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Das internationale Solitude Rennen in Stuttgart am 21. Juni 1953

4. Lauf zur deutschen Motorradmeisterschaft

Gustl Hobl auf einer 250er Werks-DKW

Nicht weit entfernt von der Rennstrecke eine Mauer sowie ein Begrenzungsstein. Wehe dem, der ausgerechnet an dieser

Kurve stürzt.

Für heutige Rennen undenkbar.

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Die 250er DKW-Werksmaschine konnte im Training die Zeiten der schnellen NSU-Fahrer Haas und Daiker nicht erreichen. Wünsche, Hofmann und Hobl lagen mit ihren besten Trainingszeiten an 4., 5. Und 6. Position. Im Rennen selber wurde es schon fast als eine Sensation angesehen, dass Wünsche und Hobl das Tempo der NSU-Renner halten konnten. Die Ingolstädter Werksfahrer hatten offensichtlich den Ehrgeiz, ihr altes Prestige der Klassenbeherrschung wieder zurückzuerobern, und NSU hatte wohl den Willen, sich die 250er Klasse für die Zukunft zu sichern.

Der Vierkampf von Haas und Daiker gegen Wünsche und Hobl war großartig. Was Haas und Daiker im aufsteigenden Gelände und auf Geraden herausholten, machten Wünsche und Hobl im kurvenreichen Gelände wieder wett. Diese Hetzjagd bekam der Maschine von Haas gar nicht gut, sie wurde langsamer, so dass Wünsche auf den 2. Platz vorrücken konnte, und dem ausgezeichnet fahrenden Hobl gelang es in der letzten Runde ebenfalls, an Haas vorbeizukommen. Der junge Hobl bewies nun abermals, dass er als Nachwuchsfahrer das Vertrauen seiner Vorgesetzten rechtfertigen und eine wertvolle Ergänzung neben

Wünsche und Hofmann war und auch Kluge und Gustl Hobl nach dem Rennen in Felgenheier ausgezeichnet vertreten konnte. der250er Klasse

In der 350er Klasse setzte sich erwartungsgemäß Siegfried Wünsche an die Spitze und zur allgemeinen Überraschung folgte ihm Hobl nach. Nach der 2. Runde musste Wünsche wegen eines technischen Defekts an die Boxen und fiel dabei auf den 13. Platz zurück. Hobl verlor seinen 1. Platz an den Norton-Fahrer Skott. Während Wünsche aus fast hoffnungsloser Position mit über einer Minute Rückstand eine grandiose Verfolgungsjagd mit immer neuen Rundenrekorden inszenierte, hetzte Hobl den führenden Engländer Skott derart, dass dieser ständig das Letzte aus seiner Maschine herausholen musste, bis dann letztlich seine Maschine langsamer wurde und schließlich in der 10. Runde aufgeben musste. Uneigennützig verlangsamte jetzt Hobl sein eigenes Tempo, um Wünsche, der inzwischen schon an dritter Stelle lag, passieren zu lassen. Bedauerlicherweise hatte Hobl in der letzten Runde (14.) Maschinenschaden und musste ausscheiden, ohne die Früchte seiner beherzten, taktisch klugen und kameradschaftlichen Fahrweise ernten zu können. 61

Ergebnisse:

Klasse bis 250ccm: 12 Runden = 137,7 km

1. Otto Daiker, Stuttgart, NSU, Durchschnitt: 128,3 km/h 2. Siegfried Wünsche, , DKW, 127,4 km/h 3. Gustl Hobl, Ingolstadt, DKW, 127,4 km/h

Schnellste Runde: , 130,8 km/h

Klasse bis 350ccm: 14 Runden = 160,67 km

1. Siegfried Wünsche, Ingolstadt, DKW, Durchschnitt: 128,3 km/h 2. G. Laing, Australien, Norton 3. G. Skott, Australien, AJS

Schnellste Runde: Siegfried Wünsche, 133,2 km/h

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Der Große Preis der Niederlande am 27. Juni 1953 in Assen

2. Lauf zur Motorrad-Weltmeisterschaft

Bereits im Training in Assen zeigte sich sowohl bei der 250er als auch bei der Dreizylinder- DKW, dass beide Motorräder mit technischen Schwierigkeiten zu kämpfen hatten. Vom Rennveranstalter bekamen die DKW-Maschinen eine sog. 80 Oktan-Mischung gestellt, die für die DKW-Rennmotorräder nur unzureichend geeignet war. Besonders die 350er hatte darunter sehr zu leiden, so dass sich die Rennabteilung entschloss, am Rennen der 350er Klasse nicht teilzunehmen.

Die etwas robustere 250er dagegen hatte die Chance, wenn sie einigermaßen schonend gefahren wurde, ans Ziel zu kommen. Wünsche und Hobl streichelten förmlich ihre Maschinen, um sie ja nicht zu „quälen“, um wenigstens noch einen achtbaren Platz zu erreichen. Während Wünsche von Anfang bis zum Ende des Rennens den 5. Platz halten konnte, gelang es Hobl erst gegen Ende des Rennens noch einen Guzzi-Fahrer zu überholen, um dann hinter seinem Teamkameraden Wünsche als sechster das Rennen zu beenden. Beide Fahrer hatten während des ganzen Rennens laufend wegen des ungeeigneten Kraftstoffs unter Kolbenklemmern zu leiden, was sie zu einer diffizilen Fahrweise nötigte, so dass ihr 5. Und 6. Platz eigentlich als sehr gut bewertet werden konnte.

Ergebnis:

Klasse bis 250ccm: 10 Runden = 164,9 km

1. Werner Haas, Augsburg, NSU, Durchschnitt: 146,973 km/h 2. , Moto-Guzzi 3. Armstrong, NSU 4. … 5. Siegfried Wünsche, Ingolstadt, DKW, 139,479 km/h 6. Gustl Hobl, Ingolstadt, DKW, 138,180 km/h

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Der große Preis von Deutschland am 19. Juli 1953 in Schotten

3. Lauf zur Motorrad-Weltmeisterschaft in der 250er Klasse

Der Große Preis von Deutschland für Motorräder, versprach den 200000 Zuschauern in allen Klassen wie schon so oft, ein deutsch-italienisches Duell.

Irgendwo zwischen Gießen und Fulda liegt das Örtchen Schotten. Die Rennstrecke dort galt von jeher als schwierig, und sie bekam durch die Unfälle der letzten Jahre den Ruf, nicht ganz ungefährlich zu sein. Die Stürze mit leider tödlichem Ausgang, die sich nach dem Krieg dort ereignet hatten, mahnten immerhin zum Nachdenken, und auch eine Kommission und die sie begleitenden Rennfahrer hatten die Rennstrecke als zu gefährlich eingestuft. Für heutige Verhältnisse undenkbar ist auch die Tatsache, dass damals vor dem Rennen starker Verkehr auf der Rennstrecke herrschte, und zudem, verbunden mit heftigen Regenfällen, so viel Dreck auf den Kurs getragen wurde, dass überhaupt keine Spitzengeschwindigkeiten mehr erreicht werden konnten. Die Stürze von Spitzenfahrern bei dieser Rennveranstaltung verliefen zwar alle glimpflich, unterstrichen aber die Gefährlichkeit der Rennstrecke.

Beim Start in der 250er Klasse führte der favorisierte Werner Haas auf NSU schon in der 1. Runde. An zweiter Stelle folgte Gustl Hobl, während der Italiener Montanari auf einer Werks-Guzzi schon in der 1. Runde stürzte aber anschließend weiterfahren konnte und nun die Verfolgung von Haas und Hobl aufnahm und immer weiter zu ihnen aufschließen konnte. In der vorletzten Runde überholte Montanari Hobl und hielt die zweite Position vor Gustl Hobl bis ins Ziel.

Im Rennen der Klasse bis 350ccm sorgte der hervorragend fahrende Hobl auf der Dreizylinder-DKW für Spannung. Er beendete die Startrunde mit Vorsprung vor Simpson auf AJS und Bandirola auf der Vierzylinder MV-. Nach den Trainingsergebnissen schien Hobl auf seiner DKW unschlagbar zu sein, zumal er mit 130,0 km/h das beste Trainingsergebnis erzielt hatte.

Sein Teamkamerad Hofmann stürzte bereits in der 1. Runde und geriet dadurch ins Mittelfeld, während Hobl die Führung vor Bandirola bis zur 4. Runde auf etwa 30 Sekunden vergrößerte. Die Zuschauer witterten eine Sensation, aber durch einen Kerzenwechsel an allen drei Zylindern verbrauchte er soviel Zeit, dass er auf den 7. Platz zurückfiel. In einer tollen Aufholjagd kam er dann leider zu Sturz und musste unverletzt wegen eines Lenkerschadens schließlich aufgeben. Gustl Hobl:“Die Rennstrecke war an verschiedenen Stellen 64 so lehmverschmiert, dass Fahrten wie im Training einfach nicht mehr möglich waren.“Sein Stallgefährte Karl Hofmann kam trotz seines Sturzes nach einer tollen Aufholjagd an 2. Stelle liegend ins Ziel.

An Dr. Richard Bruhn und Dr. Carl Hahn wurde von der Rennabteilung berichtet:“Mit dem jungen Hobl haben wir einen ganz ausgezeichneten Rennfahrer in unserer Mannschaft, der von Rennen zu Rennen immer mehr erkennen lässt, dass er einmal ein würdiger Nachfolger von Kluge und Wünsche werden wird.“

In der Süddeutschen Zeitung Nr. 167/1953 war zu lesen: „Dem DKW-Fahrer August Hobl bleibt das Pech treu, genauso wie bei der Abschlussprüfung der Sechstagefahrt 1952, einem Einstunden-Rennen auf der Autobahn bei Salzburg, als dem bis dahin strafpunktfreien, jungen deutschen Fahrer August Hobl zwanzig Minuten vor Schluss die Kette brach. Es war ein unfassbares Pech. Auch im Rennen der 350er Klasse in Schotten führte der Pechvogel mit einer halben Minute Vorsprung schon nach vier Runden vor dem Italiener Montanari. Dann musste er die Kerzen wechseln und bei der Verfolgungsfahrt geriet er in die Strohballen. Niedergeschlagen saß er nachher hinter den Boxen. Dass er mit 124,4 km/h die schnellste Runde des Tages gefahren hatte, berührte ihn kaum. August Hobl heißt dieser Ingolstädter, dessen Namen man sich gut merken sollte. Er wird noch viel von sich reden machen. Hobl dürfte für die einmal das werden, was Werner Haas heute schon für NSU ist.“

Ergebnisse:

Klasse bis 250ccm: 9 Runden = 144,72 km

1. Werner Haas, Deutschland, NSU, Durchschnitt: 119,8 km/h 2. A. Montanari, Italien, Moto-Guzzi, 118,6 km/h 3. Gustl Hobl, Deutschland, DKW, 118,4 km/h Schnellste Runde: Werner Haas, 123,2 km/h

Klasse bis 350ccm: 10 Runden = 160,8 km

1. Bandirola, Italien, MV-Agusta, Durchschnitt: 120,5 km/h 2. Karl Hofmann, Deutschland, DKW, 119,1 km/h 3. K. Mudford, Neuseeland, AJS, 119,0 km/h Schnellste Runde: Gustl Hobl, 124,4 km/h

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Internationales Motorradrennen in Tubbergen/Holland am 9. August 1953

Trotz guter internationaler Besetzung zeigte sich schon beim Training, dass die 250er und 350er Werksmaschine allen Konkurrenten überlegen war. Besonders schnell zeigte sich die weiterentwickelte, nun erstmals eingesetzte 250er Maschine, die von Hobl gefahren wurde. Mit ihr fuhr er auf dem sieben Kilometer langen Rennkurs die schnellste Trainingsrunde in 4,06 Minuten = 135 km/h, während Len Parry – ebenfalls auf DKW – das Training in der 350er Klasse als Trainingsschnellster mit 3,48 = 146,3 km/h abschloss.

