgehend unangreifbar zu machen. Als „Weltpolizist” (bzw. „Welt-Ordnungs-Hüter”) hätten die Vereinigten Staaten die Macht, in einer chaotischen „hobbesianischen” Welt für die Einhaltung von Recht und Gesetz gemäß den von den USA ge- setzten Maßstäben zu sorgen - wenn es sein muss, auch ohne Absprache mit oder Rücksicht- nahme auf Verbündete und andere supranationale Organisationen, Verträge und sonstige Rechtsverbindlichkeiten (Unilateralismus). Vorsitzender des PNAC ist der Publizist William Kristol, Herausgeber des „Weekly Standard” und ehemaliger Herausgeber des Commentary Magazine. Gegenwärtige und ehemalige Mitglieder sind unter anderem auch Mitglieder der Bush-Regierung: • Vizepräsident Dick Cheney • der ehemalige Verteidigungsminister Donald Rumsfeld • sein ehemaliger Stellvertreter und Ex-Weltbank-Direktor Paul Wolfowitz • Vize-Außenminister Richard Armitage • der einstige Präsidentenberater Richard Perle • der ehemalige Staatssekretär und ehemalige Botschafter bei der UNO John R. Bolton • der ehemalige Stabschef des Vizepräsidenten Lewis Libby • der Direktor der Drogenaufsichtbehörde William J. Bennett • Zalmay Khalilzad, der spätere US-Botschafter in Afghanistan Zu den weiteren Mitglieder gehören Jeb Bush, der ehemalige Gouverneur von Florida und Bru- der des Ex-Präsidenten George W. Bush, der ehemalige CIA-Direktor James Woolsey sowie der Politologe Francis Fukuyama. Einige der Mitglieder werden, u. a. wegen ihrer Befürwortung militärischer Konfliktregulierung, oftmals als „Falken” bezeichnet. Als Executive Director des PNAC fungieren und mit mehreren Publikationen aufgetretenen Ge- heimdienst-Experten Gary Schmitt, Eliot A. Cohen, Autor des Buches: Soldier, Statesman and Leadership in Wartime, und Thomas Donnelly, mittlerweile vom Rüstungskonzern Lockheed Martin eingestellt. Zu den Unterzeichnern des Statement of Principles des PNAC gehörte 1997 auch Steve Forbes, Herausgeber des Forbes Magazine.

Mitteilungen des Sozialpolitischen Arbeitskreises März 2009 Seite 23 Dokumente (nur in der elektronischen Ausgabe)

Auf seiner Website veröffentlicht das PNAC den Brief von 18 aufrechten Rechten an den damaligen Präsidenten Clinton. Darin wird er offen zum Angriffskrieg gegen den Irak aufgefordert: Kriegs-Lobbyismus 1998. Unterschrieben haben unter anderen Francis Fukuy- ama, Paul Wolfowitz, Richard Perle und der gegenwärtige US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld (Offizielle Website: www.newamericancentury.org). Funktionsweise und Erstellung von Netzwerken am Beispiel Skull & Bones Geheimbünde an den Universitäten werden von manchen Leuten gerne als studentischer Ulk heruntergespielt, aber oft dienen sie ihren Mitgliedern als Karrieresprungbrett in Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Skull & Bones Skull & Bones (Schädel und Knochen) ist eine studentische Geheimgesellschaft an der Yale University (USA), die 1832 von William Huntington Russel gegründet wurde. Russel soll die Idee für eine Studentenverbindung aus Deutschland mitgebracht haben, wo er ein Studienjahr verbracht hatte. Der Geheimbund ist auch unter den Namen "Orden des Todes", "Der Eulogia- nische Club" und "Loge 322" bekannt. Jedes Jahr werden 15 Yale-Studenten aufgenommen, die nach der Initiation als "Bonesmen" (Knochenmänner) bezeichnet werden. Seit 1991 sind in dem Geheimbund auch Frauen als Mitglieder zugelassen ("Boneswomen"). Verschwiegenheit und gegenseitige Hilfe Ein wesentliches Gebot des Ordens ist die Verschwiegenheit, außerdem verpflichten sich die "Bonesmen", sich gegenseitig in ihrer Karriere zu helfen. Ein wesentliches Merkmal der Geheimgesellschaft ist, dass alle anderen Menschen als "Hei- den" oder "Vandalen" bezeichnet werden. Damit grenzt der Geheimbund sich und seine Mitglieder von der übrigen Welt ab, wozu auch die eigene Zeitrechnung dient. Diese Zeitrechnung, S. B. T. (Skull & Bones Time), weicht von der üblichen Zeit an der Ost- küste um fünf Minuten ab. Die Mehrzahl der Mitglieder stammt aus einfluss- und traditionsrei- chen Familienclans mit jeweils einer Reihe von Yale-Absolventen in der Ahnengalerie. Die Gesamtzahl der lebenden "Bonesmen" wird auf etwa 800 geschätzt. Darunter befinden sich einige führende Vertreter in Wirtschaft und Politik wie der Präsident der USA, George W. Bush (Ordensname "Temporary"), dessen Vater George Bush, ehemaliger US-Präsident, sowie G.W. Bushs Konkurrent um die Präsidentschaft 2004, John Kerry. Ein dritter "Bonesman", der es bis zum US-Präsidenten gebracht hatte, war William Howard Taft. http://www.sueddeutsche.de/wissen/566/437311/text/ Auswirkungen daraus auf Deutschland und Europa Obwohl die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung weder den Neoliberalis- mus/Marktradikalismus noch die enge Zusammenschweißung mit der hochriskanten Politik der Vereinigten Staaten von Amerika wünscht, gelingt es einer kleinen radikalen Minderheit, genau diese verheerenden Weichenstellungen durchzusetzen. Wer verstehen will, wie politische und wirtschaftliche Entscheidungen getroffen werden, ist zu- nächst auf die Spitze des Eisbergs verwiesen: Politiker, Verbandsfunktionäre oder Gewerkschaftsführer. Die eigentlichen Beeinflusser und Entscheider befinden sich jedoch hinter der schützenden Fassade der Tagespolitik. Hinter der Fassade befinden sich Netzwerke, die seit Jahrzehnten planmäßig die Eliten beeinflussen und steuern. Sie arbeiten daran, in der Wis- senschaft das Paradigma durchzusetzen, zum Dogma des Marktradikalismus gäbe es keine Alternative. Marktradikalismus: so wenig Staat wie möglich, so viel Markt wie möglich. Die Massenbeeinflussung durch Medien wird zentral in diesem Sinne orchestriert. Was Deutschland betrifft, gibt es zwei Haupt-Stoßrichtungen: 1. die Enteignung des Gemeineigentums, flankiert vom Marktradikalismus. 2. die Anbindung Deutschlands und Eu- ropas an die USA.

