Mortui vivos docent:

Todesdarstellungen in Caesars Bericht über den Gallischen Krieg und ihre Funktion

Diplomarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades

einer Magistra der Philosophie

an der Karl-Franzens-Universität Graz

vorgelegt von

Andrea Carmen Berger

am Institut für Alte Geschichte

Begutachter: Ass.-Prof. Dr. phil. Peter Mauritsch

Graz, 2017

Αἱ μὲν δὴ Μάρτιαι Εἰδοὶ πάρεισιν. Ναὶ πάρεισιν, ἀλλ᾿ οὐ παρεληλύθασι. 1

1 Caesar wurde am 15.3.44 v. Chr., also an den Iden des März, während einer Senatssitzung mit 23 Dolchstichen ermordet. Nach Plutarch (Caes. 63,3) wurde er zuvor von einem Seher gewarnt, er solle sich vor den Iden des März hüten. Am Weg zum Senat soll Caesar zu ebendiesem gesagt haben: „Die Iden des März sind nun da“, woraufhin dieser antwortete: „Ja, sie sind da, aber sie sind noch nicht vorüber“.

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Ehrenwörtliche Erklärung

Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form keiner anderen inländischen oder ausländischen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht veröffentlicht. Die vorliegende Fassung entspricht der eingereichten elektronischen Version.

Graz, am...... Unterschrift......

3 Danksagung

Mein Dank gilt insbesondere Herrn Professor Mauritsch, der meine Arbeit durch seine fachliche sowie persönliche Unterstützung begleitet hat und sich stets die Zeit nahm, meine offenen Fragen zu beantworten. Außerdem will ich meinen Eltern und meiner Schwester Silvia danken, die mir mein Studium ermöglicht haben und mir immer zu Seite gestanden sind. Darüber hinaus möchte ich mich bei meinem lieben Freund Adrian bedanken, der mich mit viel Geduld und Zeit moralisch unterstützt hat.

4 Zusammenfassung

Die vorliegende Arbeit befasst sich mit den Todesdarstellungen in Caesars Werk „Bellum Gallicum“. Es werden folgende Forschungsfragen untersucht: Wie wird der Tod beschrieben? Ist die Beschreibung realistisch oder gibt es vielleicht Unstimmigkeiten? Könnte der Autor mit der Darstellung des Todesfalles womöglich einen bestimmten Zweck verfolgen? Zu Beginn der Bearbeitung dieser Fragen stehen einleitende Überlegungen zu Caesars Leben sowie zu seinem Werk. Anschließend werden die sieben Bücher in chronologischer Reihenfolge beschrieben und interpretiert. Daraufhin folgen Ausführungen über die Bilanz des Gallischen Krieges sowie auch eine tabellarische Darstellung der Verluste, welche ebendiese zusammenfassen und veranschaulichen soll. Abschließend werden in einem Resümee die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit aufgezeigt. Infolgedessen wird dargelegt, ob die zentralen Fragen beantwortet werden konnten. Im Hintergrund dieser Überlegungen steht die These, dass Caesar den Tod bewusst inszeniert und gekonnt in sein Werk einsetzt, um den Leser in eine bestimmte Richtung zu lenken.

5 Abstract

The work in hand attends to the portrayal of death in Caesar’s opus „Bellum Gallicum“. The following research questions will be focused on: How is death described? Is the depiction done in a realistic way or are there any discrepancies? Is there a hidden intention by representing death in this way? Firstly, it will be necessary to reflect about Caesar’s life and his work. Secondly, it is helpful to take a closer look on the seven books in a chronological order and to interpret them. Thirdly, there is a chapter treating the result of the war including a collection of the casualties listed in tabular form. Finally, it is required to summarize the outcome and demonstrate if an answer to the research questions could be found. The decisive factor for this thesis is the assumption, that Caesar cunningly uses the portrayal of death to manipulate the readers.

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Inhaltsverzeichnis

Einleitung ...... 9

Vorwort ...... 9 Forschungsfrage und Aufbau ...... 10 Aktueller Forschungsstand ...... 11 Caesar und sein Werk ...... 13 Allgemeines ...... 13 Bellum Gallicum ...... 14 1. Buch ...... 16

Bellum Helveticum...... 16 Selbstmord des Orgetorix ...... 16 Tod des Dumnorix ...... 17 Die Schlacht bei Bibracte ...... 20 Die Geschehnisse um den Germanen Ariovist ...... 21 2. Buch ...... 25

Der Kampf gegen die Belger ...... 25 3. Buch ...... 30

Caesars hartes Vorgehen gegen die Veneter ...... 30 Parallele Handlung ...... 33 4. Buch ...... 36

Die Inszenierung eines Völkermordes – Die Usipeter und Tenkterer...... 36 Caesars erste Britannienexpedition ...... 40 5. Buch ...... 43

Die erfolgreiche Darstellung eines Misserfolges – Die zweite Britannienexpedition ..... 43 Der Widerstand Galliens...... 45 6. Buch ...... 53

Der Gallier- und Germanenexkurs ...... 54 Selbstmord des Catuvolcus ...... 61 Verfolgung des ...... 63

7 7. Buch ...... 67

Die drei entscheidenden Städte ...... 69 Avaricum ...... 69 Gergovia ...... 71 Alesia ...... 78 Versuche einer Bilanz ...... 85

Tabellarische Darstellung der Verluste von Truppen und Einzelpersonen ...... 86 Resümee ...... 95

Bibliographie ...... 97

Anhang: Zeittafel ...... 102

8 Einleitung

Vorwort

In der antiken Historiographie finden sich häufig detaillierte Schilderungen extremer physischer Gewalt. Dem Leser begegnen geradezu abscheuliche Szenarien, die zwar oft nahezu absurd erscheinen, dennoch aber bewusst Abscheu oder Furcht erzeugen. Diese Passagen verfolgen meist eine bestimmte Intention und sind klar als narrative Strategie zu verstehen, die einer langen Tradition folgen. So kann bereits die Anzahl der getöteten Feinde äußerst zweckdienlich sein, da eine große Masse an ermordeten Gegnern auch das eigene Ansehen stärkt. In diesem Kontext erscheint ein schneller Tod äußerst einleuchtend, weshalb meistens nur der Todesstoß künstlerisch ausgestaltet wird. Die Todesarten sind hierbei ebenfalls beschränkt, da sowohl verschiedene Motive als auch Formulierungen immer wieder auftreten. Beliebt ist zudem die Beschreibung von Einzelkämpfen, bei welchen die Gewalt geradezu als Zweck der Aktion erscheint. Beim Leser entsteht der Eindruck, dass die dargestellten Episoden tatsächliche Schlachtenbeobachtungen widerspiegeln, obwohl diese im Grunde gekonnt gestaltet sind. Denn durch die Todesbereitschaft der handelnden Person wird die Tapferkeit ebendieser hervorgehoben.2 Umgekehrt ist es auch auffällig, wenn derartig blutige Szenen eine Seltenheit darstellen, wie es beispielsweise bei Thukydides der Fall ist. Denn gerade durch diese Technik werden die wenigen im Detail beschriebenen Todesfälle hervorgehoben. Extreme Gewaltschilderungen treten außerdem eher bei gegnerischen Aktionen auf, während über die eigenen Gräueltaten gerne geschwiegen wird. Mit dieser Technik gelingt es beispielsweise einem Feldherrn, trotz zahlreicher Opfer milde und beherrscht zu erscheinen. Denn oftmals stehen politische Interessen im Hintergrund dieser Beschreibungen, da diese beim Leser bestimmte Gefühle erzeugen. Die nachfolgenden Ausführungen zeigen, dass auch Todesdarstellungen äußerst bedeutende Erkenntnisse über ein antikes Werk sowie auch über dessen Autor beinhalten können.3

2 Vgl. Zimmermann: Gewalt, S. 155f. und 162f. 3 Vgl. Zimmermann: Gewalt, S. 168ff. und 191f.

9 Forschungsfrage und Aufbau

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es in Anbetracht der vorausgegangenen Überlegungen, die Todesdarstellungen in Caesars Werk „Bellum Gallicum“ zu untersuchen. Dabei sollen folgende Fragen im Zentrum stehen:

1. Wie beschreibt Caesar den Tod? Ist das Opfer eine Einzelperson oder fällt eine ganze Gruppe von Menschen? Wenn Letzteres der Fall ist: Werden Verlustzahlen genannt? Wie detailreich ist die Todesdarstellung? Welches Vokabular wird verwendet? Werden Elemente aus der Historiographie eingesetzt? 2. Ist die Todesdarstellung realistisch? Sind Unstimmigkeiten oder gar Widersprüche vorhanden? Erscheint eine Verlustzahl zu hoch oder zu niedrig angesetzt? 3. Könnte Caesar mit seiner Beschreibung einen bestimmten Zweck verfolgt haben? Wirkt sich der Todesfall positiv auf seine eigene Person oder auf das römische Heer aus? Wird dem Leser im Zuge der Darstellung ein bewusstes Bild einer Einzelpersönlichkeit oder einer Gruppe vermittelt? Könnte womöglich sogar etwas verschwiegen werden? Wie könnte die Erzählung auf den Leser wirken, beziehungsweise welche Gefühle könnte sie hervorrufen?

Für eine Annäherung an die Beantwortung dieser Fragen erscheint es zu Beginn als zweckdienlich, sich kurz mit der Person des Autors sowie seinen Werken auseinanderzusetzen. Daraufhin folgt eine intensive Beschäftigung mit Caesars „Commentarii“ über den Gallischen Krieg. Im Zuge dessen werden die auftretenden Todesdarstellungen chronologisch nach den Büchern beschrieben und interpretiert. Dies geschieht nach den oben genannten Kriterien. Im Anschluss daran folgen Ausführungen über die Bilanz des Gallischen Krieges sowie auch eine tabellarische Darstellung der Verluste, die ebendiese zusammenfassen und veranschaulichen soll. Abschließend werden in einem Resümee die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit aufgezeigt. Infolgedessen wird dargelegt, ob die zentralen Fragen beantwortet werden konnten.

10 Aktueller Forschungsstand

Caesar wird in der Forschung auch heute noch als eine ambivalente Person angesehen, wodurch es keineswegs eine „communis opinio“ gibt. Im Laufe der Zeit wurden zudem stets verschiedene Schwerpunkte im Hinblick auf seine Person sowie sein Werk gesetzt und auch das vorhandene Urteil über Caesar wandelte sich durchaus häufig. Die Entwicklung dieser Divergenz soll in weiterer Folge skizziert werden: Theodor Mommsen4 und Eduard Meyer5 scheinen Caesar regelrecht zu verherrlichen, während ebendieser im englischsprachigen Raum, beispielsweise von Frank E. Adcock6, oft eher nüchtern betrachtet wurde. Eine Aufsehenerregende Wende vollzog sich erst in den 1950er Jahren, als Hermann Strasburger7 deutliche Kritik an Caesars Staatsführung äußerte, wobei diesem besonders von Matthias Gelzer8 widersprochen wurde. Die Forschung der letzten fünfzig Jahre ging jedoch etwas verhaltener mit dem Thema Caesar um. Dennoch gab es auch neue Ansätze, wie jenen von Christian Meier9, der besonders die Zeit als Grund für Caesars Scheitern sah. Auch Werner Dahlheim10 setzte neue Akzente, doch nähert er sich im Grunde der Auffassung von Strasburger an.11 Auch in der modernen Forschung zeigen sich dieselben kontrastierenden Urteile und außerdem eine Fülle von verschiedenen Vorstößen, da die Beiträge zu Caesar besonders im 20. Jahrhundert enorm anstiegen. Daher ist bis heute keine vollständige Sammlung der neueren Literatur vorhanden.12

Diese polarisierende Meinung zeigt sich außerdem bereits in den antiken Quellen, denn auch in diesen werden divergierende Bilder vermittelt. Überschwängliches Lob findet sich beispielsweise bei Diodor, Plutarch, Appian und Cassius Dio, die jedoch wenig über Caesars staatsmännische Leistung sagen. Hingegen preisen selbst die ihm gegenüber

4 Siehe Mommsen, T.: Römische Geschichte. 3. Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus, Berlin 1856. 5 Siehe Meyer, E.: Caesars Monarchie und das Principat des Pompejus. Innere Geschichte Roms von 66 bis 44 v.Chr., Stuttgart 1922. 6 Siehe Adcock, F. E et al.: Cambridge Ancient History 9. The 133-44 B. C., Cambridge 1932 7 Siehe Strasburger, H.: Caesar im Urteil der Zeitgenossen. In: Historische Zeitschrift 175, 1953, 225–264, 2., durchgesehene und ergänzte Auflage Darmstadt 1968 8 Siehe Gelzer, M.: War Caesar ein Staatsmann?, 449-470. In: Historische Zeitschrift 178, 1954 9 Siehe Meier, C.: , Berlin 1982. 10 Siehe Dahlheim, W.: Julius Caesar. Die Ehre des Kriegers und der Untergang der Römischen Republik, München 1987 11 Vgl. Baltrusch: Julius, S. 7f. 12 Vgl. Gesche: Caesar, S. 197f.

11 kritisch eingestellten Autoren seine Fähigkeiten als Feldherr, auch wenn sie denselben aus ethischen Gründen womöglich verurteilen.13 Derartiges zeigt sich bekanntlich bei Lucan. Es zeigen sich zwei Richtungen auf: Einerseits werden Caesars Größe und Erfolge klar positiv beurteilt, während andererseits eine gewisse Abwertung aufgrund seiner Kompromisslosigkeit erkennbar ist.14

Zum Thema der vorliegenden Arbeit, den Todesdarstellungen in Caesars Werk, liefert vor allem Ilona Opelt15 einen wesentlichen Beitrag, in dem sie sich mit dem bei Tötungshandlungen verwendeten Vokabular auseinandersetzt. Auch in Stefan Gerlingers Dissertation „Römische Schlachtenrhetorik“16 werden Todesfälle berücksichtigt, da er die Glaubwürdigkeit der Schlachtendarstellungen behandelt. Als nützlich für die folgenden Überlegungen erweist sich zudem das Werk von Will Richter17, mit einer tabellarischen Darstellung der numerischen und nicht-numerischen Angaben über Verluste. Überlegungen zu Opferzahlen finden sich außerdem bei Wolfgang Will, der den Versuch einer Bilanz wagt.18 Schließlich sei noch auf den Sammelband19 von Martin Zimmermann verwiesen, in dem sich allgemeine Überlegungen zum Thema Gewalt und Tod in der Antike finden.

13 Vgl. Strasburger: Urteil, S. 7 und 10. 14 Vgl. Baltrusch: Julius, S. 9. 15 Siehe Opelt, I.: „Töten“ und „Sterben“ in Caesars Sprache, in: Glotta 85, 1980, 103-19. 16 Siehe Gerlinger, S.: Römische Schlachtenrhetorik. Unglaubwürdige Elemente in Schlachtendarstellungen, speziell bei Caesar, Sallust und Tacitus, Diss., Heidelberg 2008. 17 Siehe Richter, W.: Caesar als Darsteller seiner Taten. Eine Einführung, Heidelberg 1977, S. 165. 18 Siehe Will, W.: Julius Caesar. Eine Bilanz, in: Caesar, hrsg. von E. Baltrusch, Darmstadt 2007 (= Neue Wege der Forschung), 159ff. 19 Siehe Extreme Formen von Gewalt in Bild und Text des Altertums, hrsg. von M. Zimmermann, München 2009 (= Münchner Studien zur Alten Welt 5).

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Caesar und sein Werk

Allgemeines

C. Iulius Caesar wurde im Jahr 100 v. Chr. in Rom geboren. Bereits früh stellt er sich auf die Seite der Popularen und wird von diesen bereits mit sechzehn Jahren als „flamen dialis“ bestimmt. Er durchläuft die Ämterlaufbahn und wird im Jahre 62 v. Chr. schließlich Praetor. 60 v. Chr. gründet Caesar gemeinsam mit Pompeius und Crassus das Erste Triumvirat; ein Jahr später wird er zum Konsul gewählt. In den folgenden Jahren, von 58-51 v. Chr., gelingt es ihm, ganz Gallien zu erobern, doch die Opposition gegen ihn gewinnt mehr und mehr an Macht. Trotzdem wird Pompeius erst 49 v. Chr. als Diktator eingesetzt und Caesar wird aufgefordert sein Heer zu entlassen, woraufhin er aber in Italien einfällt und somit einen Bürgerkrieg auslöst. Nach dem Sieg über die Pompeianer in Spanien wird er zum Diktator ernannt und außerdem zum Konsul gewählt. Nach einer weiteren Niederlage flieht Pompeius nach Ägypten und wird dort ermordet. Beim Geschwisterkrieg zwischen Ptolemaios und Kleopatra entscheidet Caesar zugunsten seiner Geliebten. Der Bürgerkrieg endet nach weiteren Gefechten jedoch erst im Jahre 45 v. Chr. nach der Schlacht bei Munda. Dieser Sieg ermöglicht Caesar die Alleinherrschaft und die Diktatur auf Lebenszeit. Am 15. März 44 v. Chr. wird er jedoch im Zuge einer Verschwörung ermordet.20 Caesar soll ein talentierter Redner gewesen sein, wobei nur Fragmente seiner Ansprachen erhalten sind. Ähnliches gilt für seine Briefe, die uns auch nur mehr zum Teil vorliegen. Gänzlich verloren sind seine Jugendgedichte sowie auch seine Schrift „De analogia“ und seine zwei Bücher gegen Cato, die „Anticatones“. Erhalten geblieben sind Caesars „commentarii“ über den Gallischen Krieg in sieben Büchern, zu denen der Offizier Hirtius noch ein achtes ergänzt, und das „Bellum civile“ in drei Büchern.21

20 Vgl. Albrecht: Geschichte, S. 326ff. 21 Vgl. Albrecht: Geschichte, S. 328ff.

13 Bellum Gallicum

Der tatsächliche Titel des Werkes, das kurz üblicherweise als „De Bello Gallico“ oder „Bellum Gallicum“ bezeichnet wird, lautete wahrscheinlich „C. Iuli Caesaris commentarii rerum gestarum“.22 Die Frage nach dem Entstehungszeitraum der 7 Bücher ist bislang nicht eindeutig geklärt, wobei hier zwei Möglichkeiten23 diskutiert werden:

1. Die einzelnen Bücher wurden tatsächlich direkt nach dem jeweiligen Kriegsjahr verfasst und erst nach Kriegsende zusammengefügt. 2. Die gesamten 7 Bücher wurden erst nach Kriegsende in einem Zug geschrieben und sofort herausgegeben.24

Die heutige Forschung neigt jedoch eher zur Annahme, dass die Bücher erst nach Kriegsende, also im Winter der Jahre 52/51 v. Chr., abgefasst wurden25, obwohl Caesar zuvor schon Berichte an den Senat sandte. Diese These ergibt sich aus der erkennbaren Gesamtkomposition, welche Caesar als umsichtigen Feldherren zeigt, der stets im Interesse Roms handelt.26

„qui sunt editi ne scientia tantarum rerum scriptoribus deesset, adeoque probantur omnium iudicio, ut praerepta, non praebita facultas scriptoribus videatur.“ (8, Vorrede 5)

So urteilt Hirtius über Caesars „commentarii“, die demnach geradezu eine schriftstellerische Meisterleistung darstellen. Auffällig sind vor allem die bewusst eingesetzten Elemente aus der großen Historiographie, wie beispielsweise Reden und Exkurse, die sich klar vom sonst eher schlichten sowie kunstlosen Stil abheben. Jene Ausschmückungen sind derartig gekonnt eingefügt, dass das Werk den Charakter eines

22 Vgl. Knoche: commentarii, S. 140. 23 Die Argumente beider Gruppen fasst Richter in dem Kapitel „Entstehungs- und Strukturprobleme“ zusammen. (Vgl. Richter: Caesar, S. 49-75) 24 Vgl. Richter: Caesar, S. 49f. 25 Eine gegenteilige Meinung vertritt Barwick, K.: Caesars Bellum civile. Tendenz, Abfassungszeit und Stil, in: Berichte über die Verhandlungen der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Phil.-hist. Klasse 99/1, 1951, S. 124-127. 26 Vgl. Albrecht: Geschichte, S. 329f.

14 Berichtes nicht verliert. Interessant ist außerdem die gewählte Form der Erzählung, denn Caesar schreibt in der 3. Person, was sich in Anbetracht der Gattung als höchst ungewöhnlich erweist. Caesar in seinem Werk im Grunde zwei verschiedene Gattungen, die „historia“ und den „commentarius“, zu verbinden.27 Nach dem Urteil antiker Autoren gehört das „De Bello Gallico“ jedoch klar zur letzteren Gattung, welche eine Übersetzung des griechischen Wortes „ὑπόμνημα“ darstellt und im Grunde jede Form von schriftlicher Aufzeichnung, die als Gedächtnisstütze dient, bezeichnet. Dennoch aber stellen sie eine literarische Gattung dar und weisen auch einiges an Kunstfertigkeit auf.28

Bei der Lektüre des Werkes tritt jedoch das Problem der Glaubwürdigkeit des Berichtes zutage, die oftmals hinterfragt werden kann. Aber auch wenn eine durchgängige Objektivität durchaus zweifelhaft ist, darf nicht angenommen werden, dass sämtliche Tatsachen verfälscht wurden. Diese Faktoren bringen also einige Schwierigkeiten mit sich, weshalb der Bericht über den gallischen Krieg sehr wohl eine komplizierte Quelle darstellt. Im Hintergrund sollte beim Leser stets das Bewusstsein vorhanden sein, dass manche Gegebenheiten möglicherweise absichtlich verschwiegen, andere hingegen äußerst gekonnt inszeniert wurden. In diesen Fällen muss zudem nach der Absicht des Autors gefragt werden, da sowohl literarische und persönliche als auch politische Gründe den Anlass für die bewusste Auswahl und Gestaltung der Ereignisse gegeben haben könnten.29

27 Vgl. Schauer: Krieg, S. 94f. 28 Vgl. Oppermann: Caesar, S. 1f. 29 Vgl. Richter: Caesar, s. 97f.

15 1. Buch

Bellum Helveticum

Selbstmord des Orgetorix

Das 1. Buch behandelt das Jahr 58 v. Chr. und weist eine offensichtliche Zweiteilung der Erzählung auf: Die Kapitel 2 bis 30 behandeln den Krieg gegen die Helvetier, während die Kapitel 31 bis 54 die Auseinandersetzung mit Ariovist und den Germanen beschreiben. Diese Trennung ergibt sich vor allem durch den das Kapitel 30 einleitenden Ablativus Absolutus „bello Helvetiorum confecto“ (1,30,1). Bevor der eigentliche Helvetierkrieg beginnt, wird in den Kapiteln 2 bis 4 von den Auswanderungsplänen des Helvetiers Orgetorix berichtet. Dieser verschwört sich, wie von Caesar berichtet wird, „regni cupiditate inductus“ (1,2,1), also aus Begierde nach der Königsherrschaft. Diese Form der Herrschaft ist jedoch äußerst negativ konnotiert, wodurch im Grunde die gesamte Darstellung bereits zu Beginn negativ gefärbt wird. Zusätzlich lässt Caesar Orgetorix in einer indirekten Rede erklären, dass es leicht wäre, die Herrschaft über ganz Gallien an sich zu reißen, worin Caesar eine große Gefahr für Rom sieht, womit wiederum sein späteres Handeln gerechtfertigt wird.30 Außerdem verschwört er sich mit dem Sequaner Casticus, der jedoch aus keiner anderen Quelle bekannt ist, sowie auch mit dem Haeduer Dumnorix, dem Bruder des Diviciacus. Seine Pläne werden den Helvetiern jedoch gemeldet, was die Verhaftung des Orgetorix und dessen Anklage wegen Hochverrats zur Folge hat. Jedoch gelingt es ihm, sich dem Prozess zu entziehen, weshalb der restliche helvetische Stamm zu den Waffen greift und die Behörden der einzelnen pagi die Ansammlung einer großen Menschenmenge bewirken. Während diese Abläufe im Gange sind, stirbt Orgetorix plötzlich und sein Tod wird ohne Details beschrieben.31 Möglich wäre, dass er noch im Gefängnis stirbt und sich einer Verhandlung entziehen konnte, wobei die Strafe bei einer Verurteilung der Tod durch Flammen gewesen wäre. In diesem Fall hätten Mittelsmänner seine Sklaven und Clienten versammeln müssen.32 Diese These bleibt jedoch umstritten, denn es wäre auch möglich, dass Orgetorix sich lediglich in

30 Vgl. Gärtner: Beobachtungen, S. 97f. 31 Vgl. Richter: Caesar, S. 105f. 32 Vgl. Kraner und Dittenberger: Comentarii, S. 92f.

16 Fesseln verteidigen musste.33 Caesar beschreibt seinen Tod nur kurz mit dem einfachen Satz „Orgetorix mortuus est“ (1,4,3). Auffallend ist hierbei, dass das Verbum „mori“ nur einmal im gesamten Werk steht, da Caesar ansonsten bei der Beschreibung von Todesfällen eher neutrale Ausdrücke verwendet, während brutale Termini wie beispielsweise „mactare“ eine Seltenheit sind. Kurz darauf wird auf einen möglichen Selbstmord hingewiesen, wobei Caesar hierfür die Wendung „sibi mortem consciverit“ (1,4,4) verwendet. Insgesamt werden im Bellum Gallicum nur vier Selbstmorde beschrieben und nur zweimal begehen namentlich genannte Personen, Orgetorix und Catuvolcus, Selbstmord. Zweimal steht bei der Beschreibung des Todes die eben genannte Phrase, während bei den übrigen zwei Fällen auf andere Formulierungen34 zurückgegriffen wird.35 Der Tod des Orgetorix bleibt ein Rätsel, vielleicht erwähnt Caesar das Gerücht des Selbstmordes auch nur, um nicht mit diesem Todesfall in Verbindung gebracht zu werden.36 Die Helvetier wollen aber trotzdem auswandern, obwohl nun der eigentliche Initiator tot ist. Hier stellt sich die Frage, ob Orgetorix tatsächlich die treibende Kraft war, oder ob er nur so dargestellt wird und der Plan im Stamm schon zuvor vorhanden war. Unter diesen Umständen machen die radikalen Vorbereitungen der Helvetier zum Auszug jedenfalls für den Leser nur wenig Sinn.37

Tod des Dumnorix

Interessant ist die Darstellung des Haeduers Dumnorix, der ebenfalls, wie bereits oben erwähnt, an der Verschwörung teilnimmt und versucht, die Herrschaft an sich zu reißen sowie ein Königtum einzurichten. Der Haeduer taucht erstmals in 1,3 auf und wird als beliebter Mann mit großem politischen Einfluss beschrieben. Zudem ist er der Bruder des Diviciacus, der eine römerfreundliche Gesinnung vertritt.38 Helvetische Gesandte bitten Caesar, ihrem Volk den Durchzug durch die Provinz zu gestatten, was dieser jedoch in Erinnerung an eine vergangene Niederlage des römischen Heeres im Kampf gegen diese ablehnt. Er erinnert an den zurückliegenden Tod des Konsuls Lucius Cassius im Jahre 107, dessen Heer nach einer vernichtenden Niederlage unters Joch geschickt wurde, was den

33 Vgl. Radin: Orgetorix, S.42f. 34 Jeweils einmal verwendet Caesar „se ipsi interficiunt“ (5,37,6) und „se exanimavit“ (6,31,5). 35 Vgl. Opelt: Töten, S. 113ff. 36 Vgl. Walser: Bellum, S. 44. 37 Vgl. Richter: Caesar, S. 107f. 38 Vgl. Caes. Gall. 1,3.

17 Römern wohl noch in Erinnerung war. Es stellt sich die Frage, ob dieser Vorfall den tatsächlichen Grund für die Absage darstellte. Womöglich diente der Tod des Cassius nur als Vorwand. Möglich wäre aber auch, dass Caesar hier die große Stärke der Helvetier aufzeigen wollte.39 Auffallend ist hier jedoch, dass Caesar diesen Tod mit „L. Cassium consulem occisum“ (1,7,4) wiedergibt, es scheint also zunächst, als wäre dieser ermordet worden. Erst in 1,12 erfährt der Leser, dass nur ein Teil der Helvetier, nämlich die Tiguriner, an der Schlacht beteiligt gewesen ist und schließlich auch, dass der Konsul und auch der Großvater seines Schwiegervaters im Kampf gefallen und nicht ermordet worden sind, wie es dem Leser vermittelt wird.40

In 1,9 schicken die Helvetier Dumnorix als Vermittler zu den Sequanern, da die Beziehungen zu diesem Stamm nach dem Tod des Orgetorix wohl abbrachen. Dumnorix ist erfolgreich und die Helvetier dürfen durch das Gebiet der Sequaner ziehen. Caesar sieht dies durch den Wunsch nach der Königherrschaft und einem Umsturz motiviert. Spätestens jetzt entschließt sich Caesar gegen die Helvetier zu ziehen, beziehungsweise legt er nun die Gefahr für das römische Volk offen.41 In 1,12 töten die Römer in einem überraschenden Angriff eine große Anzahl der Tiguriner, wobei sich Caesar klar als Rächer der vergangenen Niederlage stilisiert. Interessant ist an dieser Stelle die Verwendung des Verbums „concidere“, da es dem Leser lediglich zweimal im gesamten Werk begegnet und ausschließlich Feinde Objekt der Tötung sind, niemals aber die Römer selbst42: „magnam partem eorum concidit“ (1,12,3). In diesem Zusammenhang steht wohl auch der Auftritt des helvetischen Feldherrn Divico in 1,13, der Caesar in überheblicher Weise an die clades Cassiana erinnert und die völlige Vernichtung seines Heeres androht.43 Hierbei wird das Nomen „internecio“ verwendet, das nur zweimal im gesamten Werk auftaucht und nur an dieser Stelle in Bezug auf das römische Heer.44 Dumnorix selbst tritt jedoch erst wieder in 1,18 negativ hervor, nachdem der Haeduer Liscus ihn indirekt für das Ausbleiben des vereinbarten Getreidenachschubes an die Römer beschuldigt. Des Weiteren erfährt Caesar, dass ebendieser durch die Flucht seiner Reiter die Schuld an der zuvor erlittenen

39 Vgl. Lieberg: Politik, S. 40. 40 Vgl. Opelt: Töten, S. 108. 41 Vgl. Dobesch: Beobachtungen, S. 33. 42 Vgl. Opelt: Töten, S. 111. 43 Vgl. Walser: Bellum, S. 59f. 44 Vgl. Merguet: Lexikon, S. 519, Sp. 2, s.v. internecio.