Beim Start in der 250er setzte sich der Engländer Len Parry sofort an die Spitze des Feldes, gefolgt vom Holländer Knijnenburg, ebenfalls auf DKW, und weiteren fünf Moto-Guzzis, während Hobl mit 20 Sekunden Verspätung sehr schlecht vom Start weg kam. Jetzt zeigte sich, dass Hobls Maschine außerordentlich schnell war, schon nach der ersten Runde hatte er den Zeitverlust aufgeholt und führte nun das Feld an, gefolgt von Parry und Knijnenburg. Hobl vergrößerte seinen Vorsprung bis ins Ziel auf 25 Sekunden. Der zweitplazierte Holländer, der während des Rennens scharfe Positionskämpfe führte, musste in der letzten Runde, kurz vor dem Ziel, drei Moto-Guzzis passieren lassen und fiel dadurch auf den 6. Platz zurück.

Gustl Hobl stand offensichtlich mit der Glücksgöttin Fortuna auch in Tubbergen auf Kriegsfuß. Wie in Schotten, so war er auch hier in der 350er Klasse wenig vom Glück begünstigt und musste, klar in Führung liegend, in der achten Runde mit Maschinenschaden an die Boxen und aufgeben. Sein Stallkamerad Len Pary siegte vor weiteren drei AJS- Fahrern.

Ergebnisse:

Klasse bis 250ccm: 8 Runden = 56 km

1. Gustl Hobl, Ingolstadt, DKW, Durchschnitt: 130,152 km/h 2. Len Parry, England, DKW, 128,541 km/h 3. Mandolini, Italien, Moto-Guzzi, 124,684 km/h Schnellste Runde: Gustl Hobl, 135,649 km/h

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Klasse bis 350ccm: 8 Runden = 56 km 1. Len Parry, England, DKW, Durchschnitt: 142,0 km/h 2. Simpson, Neuseeland, AJS, 138,62 km/h 3. Laurent, Neuseeland, AJS, 136,93 km/h Schnellste Runde: Gustl Hobl, 145,03 km/h

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Der große Preis von Italien in Monza am 6. September 1953

7. Lauf zur Motorrad-Weltmeisterschaft

Im Autodrom von Monza setzten die Moto-Guzzi-Fahrer alles daran, in ihrer Heimat erfolgreich zu sein.

In der 350er Klasse gelang ihnen das, sie waren in diesem Rennen praktisch ohne Konkurrenz, obwohl sich daran fünf DKW-Dreizylinder beteiligten. Für die Rennabteilung der Auto Union bedeutete dieses Rennen fast ein technisches Desaster, wenngleich es bis zur dritten Runde für DKW noch nicht schlecht aussah, als hinter den drei führenden Guzzis die DKW-Fahrer Wünsche, Parry und Hobl folgten, während Hofmann zwischenzeitlich wegen Motorschadens aufgeben musste. Im weiteren Verlauf des Rennens fielen nacheinander bis auf Hobl alle DKW-Rennmaschinen aus. Einzig und allein Gustl Hobl war es vergönnt, das Rennen zu Ende zu fahren, nachdem er sich über alle Runden hinweg mit H.P. Müller und dessen Horex um den vierten Platz gezankt hatte.

Ergebnis: 24 Runden = 151, 2 km

1. , Italien, Moto-Guzzi, Durchschnitt: 160,305 km/h 2. Fergus Anderson, England, Moto-Guzzi 3. Duilio Agostini, Italien, Moto-Guzzi 4. Gustl Hobl, Deutschland, DKW

Schnellste Runde: Lorenzetti 163,4 km/h

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Der große Preis von Spanien am 4. Oktober 1953 in Barcelona

7. Lauf zur Motorrad-Weltmeisterschaft in der 250er Klasse

Die deutschen Fahrer kamen in Spanien nicht zum Zuge. Die bisher kurvenreiche, etwa vier Kilometer lange Rennstrecke wurde etwas verkürzt und begradigt. Dadurch verringerten sich von vornherein die Chancen der DKW-Zweitakter. Im Training in der Klasse bis 250ccm lag Gustl Hobl an 4. und Siegfried Wünsche, dessen Maschine unregelmäßig lief, an 8. Stelle.

Im Rennen der 250er Klasse waren die angetretenen Moto-Guzzis schneller als die DKW- Maschinen von Hobl und Wünsche, deren Motorräder alles andere als gut liefen. Zum Ende des Rennens hin, bekam Hobl Anschluss an die Spitze der sechs Guzzis, konnte noch kurz vor Schluss auf Privat-Guzzi überholen und somit den 6. Platz erreichen. Siegfried Wünsche schied an 8. Stelle liegend aus.

Das Rennen der 350er Klasse fand bei strömendem Regen statt. Es war ein Wettbewerb zahlreicher Überrundungen. Hofmann, Hobl und Wünsche wollten den Moto-Guzzis Paroli bieten. Leider kam es nicht dazu, Hofmann, an 15. Stelle liegend, schied mit Maschinenschaden frühzeitig aus. Als Hobl und Wünsche dabei waren, sich nach vorne zu arbeiten, just in dem Augenblick stellten sich bei Hobl Zündungsschwierigkeiten ein, und nach verschiedenen Boxenaufenthalten sah er sich gezwungen, in der 36. Runde das Rennen zu beenden. Wünsche, nun der letzte Mohikaner der DKW-Crew, fuhr tapfer weiter, wenn auch zum Schluss hin der Motor seiner Dreizylinder mehr stotterte als gut zu laufen. Da sich das Feld ohnehin schon stark gelichtet hatte, beendete er das Rennen mit einem 12. Platz.

Ergebnisse:

250er Klasse: 33 Runden = 125 km 1. Lorenzetti, Italien, Moto-Guzzi 2. K. Kavanagh, Australien, Moto-Guzzi 3. F. Anderson, England, Moto-Guzzi

6. Gustl Hobl, Deutschland, DKW 69

350er Klasse: 53 Runden = 200 km

1. Fergus Anderson, England, Moto-Guzzi 2. N.N. 3. N.N. 12. Siegfried Wünsche, Deutschland, DKW

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Fazit für das Rennjahr 1953:

(Konzentrat)

In welch hervorragender Form sich Gustl Hobl bereits in diesem frühen Stadium seiner Karriere befand, mag daraus ersichtlich sein, dass er im weiteren Verlauf der Rennsaison in der 250er Klasse auf der Solitude und auf dem Feldberg jeweils als Dritter den Spitzenfahrer von NSU, Werner Haas, hinter sich lassen konnte. Aber auch der dritte Platz beim Großen Preis von Deutschland auf dem Schottenring und sein Sieg in Tubbergen in Holland waren weitere Höhepunkte in seiner erst zweijährigen Karriere als Motorradrennfahrer. Insgesamt erreichte Gustl Hobl in der laufenden Saison in der Klasse bis 250ccm den 5. Platz in der deutschen Meisterschaft und einen überaus achtbaren 8. Platz in der Weltmeisterschaftswertung.

Die Leistungssteigerung bei der DKW-Dreizylinder war nicht so groß, wie es erwartet wurde. Sie war zwar in nationalen und internationalen Rennen ohne englische und italienische Werksbeteiligung noch überlegen, am internationalen Weltmeisterschaftsstandard gemessen jedoch noch zu langsam. Gegen die schnelle Moto-Guzzi, die 1953 erstmals eingesetzt wurde, war jedenfalls kein Kraut gewachsen. Es hat sich auch gezeigt, dass die 350er DKW durch die für die Saison 1953 notwendig gewordene Leistungssteigerung recht anfällig geworden war. Gustl Hobl wurde bei mindestens zwei Rennen, in aussichtsreicher Position liegend, durch Kerzenschaden zurückgeworfen und musste in mindestens vier Rennen wegen Motorschadens das Rennen vorzeitig beenden.

Trotzdem wurde Siegfried Wünsche mit seiner „singenden Säge“ Deutscher Meister. In der Markenwertung landete DKW in der Klasse bis 250ccm auf dem dritten und in der Klasse bis 350ccm auf dem vierten Platz.

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VI. KaPitel

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Das Rennjahr 1954

Weil sich im vergangenen Jahr NSU aus Neckarsulm in der 250er Klasse als drückend überlegen präsentierte, verzichtete DKW auf den Start in der Viertelliter-Klasse.

Die Ingolstädter Rennabteilung beteiligte sich somit in der laufenden Saison nur noch an neun Straßenrennen in der Klasse bis 350ccm. Als Fahrer der „singenden Säge“ wurden Siegfried Wünsche, Karl Hofmann, Gustl Hobl und als Reservist Gerhard Bodmer eingesetzt. Von den neun Straßenrennen absolvierte Hobl allein sechs.

Hobl, der in der Saison 1953 weiterhin als Beschäftigter der Versuchsabteilung geführt worden war, wurde nun offiziell in die DKW-Rennabteilung versetzt und als Vertragsfahrer eingesetzt. Er bekam ein Gehalt von der Rennabteilung und zusätzlich wurden Erfolgsprämien vereinbart. Gustl Hobl war aber nicht nur Rennfahrer, sondern auch immer noch mit seinem erlernten Beruf des Mechanikers so sehr verhaftet, dass er die Möglichkeit des täglichen Umgangs mit seiner Rennmaschine nutzte. So arbeitete er mit den Monteuren bei der Vorbereitung seiner Werksmaschine und des Ersatzmotorrades zusammen. Er führte jede Testfahrt, auch auf der Autobahn nahe Ingolstadt, selber durch und auch ein schlechtes winterliches Wetter bedeutete für ihn kein Hindernis. So war er bei Beginn der Rennsaison mit der gesamten technischen Materie an seinem „Renner“ bestens vertraut. Ein zusätzliches Programm für die Werksfahrer stellten im Winter Vortragsreisen zu zahlreichen DKW-Clubs im In- und Ausland dar. Diese Publicity-Maßnahme wurde auch von ihm gerne wahrgenommen, förderte sie doch seine Popularität, die seiner Rennfahrerkollegen und ganz wichtig, die seiner Marke DKW.

Gustl Hobl mit einer 350er DKW bei einer Testfahrt auf der Autobahn nahe Ingolstadt. Die Testfahrten wurden freundlicherweise von der Regierung von Oberbayern genehmigt.