Mitteilungen des Sozialpolitischen Arbeitskreises März 2009 Seite 24 Dokumente (nur in der elektronischen Ausgabe)

Deutschland ist für diese Attacken eine besonders harte Nuß. Hier gilt es, gigantisches genos- senschaftliches, öffentlich-rechtliches, kommunales und staatliches Eigentum zu enteignen und dem Risikokapital zuzuführen. Und das ist noch nicht alles: das Zusammenwirken aus Marktradikalismus und US- Lobbyismus stößt auf eine sich exponentiell entfaltende weltweite Risikokapitalszene, die durch die Fahrzeuge: Clearingstellen, Steueroasen und Internet auf die Dauer jede staatliche Gestaltung zunichte macht. Hedge Fonds, die sog. „Heuschrecken" sind besonders gefährliche Parasiten. Wie macht man das: Entscheidungen erzwingen, die die Mehrheit eines Volkes nicht will? 1. Man installiert ein totalitäres Gewaltregime. Die Mächtigen und Reichen dieser Welt haben das im 20. Jahrhundert an vielen Plätzen dieser Welt ausprobiert. Es zeigte sich bei jenen Laborexperimenten: es ist nicht möglich, die Widersacher restlos zu vernichten und stillzu- legen. Oft erholten sich die Widersacher und kamen gestärkt wieder. Außerdem leisten die Menschen weniger, wenn sie mit offenem Druck gezwungen werden. Stille Obstruktion und Sabotage brachten jedes Terrorsystem auf die Dauer zum Systemzusammenbruch. 2. Man hat daraus gelernt und ist zu dem Schluss gelangt, dass Renditen und sonstige Erträge wirtschaftlicher Tätigkeit in einer Offenen Gesellschaft besser zu erlangen sind. Die Men- schen sind scheinbar frei, ihr Leben selber zu gestalten. Die Menschen sind besser motiviert, und der Output ist entsprechend höher. Und wenn jemand strauchelt, wird er nicht das System verantwortlich machen, sondern ausschließlich sich selber. Wenn nun also kein Weg an der Offenen Gesellschaft vorbeiführt, wie erzwingt man in einer Offenen Gesellschaft Entscheidungen, die die Mehrheit nicht will: 1. Man beeinflusst die Eliten (siehe Grundsätzliches !!!) 2. man manipuliert die Massen durch Kampagnen. Die Gruppen, die diese Wege beschreiten und damit die Öffentlichkeit hintergehen, wissen aber aus leidvoller Erfahrung, was der Volksmund folgendermaßen in Worte zu gießen weiß: „Es ist nichts so fein gesponnen, es kommt doch an das Licht der Sonnen!" Man gründet deshalb ganz offiziell Vereine, Stiftungen und Clubs, und gibt diesen einen wohltätigen Anstrich. Gemeinnützigkeit erleichtert zudem das Eintreiben von Spendengeldern und spart Steuern. I. Pressure Groups in Deutschland Hier gibt es zwei ganz große Tätigkeitsbereiche: 1. das eine ist die Sozialpolitik. Von Infas bis Allensbach sind alle Meinungsforscher in ihren Befragungen zu dem Ergebnis gelangt: die Mehrheit der Deutschen will eine soziale Demokratie. Aus Sozialismus und Kapitalismus sollen die Filetstücke entnommen und zu einem neuen Ganzen zusammengefügt werden. Die kleine mächtige Minderheit der Pressure Groups will aber eine marktradikale Gesellschaft mit so gut wie keinem Staat und freier Fahrt für den Verdrängungswettbewerb zum optimalen Reichtum - auf Kosten der Mehrheit. 2. das andere Gebiet umfasst die deutsche Außenpolitik, oder auch: Bündnispolitik. Die Mehrheit der Deutschen möchte ein unabhängiges Europa, das sich von den „Abenteuern" der USA fernhält, und mit allen Machtblöcken gut auskommt. Die reiche und mächtige Minderheit will jedoch die vollständige Anbindung und unwiderrufliche Verschweißung Europas mit den USA. Das Konzept des Marktradikalismus verkam zur Ideologie: ungeachtet tatsächlicher Entwick- lungen im immer größer werdenden Wirtschaftsraum (Nämlich: durch eben das freie Walten und Wirken der Konkurrenz auf dem Markt der Sieg der Stärksten und damit - immer mehr Mo- nopole und Kartelle) predigte man, der Staat solle sich darauf beschränken, sichere

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Vertragsbedingungen und Schutz vor Diebstahl und anderen Störfaktoren eines freien Ge- schäftslebens zu garantieren: der Nachtwächterstaat wurde und wird gefordert. Diese Politik wurde von vielen Regierungen in den Zwanziger Jahren durchgeführt - mit den be- kannten Effekten: Börsenkrach von 1929, Massenarbeitslosigkeit und Firmenpleiten, besonders im mittelständischen Gewerbe. Die Regierung Roosevelt hat dann eine radikale Kehrtwende herbeigeführt und den Kapitalismus durch Stärkung des Staates und der Genossenschaften vor sich selber gerettet. Zum Leidwesen der Marktradikalen war der Trend der Fünfziger und Sechziger Jahre eindeutig: mehr Staat, mehr soziale Verantwortung; die Ausgegrenzten und Schwachen mitnehmen und teilhaben lassen an den Errungenschaften der Zivilisation. Sowohl die Volksmeinung in den In- dustriestaaten als auch die Mehrheit in den wissenschaftlichen Eliten waren sich einig: zur Integration und zum solidarischen Prinzip gibt es keine Alternative. Der Präsident der USA, Lyndon Baynes Johnson, konnte bei der Präsidentschaftswahl 1964 mit seinem Konzept der „Great Society" beinahe zwei Drittel der Wähler hinter sich bringen. Die Marktradikalen blieben nicht untätig. Sie alarmierten die Eliten - die Reichen und die Mächtigen; und sie konnten erkleckliche Summen zusammenbringen. Allein der Milliardär Richard Mellon Scaife spendierte 600 Millionen Dollar aus seiner Portokasse, um das Ruder herumzureißen. Eine Unzahl von Denkfabriken und Propagandagruppen schoss aus dem Boden. Sie gedie- hen zum Teil auf dem Humus christlichen Volksglaubens, zum Teil auf der Arroganz der Mächtigen und Reichen, die nicht mit den ärmeren Bevölkerungsgruppen teilen wollten. Heute sind die USA flächendeckend überzogen mit neokonservativen, marktradikalen und christlich- fundamentalistischen Netzwerken und Pressure Groups. „Liberal" ist mittlerweile ein Schimpf- wort, und auch die gemäßigteren Demokraten müssen sich auf die Neocons berufen, wenn sie nicht im Abseits landen wollen.