18 Niederlage gegen die Helvetier trägt, bei der wenige römische Reiter fielen.45 Diese Verluste werden mit einem technischen Begriff „cadere“ beschrieben, der im Werk insgesamt fünfmal verwendet wird.46 Fraglich ist hierbei jedoch, warum Dumnorix die Führung der haeduischen Reiterei von Caesar selbst übertragen wurde, nachdem er sich doch bereits als unbeständig erwiesen hatte. Obwohl Caesar nun die Umsturzpläne des Dumnorix offengelegt wurden, verurteilt er diesen aus Rücksicht auf seinen Bruder Diviciacus nicht zum Tode und zeigt dabei in einer rührenden Unterhaltung seine immense Milde. Wahrscheinlicher ist aber, dass er Dumnorix, der bekanntlich großen Einfluss hatte, aus Angst vor einem Überlaufen der Haeduer zu den Helvetiern nicht einfach töten lassen konnte, sondern ihn stattdessen überwachen lassen musste. 47

Nach dieser Erzählung verschwindet Dumnorix aus dem Blickfeld und taucht erst in 5,6, also im Jahr 54, erneut auf. Caesar lässt am Beginn des 5. Buches im Zuge der Vorbereitungen zur Überfuhr nach Britannien 4000 Reiter aus Gallien und zudem die führenden Adligen aus allen Stämmen nach Itius kommen. Manche von ihnen will er als Geiseln mit sich führen, um mögliche Aufstände während seiner Abwesenheit zu verhindern, die Treuen hingegen will er währenddessen in Gallien zurücklassen. Unter diesen Galliern befindet sich schließlich Dumnorix, dessen Umsturzpläne Caesar durchaus bekannt sind und der eine große Gefahr darstellt. Er hatte zuvor im Stammesrat der Haeduer behauptet, Caesar selbst wolle ihm die Herrschaft über den Stamm übertragen. Ob dieses Versprechen tatsächlich geäußert wurde oder ob eine solche Beteuerung womöglich niemals getätigt wurde, ist jedenfalls schwer zu beweisen.48 Dumnorix versucht nun, den versammelten Adel gegen Caesar aufzubringen, indem er ihnen den eigenen Tod in Britannien vor Augen stellt: „id esse consilium Caesaris, ut […] hos omnes in Britanniam traductos necaret“ (5,6,5). „Necare“ bezeichnet einen Tötungsvorgang ohne Gegenwehr und findet sich im gesamten Werk nur einmal bei einer Maßnahme Caesars, ansonsten sind stets Barbaren die Täter. Nur an dieser Stelle steht das Verbum bei einer fingierten Maßnahme gegenüber Caesar.49 In den folgenden 25 Tagen, in denen Caesar auf günstigen Wind warten muss und somit nicht nach Britannien übersetzen kann, versucht er mit allen

45 Vgl. Dobesch: Beobachtungen, S. 42. 46 Vgl. Opelt: Töten, S. 115. 47 Vgl. Walser: Bellum, S. 62 und 64. 48 Vgl. Dobesch: Beobachtungen, S. 52f. 49 Vgl. Opelt: Töten, S. 111f.

19 Mitteln, Dumnorix von seinen Plänen abzubringen. Dies gelingt ihm jedoch nicht, denn am Tag der Abfahrt versucht der Haeduer zurück in seine Heimat zu gelangen, wohl in der Hoffnung, Caesar würde keine weitere Verzögerung riskieren und ihm daher nicht nachfolgen. Caesar sendet jedoch einen Teil seiner Reiterei aus, um ihn zurückzuholen, mit dem Befehl, ihn bei Gegenwehr zu töten. Hierbei wird klar, dass Dumnorix wohl eine große Gefahr darstellte und Caesar es nicht riskieren konnte, ihn zurückzulassen. Zudem wagte er es nicht, haeduische Reiter loszuschicken, da er wohl einen Anschluss an Dumnorix fürchten musste. Dumnorix wird von den Reitern schließlich eingeholt, leistet Widerstand und ruft vergeblich nach seinen Anhängern. Die Soldaten jedoch handeln wie befohlen: „circumsistunt hominem atque interficiunt“ (5,7,9). Dieser Mord war wohl kein kluger Schachzug Caesars50, da er den Galliern vermutlich eher missfiel und ihnen das eigene mögliche Schicksal vor Augen stellte. Hier ergibt sich jedoch die Frage, ob er denn eine andere Wahl hatte, denn die schändliche Gefangennahme des Haeduers hätte die anderen Adligen mit Sicherheit aufgewiegelt, während eine schnelle Tötung die Pläne nun letztendlich beendete. Für den Leser ist diese Maßnahme völlig nachvollziehbar, da Dumnorix bereits zuvor sehr negativ dargestellt wurde.51

Die Schlacht bei Bibracte

Der Krieg gegen die Helvetier entscheidet sich mit der Schlacht bei Bibracte in 1,25 und 1,26. Am Beginn der Kapitel eröffnet Caesar den Kampf gegen die Helvetier, welche von ihrem Weg abweichen und die römischen Soldaten angreifen. Das Schlachtgeschehen an sich wird relativ ausführlich geschildert, Opferzahlen werden in der gesamten Darstellung jedoch keine genannt, sehr wohl aber die Zahl der überlebenden Helvetier, die laut Caesar 130.000 betrug.52 Ein interessantes Detail im Verlauf der Schlacht legt Plutarch offen, der berichtet, dass auch die Kinder und Frauen in der Wagenburg sich bis zum Tode verteidigten und dementsprechend auch gemeinsam mit den Männern niedergeschlagen wurden.53 Bei Caesar findet sich diesbezüglich jedoch keine Erwähnung, was durchaus verständlich ist. Insgesamt dürfte die Schlacht wohl ein enormes Blutbad gewesen sein,

50 Eine ähnliche Auffassung findet sich auch im Kommentar von Kraner und Dittenberger S. 16. 51 Vgl. Dobesch: Beobachtungen, S. 56-59. 52 Vgl. Caes. Gall. 1,23-26. 53 Vgl. Plut. Caes. 18, 3.

20 was auch die von Caesar selbst genannten Zahlen unterstreichen.54 Nur kurz erwähnt Caesar die Überlebenden des Kampfes, 130.000 an der Zahl, wobei es verwunderlich ist, dass er den Sieg nicht mehr in den Vordergrund rückt. Der Leser erfährt lediglich, dass diese sofort in das Gebiet der Lingonen weiterzogen. In 1,29 berichtet Caesar, dass insgesamt 368.000 Helvetier inklusive Bundesgenossen ihre Heimat verlassen haben. Bei der Volkszählung nach der Rückkehr wurden insgesamt 110. 000 Menschen gezählt. Diese Zahlenangaben55 wurden in der Forschung bislang kritisch hinterfragt, da deren Glaubwürdigkeit höchst umstritten sind. Im Zentrum steht dabei das Problem der Länge des Zuges, die sich bei einer so großen Menschenmenge ergeben müsste, weshalb umstritten ist, ob tatsächlich derartig viele Menschen ausgezogen sind.56 Hier ergibt sich die Frage, ob Caesar bewusst übertreibt und die eingenommene Wagenburg besonders riesig darstellt, um seinen Sieg größer erscheinen zu lassen. Denn diese unverhältnismäßige Schilderung verstärkt nicht nur den Eindruck der Gefahr, die von der enormen Masse der Gegner ausgeht, sondern stellt auch das Geschick des Feldherrn in den Vordergrund.57 Verlustreich dürfte die Schlacht bei Bibracte jedoch mit Sicherheit gewesen sein, und zwar auch für die Römer, denn wir erfahren, dass Caesar aufgrund der Verwundeten und Toten drei Tage am Schlachtfeld verweilt. Hierbei ist auch das Rühmen der Tapferkeit der Feinde äußerst auffällig, weshalb in der Forschung öfters angezweifelt wird, ob Caesar in diesem Gefecht tatsächlich siegreich war.58

Die Geschehnisse um den Germanen Ariovist

In 1,31 greift der Germanenkönig Ariovist als bedeutender Nichtrömer in die Geschehnisse in Gallien ein. Caesars erhält ein Hilfegesuch der Gallier unter der Leitung des Haeduers Diviciacus gegen ebendiesen, der schrittweise ihr Gebiet besetze und schon ein Drittel des Sequanerlandes halte.59 Caesars Gründe, gegen Ariovist vorzugehen, erschließen sich einerseits aus der Freundschaft zu den Haeduern, andererseits aber aus der großen Gefahr für das römische Volk, welche sich aus einem Rheinübergang der Germanen ergibt, wobei

54 Vgl. Kraner und Dittenberger: Commentarii, S. 131f. 55 Will (Will: Julius, S. 159f.) weist darauf hin, dass Caesars Zahlenangaben als ungesichert gelten und zeigt Faktoren auf, die eine Gesamtrechnung erschweren. 56 Vgl. Walser: Bellum, S.72f. 57 Vgl. Gerlinger: Schlachtenrhetorik, S. 125ff. 58 Vgl. Walser: Bellum, S. 69. 59 Vgl. Caes. Gall. 1,31.

21 Caesar den Zusammenhang zu den gefürchteten Kimbern und Teutonen herstellt. Der Krieg erscheint somit als „bellum iustum“.60 Caesar begründet sein Eingreifen mit einem Konstrukt, denn die Auseinandersetzung mit den Kimbern und Teutonen beginnt im Jahr 113 v. Chr. und liegt somit bereits lange Zeit zurück, weshalb kaum anzunehmen ist, dass er nun gegen dieselben Germanen kämpft. Doch ebendiesen Eindruck vermittelt er durch die Herstellung der Verbindung und indem er auf die große Gefahr, die von diesen Barbaren ausgeht, aufmerksam macht.61 Insgesamt erinnert Caesar fünfmal im Werk an die Kimbern und Teutonen, und in 1,40 wird sogar Marius namentlich genannt, welcher über die Germanen triumphierte. Caesar versucht, sich mit seinem Onkel gleichzusetzen und stilisiert sich als dessen Nachfolger, da auch er imstande ist, die große Bedrohung durch die Germanen abzuwehren.62

Ariovist wird nun „rex Germanorum“ (1,31,10) genannt, wobei hier nicht deutlich wird, dass er aus der Völkerschaft der Sueben stammt. Unter dem Konsulat Caesars im Jahre 59 v. Chr. wurde Ariovist offiziell als König vom römischen Senat anerkannt und ihm wurde sogar der Titel „amicus populi Romani“ verliehen. Die Germanen werden erst jetzt als Gefahr wahrgenommen und Caesar zeichnet nun ein Bild von Germanen, die Gallien regelrecht überfluten.63 Fraglich ist jedoch, ob Diviciacus sich tatsächlich im Gespräch mit Caesar gegen Ariovist gewandt hat, da es höchst unvorsichtig wäre, einen Freund des römischen Volkes derartig zu beschuldigen. Das Bild von Ariovist ergibt sich dadurch jedenfalls als äußerst negativ.64 Bereits in 1,31 wird Ariovist als grausamer Herrscher und Barbar charakterisiert, dessen Herrschaft untragbar für das Volk ist. In 1,33 hebt Caesar außerdem dessen Hochmut und Arroganz hervor, was ihn dazu zwingt, gegen den Germanen vorzugehen. Auffällig sind auch die emotionalen Momente, so zum Beispiel die Traurigkeit und Angst der Sequaner, deren Inszenierung vielleicht auch versteckte Intentionen zugrunde liegen.65 Dem Leser wird die Notwendigkeit des Handelns gegen den Germanenkönig durch seine Charakterisierung schlüssig dargestellt. Erst später erfährt man, dass der Senat diesen zuvor geehrt hatte. Zu diesem Zeitpunkt steht der jähzornige Barbarenführer jedoch bereits klar im Kontrast zum rechtschaffenen Caesar. Die

60 Vgl. Gärtner: Beobachtungen, S. 102. 61 Vgl. Bleckmann: Germanen, S. 63. 62 Vgl. Gerlinger: Schlachtenrhetorik, S. 80. 63 Vgl. Bleckmann: Germanen, S. 66-69. 64 Vgl. Lieberg: Politik, S. 149f. 65 Vgl. Lieberg: Politik, S. 70-73.

22 Feindschaft zu den Germanen wirkt daher auch nicht verwunderlich, da die große Wendung in der Beziehung zwischen Ariovist zu Rom nicht ins Zentrum gerückt wird.66 In 1,34 beginnen die Maßnahmen Caesars, der Ariovist durch Gesandte zu einer Unterredung in der Mitte der Beiden auffordert, was dieser jedoch ablehnt. Hier tritt der Germanenkönig als äußerst anmaßend auf, eben so, wie er zuvor beschrieben wurde. Caesar schickt daraufhin erneut Gesandte mit Forderungen zu ihm, doch er weigert sich erneut, unter Berufung auf das „ius belli“, diese anzunehmen. Ariovist spricht Drohungen gegen das römische Heer und Caesar aus, indem er sagt: „neminem secum sine sua pernicie contendisse“ (1,36,6), woraufhin die Verhandlungen zum Erliegen kommen.67

Die Unterredung findet erst in 1,43 statt, als Caesar bereits die Stadt Vesontio eingenommen hatte und sich somit nahe bei den Truppen Ariovists positionierte. 1,44 gibt die Antwort des Germanen wieder, welcher nicht nur erneut Caesars Forderungen zurückweist, sondern auch folgende prahlerische Episode enthält: „quodsi eum interfecerit, multis se nobilibus principibusque populi Romani gratum esse facturum“ (1,44,12). Ariovist würde also nicht davor zurückschrecken, Caesar umzubringen, da ihm das Wohlwollen vieler adliger führender Römer sicher wäre.68 Grundsätzlich könnte diese Prahlerei der Realität entsprechen, da eine Übereinkunft mit Gegnern zur Beseitigung einer mächtigen Persönlichkeit durchaus möglich war.69 Dennoch aber gestaltet es sich als äußerst schwierig, die tatsächliche Historizität der Rede zu ermitteln. Die Unterredung scheiterte allenfalls zu Schulden der Germanen, womit ein militärisches Aufeinanderstoßen, das auch wenige Tage später tatsächlich stattfand, unausweichlich wurde. In 1,50 kommt es zunächst zu einem Gefecht, doch Ariovist lässt es erst am nächsten Tag zur Entscheidungsschlacht kommen. Interessant ist, dass bei diesem Gefecht auch die Frauen erwähnt werden, welche die Männer aus Angst anflehen, sie vor einer Versklavung durch die Römer zu bewahren. Nachdem heftig gekämpft wurde, gelingt es dem römischen Heer, die Feinde in die Flucht zu schlagen, wobei auch Ariovist den Rhein überqueren kann. Viele andere werden jedoch von den Reitern eingeholt und getötet: „reliquos omnes consecuti equites nostri interfecerunt“ (1,53,3).70 Die Frauen des Ariovist

66 Vgl. Mensching: Gallicum, S. 103f. 67 Vgl. Lieberg: Politik, S. 75-81. 68 Vgl. Caes. Gall. 1,43f. 69 Vgl. Kraner und Dittenberger: Commentarii, S. 175. 70 Vgl. Bleckmann: Germanen, S. 81-83.

23 sterben auf der Flucht: „utraque in ea fuga periit“ (1,53,4) sowie auch eine seiner Töchter: „harum altera occisa, altera capta est“ (1,53,4).71 „Perire“72 steht im gesamten Werk nur viermal, „occidere“ hingegen siebzehnmal. „Occidere“ bezeichnet grundsätzlich Tötungshandlungen während eines Kampfes und stellt das brutalere Synonym zu „interficere“ dar. Caesar gebraucht die beiden Begriffe jedoch ohne Unterschied, die Brutalität soll nicht hervorgekehrt werden. Gaius Valerius Procillus, der in 1,47 als Gesandter zu Ariovist geschickt und in Ketten gelegt wird, kann gerettet werden und entgeht somit dem möglichen Feuertod: „utrum igni statim necaretur“ (1,53,7). 73

Abgesehen von all diesen Opfern werden sogar Sueben, welche aus Furcht nun den Rückzug beginnen, von germanischen Stämmen, die näher am Rhein wohnen, getötet: „magnum ex his numerum occiderunt“ (1,54,1). Diese Bemerkung zeigt erneut die Notwendigkeit auf, die Gallier vor einem Einfall der Germanen zu bewahren, ein Motiv, welches für Caesars Vorgehen ausschlaggebend ist.74 Nach diesem Krieg führt Caesar sein Heer in das Winterlager, er selbst aber bricht in das diesseitige Gallien auf.75 Ariovist hingegen verschwindet daraufhin für den Leser und taucht erst im 5. Buch wieder auf, wenn es heißt: „magno esse Germanis dolori Ariovisti mortem“ (5,29,3). Dieses Detail wurde zuvor bei der Schilderung der Schlacht jedoch nicht erwähnt, obgleich er bald nach der Schlacht gestorben sein muss.76 Die Traurigkeit der Germanen über seinen Tod lässt anklingen, dass Ariovist wohl noch größere Pläne gehabt haben könnte, worüber allerdings nicht näher berichtet wird.77

71 Vgl. Caes. Gall. 1,53. 72 In 6,43,3 wird es nur als Ausdruck einer Wahrscheinlichkeit verwendet: „rerum omnium inopia perendum videretur“. 73 Vgl. Opelt: Töten, S. 105 und 110f. 74 Vgl. Bleckmann: Germanen, S. 83. 75 Vgl. Caes. Gall. 1,54. 76 Vgl. Kraner und Dittenberger: Commentarii, S.71. 77 Vgl. Will in DNP 1: 1996, Sp. 1084f., s. v. Ariovistus.

24

2. Buch

Der Kampf gegen die Belger

Zu Beginn des 2. Buches, welches die Ereignisse des Jahres 57 v. Chr. behandelt, erfährt Caesar, dass die Belger sich gegen die Römer verschwören. Dieses Volk wurde in 1,1,3 als das tapferste geschildert, was sich auf die große Entfernung zur zivilisierten Provinz zurückführen lässt. In 2,4 erfährt Caesar durch Gesandte der Remer von der gewaltigen Truppenstärke der Feinde, wobei die Zahlen, die er nennt, nicht allzu glaubhaft, sondern eher übertrieben sind. Interessant ist außerdem, dass die Abstammung der Belger von den Germanen hervorgehoben wird, womit erneut diese große Gefahr thematisiert wird. In 2,10 kommt es schließlich zum ersten bedeutsamen Gefecht, als die Belger versuchen, den Fluss Axona, die heutige Aisne, zu überqueren. Bei dieser Unternehmung überschätzen sie jedoch ihre Masse und zugleich unterschätzen sie die Schwierigkeiten des Geländes, weshalb eine große Anzahl von ihnen getötet wird. Daraufhin ist der Fluss anscheinend derartig gefüllt mit Leichen, dass die Überlebenden wagemutig versuchen, über die toten Körper den Fluss zu durchqueren: „nostri in flumine adgressi magnum eorum numerum occiderunt; per eorum corpora reliquos audacissime transire conantes“ (2,10,2f.). Doch auch dieser Versuch ist vergeblich und die Belger ziehen sich schließlich zurück, während Caesars Truppen beinahe ohne Verluste den Sieg davontragen. Im Anschluss daran brechen die Belger überstürzt auf und Caesar, der einen Hinterhalt fürchtet, schickt ihnen erst bei Tagesanbruch seine Reiterei nach. Überraschend bei diesem Gefecht ist der Umstand, dass sich nur die Nachhut auf einen Kampf einlässt, während der vordere Teil des Zuges flüchtet. Aufgrund dieses Verhaltens, welches wohl aus einer fehlenden Führung resultiert, war es den Römern möglich, ohne ernstzunehmende Gefährdung ihrer selbst ein regelrechtes Massaker anzurichten:78 „ita sine ullo periculo tantam eorum multitudinem nostri interfecerunt“ (2,11,6).

78 Vgl. Meissinger: Gallischer Krieg, S. 52ff. und 57f.

25 Zur entscheidenden Schlacht in diesem Krieg kommt es jedoch erst später, als Caesar erfährt, dass sich die Nervier gemeinsam mit den Atrebaten und Viromanduern jenseits des Flusses Sabis, möglicherweise der heutigen Sambre, gelagert hätten und dort die Römer erwarteten. Die Marschordnung Caesars wurde den Nerviern zuvor durch Verräter mitgeteilt, woraufhin dieser sein Heer neu organisierte. In 2,17,1 schickt Caesar Späher und Centurionen aus, um eine geeignete Stelle für ein Lager auszuwählen. Die lokalen geographischen Gegebenheiten werden im nächsten Kapitel von Caesar beschrieben. Es wird ein Wald erwähnt, der die Sicht erschwert und den Feinden ein Versteck bietet. In 2,22 erfährt der Leser außerdem, dass die Sicht an der Stelle, welche Caesar für ein Lager auserwählt hatte, zusätzlich durch von den Feinden angelegte dichte Verhaue behindert wird. Hier stellt sich die Frage, ob der Platz tatsächlich geeignet für ein Lager war oder ob Caesar einen groben Fehler begeht. Die dichten Verhaue bleiben bei der Beschreibung des Lagers unerwähnt, was womöglich aufzeigt, dass Caesar sich seines falschen Entschlusses, der das Heer später noch in eine äußerst gefährliche Situation bringt, wohl bewusst war. Stattdessen rückt er jedoch eine geglückte strategische Maßnahme ins Zentrum der Aufmerksamkeit, nämlich seine Voraussicht, die Marschordnung zu verändern, wodurch die Römer schließlich einen großen Vorteil nutzen konnten. In 2,20 beginnt das eigentliche Kampfgeschehen79, denn die Feinde greifen nun das Lager an. Caesar betont nicht nur wiederholt deren enorme Schnelligkeit, sondern hebt auch die daraus resultierende kurze Zeit für geeignete Gegenmaßnahmen hervor.80

Im Verlauf der Schlacht kommt es zu einigen äußerst gefährlichen Situationen, wobei auffallend viele Centurionen und sogar der Fahnenträger im Kampf fallen: „quartae cohortis omnibus centurionibus occisis signiferoque interfecto signo amisso, reliquarum cohortium omnibus fere centurionibus aut vulneratis aut occisis“ (2,25,1). Fraglich ist hierbei, ob diese Verluste tatsächlich von einer aggressiven Tapferkeit jener Centurionen herrühren, oder ob womöglich die Darstellung Caesars einen bestimmten Zweck verfolgt. Obendrein gilt es, die Wahrscheinlichkeit, dass derartig viele gut ausgebildete ranghohe Offiziere, im Vergleich zu einfachen Soldaten, beim Gefecht ihr Leben lassen, anzuzweifeln. Es wäre denkbar, dass Caesar den heldenhaften Kampf sowie den

79 Der genaue Verlauf des Kampfgeschehens ist zusammengefasst bei Gerlinger (Gerlinger: Schlachtenrhetorik, S. 395f.) beschrieben. 80 Vgl. Gärtner: Beobachtungen, S. 106ff.

26 ehrenhaften Tod seiner Centurionen ins Zentrum rücken will, um die Aufmerksamkeit des Lesers darauf zu lenken. Erhebliche Verlustzahlen werden zumeist bei Niederlagen und auch bei Fehlentscheidungen Caesars genannt, womit auch eine gewisse Rechtfertigung der Ereignisse ausschlaggebend für die Angabe sein könnte. Ein derartiger Fehler Caesars findet sich bei der zuvor beschriebenen Auswahl des Lagerstandortes. Die Selbstaufopferung der Centurionen soll dem Leser womöglich das Bild von einem Ausgleich der Schuld vermitteln, womit die Schuld von Caesar abgelenkt und auf die Offiziere übertragen wird. Dafür würde auch sprechen, dass die Centurionen in 2,17,1 maßgeblich an der Auswahl eines geeigneten Lagers beteiligt sind. Jenes Detail erwähnt Caesar allein an dieser Stelle im Werk, womit die Centurionen klar als Verantwortliche charakterisiert werden. Der Tod der Centurionen81 erscheint somit als apologetisches Element, mit dem Caesar von seinem eigenen Fehler abzulenken sucht.82 Hinzu kommt, dass Caesar diese Ereignisse in dem längsten83 von ihm überlieferten Satz schildert, in dem er die Situation scharfsinnig analysiert. Nachdem im Kapitel 24 eher das Schicksal als er selbst den Kampfverlauf bestimmt, greift er nun wieder aktiv in die Geschehnisse ein und bewirkt dadurch einen Umschwung.84 Bei dieser unerwarteten Wendung im Kampf, der von den Treverern bereits als römische Niederlage gesehen wurde, zeigt sich klar die tragische Technik der Peripetie. Caesar gelingt durch sein persönliches Eingreifen das geradezu Unmögliche und er verwandelt die Niederlage in einen Sieg.85

Ein weiteres Darstellungselement sticht in dieser Episode besonders hervor: „at hostes etiam in extrema spe salutis tantam virtutem praestiterunt, ut cum primi eorum cecidissent, proximi iacentibus insisterent atque ex eorum corporibus pugnarent, his deiectis et coacervatis cadaveribus qui superessent ut ex tumolo tela in nostros coicerent pilaque intercepta remitterent.“ (2,27,3f.) Die Nervier halten also mit außerordentlicher Tapferkeit stand und kämpfen sogar auf Leichenbergen weiter. Hier stellt sich jedoch sogleich die Frage, ob es tatsächlich möglich ist, sicher auf toten Körpern zu stehen, da diese wohl eher einen wackeligen Untergrund bieten. Gerade in einem Gefecht erweist sich ein stabiler

81 Resch setzt sich in ihrem Artikel (Resch: centurionibus) ausführlich mit den hohen Verlustraten der Centurionen auseinander und weist darauf hin, dass sie aufgrund verschiedener Faktoren tatsächlich einer höheren Gefährdung ausgesetzt waren. Die Zahlenangaben könnten also auch der Realität entsprechen, doch erkennt auch Resch zumindest Tendenzen bei deren Angabe. 82 Vgl. Gerlinger: Schlachtenrhetorik, S. 222-226. 83 13 Zeilen Teubnertext! 84 Vgl. Gärtner: Beobachtungen, S. 110f. 85 Vgl. Wyss: Untersuchungen, S. 60.

27 Boden als fundamentaler Faktor. Wahrscheinlicher ist, dass zwischen den Leichen gekämpft wurde, was der Text jedoch so nicht ausdrückt. Es fällt auf, dass Caesar die Tapferkeit der Feinde ins Zentrum rückt86, was wiederum ein apologetisches Element darstellen könnte, da es erneut von seinem eigenen Fehler ablenkt. Der Kampf auf Leichenbergen stellte bei einigen römischen Dichtern einen beliebten Topos dar, doch die tatsächliche Durchführung bleibt wohl eher zweifelhaft.87

Am Ende der Schlacht gelingt es Caesar schließlich trotzdem, die Feine nicht nur zu besiegen, sondern ihren Stamm beinahe gänzlich auszulöschen: „Hoc proelio facto et prope ad internecionem gente ac nomine Nerviorum redacto“ (2,28,1). Hier rückt also die Anzahl der getöteten Gegner ins Zentrum, was dem Leser erneut ein gewisses Bild vom Ausgang der Schlacht suggeriert. So erscheint der Sieg in Anbetracht der völligen Vernichtung des Gegners noch bedeutender, da die große Gefahr, welche zuvor von den tapferen Nerviern ausging, nun zur Gänze getilgt wurde. Verstärkt wird dies noch durch den ungewissen Schlachtverlauf und den vielen Gefahrensituationen, die zuvor skizziert wurden. Caesar selbst liefert die Opferzahlen: Angeblich fielen 597 der 600 Senatoren der Nervier sowie 59.500 der 60.000 Waffenfähigen. In Anbetracht dieser großen Verluste mag es jedoch sonderbar erscheinen, dass die Nervier nur fünf Jahre später für die Schlacht bei Alesia 5.000 Wehrfähige88 stellen. Das würde bedeuten, dass es den Nerviern gelang, trotz ihrer beinahe gänzlichen Vernichtung innerhalb von nur fünf Jahren 4.500 junge Männer zu rekrutieren. Ein Umstand, der unglaubhaft ist, während eine Übertreibung Caesars bezüglich der feindlichen Verlustzahlen naheliegender erscheint. Caesar hebt seinen Sieg und seine Leistung durch die Erhöhung der Zahlen hervor, ein Darstellungselement, das dem Leser des Werkes nicht nur an dieser Stelle begegnet.89

Doch der Krieg gegen die Belger ist nach dieser literarisch ausgefeilt geschilderten Schlacht noch nicht gewonnen, denn am Ende des 2. Buches, in den Kapiteln 29-33, geht

86 Weitere Gedanken zu diesen Überlegungen finden sich im Kommentar von Kraner und Dittenberger S. 228f.: Auch hier ist vermerkt, dass Caesar die Tapferkeit der Feinde hervorhebt und damit auch sein eigener Sieg größer erscheint. Dies wird aber nicht als apologetisches Element, sondern als tatsächliche Würdigung der Feinde verstanden. Die Wahrscheinlichkeit, auf Leichenhügeln kämpfen zu können wird hier nicht hinterfragt. 87 Vgl. Gerlinger: Schlachtenrhetorik, S. 150ff. 88 Siehe 7,75,3 89 Vgl. Gerlinger: Schlachtenrhetorik, S. 133-137.

