Possart

Ernst Ritter von Possart Generalintendant des Prinzregententheaters Unermüdlicher Verfechter der Idee eines Wagnerfestspielhauses für München

Wenn man vom Galileiplatz zur Prinzre- gentenstraße gehen möchte, muss man durch die Possartstraße am Shakespeare Platz vorbei bis zu deren Ende gehen. Am Ende der Possartstraße erhebt sich

gegenüber das monumentale Prinzregen- tentheater. Aber wer war überhaupt Herr Possart, nach dem diese schöne Straße in Altbogenhausen benannt ist? Erste Bühnenerfahrungen Ernst Heinrich Possart wurde am 11. Mai 1841 als Sohn des Berliner Kaufmanns Johann Christian Possart und dessen Ehefrau Wilhelmine in geboren; das Elternhaus war streng protestantisch. 1868 heiratete er die Kammersängerin Er absolvierte eine dreijährige Lehrzeit Anna Deinet; aus der Ehe gingen vier als Buchhändler, beschloss aber dann, Kinder hervor. Schauspieler zu werden. Er nahm zwei Jahre Schauspielunterricht beim Berliner Im Jahr 1873 wurde Possart zum Hofschauspieler Wilhelm Kaiser. Bereits Oberregisseur an der Kgl. Hofbühne zu mit zwanzig Jahren debütierte Possart München ernannt und 1878 avancierte er 1861 erfolgreich am Urania-Theater in zum Schauspieldirektor. Von 1886 bis Breslau in Kleists Stück „Der Prinz von 1892 war Possart als Regisseur in Berlin Homburg“. Nach einem Regiedebut in am Lessingtheater tätig und unternahm wirkte er bereits ab 1864 als erfolgreiche Gastspielreisen nach erster Charakterdarsteller am Amerika. Königlichen Hoftheater in München. Sein künstlerischer Durchbruch war hier die Darstellung des Franz Moor in Friedrich Schillers Drama „Die Räuber“. 1 Possart

Eine beispiellose Karriere mann Levi und deutsche Neuübersetzungen der Opern Mozarts 1892 kehrte Possart nach München zu- auf. Es fanden überaus erfolgreiche Mo- rück und wurde 1893 Generaldirektor zartfestspiele im Cuvilliés-Theater statt. und 1895 Generalintendant des Königli- Die Wagner-Opern Tristan und Isolde, chen Hoftheaters, womit eine der glanz- Die Meistersinger von Nürnberg, Das vollsten Perioden dieser Bühne ihren An- Rheingold und Die Walküre, die in der fang nahm. Er trat dort auch weiterhin als Regierungszeit Ludwigs II. in München Schauspieler und Regisseur auf. Als Cha- uraufgeführt worden waren, ließ Possart rakterdarsteller waren seine besten Rol- mit prunkvoll ausgestatteten Aufführun- len „Hamlet“, „Jago“, „Mephisto“, gen neu inszenieren und hatte damit sehr „Franz Moor“, „Nathan“, „Richard III.“, großen Erfolg. Er machte damit sogar „Shylock“. Als Anerkennung für seine den jungen Bayreuther Festspielen unter auch in der Presse überaus positiv beur- Leitung Cosima Wagners große Konkur- teilte Tätigkeit wurde ihm 1897 durch renz. Prinzregent Luitpold das Ritterkreuz der Bayerischen Krone verliehen. Damit ver- Die glanzvolle Prinzregentenzeit bunden war die Erhebung in den persön- Es war die glanzvolle und auch für die lichen Adelsstand und er durfte sich nach Stadterweiterung Münchens nach Osten der Eintragung in die Bayerische Adels- überaus bedeutende Zeit unter Prinzre- matrikel Ritter von Possart nennen. Für gent Luitpold. Die Prinzregentenstraße seine Verdienste wurde er mit weiteren wurde angelegt, die Prinzregentenbrücke Auszeichnungen überhäuft. mit den Möhlschen Terrassenanlagen „Meister Possart“ wurde er in Münchner und dem Friedensengel erbaut. Die Kreisen ironisierend, aber auch anerken- Heilmannsche Immobiliengesellschaft nend genannt. Er galt als eitel und unge- kaufte riesige Flächen, um ein ganz neu- heuer ehrgeizig. In einer 1927 verfassten es Stadtviertel für die gehobene Münch- Dissertation von Richard Crodel über ner Gesellschaft zu erbauen. Am Isar- Possart schreibt dieser: „Es soll nicht hochufer errichtete sich Adolf von Hilde- verschwiegen werden, dass er auf diese brand, der Schöpfer des Lenbach- Titel, auf seine sternenbesäte Brust einen brunnens, eine riesige Villa mit Atelier, großen Wert legte, ja er befand sich am Ende der Maria-Theresia-Straße er- förmlich auf der Jagd nach Ehrenzei- baute der berühmte Erfinder Rudolf Die- chen. Immerhin, diese Karriere steht in sel eine ansehnliche Villa. Die Erweite- der Theatergeschichte wohl einzig da.“ rung der Prinzregentenstraße nach Osten wurde beschlossen. Konkurrenz für Bayreuth Ein Mann vom Rang und Ansehen Poss- Auch für das Opern- und Musikleben arts musste selbstverständlich auch in seiner Zeit war Possart eine wichtige Per- diesem noblen, neu entstehenden Viertel sönlichkeit. Als Generalintendant der Bogenhausen standesgemäß residieren. Münchner Hofbühnen führte er in Zu- sammenarbeit mit den Dirigenten Her-