II. Die Marktradikalen planen und agieren weltweit. Sie gehen strategisch vor. Und sie arbeiten ihre Ziele Etappe für Etappe ab. Auch wenn die Marktradikalen schlau genug sind, ihren Fahrplan nirgendwo in vollendeter Deutlichkeit als Do- kument zu hinterlassen, so ist es doch möglich, ihren Fahrplan aufgrund der Gleichförmigkeit, mit der in unterschiedlichen Ländern vorgegangen wird, zu rekonstruieren: 1. Im ersten Schritt muss die kulturelle und wissenschaftliche Vorherrschaft der „Linken" und „Liberalen" gebrochen werden („Kulturelle Hegemonie"). Das heißt: es müssen eigene Denkfabriken errichtet werden, die wissenschaftliche Ergebnisse hervorbringen, die in das marktradikale Weltbild hineinpassen. Multiplikatoren müssen überredet werden, die markt- radikale Botschaft zu den Menschen draußen im Lande zu tragen: Presseleute, Fernsehstars, Schauspieler, Künstler oder auch Sportler müssen überall verkünden, dass es zum Marktradikalismus keine Alternative gibt. Zu diesem Zweck müssen Rundfunk- und Fernsehstationen, Zeitungen und Fachblätter aufgekauft und im Sinne des Marktradikalis- mus umgedreht werden. Ausdrucksformen der 68er Bewegung werden übernommen: Demonstrationen, lockere Netzwerke usw. 2. Wenn es gelungen ist, bei Wahlen eine Regierungsmehrheit zu erkämpfen, wird die neue, marktradikale Regierung sofort damit beginnen, den Staat extrem zu verschulden und da- mit handlungsunfähig zu machen. 3. Ein solcher hochverschuldeter Staat wird sodann den „Sachzwang" anerkennen, dass er, um dem Staatsbankrott zu entgehen, sein durchaus profitables Tafelsilber zu den Bedin- gungen eines Notverkaufs, also für'n Appel und n' Ei, an interessierte „Investorengruppen" verkaufen muss. Nun ist der Staat auch langfristig handlungsunfähig. Denn seine Einkom- mensquellen sind verkauft. 4. Jene politischen Eliten, die von hause aus eher der genossenschaftlichen Bewegung nahe stehen, wie die Sozialdemokratie, sind von dieser verschuldungsbedingten Enteignung

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überrascht worden. Sie haben kein Konzept entwickelt, wie der solidarische Staat durch diese Stürme hindurchnavigiert werden könnte. Dankbar nehmen überforderte Kommunal- und Landespolitiker „Heilungsrezepte" entgegen, die wiederum von marktradikalen Instituten mundgerecht entwickelt worden sind. 5. Auch die mittlerweile wohlhabend gewordene sozialökologische Klientel wird von den Marktradikalen nicht links liegengelassen. Mit auch für Alt-Ökos und Apo-Opas akzeptablen Phrasen wie: „nachhaltiges Wirtschaften" wird der Einstieg ins marktradikale Boot leicht ge- macht. Der Marktradikalismus wurde zur Doktrin der Regierungen Reagan und Thatcher erhoben. Eine bislang nicht gekannte Privatisierungswelle, gekoppelt mit einer absolut obszönen Verprassung von Steuermitteln, machten die Nationen USA und Großbritannien handlungs- unfähig. Die marktradikalen „Therapien" hatten mächtige Staaten zu wehrlosen Geiseln des internationalen Risikokapitals gemacht. Die Erscheinungsformen jener mutwilligen Ver- wahrlosung müssen an dieser Stelle nicht mehr ausgeführt werden. Jedes Jahr brüsten sich die Bundes- und die Landesregierungen erneut, den Bestand an Beamten weiter heruntergefahren zu haben, und die Beamtenarbeit „outgesourceten" pri- vaten Drückerfirmen mit ungesicherten Niedriglohnarbeitern auf Prekariatsniveau übergeben zu haben. Vor den Karren des „schlanken Staats" lassen sich sogar Gegner des Marktradikalismus spannen.

III. Beispiele der Beeinflussung durch Arbeitgebernahe Organisationen 1998 trat der Kampf der Marktradikalen in eine neue Phase. Der Sieg des Rot/Grünen Projekts verunsicherte die deutschen Unternehmer. Nun waren sie bereit, mächtig viel Geld in marktra- dikale Initiativen zu stecken, um das Schreckgespenst einer sozialökologischen Regierungspolitik zu verscheuchen. Unternehmer überließen die Propaganda nicht länger ihren Standesverbänden BDI und BDA. Man stampfte kleine Initiativen aus dem Boden, die mit Anzeigenkampagnen und „Bürgerinitia- tiven" für mehr Markt und weniger Staat werben sollten. Im Mittelpunkt stand die unmittelbare Beeinflussung der Massen. Die Menschen draußen im Lande wurden konfontiert mit dem „Bür- gerkonvent" oder „Deutschland packts an". Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft. Diese Druck-Gruppe wurde vom Arbeitgeberverband Gesamtmetall und der Elektroindustrie aus dem Boden gestampft und mit einem Jahresetat von 10 Millionen Euro gar fürstlich gepolstert. Die Umsetzung dieser Idee wurde der Werbe- Agentur Scholz & Friends anvertraut. Die INSM liefert Anzeigenkampagnen, verfaßt pressereife Artikel mit marktradikaler Weltsicht, die von den personell ausgedünnten Zeitungsredaktionen bereitwillig und unkommentiert als redaktionelle Eigenleistung in die Zeitung übernommen wer- den; die INSM bietet im Internet Unterrichtsmaterialien zum Herunterladen an, die von gestressten Lehrern auch gerne in Anspruch genommen werden. Erkennbar war das Ziel, mithilfe der INSM einer CDU-FDP-Koalition bei der nächsten Bundes- tagswahl zum Sieg zu verhelfen. Schröders Agenda 2010 ist für die INSM-Sponsoren nicht radikal genug. Die INSM schickte marktradikale Professoren in alle denkbaren und undenkba- ren Talkshows, Politikmagazine und andere Anlässe öffentlich verübter Zerstreuung. Sog. „Botschafter" traten auf und warben mit ihrem mehr oder minder guten Namen für den schlan- ken Staat, weniger Löhne und weniger Steuern. Man produzierte zur Bundestagswahlkampagne 2005 sogar einen eigenen Shooting-Star: den Finanzprofessor und früheren Verfassungsrichter Paul Kirchhof. Dieser dröge Zeitgenosse aus besseren Kreisen wurde von Angela Merkel als Super-Finanzminister ausersehen. Kirchhof sollte die Massen be- geistern als neuer Hoffnungsträger, vielleicht als neuer Karl Schiller. Allerdings hatten aufmerksame Mitbürger Kirchhof als marktradikalen Extremisten und rechten Flügelmann der Katholischen Kirche geoutet.Kirchhof hat seinen Teil zur vernichtenden Wahl- niederlage der Marktradikalen im September 2005 beigetragen.

