Gesamttext MCD-Aufsatz
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Ingo Harms Buchhaltung und Krankenmord Die oldenburgische Anstaltsfürsorge 1932–1948 BIS-Verlag der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg Titelbild: Teilansicht des Oldenburgischen Landtags- und Ministerialgebäudes. Das Foto stammt aus den 60er Jahren und wurde freund- licherweise von der Webseite „Alt Oldenburg” zur Verfügung gestellt. Oldenburg, 2016 Verlag / Druck / Vertrieb BIS-Verlag der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg Postfach 2541 26015 Oldenburg E-Mail: [email protected] Internet: www.bis-verlag.de ISBN 978-3-8142-2344-5 Inhalt Vorwort 9 Teil I Kultur und Krankenmord Bereicherungsformen im „Dritten Reich“ am Beispiel des Museumsdorfs Cloppenburg 17 1 Vorgeschichte und Gründung des Heimatmuseums Cloppenburg 17 2 Die Finanzierung des Heimatmuseums 1922–1933 27 Finanzierung in den Zwanziger Jahren 27 Vermögensbilanz am Ende der Weimarer Republik 34 3 Gründung und Entwicklung des Landesfürsorgeverbandes Oldenburg 36 Der Landesfürsorgeverband 1924–1932 37 Der Landesfürsorgeverband im NS-Regime 39 Werner Ross – Graue Eminenz der Staatsregierung 47 Werner Ross und das Museumsdorf 51 4 Kulturpolitik und Ideologie 56 Heimat und Hakenkreuz 59 Forschungsgemeinschaft Weser-Ems 64 Blut, Boden und Siedlungsbewegung 67 Richard Tantzen – Heimat als Ideologie 72 Amtshauptmann August Münzebrock 78 Die Thingstätte „Stedingsehre“ 84 „Stedingsehre“ und Museumsdorf 92 Zur Notwendigkeit einer Entmythologisierung 95 5 Finanzierung des Museumsdorfes 1933–1945 101 Grundstückserwerbungen 101 Gebäudeerwerbungen 106 Finanzierung und staatliche Förderung 1933–1940 109 Überregionale Finanzierungsquellen 113 Zwischenbilanz – die Museumsdorf-Konferenz von 1938 116 Die Finanzierung nach 1938 119 Zwangsspenden und Verweigerung 126 6 Die Finanzierung durch den Landesfürsorgeverband 127 Finanzierung bis 1945 127 Finanzierung bis 1961 139 7 Zusammenfassung und Forschungsbedarf 144 Teil II 8 Buchhalter der Euthanasie 157 „Unwertes Leben“ 157 Frontkampf und Sozialdarwinismus 157 „Auslese“ durch Hunger 159 Partei und Ideologie 166 Teil III 9 Bürgermeister und Schreibtischtäter 171 Teil IV 10 Hungermord und Nachkriegs-„Euthanasie“ 185 Unter Mitarbeit von Wiebke Gertje Vom Hungersterben und seiner Fortsetzung bis 1947 187 Ein kurzes Leben in der Psychiatrie 186 Das Meldebogenverfahren 191 Todesurteil und Vollzug 196 Zentrale und lokale „Euthanasie“ 198 Fortsetzung der „Euthanasie“ mit anderen Mitteln 199 Die Hunger-„Euthanasie“ 202 Nachkriegshunger 206 Der oldenburgische Hungererlass 208 Normalverbraucher 209 Die Verwaltung des Hungermords 210 Verantwortlichkeiten 215 Bestätigung statt Bestrafung 218 Motive und Rechtfertigungen 219 Anhang 222 Abkürzungen 222 Abbildungen 224 Tabellen 225 Literatur 227 Personenindex 234 Vorwort Der vorliegende Band umfasst vier einzelne Texte, die über einen längeren Zeitraum entstanden sind und doch in einem inneren Zusammenhang stehen. Sie untersuchen die Hintergründe der oldenburgischen Krankenmorde der Jahre 1936–1947 aus verschiedenen Perspektiven. Teil I dieses Buches stellt den umfangreichsten der Texte dar und behandelt unter dem Titel Kultur und Krankenmord. Bereicherungsformen im „Dritten Reich“ am Beispiel des Museumsdorfes Cloppenburg die Frage, welchem Verwendungszweck die beim Krankenmord in den oldenburgischen Anstal- ten und Heimen eingesparten Fürsorgemittel zugeführt wurden. Schon zu Beginn der Wehnen-Forschung im Jahr 1994, erstmals veröffentlicht unter dem Titel: „Wat mööt wi hier smachten...