28 Caesar gegen die Atuatucer vor und sein Heer tötet im Kampf 4.000 von ihnen: „occisis ad hominum milibus quattuor“ (2,33,5). Die restlichen 53.000, die sich in der Stadt befanden, werden als Kriegsbeute verkauft. Erneut bannt Caesar hier die große Gefahr, die von diesem Stamm ausgeht. Dass die Atuatucer als höchst kämpferische Barbaren charakterisiert werden, zeigt die Anzahl der Waffen, die sie bei ihrer Kapitulation in den Graben werfen. Caesar berichtet von Waffenbergen, beinahe so hoch wie die Mauer und der Belagerungsdamm, obwohl sich später herausstellt, dass die Feinde noch ein Drittel der Waffen in der Stadt versteckt hielten. Fraglich ist an dieser Stelle auch, ob die Atuatucer tatsächlich, wie berichtet wird, bereits vorher Verrat geplant hatten, oder ob sie erst wieder zu den Waffen griffen, als Caesar sie trotz früher Kapitulation versklavte. Möglich wäre eine Umkehrung der Reihenfolge zugunsten der Darstellung. Auffällig ist auch die Bemerkung, dass die Atuatucer von den Kimbern und Teutonen abstammen, da Caesar sein Vorgehen hierdurch erneut als legitim darstellt. Am Ende des 2. Buches steht ein ruhmreicher Sieg Caesars, der in Anbetracht der immensen Kampfkraft der Feinde noch größer erscheint.90 Die Passage über die Atuatucer weist außerdem einige dramatische Elemente inklusive dramatischer Spannung auf. Diese zeigen sich bereits im Aufbau, da die Möglichkeit gegeben ist, die Schlachtenschilderung in fünf „Akte“ einzuteilen. Zudem werden mit der Erwähnung der Kimbern und Teutonen Emotionen beim Leser hervorgerufen. Dramatische Spannung wird vor allem durch die Schilderung des Schlachtverlaufs erzeugt, denn zu Beginn berichtet Caesar von den äußerst tapfer kämpfenden Atuatucern, die rational gesehen doch eigentlich chancenlos sein sollten. Gerade dieser ungewisse Ausgang der Geschehnisse fesselt die Leser, denn der spätere Sieg des römischen Heeres wird angedeutet, indem er das Volk als der Hybris verfallen kennzeichnet, was eine zwingende Niederlage bereits impliziert. Eine Peripetie der Handlung zugunsten der Römer wird damit unausweichlich und Caesar agiert nun als Handelnder. Es folgt eine Art retardierendes Moment, auf das schließlich die Bezwingung des Stammes folgt.91

90 Vgl. Gerlinger: Schlachtenrhetorik, S. 128-132. 91 Vgl. Fuchs: Tragödie, S. 271-276.

29

3. Buch

Caesars hartes Vorgehen gegen die Veneter

Das 3. Buch, welches das Jahr 56 v. Chr. umfasst, beginnt mit einer Expedition Galbas in das Gebiet der Nantuaten, Veragrer und Seduner. Caesar nennt hierbei die Öffnung der Alpen über den Großen Sankt Bernhard Pass als Ziel, den die Veragrer kontrollierten. Servius Sulpicius Galba wird zu diesem Zweck mit der 12. Legion, die in der Nervierschlacht in großer Bedrängnis war, ausgeschickt und errichtet ein Lager in Octodurus. Dieser wird jedoch plötzlich informiert, dass die Gallier den Krieg erneut aufnehmen und die Legion vernichten wollen. Galba traf dies unvorbereitet, was Caesar auch leicht tadelt, da er den ungünstigen Standpunkt des Lagers und die Abwesenheit mancher Soldaten zur Beschaffung der Versorgung erwähnt. In diesem Kontext steht auch die namentliche Nennung eines Centurionen und eines Militärtribunen, wobei eine direkte Rüge ausbleibt. Die Schlacht verläuft für das römische Heer zunächst etwas unglücklich, bis endlich ein rettendes Manöver gewagt und ein Ausbruch unternommen wird. Damit kommt es zu einem Umschwung im Schlachtgeschehen und Caesar berichtet von einer Vielzahl an getöteten Feinden: „ex hominum milibus amplius triginta […] plus tertia parte interfecta“ (3,6,2). Diese Angabe scheint übertrieben zu sein, doch es bleibt unklar, ob hier womöglich Galba beim Bericht über die Ereignisse bewusst oder unbewusst eine falsche Zahl angab. Die Römer können die Feinde also in die Flucht schlagen, aber Galba kehrt dennoch in die Provinz zurück, wodurch das Unternehmen zu einem Fehlschlag wird.92 Es ist keineswegs verwunderlich, dass Caesar diesen Misserfolg nicht an das Ende des 2. Buches stellt, obwohl er doch eigentlich den Abschluss des Jahres 57 v. Chr. darstellt, denn dadurch wären die großen Erfolge zuvor überschattet worden. Zu Beginn des 3. Buches rückt Caesar jedoch nicht sonderlich ins Zentrum der Aufmerksamkeit, da ohnehin weitere wichtige Siege folgen werden, und gerade am Ende einer Unternehmung ist die siegreiche Darstellung des Feldherrn von immenser Bedeutung.93

92 Vgl. Kraner und Dittenberger: Commentarii, S. 241-249. 93 Vgl. Klotz: Cäsarstudien, S. 20.

30

Schon am Beginn des 7. Kapitels erfährt Caesar, dass in Gallien erneut Krieg ausgebrochen ist. Die Veneter, ein sehr einflussreicher Stamm, haben sich mit anderen benachbarten Völkern verschworen und halten nun römische Offiziere bei sich fest, die zur Nahrungsbeschaffung ausgesandt worden waren. Caesar nennt als Beweggrund für deren Widerstand den Unwillen, ihre Freiheit zu verlieren und später noch das Wissen um ihre große Schuld.94 Ihr angebliches schlechtes Gewissen ergibt sich aus der Zurückhaltung der Offiziere, welche Caesar als Gesandte darstellt, womit die Veneter das Völkerrecht verletzen. Dieser Umstand macht das Eingreifen Caesars zu einer Notwendigkeit.95 Doch im Hintergrund dieser Operation stehen wohl auch wirtschaftliche Gründe, denn tatsächlich haben die Veneter das Monopol im Handel mit Britannien inne. Dieser Umstand rückt beim Lesen jedoch nicht ins Zentrum der Betrachtung, wobei das Vermögen Britanniens wohl einen entscheidenden Faktor für Caesars Handeln ausmacht.96

Nach einigen kurzen Präludien muss es schließlich zum entscheidenden Gefecht kommen, einer Seeschlacht auf der Loire. Auffällig ist hierbei die detaillierte Beschreibung der feindlichen Schiffe, deren Bauart den Venetern einen klaren Vorteil verschafft. Doch auch die Römer rüsten technisch auf, indem spezielle Sicheln eingesetzt werden, welche die gegnerischen Schiffe manövrierunfähig machen. Diese Erfindung tritt in der Darstellung jedoch in den Hintergrund wie auch der Umstand, dass eine Flaute den Römern schließlich dienlich ist. Im Gegensatz dazu kommt der „virtus“ der römischen Soldaten ein enormer Stellenwert zu, die laut Caesar für den Ausgang der Schlacht entscheidend war. Er selbst konnte die Schlacht von der Halbinsel Rhuys aus beobachten, wodurch sich die Tapferkeit der Soldaten angeblich noch verstärkte, da er jede besondere Leistung sofort vernehmen konnte. Hierbei bleibt jedoch fraglich, ob es tatsächlich möglich ist, eine Seeschlacht dermaßen gezielt zu beobachten. Unerwähnt bleibt wiederum das nautische Können der Soldaten, das sicherlich auch zum Sieg beitrug. Dies hat zur Folge, dass die alles entscheidende Tapferkeit der Fußsoldaten der ausschlaggebende Siegesfaktor bleibt.97 Dass dieser Seeschlacht allgemein große Bedeutung zukam, zeigen die ausführliche

94 Vgl. Kraner und Dittenberger: Commentarii, S. 249-252. 95 Vgl. Richter: Caesar, S. 144. 96 Vgl. Frank, Gallien, S. 20. 97 Vgl. Gerlinger: Schlachtenrhetorik, S. 206-209.

31 Schilderung und der Umfang der Erzählung. Diesen Umstand muss man wohl im Kontext der Erforschung neuer geographischer Räume verstehen, denn es übte eine enorme Faszination aus, neue Länder zu erkunden und zu erobern und sich dadurch in weiterer Folge Ruhm zu verschaffen.98

Beträchtlich ist zudem die Strafe, mit der Caesar den Aufstand der Veneter ahndet, denn er geht extrem gnadenlos gegen sie vor: „in quos eo gravius Caesar vindicandum statuit, quo diligentius in reliquum tempus a barbaris ius legatorum conservaretur. itaque omni senatu necato reliquos sub corona vendidit.“ (3,16,4) Beachtung verdient hierbei das Verbum „necare“, denn dies ist die einzige Stelle im Werk, an welcher es nicht für eine Tat der Barbaren verwendet wird, sondern für eine Maßnahme Caesars.99 Überraschend ist auch, dass Caesar zuvor von der Kapitulation des Stammes berichtet.100 Das heißt, dass eine „deditio“ stattfand, also eine Selbstübergabe der Veneter an Rom. Zwar bedeutet dies nicht zwangsweise, dass der Stamm nicht bestraft wird, dennoch aber war die Folge einer „deditio“ eher die Rückgabe der Freiheit und des Besitzes, während die Maßnahme Caesars, also die Tötung des Senats und die Versklavung der Übrigen, doch eine Seltenheit darstellt.101 Als Rechtfertigung für sein Handeln erscheint das vorausgehende Verbrechen der Veneter, nämlich die bereits erwähnte Zurückhaltung römischer Gesandter. Es gilt jedoch als höchst zweifelhaft, dass die ausgesandten Offiziere tatsächlich den Gesandtenstatus hatten. Wäre dies nicht der Fall, hätten die Veneter das Völkerrecht also gar nicht verletzt. Die scheinbare Völkerrechtsverletzung wird ganze drei Mal erwähnt, was die Vermutung nahelegt, dass dieser Umstand wohl im Zentrum der Darstellung bleiben sollte.102

Allgemein wird der Stamm als unsicherer Faktor stilisiert, der sofort bereit wäre, Krieg auf sich zu nehmen, wodurch das Vorgehen Caesars wie eine Maßnahme zur Friedenssicherung aussieht. Durch die harte Bestrafung scheint Caesar also den Frieden langfristig zu bewahren, wodurch sein keinesfalls übliches Handeln als positive Maßnahme

98 Vgl. Schulz: Caesar, S. 291f. 99 Vgl. Opelt: Töten, S.111. 100 Vgl. Caes. Gall. 3,16,3. 101 Vgl. Badian in DNP 3: 1997, Sp. 361, s. v. deditio. 102 Vgl. Richter: Caesar, S. 144.

32 für Rom erscheint.103 Durch die Zuschreibung der Schuld an die Veneter selbst gelingt es Caesar, sein Handeln zu legitimieren, sowohl gegenüber Rom als auch gegenüber den bereits verbündeten und kürzlich bezwungenen Völkern. Problematisch erscheint in der Forschung die Frage nach der tatsächlichen Auslöschung des gesamten Stammes104, da zwar sicherlich die Oberschicht hingerichtet wurde, die Allgemeinheit jedoch vermutlich am Leben blieb. Der Stamm war also geschwächt, bestand aber dennoch fort. Caesar schrak in dieser Situation nicht vor einer radikalen Maßnahme zurück, wohl im Wissen, dass sein Vorgehen ihm weitere Gegner und Widerstand bescheren würde.105

Parallele Handlung

Parallel zu den oben beschriebenen Ereignissen kommt es noch zu zwei weiteren Auseinandersetzungen, denn nicht nur Caesar schaltet einen Senat aus, wie man in Kapitel 17 erfährt: „Aulerci Eburovices Lexoviique senatu suo interfecto, quod autores belli esse nolebant“ (3,17,3). Der Senat wurde aus Kriegsgier des Volkes umgebracht, denn die Veneller und andere Stämme hatten sich unter Viridovix vereinigt. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass einzelne römerfeindliche Mitglieder des Adels dazu getrieben wurden, die umsichtigen Senatoren zu ermorden. Quintus Titurius Sabinus wurde zuvor bereits ausgesandt, um ebendiesen Zusammenschluss zu verhindern. Sabinus tritt im Zuge der Auseinandersetzung mit Viridovix als ängstlicher, zögerlicher Mann auf, da er es nicht wagt, seine Truppen aus dem Lager herauszuführen. Dies erweckt bei den Feinden den Eindruck von Furcht. Ebendies nützt er in weiterer Folge jedoch aus, da die Römer bei einem allzu euphorischen Angriff der Feinde sofort zur Gegenwer übergehen. Schließlich gelingt es Sabinus also durch eine List, die Völker zu unterwerfen und eine große Anzahl der Feinde zu töten.106

Ungefähr zeitgleich führt Publius Crassus eine Unternehmung gegen die Aquitanier. Diese treten als gefährlicher Feind auf, was durch die Erwähnung einer vergangenen Niederlage

103 Vgl. Gerlinger: Schlachtenrhetorik, S. 277f. 104 Siehe Rambaud, M.: L' art de la déformation historique dans les Commentaires de César, 1966, S. 185. Rambaud bezweifelt die Auslöschung der Veneter und stützt seine These auf archäologische Funde, die ein Fortleben des Stammes beweisen. 105 Vgl. Schulte-Holtey: Untersuchungen, S. 188, 197 und 201. 106 Vgl. Kraner und Dittenberger: Commentarii, S. 266-271.

33 bekräftigt wird. Im Jahr 78 v. Chr. ist der Legat Lucius Valerius Praeconius im Krieg gegen Sertorius in demselben Gebiet gefallen und sein Heer wurde geschlagen. Schon bald kommt es zu einem langwierigen Reitergefecht gegen die Sontiater und eine große Anzahl der Feinde wird getötet. Daraufhin gelingt es Crassus, ihre Stadt zu erobern, worauf die Kapitulation der Sontiater folgt. An einer anderen Stelle versucht dennoch der Fürst Adiatunnus einen Ausfall aus der Stadt und mit ihm 600 sogenannte „soldurii“.107 Diese heißen in lateinischer Sprache „devoti“ und bezeichnen jene, welche sich auf Leben und Tod einem gewählten Führer versprechen. Ein Brauch, der durchaus öfter auftritt, so verpflichteten sich beispielsweise auch die keltischen „clientes“ und die germanischen „comites“ einflussreichen Männern und übergeben diesen ihr Schicksal.108 Caesar verwendet für die Beschreibung des Selbstmordes „sibi mortem consciscere“, eine Phrase, die insgesamt zweimal109 im Werk Verwendung findet.110 Doch nach dem Sieg über die Sontiater ist der Auftrag des Crassus noch nicht vollendet, denn auch die übrigen Völker Aquitaniens hatten sich aus Angst verschworen und Hilfstruppen der Cantabrer hinzugezogen.111 Dieser Zusammenschluss wirkt auf den Leser äußerst großflächig und gefährlich, was später im Gefecht jedoch nicht der Fall zu sein scheint. Zudem werden die Völker als höchst militärisch charakterisiert, da Caesar erneut auf deren Erfahrung und die behutsame Vorgehensweise des Crassus verweist.112 Dennoch aber gehen sie einer Schlacht aus dem Weg, weshalb Crassus beschließt, ihr Lager anzugreifen. In diesem Kampf tötet das römische Heer ausgehend von einer Feindstärke von 50.000 ungefähr 37.500 der Feinde, eigene Verluste werden jedoch nicht genannt. Der Leser erfährt aber, dass sich aufgrund dieses Sieges der Großteil der Aquitanier ergab.113

Am Ende des 3. Buches führt Caesar sein Heer gegen die Moriner und Menapier, welche einem direkten Konflikt mit den Römern jedoch ausweichen, indem sie sich in die Wälder zurückziehen. Möglicherweise lag die Stärke dieser Völker auch in Seegefechten und sie hofften, gleich den Venetern, eine offene Schlacht am Land verhindern zu können.114 Bei deren Verfolgung in die Wälder hinein kommt es zu Verlusten auf beiden Seiten:

107 Vgl. Kraner und Dittenberger: Commentarii, S. 272-276. 108 Vgl. Fiebiger in RE 5. Halbband, Sp. 915, s.v. Soldurii. 109 Zuvor beim möglichen Selbstmord des Orgetorix (siehe 1,4,4). 110 Vgl.: Opelt: Töten, S. 113f. 111 Vgl. Caes. Gall. 3,23. 112 Vgl. Frank: Gallien, S. 22 und 52. 113 Vgl. Caes. Gall. 3,24-27. 114 Vgl. Rawlings: Gauls, S. 178.

34 „compluribus interfectis longius impeditioribus locis secuti paucos ex suis deperdiderunt“ (3,28,4). Der Ausdruck „deperdere“ findet sich insgesamt nur dreimal im gesamten Werk und nur einmal im Sinne des Verlustes von Menschenleben.115 Zu der Erwähnung der Opfer kommt hinzu, dass Caesar die Unternehmung aufgrund der Wetterverhältnisse abbrechen und sein Heer ins Winterlager führen musste.116 Das 3. Buch und auch das Jahr 56 enden also mit einer Niederlage, was die zuvor erzielten großen Erfolge Caesars und Crassus ̕ jedoch kaum abschwächt, da das Land der Moriner und Menapier keinesfalls zentral lag und damit kaum von großem Interesse war. Zudem lässt sich bereits hier vermuten, dass die Episode mit diesem Misserfolg noch nicht abgeschlossen ist.117

115 Vgl. Merguet: Lexikon, S. 264, Sp. 2, s.v. deperdo. 116 Vgl. Caes. Gall. 3,28f. 117 Vgl. Schulte-Holtey: Untersuchungen, S. 202.

35

4. Buch

Die Inszenierung eines Völkermordes – Die Usipeter und Tenkterer

Zu Beginn des 4. Buches, im Jahre 55 v. Chr., überschreitet eine große Menge an Usipetern und Tenkterern den Rhein, da sie von einem anderen germanischen Stamm bedrängt werden, nämlich von den Sueben, die als größter und kriegstüchtigster Stamm der Germanen beschrieben werden. Auf ihrer Wanderung stoßen sie auf Widerstand von Seiten der Menapier, welche sie aber durch eine List niederschlagen können. Daraufhin folgt das Einschreiten Caesars, der sich, im Bewusstsein des wankelmütigen gallischen Gemüts zur schnellen Handlung gezwungen sieht, um ein Abfallen der Gallier zu verhindern. Daher beschließt er, Krieg gegen die Germanen zu führen.118

Die Usipeter und Tenkterer werden im Laufe der Erzählung einfach Germanen oder Feinde genannt und der Unterschied zu den Sueben verschwimmt. Außerdem sind sie anscheinend an einer friedlichen Übereinkunft interessiert, denn sie schicken wiederholt Gesandtschaften zu Caesar. In 4,12 greifen sie jedoch die römische Reiterei an: „ad pedes desiluerunt subfossisque equis“ (4,12,2). Die Germanen eröffnen den Kampf, nachdem Caesar seine eigene Reiterei zur Zurückhaltung ermahnte. Bei dieser Kampfesschilderung sticht sofort die Nennung von eigenen Verlustzahlen ins Auge, welche sich ansonsten im Werk eher spärlich finden. Hinzu kommt, dass ein einzelner Mann namentlich hervorgehoben wird: „in eo proelio ex equitibus nostris interficiuntur quattuor et septuaginta, in his vir fortissimus Piso Aquitanus“ (4,12,3f.). Darauf folgt eine geradezu emotionale Episode, in der Piso bei der Rettung seines Bruders ums Leben kommt. Dieser stürzt sich danach auf die Feinde und findet ebenfalls den Tod. Dieser Abschnitt verdient besondere Aufmerksamkeit, da gallische Personen ansonsten nur zur Demonstration ihrer Schlechtigkeit oder zur Aufwertung des Triumphes namentlich erwähnt werden. An dieser Stelle beeinflusst diese rührselige Szene den Leser wohl insofern, dass dieser nun eine

118 Vgl. Caes. Gall. 4,1-6.

36 feindselige Haltung gegenüber den Usipetern und Tenkterern einnimmt. Hierbei erweist sich die Inszenierung des Schicksals eines Individuums oft effektiver als die Nennung großer Todeszahlen. Es scheint, dass Caesar geschickt auf die nun folgende Handlung vorbereitet.119

In 4,13 senden die Germanen erneut Gesandte mit friedlicher Absicht zu Caesar, welche er daraufhin bei sich festhält. Als Rechtfertigung betont er ihre Treulosigkeit sowie ihre Verstellung und bringt sie mit dem vorangegangenen Angriff auf die römische Reiterei in Verbindung. Caesar empört sich darüber, dass die Gesandten ihn nur hingehalten hätten, damit sich ihr Heer in der Zwischenzeit versammeln könne; ein strategischer Schachzug, den aber auch er selbst in 1,7 gegenüber den Helvetiern angewandt hatte. Zudem erinnert man sich an die harte Bestrafung der Veneter, deren einzige Schuld das Zurückhalten römischer Gesandte darstellte. Auffällig ist außerdem, dass die germanischen Gesandten zwar zuvor klar als solche gekennzeichnet wurden, nun aber lediglich als „Germani frequentes“ (4,13,4) bezeichnet werden.120 Caesar begeht hier eine Völkerrechtsverletzung, welche auch in Rom nicht unbemerkt blieb. Nach der Nachricht von seinem Sieg wollten seine Parteigänger ein Dankfest veranstaltet sehen, woraufhin Cato der Jüngere vorschlug, dass man ihn doch den verratenen Germanen ausliefern solle, damit der schuldige Mann das Übel für das Verbrechen der Verletzung der Waffenruhe trage und nicht die Stadt121. Nach dieser Senatsdebatte wurde nach Sueton122 eine Gesandtschaft zur Untersuchung der Ereignisse in Gallien ausgeschickt, die jedoch anscheinend keine nennenswerten Ergebnisse lieferte.123

Während Caesar die Gesandten bei sich zurückhält, schickt er sein Heer gegen das germanische Lager aus. Dieses war aufgrund der Schnelligkeit des Angriffs und der Abwesenheit der Führer völlig unvorbereitet und in Panik. Der Widerstand ist deshalb eher schwach und die Frauen und Kinder fliehen. Diesen schickt Caesar die Reiterei hinterher und auf deren Geschrei hin bricht ein noch größeres Chaos aus. Explizit wird jedoch nicht erwähnt, dass auch die Frauen und Kinder getötet werden, sondern nur: „cum suos interfici

119 Vgl. Powell: Julius, S. 124f. 120 Vgl. Powell: Julius, S. 125f. 121 Siehe Plut. Caes. 22,3. 122 Siehe Suet. Caes. 24,3. 123 Vgl. Strasburger: Urteil, S. 24f.

37 viderent“ (4,15,1). Jene Germanen, die nicht von den Römern umgebracht werden, sterben im Fluss: „magno numero interfecto reliqui se in flumen praecipitaverunt atque ibi […] perierunt (4,15,2).124 Anscheinend erhalten die Soldaten entweder kein konkretes Zeichen zum Angriff oder dieses wird möglicherweise bewusst nicht genannt. Denn dadurch überträgt Caesar die Aufmerksamkeit und womöglich auch die Schuld auf seine wütenden Soldaten. Denn nicht nur, dass ein schutzloses Lager angegriffen wird, auch war es wohl keinesfalls notwendig, Frauen und Kinder zu töten. Obwohl dies nicht deutlich zu lesen ist, bleibt bei genauerer Betrachtung des Textes nur diese Option offen.125 Caesar liefert keine Opferzahlen, sondern sagt nur, dass die Zahl der Feinde 430.000 betragen hatte. Plutarch hingegen spricht an einer Stelle von 300.000 getöteten Germanen, an einer anderen Stelle jedoch von 400.000126, eine Zahl, die auch Appian127 nennt. Es wäre gut möglich, vorausgesetzt Caesar übertreibt hier nicht, dass schlichtweg alle Feinde, abgesehen von den Gesandten selbst, getötet wurden. In Caesars Darstellung findet sich auch ein Rechtfertigungselement, denn in 4,13 wird die Notwendigkeit zur schnellen Handlung betont, während es Wahnsinn wäre, noch länger abzuwarten; ein Gedankengang, der in Rom wohl gut nachvollziehbar sein musste. Allgemein zeigt sich Caesar in dieser Passage sehr defensiv, was möglicherweise von der Kritik aus Rom herrührt. An dieser Stelle mag man wohl auch an Ariovist denken, welcher in 1,44 droht, dass der Tod Caesars vielen Adligen willkommen wäre. Im Kontext dieses Gedankens lässt sich wohl das verräterische und feindselige Bild, das von den Usipietern und Tenkterern gezeichnet wird, erklären.128

Außerdem auffällig ist die Phrase „nostri ad unum omnes incolumes perpaucis vulneratis“ (4,15,3). Hier stellt sich die Frage, ob es tatsächlich möglich ist, dass in Anbetracht einer derartig großen Zahl getöteter Feinde kein einziger Römer gefallen ist. Entweder ist die Zahl der Feinde weit übertrieben, oder die Zahl der eigenen Verluste ist zu niedrig angegeben. Wahrscheinlich ist auch eine Kombination aus beiden. Wenn man von 80- 90.000 Wehrfähigen ausgeht, ist es wohl höchst unglaubwürdig, dass diese keinerlei Widerstand leisten, während sogar Frauen und Kinder umgebracht werden. Allgemein dürfte diese übertriebene Darstellung Caesars eher eine apologetische Funktion haben, um

124 Vgl. Caes. Gall. 4,14f. 125 Vgl. Riemer: Germanienpolitik, S. 32. 126 Siehe Plut. Caes. 22,3 und Cato min. 51,1. 127 Siehe App. Celt. 18,1. 128 Vgl. Powell: Julius, S. 126-128.

38 seine eigene Verfehlung durch die völlige Unversehrtheit seines Heeres geringer erscheinen zu lassen, während gleichzeitig der Sieg noch größer wirkt. Zumindest die Römer, die aufgrund des Erfolges urteilten, waren damit vermutlich zufriedengestellt.129 Zudem signalisiert Caesar durch diese Art der Darstellung, dass die Germanengefahr gebannt werden muss und er dazu imstande ist. Hier findet sich erneut ein Topos, der den Verlauf der Erzählung beeinflusst.130 Tatsächlich also scheint Caesar die Darstellung bewusst im Hinblick auf mögliche Vorwürfe seiner Gegner gestaltet zu haben, was sich vor allem auch in den Unstimmigkeiten der Erzählung zeigt. Schon zu Beginn der Episode stellt sich außerdem ein Zahlenproblem, da wohl kaum 800 germanische Reiter 5.000 römische angegriffen haben. Es liegt also nahe, dass der Bericht bewusst verfärbt wurde, um seinen Treuebruch und die Völkerrechtsverletzung zu rechtfertigen. Allgemein wurde Caesars Umgang mit den Usipetern und Tenkterern in Rom breit thematisiert und verurteilt.131 Obwohl Caesar schlussendlich dennoch ein Dankfest erhält, spaltete sein Vorgehen die Gemüter in Rom. Auch in der modernen Literatur wird seine Aktion ambivalent wahrgenommen, denn während sie oftmals als geplantes Massaker und Inbegriff eines Verbrechens gegen die Barbaren gesehen wird132, urteilen manche Autoren, Caesar hätte angemessen133 gehandelt.134

Nach diesem Gemetzel verbindet sich der übriggebliebene Teil der Usipeter und Tenkterer, der aufgrund von Abwesenheit verschont geblieben war, mit den Sugambrern. Der Nordsektor bleibt also dennoch eine unsichere Zone, denn Caesars brutales Durchgreifen hat die Konstellationen kaum verändert.135 Daher verwundert es nicht gerade, dass Caesars extrem brutales Vorgehen trotz durchdachter Darstellung kaum gelobt wurde. Im Grunde jagt er lediglich Flüchtlinge zurück, denn die Germanen waren ja eigentlich vertrieben worden, und bezeichnet dies als beendeten Krieg, um seine weiteren Aktionen

129 Vgl. Rauchenstein: Feldzug, S. 25f. 130 Vgl. Gerlinger: Schlachtenrhetorik, S. 111. 131 Vgl. Kraner und Dittenberger: Commentarii, S.26f. 132 Im Kommentar von Kraner und Dittenberger (S. 27) wird die Darstellung als unwahr bezeichnet und Caesars Sieg somit als wenig rühmlich. Siehe auch Lee, K. H.: Caesar's Encounter with the Usipetes and the Tencteri Greece and Rome 16/1, 1969, S. 100-103. Lee übt scharfe Kritik an Caesars Vorgehen und erkennt ebenso eine für ihn günstige Darstellung der Ereignisse. 133 Siehe Mommsen, T.: Römische Geschichte. 3. Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus, Berlin 1856, S. 254. Mommsen sieht das Vorgehen Caesars gerechtfertigt. 134 Vgl. Canfora: Caesar, S. 115f. 135 Vgl. Frank: Gallien, S. 16f.

39 rechtfertigen zu können.136 Er beschließt nun, den Rhein zu überschreiten, um weiter gegen die Germanen vorzugehen.137 Er lässt eine Brücke bauen und begibt sich mit seinem Heer hinüber, zieht jedoch bald wieder zurück, wofür die tatsächlichen Gründe im Dunkeln liegen. Die erste Rheinüberschreitung war wohl ein Misserfolg, doch Caesar versucht sie dennoch als effektiv darzustellen.138

Caesars erste Britannienexpedition

Caesar beschließt nun eine Expedition nach Britannien, eine Insel, von der man in Rom kaum etwas wusste, zu unternehmen. Hier bot sich ihm jetzt die Gelegenheit, als erster Römer neues Territorium zu erforschen und zu unterwerfen, was zweifelsohne eine gewaltige Ruhmestat bedeutete. Dies und der daraus resultierende politische Nutzen stellen vermutlich den Hauptgrund für Caesars Wagnis dar, während ökonomische Interessen wohl nur zweitrangig waren, beziehungsweise als Argument für den Senat dienten. Dass Seekriegen immer größere Bedeutung zugemessen wurde, zeigt sich auch an dem beachtlichen Umfang, den die Beschreibung im Werk einnimmt. In Anbetracht dessen wird nachvollziehbar, warum Caesar eine derartig aufwendige und obendrein gefährliche Unternehmung auf sich nimmt.139

Gleich zu Beginn der Expedition legt Caesar in 4,20 dar, dass ein Krieg aufgrund der fortgeschrittenen Jahreszeit nicht möglich wäre. Abgesehen davon sollte der Feldzug, welcher aufgrund der feindseligen Britannier in einen Krieg ausartet, auch nur zur Erforschung des Landes dienen. Doch ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass die Erkundung des Landes den einzigen Beweggrund Caesars darstellte, vor allem, wenn man sein bisheriges Vorgehen bedenkt. Viel plausibler wäre, dass er die Bestrafung der Britannier für ihre Hilfeleistungen an die Gallier im Sinn hatte. Diese Intention zeigt sich bereits an dem enormen Kontingent für die Expedition, welches eher zu einem Krieg passt. Zudem konnte er kaum wahrhaftig glauben, dass die Britannier nicht versuchen würden, die Römer an einer Landung zu hindern. Indem Caesar zuvor jedoch britannische Gesandte,

136 Vgl. Riemer: Germanienpolitik, S. 33. 137 Vgl. Caes. Gall. 4,16. 138 Vgl. Kraner und Dittenberger: Commentarii, S. 319f. 139 Vgl. Schulz: Caesar, S. 293f. und 302.