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Das internationale Eifelrennen auf dem Nürburgring am 23. Mai 1954

2. Lauf zur deutschen Motorradmeisterschaft

Im Rennen der 350er Klasse – im Training fuhren Hofmann, Hobl und Wünsche die schnellsten Trainingszeiten mit der 1954er Entwicklung, während Bodmer die 1953er Version führte – kamen alle vier DKW-Maschinen am Start gut weg, wobei Gustl Hobl gleich die Führung übernahm, die er auch nach Vollendung der 1. Runde noch innehatte. Hinter ihm kam Hofmann nach und dahinter in weiterem Abstand folgten Bodmer sowie zwei Horex-Fahrer. Wünsche fiel bereits in der 1. Runde wegen Motorschadens aus und auch Gustl Hobl musste wegen eines Zündkabelschadens an die Boxen. Damit übernahm Hofmann die Führung, die er bis zum Ende des Rennens behielt. In einer tollten Verfolgungsjagd war Hobl der schnellste Fahrer in diesem Rennen, bekam aber von der Leitung die Aufforderung, langsamer zu fahren um seinen sicheren 2. Platz nicht mehr zu gefährden. Auch Gerhard Bodmer fuhr ein gutes Rennen.

Ergebnis:

Kasse bis 350ccm: 6 Runden = 136,88 km

1. Karl Hofmann, Frankfurt, DKW, Durchschnitt: 121,3 km/h 2. Gustl Hobl, Ingolstadt, DKW, 119,3 km/h 3. Gerhard Bodmer, Ingolstadt, DKW, 116,4 km/h

Schnellste Runde: Gustl Hobl 123,8 km/h

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Die Sieger vom Nürburgring:

Von links: Gerhard Bodmer, Gustl Hobl, Karl Hofmann

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Das internationale Feldberg-Rennen im Taunus am 18. Juli 1954

3. Lauf zur deutschen Motorrad-Meisterschaft

Das Training der Solomaschinen bis 350ccm verlief beinahe normal, die Dreizylinder-DKW waren die schnellsten, die Norton und Horex kamen aber im Training recht nah an die Zeiten von DKW heran. Hofmann erlitt einen leichten Sturz, er durfte auf ärztliche Anweisung hin nicht am Hauptrennen teilnehmen. Für ihn sprang der DKW-Privatfahrer Karl Lottes, dem man im Training eine Dreizylinder- DKW anvertraut hatte, im Hauptrennen ein.

Im Rennen der 350er Klasse starteten für DKW Siegfried Wünsche, Gustl Hobl und Karl Lottes. Gleich vom Start weg ging der Hechinger Braun mit der neuen Zweizylinder-Horex an die Spitze, die er auch während der ersten beiden Runden nicht abgab. Hobl hielt als einziger das scharfe Anfangstempo mit, gefolgt vom Norton-Fahrer Quincey. Wünsche lag mit deutlichem Abstand an 4. Stelle, und Lottes, dem seine DKW-Maschine offensichtlich nicht behagte, verschwand im Mittelfeld. Hobl fuhr nun in einer von der Presse bezeichneten „verwegenen Fahrt“ ein großartiges Rennen und konnte so, begünstigt durch seine zwei schnellsten Runden, den bis zur dritten Runde führenden Horex-Fahrer Braun überholen. Obgleich ihm schon das Langsamfahrsignal Sieger Gustl Hobl mit dem Leiter der Ver- gezeigt wurde, vergrößerte Hobl trotz triebsabeilung der Auto Union, Direktor starken Regens und Sturms in einer Hensel flüssigen und eleganten Fahrweise sowie in einer bestechenden Kurventechnik seinen Vorsprung von Runde zu Runde, bis er schließlich im Ziel einen Vorsprung von einer Minute und 25 Sekunden hatte. 76

Ergebnis:

Klasse bis 350ccm: 13 Runden = 150,488 km

1. Gustl Hobl, Ingolstadt, DKW, Durchnitt: 112,4 km/h 2. Maurice Quincey, Australien, Norton 3. Jack Ahearn, Australien, Norton

Schnellste Runde: Gustl Hobl, 116,9 km/h zugleich neuer Bahnrekord.

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Gustl Hobl auf DKW-Dreizylinder schnellster Deutscher beim Feldbergrennen am 18. Juli 1954

Eine Veröffentlichung der Presseabteilung der Auto Union zum Sieg des jungen Gustl Hobl beim Feldberg-Rennen

Gustl Hobls Fahrstil wurde zuweilen als „verwegen“, ja sogar als „riskant“ bezeichnet, auf eine diesbezügliche Frage antwortete er: „ Wenn einem ein Fahrer wie Quincey, den man den australischen „Duke“ nennt, im Nacken sitzt, dann darf man natürlich nicht gerade bummeln. Dennoch war meine DKW-Dreizylinder so schnell, dass mein Rennleiter mir schon nach der 3. Runde das Zeichen zum Langsamfahren geben konnte. „Langsam fahren“ ist für uns Rennfahrer die Anweisung, nicht mehr auch nur das geringste Risiko einzugehen. Wenn man mein Fahren dennoch „riskant“ fand, so unterschätzt man wahrscheinlich die enorme Handlichkeit meiner DKW- Maschine, die gegenüber den viel schwereren Brocken meiner Verfolger natürlich wesentlich leichter durch die Kurven lief. Ich selbst werde alles tun, damit meine Freunde und Kritiker mich stets als besonnenen Fahrer schätzen. Dass ich trotzdem schnell bin, dazu verhilft mir meine Dreizylinder DKW-Maschine.“

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Internationales Noris-Ring-Rennen am 1. August 1954 in

Nürnberg

4. Lauf zur deutschen Motorrad-Meisterschaft

Rund 100000 Zuschauer säumten die berühmte Rennstrecke in Nürnberg. Die Veranstalter hatten die fünf Rennen als deutsche Meisterschaftsläufe ausgeschrieben, so dass die gesamte deutsche Spitzenklasse an den Start gehen musste. Das Training verlief durchaus normal, die DKW-Dreizylinder waren die schnellsten ihrer Klasse. Am zweiten Trainingstag aber kam für den DKW-Rennstall eine Überraschung, als H.P. Müller mit einer 288ccm NSU- Rennmax und Werner Haas mit einer solchen von 251ccm am Rennen der 350er Klasse teilnahmen.

Das Rennen der 350er war das der „großen Drei“, wie es verschiedentlich von der Sportpresse apostrophiert wurde. H.P. Müller, Werner Haas und Karl Hofmann machten das Rennen unter sich aus. Vom Start weg übernahm H.P. Müller auf NSU-Sportmax die Spitze , gefolgt von Wünsche, Hofmann, Hobl und Ray Amm auf Norton. Hinter Wünsche folgte H.P. Müller an 2. Stelle, dann Hofmann und Haas. Wünsche fiel aus, Hobl fiel auf den 5. Platz zurück, während sich Hofmann mit Haas um den 2. Platz einen Kampf auf Biegen und Brechen lieferte. Sein dritter Platz fand viel Anerkennung, Hobl blieb weiterhin Erster in der Wertung der Deutschen Meisterschaft.

Der DKW-Rennleiter August Jacob war auch nach den Rennen um das Wohl seiner Rennfahrer besorgt. Gustl Hobl erzählte folgende Anekdote:“Ich war als einziger und jüngster der Ingolstädter Rennmannschaft unverheiratet. Unser Rennleiter achtete bei mir immer darauf, dass ich während meiner Freizeit und ganz besonders in den Abendstunden nicht ausbüchste. In Nürnberg beispielsweise bestellte er für mich ein Hotelzimmer, das nur durch sein Zimmer zu erreichen war. Ein unbemerktes „Abhauen“ war für mich so unmöglich geworden

Ergebnis:

Klasse bis 350ccm: 30 Runden = 111,0 km

1. H.P. Müller, Ingolstadt, NSU, Durchschnitt: 123,9 km/h 2. Werner Haas, Augsburg, NSU, 123,7 km/h 3. Karl Hofmann, Frankfurt, DKW, 123,6 km/h 5. Gustl Hobl, Ingolstadt, Schnellste Runde: H.P. Müller, 127,8 km/h 79

Gustl Hobl am Norisring in Nürnberg

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Internationales Motorradrennen „Rund um Schotten“ am 8. August 1954 5. Lauf zur deutschen Motorrad-Meisterschaft

Gustl Hobl vor dem Start

Auf dem Schottenring erwarteten die Zuschauer ein erbittertes Duell zwischen der neuen 288ccm Zweizylinder-NSU und der schnellen Dreizylinder DKW. H.P. Müller und Werner Haas hatten im Training die schnellsten Zeiten gefahren, auch bei DKW verlief es, mit Ausnahme eines leichten Sturzes von Gustl Hobl infolge eines Kupplungsschadens, ohne besondere Ereignisse. Im Rennen der 350er lagen die beiden Trainingsschnellsten Müller und Haas schon in der ersten Runde an der Spitze, Hofmann und Hobl hielten Anschluss, während Wünsche schon weiter zurücklag. Im Verlauf des Rennens mussten Hofmann und Wünsche wegen technischer Probleme ausscheiden. Während H.P. Müller unangefochten seinem Sieg entgegensteuerte, fiel Haas durch Maschinenschaden aus, so dass Hobl an ihm vorbeifahren konnte und noch als Dritter das Ziel erreichte. Gustl Hobl erinnert sich: „Das Schotten-Ring-Rennen war ja auch eine Lauf zur Deutschen Meisterschaft. Ich selber lag in der Punktewertung in Führung und wollte sie auch nach diesem Rennen behalten. Ich fuhr ein sehr sachliches Rennen und wollte nichts Großes riskieren. Um ganz sicher zu gehen, ließ ich den mich verfolgenden Ray Amm überholen – er konnte ja bei der Deutschen Meisterschaft als Engländer nicht mitmachen – zumal ich selber dann einen sicheren vierten Platz halten konnte. Durch den Ausfall von Haas erreichte ich dann doch noch hinter Ray Amm den 3.

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Platz und führte nun weiterhin in der Deutschen Meisterschaft mit 16 Punkten vor H.P. Müller mit 12 Punkten.“

Ergebnis: Klasse bis 350ccm: 9 Runden = 155,72 km 1. H.P. Müller, Ingolstadt, NSU, Durschnitt: 128,8 km/h 2. Ray Amm, Südrhodesien, Norton, 127,5 km/h 3. Gustl Hobl, Ingolstadt, DKW, 127,3 km/h Schnellste Runde: H.P. Müller, 131,2 km/h

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Internationales Eilenriede-Rennen am 5. September 1954 in Hannover

6. Lauf zur deutschen Motorrad-Meisterschaft

Mit dem Eilenriede-Rennen wurde die Deutsche-Motorradmeisterschaft und zugleich auch die Motorrad-Rennsaison 1954 beendet. Mit großer Spannung wurde das Rennen der 350er Maschinen erwartet, da hier die Meisterschaft zwischen DKW und NSU entschieden wurde. NSU hatte vier Maschinen am Start, während DKW drei 350er-Rennmotorräder ins Rennen schickte.

Das Training in dieser Klasse verlief ohne besondere Vorkommnisse. Als allgemeine Überraschung wurde angesehen, dass sämtliche DKW-Maschinen mit der neuen Stromlinienverkleidung ausgestattet waren.

Gustl Hobl auf seiner 350er DKW „singende Säge“ erstmalig mit Stromlinienverkleidung auf Trainingsfahrt. Man sieht hier, dass in der Schräglage zwischen Verkleidung und der Fahrbahn eine zu geringe Bodenfreiheit besteht. Das war somit kein optimaler Zustand.