2 Possart Er erwarb im April des Jahres 1892 von Komponisten an seinen seinem Nachbarn Ludwig Ritter von Hof geholt. Wagner wollte von Anfang Klug die nördliche Haushälfte des Anwe- an ein eigenes Festspielhaus für seine sens Maria-Theresia-Straße 25 Werke errichtet haben. Noch im Dezem- ber 1864 gab Ludwig dem namhaften Theaterarchitekten Gottfried Semper den Auftrag, eine „großes Theater im edels- ten Stile für Wagners Musikdramen“ zu errichten. In der Folgezeit gab es verschiedene Pläne an verschiedenen Standorten, die dann letztlich an der finanziellen Realisierbarkeit scheiterten. Semper erhielt später 1871 in Dresden den Auftrag, das berühmte, nach ihm mit einem großen Gartengrundstück für benannte Opernhaus zu errichten. 48.000 Mark. Ludwig Ritter von Klug Der Festspielgedanke war Königlicher Hofrat und Vorstand der 1872 war in Bayreuth auf Betreiben königlichen Hof- und Kabinettskasse. Wagners ein Festspielhaus errichtet Um den Kauf dieses Grundstücks im Jahr worden. Neben Bayreuth besaßen nur die 1887 gab es einen großen Skandal, die Theater in Berlin, Dresden und München „Spekulantenaffäre“, an der Possart die Rechte zur Aufführung der Werke selbst aber wohl nicht beteiligt war. Wagners. Aber schon unter der Intendanz Ein Wagner - Festspielhaus für München Karl von Perfalls, dem Vorgänger Unsterblichen Ruhm erwarb sich Ernst Possarts, wurden in München im von Possart aber durch die Realisierung Sommer „Musteraufführungen“ mit eines neuen Theaterbaus in München, Werken Wagners in das Programm auf- dem . München ver- genommen. fügte gegen Ende des 19. Jahrhunderts In diesen aus dem alltäglichen Repertoire mit dem Königlichen Hof- und National- herausgehobenen Sondervorstellungen theater, dem Residenztheater, dem Thea- liegt eine Wurzel des ter am Gärtnerplatz, dem Theater am Is- Festspielgedankens, dem das artorplatz und anderen über eine – ge- Prinzregententheater sein Entstehen messen an der damaligen Einwohnerzahl verdankt. Nachdem Possart 1895 zum – stattliche Anzahl von Theatergebäuden Generalintendanten aufgestiegen war, für die unterschiedlichsten Spielgattun- intensivierte er seine Bemühungen um gen und Publikumsschichten. Ernst von den Bau eines Festspielhauses. Mit dem Possart war aber besessen von der Idee, Projekt verfolgte er Aspekte der in München müsste es auch ein Theater Stadtverschönerung, der Steigerung der für Wagner-Festspiele geben. Bekannt- Attraktivität der Kunst- und lich hatte der erst achtzehnjährige König Fremdenstadt München sowie eine Ludwig II. bereits 1864 den berühmten Realisierung der Intentionen „des