40 deren Herkunft nicht gesichert ist, mit der Bereitschaft zur Unterwerfung auftreten lässt, stellt er diese verständliche Gegenwehr als Akt der Treuelosigkeit dar. All dies könnte reine Vorbereitung für mögliche Vorwürfe gegen Caesar sein, denn tatsächlich war die Expedition aufgrund mangelnder Vorbereitung sowie Vorschnelligkeit insgesamt ein Misserfolg. Denn während die erste versuchte Landung vollends fehlschlug, war die zweite mit enormen Schwierigkeiten und Verlusten verbunden. Die mangelnde Kenntnis Britanniens zeigt sich auch an der Unwissenheit über die dortigen Gegebenheiten, denn die Flotte Caesars wird durch plötzlich auftretende Springfluten gravierend beschädigt. Zwar müssen auch die Britannier eine Niederlage einstecken, doch im Grunde waren die Erfolge der Expedition äußerst gering und im Ganzen betrachtet kaum nennenswert. Viel eher geriet Caesar klar in große Bedrängnis, während die Feinde äußerst offensiv vorgingen und auch einige Römer töteten, wie die Kapitel 32ff. zeigen.140

Außerdem lohnt es sich, einen genauen Blick auf die Darstellung zu werfen, denn anscheinend erfährt Caesar durch eine gewaltige Staubwolke von dem Angriff auf das Lager. Hierbei ist es höchst zweifelhaft, ob dies überhaupt möglich ist. Viel wahrscheinlicher ist, dass Caesar hier seine eigene „providentia“ in den Mittelpunkt stellt, um von seiner Fehlplanung abzulenken. Denn tatsächlich hätte er im Wissen um die bevorstehende Springflut zumindest die Schiffe an Land ziehen müssen. Erneut versucht Caesar, durch das indirekte Lob seiner Fähigkeiten die Meinung des Lesers zu beeinflussen.141 Der geringe Nutzen der Unternehmung zeigt sich auch bei der Schilderung der Entscheidungsschlacht in 4,35. Caesar erwähnt nur die Tötung einiger Feinde: „complures ex iis occiderunt“ (4,35,3). Hier wird die Erzählung äußerst straff, denn dem Kampfgeschehen selbst werden nur sechs Zeilen eingeräumt. Zudem finden sich in der gesamten Darstellung der Expedition nach Britannien keinerlei Opferzahlen, weder römische noch feindliche, wodurch ein endgültiger römischer Sieg zweifelhaft wird.142

Nach diesen Ereignissen kehrt Caesar mit seinem Heer nach Gallien zurück. Als er an der dortigen Küste landet, umzingeln einige Moriner sein Heer. Tatsächlich war wohl nur ein Teil jener Moriner, welche zuvor mit den Römern Frieden geschlossen hatten, daran

140 Vgl. Richter: Caesar, S. 118-122. 141 Vgl. Gerlinger: Schlachtenrhetorik, S. 88f. 142 Vgl. Richter: Caesar, S. 123.

41 beteiligt und vermutlich geschah dieses Manöver ohne das Wissen der führenden Schicht, wobei der Text selbst ebendies nicht suggeriert. Aufgrund der Gegenwehr der römischen Soldaten vergrößert sich daraufhin die Anzahl der Feinde und es kommt zu einem langen unerbittlichen Gefecht. Dabei zeigt Caesars Heer erneut seine große Tapferkeit, indem es eine große Menge an feindlichen Soldaten tötet, während es bei den Römern selbst nur einige wenige Verwundete gibt: „interim nostri milites […] fortissime pugnaverunt et paucis vulneribus acceptis complures ex iis occiderunt“ (4,37,3f). Zudem kommen auch auf der Flucht viele Feinde ums Leben: „hostes […] terga verterunt magnusque eorum numerus est occisus“ (4,37,4).143 Auffällig ist bei dieser Darstellung, dass Caesars Truppen zahlenmäßig klar unterlegen sind und dennoch äußerst lange standhalten. Es scheint höchst unrealistisch, dass 300 Römer tatsächlich gegen 6.000 Moriner kämpfen, also gegen eine zwanzigfache Anzahl an Feinden. Wahrscheinlich ist, dass die Zahlenangabe lediglich als rhetorischer Begriff zu verstehen ist, der die Vielzahl der Feinde in den Mittelpunkt stellen soll.144 Nach dieser Schlacht zeigt Caesar sofort seine Schnelligkeit und lässt die Bestrafung für diesen Überfall folgen. Der Leser erfährt nur, dass die besiegten Moriner in die Hände des Labienus fallen. Obwohl man über die Strafe selbst nichts Näheres erfährt, ist anzunehmen, dass diese äußerst streng war. Die Legaten Quintus Titurius und Lucius Cotta gehen unterdessen gegen die Menapier vor, wobei dieses Unternehmen wohl nicht besonders erfolgreich war, da kaum etwas darüber berichtet wird. Am Ende des 4. Buches wird vom Senat ein zwanzigtägiges Dankfest zu Ehren Caesars veranstaltet. Dieses hat er wohl erstens der Erschließung zweier unbekannter Länder zu verdanken und zweitens seiner gelungenen Darbietung einer im Grunde erfolglosen Expedition.145

143 Vgl. Kraner und Dittenberger: Commentarii, S. 343f. 144 Vgl. Gerlinger: Schlachtenrhetorik, S. 154f. 145 Vgl. Kraner und Dittenberger: Commentarii, S. 344ff.

42

5. Buch

Die erfolgreiche Darstellung eines Misserfolges – Die zweite Britannienexpedition

Zu Beginn des 5. Buches, im Jahre 54 v. Chr., beginnen die Vorbereitungen für eine zweite Überfahrt nach Britannien, wofür Caesar einerseits neue Schiffe bauen und andererseits die alten reparieren lässt. Da er einen Aufstand während seiner Abwesenheit fürchtet, lässt er 4.000 gallische Reiter und außerdem die Oberhäupter der Stämme zu sich kommen, um sie als Geiseln mit sich zu führen. Unter diesen befindet sich auch Dumnorix, der bereits aus dem ersten Buch bekannt ist. Es folgt die zuvor schon beschriebene Sequenz146 seiner Hinrichtung. Daraufhin legt Caesar schließlich ab und landet nach einigen Schwierigkeiten ungefähr zu Mittag mit rund 800 Schiffen in Britannien. Dort erfährt er, dass die Feinde aus Furcht ihre Truppen verlegt hatten und beschließt, unverzüglich gegen diese vorzugehen. Indessen kommt es zu einem Gefecht, bei dem die römischen Soldaten die in die Wälder geflüchteten Feinde vertreiben können. Verluste werden keine genannt, sondern es wird nur erwähnt, dass es wenige römische Verwundete gab. Die Verfolgung der Feinde am darauffolgenden Tag muss abgebrochen werden, da Caesar von der starken Beschädigung seiner Flotte aufgrund eines Sturmes erfährt. Die Reparaturarbeiten und Vorkehrungsmaßnahmen nehmen etwa zehn Tage in Anspruch.147 Es entpuppt sich offensichtlich als Fehler, dass die Schiffe aus Zeitmangel nicht an Land gezogen wurden. Caesar verzichtete also auf wichtige Vorbereitungen, die ihn nun zwingen seinen Plan zu ändern und den Feinden die Chance zu geben, sich zu organisieren. Seine eigene Unvorsichtigkeit hindert ihn nun nicht nur daran, an den Sieg vom Vortag anzuknüpfen, sondern kostet auch enorm wichtige Zeit. Denn unterdessen hatten sich die Britannier zusammengeschlossen und den Oberbefehl Cassivellaunus übertragen.148 Anschließend folgt ein Exkurs über die Sitten und Bräuche der Bewohner Britanniens, der die Männer der Insel klar als besonders kriegslustig erscheinen lässt. Besonders auffällig ist hierbei außerdem die Schilderung einer blauen Kriegsbemalung sowie der äußerst unzivilisierten

146 Siehe Kapitel „Tod des Dumnorix“, oben S. 20. 147 Vgl. Caes. Gall. 5,1-11. 148 Vgl. Holmes: Britain, S. 338f.

43 Promiskuität. Für einen römischen Leser dürften diese Informationen wohl unglaublich empörend gewesen sein.149

Sobald die Schiffe an Land sind, marschiert Caesar erneut gegen die Feinde und lässt währenddessen dieselben Einheiten wie zuvor als Schutz zurück. Dabei kommt es zu einem Gefecht zwischen der gallischen Reiterei und den Feinden, bei dem es Verluste auf beiden Seiten gibt: „sed compluribus interfectis cupidius insecuti nonnullos ex suis amiserunt“ (5,15,2). Kurz darauf werden außerdem die mit der Lagerbefestigung beschäftigten Soldaten angegriffen. Zwar schickt Caesar zwei Kohorten zur Hilfe, dennoch aber stellt sich die Frage, warum er nicht im Wissen um die Stärke des Feindes bereits im Vorfeld bedeutendere Schutzmaßnahmen traf. Die Feinde erringen im Laufe der Schlacht beträchtliche Erfolge und es gelingt ihnen, sich unverletzt von der Front zurückzuziehen. Erst nach dem Eintreffen weiterer Kohorten konnten diese zurückgeschlagen werden. Der Leser erfährt vom Tod eines Militärtribuns namens Quintus Laberius Durus, der ansonsten an keiner Stelle im Werk erwähnt wird: „eo die Q. Laberius Durus, tribunus militum, interficitur“ (5,15,5).150 Caesar sieht den Fehler in der Taktik, da er bemerkt, dass die römischen Soldaten nur schlecht auf die Kampfesart der Gegner reagieren können. Der Text lässt vermuten, dass die kämpfenden Legionen im Vorjahr nicht am Feldzug nach Britannien teilgenommen haben. Zudem liegt trotz keiner expliziten Erwähnung die Schlussfolgerung nahe, dass die Römer in dieser Schlacht wohl erhebliche Verluste erlitten haben.151

Doch am nächsten Tag bietet sich die Chance zum Gegenschlag, denn es gelingt den Römern, die Feinde zurückzuschlagen. Die Reiter verfolgen die Gegner daraufhin und töten eine große Anzahl: „magnoque eorum numero interfecto“ (5,17,4). So gelang den Römern also die Rache für den Vortag, während die Gegner selbst keine Gelegenheit zur Verteidigung hatten.152 Schlussendlich wird der Kampf jedoch durch einen anderen Umstand entschieden, nämlich durch den Verrat der Trinovanter, welcher Cassivellaunus

149 Vgl. Holzberg: Feldherr, S. 176. 150 Vgl. Holmes: Britain, S. 340. 151 Vgl. Kraner und Dittenberger: Commentarii, S. 35f. 152 Vgl. Holmes: Britain, S. 341.

44 enorm schwächte.153 Zu ihnen gehörte auch Mandubracius, der sich aus persönlichen Motiven Caesar angeschlossen hatte: „Mandubracius adulescens […] cuius pater Inianuvetitus in ea civitate regnum obtinuerat interfectusque erat a Cassivellauno, ipse fuga mortem vitaverat“ (5,20,1). Die Trinovanter wollten ebendiesen als Führer ihres Stammes und verbündeten sich daher mit Caesar gegen Cassivellaunus, woraufhin auch andere Völkerschaften nachfolgten.154 Doch Cassivellaunus gibt noch nicht auf, stattdessen ersucht er die vier Könige von Kent, ihre Truppen zusammenzuziehen und das römische Lager an der Küste anzugreifen, doch auch in dieser Schlacht gelingen den römischen Soldaten beträchtliche Erfolge und sie töten erneut eine große Anzahl der Feinde. Von den großen Verlusten und dem Abfall einiger Stämme veranlasst, sieht sich Cassivellaunus schließlich gezwungen, aufzugeben.155 Ob die Tribute, die Caesar erwähnt, tatsächlich jemals gezahlt wurden, ist nicht gesichert, durch ihre Erwähnung soll jedenfalls der Eindruck der vollständigen Unterwerfung ganz Britanniens geweckt werden.156 Caesar selbst beschließt unterdessen, nach Gallien zurückzukehren, da ihm durch Labienus die Nachricht von drohenden Aufständen in Gallien überbracht wurde. Daher verlässt er Anfang Herbst die Insel. Im Grunde brachten die zwei Expeditionen nach Britannien kaum nennenswerte Erfolge ein, dennoch aber wurden sie dank geschickter literarischer Gestaltung in Rom als großer Sieg angesehen. Caesar wollte sich mit der Erforschung ferner Länder vor allem Ruhm erwerben, was ihm auch tatsächlich geglückt sein dürfte.157

Der Widerstand Galliens

Im Vorfeld der Aufstände in Gallien gilt es zunächst nochmal einen Blick auf die vorhergegangenen Ereignisse zu werfen. Denn mit Sicherheit wirkte sich das Niedermetzeln der Usipeter und Tenkterer, bei dem selbst Frauen und Kinder nicht verschont wurden, auf die übrigen gallischen Stämme aus und auch Caesars hartes Vorgehen gegen die Veneter könnte hierbei eine Rolle spielen. Spätestens nach diesen Geschehnissen dürfte sich das Bild des harten aber gerechten Feldherrn beim gallischen Adel gewandelt haben. Tatsächlich nämlich hatte Caesar im Falle dieser beiden

153 Vgl. Canfora: Caesar, S. 117. 154 Vgl. Caes. Gall. 5,20f. 155 Vgl. Holmes: Britain, S. 348f. 156 Vgl. Kraner und Dittenberger, S. 50. 157 Vgl. Canfora: Caesar, S. 118.

45 Völkerschaften die Gründe für deren Auslöschung geradezu fingiert, weshalb er den Galliern wohl äußerst grausam erschienen sein muss. Sein brutales Vorgehen war im Grunde ungerechtfertigt und konnte nicht einfach hingenommen werden, wodurch schließlich auch eine endgültige Befriedung Galliens unmöglich wurde. Man wird hier fragen dürfen, ob Caesar dies alles bewusst in Kauf nahm oder ob er diese gravierenden Folgen nicht richtig abzuschätzen wusste. Die verschärfte Lage zeigt sich zudem bereits vor der Abfahrt nach Britannien, da Caesar aus Furcht vor einem Aufstand beinahe den gesamten gallischen Adel als Geiseln mit sich führt. In diesem Kontext steht auch die Tötung des Dumnorix, der aufgrund der unsicheren Situation keinesfalls auf dem Festland zurückbleiben durfte. Ein weiterer Grund, der die Lage noch zuspitzte, war außerdem der geringe Erfolg der Expedition, was sich auch an dem Überfall der Moriner zeigt. Auch diese wurden schließlich hart bestraft, was in Gallien natürlich nicht unbemerkt blieb. All diese Überlegungen sind zum Teil ausschlaggebend für die nun folgenden Vorfälle.158

In den folgenden Kapiteln berichtet Caesar von der Verteilung der römischen Legionen in die Winterlager, wobei sich schon am Beginn des Erzählkomplexes eine Art Entschuldigung für die nachfolgenden Ereignisse findet. So schreibt Caesar in 24,1, dass er aufgrund der knappen Getreideernte in Gallien gezwungen war, seine Truppen legionsweise auf mehrere gallische Stämme aufzuteilen. Obwohl er an dieser Stelle von einer einmaligen Maßnahme spricht, hat er dies schon vorher praktiziert: „coactus est aliter ac superioribus annis exercitum in hibernis conlocare legionesque in plures civitates distribuere“ (5,24,1). Des Weiteren wird bei der Verteilung eine erst kürzlich ausgehobene Legion, nämlich die 14. erwähnt, was im Wissen um die bald folgenden Geschehnisse bereits am Anfang der Darstellung deren Unerfahrenheit demonstrieren soll. Eine andere recht junge Legion wird außerdem in ein angeblich besonders friedliches und ruhiges Gebiet geschickt, doch auch dieses Detail könnte schon im Vorfeld spätere Vorwürfe entschuldigen.159 Die nachstehende Schilderung ist zudem als Erzählkomplex mit drei Teilen angelegt, welche in eine indirekte Rede Caesars im Kapitel 52 münden. Hinzu kommt, dass die unterschiedlichen Episoden durch Bezüge miteinander verbunden sind, denn im Laufe der Erläuterung wird die Parallelität der Ereignisse aufgezeigt. Besonders

158 Vgl. Schulte-Holtey: Untersuchungen, S. 204-209. 159 Vgl. Kraner und Dittenberger: Commentarii: S. 53-57.

46 auffällig sind außerdem Elemente aus der Geschichtsschreibung, die dem Leser im Laufe der Erzählung begegnen.160

Der Widerstand der Gallier vollzieht sich in einigen Etappen und die Ermordung des Römerfreundes Tasgetius durch die Karnuten zeigt die erste Phase an: „inimici multis palam ex civitate et iis auctoribus eum interfecerunt“ (5,25,3). Als nächstes folgt der Abfall der Eburonen unter der Frührung des Ambiorix.161 Da sie in einem Gefecht zurückgeschlagen werden können, kommt es zu einer Unterredung, die Caesar als indirekte Rede widergibt. Ambiorix wird hierbei als rhetorisch begabter und politisch fähiger Mann charakterisiert. Die Trugrede ist klar ein Element aus der Historiographie, mit dem Caesar neben schriftstellerischen Absichten vermutlich seine Legaten rechtfertigt, da diese Ambiorix Glauben schenken und das Winterlager schließlich verlassen.162 Allgemein erscheint es als wesentlich, die Charakterisierung des Ambiorix gemeinsam mit jener seines Gegenspielers Quintus Titurius Sabinus zu verstehen, denn bereits hier findet sich ein Versuch der Erklärung für den späteren großen römischen Verlust. In diesem Sinne ist auch seine Hinterlistigkeit zu verstehen, welche in einer Rede repräsentiert wird, die sehr wahrscheinlich fiktiv ist. Interessant ist also die Darstellung barbarischer Perfidie als Vorbereitung der folgenden Katastrophe.163 Sabinus wird bereits bei seinem Auftritt im Kriegsrat als aufbrausend charakterisiert und seine Unbesonnenheit tritt besonders im Vergleich mit Lucius Aurunculeius Cotta zutage, der wiederum als äußerst besonnener Feldherr erscheint. Nicht nur die direkte Rede des Sabinus, sondern auch die „controversia“ innerhalb der Versammlung und die kontrastierende Charakterzeichnung der zwei Feldherren sind typische Elemente aus der Geschichtsschreibung.164

Die Truppen ziehen bei Tagesanbruch aus dem Winterlager ab und geraten in einen Hinterhalt der Feinde. Die Eburonen umzingeln die römischen Soldaten und zwingen diese auf äußerst unwegsamem Gelände zum Kampf.165 Sabinus reagiert bei diesem Angriff unüberlegt und wird aufgrund seiner mangelnden Vorbereitung als äußerst ängstlich

160 Vgl. Vgl. Gärtner: Beobachtungen, S. 113ff. 161 Vgl. Canfora: Caesar, S. 119. 162 Vgl. Gärtner: Beobachtungen, S. 116. 163 Vgl. Barlow: Gauls, S. 149f. 164 Vgl. Gärtner: Beobachtungen, S. 114f. 165 Vgl. Kraner und Dittenberger: Commentarii, S.76.

47 charakterisiert. Cotta erscheint dabei als klare Kontrastfigur, denn im Gegensatz zu seinem Kollegen hat er mit einem Überfall gerechnet und kann nun entsprechende Maßnahmen einleiten. Dennoch aber zeichnen sich auch die Feinde durch vorausschauendes Verhalten aus.166 Als eine große Anzahl von Feinden fällt, ändert Ambiorix bedacht seine Taktik und hat damit großen Erfolg. Im Laufe der sehr verlustreichen Schlacht werden einige namentlich genannte römische Soldaten verwundet oder getötet: „Tito Balventio, […] viro forti et magnae auctoritatis, utrumque femur tragula traicitur“ (5,35,6), „Quintus Lucanius, […] fortissime pugnans, dum circumvento filio subvenit, interficitur“ (5,35,7), „Lucius Cotta […] vulneratur“ (5,35,8), „Sabinus […] paulatim circumventus interficitur“ (5,37,1f.), „Lucius Cotta pugnans interficitur cum maxima parte militum“ (5,37,4) und „Lucius Petrosidius aquilifer […] fortissime pugnans occiditur“ (5,37,5). Am Ende der Kampfesschilderung steht zudem der Selbstmord verzweifelter Soldaten: „noctu ad unum omnes desperata salute se ipsi interficiunt“ (5,37,6).167 Nur wenige Übrige können entkommen und gelangen schließlich in das Winterlager des Labienus. Dieser Kampf, bei dem ganze 15 Kohorten fielen, war wohl der verlustreichste und bitterste im gesamten Krieg. Caesar selbst nennt hier keine Verlustzahlen.168 Die direkte Nennung ansonsten unbedeutender römischer Soldaten erinnert an den Tod des Piso Aquitanus. Auch hier kann man die Erwähnung dieser geradezu heldenhaften Todesopfer als schriftstellerischen Schachzug betrachten, den man ab dem 4. in jedem Buch des Werkes vorfindet.169 Allgemein zeigen diese Einzelnennungen auch, dass die Soldaten sehr wohl tapfer kämpften und sich im Grunde nichts zuschulden kommen ließen, ganz im Gegensatz zu Sabinus.170

Nach dieser Schlacht zeigt sich Ambiorix aufgrund seines Sieges höchst übermütig, was ebenfalls ein Element aus der Geschichtsschreibung darstellt.171 Er bricht sofort auf und stiftet andere Stämme zum Abfall an, nämlich die Atuatucer und die Nervier. Dabei legt er seinen großen Sieg in einer indirekten Rede dar und prahlt mit den enormen römischen Verlusten: „interfectos esse legatos duos magnamque partem exercitus interisse demonstrat“ (5,38,3). Durch seine Schnelligkeit und das Wissen um die sofortige Nutzung

166 Vgl. Gärtner: Beobachtungen, S. 114. 167 Vgl. Caes. Gall. 5,34-37. 168 Vgl. Kraner und Dittenberger: Commentarii, S. 86. 169 Vgl. Schlicher: Development, S. 223. 170 Vgl. Mutschler: Erzählstil, S. 167f. 171 Vgl. Gärtner: Beobachtungen, S. 115.

48 seines vorausgegangenen Erfolges zeigt er sich als nahezu ebenbürtiger Rivale Caesars. Sein Plan ist erfolgreich, und der Sturm auf das Lager des Quintus Tullius findet bald darauf statt. Auffallend sind hierbei die namentlichen Nennungen aller angreifenden Völkerschaften, da diese im Grunde eigentlich nur Teil der Nervier waren und somit keineswegs selbstständige Stämme. Da sie ansonsten an keiner Stelle genannt werden, liegt die Vermutung nahe, dass sie hier nur erwähnt werden, um dem Leser den Eindruck eines großen gefährlichen Zusammenschlusses zu vermitteln.172 Bei diesem Angriff fällt ein weiteres dramatisches Element auf, nämlich die Details in der Korrespondenz zwischen Caesar und Cicero. Diesen kommt außer der literarischen Gestaltung und Steigerung keinerlei sonstige Funktion zu.173 Nach einer Unterredung, bei der Cicero im Gegensatz zu Sabinus nicht von der List der Feinde getäuscht wird, finden in den Kapiteln 42 und 43 erneut Angriffe auf das Lager statt, doch den römischen Soldaten gelingt die Abwehr. Im Zuge dieses Gefechts erweisen sich die Soldaten als äußerst tapfer und ausdauernd: „ut eo die maximus numerus hostium vulneraretur atque interficerertur“ (5,43,5).174 Im folgenden Kapitel wird ein Wettstreit der zwei Centurionen Titus Pullo und Lucius Vorenus beschrieben. Die beiden stacheln sich gegenseitig an und kämpfen schließlich doch Seite an Seite, töten einige Feinde und retten sich am Ende sogar gegenseitig.175 Diese äußerst spannende und detailreiche Schilderung steht inmitten des dramatischen und weit ausgebauten Erzählkomplexes von Rettung durch Caesar.176

Denn erst in Kapitel 45 erfährt Caesar von den Kämpfen im Lager, da die Boten zuvor öffentlich und abscheulich hingerichtet wurden: „pars deprehensa in conspectu nostrorum militum cum cruciatu necabatur“ (5,45,1). Er greift daraufhin sofort ein und bewirkt einen Umschwung der Geschehnisse.177 Nach einigen kurzen Gefechten gelingt es Caesar, die Feinde in die Flucht zu schlagen. Hierauf berichtet er, dass er mit unversehrtem Heer bei Cicero ankam. Es scheint tatsächlich möglich, dass Caesar aufgrund seiner Taktik keine Verluste erleiden musste, wobei Opfer in den Hilfstruppen nicht offiziell gezählt werden. Falls nun diese die entscheidende Position im Kampf einnahmen, ist es wahrscheinlich, dass diese sehr wohl Verluste erlitten und Caesar diese lediglich nicht zu den Seinen

172 Vgl. Kraner und Dittenberger: Commentarii, S. 86-89. 173 Vgl. Gärtner: Beobachtungen, S. 117. 174 Vgl. Caes. Gall. 5,41ff. 175 Vgl. Caes. Gall. 5,44. 176 Vgl. Welch: Caesar, S. 96. 177 Vgl. Caes. Gall. 5,45.

49 zählte.178 In Kapitel 52 ermuntert er die Soldaten im Zuge einer Heeresversammlung, bei der klar wird, dass er die Schuld für diese Katastrophe bei Sabinus sieht. Dies ist die einzige Stelle im Werk, an der ein ranghoher Römer als alleiniger Schuldträger ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückt. Diese Darbietung wird in Anbetracht der Tatsache verständlich, dass Caesar sich an dieser Stelle für eine gewaltige Niederlage rechtfertigen muss. Wenn man davon ausgeht, dass Caesar keinerlei Mitschuld auf sich nehmen wollte, wirkt die Suche nach einer Art Sündenbock179 geradezu einleuchtend.180

Caesar lenkt erneut gekonnt von sich selbst ab, was auch durch Elemente der Geschichtsschreibung unterstützt wird.181 Im Grunde zeigt die Darstellung bereits von Beginn an, man denke hierbei nur an die einleitende Beschreibung der Aufteilung der Legionen in die Winterlager, apologetische Elemente. Caesar betont ausdrücklich, dass die Schuld bei Sabinus liegt, einem Mann, der bereits zuvor182 als ängstlich charakterisiert wurde. Außerdem dürfte dem Leser sehr wohl die Unabkömmlichkeit Caesars aufgefallen sein, da die Katastrophe erst eintritt, sobald die Legaten für sich agieren, während der Leser über den Aufenthaltsort Caesars nur mutmaßen kann. Erst am Ende der Darstellung, nämlich als die Meinung des Lesers über die Geschehnisse bereits geprägt ist, tritt Caesar erneut auf die Bühne. Dadurch wird erst gar nicht an eine mögliche Kritik an seiner Person gedacht, denn die gesamte Erzählung ist zu Lasten des Sabinus angelegt, während alle anderen Verantwortlichen gerechtfertigt werden. Durch diese Anhäufung der Schuld wird diese klar lokalisiert, wodurch eine Infragestellung von Caesars Ordnung undenkbar wird.183 Seine Truppen bleiben geradezu heroisch, da der Fehler nur von einem einzigen Individuum ausging.184

Caesar beschließt nach diesen Ereignissen, den Winter beim Heer zu verbringen und führt seinen Bericht fort, was eine vollkommene Ausnahme darstellt. Als Grund hierfür nennt er die sich ausbreitenden Unruhen in Gallien. Vielleicht mag die Fortführung der

178 Vgl. Gerlinger: Schlachtenrhetorik, S. 338. 179 Im Kommentar von Kraner und Dittenberger S. 82ff. werden die Fehler des Sabinus aufgelistet. Seine Schuld wird jedoch nicht hinterfragt, sondern eher bestätigt. 180 Vgl. Welch: Caesar, S. 96. 181 Vgl. Gärtner: Beobachtungen, S. 114. 182 Siehe 3,17. 183 Vgl. Seel: Ambiorix, S. 308-315. 184 Vgl. Powell: Julius, S. 121.