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Denn der Größte Anzunehmende Unfall trat für die Marktradikalen ein: statt eines Erdrutsch- siegs für Schwarz-Gelb gab es eine vollkommen unübersichtliche Situation, aus der überhaupt nur die Große Koalition heraushelfen konnte. Eine Große Koalition zwischen zwei Volkspar- teien, also zweimal eine Partei, die immer nur einen Minimalkonsens widerstreitender parteiinterner Gruppen hervorbringen kann. Die Lähmung ist vollständig. Das Gemurkse um die „Gesundheitsreform" soll als Beispiel genügen. Schon schauen Kapitalistenfunktionäre nostalgisch auf die Tage von Rot/Grün zurück. Die Koa- lition zwischen einer Volkspartei und einer Klientelpartei macht es nämlich den Regierungsmitgliedern aus der Volkspartei immer recht leicht, „unpopuläre Maßnahmen" der ei- genen Gefolgschaft zu erklären. Man sagt: „Es tut uns ja leid, dass wir gewisse Härten mittragen müssen, aber unser kleiner Partner von der Klientelpartei kündigt sonst die Koalition auf, und dann kommen die andern ans Ruder, und die sind noch viel schlimmer, als wir es beim besten Willen jemals sein könnten ..." Nun, eine Lehre hatte man schon aus dem Wahldesaster gezogen: unter der rot/grünen Dikta- tur unter Schröder hatten die diversen aus dem Boden gestampften „Bürgerbewegungen" eine Alarmstimmung und ein Untergangsszenario unter das Volk zu bringen versucht. Das kam nicht gut an. So hatte man bereits vor der Bundestagswahl 2005 eine Positivkampagne kreiert. Ur- sprünglich sollte die Aktion „Du bist Deutschland" jene fest einkalkulierte Regierung Merkel/Westerwelle mit einer Woge von Euphorie umspülen. Unter der Regie des Bertelsmann- Imperiums waren schon die Plakatwände für die gekaufte gute Stimmung gebucht, die Werbe- zeiten bei Fernsehen und Kinos gemietet. Und so flankierte eine große Einswerdung von Prominenten und einfachen Klofrauen, Bäumen und Kohlköpfen, Einwanderern und westfäli- schen Langschädeln die Flitterwochen der grauen politischen Zweckehe von Angela Merkel und Franz Müntefering. IV. Bertelsmann AG/Stiftung Weitaus wirkmächtiger und bislang von öffentlicher Neugier unbehelligt geblieben sind die äu- ßerst effektiven und äußerst gefährlichen Aktivitäten des Bertelsmann-Imperiums. Da ist auf der einen Seite der fünftgrößte Medienkonzern der Welt: die Bertelsmann AG mit insgesamt 600 Einzelfirmen, zusammengefasst in den Säulen: Arvato AG, Gruner und Jahr, dem Fernsehkonzern RTL, dem Druckhaus Bertelsmann und dem Buchclub (der Musik- Konzern BMG wurde gerade veräußert). Und auf der anderen Seite die Bertelsmann-Stiftung. Die Bertelsmann-Stiftung hat wiederum zwei Aufgaben. Zum einen will der noch lebende Alleinherrscher Reinhard Mohn mit der Stiftung die Bertelsmann AG langfristig zusammenhalten. Deshalb hält die Stiftung ca. 60% des Aktienpakets des Medienkonzerns. Über eine weitere Verwaltungsgesellschaft garantiert Mohn, dass auch wirklich alle Fäden bei ihm weiterhin zusammenlaufen. Die andere Funktion der Stiftung besteht in der marktradikalen Umwandlung der Bundesrepu- blik Deutschland, aber auch anderer Länder. Die Bertelsmann-Stiftung vergibt keine Gelder an auswärtige Projekte, sondern plant und führt nur eigene Vorhaben durch. Und die haben es in sich. Denn alles, was die Sozialarchitekten der Bertelsmann-Stiftung ersinnen, kann sodann von dem Medienkonzern Bertelsmann propagandistisch flankiert werden. Die Stiftung will als Deutschlands weitaus größte Denkfabrik direkt Einfluss nehmen auf die Eliten. 400 Millionen Euro Stiftungskapital ermöglichen einen Jahresetat von 64 Millionen Euro. Mit denen kann man über 300 hochqualifizierte Mitarbeiter dauerhaft beschäftigen. Bestens re- nommierte Wissenschaftler entwickeln Techniken, wie sich öffentliche Dienstleistung im Sinne betriebswirtschaftlicher Rechentechnik rentabler als bisher betreiben lässt. Nach dieser Lehre müssen auch Krankenhäuser, Bibliotheken, Schulen und Universitäten in selbständige Wirtschaftsunternehmen umgewandelt werden und sollen sich selber tragen oder Gewinne abwerfen. Und dann kann so ein Dienstleistungsunternehmen ohne weiteres an die Börse geschickt werden.

V. Zweckbündnis zwischen Sozialdemokratie und Bertelsmann. Mitteilungen des Sozialpolitischen Arbeitskreises März 2009 Seite 28 Dokumente (nur in der elektronischen Ausgabe)

Das geht schon auf die späten Sechziger Jahre zurück, als in den meinungsbildenden Zeit- schriften des Bertelsmann-Verlags Gruner und Jahr, besonders im allseits bekannten „Stern", sowie im mit Bertelsmann in wechselnder Weise liierten „Spiegel", die sozialliberale Koalition publizistisch unterstützt wurde. Auch der demoskopische Aufstieg der beiden Emporkömmlinge Gerhard Schröder und Joschka Fischer wurde wesentlich von den Bertelsmann-Medien be- werkstelligt. Schule: NRW unter Johannes Rau: Bertelsmann schob das Projekt „Schule & Co" an. In Zusammenar- beit mit dem Kultusministerium werden mittlerweile etwa 400 Schulen nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten geführt. Dafür wurden aus öffentlichen Mitteln sogar neue Lehrerplanstellen eingerichtet. Diese zusätzlichen Lehrer unterrichten aber nicht, sondern werten die Ergebnisse der betriebswirtschaftlichen Experimente aus. Universitäten: Hier hat die Bertelsmann Stiftung das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) gegründet . Die CHE hat sich frühzeitig mit der deutschen Hochschulrektorenkonferenz kurzgeschlossen. Die HRK ist mittlerweile der eifrigste Parteigänger der Bertelsmann-Ideen. Auch Unis sollen zu eigenständigen Wirtschaftseinheiten werden, die mit anderen Unis als anderen Wirtschaftsein- heiten in einem scharfen Wettbewerb stehen. Nach amerikanischer Marotte sollen Rankings Stärken noch mehr verstärken und Schwächen noch mehr verschwächen. Eine Superliga von „Exzellenz-Universitäten" soll alle Drittmittel aufsaugen und ein graues Heer von Arme-Schlucker-Unis unter sich begraben. Veröffentlicht werden diese Rankings in einer Serie im „FOCUS“. Damit die Unis zu Spekulationsobjekten der Börse werden können, müssen sie natürlich erst einmal in der Lage sein, eine Rendite abzuwerfen. Zu diesem Zweck ist die Einführung von Studiengebühren unerlässlich. Das wird in einem internen Papier der Bertelsmann Stiftung eindeutig zum Ausdruck gebracht. VI. Direkte Einflussnahme Centrum für Auswärtige Politik: Das CAP ist ein Institut innerhalb der Münchner Universität. Jedoch wird es von Bertelsmann finanziert, und sein Institutsleiter, der Professor Werner Wei- denfeld, immerhin Beamter des Freistaats Bayern, lässt sich von der Bertelsmann Stiftung 174 Arbeitstage im Jahr honorieren. Prof. Weidenfeld war enger Berater von Helmut Kohl, und er darf auch heute bei keiner Auslandsreise im Kanzlergefolge fehlen. Es ist schon lange gang und gäbe, dass demokratisch nicht legitimierte private Einrichtungen in Bundesministerien ein- und ausgehen und Gesetze schreiben, die dann von den Politikern nur noch übernommen werden. Die gesamte Agenda 2010 ist von der Bertelsmann Stiftung er- sonnen und formuliert worden. Das Konzept der Zusammenlegung von Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern; das Konzept der Personal-Agenturen - alles Schaumgeburten der Ber- telsmänner und -frauen. Ulla Schmidts Gesundheitsreform: alles schon bis ins letzte vorformuliert im Bertelsmann-Papier: „Eigenverantwortung im Gesundheitswesen". Was in Deutschland noch gewöhnungsbedürftig ist, hat sich in den angelsächsischen Ländern seit Jahrzehnten etabliert: die Public Private Partnership (PPP). Wir erinnern uns: der Staat wird durch eine planvolle Geldverschwendung in den Ruin getrie- ben, zu Notverkäufen gezwungen, und der Staat ist nach dieser „Rosskur" nicht mehr handlungsfähig. In dieser Situation treten - ganz selbstlos und aus Verantwortung für die Ge- meinschaft - private Firmen, Agenturen und Stiftungen auf den Plan, um dem amputierten Staat eine Aktionspartnerschaft anzudienen, um gemeinsam kommunale und staatliche Aufgaben zu bewältigen, für deren Bewältigung der Staat ja alleine nun zu schwach geworden ist. „Nicht nur der gesetzliche Freibrief zum beschleunigten Verkauf des öffentlichen Tafelsilbers ist ein Novum. Auch die Art, wie das Gesetz zustandegekommen ist, offenbart einen, sagen wir: neuen Politikstil. War es nämlich bislang üblich, dass Ministerialbeamte einen Gesetzentwurf