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Im Training stellte sich heraus, dass auf der Rennstrecke die vorhandenen Geraden anscheinend zu kurz waren, um eine volle Wirksamkeit der neuen Verkleidung zu gestatten, und als zweites Manko wurde angesehen, dass sich die Fahrer mit den ungewohnten Fahrverhältnissen bezüglich der Verkleidung in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit noch nicht vertraut machen konnten. Sämtliche Fahrer fuhren ohne Verkleidung schnellere Zeiten, weshalb auf Anordnung der Rennleitung alle drei DKW-Maschinen ohne Verkleidung an den Start gingen. Da es sich bereits im Training gezeigt hatte, dass die NSU-Maschinen etwas schneller waren als die unsrigen, erhielten die DKW-Fahrer die Weisung, auf Durchhalten zu fahren und kein maschinelles Risiko einzugehen, weshalb auch im Verlaufe des Rennens auf Jagden und Positionskämpfe verzichtet wurde. Der Erfolg gab dieser Taktik recht, alle gestarteten 350er DKW kamen auf ehrenvollen Plätzen durchs Ziel.

Im Verlauf des Rennens setzten sich Werner Haas, H.P. Müller und Rupert Hollaus bald an die Spitze, während Wünsche und Hobl in kurzem, später vergrößertem Abstand folgten. Ray Amm auf Norton konnte im Verlauf des Rennens in einer sehr scharfen Fahrweise die noch überholen. Hofmann fiel zurück, da sein Motor anscheinend zu „fett“ eingestellt war. Dasselbe Malheur hatte auch Gustl Hobl im letzten Renndrittel, ohne seinen 5. Platz einzubüßen.

Da der Südrhodesier Ray Amm in der deutschen Meisterschaftswertung nicht mitzählte, erhielt Gustl Hobl die Punktezahl des Viertplazierten in der Meisterschaft.

Ergebnis:

Klasse bis 350ccm: 30 Runden = 144 km

1. H.P. Müller, Ingolstadt, NSU, Durchschnitt: 135,1 km/h 2. Werner Haas, Augsburg, NSU, 135,1 km/h 3. Ray Amm, Südrhodesien, Norton, 132,8 km/h 4. Siegfried Wünsche, Ingolstadt, DKW, 132,6 km/h 5. Gustl Hobl, Ingolstadt, DKW, 131,7 km/ Schnellste Runde: Werner Haas 137,6 km/h

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Das internationale Skaneloppet-Rennen am 12. September 1954

in Kristanstat in Schweden

Das Rennen fand auf der bei Kristianstat liegenden Rundstrecke statt. Die Strecke war viereckähnlich und wies zwei fast rechtwinkelige Kurven auf. Sie war im Gegensatz zu 1953 durchwegs asphaltiert.

Am Rennen der 350er Klasse beteiligten 22 Fahrer. Als Sieger von 1953 stand Siegfried Wünsche als erster vor dem gesamten Feld. Karl Hofmann und Gustl Hobl standen in der ersten bwz. Zweiten Startreihe. Nach dem Start übernahmen Wünsche, Hofmann und Hobl die Spitze. Hobl fiel in der 5. Runde durch einen Rutscher infolge Klemmens seiner Maschine auf den 5. Rang zurück, danach arbeitete er sich auf die 3. Stelle vor. Eine Gefährdung durch nachfolgende Fahrer war nicht zu befürchten, weshalb die Ingolstädter Werksfahrer in verhaltener Fahrmanier das Rennen beendeten.

Ergebnis:

Klasse bis 350ccm: 20 Runden = 131,4 km

1. Siegfried Wünsche, Ingolstadt, DKW, Durchschnitt: 138,5 km/h

2. Karl Hofmann, Frankfurt, DKW, 138,0 km/h

3. Gustl Hobl, Ingolstadt, DKW, 135,5 km/h

Schnellste Runde: Gustl Hobl, 146,0 km

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Die Ingolstädter Werksmannschaft der Auto Union

nach ihrem Dreifachsieg in Schweden von links: Karl Hofmann, Siegfried Wünsche und Gustl Hobl

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Fazit für das Rennjahr 1954

(Konzentrat)

Der scharf Endkampf um die deutsche Straßenmeisterschaft der Motorräder in der Klasse bis 350 ccm rückte den jungen Gustl Hobl endgültig in den Blickpunkt der Öffentlichkeit, dessen Aufstieg vom unbekannten Privatfahrer zum erfolgreichen DKW-Werksfahrer zu den bemerkenswertesten Ereignissen des deutschen Renngeschehens der letzten Jahre gerechnet werden konnte. Ein weiterer, beinahe schon kometenhafter Aufstieg in die höchsten Regionen der Rennfahrerei wurde ihm für das Jahr 1955 vorausgesagt. Bei seinen sechs Einsätzen in der 350er Klasse landete er immer unter den ersten vier, was ihm den zweiten Platz in der Deutschen Meisterschaft für Solomotorräder bescherte. Von den Werksmaschinen wurden insgesamt 3 Siege, 2 zweite Plätze und 5 dritte Plätze errungen.

Überhaupt begann das Rennjahr 1954 für die DKW-Mannschaft recht hoffnungsvoll. Beim ersten Start der DKW-Maschinen in der Klasse bis 350ccm beim internationalen Eifelrennen auf dem Nürburgring sorgten die Ingolstädter Werksfahrer Karl Hofmann, Gustl Hobl und Gerhard Bodmer für einen Dreifachsieg. So erfolgreich dieser Erfolg für das Rennteam aus Ingolstadt auch war, im Nachhinein nahm dieses Rennen gerade für Gustl Hobl „schicksalhafte“ Bedeutung an; denn ein Sieg auf dem Nürburgring hätte in der Endabrechung für Hobl die Deutsche Meisterschaft bedeutet. So gewann diesen Titel der „Renntiger“ aus Ingolstadt, H.P. Müller auf NSU. Mit drei Starts und drei Siegen von Müller gelang NSU (Müller 18 Punkte) dem Ingolstädter Werk (Hobl 16 Punkte) gerade noch die Deutsche Meisterschaft zu entreißen. Mit etwas mehr Umsicht und Stallregie seitens der Ingolstädter Rennabteilung hätte für Hobl und damit auch für DKW die deutsche Meisterschaft in der 350er Klasse 1954 errungen werden können. Karl Hofmann wurde Vierter.

Gustl Hobl hat sich neben dem Senior der Rennmannschaft, Siegfried Wünsche, sehr gut weiterentwickelt. Der verkörperte den ruhigen durch nichts zu erschütternden Fahrertyp, von dem man ganz sicher auch in der nächsten Rennsaison Erfolge erwarten konnte.

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VII. Kapitel

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Die Rennsaison 1955

Das Flaggschiff unter den Rennmotorrädern der Auto Union. Die 350er

Dreizylinder-DKW, genannt die „singende Säge“.

Durch die Verkleidung hatte der Fahrer mehr Lenk- und Bodenfreiheit erhalten und sie war auch für kurvenreiche Rennstrecken gut geeignet.

Es war ein Aufsehen erregendes Motorrad, das der DKW Rennkonstrukteur Erich Wolf zur Motorrad-Rennsaison 1952 präsentierte: eine 350ccm Rennmaschine mit Dreizylinder Zweitaktmotor, dessen dritter Zylinder vorne am Kurbelgehäuse liegend montiert war. Das Rennmotorrad aus Ingolstadt leistete 38 – 40 PS bei sensationellen 12000 Umdrehungen pro Minute. Die hohen Drehzahlen verliehen der Maschine jenen charakteristischen Klang, der ihr den Namen „singende Säge“ einbrachte.

Da zunächst keine Zündanlage vorhanden war, die derart hohe Drehzahlen verkraften konnte, griff Konstrukteur Wolf in die Trickkiste und verwendete einen Bosch- Magnetzünder für einen Sechszylinder-Motor, der in dem DKW-Rennmotorrad mit halber Drehzahl lief. Die Maschine wurde praktisch nach jedem Rennen immer und immer wieder auf den neuesten Stand der Technik gebracht. Bei dem oben abgebildeten Motorrad mit Fünfganggetriebe und einer möglichen Höchstgeschwindigkeit von ca. 200 km/h handelt es 89 sich um die weiterentwickelte Version 1955/56, deren Motor mit einer Batteriezündung ausgestattet war.

Von 1952 bis zur Auflösung der Ingolstädter Rennabteilung im Jahr 1956 errangen die DKW-Werksfahrer Ewald Kluge, Siegfried Wünsche, August Hobl und Karl Hofmann mit ihrer „Wunderwaffe“ aus Ingolstadt in der Klasse bis 350ccm zahlreiche Siege bei nationalen und internationalen Rennen. 1953 wurde Siegfried Wünsche auf der 350er RM deutscher Meister und 1956 erkämpfte sich August Hobl diesen Titel und wurde gleichzeitig Vizeweltmeister in dieser Klasse.

Mit einer komplett überarbeiteten, ja in weiten Teilen sogar neu konstruierten DKW 350 RM trat die Rennmannschaft der Auto Union 1955 an. Eine Vollverkleidung deckte einen neuen, wesentlich stabileren Rahmen und riesige, hydraulische Bremsen ab.

Das Bild zeigt das Rennteam von 1955 von links:

Gustl Hobl

Karl Hofmann und

Altmeister Siegfried Wünsche

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Internationales Dieburger Dreieck-Rennen am 24. April 1955

Gustl Hobl auf einer 1955er DKW Dreizylinder Rennmaschine auf dem Dieburger Dreieck-Kurs. Allein dieses Bild zeigt die gekonnt sichere Fahrweise Hobls. Die Rennverkleidung wurde bei Hochgeschwindigkeitsrennstrecken montiert.

Auf dem 5 km langen Kurs wurde die deutsche Motorradrennsaison mit einem internationalen Straßenrennen eröffnet. 5000 Zuschauer erwarteten ein spannendes Duell zwischen Moto-Guzzi und der neuen Dreizylinder DKW von Gustl Hobl und Siegfried Wünsche. Ken Kavanagh aus Australien auf einer lindgrünen, stromlinienverkleideten Moto-Guzzi und Gustl Hobl auf einer silbergrauen vollverkleideten DKW spielten die Hauptrolle in der 350er Klasse.

Beim Start zur 350er Klasse stand in der 1. Reihe Gustl Hobl, der im Training die beste Zeit mit 128,5 km/h gefahren hatte, neben ihm Duilo Agostini auf Moto-Guzzi und der deutsche Exmeister Siegfried Wünsche auf DKW sowie schließlich der große Favorit Ken Kanvanagh auf seiner Einzylinder Moto-Guzzi. Der Start verlief völlig ungewohnt. Während die Guzzis 91 sehr gut vom Start wegkamen, hatten Wünsche und Hobl einen schlechten Start erwischt. Wünsche musste schon in der 1. Runde wegen eines technischen Defekts das Rennen beenden. Hobl arbeitete sich jedoch in einer gekonnt sicheren Fahrweise innerhalb weniger Runden an Kavanagh heran, aber trotz seiner glänzenden Fahrweise konnte er ihn nicht überholen, wohl deshalb, weil die Guzzi von Kavanagh auf dem winkeligen Kurs im Anzug einfach schneller war. Durch diesen Vorteil konnte Kavanagh den „lästigen“ Verfolger Hobl zwar etwas abschütteln, aber nicht distanzieren wie die übrigen Fahrer. Der wohl damals beste Rennjockey von , Ken Kavanagh, sagte nach dem Rennen anerkennend: „Der Junge hat mich zu einem tollen Tempo getrieben“, denn er hatte an diesem Tag nur einen Gegner: Gustl Hobl aus dem Ingolstädter DKW Rennstall.