50 Aufzeichnungen auch nützlich für Caesars Darstellung sein, da dieser Punkt wohl kein gelungenes Ende des fünften Buches dargestellt hätte.185 Nach der Botschaft von Caesars Sieg werden zumindest die geplanten Überfälle auf die Lager des Labienus und L. Roscius aufgegeben und Indutiomarus flüchtet mitsamt seinen Truppen. Dennoch aber gibt er seine Pläne nicht auf, sondern schart eine große Gruppe von Verbrechern um sich.186 Er versucht nun, auch andere gallische Völkerschaften zum Aufstand zu bewegen und ruft daher einen bewaffneten Landtag ein, auf dem er außerdem den Ansturm auf das Lager des Labienus verkündet. Auch die Nervier und Atuatucer treten als ernstzunehmende Feinde auf, obwohl diese doch angeblich im Jahre 57 v. Chr. beinahe völlig vernichtet wurden. Interessant ist außerdem folgendes Detail: „omnes puberes armati convenire coguntur; qui ex iis novissimus venit, in conspectu multitudinis omnibus cruciatibus adfectus necatur“ (5,56,2). An dieser Stelle wird nun also ein Einblick in die keltische Religion gegeben, zumindest wenn man annimmt, dass der zuletzt Erscheinende womöglich als verflucht galt und begleitet von einer Zeremonie hingerichtet wurde.187 Allgemein gilt es zu bemerken, dass Caesar romfeindliche Barbaren an manchen Stellen gekonnt als gesetzeslose Wilde darstellt, die es zu zivilisieren gilt. Ausnahmen erscheinen zugunsten des literarischen Gesamtbildes, wie zum Beispiel die Rede des Ambiorix zeigt. Diese Barbaren werden somit bewusst als Gefahr für Rom charakterisiert und der römische Leser wird sich an dieser Stelle wohl besonders an Catilina erinnern, der ebenso gerade die Schlechtesten für sich gewinnen kann.188

Im letzten Kapitel folgt die Schilderung des Angriffes auf das Lager des Labienus. Dieser setzt nun alles daran, Indutiomarus zu töten, was ihm schließlich auch gelingt: „deprehensus Indutiomarus interficitur caputque eius refertur in castra“ (5,58,6). Dieser Sieg bewirkt letztendlich eine Auflösung der Verschwörung, wodurch die Unruhen in Gallien abgeschwächt werden.189 Das fünfte Buch endet mit dem Erfolg des Labienus und dem geradezu schmachvollen Tod des Indutiomarus. 190 Damit verschwindet ein wichtiger Initiator des gallischen Widerstandes in einem schlecht durchdachten, von Größenwahn gezeichneten Angriff, was Caesar endlich die notwendige Zeit zur Vorbereitung seines

185 Vgl. Welch: Caesar, S. 96. 186 Vgl. Caes. Gall. 5,53ff. 187 Vgl. Kraner und Dittenberger: Commentarii, S. 124ff. 188 Vgl. Barlow: Gauls, S. 158. 189 Vgl. Caes. Gall. 5,58. 190 Vgl. Schulte-Holtey: Untersuchungen, S. 215.

51 Gegenschlages bietet.191 Doch ein langfristiger Frieden in Gallien scheint auch am Ende des 5. Buches unrealistisch, was sich bereits an Caesars Worten zeigt. Denn obwohl der Aufstand vorerst unterdrückt wurde, war der Widerstandseifer in Gallien keineswegs erloschen.192

191 Vgl. Schulte-Holtey: Untersuchungen, S. 233f. 192 Vgl. Kraner und Dittenberger: Commentarii, S. 129.

52

6. Buch

Zu Beginn des 6. Buches, also im Jahre 53 v. Chr., erfährt der Leser, dass Caesar den Winter in Gallien verbrachte, wodurch es fraglich wird, ob Gallien tatsächlich so ruhig war, wie es den Anschein macht. Vielmehr wäre es vorstellbar, dass die Gallier noch einen Versuch wagen wollten, womit auch Caesar offensichtlich rechnet. Außerdem war er durch die großen Verluste vom Vorjahr nicht nur gezwungen, neue Truppen auszuheben, sondern auch eine Legion von Pompeius auszuleihen.193 Somit betrug seine Truppenstärke nun ganze 10 Legionen, mit denen er glaubte, Gallien endlich befrieden zu können.194 Doch auch nach dem Tod ihres Anführers Indutiomarus versuchten die Treverer weiter, andere Völkerschaften aufzuwiegeln und einen Aufstand anzuzetteln, wobei sie auch Ambiorix für sich gewinnen konnten. Diese Vorgänge bringen Caesar erneut dazu, Krieg zu planen.195 Durch diesen Zusammenschluss der Stämme zeigt sich klar, dass der Widerstandswille der Gallier nicht gebrochen war, sondern womöglich vielmehr durch die Zerstörung des Mythos der unbesiegbaren Römer noch gestärkt wurde. Denn tatsächlich war es ihnen gelungen, dem römischen Heer beträchtliche Verluste zuzufügen, während sie selbst keine nennenswerten Opfer hinnehmen mussten. Der Verlust von 15 Kohorten hatte für Caesar zudem wohl auch psychologische Folgen, welche seine darauffolgende Rache unausweichlich machten.196

Caesar zwingt daraufhin die Nervier, die Senonen und auch die Carnuten zur Unterwerfung. Danach wendet er sich schließlich den Treverern und Ambiorix zu.197 Dieser war mit den Menapiern in Gastfreundschaft verbunden, weshalb sie ihm Schutz und Aufnahme schuldig waren, was Caesar dazu bringt, gegen sie vorzugehen. Unterdessen zieht Labienus mit einer Legion gegen die Treverer, die nach dem Eintreffen der germanischen Hilfe einen Angriff wagen wollen. Labienus erhält jedoch Kunde davon und

193 Vgl. Kraner und Dittenberger: Commentarii, S. 130f. 194 Vgl. Canfora: Caesar, S. 120. 195 Vgl. Caes. Gall. 6,2. 196 Vgl. Schulte-Holtey: Untersuchungen, S. 237f. 197 Vgl. Caes. Gall. 6,3ff.

53 zieht Nutzen daraus, indem er eine List plant, mit welcher es ihm gelingt, die Feinde zu einem Kampf auf ungünstigem Gelände zu bringen. Sein Plan geht auf und die römischen Soldaten töten eine große Anzahl der Feinde, während sie außerdem einige Gefangene machten. Der Stamm kapituliert daraufhin und der römerfreundliche Cingetorix übernimmt erneut dessen Führung.198 Die Unterstützung der Treverer durch germanische Stämme vom rechtsrheinischen Gebiet legitimiert in Caesars Augen eine zweite Überschreitung des Rheins. Des Weiteren versucht er, eine Flucht des Ambiorix in dieses Gebiet zu verhindern. Wie schon beim ersten Rheinübergang lässt er erneut eine Brücke errichten, setzt über und erfährt durch die Ubier, dass die Hilfstruppen an die Treverer von den Sueben gesandt wurden. Diese hätten nun ihr Heer zusammengezogen und würden die Ankunft des römischen Heeres erwarten.199

Der Gallier- und Germanenexkurs

Die Kapitel 11-28 beinhalten einen auffällig langen ethnographischen Exkurs über die Sitten und Bräuche der Gallier und Germanen, doch kann man sich an dieser Stelle fragen, ob ein „commentarius“ den richtigen Ort für derartige Beschreibungen bietet, da diese doch im Grunde Elemente der Historiographie sind. Allgemein scheint Caesar sie dennoch als erzählstrategisches Mittel einzusetzen, denn die großen Exkurse stehen inmitten von missglückten200 Unternehmungen. Caesars zweiter Rheinübergang muss bald wieder abgebrochen werden, doch zuvor wird noch eine bewusste Abschweifung eingeschoben. Ein ähnliches Vorgehen ist bei der Beschreibung der britannischen Sitten erkennbar, da auch diese Unternehmung nur wenige Erfolge einbrachte. Damit verfälscht Caesar zwar die Darstellung nicht, dennoch aber kann er das Hauptaugenmerk des Lesers insoweit ablenken, dass die vorhergehenden Ereignisse für diesen später nicht mehr präsent sind. Wenn man nun davon ausgeht, dass zum großen Plan Caesars auch die Unterwerfung Germaniens und Britanniens gehört hat, gilt es anzunehmen, dass die ethnographischen Exkurse im Grunde seinen Rückzug rechtfertigen sollen, indem sie die jeweiligen

198 Vgl. Kraner und Dittenberger: Commentarii, S. 138-145. 199 Vgl. Riemer: Germanienpolitik, S. 36f. 200 Siehe auch: Drumann, W. Geschichte Roms 3. In seinem Übergange von der republikanischen zur monarchischen Verfassung, oder Pompeius, Caesar, Cicero und ihre Zeitgenossen; nach Geschlechtern und mit genealogischen Tabellen, 1837, S. 330. Drumann sieht den Rheinübergang nicht als missglückt an, sondern glaubt, dass dieser genug zur Ehre beigetragen hat. Den eingeschobenen Exkurs erklärt er dennoch mit der Intention Caesars, Ankunft und Rückzug nicht unmittelbar nebeneinander stellen zu müssen.

54 betreffenden Völker als besonders große Gefahr darstellen. Der Bericht des Geschehens selbst wird eher straff gehalten, obwohl bereits die ausführlichen Vorbereitungen für einen großen Feldzug sprechen. Tatsächlich dienen die Exkurse dazu, eher mäßig erfolgreiche Aktionen in ein besseres Licht zu rücken. Auch an dieser Stelle hat der Leser nun womöglich ein Zusammenstoßen der Truppen erwartet, doch Caesar nimmt die Kampfkraft und Stärke der Germanen vorweg, indem er diese bereits im Exkurs thematisiert. Nach diesen angsteinflößenden Ausführungen war der antike Leser wohl eher erleichtert, dass eine Schlacht mit derartig barbarischen, wilden und grausamen Völkern doch ausblieb. Die Beschreibung verbreitet also Furcht und Schrecken und suggeriert dem Leser zusätzlich, wie gefährlich und unklug ein Kampf an dieser Stelle nun wäre. Die enorme Länge des Exkurses dient außerdem dazu, kleinere Details der Erzählung später leicht abwandeln zu können und erneut zum eigenen Vorteil zu nutzen.201 Dieser Exkurs weist in manchen Punkten Gemeinsamkeiten mit der Beschreibung der Sueben im 4. Buch202 auf, jedoch finden sich keinerlei Rückverweise darauf. Dennoch versucht Caesar mit offensichtlicher Sorgfalt Wortwiederholungen zu meiden und verwendet stattdessen nur ähnliche Phrasen, was in Anbetracht der Gattung sonst keineswegs seiner Arbeitsweise entspricht. Deshalb liegt nun die Frage nahe, ob hier absichtlich versucht wurde, einer Erinnerung an die voranstehenden Ausführungen über die Sueben entgegenzuwirken. Diese konnte er schlecht einfach herausnehmen, da die Gewohnheiten der Sueben sehr wohl bedeutend für die Erzählung sind, vor allem weil sie im Grunde die Verantwortlichen für Caesars folgenschweren Konflikt mit den Usipetern und Tenkterern sind.203

Der Exkurs bietet dem Leser dennoch einen bemerkenswerten Einblick in die gallischen Sitten und Bräuche sowie auch in das Thema Religion. Als besonders interessant erscheint die Passage über die Seelenwanderungslehre: „in primis hoc volunt persuadere, non interire animas, sed ab aliis post mortem transire ad alios, atque hoc maxime ad virtutem excitari putant metu mortis neglecto“ (6,14,5). Der Kern ihrer Lehre ist, dass die Seele nicht stirbt, sondern nach dem Tod in einen anderen Körper wandert. Außerdem sind sie

201 Vgl. Holzberg: Feldherr, S. 178 und 182-186. 202 Siehe 4,1,3-4,3,4. 203 Vgl. Norden: Germanenexkurs, S. 131-134.

55 aufgrund dessen besonders tapfer, da sie keine Angst mehr vor dem Tod haben.204 Diese Lehre ist auch Thema in einem Fragment von Diodor:

„Und sie haben auch die Gewohnheit, selbst im Verlauf des Mahles aus nächstbestem Anlaß in einen Wortwechsel zu geraten und sich gegenseitig zu einem Einzelkampf herauszufordern, wobei sie den eigenen Tod für nichts achten. Denn bei ihnen herrscht die Ansicht des Pythagoras vor, daß die Menschenseelen nun einmal unsterblich sind und nach einer bestimmten Zahl von Jahren wieder aufleben, wobei die Seele in einen anderen Körper eintritt.“ (Diod. 5,28,5f. übers. von O. Veh)

Diodor zitiert hier wahrscheinlich Poseidonios und erkennt klar einen Zusammenhang mit der Lehre des Pythagoras. Fraglich ist, ob Caesar ebendiese Parallele schlichtweg nicht bemerkt oder ob er sie in diesem Kontext lediglich für unbedeutend hält. Womöglich wollte er auch eine bloße Wiederholung des Poseidonios vermeiden, wobei auch er eine gewisse Todesverachtung beschreibt.205 Allgemein wurde in der Forschung lange Zeit diskutiert, ob Caesars Darstellungen von eigenen Beobachtungen herrühren, oder ob er lediglich Poseidonios206 als Quelle heranzog. Dementsprechend wurde auch die Glaubwürdigkeit der Ausführungen diskutiert sowie der tatsächliche Quellenwert in Bezug auf die gallische Religion. In der jüngeren Forschung kam man jedoch vermehrt zur Auffassung, dass Caesar die Kenntnisse des Poseidonios207 mit seinen eigenen ergänzte.208 Caesar erwähnt in 6,18 einen gewissen „Dis pater“, von dem die Gallier abzustammen glauben. Dieser ist der römische Totengott, jedoch wird nicht klar, auf welchen keltischen Gott hier verwiesen wird. Der Gott des Todes erscheint jedoch eher als zeugender Vater, da ja auch der Tod nicht das Ende darstellt, sondern eben den Anfang eines neuen Lebens. Diese Vorstellung ergibt sich aus der Lehre der Seelenwanderung. Das Thema Tod in der keltischen Religion mag etwas befremdlich sein, da der Umgang damit eher vertraut als

204 Vgl. Caes. Gall. 6,14. 205 Vgl. Hatzenbichler: Druiden, S. 43. 206 Diese Auffassung vertritt beispielsweise Klotz, der hierbei vor allem auf den Bericht über die Druiden verweist (Klotz: Caesarstudien, S. 120-128). 207 Einen ausführlichen Beitrag zu diesem Thema und wesentliche Argumente für die Position der neueren Forschung liefert Nash, D.: Reconstructing Poseidonios ̕ Celtic Ethnography: Some Considerations, in: Britannia 7, 1976, 111-126. 208 Vgl. Hofeneder: Religion, S. 189.

56 fremdartig wirkt. Der Tod scheint geradezu allgegenwärtig und keineswegs furchtbar zu sein, was auch die Vorstellung von einem relativ angenehmen Totenreich unterstreicht.209

Eine weitere bemerkenswerte Passage innerhalb des Exkurses über die Sitten und Bräuche der Gallier stellt jene über die Opferung von Menschen anstatt Tieren dar: „Natio est omnis Gallorum admodum dedita religionibus, atque ob eam causam, qui sunt adfecti gravioribus morbis quique in proeliis periculisque versantur, aut pro victimis homines immolant aut se immolaturos vovent, […] quod, pro vita hominis nisi hominis vita reddatur, non posse deorum immortalium numen placari arbitrantur“ (6,16,1ff.). Menschenopfer gelten als notwendig, da die Gallier glauben, dass die Götter nur besänftigt werden können, wenn man für ein Menschenleben jenes eines anderen gibt. Darüber hinaus werden dem Leser aber noch grausamere Praktiken vor Augen geführt: „alii immani magnitudine simulacra habent, quorum contexta viminibus membra vivis hominibus complent; quibus succensis circumventi flamma exanimantur homines. supplicia eorum qui in furto aut latrocinio aut aliqua noxia sint comprehensi, gratiora dis immortalibus esse arbitrantur. sed cum eius generis copia deficit, etiam ad innocentium supplicia descendunt“ (6,16,4f.). Die Gallier füllen also gewisse Vorrichtungen, die Caesar „simulacra“ nennt, mit lebendigen Menschen und zünden diese daraufhin an. Dabei präferieren sie zwar Räuber, Mörder oder andere Verbrecher, greifen jedoch auch auf Unschuldige zurück, falls erstere Gruppe nicht vorhanden ist.210 Das Verbum „immolare“, das aus der Sakralsprache stammt, verwendet Caesar nur zweimal im gesamten Werk und beide Stellen finden sich innerhalb des Exkurses. Abgesehen von der oben zitierten Verwendung steht es noch in Kapitel 17 bei der Opferung von Tieren an Mars.211 Interessant ist hierbei auch, dass aus dem Text klar hervorgeht, dass die Menschenopfer nur in Ausnahmefällen vorgenommen werden. Als Grund für diesen Brauch nennt Caesar einen gewissen Ausgleichsversuch. An dieser Stelle ist der Sinn und Zweck der Beschreibungen äußerst unklar, da nicht eindeutig ist, welches Bild Caesar nun von den Galliern vermitteln will. Was die Opferung der Menschen in den sogenannten „simulacra“ betrifft, lassen sich nur Vermutungen anstellen, da Caesar keine besonders aufschlussreichen Details nennt. Als grausamer Zusatz erscheint das Detail, dass in der Not

209 Vgl. Birkhan: Kelten, S. 549 und 843. 210 Vgl. Caes. Gall. 6,16. 211 Vgl. Opelt: Töten, S. 112.

57 auch Unschuldige geopfert wurden, jedoch ist es äußerst fragwürdig, ob dies einer Erfindung Caesars entspringt.212 Grundsätzlich war die Kunde von Menschenopfern213 in Gallien bereits vor Caesars Auftritt in diesen Ländereien in Rom vorhanden, jedoch ist unklar, ob diese tatsächlich häufig vorgenommen wurden. In Rom hielt sich dieses Gerücht dennoch hartnäckig, was auch mit propagandistischen Gründen zusammenhängt. Anhand des Textes lässt sich jedenfalls nicht erkennen, ob Caesar die Menschenopfer persönlich mitangesehen hat oder sich selbst lediglich auf Quellen bezieht. Denn auch hier findet sich eine auffällig ähnliche Beschreibung: 214

„Entsprechend ihrer wilden Wesensart lassen sie auch bei ihren Opfern eine fremdartig berührende Gottlosigkeit erkennen; sie halten nämlich ihre Verbrecher fünf Jahre lang in Gewahrsam und pfählen sie dann zu Ehren der Götter auf, wobei sie jene zugleich mit noch vielen anderen Erstlingsfrüchten als Geschenke darbringen und riesige Scheiterhaufen errichten. Ebenso verwenden sie auch die Gefangenen zu Opfern, um die Götter zu ehren. Einige von ihnen wiederum töten zusammen mit den Menschen auch die im Krieg erbeuteten Tiere oder übergeben sie den Flammen oder beseitigen sie auf eine andere rachsüchtige Art und Weise.“ (Diod. 5,32,6 übers. von O. Veh)

Ein Problem in der Archäologie stellt die Schwierigkeit dar, aufgrund der Überreste der Leiche die Todesursache zu bestimmen. Dennoch aber war die Propaganda der Römer wohl nicht erfunden, wie der aufschlussreiche Fund einer vermutlich rituell dreifach getöteten Moorleiche ungefähr aus dem 4. Jahrhundert v. Chr. beweist.215 Doch auch in diesem Fall ist nicht gesichert, ob tatsächlich ein Opfer vollzogen oder lediglich ein Verbrecher bestraft wurde. Eine weitere Schwierigkeit stellt die Objektivität der schriftlichen Quellen dar, da diese sekundär und womöglich verfärbt sind. Daher lassen sich keinerlei Rituale rekonstruieren und auch eine Interpretation dieser Opferhandlungen wurde bislang nicht erreicht.216 Auch die „simulacra“, die Caesar erwähnt, werfen in der

212 Vgl. Hofeneder: Religion, S. 201ff. 213 Der Kommentar von Kraner und Dittenberger (S.167) sieht die Praxis von Menschenopfern in Caesars Zeit aufgrund von Cic. Font. 31 als bewiesen an: „Quis enim ignorat eos usque ad hanc diem retinere illam imanem ac barbaram consuetudinem hominum immolandorum?“ Das hier vermittelte negative Keltenbild könnte sich jedoch auch durch den Barbarentopos begründen. 214 Vgl. Maier: Religion, S.110f. 215 Vgl. Maier: Religion, S.111f. 216 Vgl.: Hultgard in RGA: 2001, S. 533-546, s. v. Menschenopfer.

58 Forschung einige Fragen auf, da nicht genau nachvollziehbar ist, was damit gemeint ist. Derartige Statuen wurden jedenfalls niemals gefunden, weshalb es naheliegender wäre, dass Caesar die sogenannten „Menhire“ meint217, die jedoch bereits vor der gallischen Ansiedlung errichtet wurden.218 Diese sind von Menschenhand errichtete, monolithische, nichtfigürliche Steinmale, welche sich oft im Bereich von Grabanlagen finden und vermutlich in einen rituellen Kontext einzuordnen sind. Der tatsächliche Sinngehalt dieses Brauchtums gilt jedoch als ungesichert.219

Caesar geht zudem kurz auf das gallische Familienrecht220 ein und beschreibt, dass die Männer die Gewalt über das Leben ihrer Frauen und Kinder haben: „vitae necisque habent potestatem“ (6,19,3). Das bedeutet jedoch nicht, dass das Oberhaupt der Familie tatsächlich grundlos morden durfte, sondern eher, dass dies als Strafe bei einem auch gesetzlich mit dem Tod geahndeten Vergehen der Fall war. Dem Mann wurde somit zwar große Macht zuteil, doch wurde dieser durch das Rechtswesen stark eingeschränkt.221 In Kapitel 19 erfährt der Leser von einer weiteren barbarischen Maßnahme, nämlich vom Verbrennungstod als Bestrafung für möglicherweise schuldige Frauen. Dies ist der Fall, wenn der Tod des Familienoberhauptes Fragen aufwirft. Hierbei versammeln sich die Verwandten und befragen diese; wenn sie etwas herausfinden, werden die Frauen grausam gefoltert und verbrannt: „igni atque omnibus tormentis excruciatas interficiunt“ (6,19,3). Diese Passage wirft einige Fragen auf, da es sich tatsächlich um eherechtliche Witwentötung handeln könnte, falls diese Maßnahme öfter vollzogen wurde. Tatsächlich liefern die archäologischen Funde von mitbestatteten Frauen dieser Vermutung Zuspruch, doch wurden die gefundenen Leichen nicht verbrannt. Die Ausgrabungen zeigen außerdem, dass dieses Vorgehen eher bei adligen Personen praktiziert wurde, da reichliche Grabbeigaben gefunden wurden und die Häufigkeit keinesfalls der Masse entspricht. Grundsätzlich kann man sogar von einer gewissen Freiwilligkeit der Frau ausgehen, die Caesar aber in Frage stellt.222

217 Diese Meinung vertritt auch der Kommentar von Kraner und Dittenberger. 218 Vgl. Holmes: Britain, S. 285. 219 Vgl. Müller in RGA: 2001, S. 529-533, s. v. Menhire. 220 Vgl. Caes. Gall. 6,19. 221 Vgl. Kraner und Dittenberger: Commentarii, S. 175. 222 Vgl. Maringer: Menschenopfer, S. 30-33.

59 Caesar berichtet außerdem von den gallischen Feuerbestattungen: „funera sunt pro cultu Gallorum magnifica et sumptuosa; omniaqu, quae vivis cordi fuisse arbitrantur in ignem inferunt, etiam animalia, ac paulo supra hanc memoriam servi et clientes, quos ab iis dilectos esse constabat, iustis funeribus confectis una cremabantur“ (6,19,4): Nach gallischem Brauch werden die Toten also mit vielerlei Beigaben, zu denen auch Tiere zählen, verbrannt. Bis vor kurzem wurden, laut Caesar, sogar Sklaven und Clienten mit auf den Scheiterhaufen geworfen. Wenn man davon ausgeht, dass diese lebendig verbrannt wurden, wäre „cremare“ hier also als Tötungswort verwendet.223 Allgemein gelten Caesars Beschreibungen über den gallischen Bestattungsritus als äußerst wertvoll, da sich in anderen antiken Quellen diesbezüglich leider nur wenig findet. Tatsächlich liefert Caesar hierfür das erste ertragreiche Zeugnis und erwähnt die übliche Form der Brandbestattung. Auch die Mitverbrennung von dem Toten liebgewonnenen Dingen und sogar Tieren entspricht wohl den Tatsachen, wie archäologische Funde aufzeigen. Beachtlich erscheint zudem die Erwähnung von der in der Zeit davor praktizierten Mitverbrennung von Sklaven und Clienten, da aus dem Text nicht klar hervorgeht, woher diese Information Caesars stammen könnte. Dennoch ist nicht von einer verfälschenden Darstellung auszugehen, da die Archäologie seine Aussagen sehr wohl bestätigen kann. Hierbei handelt es sich um die Praxis der „Totenfolge“, bei der bestimmte Personen dem Toten freiwillig oder unfreiwillig in den Tod folgen. Dieser Ritus ist allgemein bei der gallischen Oberschicht nachweisbar, doch fand er nur in äußerst seltenen Fällen seine Anwendung. Wenn Caesar die mitverbrannten Sklaven und Clienten erwähnt, scheint es sich um eine Art der Gefolgschaft zu handeln, welche den Stand des Verstorbenen auch in der anderen Welt repräsentieren soll.224

Im Anschluss an den ethnographischen Exkurs über die gallischen Sitten und Bräuche folgt eine Beschreibung der germanischen Lebensweise, bei der Caesar klare Unterschiede aufzeigt. Manche Gegebenheiten werden vermutlich auch falsch berichtet, wie zum Beispiel der geringe Wert der Opferhandlungen.225 Zudem ist ein enormer Fokus auf die Religion und eine äußerst vereinfachte Darstellung der germanischen Bräuche erkennbar. Aufgrund der mangelnden Parallelquellen ist es jedoch schwer feststellbar, ob auch bei der

223 Vgl. Opelt: Töten, S. 112. 224 Vgl. Hofeneder: Religion, S. 213f. 225 Vgl. Kraner und Dittenberger: Commentarii, S. 178f.

60 gallischen Religion Verzerrungen vorgenommen wurden.226 Durch die Hervorhebung ebendieser Ungleichheit der Völker scheint Caesar jedoch die Befriedung der Gallier beiläufig zu rechtfertigen, indem er diese als für eine Eroberung geeignet darstellt, während er die Germanen als untauglich charakterisiert. Diesen Effekt erreicht er, indem er letztere tatsächlich als extrem unkultiviert, isoliert und gewaltsam kennzeichnet. Auffällig ist außerdem die Länge der Darstellungen, denn während er der gallischen Sozialstruktur insgesamt zehn Kapitel widmet, nehmen die Erzählungen über die Germanen gerade einmal vier ein.227 Der Sinn und Zweck der Ausführungen bleibt in der Forschung dennoch ein strittiges Thema228, denn warum sollte Caesar die grausamen Menschenopfer erwähnen, wenn er doch eigentlich ein modernes Keltenbild vermitteln will.229 Als gesichert gilt, dass Caesar sich Mühe gibt, dem Leser ein einheitliches Bild von Gallien zu vermitteln, das durch die Rheingrenze in sich geschlossen ist. Während er dieses Gebiet in das römische Reich eingliedern will, grenzt er das transrhenanische Territorium klar aus.230 Der Exkurs endet mit einer Schilderung von in Rom unbekannten wilden Tieren, jedoch wurde die Echtheit dieser Passage in der Forschung231 oft diskutiert. Trotzdem scheint der Abschnitt in das Konzept der germanischen Rohheit zu passen, da der Wald und die Natur als Kontrast zur Zivilisation gesehen werden können. Zudem trägt Caesars Stilisierung des großen mysteriösen Waldes dazu bei, dem Leser nun am Ende schließlich den Eindruck zu vermitteln, dass ein Vorrücken des römischen Heeres unter diesen Bedingungen äußerst unklug wäre.232

Selbstmord des Catuvolcus

In Kapitel 29 kehrt Caesar wieder um und führt sein Heer über den Rhein, wobei er als Ursache die Angst vor einem Getreideengpass nennt. Dass dies jedoch nicht sein einziger Beweggrund war, liegt nahe, vor allem weil er schon vor dem langen Exkurs von der

226 Vgl. Hofeneder: Religion, S, 190. 227 Vgl. Schadee: Construction, S. 175. 228 Die verschiedenen Auffassungen dazu (vor allem Maier, B. gegen Pauli, L. und Glowatzki, G.) finden sich ebenfalls bei Hofeneder: Religion, S. 200. 229 Vgl. Hofeneder: Religion, S. 200. 230 Vgl. Seel: Ambiorix, S. 291. 231 Siehe Dobesch, G.: Zum Exkurs über den herzynischen Wald in Caesars Bellum Gallicum, 1985, in: ders., Ausgewählte Schriften, Band 1, Köln, 2001, S. 439–452. Dobesch bietet die Vertreter der beiden Richtungen und auch deren Argumente. 232 Vgl. Schadee: Construction, S. 178f.

61 Nahrungsmittelversorgung berichtet hat. Caesar beschließt nun, weiter gegen Ambiorix vorzugehen und schickt einen gewissen Lucius Minucius Basilus, dessen militärischer Rang unklar ist, mit der Reiterei voraus. Klar ist, dass der Tod des Ambiorix unabdingbar für den gallischen Frieden und daher Caesar ein persönliches Anliegen war. Doch der König der Eburonen kann dem Tod erneut entfliehen. Daraufhin zerstreuen sich die Feinde in verschiedene Richtungen, Catuvolcus aber, der neben Ambiorix Doppelkönig war, begeht Suizid: „Catuvolcus […] aetate iam confectus, cum laborem belli aut fugae ferre non posset, omnibus precibus detestatus Ambiorigem qui eius consillii auctor fuisset, taxo cuius magna in Gallia Germaniaque copia est, se exanimavit“ (6,31,5). Er tötet sich mit dem Gift der Europäischen Eibe, dessen Letalität auch Plinius der Ältere beschreibt: „mas noxio fructu, letale quippe bacis in Hispania praecipue venenum inest: vasa etiam viatoria ex ea vinis in Gallia facta mortifera fuisse compertum est“ (Plin. nat. 16,50).233 Die Europäische Eibe ist eine stark giftige, in der Tat auch tödliche Pflanze, jedoch weiß man heute, dass gerade die Beeren keine toxischen Verbindungen enthalten. Tatsächlich war das Gewächs auch wichtiger Bestandteil des Totenkultes und wurde häufig auch zum Mord, zum Beispiel als Pfeilgift oder Selbstmord, verwendet. Bereits ein Auszug aus fünfzig bis einhundert Nadeln kann für den Menschen tödlich sein, zudem weist das Gewächs wahrscheinlich eine psychoaktive Wirkung auf.234

Der Suizid des Catuvolcus verdient in vielerlei Hinsicht Beachtung, vor allem aber aufgrund der Todesart, jedoch beschreibt Caesar den genauen Ablauf des Selbstmordes nicht. Geradezu ironisch erscheint jedoch die Tatsache, dass die Eibe bei den Eburonen nicht nur als heiliger Baum gilt, sondern das Volk der Etymologie nach sogar „Eibenleute“ heißt.235 Eburonen leitet sich vom keltischen Wort „eburo“ ab, was übersetzt Eibe heißt.236 Bereits aufgrund dieser Hintergründe kann der Suizid durch das Gift gerade dieser Pflanze keinesfalls zufällig oder bedeutungslos sein. Die Passage lässt außerdem klar erkennen, dass Ambiorix als Urheber des Aufstandes charakterisiert wird. Dennoch ist es äußerst fraglich, ob die Verwünschungen, die Catuvolcus gegen ihn vorbringt, tatsächlich stattgefunden haben. Ob sein Freitod möglicherweise einen religiösen Hintergrund hatte

233 Vgl. Kraner und Dittenberger: Commentarii, S. 199-205. 234 Vgl. Alberts: Pflanzen, S. 228. 235 Vgl. Hofeneder: Religion, 216f. 236 Vgl. Pokorny: Namenkunde, S. 251.