“ Hungertod und „Euthanasie“ in der Heil- und Pflegeanstalt Wehnen 1936 -1945 (Oldenburg 1996, 3. Auflage 2008), wurde deutlich, dass wirtschaftliche Beweggründe eine Hauptrolle spielten. Spätere Untersuchungen zeigten, dass gemäß einem Landesgesetz von 1933 dem Landesfürsorgeverband Oldenburg die Aufgabe zugefallen war, die staatlichen Sozialmittel zwecks Bildung von Kapital-, Anlage- und Grundvermögen so zu bewirtschaften, dass kulturelle und infrastrukturelle Staatsvorhaben damit finanziert werden konnten. Die daraus resultierenden Forschungsfragen führten zur Gründung der For- schungsstelle „Geschichte der Gesundheits- und Sozialpolitik“ an der Univer- sität Oldenburg. Die Untersuchungen zeigten, dass sich die Gesundheitsbe- hörden schon in den Dreißiger Jahren zum Ziel gesetzt hatten, die Pflegekos- ten für Geisteskranke und Behinderte zu einem Großteil einzusparen, um dar- aus Kapital- und Grundvermögen zu bilden. Während das Geld in völkische Kultur, in Energieversorgungsunternehmen, Tierkörperbeseitigung und Par- teiangelegenheiten investiert wurde, nahm die Sterblichkeit unter den An- staltspatienten infolge des Nahrungs- und Pflegemangels stetig zu. Überraschend deuteten die Untersuchungen darauf hin, dass die Energiever- sorgung im Raum Weser-Ems und das Museumsdorf Cloppenburg zu den Hauptbegünstigten dieser Form der Vermögensbildung zählten. Die Weiter- arbeit an den Forschungsfragen machte nach Auffassung der Forschungs- stelle eine Zusammenarbeit mit den betroffenen Einrichtungen erforderlich, doch die Kooperationsangebote stießen bei der Museumsleitung und dem 9 Bezirksverband, dem Rechtsnachfolger des Landesfürsorgeverbandes, auf Ablehnung. Auch die Oldenburgische Landschaft reagierte zurückhaltend. So sah sich die Forschungsstelle veranlasst, ihre eigene Forschungslinie weiter- zuverfolgen, und ließ die ständig neu gewonnenen Erkenntnisse nacheinander in verschiedene Veröffentlichungen einfließen. Zunächst sollten detaillierte Biographien der hauptverantwortlichen Staatsbeamten erstellt werden. Eine solche Hinwendung zur Täterforschung war schon länger geplant, nachdem die wissenschaftliche Aufmerksamkeit großenteils der Opfer-Perspektive gegolten hatte. Teil II dieses Buches ist eine biographische Forschungsarbeit. Mit dem Auf- satz Buchhalter der "Euthanasie" wird eine Untersuchung der Rolle von Re- gierungsrat Dr. jur. Carl Ballin, dem zweiten Vorstandsmitglied des Lan- desfürsorgeverbandes vorgelegt. Wesentliche Teile dieses Textes wurden bereits 2015 veröffentlicht. In der Person Carl Ballins vereinigen sich die Täter- und Opferaspekte des Naziregimes, da er einerseits als "Vierteljude" von Verfolgung bedroht, andererseits als Staatsbeamter maßgeblich für die Unterminierung der Lebensbedingungen in den Anstalten verantwortlich war. Teil III dieses Buches stellt eine weitere biographische Untersuchung