Gustl Hobls zweiter Platz, nur 5 Sekunden hinter dem Sieger Kavanagh, war eine großartige Leistung, zumal wenn man bedenkt, dass ihm einmal der Motor kurz streikte und außerdem die Verkleidung an manchen Straßenabschnitten am Boden aufsetzte. Am Ende des Rennens hatten Hobl und der Sieger die gesamte Konkurrenz überrundet.

Ergebnis:

Klasse bis 350ccm: 30 Runden = 150 km

1. Ken Kavanagh, Australien, Moto Guzzi, Durchschnitt: 126,1 km 2. Gustl Hobl, Ingolstadt, DKW, 125,6 km/h 3. Augusto Goffin, Belgien, Norton, 1 Runde zurück

Schnellste Runde im Training: Gustl Hobl, 128,5 km/h

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Internationales Eifel-Rennen auf der Nordschleife des Nürburgrings am 29. Mai 1955

2. Lauf zur deutschen Motorradmeisterschaft

Dieser Lauf wurde auf der 22,81 km langen Nordschleife des Nürburgrings ausgetragen. Die Rennleitung schickte alle drei Soloklassen bis 250ccm, 350ccm und 500ccm im Zweiminuten-Abstand auf die Reise. Aufgrund guter Ergebnisse im Training kamen die DKW-Fahrer Hobl und Hofmann in die 1. Startreihe, während Wünsche in der zweiten und Bodmer in der dritten standen, obwohl Bodmer und Wünsche die besten Trainingszeiten in ihrer Klasse fuhren. Hobl und Hofmann hatten an ihren Maschinen die von der Technischen Universität München entwickelten aerodynamischen Verkleidungen montiert. Obgleich Diebe in der Nacht vor dem Rennen den PKW von Hobl aufbrachen und ihm seine ganze Rennausrüstung gestohlen hatten und er somit mit einem zu großen geliehenen Rennanzug starten musste, beherrschte er den Sechsrundenkampf. Seine Mitstreiter für DKW, Hofmann und Wünsche, wurden von den AJS Privatfahrern Gonzalez aus Spanien und Murphy aus Neuseeland hart bedrängt. Da Wünsche durch einen Kerzenwechsel wertvolle Zeit verlor und zudem ohne Vollverkleidung fuhr, kam er am Schluss des Rennens nur noch auf den 5. Platz. Durch seinen Start-Ziel-Sieg erkämpfte Gustl Hobl in diesem Rennen die ersten sechs Punkte zur deutschen Meisterschaft.

Ergebnis:

350er Klasse: 6 Runden = 136,86 km

1. Gustl Hobl, Ingolstadt, DKW, Durchschnitt: 119,2 km/h 2. Karl Hofmann, Frankfurt/Main, DKW, 119,2 km/h 3. Francisko Gonzalez, Spanien, AJS, 118,5 km/h

5. Siegfried Wünsche, Ingolstadt, DKW, 116,8 km/h

Schnellste Runde: Karl Hofmann, 121,2 km/h

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Positionskämpfe während des Rennens:

Nr. 66 Gustl Hobl, DKW

Nr. 68 Karl Finkenzeller, DKW Eigenbau

Nr. 65 Siegfried Wünsche, DKW

Nr. 91 Francisko Gonzalez,

In der Mitte Gustl Hobl, rechts daneben Karl Hofmann und Prof. Eberan von Eberhorst, technischer Direktor der Auto Union, rechts mit Mantel 94

Großer Preis von Deutschland am 26. Mai 1955 auf der Nordschleife des Nürburgrings

3. Lauf zur Motorrad-Weltmeisterschaft

Zum Training der 350er Klasse erschienen alle daran teilnehmenden DKW-Maschinen ohne Verkleidung und ohne hydraulische Bremsen, die durch kleine aus dem Vorjahr ersetzt wurden. Durch diese beiden Maßnahmen wurden die Rennmaschinen leichter, erhielten dadurch eine größere Wendigkeit und als Erfolg wurden bessere Zeiten als beim Eifelrennen an gleicher Stelle erzielt.

Im Rennen der Solomaschinen bis 350ccm kämpften 42 Fahrer um den Sieg, die Zuschauer erwarteten erbitterte Duelle zwischen den Werksmannschaften von DKW, Moto-Guzzi und MV Agusta. Nach einem Blitzstart, der alle 4 DKW-Maschinen an die Spitze des Feldes brachte, kam Gustl Hobl als Erster vor auf Norton und auf Moto- Guzzi aus der ersten Runde. Dann aber setzte sich Bill Lomas an die Spitze, die er bis zum Ende des Rennens nicht mehr abgab. Hobl fuhr ein hervorragendes Rennen, kämpfte den auf einer Werks-Norton sehr stark fahrenden Surtees nieder und beendete das Rennen mit 13 Sekunden Rückstand als sicherer Zweiter, wobei ihm das begeisterte Publikum bei der Zieleinfahrt lautstark applaudierte.

Ergebnis:

Klasse bis 350ccm: 6 Runden = 136,86 km 1. Bill Lomas, England, Moto-Guzzi, Durchschnitt: 127,9 km/h 2. Gustl Hobl, Deutschland, DKW, 127,6 km/h 3. John Surtees, England, Norton, 127,5 km/h 6. Karl Hofmann, Deutschland, DKW, 125,9 km/h 7. Siegfried Wünsche, Deutschland, DKW, 123,7 km/h

Schnellste Runde: Bill Lomas, 129,3 km/h

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Großer Preis von Belgien am 3. Juli 1955 in Spa-Francorchamps 4. Lauf zur Motorrad- Weltmeisterschaft

Im Rennen der 350er Klasse starteten 36 Fahrer, darunter die DKW-Werksfahrer Siegfried Wünsche, Karl Hofmann, Gustl Hobl und Hans Bartl5 als Privatfahrer. Für Moto-Guzzi starteten Ken Kavanagh, Agostini und Sandford, für MV-Agusta Bandirola.

Nach einem sehr guten Start fing es damit an, dass sich Siegfried Wünsche mit seiner Dreizylinder-DKW an die Spitze des Feldes vor den Guzzis und MV Agusta absetzte und schnell einen Vorsprung von ca. 250 Metern erreichte. Bereits in der 2. Runde wurde er von Bill Lomas an der Spitze abgelöst und musste schließlich in der 3. Runde das Rennen wegen eines technischen Defekts aufgeben. Hobl konnte sich bereits nach vier Runden auf den vierten Platz vorarbeiten und blieb im weiteren Verlauf des Rennens dem Spitzenreiter Lomas hart auf den Fersen. Durch seine scharfe Fahrweise verlangte er den Guzzi-Fahrern alles ab, und als Kavanag und Agostini in der 7. Runde wegen Motorschadens aufgeben mussten, setzte sich Gustl Hobl hinter Lomas auf den 2. Platz, um dabei bis zum Ende des Rennens durch gleichmäßige Rundenzeiten seinen Abstand zu Lomas von zunächst 26 auf 15 Sekunden zu verringern. Hofmann stürzte in der 7. Runde und musste leicht verletzt das Rennen beenden.

5 Hans Bartl, der bisher für BMW und Horex als Privatfahrer fuhr, hatte diese Maschinen abgegeben. Obwohl er jetzt keine Rennmaschine mehr hatte, meldete er sich trotzdem zum Rennen der 350er Klasse an. Da er der Rennleitung der Auto Union als sicherer Fahrer bekannt war, stellten sie ihm eine Maschine zur Verfügung, um auch zu prüfen, ob er evtl. später bei Bedarf eingesetzt werden könnte. Bartls Ergebnisse verliefen zufriedenstellend, im Rennen belegte er den 6. Platz.

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Die Fachzeitung „Motor und Fahrer“ kommentierte das Rennen der 350er Klasse u.a. so: „Hinter Lomas hetzte ein Feld von Klassefahrern…und die ganze Elite der Engländer. Dazwischen tummelte sich August Hobl auf seiner DKW an 5. und 6. Stelle. Er fuhr wieder ein großartiges Rennen und es gelang ihm den zweiten Platz zu erobern. Er hat ein ungemein feines Gefühl für die Maschine und ist am Schluss des Rennens noch so taufrisch wie beim Start.“

Ergebnis:

350er Klasse: 11 Runden = 155,320 km

1. Bill Lomas, England, Moto-Guzzi, Durchschnitt: 170,673 km/h 2. Gustl Hobl, Deutschland, DKW, 169,306 km/h 3. Campell, Australien, Norton, 163,403 km/h

6. Hans Bartl, Deutschland, DKW, 161,352 km/h

Schnellste Runde: Bill Lomas, 173,310 km/h

Hans Bartl (links) fuhr in Spa/Belgien erstmalig eine 350er DKW und belegte im Rennen einen guten 6. Platz. Rechts von ihm Gustl Hobl.

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Internationales Straßenrennen rund um Schotten am 10. Juli 1955.

3. Lauf zur deutschen Motorradmeisterschaft

Gustl Hobl (66) auf seiner „singenden Säge“ fährt seinem Start-Ziel- Sieg entgegen.

Auf der herrlich gelegenen Gebirgsrundstrecke am Fuße des Vogelberges waren im Lauf der 350ccm Klasse 28 Fahrer der Spitzenklasse am Start. Im Training fuhr Hobl mit 125,5 km/h die schnellste Runde und startete deshalb aus der 1. Startreihe. Siegfried Wünsche und Gustl Hobl gelang ein guter Start, Wünsche setzte sich zunächst an die Spitze des Feldes, wurde jedoch am Ende der 1. Runde von Hobl abgelöst. Von nun an „hobelte“ es ganz gewaltig. Nicht nur dass es dem jungen DKW-Werksfahrer gelang, einen mit viel Beifall aufgenommenen Start-Ziel-Sieg in neuer Rekordzeit von 127,5 km/h gegen seinen gefährlichen Mitkonkurrenten C. Sandford auf Moto-Guzzi herauszufahren, sondern auch die übrigen DKW-Maschinen konnten mit Altmeister Siegfried Wünsche und mit dem Nachwuchsfahrer Gerhard Bodmer gute Plätze belegen. Der nunmehr zur absoluten 98 europäischen Extraklasse zählende Hobl fuhr offensichtlich sehr verhalten. Ihm war es gelungen, erstmals mit einer 350er DKW einen Sieg über die sonst in dieser Klasse dominierenden italienischen Fabrikate zu erzielen.

Ergebnis:

Klasse bis 350ccm: 9 Runden = 144,72 km

1. Gustl Hobl, Ingolstadt, DKW, Durchschnitt: 127,5 km/h 2. , England, Moto-Guzzi, 127,0 km/h 3. Siegfried Wünsche, Ingolstadt, DKW, 126,4 km/h

7. Gerhard Bodmer, Ingolstadt, DKW, 122,5 km/h

Schnellste Runde: Gustl Hobl, 129,7 km/h

Der frühere Europameister Ewald Kluge gratuliert seinem jungen Rennfahrerkollegen Gustl Hobl zu seinem eindrucksvollen Sieg auf dem Schottenring.