62 beziehungsweise sogar eine Art Selbstopfer darstellte, geht aus dem Text leider ebenso wenig hervor.237

Verfolgung des Ambiorix

Caesar setzt daraufhin die Verfolgung des Ambiorix fort und lässt das schwere Gepäck sowie eine Legion im Castell unter Ciceros Führung zurück. Dort scheint auch eine Art Krankenversorgungstätte eingerichtet worden zu sein, da Caesar von einigen Verwundeten und bereits Genesenen spricht. Mit der Aussicht auf Beute ruft Caesar einige benachbarte Stämme dazu auf, die Eburonen auszuplündern, in der Hoffnung, ihren gesamten Stamm zu vernichten: „pro tali facinore stirps ac nomen civitatis tollatur“ (6,34,8).238 An dieser Stelle kann man sich fragen, worin denn ihr so großes Verbrechen bestand, außer in der Verteidigung ihrer Freiheit.239 Eine völlige Auslöschung ihres Stammes hat Caesar im Zuge seiner Rachefeldzüge wohl nicht erreicht, wobei eine komplette Zerschlagung schlussendlich durchaus stattfand. Der Name änderte sich jedoch tatsächlich, denn ein Teil des Stammes wurde von den Tungri und den Ubii aufgenommen.240 Als die Sugambrer, ein germanischer Stamm, Kunde von den Vorgängen im Gebiet der Eburonen erhalten, beschließen diese, ebenfalls Beute zu machen und ziehen nach einigen kleineren Plündereien nach Atuatuca. Cicero hatte unterdessen den Befehl Caesars missachtet und fünf Kohorten zur Getreidebeschaffung ausgesandt, woraufhin weitere Soldaten und Trossknechte folgten. Unglücklicherweise greifen die Germanen in ebendiesem Moment an und bringen das römische Lager in große Bedrängnis und die Soldaten ergreift eine große Furcht.241 Ein Mann tritt dabei jedoch tapfer ins Zentrum der Darstellung, nämlich Publius Sextius Baculus. Dieser verteidigt das Lager trotz Krankheit und akuten Nahrungsmangels heldenhaft und wird dabei schwer verwundet, doch kann er gerade noch gerettet werden. Von seinem späteren Schicksal erfährt der Leser jedoch nichts, denn er wird nicht mehr genannt. Daher bleibt es fraglich, ob er den Wunden dieses Kampfes schließlich erliegen musste.242

237 Vgl. Hofeneder: Religion, S. 217f. 238 Vgl. Caes. Gall. 6, 32-36. 239 Vgl. Kraner und Dittenberger: Commentarii, S. 211. 240 Vgl. Schön in DNP 3: 1997, Sp. 864, s. v. . 241 Vgl. Caes. Gall. 6, 35ff. 242 Vgl. Horn: Baculus, S. 182f.

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In Kapitel 40 berichtet Caesar von einem erneuten Angriff auf das Castell und legt ausführlich das Schlachtgeschehen dar, bei dem verschiedene Erfolge erkennbar sind. Denn während die alten Soldaten unversehrt die Feinde durchbrechen können, muss die unerfahrene Legion schwere Verluste beklagen: „centuriones […] fortissime pugnantes conciderunt“ (6,40,7).243 Es fallen also alle Centurionen der fünf Cohorten dieser Legion tapfer im Kampf. Auch die restlichen Soldaten müssen zum Teil große Opferzahlen verbuchen, da von den fünf Cohorten insgesamt zwei fallen: „militum pars […] incolumis in castra pervenit, pars a barbaris circumventa periit“ (6,40,8). Hierauf lassen die Germanen jedoch von ihrem Plan ab und das römische Heer bleibt bis zur Ankunft Caesars in Furcht zurück. Dieser nimmt die Vorfälle geradezu gelassen zur Kenntnis, wobei fraglich ist, ob er hier aus politischen Gründen handelt. Denn mit Sicherheit erscheint es sonderbar, dass die Handlungen Ciceros hier nicht mehr zur Sprache kommen. Möglich wäre, dass er lediglich Rücksicht auf Ciceros einflussreichen Bruder nimmt.244 Caesar scheint den Fehler Ciceros in der Tat beinahe zu entschuldigen, obwohl jener sich doch sogar Caesars Befehlen widersetzte. Caesar nimmt sich selbst gekonnt aus den Geschehnissen heraus, wodurch wiederum der Eindruck der Unverzichtbarkeit auf seine eigene Person entsteht.245 Zudem ist ein Fragment aus einem Brief an Marcus Tullius Cicero, den Bruder des Lagerkommandanten, erhalten, in dem Caesar das Verhalten Ciceros weit schärfer beurteilt.246 Die Schuld für den Tod scheint bei der Betrachtung der Darstellung also geradezu bei den unerfahrenen Soldaten selbst zu liegen, die sich durch größere Schnelligkeit retten hätten können, wie der andere Teil, der unversehrt in das Lager gekommen ist. Dieser Eindruck wird durch die Zweiteilung der Truppe, die Caesar trotz Abwesenheit vornimmt, noch verstärkt. Auch die Centurionen247 scheinen einen Teil der Verantwortung zu tragen, da sich diese schlussendlich geradezu heroisch aufopfern.248

Nach all diesen Ereignissen beschließt Caesar, erneut gegen Ambiorix zu ziehen und verwüstet einige Ländereien, während seinem eigentlichen Feind trotz großer Bemühungen

243 Vgl. Caes. Gall. 6,40. 244 Vgl. Kraner und Dittenberger: Commentarii, S. 227-230. 245 Vgl. Seel: Ambiorix, S. 316f. 246 Vgl. Adami: Caesarfragment, S. 281. 247 Erneut sei auf den Beitrag von Resch (Resch: centurionibus) verwiesen, da dort der große Verlust an Centurionen erklärt wird. 248 Vgl. Gerlinger: Schlachtenrhetorik, S. 227f.

64 wieder die Flucht gelingt. Es folgt das Eingeständnis des Verlustes zweier Cohorten und die unmittelbare Bestrafung des vermeintlich Schuldigen, denn er lässt den Urheber des Planes, Acco, hinrichten: „more maiorum supplicium sumpsit“ (6,44,2).249 Mit Acco wird also nach althergebrachter Sitte verfahren, was bedeutet, dass er grausam mit dem Beil enthauptet wird, nachdem er zuvor gefesselt, ausgezogen und gepeitscht wurde. Dieses Art der Tötung wird ebenso bei Opfertieren angewandt, was mit dem in Vorzeiten sakralen Hintergrund von Hinrichtungen zusammenhängt.250 Diese altrömische Hinrichtungsart beschreibt auch Hirtius im 8. Buch, ebenfalls als Maßnahme Caesars, der hier gegen seine Natur handle : „cogitur in eius supplicium contra suam naturam Caesar […] adeo ut verberibus exanimatum corpus securi feriretur“ (8,38,5).251 Das 6. Buch endet danach wie üblich mit der Verteilung der Legionen auf die Winterlager sowie mit dem Aufbruch Caesars nach Italien.252 Caesar gelang es also nicht, Ambiorix zu fassen, weshalb sich sein Rachefeldzug im Grunde als erfolglos erweist. Sein Verlangen nach Vergeltung schien so weit zu gehen, dass er auch bereit war, große Verluste in Kauf zu nehmen. Zudem wurden die Germanen gerade durch seinen Aufruf zur Plünderung dazu angetrieben, erneut nach Gallien zu ziehen. Die Hinrichtung des Acco wirkt vor diesem Hintergrund fast wie eine Substitutionsmaßnahme, da er sich des Ambiorix, seines eigentlichen Feindes, nicht bemächtigen konnte. Diese öffentliche Zurschaustellung seiner Macht war zweifelsohne gnadenlos, kaltblütig und für den Verurteilten zudem noch ungeheuer entwürdigend.253

Allgemein lässt sich außerdem sagen, dass das 6. Buch keine besonderen militärischen Erfolge darstellt und Caesar dennoch versucht, den Inhalt für den Leser spannend zu inszenieren. In diesem Kontext lässt sich neben den bereits oben erwähnten Gründen auch der ausführliche Exkurs verstehen. Des Weiteren kann man die äußerst dramatische Schlachtendarstellung ähnlich sehen, denn nur mit Elementen aus der Historiographie konnte Caesar dem Buch ohne bedeutungsvollen Inhalt dennoch Farbe verleihen. In diesem Sinne kann auch die Episode über Sextus Baculus verstanden werden, der heldenhaft hervortritt und das Lager rettet. Prinzipiell lässt sich auch die Tendenz erkennen, dass die altgedienten Soldaten sich durch große Tapferkeit auszeichnen,

249 Vgl. Caes. Gall. 6,43f. 250 Vgl. Mommsen: Strafrecht, S. 917f. 251 Vgl. Caes. Gall. 8,38. 252 Vgl. Caes. Gall. 6,44. 253 Vgl. Schulte-Holtey: Untersuchungen, S. 240ff.

65 während die unerfahrenen Männer durch ihre eigene Schuld untergehen. Auffällig ist zudem die große Bedeutung, die der „fortuna“ in diesem Abschnitt zukommt, gerade weil das römische Heer hier bedeutende Verluste einstecken musste. Damit wird dem Leser klar suggeriert, dass es Dinge im Krieg gibt, die nicht vorhersehbar sind, sondern rein zufällig geschehen. In dieses Konzept fügt Caesar sich selbst erst am Ende passend ein, der die Geschehnisse schließlich als gewissenhafter Feldherr meisterhaft lenken kann.254

254 Vgl. Richter: Caesar, S. 127ff. und 132ff.

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7. Buch

Caesar hält sich zu Beginn des 7. Buches, im Jahre 52 v. Chr., in Italien auf, da er Gallien für ruhig hält. Dort erfährt er vom Tod des Publius Clodius Pulcher: „de P. Clodii caede“ (7,1,1).255 Am 18. Jänner wurde dieser durch Milo auf der Via Appia ermordet, was zu enormen Unruhen in der Stadt führte.256 Dieses Ereignis wurde auch in Gallien schnell bekannt, dort kamen aber noch weitere Gerüchte hinzukamen. Dies trieb die Gallier, die schon vorher die römische Herrschaft nur schwer ertrugen, zu einem erneuten Aufstand an. Man darf jedoch nicht annehmen, dass eine derartige Erhebung erst zu diesem Zeitpunkt geplant wird, vielmehr nutzen die Gallier nun lediglich die günstige Gelegenheit, während die Idee an sich bereits viel länger bestand. Daher wird eine Versammlung einberufen, bei welcher außerdem der Tod des Acco beklagt wird, dessen Schicksal den Galliern als Warnung dient. Zudem stellen sie fest, dass es besser ist, in einer Schlacht zu sterben, als ihre Freiheit und ihren Kriegsruhm zu verlieren.257 An einem festgesetzten Termin beginnt nun die eigentliche Kriegshandlung, denn die Carnuten, die unter der Führung von Cotuatus und Conconnetodumnus stehen, töten römische Geschäftsleute und auch einen gewissen Gaius Fufius Cita in Cenabum,: „Carnutes […] civesque Romano, qui negotiandi causa ibi constiterant, in his Gaium Fufium Citam, honestum equitem Romanum […] interficiunt bonaque eorum diripiunt“ (7,3,1). Die Kunde des Vorfalls gelangt daraufhin unter anderem auch in das Gebiet der Averner und nun wird ein Mann namens Vercingetorix erwähnt.258

Damit betritt nun der große Gegenspieler Caesars die Bühne, der sogleich gekonnt charakterisiert wird. Der Leser erfährt, dass bereits sein Vater die Königsherrschaft anstrebte und von seinem eigenen Stamm ermordet wurde. Vercingetorix wird zunächst aus der Stadt vertrieben, lässt jedoch nicht von seinem Vorhaben ab, sondern kehrt zurück und wird von seinen Anhängern als König ausgerufen, bevor er schlussendlich den

255 Vgl. Caes. Gall. 7,1. 256 Vgl. Will in DNP 3: 1997, Sp. 37ff., s. v. C. Pulcher,P. 257 Vgl. Kraner und Dittenberger: Commentarii, S. 237ff. 258 Vgl. Caes. Gall. 7,3f.

67 Oberbefehl über mehrere gallische Stämme erhält. Hierbei ist signifikant, dass der Königstitel in Rom äußerst negativ konnotiert ist. Caesar liefert dem Leser ein eindrucksvolles Bild seines Gegners, der schnell agiert, aber vor nichts zurückschreckt, um seine Macht zu erhalten: „nam maiore commisso delicto igni atque omnibus tormentis necat, leviore de causa auribus desectis aut singulis effossis oculis domum remittit, ut sint reliquis documento et magnitudine poena perterreant alios“ (7,4,10). Zögernde hatten bei einem schweren Vergehen den Feuertod oder andere Foltern zu erwarten, während leichtere Übertretungen mit dem Entfernen eines Auges oder der Ohren geahndet wurden. Die Sinnesorgane wurden anschließend zur Abschreckung nach Hause geschickt. Trotz dieser Grausamkeiten erscheint Vercingetorix als mächtiger Gegner, was dem Leser auch bewusst bereits vor Beginn der eigentlichen Geschehnisse vor Augen gestellt wird. Caesar gelingt es mit großem schriftstellerischen Können, seinen Gegenspieler als kaltblütigen und keinesfalls ehrenhaften, aber doch fähigen und ernstzunehmenden Barbaren zu charakterisieren. Dieses Bild bleibt dem Leser sicherlich im Gedächtnis und ist daher bereits für den weiteren Verlauf der Handlung von Bedeutung, sowie schlussendlich auch für den entscheidenden Zweikampf.259 Caesar selbst bricht nach der Nachricht von der Vereinigung gallischer Stämme unter Vercingetorix nach Gallien auf, um die noch friedlichen Stämme zu beruhigen und gegen den Averner vorzugehen.260 Zunächst operiert er erfolgreich und ihm gelingt die Eroberung bedeutender Städte, was in gerade einmal zwei Kapiteln beschrieben wird.261 Caesar tritt als überlegener Feldherr auf, obwohl die Einnahme von Vellaunodunum, Cenabum und Noviodunum eher als Vorarbeiten zur Haupthandlung erscheinen, was sich auch an der Kürze der Darstellung zeigt. Die entscheidenden Ereignisse, die das 7. Buch ausmachen, finden erst in Avaricum, Gergovia und Alesia statt, was auch eine gewisse Gliederung der Handlung zeigt.262

259 Vgl. Will: Veni, S. 60-63. 260 Vgl. Caes. Gall. 7,6f. 261 Vgl. Caes. Gall. 11ff. 262 Vgl. Will: Veni, S. 64.

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Die drei entscheidenden Städte

Avaricum

Im Vorfeld der Episode über die Belagerung von Avaricum steht eine Änderung der Strategie des Vercingetorix. Dieser reagiert auf die Missstände der Römer und schneidet Caesars Heer von der Versorgung ab, indem er die Gallier ihre Dörfer anzünden lässt. Avaricum hingegen wird nicht in Brand gesteckt, da sich Vercingetorix von den Bitten der Bewohner erweichen lässt. Diese Maßnahme wird sich jedoch später als grober Fehler erweisen.263 Caesar kämpft unterdessen mit großen Schwierigkeiten in der Versorgung, da die zur Getreidebeschaffung ausgesandten Abteilungen sogleich unter großen Verlusten angegriffen werden: „magnoque incommodo adficiebat“ (7,16,3). Die Opfer dürften tatsächlich beträchtlich gewesen sein, da Caesar sie ansonsten wohl kaum derartig erwähnt hätte.264 Dieser Rückschlag tritt jedoch im nächsten Kapitel in den Hintergrund, wenn Caesar den enormen Eifer seiner Soldaten hervorhebt. Doch auch darauf folgt eine weniger erfolgreiche Aktion, als Caesar in der Abwesenheit des Vercingetorix einen plötzlichen Angriff auf das Lager der Gallier unternimmt, den er jedoch schließlich abbrechen muss.265 Auffällig ist bei dieser Darstellung die Schilderung, dass die Soldaten selbst ungeduldig einen Angriff starten wollen, während Caesar aus Rücksicht auf deren Leben zum Rückzug aufruft, da er seine Soldaten keinesfalls opfern will: „docet quanto detrimento et quot virorum fortium morte necesse sit constare victoriam“ (7,19,4). Geradezu barmherzig stellt Caesar das Leben seiner Soldaten über sein eigenes Wohlergehen, wobei man sich hierbei fragen kann, ob dieser humanitäre Faktor tatsächlich den Hauptgrund ausmachte oder ob es lediglich aufgrund der Unerreichbarkeit von Ersatz ratsam war, die Verluste möglichst gering zu halten. Dennoch aber kann festgehalten werden, dass Caesar besonders bei einem siegreichen Gefecht bemüht war, große Opfer unter den Seinen zu vermeiden, was durchaus auch als umsichtige militärische Strategie verstanden werden kann.266 Da das römische Heer derartig schnell an das Lager heranrücken konnte, glauben die Gallier nun aber an einen Verrat durch Vercingetorix. Dieser kann sich jedoch geschickt rechtfertigen,

263 Vgl. Gärtner: Beobachtungen, S. 72. 264 Vgl. Kraner und Dittenberger: Commentarii, S. 276. 265 Vgl. Gärtner: Beobachtungen, S. 72f. 266 Vgl. Armstrong: Art, S. 292.

69 doch spricht er in einer direkten Rede allzu siegessicher, wodurch das unglückliche Ende von Avaricum schließlich durch die tragische Darstellung bereits vorweggenommen wird. Dem Leser dürfte an dieser Stelle bereits klar sein, dass eine Schlacht folgen wird, zunächst werden aber noch zwei Kapitel der Belagerungstechnik gewidmet.267

In Kapitel 24 beginnt schließlich das eigentliche Gefecht, dessen Schilderung äußerst dramatisch wirkt. Im Laufe des Kampfes kommt es zu einem Umschwung, als die Feinde den Damm anzünden und einen Ausfall wagen, obwohl die Römer den Sieg beinahe schon erreicht hatten. Auch eine Einzelszene inmitten der heftigen und langwierigen Schlacht tritt sofort ins Zentrum der Aufmerksamkeit, da sie ein Exempel für die Tapferkeit der Gallier darstellt: „Gallus […] ab latere dextro traiectus exanimatusque concidit. hunc ex proximis unus iacentem transgressus eodem illo munere fungebatur. eadem ratione ictu scorpionis exanimato altero successit tertius et tertio quartus“ (7,25,2ff.) Ein Gallier nach dem anderen stirbt durch den Bolzen eines Skorpions.268 Ein „scorpio“ ist ein Torsions- Katapult, das Pfeile verschießt. Eine Konstruktionsbeschreibung findet sich bei Vitruvius, doch der Einsatz dieser Gerätschaften war bei den Legionen erst gegen Ende der römischen Republik allgemein gebräuchlich.269 Für gewöhnlich wird in der antiken Literatur eher von einer negativen Wirkung auf die Moral berichtet, da man gegen die enorme Wucht der Bolzen allgemein wehrlos war. In dieser Episode steigen nun aber die Gallier geradezu verbissen über ihre toten Kameraden und opfern sich ebenso. Dies erscheint bereits in physikalischer Hinsicht wenig glaubwürdig. Denn die Bolzen nageln den Abwehrenden geradezu fest, was sicherlich auch eine Behinderung für einen nachfolgenden Kämpfer darstellt, wenn dieser nicht ohnehin bereits gemeinsam mit dem Vordermann getroffen wird. Allgemein scheint Caesar durch diese Schilderung die Standhaftigkeit und Stärke der Gegner bewusst zu fokussieren und rückt deren enorme Tapferkeit in den Mittelpunkt des Geschehens.270

Nach dem Ende der Schlacht fassen die Gallier auf Befehl des Vercingetorix einen Fluchtplan, aber dieser wird den Römern durch die Frauen, die einen schrecklichen Tod

267 Vgl. Gärtner: Beobachtungen, S. 73f. 268 Vgl. Gärtner: Beobachtungen, S. 74. 269 Vgl. Baatz in DNP 6, 1999, Sp. 340-343, s. v. Katapult. 270 Vgl. Gerlinger: Schlachtenrhetorik, S. 152ff.

70 fürchten, verraten.271 An dieser Stelle gilt es zu bemerken, dass sich die Art der Darstellung in auffälliger Weise ändert, sobald Caesar die Aktionen nicht länger beherrscht. Denn besonders in jenen Episoden, in denen die Soldaten im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen, treten dramatische Motive auf. Zudem werden Elemente aus der Historiographie gerade bei erfolglosen Unternehmungen eingesetzt, während sie bei günstigen Ausgängen wieder weichen, was die folgenden Kapitel aufzeigen.272 Denn nun gelingt Caesar ein Überraschungsangriff, der in einem Blutbad endet. Er selbst nennt die Opferzahlen: „denique ex omni eo numero qui fuit circiter milium XL, vix DCCC qui primo clamore audito se ex oppido eiecerant, incolumes ad Vercingetorigem pervenerunt“ (7,28,5). Es kommen lediglich 800 von 40.000 Feinden am Ende unversehrt zu Vercingetorix. Des Weiteren erfährt der Leser, dass weder Greise und Frauen noch Kinder geschont werden. Der Grund hierfür soll angeblich in der Anspannung der Soldaten liegen: „et Cenabensi caede et labore operis incitati non aetate confectis, non mulieribus, non infantibus pepercerunt“ (7,28,4).273 Caesar scheint das Gemetzel, das er durch die Zahlangaben nicht verschweigt, damit zu rechtfertigen, wodurch er die Schuld erneut gekonnt von sich selbst ablenkt und auf seine Soldaten überträgt.274 In den nächsten Kapiteln erfährt der Leser von den gegnerischen Maßnahmen nach dieser Niederlage. Vercingetorix ruft eine Versammlung ein, in welcher er die Gallier weiter zum Krieg ermuntert. Dies gelingt ihm auch, da sich jener von Beginn an für ein Niederbrennen der Stadt ausgesprochen hat und damit auch richtiglag. Der Widerstand bricht trotz des Misserfolges nicht ab und die Gallier treffen erneut Vorkehrungen zur Fortsetzung des Krieges.275

Gergovia

Im Vorfeld der Belagerung von Gergovia gibt es Unruhen im Stamm der Haeduer, die von einem Streit um das oberste Amt herrühren. Caesar beschließt einzugreifen und setzt Convictolitavis als rechtmäßigen Herrscher ein. Daraufhin bricht er selbst mit sechs Legionen nach Gergovia auf und kann nach einigen Schwierigkeiten sowie einem kleinen

271 Vgl. Caes. Gall. 7, 26. 272 Vgl. Gärtner: Beobachtungen, S. 75f. 273 Vgl. Caes. Gall. 7, 27f. 274 Vgl. Kraner und Dittenberger: Commentarii, S. 305. 275 Vgl. Caes. Gall. 7, 29ff.

71 Reitergefecht eine Anhöhe vor der Stadt besetzen.276 Anschließend kommt es jedoch zu einer Peripetie der Handlung, die durch den Abfall der Haeduer ausgelöst wird. Überraschend ist hierbei, dass sich nun der von Caesar selbst eingesetzte Convictolitavis gegen ihn wendet und ebenso Litaviccus dazu anstiftet. Es folgt eine indirekte Rede des Convictolitavis, die an zwei Stellen durch eine direkte Rede des Litaviccus unterbrochen wird, die aber eine Trugrede darstellt. Auch Convictolitavis wird negativ skizziert, da er die empfangene Wohltat der Römer gering achtet, wodurch auch sein eigentlich positiver Freiheitsgedanke ungünstig wirkt.277 Beide gallische Persönlichkeiten geben im Grunde aber den Bericht falscher Zeugen wieder.278 Von Bedeutung ist zudem der Übergang zur direkten Rede, da dieser einsetzt, sobald es gilt, die Massen anzustacheln. Somit markiert dieser Wechsel auch einen entscheidenden Umschwung der Handlung, worauf zumeist ein wesentliches Ereignis folgt. Zudem lässt sich daraus die dramatische Stimmung erklären, da der Leser an dieser Stelle gepackt werden soll.279

Das Thema Tod spielt hier eine große Rolle, da Litaviccus sein Heer zunächst an die vergangenen Opfer erinnert: „omnis noster equitatus, omnis nobilitas interiit; principes civitatis Eporedorix et Viridomarus insimulati proditionis ab Romanis indicta causa interfecti sunt. haec ab his cognoscite, qui ex ipsa caede fugerunt; nam ego fratribus atque omnibus meis propinquis interfectis dolore prohibeor quae gestae sunt pronuntiare“ (7,38,2f). Litaviccus wiegelt sein Heer mit der Nachricht vom Tod der gesamten Reiterei und des Adels auf. Zudem sollen Eporedorix und Viridomarus ohne Gerichtsverfahren hingerichtet worden sein. Diese Dinge erfahre man von jenen, die dem Blutbad entkommen sind. Er selbst werde durch den Schmerz über den Tod seiner Brüder und Verwandten daran gehindert, die Geschehnisse vorzutragen. Auch im zweiten Teil der Rede stellt der Tod einen wesentlichen Faktor zur Überzeugung der Masse dar: „an dubitamus quin […] Romani iam ad nos interficiendos concurrant? proinde […] persequamur eorum mortem qui indignissime interierunt, atque hos latrones interficiamus“ (7,38,7f.). Litaviccus warnt die Haeduer, dass die Römer auch sie töten würden. Deshalb sollten sie den unwürdigen Tod ihrer Stammesgenossen rächen und die Räuber töten. Hier wird im Grunde der Tod als Instrument zur Aufwiegelung eingesetzt, da zunächst an die

276 Vgl. Caes. Gall. 7, 32-36. 277 Vgl. Gärtner: Beobachtungen, S. 81f. 278 Vgl. Mensching: Gallicum, S. 128. 279 Vgl. Rasmussen: Commentarii, S. 133f.

72 vergangenen Verluste erinnert und später Angst vor dem eigenen Tod erzeugt wird. Daraus folgt die Notwendigkeit zur Rache, die wiederum aus dem Tod der Römer besteht. Dass die Rede des Litaviccus bei seinen Soldaten den gewünschten Erfolg erzielt, zeigt sich bei der darauffolgenden grausamen Tötung römischer Bürger unter Folter: „cives Romanos […] crudeliter excruciatos interficit“ (7,38,8f).280

Der Bericht über den Tod zweier führender Männer trägt maßgeblich zum Abfall der Haeduer bei, doch stellt sich dieser Bericht später als falsch heraus. Denn bereits im nächsten Kapitel unterrichtet der todgesagte Eporedorix Caesar über die Pläne des Litaviccus, woraufhin Caesar sofort gegen die Haeduer zieht und ihnen die angeblich toten Anführer vorführt. Daraufhin ändert sich schließlich die Stimmung im Volk und die Haeduer kapitulieren, wobei Litaviccus mit seinen Clienten nach Gergovia entkommt.281 Mit den übrigen Stammesangehörigen verfährt Caesar sehr milde, obwohl das Kriegsrecht im Grunde eine Hinrichtung legitimieren würde: „quos iure belli interficere potuisset“ (7,41,1). Caesar selbst bricht nach Gergovia auf und erfährt auf dem Weg dorthin von einem erfolgreich abgewehrten Angriff auf das Lager des Gaius Fabius, bei dem viele römische Soldaten verwundet wurden.282 Bereits in Kapitel 40 finden sich apologetische Elemente, mit denen der Vorfall entschuldigt werden soll. Denn hier berichtet Caesar, dass die Zeit fehlte, um das für sechs Legionen ausgerichtete Lager zusammenzuziehen, weshalb er nach Abzug der vier Legionen nur insgesamt zwei zum Schutz zurücklassen konnte.283 Die ruhige Lage hält nur für kurze Zeit an, denn es kommt zu einem Aufstand im Land der Haeduer. Infolgedessen werden römische Bürger ausgeplündert, versklavt und getötet.284 Auffällig ist in dieser Beschreibung die Wendung „caedes facere“, da diese nur im 7. Buch vorkommt.285 Zudem wird der Militärtribun Marcus Aristius auf dem Marsch angegriffen und es gibt im Laufe eines heftigen und langwierigen Gefechts viele Opfer auf beiden Seiten: „multis utrimque interfectis“ (7,42,6). Erst aufgrund der Nachricht, dass

280 Vgl. Caes. Gall. 7, 38. 281 Vgl. Gärtner: Beobachtungen, S. 82. 282 Vgl. Caes. Gall. 7, 41. 283 Vgl. Kraner und Dittenberger: Commentarii, S. 336. 284 Vgl. Caes. Gall. 41. 285 Vgl. Opelt: Töten, S. 104.