vor. Der Aufsatz Bürgermeister und Schreibtischtäter ist eine Forschungsarbeit über die Haltung und die Rolle von Oberregierungsrat Oltmanns, dem dritten Vorstandsmitglied des Landesfürsorgeverbandes. Diese Internetveröffent- lichung der Universität Oldenburg (2014) gibt einen Einblick in die Ökono- mie der oldenburgischen Fürsorge unter der Naziherrschaft und zeigt unter anderem, dass ein vom Naziregime ausgestoßener Beamter wieder aufge- nommen werden konnte, wenn er sich in den Dienst der rassenbiologischen Staatsdoktrin stellte. Während die Forschungsstelle an der Biographie des ersten Vorstandsmit- glieds und Vorsitzenden, Ministerialrat Werner Ross arbeitete, traten der Ge- denkkreises Wehnen und der Förderkreis für ein Internationales Fluchtmu- seum mit dem Auftrag an sie heran, die Gesamtzusammenhänge zwischen den Krankenmorden und der Verteilung von Reichtümern zu untersuchen. Dieser Bitte kam die Forschungsstelle nach und nahm im April 2015 die Ar- beit auf. Das Projekt trägt den Arbeitstitel Ökonomie und Krankenmord. Der Landesfürsorgeverband Oldenburg zwischen Rassenhygiene und Kommunal- verwaltung. Ungefähr zur gleichen Zeit hatte das Museumsdorf Cloppenburg mit einer „Provenienzforschung“ begonnen. Die seit der Entdeckung der Gur- litt-Sammlung im Aufschwung befindliche Provenienzforschung, die nach 10 der Herkunft von Kunstgegenständen im Hinblick auf NS-Beute- und Raub- kunst fragt, folgt anderen Überlegungen als die von der Forschungsstelle be- triebene Herkunftsforschung. Deren Untersuchungen zeigen, dass nicht die Objekte, sondern ihre Finanzie- rung das Hauptproblem darstellen. Trotz „legalen Erwerbs“ bestand beim Kauf von Grundstücken, Gebäuden und Gegenständen eine Verbindung zu den Verbrechen der NS-Diktatur in Form der Finanzierungsquellen. Da das Geld – zumindest zu Teilen – aus der Hunger-Euthansie in der Heil- und Pflegeanstalt Wehnen, dem Gertrudenheim Oldenburg und Kloster Blanken- burg stammte und dabei auch die unentgeltliche Arbeit der Patienten eine Rolle spielte, bedeutet Herkunftsforschung in diesem Kontext die Sichtbar- machung eines staatlich organisierten Beutezuges, von dem zahlreiche Insti- tutionen begünstigt waren. Dieses oldenburgische Hunger- und Bereiche- rungssystem ging offenbar auf Ministerialrat Ross zurück. Folgerichtig sollte die Untersuchung seiner Biographie Vorrang haben. Diese Forschung muss sich jedoch unvollendet präsentieren, da die Recher- chen zu einem Fund führten, der das Forschungsfeld schlagartig erweiterte. Werner Ross spielte als „Beauftragter des Reichskommissars für die besetz- ten Niederlande“ eine zentrale Rolle in der Besatzungspolitik der holländis- chen Provinz Friesland. Damit wird nicht nur die Frage aufgeworfen, ob bei der Bereicherungspolitik des Landesfürsorgeverbandes auch niederländische Kriegsbeute im Spiel war, sondern auch, ob das oldenburgische Hungersys- tem von Werner Ross in die Niederlande exportiert wurde. Ohne die Beant- wortung dieser Fragen wäre eine Untersuchung der Ross-Biographie sinnlos. Damit stellt sich jedoch die Aufgabe, die gesamten niederländischen Archiv- bestände im Hinblick auf die Besatzungszeit und die Mitwirkung von Ross zu erforschen. Da schon das Material zur Geschichte