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Großer Preis der Niederlande bei Assen am 16. Juli 1955

5. Lauf zur Motorrad-Weltmeisterschaft

Gustl Hobl benutzte als einziger DKW-Fahrer die Stromlinienverkleidung an seiner 350er Maschine

Die Rennstrecke bei Assen in den Niederlanden wurde gegenüber früherer Rennveranstaltungen wesentlich verändert und hatte nunmehr statt seiner bisherigen Länge von 16.4 km jetzt nur noch eine von 7,04 km.

Am Start in der 350er Klasse waren zunächst 30 Fahrer, infolge Nichtbewilligung des geforderten Startgeldes wurde das Rennen von 17 Privatfahrern in der 1. Runde bestreikt, so dass zu Beginn der 2. Runde nur noch 13 Fahrer am Rennen teilnahmen. Siegfried Wünsche, Gustl Hobl, Karl Hofmann und der Privatfahrer Hans Bartl starteten für DKW. Nach der 1. Runde führte Hobl, wurde aber in der 2. Runde bereits von Ken Kavanagh und Bill Lomas angegriffen und auf den dritten Platz und in der 4. Runde durch Dulio Agostini auf den vierten Platz verdrängt. Da Agostini in der 7. Runde ausfiel, rückte Hobl wieder auf den dritten Platz vor. In der 14. Runde wurde er vom Guzzi-Fahrer Dikie Dale wieder auf 100 den vierten Platz verdrängt, den er bis zum Ende einhalten konnte. Trotz einer hervorragenden Fahrweise war es Gustl Hobl nicht möglich, die Werks-Guzzis auf diesem kurvenreichen Rennkurs zu besiegen.

In der 14 Runde wurde Gustl Hobl (57) von Dikie Dale auf Moto-Guzzi angegriffen und vom dritten auf den vierten Platz zurückgedrängt.

Gustl Hobl im Zweikampf mit Cecil Sandford Nr. 59 (England) auf Moto-Guzzi 101

Ergebnis:

Klasse bis 350 ccm: 20 Runden = 154,9 km

1. Ken Kavanagh, Australien, Moto-Guzzi, Durchschnitt: 125,615 km/h 2. Bill Lomas, England, Moto-Guzzi, 125,6o4 3. Dikie Dale, England, Moto-Guzzi, 125,596 km/h 4. Gustl Hobl, Deutschland, DKW, 125,117 km/h

6. Hans Bartl, Deutschland, DKW, 121,117 km/h

8. Siegfried Wünsche, Deutschland, DKW, 1 Runde zurück.

Schnellste Runde: Dikie Dale, 129,305 km/h

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Internationales Solitude – Rennen am 24. Juli 1955 in Stuttgart

4. Lauf zur deutschen Motorradmeisterschaft

Kurz nach dem Start auf der Solitude

Nr. 65 Siegfried Wünsche

Nr. 66 Gustl Hobl

200000 Zuschauer konnten auf der herrlichen Solitude-Rennstrecke spannende Rennen beobachten. Zahlreiche ausländische Fahrer gaben der Veranstaltung internationales Flair.

Im Rennen der 350er Klasse waren 43 Fahrer am Start, von denen 15 während des Rennens ausschieden. Für DKW starteten Siegfried Wünsche und Gustl Hobl. Gerhard Bodmer war wegen eines Sturzes im Training nicht einsatzfähig. Für ihn konnte schließlich Karl Lottes mit einer Reserve-Maschine für den Ingolstädter Rennstall starten. Die DKW-Maschinen 103 kamen gut vom Start weg und bildeten die Spitzengruppe. Nach der 1. Runde führte Hobl, während sich Ken Kavanagh aus Australien mit seiner Moto-Guzzi an Wünsche vorbeigeschoben hatte. In der 2. Runde übernahm Kavanagh die Spitze, seine beiden schärfsten Gegner, Hobl und Wünsche, hatten in ihren Maschinen nicht mehr jene Reserven, die notwendig gewesen wären, um an ihm vorbeizugehen. Als Gustl Hobl in der vorletzten Runde alles aus seiner Maschine herausholte und einen neuen Rundenrekord fuhr, drehte der Australier zuletzt nochmals schnell auf und schon war er Inhaber des neuen Rundenrekords mit 144,4 km/h. Gustl Hobl erhielt für seine bravouröse Fahrt und seinen hartnäckigen Kampf mit Kavanagh großen Beifall.

Ergebnis:

Klasse bis 350ccm: 14 Runden = 161,0 km

1. Ken Kavanagh, Australien, Moto-Guzzi, Durchschnitt: 142,3 km/h 2. Gustl Hobl, Ingolstadt, DKW, 142.o km/h 3. Siegfried Wünsche, Ingolstadt, DKW, 137,5 km/h

5. Karl Lottes, Marburg, DKW, 1 Runde zurück

Die Sieger unter sich:

links Siegfried Wünsche, 3. Platz

Mitte: Ken Kananagh, Sieger

rechts: Gustl Hobl, 2. Platz

hinter Kavanagh halb verdeckt Direktor Kratsch von der Auto Union

104

Siegerehrung nach dem Solitude – Rennen

links: Gustl Hobl, 2. Platz

Mitte: Ken Kavanagh, Sieger rechts: Helmut Hallmeier, NSU, bester Privatfahrer

105

Internationales Noris-Ring-Rennen am 31. Juli 1955 in Nürnberg

5. Lauf zur deutschen Motorradmeisterschaft

Weit über 100000 Zuschauer umsäumten den 3.7 km langen Norisring auf dem Zeppelinfeld in Nürnberg. Der Endlauf in der 350er Klasse versprach recht spannend zu werden, starteten doch für Auto Union DKW allein vier Fahrer, nämlich Siegfried Wünsche, Karl Hofmann, Gustl Hobl und Hans Bartl. Eine etwas unangenehme „Würze“ erhielt das Rennen in der Person von Ex-Weltmeister und Moto-Guzzi-Fahrer Enrico Lorenzetti, der ja bekanntermaßen bei den deutschen Veranstaltern nicht sonderlich beliebt war, weil seine Spesenforderungen jeden Generaldirektor vor Neid erblassen lassen würden. Als ihm der deutsche Motorradverband auf dem Nürburgring das Konto sperrte und Lorenzetti nicht antrat, verbot ihm die Oberste Motorsportkommission einen weiteren Start in Deutschland. Erst auf Bitten der Nürnberger Veranstalter wurde Lorenzetti begnadigt und konnte so am Rennen teilnehmen.

Gustl Hobl wird erstmals deutscher Meister in der 350er Klasse

Mit insgesamt 35 Fahrern hatte das Feld der 350er Klasse nicht nur die zahlenmäßig stärkste, sondern auch die international beste Besetzung gefunden. Nach dem Start schien alles ganz gut im Sinne der vierköpfigen DKW-Mannschaft zu laufen, denn der Favorit und Trainingsschnellste Lorenzetti auf Moto-Guzzi verlor durch einen schlechten Start wertvolle Sekunden, so dass sich Wünsche und Hofmann mit der verkleideten DKW einen beachtlichen Vorsprung sichern konnten. Lorenzetti konnte aber bereits in der 3. Runde Hofmann und Bartl überholen, griff in der 6. Runde Hobl an und konnte schließlich in der 7. Runde an ihm vorbeiziehen. In seiner Verfolgungsjagd „kassierte“ er auch noch in der 13. Runde Siegfried Wünsche und setzte sich damit an die Spitze. 106

Ergebnis:

Klasse bis 350ccm: 30 Runden = 118,2 km

1. Enriko Lorenzetti, Italien, Moto-Guzzi, Durchschnitt: 123,2 km/h 2. Siegfried Wünsche, Ingolstadt, DKW, 122,7 km/h 3. Gustl Hobl, Ingolstadt, DKW, 121,2 km/h 4. Karl Hofmann, Frankfurt/Main, DKW, 119,5 km/h 5. Hans Bartl, München, DKW, 119,1 km/h

Schnellste Runde: Enrico Lorenzetti, 125,5 km/h

Der erhoffte Sieg eines DKW-Fahrers blieb zwar aus, aber der dritte Platz in diesem Rennen genügte Gustl Hobl zur Erringung seiner ersten deutschen Meisterschaft. Es war ein wirklich erfolgreicher Tag für die Ingolstädter Rennmannschaft. Am Rande aber passierte der Organisation ein peinlicher Regiefehler, als vergessen wurde, Gustl Hobl zu seinem Erfolg zu gratulieren.

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Internationales Sachsenring-Rennen am 14. August 1955 in Hohenstein – Ernstthal

Gustl Hobl mit der neuen 125ccm DKW vor dem Start

zum Sachsenring-Rennen 1955

In der Rennsaison 1955 beteiligte sich die Rennabteilung des Ingolstädter Werkes bis zum Noris-Ring-Rennen am 31. Juli nur mit ihren 350ccm Dreizylinder Rennmaschinen an nationalen und internationalen Motorradrennen. Es war schon erstaunlich zu sehen, wie Gustl Hobl diese vom Gewicht her sehr schwere Maschine immer in die vordersten Plätze lenkte, obwohl sie für ihn nach seinem eigenen Bekunden „als Kleinstem der Rennabteilung schwer beherrschbar“ war. Sein Wunsch, nach dem vorzeitigen Erringen der deutschen Meisterschaft in der 350er Klasse auch eine 125ccm DKW Rennmaschine zu fahren, wurde ihm zunächst verwehrt. Hobls Erinnerung nach „war die Rennabteilung damals seinem Wunsch gegenüber recht negativ eingestellt, weil man befürchtete, dass man in dieser Klasse keine Lorbeeren 108 erringen könnte. Ich war aber von Erfolgen auch in dieser Klasse absolut überzeugt. Ich sprach deshalb beim technischen Direktor der Auto Union, Herrn Zerbst, persönlich vor und schilderte ihm meinen Wunsch. Auf seine Frage, ob die Beteiligung an Rennen auch mit einer 125er DKW Rennmaschine gut gehen könne, antwortete ich ganz spontan: Ja natürlich. Umgehend informierte nun Herr Zerbst den technischen Rennleiter Herrn Görg und gab somit grünes Licht zur Entwicklung einer 125er DKW –Zweitakt-Rennmaschine. Sie hatte aber letztlich nur 116 ccm was einem Zylinder der „singenden Säge“ entsprach.

Gustl Hobl sah jetzt seinen Wunsch, eine 125ccm DKW in einem Rennen zu fahren, in Erfüllung gehen. Zum Sachsenring-Rennen wurde Hobl als Privatfahrer nachgemeldet und durfte anstelle eines noch verletzten Rennfahrers in der 125er Klasse starten und konnte sich so mit den schnellen 125ccm IFA DKW-Zweitakt-Maschinen6 messen.

Das Bild zeigt Gustl Hobl auf der neuen 125cm DKW RM zusammen mit dem technischen Rennleiter, Ingenieur Helmut Görg.

Bei der neuen 116ccm DKW wurde eine Menge von Erfahrungswerten aus der laufenden Rennsaison angewandt, so dass die Maschine bereits bei der technischen Abnahme in Hohenstein-Ernstthal für großes Aufsehen sorgte. Das Geheimnis seines für die Außenstehenden so überraschenden Erfolges war die Idee, sich für die Maschine einen Zylinder der 350ccm DKW, also der erfolgreichen „singenden Säge“, auszuleihen. Mit nur 116 ccm – die Dreizylinder DKW hatte nämlich nur 348 ccm – ging Gustl Hobl auf dem Sachsenring an den Start. Interessant war, dass an der Verkleidung keine Luftschächte vorhanden waren.

