SWR2 Musikstunde
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SWR2 MANUSKRIPT SWR2 Musikstunde Die Bachs - Chronik einer Musikerdynastie (2) Mit Ulla Zierau Sendung: Mittwoch, 19. April 2017 Redaktion: Ulla Zierau Produktion: SWR 2017 Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Service: SWR2 Musikstunde können Sie auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.swr2.de Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen.Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2- Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de 1 SWR2 Musikstunde mit Ulla Zierau, 19.04.2017 Die Bachs - Chronik einer Musikerdynastie (2) Signet Die Bachs, Chronik einer Musikerdynastie. Wir sind weiter auf Spurensuche in der vorsebastianischen Familiengeschichte, zum zweiten Teil der Reihe begrüßt Sie Ulla Zierau. (0’10) Titelmusik Ein Bäcker aus Wechmar oder Preßburg, den Geburtsort weiß man nicht genau, ist die Keimzelle der weit verzweigten Musiker-Familie. Wegen seines lutherischen Glaubens flieht Veit Bach aus Ungarn und lässt sich in Thüringen, dem Zentrum der protestantischen Reformation nieder. Hier lebt er seine Religion, seinen Beruf und die Liebe zur Musik weiter aus. Johann Sebastian Bach, der berühmteste Bach, schreibt selbst eine Familienchronik und holt damit einige seiner Ahnen aus dem Dunkel der Geschichte. Im „Ursprung der musicalisch-Bachischen Familie“ listet Sebastian insgesamt 53 musikalische Verwandte auf, von seinem Ur Ur-Großvater Veit bis zu seinem Cousin Johann Heinrich Bach. Die Unterscheidung der einzelnen Bache in den vorsebastianischen Generationen ist schwierig. Fast jeder heißt Johann, viele Johann Christoph, gleich mehrere zur selben Zeit, so dass verschiede Spitznamen verwendet werden, Toffel, Stophus, Jockel, für die Familie eine Erleichterung, uns macht es die Sache auch nicht einfacher. Unzählige Male habe ich nachgeschlagen, den Stammbaum studiert, Lebensdaten verglichen, und dabei festgestellt, dass auch die nicht immer übereinstimmen. Nur bei Sebastian und seinen Söhnen, sind wir sicher: Carl Philipp z.B. ist am 8. März 1714 geboren. (1’20) Musik 1 Carl Philipp Emanuel Bach: Klavierkonzert G-dur WQ 44, 1. Satz: Allegretto Michael Rische, Klavier / Kammersymphonie Leipzig / Leitung: Katharina Sprenger M0426741 004, PROFIL edition günter hänssler, HC 15046, 4‘42 2 Michael Rische und die Kammersymphonie Leipzig unter der Leitung von Katharina Sprenger mit dem ersten Satz aus Carl Philipp Emanuel Bachs Klavierkonzert G-dur Wq 44. Gestern ging es in der SWR2 Musikstunde um den Ur Ur-, den Ur- und den Großvater Sebastians sowie einige Großonkels. Mit ihnen machen wir heute weiter: Heinrich Bach, der Stammvater der Arnstädter Bach-Linie. Viele Jahre ist er Organist an der Arnstädter Liebfrauen- und Oberkirche, spielt bei unzähligen Hochzeiten, Taufen, Trauerfeiern und kirchlichen Feiertagen. Verheiratet ist er mit einer Tochter des Suhler Stadtpfeifers, Fortan kann er, als Schwiegersohn des Stadtpfeifers auch in Suhl aushelfen. Von Heinrich Bach sind mehrere Werke überliefert, sein Talent hat er seinen Söhnen vererbt und Heinrich hat das Glück, die Entwicklung seiner Söhne über Jahrzehnte mitzuerleben. Er erreicht für damalige Verhältnisse ein biblisches Alter, wird 77, das hat vor ihm noch keiner der Bache geschafft. (1’00) Musik 2 Heinrich Bach (1615-1692) Sonata II 'a cinque' in F-Dur für zwei Violinen, zwei Violen und Basso continuo The Parley of Instruments M0023134 011, Hyperion CDA 67079, 2'21 The Parley of Instruments mit der Sonata Nr.2 F-dur von Heinrich Bach. Mit seinen musikalischen Söhnen hat er diese Sonate sicher ab und an gespielt. Und damit sind wir bei der vierten Generation der Bachs angelangt, den Urenkeln von Veit. Sie sind in den letzten Kriegsjahren oder bereits nach dem 30-jährigen Krieg geboren. Darunter Musiker und Töchter, die meist mit einem Musiker verheiratet sind. Es scheint, im Leben der Bachs drehe sich tatsächlich alles um die Musik. Johann Christoph, Stophus genannt (1642-1703), der älteste Sohn von Heinrich wird von Sebastian in der Familienchronik als „profonder Componist“ bezeichnet. Carl Philipp ergänzt später, er habe „sowohl galant und singend, als auch ungemein vollstimmig“ komponiert und sei „in Erfindung schöner Gedanken sowohl, als im Ausdruck der Worte stark gewesen“. 