73 Caesar, der weiterhin einen Aufstand fürchtet, die haeduischen Soldaten in seiner Gewalt hat, werden zu ihm Gesandte geschickt.286

Caesar will seine Unternehmung daraufhin abbrechen, doch dann tut sich offenbar eine günstige Gelegenheit auf. Er glaubt das feindliche Lager durch einen Sturm auf einen menschenleeren Teil der Befestigung einnehmen zu können, was zunächst auch zu gelingen scheint.287 Auffällig ist hierbei die äußerst detailreiche Schilderung der Geschehnisse. Nach dem ersten Erfolg lässt Caesar zum Rückzug blasen und sein Plan geht völlig auf. Doch dann erfolgt eine Peripetie, denn nur die 10. Legion hält an, während die anderen Legionen die Tuba nicht hören und sich außerdem nicht zurückhalten lassen. Sie stürmen bis vor die Stadt, was sich zunächst auch zu lohnen scheint. Etwas sonderbar wirkt hierbei eine Episode über verzweifelte flehende Frauen, welche zunächst die Römer beschwören, dann jedoch ihre eigenen Leute. Da dieses Detail für den eigentlichen Schlachtverlauf unerheblich ist, könnte es den Leser lediglich auf den folgenden Umbruch vorbereiten, denn die Feinde bringen die Römer nun in große Bedrängnis. Auffallend sind im Laufe des Gefechts vor allem zwei Einzelszenen: Zu Beginn erfährt der Leser vom Tod des Lucius Fabius und dessen Soldaten: „Lucius Fabius centurio quique una murum ascenderant circumventi atque interfecti de muro praecipitabantur“ (7,50,3). Dieses Detail scheint lediglich den vorhergegangenen Bericht zu vervollständigen, denn durch dessen Tod wird ebenso die Peripetie deutlich gemacht. Interessanter ist jedoch die zweite Einzelszene, denn nun wird der Untergang des Centurio Marcus Petronius, der vorher nicht erwähnt wurde, mit vielen Einzelheiten geschildert. Dieser setzt sich geradezu heroisch für seine Soldaten ein, wobei er aus seinem Schuldbewusstsein heraus handelt, da er sie selbst in Gefahr gebracht hatte. Es gelingt ihm, zwei Feinde zu töten, doch fällt er schließlich im Kampf: „ita pugnans post paulo concidit ac suis saluti fuit“ (7,50,6).288 Doch dies sind nicht die einzigen Verluste, die das römische Heer verzeichnen muss, denn in jener Schlacht fallen insgesamt 46 Centurionen und um die 700 Legionssoldaten: „sex et quadraginta centurionibus amissis“ (7,51,1) und „eo die milites paulo minus septingenti sunt desiderati“ (7,51,4). Das Gefecht mündet offensichtlich in einer gewaltigen Niederlage.289 Die vorhergegangene Einzelszene über den Untergang des Petronius wirkt

286 Vgl. Caes. Gall. 7, 42f. 287 Vgl. Gelzer: Caesar, S. 145. 288 Vgl. Gärtner: Beobachtungen, S. 84-86. 289 Vgl. Gelzer: Caesar, S. 145.

74 daher geradezu wie ein Beispiel aus der Vielzahl an getöteten Centurionen. Seine Heldentat soll auch die Gründe, welche Caesar später für den Misserfolg verantwortlich macht, betonen.290 Aufmerksamkeit verdient der äußerst schonende Ausdruck „desiderari“, der im gesamten Werk nur an dieser Stelle als Synonym für „sterben“ eingesetzt wird.291 Außerdem erscheint der Umstand ungewöhnlich, dass ungefähr ein Viertel der Centurionen292 fällt, während nur ein Fünfzehntel der gemeinen Soldaten ums Leben kommt.293 Von großem Interesse ist zudem die Rolle Caesars, da er sich erneut aus den Ereignissen herausnimmt und im Grunde wie ein Zuschauer wirkt. Darüber hinaus wird die Schilderung des Kampfgeschehens mit Elementen aus der Geschichtsschreibung unterstützt. Auch das Ende der Darstellung der Geschehnisse um Gergovia ist auffällig, denn am nächsten Tag hält Caesar eine Rede vor der Heeresversammlung, in der er die Unbeherrschtheit der Soldaten tadelt. Diese war schließlich ausschlaggebend für den unglücklichen Ausgang, was die Rede dem Leser klar suggeriert. Hier könnte sich Caesar in gewisser Weise für die großen Verluste entschuldigen, denn auch wenn die eigentliche Schuld bei den Soldaten selbst liegt, schreibt er ihnen dennoch Mut und Tapferkeit zu, wodurch auch diese gewissermaßen verteidigt werden.294

Diese These wird außerdem durch ein Detail am Beginn der Schlachtenbeschreibung gestützt: Der Nitiobrogenkönig Teutomatus wird halbnackt zur Flucht gezwungen. Da dieser Abschnitt im Grunde keinerlei Auswirkung auf das eigentliche Geschehen hat, gilt es anzunehmen, dass er lediglich die Schnelligkeit der römischen Soldaten hervorheben soll, um sie bereits am Beginn der Darstellung durchaus positiv zu charakterisieren. Ähnlich darf auch die Einzelszene über den Centurio Fabius verstanden werden, die sehr wohl tadelnde Elemente enthält. Denn sein Verhalten wird ohne Zweifel durch Gier angetrieben, was Caesar selbstverständlich nicht gutheißen kann. Doch auch Tapferkeit lässt sich in der Person des Fabius erkennen, wodurch er im Grunde die Eigenschaften des gesamten Heeres repräsentiert.295 Tatsächlich war der Misserfolg bei Gergovia in Anbetracht der schwerwiegenden Verluste eine ernstzunehmende Niederlage, die Caesar

290 Vgl. Rasmussen: Commentarii, S. 45. 291 Vgl. Opelt: Töten, S. 117f. 292 Der Kommentar von Kraner und Dittenberger weist daraufhin, dass der Wahrheitsgehalt dieser Passage oft angezweifelt wurde. Doch wird hier dagegen argumentiert, dass ein großer Verlust an Offizieren auch in anderen Kriegen zu beobachten ist. Siehe auch: Resch: centurionibus. 293 Vgl. Kraner und Dittenberger: Commentarii, S. 360. 294 Vgl. Gärtner: Beobachtungen, S. 86f. 295 Vgl. Mutschler: Erzählstil, S. 175ff.

75 nicht einfach unerwähnt lassen konnte. In diesem Kontext darf auch die Art der Darstellung verstanden werden, nämlich die gekonnte Inszenierung, die den Fehlschlag, der im Grunde von einer Fehleinschätzung Caesars herrührt, schlussendlich beinahe verschleiern kann.296

Obwohl das römische Heer an den folgenden zwei Tagen keinerlei Verluste verzeichnen muss, setzen die Haeduer ihren Abfall unter Litaviccus fort. Eporedorix und Viridomarus ziehen unterdessen zurück nach Hause, doch Caesar schenkt ihnen ebenso wenig Vertrauen. Sie erkennen in der Tat in Noviodunum eine günstige Gelegenheit und lassen die römischen Wachtposten und Händler umbringen: „caedes faciunt“ (7,42,3).297 Dies stellt die einzige Stelle im Werk dar, in der die Wendung aktiv gebraucht wird, während sie insgesamt dreimal im Passiv Verwendung findet.298 Daraufhin brennen sie die Stadt nieder, um den Römern die Nahrungsversorgung zu erschweren, aber Caesar kann dem entgegenwirken und gelangt schließlich in das Gebiet der Senonen.299

Hierauf folgt der Bericht der Ereignisse, die sich in der Zwischenzeit bei Labienus zutragen. Dieser bricht nach Lutecia auf, wird jedoch gezwungen, sich zurück zu ziehen. Es gelingt ihm schließlich, sich der Stadt Metlosedum zu bemächtigen, wonach er wieder gegen Lutecia vorrückt. Dann erfährt er von Caesars Misserfolg in Gergovia sowie vom Abfall der Haeduer. Aufgrund dieser Nachrichten rüsten nun außerdem die Bellovacer zum Krieg, worauf Labienus beschließt, seinen Plan zu ändern und nach Agedincum zurückzukehren. Durch eine kluge List gelingt es ihm, sein Heer über den Fluss zu setzen und es kommt zu einigen Gefechten.300 Doch Labienus bleibt Herr der Lage, was neben seiner bedachten Planung auch einem gewissen Kriegsglück zu verdanken ist. Es gelingt ihm, die Feinde der Reihe nach niederzumachen: „cum primi ordines hostium transfixi pilis concidissent“ (7,62,4), „circumventi omnes interfectique sunt“ (7,62,7) und „ab equitatu sunt interfecti“ (7,62,9). Labienus scheint hier in die Fußstapfen Caesars zu treten, da er die äußerst tapfer kämpfenden Gegner als kluger Feldherr besiegen kann. Interessant ist hier aber, dass bei dieser Schlachtenbeschreibung keinerlei Elemente aus der

296 Vgl. Will: Veni, S. 65. 297 Vgl. Gelzer: Caesar, S. 145. 298 Vgl. Opelt: Töten, S. 113. 299 Vgl. Gelzer: Caesar, S. 145. 300 Vgl. Caes. Gall. 57-62.

76 Geschichtsschreibung zu finden sind und auch die Stimmungsumschwünge fehlen. Die Szene scheint daher geradezu einen Kontrast zu der vorausgegangenen Niederlage Caesars zu bilden, da Labienus ganz und gar erfolgreich ist. Caesar könnte dem Leser hier eine Art Ausgleich bieten, was wiederum ein Mittel aus der Historiographie darstellt. Dennoch muss es aber verwunderlich erscheinen, dass Caesar sich im Grunde hinter Labienus stellt, da er dem Leser sonst doch seine eigenen Siege vor Augen stellt. Daher ist es kaum überraschend, dass Caesar in den folgenden Kapiteln erneut in seiner Rolle als großer Feldherr auftritt.301

Der Krieg weitet sich nun aufgrund des Haeduerabfalls jedoch aus und nur mehr wenige Stämme, die weiterhin ihre Treue zu Rom wahren, nehmen nicht am Aufstand teil. Es kommt zu einer Versammlung in Bibracte, bei welcher Vercingetorix einstimmig als Oberbefehlshaber eingesetzt wird. Dieser beschließt, sein ursprünglich geplantes Vorgehen, das römische Heer ohne offenen Kampf auszuhungern, fortzusetzen, wofür er in weiterer Folge Anordnungen trifft. Dennoch veranlasst er, dass sich die Haeduer und andere Völker zum Krieg rüsten und auch Caesar lässt 22 Cohorten zum Schutz ausheben. Zudem lässt Caesar Reiter aus Germanien kommen, da er keinen Truppenersatz beschaffen kann. Doch auch Vercingetorix gelingt es, ein großes Reiteraufgebot zu versammeln, weshalb er schließlich Caesars Heer auf dem Marsch angreift.302 Doch die römischen Soldaten, die einige Feinde töten und ihnen große Verluste zufügen, können die Gegner erfolgreich abwehren, was Caesar nur kurz vermerkt: „omnibus locis fit caedes“ (7,67,6).303 Erwähnenswert ist, dass diese Wendung allein im 7. Buch viermal Gebrauch findet und tatsächlich insgesamt dreimal im Passiv304 steht und die Römer stets die Handelnden sind.305 Vercingetorix muss schließlich einen gravierenden Misserfolg hinnehmen, der von der Treuelosigkeit seiner Reiter herrührt. Er sah sich anschließend gezwungen, mitsamt all seinen Truppen nach Alesia zu ziehen.306 Caesar nimmt die

301 Vgl. Gärtner: Beobachtungen, S. 89f. 302 Vgl. Gelzer: Caesar, S. 146f. 303 Vgl. Caes. Gall. 7, 67. 304 Der aktive Gebrauch wurde bereits bei 7,42,3 behandelt. 305 Vgl. Opelt: Töten, S. 112f. 306 Vgl. Gärtner: Beobachtungen, S. 91.

77 Verfolgung auf und es gelingt seinen Soldaten, ungefähr 3.000 Feinde aus der Nachhut zu töten.307

Alesia

Die Belagerung Alesias nimmt einen großen Teil der Erzählung ein und zu Beginn werden die Lage der Stadt sowie Details der Befestigungen dargestellt. Zunächst geraten die Soldaten in ein Reitergefecht, da die belagerten Gallier versuchen, die Römer bei ihren Arbeiten aufzuhalten. Es kommt zu einem großen Gemetzel, was Caesar erneut mit der auffälligen Phrase „fit magna caedes“ (7,70,5) beschreibt. Vor allem den von Caesar eingesetzten Germanen ist es zu verdanken, dass die Belagerten erfolglos bleiben, denn diese töten viele Feinde: „multis interfectis“ (7,70,7). Die Maßnahme Caesars, Germanen einzusetzen, scheint sich als kluger Schachzug herauszustellen, während Vercingetorix erneut von seinen Truppen enttäuscht wird und seine Reiter daraufhin ausschickt, um waffenfähige Männer herbeizuholen. Im Vorfeld dessen beschwört er sie jedoch, gewissenhaft vorzugehen, denn das Leben von 80.000 Männern hänge davon ab: „milia hominum delecta octoginta una secum interitura demonstrat“ (7,71,3). Auch das Motiv der Freiheit Galliens taucht innerhalb dieser Episode erneut auf, wodurch ein gewisses Maß an Spannung entsteht. In den folgenden zwei Kapiteln werden die Befestigungen der Römer äußerst detailreich beschrieben, durch die Caesar die römische Überlegenheit demonstrieren könnte.308 Im Laufe dieser Beschreibung werden dem Leser interessante Vorrichtungen vorgestellt, die neuartig zu sein scheinen. Zum Beispiel werden zugespitzte Baumstämme oder Äste in den Boden von Gräben eingelassen, in denen die Feinde steckenbleiben sollen. Diese benennen die Soldaten mit dem Wort „cippus“, was übersetzt Leichenstein bedeutet und durchaus mit etwas Ironie gedeutet werden kann. Auch der Ausdruck „lilium“ zur Bezeichnung von speziellen Fallen wurde vermutlich von den Soldaten erfunden, da diese Anlagen an einen Lilienkelch erinnerten. Es handelt sich hierbei um Gruben, aus denen Pfähle hervorragten. Zuletzt werden noch die ebenfalls von den Soldaten so bezeichneten „stimuli“ genannt, was zu Deutsch Ochsenstacheln bedeutet und in diesem Kontext eingegrabene Pflöcke mit Widerhaken bezeichnet.309 Nach dieser

307 Vgl. Caes. Gall. 7, 68. 308 Vgl. Gärtner: Beobachtungen, S. 91f. 309 Vgl. Kraner und Dittenberger: Commentarii, S. 411ff.

78 detaillierten Schilderung erfährt der Leser von einer Versammlung der gallischen Stammesfürsten, durch welche bekannt wird, dass eine enorme Menge an Feinden herangezogen wird. Diesen Eindruck unterstützt Caesar durch die Aufzählung von beinahe fünfzig Völkernamen. Zudem erscheint erneut das Motiv der Freiheit, doch werden wie schon zuvor310 die römischen Wohltaten geringgeschätzt. Außerdem fällt auf, dass die gallischen Truppen, die bereits siegessicher sind, später in ihrer Hoffnung getäuscht werden. Allgemein vermag die gesamte Darstellung auf den Erfolg vorzubereiten, den Caesar schließlich erlangen wird.311

Nach jenen Schilderungen folgt die letzte und mit Abstand längste direkte Rede im gesamten Werk: Jene des Averners Critognatus im belagerten Alesia. Diese verdient jedoch nicht nur aufgrund ihrer Länge Beachtung, sondern auch wegen ihrer Ausgestaltung, die eindeutig den Reden in der großen Historiographie gleicht und daher in der Forschung viel diskutiert wurde.312 Trotz ihrer Eigentümlichkeiten weist diese Rede gewisse Gemeinsamkeiten mit den anderen im Werk auf, da auch sie den Abschluss der Vorbereitungen markiert und zur mehrtägigen entscheidenden Schlacht überleitet, deren Schilderung immerhin 22 Kapitel einnimmt. Die Ausführlichkeit Caesars zeigt sich aber nicht nur bei den Worten des Critognatus, sondern überhaupt beim gesamten Ende des Werkes.313 Zweifellos muss diese Rede, die Caesar in einen realen Kontext einbettet, nicht als echtes Dokument, sondern vielmehr als literarische Fiktion verstanden werden.314 Die Eingeschlossenen in Alesia berufen eine Versammlung ein, da die Nahrungsmittel langsam knapp werden und die erwarteten Hilfstruppen noch nicht eingetroffen sind. Ein Teil der Gallier plädiert für eine Kapitulation, während der andere einen Ausfall wagen will. An dieser Stelle wird der Averner Critognatus in das Werk eingeführt, der aus einer vornehmen Familie stammt und als sehr einflussreich gilt. Dieser hält eine Rede, die nach Caesar aufgrund ihrer einzigartigen und ruchlosen Grausamkeit nicht übergangen werden darf. Critognatus wendet sich im Laufe seiner Rede gegen eine Kapitulation und auch gegen einen Ausfall, da er darin Verweichlichung sieht, denn man finde leichter Menschen, die bereit sind zu sterben, als solche, welche die Geduld haben, Schmerz zu

310 Auch Eporedorix setzte sich für die Freiheit Galliens ein, disqualifizierte sich jedoch durch die Missachtung der römischen Wohltaten. 311 Vgl. Gärtner: Beobachtungen, S. 92f. 312 Vgl. Rasmussen: Commentarii, S. 47. 313 Vgl. Rasmussen: Commentarii, S. 47. 314 Vgl. Richter: Caesar, S. 76.

79 ertragen: „qui se ultro morti offerant facilius reperiuntur quam qui dolorem patienter ferant“ (7,77,5). Außerdem erinnert er an die Verantwortung gegenüber den zu Hilfe gerufenen übrigen Stämmen, da diese nach einem Ausfall gezwungen wären, auf 80.000 Leichen zu kämpfen: „quid enim hominum milibus LXXX uno loco interfectis propinquis consanguineisque nostris animi fore existimatis, si paene in ipsis cadaveribus proelio decertare cogentur?“ (7,77,8). Der Vorschlag des Critognatus besteht deshalb darin, nach Sitte der Vorfahren im Krieg gegen die Kimbern und Teutonen zu handeln, die sich nicht ergaben, sondern mithilfe der Körper der Alten überlebten: „qui in oppida cumpulsi ac simili inopia subacti eorum corporibus, qui aetate ad bellum inutiles videbantur, vitam toleraverunt neque se hostibus tradiderunt“ (7,77,12).315

Critognatus will durch Kannibalismus überleben, jedoch stimmen ihm die restlichen Mitglieder der Versammlung weder zu, noch wird der Vorschlag später tatsächlich umgesetzt, weshalb diese äußerst lange direkte Rede für die Geschehnisse an sich im Grunde belanglos ist. Die Rede wirkt außerdem äußerst emotional, was auch die insgesamt sieben Fragesätze unterstützen. Die Worte des Critognatus, die sich stilistisch klar vom Rest des Werkes unterscheiden, stellen mit Sicherheit den Höhepunkt des 7. Buches dar.316 Auch ist Critognatus, dessen Name vermutlich nicht erfunden wurde, keinesfalls eine Hauptperson, sondern wird überhaupt nur an dieser Stelle im Werk erwähnt. Dennoch passt die Rede nicht zu ihrem Umfeld, den eingeschlossenen Barbaren, sondern richtet sich eher an gebildete Leser. Daher gilt es zu bemerken, dass diese Rede wohl eher die Fähigkeiten Caesars bestätigt, der nach Cicero tatsächlich ein talentierter Redner war. Dies lässt sich bereits am Aufbau erkennen, da dieser wohlüberlegt und bewusst gestaltet ist. Abgesehen davon lassen sich neben den rhetorischen Fragen bei genauerer Betrachtung noch weitere Stilmittel, wie beispielsweise Antithesen, finden. Dennoch fehlt schmückendes Vokabular und auch die Syntax erscheint eher schlicht, denn die Macht dieser Rede liegt allein in den im Vordergrund stehenden Begriffen und Aussagen.317 Aufmerksamkeit verdienen außerdem die antirömischen Aussagen, die Caesar Critognatus in den Mund legt, denn diese scheinen, auch wenn sie klar fiktiv sind, unwidersprochen stehen zu bleiben. Es mag hier wohl etwas verwundern, dass gerade ein führender Römer

315 Vgl. Caes. Gall. 7,77. 316 Vgl. Mensching: Bellum, S. 128ff. 317 Vgl. Richter: Caesar, S. 76ff.

80 einen Averner und somit einen Romgegner derartig harte Worte sprechen lässt.318 Aber dennoch wird Caesar nie selbst genannt und auch die Römer werden nur zweimal direkt angesprochen.319 Die Barbaren hingegen werden als äußerst grausam und zu allem bereit charakterisiert, was besonders der Vorschlag zum Kannibalismus zeigt. Die Gallier zeichnen sich durch ihre Entschlossenheit aus und dieser Umstand erschien den Römern mit Sicherheit gefährlich. Als äußerst auffällig zeigt sich in weiterer Folge auch die Erwähnung der Kimbern und Teutonen, da diese in Rom noch immer negativ konnotiert waren, wie bereits vorher erwähnt wurde. Critognatus erscheint nun aber gerade daher so schrecklich, weil er ebendiese große Gefahr herabwürdigt.320

Caesar lässt Critognatus zusammenfassend eine Rede vortragen, zu der ein Gallier rhetorisch wahrscheinlich nicht in der Lage gewesen wäre. Diese enthält zudem enorm pathetische Partien, welche jedoch auch ohne Sinnverlust fehlen könnten, und endet mit einem Affront gegen die Römer. Diese Beobachtungen legen nahe, dass Caesar hier einen bestimmten Eindruck erwecken wollte. Das eigentliche Thema der Rede ist die „servitus“, die dem Leser sowohl am Beginn als auch am Ende der Episode begegnet. Critognatus führt den Belagerten den Zustand der drohenden Knechtschaft vor Augen, der später auch eintreten wird. Doch die Knechtschaft war in Rom kein positiver Wert, selbst wenn ehemalige Feinde die Opfer sind, weshalb es doch verwunderlich ist, dass Caesar diese nun derartig ins Zentrum der Aufmerksamkeit stellt. Der Aufruf zum Kannibalismus mag den Redner mit Sicherheit als barbarisch charakterisieren, auch wenn er sich im Grunde lediglich für die Freiheit einsetzt, die nach diesem Krieg verloren sein wird. Hierbei stellt sich jedoch die Frage, ob Critognatus nicht als Stellvertreter für Vercingetorix agiert, der aber zu Beginn recht positiv skizziert wurde und daher nicht plötzlich derartig furchtbar auftreten kann. Die Rede des Critognatus ist hingegen von Unmenschlichkeit gekennzeichnet, wodurch die Vermutung naheliegt, dass er im Grunde nur die Verbissenheit der gegnerischen Seite darstellen soll. Diese These wird zudem dadurch unterstützt, dass der Redner sofort nach dieser Szene wieder verschwindet und auch sein Vorschlag nicht verwirklicht wird. Die kaltblütige Entschlossenheit bleibt dem Leser wohl im Gedächtnis. Prinzipiell wird durch diese Art der Inszenierung schließlich Caesars

318 Vgl. Seel: Römertum, S. 99. 319 Vgl. Mensching: Caesar, S. 129. 320 Vgl. Rasmussen: Commentarii, S. 48.

81 eigenes Ansehen erhöht, da er in der Lage ist, die erbarmungslosen Gallier zu bezwingen. Denn nun folgt die Entscheidungsschlacht, aus der Caesar siegreich hervorgehen wird.321 Die Rede vermittelt also nicht nur das Bild enorm gefährlicher Gegner, sondern suggeriert dem Leser auch Caesars Rechtsanspruch auf die Unterwerfung Galliens, die nun auch beschrieben wird.322

Nach der Rede des Critognatus werden die Alten und Schwachen aus der Stadt geschickt und sein Vorschlag zum Kannibalismus wird, wie bereits erwähnt, nicht in die Tat umgesetzt. Auch die Mandubier, unter denen sich auch Frauen und Kinder befinden, müssen Alesia verlassen. Diese bitten die römischen Soldaten daraufhin um Aufnahme in die Sklaverei, wobei Caesar diesem Gesuch nicht nachkommt. Der Leser erfährt hier jedoch nicht, was mit dieser Menschenmenge schlussendlich passiert.323 Cassius Dio hingegen berichtet, dass diese zwischen den Fronten elend den Tod fanden:

„[…] Caesar besaß selbst schon nicht genug Lebensmittel, um damit auch noch andere ernähren zu können; außerdem glaubte er, durch die Rückkehr der Vertriebenen die Lebensmittelnot den Feinden noch fühlbarer zu machen – er rechnete ja bestimmt damit, daß die Unglücklichen wieder Aufnahme fänden -, und jagte die ganze Masse zurück. Die Menschen aber fanden so, da keine Partei sie haben wollte, im Raum zwischen Stadt und Heerlager auf elendeste Weise den Tod.“ (Cass. Dio 40,40,3f. übers. von O. Veh)

Caesar konnte die Menschenmenge also weder aufnehmen noch durchlassen. Dieser Entschluss zeugt mit Sicherheit von Härte, wenn nicht sogar von Grausamkeit. Doch auch Vercingetorix lässt hier ein geradezu unmenschliches Verhalten erkennen, denn immerhin nimmt auch er die Fortgeschickten nicht wieder auf und lässt somit seine Landsleute verhungern.324 In Kapitel 80 kommt es zu ersten Gefechten und das eintreffende gallische Entsatzheer wird in einem Reitergefecht geschlagen. Erneut entscheiden die germanischen Reiter die Schlacht und vertreiben die Feinde, doch werden die Reiter daraufhin von

321 Vgl. Rasmussen: Commentarii, S. 50-54. 322 Vgl. Mutschler: Erzählstil, S. 192. 323 Vgl. Caes. Gall. 7,78. 324 Vgl. Kraner und Dittenberger: Commentarii, S. 424f.

82 Bogenschützen umringt und getötet: „quibus in fugam coniectis sagitarii circumventi interfectique sunt“ (7,80,7). Auch in den folgenden Kapiteln wird ein erneuter Kampf mit dem gallischen Entsatzheer beschrieben, bei dem es diesmal auf beiden Seiten zu vielen Verwundeten kommt. Schließlich erweisen sich jedoch die Vorrichtungen der Römer als hilfreich, denn die Gallier werden entweder von den Ochsenstacheln aufgespießt oder in den Gräben durchbohrt, während manche auch von Mauerspießen getroffen und getötet werden: „aut se ipsi stimulis inopinantes induebant aut in scrobes delati transfodiebantur aut ex vallo ac turribus traiecti pilis muralibus interibant“ (7,82,1). Die Feinde sind hierauf gezwungen sich zurückzuziehen, ehe die Belagerten in die Geschehnisse eingreifen können. An dieser Stelle gilt es, den Stil der Darstellung zu betrachten, der nun von Schlichtheit gekennzeichnet ist, die auch in den entscheidenden Kapiteln beibehalten wird. Diese sticht nach der literarisch ausgestalteten Rede des Critognatus besonders hervor, da dem Leser nun erneut die gewohnte Sachlichkeit begegnet.325

Die Feinde wagen nach den zwei Rückschlägen noch einen Angriff an verschiedenen Stellen, bei welchem sie die römischen Soldaten in große Bedrängnis bringen können.326 Es folgt detailliert der Ablauf der Schlacht, bei der Caesars Eingreifen erneut die entscheidenden Siege bringt und für den großen Umschwung sorgt. Die Erzählung nach der genauen Beschreibung des Schlachtgeschehens und dem römischen Sieg erscheint hingegen äußerst knapp. Diese Beobachtung wird auch durch die Tötungsbeschreibung der fliehenden Feinde unterstrichen, denn hier heißt es lediglich: „fit magna caedes“ (7,88,3).327 Dass der Kampf für die Gallier sehr verlustreich war, zeigt zudem folgender Satz: „pauci ex tanto numero incolumes se in castra recipiunt“ (7,88,4). Schließlich geben die Gallier an allen Schauplätzen auf und viele finden den Tod. Auch Vercingetorix ergibt sich schließlich, womit der Sieg Caesars vollendet wird: „Vercingetorix deditur“ (7,89,4). Während Caesar die Kapitulation seines Gegners nur knapp anmerkt, findet sich der genaue Ablauf dieser Szene sowie auch sein weiteres Schicksal bei Cassius Dio:

„Als nun Ruhe eingetreten war, blieb Vercingetorix stumm, fiel auf die Knie und flehte mit gefalteten Händen. Dies erfüllte in Erinnerung an sein einstiges Glück und angesichts des

325 Vgl. Mensching: Bellum, S. 129f. 326 Vgl. Caes. Gall. 7,83f. 327 Vgl. Rasmussen: Commentarii, S. 53f.

83 augenblicklichen Jammerbilds viele Zuschauer mit Mitleid, doch Caesar machte ihm gerade das zum Vorwurf, wodurch er sich vor allem Begnadigung erwartet hatte; denn indem er der einstigen Freundschaft die jüngste Feindschaft gegenüber stellte, erklärte er sein Verbrechen für noch schwerwiegender. So begnadigte er Vercingetorix nicht einmal in diesem Augenblick, sondern ließ ihn alsbald in Fesseln legen, späterhin zu seinem Triumph entsenden und dann töten.“ (Cass. Dio 40,41,2f übers. von O. Veh)

Im letzten Kapitel berichtet Caesar zunächst von den verschiedenen Maßnahmen nach seinem Sieg und der abschließende Satz des Werkes zeigt erneut seine großen Verdienste: „huius anni rebus litteris cognitis Romae dierum viginti supplicatio redditur“ (7,90,8).