6 Genauso wie in Westdeutschland (Ingolstadt) entwickelte die Motorradindustrie der DDR auch DKW- Maschinen der Vorkriegszeit technisch so weit, dass sie an internationalen Rennen teilnehmen konnten. Sie wurden als IFA DKW-Maschinen zu den Rennen angemeldet. Die Bezeichnung IFA stand für Industrieverwaltung Fahrzeugbau. 109

Das offizielle Training war auf zwei Tage vor dem Rennen angesetzt, absprachegemäß wurde dabei den anderen Fahrern nicht alles gezeigt, was die neue Achtellitermaschine an Leistungen bringen konnte. Gustl Hobl fuhr die drittbeste Trainingszeit mit 4:28,0 = 117,3 km/h bei einer Rennstreckenlänge von 8,731 km, während der DDR Fahrer Horst Fügner auf einer IFA DKW eine Zeit von 4:26,0 km/h erreichte.

Der Sachsenring war ein Dreieckskurs, bei dem zwei Kurven in der Stadt Hohenstein- Ernstthal zu durchfahren waren. Die Kurven bestanden aus Kopfsteinpflastern, für höhere Geschwindigkeiten wurden sie nicht gerade als ideal empfunden, während die übrige Strecke asphaltiert war. Auf der 8,731km langen Strecke befanden sich neun schnelle, lang gestreckte Kurven. Selbstverständlich wurde die Veranstaltung in der Presse groß angekündigt.

Start zum Sachsenring-Rennen in der 125ccm Klasse:

Nr. 167 Gustl Hobl, DKW

Nr. 156 Karl Lottes, MV-Agusta

Nr. 146 Horst Fügner, IFA - DKW

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Im Rennen der 125er Klasse starteten vor einer großen Zuschauermenge 22 Fahrer, davon allein 12 IFA-DKW, sowie 7 MV-Agusta-Fahrer. Gustl Hobl, dessen Maschine schon vor dem Start für großes Aufsehen sorgte und als technisches Kuriosum bezeichnet wurde, ging vom Start weg sofort in Führung. Nach der 1. Runde hatte er bereits eine Vorsprung von 15 Sekunden und in der 2. Runde einen von 30 Sekunden vor Karl Lottes auf MV-Agusta. Bis zur 9. Runde führte Hobl mit 41.6 Sekunden Abstand vor Lottes, der in der 11. Runde wegen Motorschadens aufgeben musste, so dass der IFA-Fahrer Horst Fügner weiter aufrücken konnte.

Ergebnis:

Klasse bis 125 ccm: 12 Runden = 104,772 km

1. Gustl Hobl, Ingolstadt/Westdeutschland, DKW, Durchschnitt: 123,53 km/h 2. Horst Fügner, DDR, IFA-DKW, 3. Bernhard Petruschke, DDR, IFA-DKW Schnellste Runde sowie Streckenrekord: Gustl Hobl, 124,4 km/h

Siegerehrung: links: Horst Fügner, IFA-DKW, 2. Platz

Mitte: Sieger Gustl Hobl, DKW

rechts: Bernhard Petruschke, IFA- DKW, 3. Platz

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Anmerkung: Zum Rennen in der 350er Klasse sollten ursprünglich nur zwei 350er DKW- Rennmaschinen starten. Laut Mitteilung der Rennleitung Hohenstein-Ernstthal war jedoch das Rennen in der 350er Klasse wegen mangelnder Beteiligung abgesagt worden.

Als eine Sensation des Rennjahres 1955 wurde die neue 125er DKW RM bezeichnet. Dass es gerade der Sachsenring war, die bisherige Domäne der sehr schnellen IFA-Zweitakt- Drehschieber-Rennmaschinen, auf dem erstmalig der neue DKW-Rennmotor seine Bewährung abgelegt hatte, ist nicht ohne eine gewisse Pikanterie. Dass es Hobl aber gelang, die bisher „schnellsten Zweitakter der Welt“ zu schlagen, ohne sich überhaupt voll auszugeben, sprach zur damaligen Zeit wohl für den sensationellen Wurf, der der Auto Union – Rennabteilung glückte, schrieb eine namentlich unbekannte Motorradfachzeitung in einer Glosse nach dem Rennen.

Natürlich schrieben auch noch verschiedene andere Zeitungen und Fachzeitschriften über das Rennen in der 125ccm Klasse. Es darf einiges zitiert werden:

• Auszug aus der Zeitschrift „Das Motorrad“ Nr. 17/55 vom August 1955: „Schon das Rennen der 125ccm Klasse brachte eine Überraschung, weil der DKW-Werksfahrer August Hobl auf einer selbst gebastelten DKW-Version sofort die Führung übernahm und sie nicht wieder abgab…“ • Auszug aus der Zeitschrift „Motor-Express“ Nr. 18/55 vom 2. Septemberheft: „Eine technische Sensation, Hobl gewinnt mit amputierter 3-Zylinder DKW…“ • Ausschnitt aus einer ostzonalen Zeitung: „August Hobl, der Werksfahrer der Auto Union Ingolstadt…kam zum Sachsenring mit einer Neugeburt. Nicht etwa, dass er Vater geworden war, nein, er brachte eine Neuschöpfung aus der Ingolstädter Rennabteilung mit, die sich ihre Sporen verdienen sollte. Dabei handelt es sich um ein technisches Kuriosum...“ • Auszug aus „Östliche Illustrierte Motorsport“ Heft 16/1955 „Wir sind von unseren schnellen Zweitaktern aus Zschopau bestimmt allerhand gewohnt. Doch was der junge August Hobl mit seiner Ingolstädter DKW beim Lauf der Solomaschinen bis 125ccm zeigte, muss man wirklich, ohne dazu zu neigen, in Superlativen zu schwelgen, als phantastisch bezeichnen…“

Übrigens, der Rennleiter für diese Rennveranstaltung auf dem Sachsenring, Siegfried Müller, wurde „gefeuert“, weil er die Nachmeldung von Gustl Hobl akzeptiert hatte. Er 112 setzte sich sofort nach Westdeutschland ab und kam zu DKW nach Ingolstadt und wurde hier Abteilungsleiter.

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Großer Preis von Italien am 4. September 1955 in Monza

8. Lauf zur Motorrad-Weltmeisterschaft

Vor dem Start in Monza

im Hintergrund Gustl Hobl

In Monza hatte die Rennabteilung der AutoUnion jeweils zwei Werksmaschinen für die 125er sowie für die 350er Soloklasse gemeldet. Siegfried Wünsche und Gustl Hobl waren die Fahrer in beiden Rennen. Die Teilnahme am Training und im Rennen sollte in der Hauptsache dazu dienen, die Eigenschaften und Leistungen der 116ccm sowie auch der 350ccm Maschine mit der internationalen Konkurrenz zu vergleichen. Monza war dazu besonders geeignet, da die italienischen Marken wie ganz besonders MV-Agusta, Moto- Guzzi und Mondial in der Achtelliterklasse sowie die Marken Moto-Guzzi, Norton, AJS sowie Horex und NSU in der 350er Klasse am Start waren. Es war zu erwarten, dass gerade die Italiener in beiden Klassen als schärfste Gegner auch die höchsten Leistungen infolge ihrer guten Streckenkenntnisse zeigen würden sowie alle anderen Weltmeisterschaftsfahrer 114 gewillt waren, das Beste aus ihren Maschinen herauszuholen. Das Training in der 125er Klasse verlief ohne besondere Vorfälle, es wurde hauptsächlich genutzt, um die Grundregulierung und Übersetzung der Maschinen zu erproben.

In der 125er Klasse starteten 24 Fahrer, Gustl Hobl und Siegfried Wünsche hatten in Training die viert- bzw. fünfbeste Trainingsrunde gefahren. Nach der 1. Runde – die beiden Ingolstädter starteten aus der 2. Reihe – lag Wünsche auf dem achten und Hobl auf dem zwölften Platz. In der 5. Runde konnte Hobl an Wünsche vorbeifahren und in der 10. Runde lag er hinter den drei führenden MV Agusta-Fahrern an 4. Stelle, die er bis ins Ziel halten konnte.

In der 35oer Klasse erreichten von 25 Fahrern nur 11 das Ziel. Nach dem Start führte Hobl fünf Runden lang das Fahrerfeld an, musste jedoch dann den angreifenden Moto-Guzzi- Fahrern Bill Lomas und Diki Dale weichen, konnte aber bis zur 18. Runde den 3. Platz halten, diesen dann aber an seinen alten Gegner Ken Kavanagh auf Moto-Guzzi abgeben. Jetzt folgte ein harter Kampf zwischen Hobl und dem Moto-Guzzi Fahrer Lorenzetti, der in der 22. Runde Hobl überholen konnte, in der 23. Runde jedoch schon wieder eine Radlänge hinter Hobl lag. Dieses Wechselmanöver war nur eine Probe von Lorenzetti und es gelang diesem nach der letzten Kurve bis zum Ziel Hobl um 1/10 Sekunde zu schlagen. Hobl selber lag nur 14 Sekunden hinter dem Sieger Dale.

Nach diesem Rennen erreichte Gustl Hobl bei nur vier Weltmeisterschaftsläufen 17 Punkte und kam damit hinter Bill Lomas und Diki Dale auf den 3. Platz in der Weltmeisterschaft vor Ken Kavanagh, der 14 Weltmeisterschaftspunkte erreichte.

Hobls dritter Rang in der Weltmeisterschaft sorgte im Ausland für mehr Aufsehen als in Deutschland, wo er im Schatten von H.P. Müllers Weltmeisterschaftsgewinn in der 250er Klasse stand.

Ergebnisse:

Klasse bis 125ccm: 18 Runden = 103,5 km

1. Ubbiali, Italien, MV-Agusta, Durchschnitt: 151,229 km/h 2. Venturi, Italien, MV-Agusta, 150,0 km/h 3. Copeta, Italien, MV-Agusta, 145,4 km/h

4. Gustl Hobl, Deutschland/Ingolstadt, DKW, 145,2 km/h

5. Siegfried Wünsche, Deutschland/Ingolstadt, DKW, 1 Runde zurück

Schnellste Runde: Ubbiali, 156,937 km/h 115

Klasse bis 350ccm: 27 Runden = 155,25 km

1. Diki Dale, England, Moto-Guzzi, Durchschnitt: 168,227 km/h 2. Bill Lomas, England, Moto-Guzzi, 168,27 km/h 3. Ken Kavanagh, Australien, Moto-Guzzi, 168,0 km/h

5. Gustl Hobl, Deutschland/Ingolstadt, DKW, 167,8 km/ 8. Siegfried Wünsche, Deutschland/Ingolstadt, DKW, 2 Runden zurück

Schnellste Runde: Bill Lomas, 171,926 km/h

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Internationales Eilenriede – Rennen am 11. September 1955 in Hannover 6. Lauf zur deutschen Motorradmeisterschaft

Das Eilenriede-Rennen war das Abschlussrennen der Motorradsaison 1955. Die zahlreichen Zuschauer sahen teilweise dramatische Rennen. Auch für die Klasse bis 125ccm war es die Meisterschaftsentscheidung.