3 Im Altbachischen Archiv, der Notensammlung der vorsebastianischen Familienmitglieder ist Christoph Bach der Komponist mit den meisten Werken. Eines seiner besten ist die Michaeliskantate „Es erhub sich ein Streit im Himmel“. Die Erstaufführung in Eisenach, am 29. September 1677, wird mit Spannung erwartet. Es hat sich herumgesprochen, dass ein neues Werk mit gigantischer Besetzung gegeben wird, ein großer Chor, viele Instrumente, sämtliche zur Verfügung stehenden Trompeter und Geiger, ein ungeheuerliches Spektakel. Sebastian selbst wird die Kantate seines Großonkels später in Leipzig aufführen, davon berichtet Carl Philipp dem Göttinger Musikgelehrten und ersten Bach Biografen Johann Nikolaus Forkel: „Das 22stimmige Stück ist ein Meisterstück. Mein seeliger Vater hat es einmal in Leipzig in der Kirche aufgeführt, alles ist über den Effect erstaunt“. Diesen Effect können wir heute noch nachempfinden. Im ersten Teil wird der Streit des Erzengels Michael mit dem Drachen lautmalerisch beschrieben, es beginnt bedrohlich, die Stimmen rufen durcheinander, Pauken und Trompeten kommen hinzu. (2’10) Musik 3 Johann Christoph Bach (1642 - 1703) Es erhub sich ein Streit im Himmel, Streitszene Cantus Cölln, Concerto Palatino, Leitung: Konrad Junghänel Harmonia mundi 901783.84, 1‘40 Der Drache wird vertrieben und der Satan in Gestalt einer Schlange verführt die Welt. Ein Ausschnitt aus Johann Christoph Bachs Kantate „Es erhub sich ein Streit im Himmel“. Schon zu Lebzeiten wird Christoph als Komponist angesehen, auch wenn er später das Komponieren vollkommen aufgeben wird und sich ganz dem Bau einer Orgel in Eisenach widmen wird, dem größten und aufwendigsten Projekt seines Lebens. Noch komponiert er und seine Musik gilt als besonders ausdrucksstark. Die effektvolle Gestaltung des Streits zwischen den Engeln und dem Drachen und das Eingreifen Gottes beeindrucken uns heute noch. Im zweiten Teil der Kantate verkündet eine himmlische Stimme festlich und erhaben das Heil, die Kraft und das Reich und die Macht Gottes. (0’45) 4 Musik 3a Johann Christoph Bach (1642 - 1703) Es erhub sich ein Streit im Himmel, Und ich hörte eine große Stimme Cantus Cölln, Concerto Palatino, Leitung: Konrad Junghänel Harmonia mundi 901783.84, 3‘39 „Es erhub sich ein Streit im Himmel“ von Johann Christoph Bach mit Cantus Cölln und Concerto Palatino unter der Leitung von Konrad Junghänel. Ein Werk aus dem Altbachischen Archiv. Bevor wir mit der Ahnenforschung weitermachen, ein paar Worte zum Altbachischen Archiv, der Notensammlung der vor-sebastianischen Generationen. Johann Sebastian Bach ist ein leidenschaftlicher Sammler. In seiner Notenbibliothek bewahrt er mehrere geistliche Vokalwerke seiner Vorfahren auf. Lange Zeit rätseln Musikwissenschaftler darüber, wer die Noten zusammengetragen hat. Stammen sie aus dem Nachlass von Sebastians Vaters Ambrosius. Oder hat Sebastians erste Ehefrau Maria Barbara die Sammlung von ihrem Vater, dem Organisten Michael Bach geerbt. Neuere Forschungen haben ergeben, dass alles ganz anders ist, als bisher vermutet. Es gibt unter den Noten einige Originalhandschriften der Bach-Vorfahren, aber die meisten Werke hat der Arnstädter Kantor Ernst Dietrich Heindorff abgeschrieben. Das hat Peter Wollny vom Bach-Archiv Leipzig durch einen Handschriftenvergleich herausbekommen. Anscheinend gehörten die Motetten und Kantaten von Bachs Vorfahren zum Arnstädter Aufführungsrepertoire und wurden deswegen vom Kantor kopiert. Nach Heindorffs Tod gelangen sie in die Hände des Arnstädter Organisten Johann Ernst Bach, einem Cousin Sebastians. Der ergänzt die Sammlung durch weitere Werke der Familie. Nach dem Tod von Ernst Bach, gelangen die Noten zu Sebastian. Er korrigiert Fehler der Kopisten, ergänzt Bläserstimmen und führt einige Werke in Leipzig auf. Für Sebastian sind die Stücke, „so meint der Bach Forscher Wollny, zweifellos „mehr als bloße Andenken. Dank ihrer konnte er seinen eigenen historischen und künstlerischen Ort bestimmen. An ihnen maß er sein Können.“, so Wollny. 5 Die Geschichte des Altbachischen Archivs, kurz ABA, geht weiter. Sebastian vermacht es seinem Sohn Carl Philipp und aus dessen Nachlass gerät es über einen Sammler in die Bibliothek der Berliner Singakademie. Für den damaligen Akademieleiter und Bach- Verehrer Carl Friedrich Zelter ein unglaublicher Schatz. Anlässlich der Feierlichkeiten zu Bachs 250. Geburtstag, 1935 werden die Noten erstmals veröffentlicht. Während des zweiten Weltkrieges bringt der damalige Akademie-Direktor Georg Schumann die Handschriften auf Schloss Ullersorf in Niederschlesien in Sicherheit. Damit bewahrt er sie zwar vor einem Bombenangriff, aber nicht vorm Verschwinden. In den Wirren des Krieges geht das Archiv zunächst spurlos verloren, mit ihm auch diese Trauerarie. (2’50) Musik 4 Anonym / Adam Drese: Nun ist alles überwunden Aria à 4 Cantus Cölln, Concerto Palatino, Leitung: Konrad Junghänel 1222108 004, Harmonia mundi 901783.84,