3 Possart Meisters“. Bayreuth sollte durch muster- gültige Inszenierungen übertroffen werden. Nicht zuletzt spielte der Konkurrenzgedanke gegenüber Berlin eine Rolle, da befürchtet wurde, die Reichshauptstadt des Kaiserreiches könne München mit der Errichtung eines Festspielhauses zuvorkommen. Das Prinzregententheater Das Ende der Prinzregentenstraße im neu erblühenden Stadtviertel Bogenhausen erschien als Bauplatz ideal. Possart konnte ein privates Konsortium, bestehend aus der Heilmannschen Immobilien-Gesellschaft, die auch Eigentümerin des Bauplatzes war, der Der Architekt Max Littmann, Teilhaber Bayerischen Terrain AG und der der Heilmannschen Immobilien- Aktienziegelei München für das Projekt Gesellschaft und Schwiegersohn gewinnen. Diese wiederum versprachen Heilmanns, entwarf die Pläne für das sich von der Errichtung eines Theaters Theater nach völlig neuen die Aufwertung ihrer im Entstehen Gesichtspunkten, in denen er Wagners befindlichen Mietshäuser und Villen. Vorstellungen realisierte. Das Possart bat den Prinzregenten Luitpold Festspielhaus sollte nach den um die Genehmigung zur Pachtung des ursprünglichen Plänen Wagners ein Prinzregententheaters durch die Volkstheater werden, ohne Ränge und Hoftheaterintendanz. Der Prinzregent Logen, mit amphitheatralischer willigt ein und gestattete dem Sitzordnung, die dem Gedanken der Unternehmen den Ehrentitel: sozialen, ranglosen Gleichheit „Prinzregenten-Theater“! Im Dezember entsprechen sollte. Auf jedem Platz sollte 1899 wird die Verpachtung des Theaters man gleich gut sehen und hören können. an die „Civilliste“ auf zunächst zehn Jahre beschlossen. Die Prinzregententheater - AG, also eine private Gesellschaft, fungiert als Bauherr. Eine solche Lösung zur Erbauung eines Theaters wäre noch zu König Ludwigs II. Zeiten undenkbar gewesen und ist nur einem erstarkten und selbstbewussten Bürgertum zu verdanken.

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Anerkennung und Ehre München. In seiner Ansprache sagte Possart: „…So grüßen wir Dich, Unsterb- Als das Prinzregententheater 1901 mit licher. Möge Dein Antlitz uns leuchten.“ einer Aufführung von Wagners „Meister- singer“ eröffnet wurde, war es ein mo- Der spätere Generalintendant August numentales und allen modernen techni- Everding, der sich in den siebziger Jah- schen Anforderungen gerecht werdendes ren des letzten Jahrhunderts seinerseits Haus, ein Haus ohne Proszenium und für die Renovierung des kriegsbeschädig- Seitenlogen, mit 1028 Sitzplätzen und ten und verfallenen Gebäudes einsetzte, einem verdeckten Orchestergraben. Max sagte in seinem „Ersten Aufruf zur Ret- Littmann und Possart wurden mit Lob tung des Prinzregententheaters“ unter und Ehrungen überschüttet. Littmann anderem: sollte zum führenden deutschen Thea- „Bei meiner Beschäftigung mit dem terarchitekten werden, der noch dreißig Problem Prinzregententheater habe ich weitere Theaterbauten errichtete. zwei entscheidende Dinge gelernt: Ich

Mit 64 Jahren zog sich Possart 1905 von wusste gar nicht, welch ein außeror- seinen Ämtern am Hoftheater zurück, dentlicher Intendant war aber weiterhin sehr aktiv als Rezita- war. Die Anekdoten über den schönspre- tor tätig. Im Jahr 1913 initiierte Possart chenden Barden, dem Hoftheater- noch die Errichtung eines Wagnerdenk- General, hatten mich vergessen lassen, mals gleich rechts neben dem Prinzre- welch ein Ritter ohne Furcht vor Behör- gententheater. Er sah in der Erstellung den und vor dem Tadel der Journale die- eines „Richard Wagner Denkmals“ auf ser Mann war, der die Idee Ludwigs II. einem Platz neben dem Prinzregenten- und Wagners vom Festspielhaus in theater einen Akt der Wiedergutmachung München dreißig Jahre später zwischen München und dem „Künstler- durchsetzte und in zwei Jahren für 1,3 genie“. Die Einweihung des Denkmals Millionen Mark Sempers Plan mit zum 100. Geburtstag Wagners war ein Littmanns Hilfe auf der Isarhöhe großes gesellschaftliches Ereignis in verwirklichte.“ 5 Possart Als 1919 seine Ehefrau starb, ließ sich München ehrte Possart mit einer Possart noch im selben Jahr in seiner Bronzeskulptur mit Inschrift, die im Heimatstadt Berlin nieder. Dort starb er Eingangsbereich des Prinzre- dann im Alter von fast achtzig Jahren am gententheaters rechts an der Wand ange- 8. April 1921. Die Stadtgemeinde bracht ist:

Dem Generalintendanten Ernst von Possart In Dankbarer Wuerdigung Seiner Großen Verdienste Um Die Schöpfung Dieses Festspielhauses Gewidmet Von Der Stadtgemeinde Muenchen 1909

Michaela März-Lehmann Literatur: - 100 Jahre Prinzregententheater, Festschrift 2002, Knürr Verlag - Dorle Gribl, Prominenz in Bogenhausen, Volk Verlag 2009 - Ludwig Schrott, Der Prinzregent, Süddeutscher Verlag München, 1962 - , Das Prinzregententheater oder Die Notwendigkeit des scheinbar nicht Notwendigen, 1976. Erster Aufruf zur Renovierung des Prinzregententheaters

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