Die folgenden Zeilen erzählen von den Schwierigkeiten, mit denen damals die Ingolstädter Rennabteilung zu kämpfen hatte. Hier der Bericht, der auch an die leitenden Persönlichkeiten der Auto Union verteilt wurde: „Da gleichzeitig in Kristianstat in Schweden ein Rennen mit drei Maschinen beschickt wurde, hatten wir für die Eilenriede für fünf Maschinen mit Verkleidung nur einen vom Spediteur gestellten Lastwagen zur Verfügung. Durch dieses verhältnismäßig schlechte Fahrzeug sind uns auf der Fahrt nach Hannover beträchtliche Transportschäden entstanden. Es muss also bei evtl. Beschickung von zwei Rennen auf die Transportfrage noch mehr Wert gelegt werden. Vor allem dass nicht durch total überalterte und verschlissene Fahrzeuge das Prestige der Firma leidet, abgesehen von dem schwierigen Transport der Ersatzteile.“

Gustl Hobl, Sieger in der 125er und 350er Klasse

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Das Training der 125er und 350er Maschinen fand gleichzeitig statt, gemäß einer Sondergenehmigung durfte aber die 350er DKW am Training der 250er bzw. 500er Maschinen auch teilnehmen. Alles verlief zufriedenstellend.

In der 125er Klasse waren 18 Fahrer am Start, darunter 10 MV-Agusta, 6 IFA DKW und eben 2 DKW aus dem Ingolstädter Werk. Die DKW-Maschinen waren den anderen haushoch überlegen, außer zwei Fahrern wurde das gesamte Feld von den schnellen Zweitaktern überrundet. Hobls Überlegenheit war so groß – in der 14. Runde fuhr er mit 2.21.3 Sekunden = 122,2 km/h die schnellste Runde – dass er auch um ein Haar den viertplazierten Karl Lottes überrundet hätte. Karl Lottes, der nach diesem Rennen Deutscher Meister wurde, sprach nachher über die 125er DKW anerkennende Worte: „Ein Glück, dass DKW die neue 125er noch nicht zu Beginn der Meisterschaftsläufe ins Rennen geschickt hat, denn sonst hätte ich heute nicht auf dem Siegespodest gestanden…“

Start der 350ccm Klasse auf der Eilenriede Nr. 63 Enrico Lorenzetti, Moto-Guzzi Nr. 66 Gustl Hobl, DKW Nr. 85 Karl Hofmann, DKW

Die Zuschauer konnten auch ohne Meisterschaftswertung – Gustl Hobl stand bereits als deutscher Meister in dieser Klasse fest – ein begeisterndes und dramatisches Rennen 118 erleben. Es stand ganz im Zeichen des erneuten Zusammentreffens von Meister Gustl Hobl mit der Dreizylinder DKW und seinem Nürnberg- und Monza-Bezwinger, Exweltmeister Enrico Lorenzetti. Beide Fahrer hatten einen Markengefährten zur Unterstützung,

Lorenzetti brachte Colombo mit und Gustl Hobl seinen Gefährten aus vielen anderen Rennen, Karl Hofmann. Dieses Rennen wurde zum sportlichen Höhepunkt des Tages. Dabei hatten die 50000 Zuschauer eigentlich nur einen Gedanken, kann Hobl seinen Vorsprung, den er auf Grund seiner besseren Streckenkenntnis in den ersten drei Runden errang, halten, oder schafft es Italiens Meisterfahrer Lorenzetti doch noch, ihn bei dieser verwegenen Verfolgungsfahrt einzuholen. Er schaffte es nicht. Hobl hielt seinen Vorsprung. Aber der Zweikampf zwischen Hobl und Lorenzetti verlief so dramatisch, dass sich beide Fahrer immer zu neuen Rundenrekorden trieben. Hobl, der bei diesem Rennen erstmalig die Verkleidung für einen eckigen Kurs fuhr, holte aus den Kurven das Letzte heraus. Diese grandiose Hetzjagd hielt bis zum Ende des Rennens an, was ihm letzten Endes den Sieg bescherte. Alle übrigen Fahrer, auch der namhafte Italienier Colombo auf Moto-Guzzi, wurden von Hofmann, Hobl und Lorenzetti überrundet.

Ergebnisse:

Klasse bis 125ccm: 20 Runden = 96 km 1. Gustl Hobl, Ingolstadt, DKW, Durchschnitt: 120,2 km/h 2. Karl Hofmann, Frankfurt/Main, DKW, 118,1 km/h 3. Horst Fügner, DDR, IFA – DKW, 115,2 km/h

Schnellste Runde: Gustl Hobl, 122,2 km/h

Klasse bis 350ccm: 30 Runden = 144 km/h

1. Gustl Hobl, Ingolstadt, DKW, Durchschnitt: 137,3 km/h 2. Enrico Lorenzetti, Italien, Moto-Guzzi, 137,2 km/h 3. Karl Hofmann, Frankfurt/Main, DKW, 132,2 km/h

Schnellste Runde: Enrico Lorenzetti, 140,o km/h

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Positionskampf zwischen Gustl Hobl (Nr. 66) und Frederic Danwe auf Norton

Die Auto Union informierte ihre DKW-Händler von diesen beiden Siegen: „Die immer weiter verbesserten DKW-Dreizylinder-Rennmaschinen bewiesen wieder einmal ihre Überlegenheit. Beim Eilenriede-Rennen gelang es dem deutschen Meister Gustl Hobl auf DKW, alle Angriffe des Exweltmeisters Lorenzetti auf Moto-Guzzi abzuschlagen und einen überzeugenden Sieg zu erringen. Alle Versuche des italienischen Spitzenfahrers, den schnellen DKW-Zweitakter einzuholen, blieben, trotz immer neuen Rekordrunden, vergeblich. Karl Hofmann, ebenfalls auf der DKW-Dreizylinder, errang vor den übrigen abgeschlagenen und überrundeten Viertaktern den dritten Platz. In der 125er Klasse waren die DKW-Maschinen, obgleich sie einen Zylinderinhalt von nur 116ccm hatten, allen anderen haushoch überlegen, so dass Hobl und Hofmann auf ihren schnellen DKW- Zweitaktern bis auf zwei Fahrer auch hier das gesamte Feld überrundeten.“

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Fazit für das Rennjahr 1955

Motorradrennen sind aufregend und ganz besonders, wenn es dabei um Meisterschaften geht. Noch interessanter wird es aber, wenn diese Wettkämpfe mit Maschinen ausgetragen werden, die als Neuentwicklungen starten, dabei dem Gegner völlig unbekannt sind sowie über deren Schnelligkeit, Durchstehvermögen und Zuverlässigkeit auf schwersten Strecken noch nichts gesammelt werden konnte, weil ganz einfach die Erfahrung fehlt. Wer aber als „Profi“ die deutsche und internationale Motorrad-Rennsaison des Jahres 1955 auch nur mit einiger Aufmerksamkeit studierte, dem sind einige hervorstechende Tatsachen aufgefallen. So konnte mit dem Erscheinen einer gegenüber den Vorjahren fast völlig umgewandelten und neu konzipierten 350ccm Dreizylinder-DKW in die starke Phalanx der Viertakter, und da besonders in jene von Moto-Guzzi, eingedrungen werden. Der große 350er Zweitakter mit seiner ästhetischen, aerodynamischen Stromlinienkarosserie wurde zu einer gefürchteten Maschine in der 350er Klasse. Neben Altmeister Siegfried Wünsche, fuhren Karl Hofmann und der jüngste im Ingolstädter Team, Gustl Hobl diesen Renner. Seine Siege beim internationalen Eifelrennen am Nürburgring, beim internationalen SchottenRing-Rennen, beim internationalen Solitude-Rennen in Stuttgart sowie sein 2. Platz beim internationalen Noris-Ring-Rennen in Nürnberg bescherten ihm die deutsche Meisterschaft in der 350er Klasse vor seinen Teamkameraden Siegfried Wünsche und Karl Hofmann sowie Gerhard Bodmer (8. Platz), allesamt auf DKW. Auch beim Kampf um Weltmeisterschaftspunkte wurde die „singende Säge“ zu einer gefürchteten Waffe gegen die schon beinahe übermächtigen Moto-Guzzis. Der Erfolg des jungen DKW-Werksfahrers Gustl Hobl in der Weltmeisterschaftswertung der 350er Klasse, hinter den so routinierten englischen Mozo-Guzzi Assen Bill Lomas und Diki Dale Dritter in der Weltrangliste zu werden, wirkte auf die internationale Motorradwelt wie ein ein Donnerschlag. Es gelang ihm nämlich, bei nur drei von sechs Weltmeisterschaftsläufen so viele Punkte zu sammeln, dass er bereits hinter Weltmeister Bill Lomas an 2. Stelle lag. Erst in Monza hatte Moto-Guzzi die Möglichkeit, den Konkurrenten Dale an die Spitze zu bringen, der dadurch Gustl Hobl mit einem Punkt überholte und ihn wieder auf die 3. Stelle zurückdrängte. Aber auch das plötzliche Auftauchen einer äußerst schnellen und zierlichen 125ccm- Einzylinder DKW RM aus dem gleichen berühmten DKW-Werk sorgte zum Ende der Rennsaison hin für Furore. Der Sieg von Hobl beim Sachsenring-Rennen über die bisher schnellsten IFA-DKW Motorräder sorgte in den verschiedensten Zeitungen und 121

Fachzeitschriften für zahlreiche Kommentare. Der 1. Und 2. Platz von Hobl und Hofmann beim Eilenriede Rennen in Hannover bedeutete für beide den 5. Und 6. Platz in der deutschen Meisterschaftswertung, und als Gustl Hobl auch noch beim Großen Preis der Nationen in Monza seine 125er DKW auf den vierten Platz vor Siegfried Wünsche steuerte, war für ihn auch noch der 9. Platz der 125er Klasse der laufenden Weltmeisterschaft sicher. Die junge Ingolstädter Rennmannschaft konnte also mit dem Erreichten sehr zufrieden sein. Der Name DKW war überall in den Sportberichten wieder zu lesen, zumal auch DKW in der Markenwertung sowohl in der 125er und 350er Klasse den dritten Platz belegte. Und zum Schluss dieser Betrachtung noch ein Wort von Fergus Anderson, dem Weltmeister der Klasse bis 350ccm und jetzigem Rennleiter bei Moto-Guzzi, das dieser in der bedeutenden englischen Fachzeitung „The Motor Cycle“ geäußert hat. Hier seine Worte: „Die ganze Welt liebt einen guten Verlierer und deshalb ist wahrscheinlich die DKW- Rennmaschine die derzeit beliebteste. Hoffentlich werde ich nicht als unloyal angesehen, wenn ich zugebe, dass ich enttäuscht wäre, wenn die Moto-Guzzi von DKW geschlagen würde. Diese Enttäuschung wäre aber mit einer gewissen Genugtuung vermischt, da dann die Deutschen einen wirklich wohlverdienten Sieg errungen hätten. Sie geben nicht vor, dass ihre Fahrer aus reiner Herzensgüte diesen Sport betreiben, sie geben nicht vor, dass sie nicht die besten Maschinen fahren, die sie besitzen, und noch weniger bieten sie diese Maschinen zum Kauf an. Es gibt heutzutage wenig genug Rennmarken. Hut ab vor jemandem, der mit unerschütterlichem Enthusiasmus immer wieder ins Rennen geht und der niemals verlangt, dass Grand-Prix-Rennen ausschließlich den Zweitaktmotoren vorbehalten sein dürften.“