84 Versuche einer Bilanz

„Caesar hat vor allen irgend etwas voraus: vor diesem das schwierige Gelände, in dem er kämpfen mußte, vor jenem die Größe des Landes, welches er eroberte, hier die Masse und Stärke der Feinde, über die er Sieger blieb, dort die ungewöhnlichen, treulosen Menschen, die er für sich einzunehmen wußte; den einen übertraf er durch seine Barmherzigkeit und Milde gegenüber den Unterworfenen, den andern durch die Geschenke und Wohltaten, womit er seine Mitkämpfer belohnte, alle durch die Zahl der Schlachten, die er geschlagen, und durch die Masse der getöteten Feinde. Denn im Gallischen Krieg, welcher kaum zehn Jahre dauerte, nahm Caesar über achthundert Städte im Sturm, unterjochte dreihundert Völkerschaften und schlug sich nach und nach mit drei Millionen Gegner, von denen eine Million den Tod im Kampfe fand, eine zweite in Gefangenschaft geriet.“ (Plut. Caes. 15 übers. von K. Ziegler und W. Wuhrmann)

In den fast zehn Jahren des gallischen Krieges kamen also ungefähr eine Million Feinde ums Leben. Dennoch lässt sich bei Plutarch großes Lob für Caesar erkennen, das sich besonders an seine Kriegstaten richtet.328 Die hier gelieferte Zahlangabe gilt als zweifelhaft, vor allem weil sich diese Opfer lediglich auf die Waffenfähigen beziehen, während die zivilen Verluste durchaus noch weit höher gewesen sein könnten, denn tatsächlich verhungerten oder erfroren auch viele Gallier im Laufe des Krieges. Außerdem ist es fraglich, wie diese Zahlen im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung stehen, da die Quellen hierzu divergieren. Eine Art Gesamtbilanz der Feldzüge Caesars wurde durch Schautafeln im Zuge der Triumphe geliefert. Diese beläuft sich auf 1.129.000 getötete Wehrfähige, was der ältere Plinius nicht gutheißt: „nam praeter civiles victorias undeciens centena et nonaginta duo milia hominum occisa proeliis ab eo non equidem in gloria posuerim, tantam etiamsi coactam humani generis iniuriam, quod ita esse confessus est ipse bellorum civilium stragem non prodendo“ (Plin. nat. 7,92). Interessant ist, dass der ältere Plinius Caesars Auslassungen bereits als gewisses Eingeständnis sieht. Allgemein bietet das Werk Caesars Verlustzahlen in der Tat eher selten, auch wenn es sich um feindliche Opfer handelt. Diese werden für üblich auf die Tausenderstelle gerundet. Genaue Angaben stellen die Ausnahme dar, denn meistens drückt sich Caesar nur äußert vage aus. Doch auch die vermeintlich konkreten Verlustzahlen sind oft fraglich, da sie

328 Vgl. Strasburger: Urteil, S. 10f.

85 womöglich zugunsten des späteren Erfolges stark übertrieben sind, was bereits vorher behandelt wurde.329

Tabellarische Darstellung der Verluste von Truppen und Einzelpersonen

Die folgende Tabelle soll dazu dienen, die Verluste im Kampf und allgemeine Todesfälle sowie auch das zu deren Beschreibung herangezogene Vokabular zu veranschaulichen. Allgemein stützen sich die Beobachtung bezüglich der Zahlen auf Richter, der in seinem Werk „Caesar als Darsteller seiner Taten“330 eine graphische Zusammenfassung bietet und auf Will, der in seinem Beitrag „Julius Caesar: eine Bilanz331“ ebenfalls die Verlustangaben gesammelt darstellt. Die Ausführungen bezüglich des verwendeten Vokabulars finden sich im Artikel „‘Töten‘ und ‚Sterben‘ in Caesars Sprache“ von Opelt. In der Tabelle sind lediglich tatsächliche Todesfälle und genannte Verlustzahlen während des Krieges verzeichnet, daher scheinen weder bereits vergangene, angedrohte und erfundene Opfer auf, noch jene, die im Zusammenhang mit Ritualen, zukünftigen Ereignissen oder dergleichen stehen.

Stelle Opfer Angaben feindlicher Angaben römischer Vokabular Verluste Verluste 1,4,3f. Orgetorix mori, sibi mortem consciscere 1,12,3 Helvetier magna pars concidere 1,15,2 römische Reiter pauci cadere 1,26,5 Helvetier ? CXXX superfuerunt 1,29,2f. 368.000 258.000 (Gesamtbevölkerung) 1,52f. 12.000 Germanen reliqui omnes interficere 1,53,4 Frauen des Ariovist, perire, eine Tochter occidere 1,54,1 Sueben (von magnus ex his numerus occidere Germanen) 2,10,2f. Belger magnus numerus, occidere, reliqui interficere

329 Vgl. Will: Julius, S. 159ff. 330 Siehe S. 165. 331 Siehe S. 159ff.

86 2,11,4ff. Belger magna multitudo, concidere, tanta multitudo interficere 2,23,1 Atrebaten magna pars interficere 2,25,1 Centurionen, quartae cohortis omnes, occidere, Feldzeichenträger, signifer, interficere, Centurionen reliquarum cohortium vulnerare aut occidere omnes fere 2,27,3f. Nervier primi cadere 2,28,2 40.000 Nervier, 39.500 600 Senatoren 597 2,33,5 57.000 Atuatucer 4.000 occidere 3,6,2 über 30.000 Gallier plus tertia pars interficere 3,16,4 Senat der Veneter omnis necare 3,17,3 Senat der Aulercer- interficere Eburovicer und Lexovier (vom Stamm selbst) 3,19,4 Gallier magnus numerus occidere 3,21,2 Sotiater magnus numerus interficere 3,26,6 50.000 ca. 37.500 (vix quarta parte relicta) 3,28,4 Moriner und Menapier, complures interficere, römische Soldaten pauci deperdere 4,4,7 Menapier interficere 4,12,3 römische Reiter, 74 interficere Piso Aquitanus 4,12,6 der Bruder des P. interficere Aquitanus 4,15,1ff. 430.000 Germanen sui, magnus numerus, 0 interficere (2x), reliqui perire 4,32,5 römische Soldaten pauci interficere 4,35,3 Britannier complures occidere 4,37,3f. Moriner complures, magnus occidere (2x) numerus 5,7,9 Dumnorix interficere 5,15,2 Britannier, complures, interficere, Römer nonnuli amittere 5,15,5 Q. Laberius Durus interficere 5,17,4 Britannier magnus numerus interficere 5,22,2 Britannier multi interficere 5,34,2 Gallier magnus numerus cadere 5,35,7 Q. Lucanius interficere 5,37,2-5. Sabinus, L. Cotta, L. maxima pars militum interficere (2x), Petrosidius occidere 5,43,5 Gallier maximus numerus interficere

87 5,44,6 Gallier unus exanimare 5,44,11ff. Gallier unus, comblures interficere (2x) 5,45,1 Boten an Caesar pars necare 5,51,4 Gallier magnus numerus occidere 5,52,1 Römer 0 5,58,6 Indutiomarus interficere 6,8,7 Treverer magnus numerus interficere 6,12,3 haeduischer Adel (von omnis interficere Sequanern) 6,31,5 Catuvolcus se exanimare 6,40,7f. Römische Centurionen, concidere, Soldaten 2 Cohorten (nach 6,44,1) perire 6,44,2 Acco supplicium sumere 7,3,1 römische Händler und interficere C. Fufius Cita 7,13,2 Gallier multi amittere 7,16,3 römische Abteilungen magno incommodo 7,25,2ff. Gallier exanimare (2x) 7,28,3 Gallier pars interficere 7,28,5 40.000 9.200 (Gesamtbevölkerung) 7,38,9 römische Bürger interficere 7,42,3 römische Bürger caedes facere 7,42,6 Haeduer und Römer multi multi interficere 7,50,3 L. Fabius und römische interficere Soldaten 7,50,5 Gallier 2 interficere 7,50,6 M. Petronius concidere 7,51,1 römische Centurionen 46 amittere 7,51,4 römische Soldaten 700 desiderare 7,62,4 Gallier primi ordines concidere 7,62,7ff. Gallier omnes interficere (2x) 7,65,2 C. Valerius complures interficere Domnotaurus und andere Helvier 7,67,5f. Gallier complures, interficere, reliqui fit caedes 7,68,2 Gallier 3000 interficere 7,70,7 Gallier multi interficere 7,80,7 germanische Reiter interficere 7,82,1 Gallier interire 7,83,1 Gallier magno cum detrimento

88 7,88,3 Sedullus occidere 7,88,7 Gallier magnus numerus interficere

Aus der Tabelle geht deutlich hervor, dass das Vokabular Caesars äußerst reduziert ist, was einerseits vom Thema herrührt, andererseits aber auch auf attizistische Tendenzen rückführbar ist. Außerdem ist die Gattung des „commentarius“ ausschlaggebend, die einen gewissen Purismus verlangt und sich daher sparsam in den Ausdrücken zeigt.332 Es lassen sich auffällig viele Wiederholungen von Phrasen erkennen, denn Caesar drückt wiederkehrende Handlungen gerne mithilfe von gleichem Vokabular aus. Trotzdem lassen sich Unterschiede zwischen den einzelnen Büchern erkennen, denn Caesars Wortschatz wandelt sich durchaus. So ist die Sprache des 1. Buches klar formelhafter als jene der restlichen und auch das 7. Buch weist manche stilistische Besonderheiten auf333.

Daher treten gerade jene Stellen ins Zentrum der Aufmerksamkeit, an denen Caesar von seinem Stil abweicht. Caesars Streben nach Sachlichkeit und Kürze zeigt sich vor allem auch am verwendeten Vokabular für Todesfälle, denn auch wenn er oftmals die Tapferkeit seiner Soldaten würdigt, bleibt deren Ableben zumeist unanschaulich beschrieben. Nach diesen Beobachtungen mag es nicht verwunderlich sein, dass Caesar in seinem Werk insgesamt 78 mal334 das Verbum „interficere“ für töten verwendet, da dieses Vokabel ein breites Bedeutungsspektrum aufweist.335 „Interficere“ ist ein allgemeiner und gewöhnlicher Ausdruck, der jede Art und jedes Motiv des Tötens bezeichnen kann.336 Im Hinblick auf die Häufigkeit der Verwendung steht das Verbum „occidere“ an zweiter Stelle, das im Werk immerhin noch 17 mal herangezogen wird, aber ab dem 6. Buch fehlt. Dieses brutale Synonym setzt Caesar jedoch mit „interficere“ gleich.337 Grundsätzlich steht „occidere“ bei einem blutigen Todschlag in einem offenen und ehrlichen Kampf in der Bedeutung „niederhauen“.338 Interessant ist, dass „mori“, das im Grunde den konkreten Ausdruck für Sterben darstellt, nur ein einziges Mal im ersten Buch gebraucht wird. „Concidere“ findet sich im gesamten Werk lediglich viermal und stets beim Tod der

332 Vgl. Richter: Caesar, S. 180. 333 Vgl. Adcock: Caesar, S. 63ff. 334 In der Tabelle sind zugunsten der Anschaulichkeit nicht alle 78 Fälle angeführt. 335 Vgl. Opelt: Töten, S. 103ff. 336 Vgl. Doederlein: Handbuch, S.115f. 337 Vgl. Opelt: Töten, S. 110f. 338 Vgl. Doederlein: Handbuch, S. 116.

89 eigenen Leute, wenn Caesar deren Mut veranschaulichen will, also beispielsweise bei seinen Centurionen. Das Verbum „cadere“, welches der Militärsprache entstammt, steht sowohl bei römischen als auch bei feindlichen Verlusten. Ähnliches gilt für das Vokabel „interire“, das dennoch erst im 7. Buch häufig bei der Beschreibung feindlicher Verluste zum Einsatz kommt. Auch das Synonym „perire“ tritt insgesamt viermal im Werk auf, doch nur einmal beim Ableben römischer Soldaten, während „deperire“ ausschließlich an diesen Stellen Verwendung findet.339 „Interire“ bezeichnet das Verschwinden beim Tod und stellt einen langsamen, qualvollen oder auch ruhigen Vorgang dar. „Perire“ hingegen zeigt die Verderbnis und Zerstörung des Todes auf und wird bei einem kräftigen und auch schnellen Tod eingesetzt.340 Des Weiteren wird das Verbum „amittere“ meistens bei eigenen Verlusten eingesetzt. 341 „Amittere“ heißt im Grunde „verlieren“, das heißt, etwas entzieht sich dem Besitz.342 „Necare“, was mit „morden“ übersetzt werden kann, involviert, dass die Tötung unrecht oder grausam ist.343 Das Vokabel steht lediglich einmal bei einer Handlung Caesars, nämlich bei der Strafmaßnahme gegen den Senat der Veneter. Ansonsten sind stets Barbaren die Akteure.344 „Desiderari“, was so viel wie „vermisst werden“ bedeutet, begegnet dem Leser im Werk nur ein einziges Mal bei einem großen eigenen Verlust und mit einer Zahlenangabe.345

Insgesamt bietet Caesar lediglich an zwei Stellen (4,12,3 und 7,51) konkrete Opferzahlen der eigenen Leute. Der große Verlust bei der Schlacht von Gergovia wird außerdem zurückhaltend mit den Vokabeln „verlieren“ (lat. „amittere“) und „vermissen“ (lat. „desiderare“) ausgedrückt. In 6,14 sterben ganze zwei römische Cohorten, was der Leser jedoch erst einige Kapitel später erfährt. Dieser enorme Rückschlag wird mit „perire“ beschrieben, was insgesamt nur viermal und nur hier für römische Opfer verwendet wird. Doch auch an den anderen Stellen (1,53,4 und 4,15,2)346 ist die Verwendung des Verbums auffällig, da die Begleitumstände des Todes unklar oder nur angedeutet sind. Die Frauen des Ariovist sterben auf der Flucht und die Germanen gehen erschöpft im Fluss zugrunde. Die übrigen eigenen Opfer hält Caesar gerne mit „pauci“ fest und auch an diesen Stellen

339 Vgl. Opelt: Töten, S. 115ff. 340 Vgl. Doederlein: Handbuch, S. 149f. 341 Vgl. Opelt: Töten, S. 117. 342 Vgl. Doederlein: Handbuch, S.15. 343 Vgl. Doederlein: Handbuch, S. 116. 344 Vgl. Opelt: Töten, S. 111. 345 Vgl. Opelt: Töten, S. 118. 346 Außerdem 6,43, doch wird an dieser Stelle kein konkreter Todesfall bezeichnet.

90 ist das Vokabular auffällig. In 1,15,2 steht das Verbum „cadere“, was „fallen“ bedeutet und in 3,28,4 „deperdere“. An beiden Stellen finden die römischen Verluste ausdrücklich auf unwegsamem Gelände statt. Mit diesem Detail könnte betont werden, dass der Kampf für die Römer erschwert war und sie dadurch einen Rückschlag einstecken mussten.

Es stellt sich die Frage, ob sich die eben beschriebenen Beobachtungen lediglich auf die Sachlichkeit Caesars zurückführen lassen oder ob hier ein weiterer Zweck hervortritt. Denn besonders auffällig erscheint die Indifferenz der Ausdrücke bei verschiedenen Tötungshandlungen, wodurch die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahmen fraglich bleibt. Geht man davon aus, dass dies bewusst der Fall ist, könnte man von einem politischen Hintergrund und einer Rechtfertigung seines Handelns ausgehen. Auch werden emphatische Vokabeln gekonnt eingesetzt, um beispielsweise die Tapferkeit der römischen Soldaten oder die Abscheulichkeit der Gegner zu erhöhen. Caesar verfolgt auch durch seine Sachlichkeit im Grunde ein höheres Ziel, denn es gelingt ihm gekonnt, den Leser durch Suggestion in die gewünschte Richtung zu lenken.347 Ein weiteres Detail fällt bei der Beschreibung auf, denn auch wenn das Vokabular oder die Umstände des Todes von Römern oder Römerfreunden nicht ungewöhnlich erscheinen, treten oft namentlich genannte Einzelpersonen auf. So erfährt der Leser in 2,25,1, dass der Centurio Publius Sextius Baculus schwer verwundet wurde. In dieser Schlacht werden die römischen Soldaten schwer bedrängt, doch dann greift Caesar ein und bewirkt einen Umschwung. Auch in 4,12,3 werden nicht nur römische Reiter getötet, sondern unter diesen ebenso der äußerst tapfere Piso Aquitanus und wenig später sein Bruder. Diese verlustreiche Schlacht bewegt Caesar schließlich dazu, den Krieg gegen die Usipeter und Tenkterer zu eröffnen, die er später nahezu völlig auslöschen wird. In 5,15,5 fällt Quintus Laberius Durus, nachdem zuvor einige römische Soldaten umkamen. Danach schickt Caesar Hilfe und die Schlacht ist entschieden. Ähnliches gilt für 5,37, denn hier fällt ebenfalls nicht nur ein großer Teil der römischen Soldaten, sondern auch Lucius Cotta und der Adlerträger Lucius Petronius. Caesar ist währenddessen abwesend und kann die Ereignisse nicht beeinflussen. In 7,50,3 stirbt Lucius Fabius unter den römischen Soldaten und kurz darauf auch Marcus Petronius. Das Unglück kann jedoch nur geschehen, weil die übermütigen Soldaten Caesars Befehl nicht gehorchen.

347 Vgl. Opelt: Töten, S. 119.

91

Der Tod von Einzelpersonen ist im Werk von großer Bedeutung, da diese sich meistens in einen Erzählkomplex einfügen oder eine Funktion erfüllen. Außerdem ist die Rolle Caesars während dieser Episoden von Bedeutung, denn entweder hält er sich aus den Geschehnissen heraus oder er greift im Anschluss an die Katastrophe rettend ein. Die eben aufgezählten namentlich genannten Personen stehen außerdem im Zusammenhang mit größeren römischen Verlusten. Zudem erleiden die römischen Soldaten und jene, die für Rom kämpfen, oft einen geradezu heroischen Tod. So zum Beispiel Piso Aquitanus und dessen Bruder, die bei ihrer gegenseitigen Rettung getötet werden.348 Der Untergang von Marcus Petronius wird ebenfalls heldenhaft geschildert, da sich dieser schuldbewusst für das Heil seiner Soldaten in den Tod stürzt.349 Durch diese Inszenierung wird seine Tapferkeit trotz oder gerade durch seinen Untergang hervorgehoben. Der Mord an Einzelpersonen könnte beim Leser bestimmte Gefühle wie zum Beispiel Mitleid erregen und die Feinde dadurch grausamer erscheinen lassen. Gaius Fufius Cita wird in 7,3,1 von den Feinden kaltblütig gemeinsam mit römischen Händlern ermordet. Bei den Ereignissen um Gergovia, die mit einer römischen Niederlage enden, werden in 7,38,9 und 7,42,3 römische Bürger brutal getötet. Letztere Darstellung beinhaltet die Phrase „caedes facere“, die nur hier verwendet wird.

Doch auch mit der Darstellung der feindlichen Einzelopfer könnte ein Ziel verfolgt werden. In 1,4,3 stirbt Orgetorix, der Urheber des helvetischen Auszugsplan, unter ungeklärten Umständen. Caesar benutzte Orgetorix als Erklärung für die Auswanderung, doch ziehen die Helvetier nach seinem Tod trotzdem aus. In 1,52,4 kommen die Frauen des Ariovist und eine seiner Töchter um, während Ariovist selbst, dem stärksten Gegner Caesars, die Flucht gelingt. In 5,58,6 wird Indutiomarus, ebenfalls ein Gegenspieler, getötet. Sein Ableben bewirkt nicht nur die Auflösung der feindlichen Truppen, sondern schließlich auch das Ende des Krieges. Catuvolcus begeht in 6,31,5 Selbstmord und verflucht dabei Ambiorix, der Caesars persönlicher Feind ist. Der Umstand, dass sein eigener Landsmann am Sterbebett die Verwünschungen gegen ihn vorbringt, lässt sie realistischer erscheinen. Acco wird in 6,44,2 von den Römern hingerichtet, weil Caesar Ambiorix nicht zu fassen bekommt. Damit steht am Ende des 6. Buches zumindest dieser

348 Siehe 4,12. 349 Siehe 7,50.

92 Erfolg. In 7,88,3 fällt Sedullus, der Führer und Stammesfürst der Lemovicer, in einem großen Gemetzel. Kurz darauf folgt die endgültige Niederlage der Feinde. In 5,44, 6 stirbt ein namenloser Gallier durch einen Wurfspieß, der vom Centurionen Titus Pullo geschleudert wird. Dieser wird daraufhin schwer bedrängt und schließlich von seinem Rivalen Lucius Vorenus gerettet. Hier treten erneut Einzelkämpfer im Zuge einer verlustreichen Belagerung auf, während Caesar selbst nicht in die Geschehnisse eingreift. Diese Einzelszene wirkt wie eine Art Vorbereitung auf den rettenden Auftritt Caesars, der später auch erfolgt.

Beachtung verdienen zudem die vielen Zahlenangaben im Werk, deren Glaubwürdigkeit oft fraglich ist. Eigene Verluste finden sich allgemein recht selten im Werk, obwohl man davon ausgehen darf, dass die Opferzahlen Caesar aufgrund von Standeskontrollen durchaus bekannt waren. Es lässt sich außerdem erkennen, dass Opfer unter den Soldaten mit ungenauen oder gerundeten Angaben wiedergegeben werden, während bei Reitern oder Centurionen exakte Zahlen stehen. Der Umstand, dass bei der letzteren Gruppe in weiterer Folge ungewöhnlich hohe Todesfälle zu verzeichnen sind, wurde bereits ausführlich behandelt350 und ist ebenso nützlich für die Darstellung.351 So sterben in 2,25,1 auffallend viele Centurionen, was als apologetisches Element verstanden werden könnte, da sie damit im Grunde die Schuld für die übrigen gefallenen Soldaten auf sich nehmen. In 4,12,3 werden 74 Reiter von den Usipetern und Tenkterern getötet, woraufhin Caesar deren Gesandte bei sich festhält und den Kampf beginnt, der für die Germanen vernichtend endet. In 7,51 fallen 46 römische Centurionen und 700 Soldaten; eine Tatsache, die Caesar wohl kaum verschweigen konnte. Dennoch hält er sich selbst aus den Geschehnissen heraus und sucht die Schuld stattdessen in der Unbesonnenheit seiner Truppen.

Den römischen Verlusten steht eine gewaltige, meist anonyme, Masse an feindlichen Opfern gegenüber. Wie bereits bei der Behandlung der einzelnen Bücher gezeigt, werden geringe eigene Verluste oft gemeinsam mit enorm hohen feindlichen Verlustzahlen genannt. Beim Krieg gegen die Helvetier sterben nur wenige römische Reiter, aber 258.000 Feinde. Im verlustreichen Kampf gegen die Belger kommt eine unbestimmte

350 Im Kapitel „Kampf gegen die Belger“, S. 26f. sowie „Verfolgung des Ambiorix“, S. 63f. und auch im Abschnitt „Gergovia“, S. 73f. 351 Vgl. Resch: centurionibus, S. 122f.

93 Anzahl an Centurionen um, jedoch insgesamt 39.500 Nervier und 597 ihrer Senatoren. Der Sieg erscheint hier noch größer, da die Nervier in 2,27 sogar auf Leichenbergen kämpfen, wodurch ihre Tapferkeit hervorgehoben wird. Auch in 2,33,5, werden 4.000 Atuatucer getötet, nachdem ihr Mut betont wurde. In 3,26,6 fallen rund 37.500 Feinde, woraufhin sich der Großteil der Aquitanier ergibt. Durch die Zahlenangabe wirkt der Erfolg bedeutender. In 7,28,5 sterben 9.200 Gegner in der belagerten Stadt Avaricum, womit Caesar der erste entscheidende Schlag gegen Vercingetorix gelingt. Nach Caesars Niederlage bei Gergovia töten die römischen Soldaten zumindest 3.000 Feinde aus der Nachhut. Damit erscheint der klare Misserfolg geringer. Die übrigen feindlichen Verluste drückt Caesar gerne mit schematischen Wendungen, wie „magnus numerus“, „magna pars“ sowie auch einfach mit „multi“ oder „complures“ aus. Diese allgemeinen Ausdrücke werden bei eigenen Opfern nie verwendet. Auch das Vokabular für die Tötungshandlung ist an diesen Stellen eher zurückhaltend und sachlich. Der Erfolg Caesars wird durch die Kürze der Darstellung jedoch nicht vermindert, denn gerade an der Vielzahl anonymer Barbarenopfer, die in Rom wohl niemand beklagen wird, zeigen sich seine Fähigkeiten als Feldherr.

94 Resümee

Gewalt und Tod waren im Rom der Antike tatsächlich allgegenwärtig, weshalb uns auch in den erhaltenen Quellen häufig Darstellungen ebendieser Phänomene begegnen. Der moderne Leser muss sich vor Augen halten, dass beispielsweise ein Triumphzug erst ab einer Anzahl von 5.000 getöteten Gegnern abgehalten werden durfte. Wenn Caesar öffentlich bekanntgibt, dass im Zuge seiner Kriege 1.192.000 Gegner ums Leben kamen, darf dies nicht als Gräuel-, sondern eher als besondere Ruhmestat gedeutet werden. Gefallene Feinde stellten die Grundlage des Ansehens dar und wurden stolz zur Schau gestellt. Herrschaft und Macht waren untrennbar mit Gewalt sowie dem Tod verbunden und dienten paradoxerweise zur Sicherung und Gewährung des Friedens.352

Nach diesen Überlegungen mag es also nicht überraschend sein, dass Caesar sich bei der Mitteilung über feindliche Verluste keineswegs zurückhaltend zeigt. Denn auch wenn Caesar mit kritischen Stimmen rechnen musste, konnte sein Sieg nicht mehr gemindert werden. Oft begegnen dem Leser geradezu desaströse feindliche Opferzahlen, die womöglich nicht den Tatsachen entsprechen. Die getöteten Gegner werden aber auch gerne mit allgemeinen Ausdrücken, die sich nicht selten wiederholen, angegeben. Dies könnte eine bewusst angewandte Technik sein, die letztlich dazu dient, den Ruhm der handelnden Person zu erhöhen. Der Erfolg, den er damit hatte, zeigt sich auch beim Urteil seiner Zeitgenossen, die ihn trotz aller Vorwürfe als Feldherrn zu schätzen wussten. Das im „Bellum Gallicum“ verwendete Vokabular mag auf den ersten Blick nicht besonders interessant erscheinen, doch gerade die Wortkargheit Caesars ist äußerst aufschlussreich. Deshalb haben gerade jene Stellen große Aufmerksamkeit verdient, an denen sonst kaum verwendete Ausdrücke eingesetzt werden. Dies sind nicht selten Episoden, in denen die Barbaren als grausam charakterisiert werden sollen. Denn wie bereits anfänglich erläutert, können auch extreme Gewalttaten ein beabsichtigtes Bild vermitteln. Doch auch weniger brutale Vokabeln können dazu beitragen, gewisse Emotionen hervorzurufen - oder eben nicht. Ähnlich kann auch der Einsatz von Elementen aus der Historiographie verstanden werden, da diese oft Spannung erzeugen und beispielsweise Schlachtenbeschreibungen in den Fokus stellen. Dass Caesar die Angaben eigener Verluste eher ausspart, kann in

352 Vgl. Zimmermann: Gewaltdarstellungen, S. 13f.

95 Anbetracht der Intention des Werkes nicht verwundern. Dementsprechend werden aber umgekehrt auch bestimmte Zwecke verfolgt, wenn eigene Opfer vermerkt sind.353 Die Glaubwürdigkeit und Objektivität Caesars ist in der Forschung seit jeher ein vieldiskutiertes Thema, bei dem bis heute keine einheitliche Meinung gefunden wurde. In der vorliegenden Arbeit wurde aufgezeigt, dass sogar die Todesfälle im Werk bewusst eingesetzt sind und einen Aspekt darstellen, der den Leser manipuliert. Dabei lassen sich hier und da Widersprüche erkennen, welche die Objektivität des Autors in Frage stellen. In weiterer Folge ist klar erkennbar, dass sie sich für die Person des Feldherrn als positiv erweisen und somit ein bestimmtes Ziel verfolgen. Caesar nützt in gewisser Weise den Tod zu seinen Gunsten und vervollständigt mit dessen eindrucksvoller Inszenierung seine Gesamtkomposition.

353 Siehe S. 91f. zum Tod von Einzelpersonen und S. 93 zum Verlust von Gruppen.

96

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101 Anhang: Zeittafel354

100 Geburt Caesars 87 Bestimmung zum „flamen dialis“ 80 Militärdienst in der Provinz Asia, Teilnahme an der Eroberung von Mytilene 75 Reise nach Rhodos 74 Teilnahme am Mithridatischen Krieg 73 Wahl zum Pontifex 65 Aedil (curul.) 63 Wahl zum Pontifex Maximus 62 Praetor 61 Propraetor und Statthalter von Hispania ulteriror 60 1. Triumvirat 59 Konsul

58-51/50 Prokonsul in Gallien 58 1. Kriegsjahr, Krieg gegen die Helvetier und Ariovist 57 2. Kriegsjahr, Kampf gegen die Belger 56 3. Kriegsjahr, Unternehmungen gegen die Veneter 55 4. Kriegsjahr, Unterwerfung der Usipeter und Tenkterer sowie der Moriner und Menapier, 1. Britannienexpedition 54 5. Kriegsjahr, 2. Britannienexpedition, gallischer Widerstand 53 6. Kriegsjahr, weitere gallische Aufstände, 2. Rheinübergang 52 7. Kriegsjahr, Krieg und Sieg gegen Vercingetorix 51 8. Kriegsjahr, Niederschlagung der letzten Unruhen (den Bericht über diese Ereignisse liefert Hirtius.) 49-45 Bürgerkrieg 49 Überschreitung des Rubicon, Ausbruch des Bürgerkrieges 48 2. Konsulat, Einmarsch in Ägypten 47 Cleopatra wird als Königin eingesetzt, Caesar kehrt nach Italien zurück 46 3. Konsulat, Ernennung zum Diktator auf 10 Jahre 45 4. Konsulat, Ende des Bürgerkrieges nach dem Sieg bei Munda 44 5. Konsulat, Diktator auf Lebenszeit, Ermordung

354 Basierend auf der Zeittafel in Gesche: Caesar, S. XIX-XXI.

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