Mitteilungen des Sozialpolitischen Arbeitskreises März 2009 Seite 29 Dokumente (nur in der elektronischen Ausgabe) formulieren und ihn dann an Experten und Parlamentarier zur weiteren Bearbeitung übergeben, so ist dieses ÖPP-Gesetz von der amerikanischen Anwaltssozietät Hogan & Hartson Raue ausgearbeitet worden. Eine Arbeitsgruppe aus vierzig Ministerialen und sechzig Privatjuristen hat diese Vorlage dann in Gesetzesform gegossen ... Immer häufiger werden die internationa- len Anwaltssozietäten als neue Mitspieler beim Gesetzentwicklungsprozess in Berlin eingebunden. Vielmehr: Sie haben sich selber diskret eingebunden. Oftmals formulieren sie kostenlos neue Gesetze. ‚Ihre Handschrift findet sich im Gesundheits- ebenso wie im Energie-, Telekommunikations- oder Arbeitsrecht', schreibt Marcus Rohwetter . Da von diesen privat formulierten Gesetzen häufig die Großkunden eben- dieser Anwaltskanzleien nicht unerheblich profitieren, lohnt sich diese Selbstlosigkeit der Privatjuristen." (Müller, Machtwahn, Seite 121)

VII. Außenpolitik und/oder Bündnispolitik Atlantikbrücke, ACG, Aspen Institute Nachdem in den USA lange Zeit kein Interesse an engeren Bindungen mit anderen Staaten oder Staatenblöcken bestand, wuchs im Ersten Weltkrieg eine neue Elite in den USA heran, die große Zukunftschancen in einem verstärkten außenpolitischen Engagement in allen Winkeln der Welt erblickten. Diese Leute gründeten 1921 den Council on Foreign Relations. Dieser ist - anders als viele Lexikoneinträge künden - weder staatlich noch halbstaatlich, sondern ein Or- gan der US-amerikanischen Großbanken. Dem CFR haben allerdings seither fast alle US- Außenminister angehört. Die Weltöffentlichkeit weiß verhältnismäßig viel über die globalen Taten des US-Ge- heimdienstes CIA. Morde, Entführungen, Folterungen, angezettelte Aufstände und Putschaktionen werden als störend empfunden, da mit Geräusch verbunden. Diese „hard po- wer" ist aber nur ein zahlenmäßig geringfügiger Anteil der Beeinflussung politischer Vorgänge auf dieser Welt im Interesse der US-Oligarchie. Viel wichtiger und nachhaltiger in der Wirkung ist das, was US-Experten als „soft power" bezeichnen. Es macht sich eindeutig mehr bezahlt, die nationalen Eliten zu umgarnen mit Geschenken und Vorteilen aller Art. Sie ganz persönlich an den American Way of Life zu binden. Und genau das ist das Arbeitsgebiet des CFR. Und der CFR unterhält zu diesem Zweck Filialen in 171 Ländern dieser Erde. Da gibt es aber kein Messingschild, auf dem steht: „Filiale des CFR für Guatemala" o.ä. Vielmehr wird der Anschein erweckt, hier handele es sich um einen biederen Honoratiorenclub. So etwas ähnliches wie „Lions Club". So gibt es in Berlin die Atlantikbrücke. Ein mildtätiger Verein, wie er sich da im Internet präsentiert. Diese Vereinigung von netten Damen und Herren aus den besseren Kreisen wurde 1952 von dem Hamburger Privatbankier Erich Warburg und der ZEIT-Herausgeberin Gräfin von Dönhoff gegründet. Der langjährige Präsident der Atlantik- brücke, Arend Oetker, sagte in dankenswerter Offenheit: „Die USA werden von 200 Familien kontrolliert. Wir möchten gerne mit diesen Familien gut Freund sein." Arend Oetker war bis 2005 Präsident der Atlantikbrücke. Abgelöst wurde Oetker durch Thomas Enders, der kurioserweise genau zur selben Zeit auch zum Chef des europäischen Rüstungs- riesen EADS aufstieg. Ehrenpräsident ist Walter Leisler Kiep. Die Liste der veröffentlichten Mitglieder liest sich wie ein Who's Who der deutschen Politik: Helmut Schmidt, Helmut Kohl, Kai Diekmann vom Springer Verlag, Josef Joffe von der ZEIT, Kurt Biedenkopf, Birgit Breuel, Thomas Middelhoff (früher Bertelsmann, jetzt Quelle Karstadt). Aber auch Leute, wo man das nicht erwartet, wie z.B.: Norbert Gansel, Karsten Voigt oder der Grüne Cem Özdemir. Oder der Gewerkschaftsboß Hubertus Schmoldt. Der Europa-Politiker . Der Bundestagsabge- ordnete Eckhart von Klaeden. Die Atlantikbrücke führt junge Führungskräfte aus Europa und USA an schönen Orten in infor- mellem Rahmen zusammen - das Young-Leaders Programm. Daß die Atlantikbrücke jedoch kein harmloser Honoratiorenklub ist, zeigt sich, wenn der Verein zu Spitzengesprächen zwi- schen dem US-amerikanischen Militäroberkommando der USA in Europa und den NATO- Spitzen einlädt. Über diese Gespräche herrscht strenges Stillschweigen.

Mitteilungen des Sozialpolitischen Arbeitskreises März 2009 Seite 30 Dokumente (nur in der elektronischen Ausgabe)

Auf der US-amerikanischen Seite gibt es noch extra ein Gegenstück zur Atlantikbrücke: der American Council on . Die einseitige Abhängigkeitsbeziehung wird schon durch diese Namensgebung deutlich: der „Amerikanische Rat über Deutschland". Der ACG wurde ebenfalls 1952, ebenfalls von Erich Warburg gegründet, zusammen mit dem hochrangigen US- Wirtschaftsjuristen John McCloy, der in jenen Tagen Hochkommissar des zur Bundesrepublik erhobenen Westdeutschland war, und der später Präsident der Weltbank wurde. Im ACG finden sich alle wichtigen Privatbankiers der USA, vereint mit bedeutenden Politikern wie Henry Kis- singer oder Madeleine Albright. Offiziell besteht die Arbeit dieses Rates darin, politische Konferenzen mit bedeutenden Meinungsmachern und Politikern zu organisieren, sowie Nach- wuchskräfte in die vorhandenen Gefolgs- und Seilschaften einzubinden. Joschka Fischer, Joseph Ackermann oder Peter Struck haben ihre Erkenntnisse den US-Bankern in Vorträgen vermittelt. Immer wenn eine deutsche Regierung neu ins Amt gekommen ist, tritt sie wenige Monate nach ihrer Inthronisierung in Washington beim ACG zum Vorsingen an, um den US-Bankiers ihre Ab- sichten für die nächsten Jahre zu erläutern. Am 12. und 13. Januar 2006 stellte sich die Kanzlerin Angela Merkel nebst hochrangigem Anhang den Reichen und Mächtigen der USA vor, und hinterließ einen hervorragenden Eindruck. In einer Abschlußdebatte diskutierten auf dem Podium Markus Ederer aus dem deutschen Auswärtigen Amt und der ehemalige CIA-Chef und jetzige Vizepräsident der Unternehmensberatungsfirma Booz Allen Hamilton, James Wool- sey, über: „A Common Energy Strategy and its Consequences". Zugegen waren: Europa- Abgeordneter Elmar Brok, Eckart von Klaeden, Hans-Ulrich Klose, Michael Naumann, Stefan Kornelius von der Süddeutschen Zeitung, der Nahostexperte Volker Perthes, Alexander Graf Lambsdorff, und unter vielen anderen Celebrities der rauschebärtige letzte DDR-Außenminister Markus Meckel. Doch ein Pro-USA-Verein für Deutschland ist nicht genug. Es gibt außer der Atlantik-Brücke noch das Aspen-Institute mit einer Filiale in Berlin. Das Aspen-Institute hat insgesamt nur noch vier weitere Dependencen außerhalb Washingtons. Das Berliner Aspen Institute betätigt sich als Stifter von Symposien und Seminaren mit prominenten Teilnehmern von beiden Seiten des Atlantischen Ozeans. Neben den üblichen Verdächtigen: Karsten Voigt, Josef Joffe, Klaus Naumann, Helmut Schmidt uva. finden wir noch: Rita Süssmuth, Olaf Henkel, Gerhard Cromme, dann den früheren Kohl-Berater Horst Teltschik, Matthias Döpfner vom Springer Ver- lag, Richard von Weizsäcker, Edzard Reuter, Lothar Späth, oder auch den in der Presse viel gefragten Soziologieprofessor Wolf Lepenies. Und wenn Sie ein Foto des momentanen Direktors des Aspen Institute sehen, dann werden Sie sagen: ach der! Den habe ich doch neulich erst wieder in einer Talkshow gesehen. Jeffrey Gedmin heißt jener telegene Mann, von dem man immer gleich erfährt, daß er „ein Amerikaner in Berlin, obendrein Jude und gläubiger Katholik" sei. Gedmin hat sich in der rechtsextremen Polit-Szene der USA hochgearbeitet: zuerst beim American Enterprise Institute. Dann nahm ihn der allseits gefürchtete Kriegsmakler und Präsidentenberater Richard Perle unter seine großzügigen Fittiche. Immer wieder werden seine „engen Kontakte" zu Henry Kissinger, Benja- min Netanyahu, Maggie Thatcher oder Donald Rumsfeld hervorgehoben. Gedmin ließ sich auch nicht lange bitten, um in Deutschland eine Unterschriftenliste zugunsten der US-amerikanischen Intervention im Irak herumgehen zu lassen. Übrigens: bezahlt wird das Aspen Institute vom deutschen Steuerzahler. Das Auswärtige Amt, der Berliner Senat, das Bundesministerium für Finanzen und die Bundesregierung durch das Transatlantik-Programm finanzieren die amerika- nische Agitation gegen ein selbständiges Europa. Die proamerikanischen deutschen Eliten brauchen eine wissenschaftlich solide Unterstützung durch saubere Recherche. In diesem Zusammenhang ist die 1955 gegründete Deutsche Ge- sellschaft für Auswärtige Politik e.V. ganz hilfreich. Die Amerikaner sind so galant und übersetzen den Vereinsnamen mit: German Council on Foreign Relations. Damit vermitteln sie den Deutschen das wohlige Gefühl, sie hätten ein Institut auf Augenhöhe mit dem New Yor- ker Council on Foreign Relations. Man definiert sich selber als „praxisorientierter Think Tank". Die DGAP kooperiert eng mit dem Institute for International Economics. Das ist ein Gremium aus lauter höchstrangigen Leuten der Bankenszene: David Rockefeller, Jean Claude Trichet,

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Cajo Koch-Weser, Paul O'Neill, Paul Volcker, Jacob Wallenberg, Alan Greenspan oder auch Dennis Weatherstone, seines Zeichens CEO bei Morgan Guaranty Trust. Unter der Präsidentschaft von Arend Oetker gedeihen bei der DGAP drei operative Fachabtei- lungen, die die Agitation deutscher Politiker seriös unterfüttern: erstens die Zeitschrift „Internationale Politik", zweitens ein Forschungsintitut, und drittens ein Bibliotheks- und Do- kumentationszentrum. Im Präsidium sitzen der bekannte Unternehmensberater Roland Berger, sowie Elmar Brok und Peter Ramsauer von der CSU. Im Beirat dann die uns schon bekannten üblichen Verdächtigen aus Atlantikbrücke und Aspen Institute, ergänzt durch die Grüne Bun- destagsvizepräsidentin Antje Vollmer. Unabhängige sachkundige Expertise liefert in diesem Fall die Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik - Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit. Die SWP hält Kontakt zu Experten zu beinahe allen Ländern dieser Erde. SWP Rüstungsleute sitzen, wie z.B. der jetzige Boeing-Lobbyist Horst Teltschik? Auch auf der Kommandobrücke der SWP treffen wir lauter alte Bekannte wieder. Präsident ist der Aufsichts- ratsvorsitzende des Energieriesen e.on, Ulrich Hartmann. Seine Stellvertreter: Thomas de Maiziére aus dem Bundeskanzleramt und Hans-Ulrich Klose. Im Präsidium: Markus Ederer aus dem Auswärtigen Amt, Eckart von Klaeden, Wolfgang Gerhard, Michael Otto; aber auch: die Grüne Kerstin Müller oder Norman Paech für die Linkspartei. Die genannten Politiker sind auf- grund ihrer Mitgliedschaft im Auswärtigen Ausschuß des Bundestages in diesem Beirat.

VIII. Die Transatlantischen Runden Tische : European Round Table of Industrialists. Dieser Runde Tisch wurde 1983 gegründet. Ein handverlesener Kreis von Wirtschaftskapitänen aus handverlesenen europäischen Staaten. Ein bunter Strauß von CEOs aus allen wichtigen Wirtschaftszweigen. Zum inneren Kreis gehören 45 Wirtschaftsbosse, die sich zweimal im Jahr mit ausgesuchten Experten treffen und wichtige Fragen erörtern. Deutschland stellt fünf CEOs für den harten Kern: Wulf Bernotat von der e.on; Gerhard Cromme, ThyssenKrupp; Henning Kagermann, SAP; Klaus Kleinfeld, Siemens, und last but not least Manfred Schneider, Bayer. Das genaue Gegenstück auf amerikanischer Seite ist der Business Roundtable. 1972 aus der Fusion dreier Verbände hervorgegangen, repräsentiert er die Créme der US-Geschäftswelt. Und da es ein zentrales Anliegen der der beiden transatlantischen Runden Tische ist, den Verschmelzungsprozeß beider Wirtschaftsräume zu beschleunigen und somit unwiderrufli- che Tatbestände zu schaffen, hat man noch zwei Einrichtungen gegründet, die in diesem Sinne noch energischer auf die Politiker einwirken sollen. Der Transatlantic Business Dialogue geht auf eine Idee des ehemaligen US-Finanzministers Ron Brown und der beiden EU-Funktionäre Martin Bangemann und Leon Brittain zurück. 1995 fand das erste Treffen in Sevilla statt, das selbstloserweise von Rank Xerox und Goldman Sachs finanziert wurde. Siebzig „Empfehlungen" für das Gipfeltreffen zwischen USA und der EU im Dezember 1995 in Madrid arbeitete man aus, die dann auch eins zu eins von den Europa- Politikern umgesetzt wurden - unter dem Begriff „New Transatlantic Agenda". Der Fluss von Empfehlungen vom TABD zur EU verläuft seitdem reibungslos und vor allem - von der Öffent- lichkeit gänzlich unbemerkt. Transatlantic Policy Network. Das wirkt seit 1992 als Transmissionsriemen zwischen Konzer- nen und Politik. Wobei man sich erkennbar auf das Europa-Parlament konzentriert. Unter den beteiligten Konzernen befindet sich z.B. Boeing, aber nicht EADS oder Airbus. Deutscherseits sind Siemens, SAP, Bertelsmann, Bayer, BASF und Deutsche Bank dabei. Natürlich - so ist man versucht zu sagen - ist auch der Vorsitzende des Außenpolitischen Aus- schusses im Europa-Parlament Elmar Brok von der CDU im Vorstand. Im Beirat findet sich eine bunte Palette von Abgeordneten des Europa-Parlaments, z.B. der französische Sozialist Michel Rocard. Für Deutschland dabei: u.v.a. der frühere Präsident des EU-Parlaments Klaus Haensch von der SPD, Alexander Graf Lambsdorff für die FDP, Hans-Gert Poettering (CDU), Alexander

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Radwan (CDU), Vural Öger (SPD) und - das wird manchen überraschen: (SPD), der ehemalige Umweltaktivist und Ex-Umweltminister unter Lafontaine im Saarland. IX. Das Zentrum der Macht: Monopole, Kartelle und Risikokapital : Stahl-, Energie-, Medienkartelle. Sowie, mit zunehmender Wucht, den Vertretern der Finanz- welt, und hier wiederum mit tödlicher Durchschlagskraft den Vertretern des Risiko- und Spekulationskapitals - den Herren der Hedge Fonds, flankiert von ihren Schergen, den Consultants oder auch: Unternehmensberatern. Der Gesamtumsatz der Hedge Fond-Branche hat schon lange die Billionen-Euro-Grenze über- schritten. Zu den prominentesten Hedgern gehören: Blackstone, Apax, KKR, Morgan Chase, Man Group, Cerberus Capital Management, Superfund, TCI, Fortress, Goldman Sachs, Soros, UBS Global Asset oder auch Crédit Agricole. Goldman Sachs ist zwar eine traditionelle Invest- mentbank, steigt aber auch schon seit geraumer Zeit voll ins Hedge-Geschäft ein. Goldman Sachs ist uns schon bei fast allen Machern hinter den Kulissen als Organisator sowie als Geld- geber aufgefallen, z.B. als Macher des USA-EU-Gipfels 1995. Und Blackstone-Chef Stephen Schwarzmann stürzt sich mit einer Einkaufsoffensive in der Größenordnung von 16 Milliarden Euro auf Deutschlands Volksvermögen. Schwarzmann ste- hen alle Regierungsbüros in Deutschland offen. Mit dem Unternehmensberater Roland Berger sowie dem ex-Telekom-Chef Ron Sommer hat er zwei hochrangige Lobbyisten eingekauft. Da verwundert es nicht, dass Schwarzmann mit Bundesfinanzminister Peer Steinbrück befreundet ist, und dieser die ihm unterstellte Kreditanstalt für Wiederaufbau angewiesen hat, seinem Freund Schwarzmann ein Telekom-Anteilspaket im Werte von 2,7 Milliarden Euro zu verkaufen. Den Deutschen wird augenblicklich buchstäblich der Boden unter den Füßen wegge- rissen. Zu Hunderttausenden gehen gemeinnützige Wohnungen über den Ladentisch und landen demnächst, so haben es die neuen Besitzer aus den Hedge Fonds schon angedroht, an der Börse. Wasserwerke, Verkehrsbetriebe, Einkaufsgenossenschaften, Sparkassen, Raiffei- senkassen, gesetzliche Kranken- und Rentenkassen: das ganze Vermögen, das Generationen vor uns in mühseliger Kleinarbeit ehrlich zusammengepuckelt haben, wird aufgrund der „Sach- zwänge" der Verschuldung oder einfach aufgrund der „Erkenntnis", dass die Privatwirtschaft eben alles besser macht, auf dem internationalen Roulettisch der Risikokapitalbörsen verjuxt. Lisa Perry andererseits ist die Frau des Hedge Fond-Betreibers Richard Perry. Sie sammelt Geld für Hillary Clinton, weil sie eine glühende Feministin ist und es gut findet, dass mal eine Frau Präsidentin werden könnte. Hillarys Tochter Chelsea Clinton hat auch schon einen Bera- tervertrag bei der Hedge Fond-Firma Avenue Capital. Übrigens: Ex-Wirtschaftsminister Wolfgang Clement ist jetzt Berater der Citigroup .... Clearing, Steueroasen und andere Zivilisationskiller 1973 wurde der seit 1944 gültige Vertrag von Bretton Woods aufgekündigt. Der Dollar als Leitwährung war nicht mehr länger durch Goldvorräte in Fort Knox gedeckt. Die bis dato festge- zurrten Wechselkurse konnten nun frei „floaten". Ein gefundenes Fressen für Währungsspekulanten. Auf dem Humus dieser Deregulierung konnten zwei Clearingstellen gedeihen: CEDEL und EUROCLEAR. Der Grundgedanke des Clearing ist folgender: bei den Clearingbüros werden sämtliche Werte dieser Welt registriert und ihre reale Existenz bescheinigt. Wenn ein Wert den Besitzer wechseln soll, dann lässt sich das ohne großen Aufwand über dieses „Notariat" in Sekunden erledigen. Ungerührt setzt Clearstream 9 Billionen Euro per annum um. Konkurrent Euroclear bringt 7 Billionen Euro auf die Waagschale. Bei den Clearingbüros findet nun die revolutionierende Abstraktionsleistung statt: Um die Geräuschlosigkeit dieser Turbo-Verkäufe noch zu potenzieren, sind alle Komponenten des Kaufaktes durch Zahlenreihen kodiert. Käufer, Verkäufer, Art der Ware, Art des Kaufaktes, Zahlungsmodus etc: alles nur noch Ziffernkolonnen. In den Clearingbüros verschieben Ange- stellte die ganze Zeit nur Zahlencodes, ohne zu wissen, wer hier wem etwas veräußert: „In Clearingorganisationen haben die meisten Menschen jeden kognitiven Bezug zum Gegenstand

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ihrer Arbeit verloren", konstatieren die Insider Backes und Robert. Nur eine Handvoll Leute an der Spitze der Firmenpyramide dürfen die Codes dechiffrieren. Technische und logistische Vor- aussetzung für diese Turbo-Transaktionen war die Entwicklung der Computer, des Internet und des weltweiten Kontennetzwerkes SWIFT. Denn mit der weltweiten rasanten Vernetzung der Kapaitalströme macht die Einrichtung von Steueroasen erst so richtig Sinn. Natürlich hat es schon seit dem Zweiten Weltkrieg Enklaven wie die Schweiz oder Liechtenstein gegeben, aber die behäbige Verfrachtung von materiellen Werteinheiten war nur etwas für einen kleinen exklusiven Kreis. Jedoch das weltweite Netz der Clearingstellen kombiniert mit den Oasen macht es jedem Neueinsteiger kinderleicht, sein Geld arbeiten zu lassen. Oder es einfach zu verbergen. Oder reinzuwaschen. Und keiner fragt, wo das Geld herkommt. Bankgeheimnis, Zinshöhe und Steuerfreiheit sind in unterschiedlichen Menues erhältlich: in dem einen Zwergstaat bekommt man hohe Zinsen, aber nur ein eingeschränktes Bankgeheimnis. In einem anderen Liliputstaat bekommt man als Preis für umfassende Diskretion nur einen geringen Zinssatz. Menue eins mundet dem gesell- schaftlich etablierten Steuerflüchtling, während Menue zwei eher die Herrschaften mit Sonnenbrillen und Geigenkästen anspricht. Suchen Sie sich aus was Sie brauchen: Liechten- stein, Andorra, Monte Carlo, Cayman-Inseln (wo die Bush-Sippe ihr Vermögen vor dem Fiskus schützt), Bahamas, Luxemburg oder vielleicht Vanuatu? Innerhalb sehr kurzer Zeit kann eine Werteinheit Ort und Gestalt so oft wechseln, dass ein Au- ßenstehender den Pfad nicht mehr nachvollziehen kann. Clearing verunklart Kapitalbewegungen mit diabolischer Perfektion. Und es ist jetzt auch völlig gleich, ob das Vermögen auf anständige oder unanständige Weise verdient worden ist. Um es deutlich zu sa- gen: das Geld, womit sog. „Investorengruppen" bei uns ganze Städte wegkaufen, ist zum bedeutenden Teil gewaschenes Geld. Ökonomie des Terrors: Erträge aus Menschen- , Dro- gen- oder Waffenhandel sind ein Teil der Wertschöpfung wie alle anderen käuflichen Dinge auch. Der IWF schätzt, dass im Jahre 2000 für 1.2 Billionen Dollar Erträge aus Waffen-, Drogen- sowie Menschenhandel in die offizielle Wirtschaft hineingewaschen wurden, woraus erkleckliche 76 Milliarden Dollar Zinsertrag ersprossen sind. Im Schatten des zivilen, seriösen Europa mit seinen geregelten Rechtsverhältnissen und Ver- trägen verberge sich ein finsteres Europa der Gangster, Geldwäscher, Steuerflüchtlinge und Käufer von Politikern. Internet-Technik schaffe für diese Übelmänner exterritoriale Räume des schmutzigen Geldkreislaufs, während sich die Richter und Staatsanwälte immer noch mit Är- melschoner-Technologie und national beschränkten Dienstweg-Irrgärten herumschlagen müssten: „Gewisse Personen und gewisse politische Parteien haben selber bei diversen Gelegen- heiten von diesen Kreisläufen profitiert. Außerdem haben sich die politischen Autoritäten aller betroffenen Länder bis heute als unfähig erwiesen, dieses Schatteneuropa klar und wirkungs- voll anzupacken." Das ist der Stoff, aus dem der sagenhafte unversiegbare Reichtum der Hedge Fonds und der ominösen „Investorengruppen" stammt. Das sind die Kräfte, die unsere Politiker, die Medien, die Wissenschaftler und all die anderen Leistungsträger aufgekauft haben. Das sind die Kräfte, die die öffentliche Meinung mit Zuckerbrot und Peitsche kontrollieren; das sind die Kräfte, die das wissenschaftliche Paradigma scheinbar unwiderruflich auf „Marktradikalismus" festgezurrt haben. hhhttttttppp::://////wwwwwwwww...llliiinnnkkkeeezzzeeeiiitttuuunnnggg...dddeee///cccmmmsss///iiinnndddeeexxx...ppphhhppp???oooppptttiiiooonnn===cccooommm___cccooonnnttteeennnttt&&&tttaaassskkk===vvviiieeewww&&&iiiddd===222000777777&&&IIIttteeemmmiiiddd===999222 TTT .

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