Zwischen-Rede 1989" Dokumentation Einer Deutsch-Deutschen Kulturdebatte
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Kulturation / Zeitdokumente / Wortprotokoll Zwischenrede 1989 "Zwischen-Rede 1989" Dokumentation einer deutsch-deutschen Kulturdebatte Erläuternde Vorbemerkung Am Abend des 22. Dezember 1989 fand im Saal der Akademie der Künste zu Berlin eine deutsch-deutsche Kulturdebatte statt, an der sich 33 Redner aus Ost (21) und West (12) betei- ligten. Eingeladen hatten die im Herbst gegründete ostdeutsche KulturInitiative'89 und eine mit ihr kooperierende Kulturinitiative in Westberlin. Die Beiträge sind von Mitarbeitern der Akade- mie der Künste mitgeschnitten und danach transkribiert worden; sie finden sich im Archiv der Akademie. Zehn Jahre danach hat sich eine Arbeitsgruppe der KulturInitiative'89 daran ge- macht, sie für eine Veröffentlichung vorzubereiten. Sie hat die Texte redaktionell bearbeitet, Hör- und Übertragungsfehler korrigiert, Zitate, Schreibweisen und Namen überprüft und ggf. auch die Eigenheiten der freien Rede durch sachte Umstellungen korrigiert. Diese Texte lagen allen erreichbaren Autoren zur Bestätigung vor, nur zwei baten darum, ihren Beitrag nicht zu veröffentlichen (Gerd Irrlitz und Georg Knepler). Es ist dann nicht gelungen, dieses Protokoll als eine Ausgabe der „Mitteilungen aus der kultur- wissenschaftlichen Forschung“ zum zehnten Jahrestag des Ereignisses zu veröffentlichen. Die MKF waren inzwischen abgewickelt worden. Dann sollte ein weiteres Jahrzehnt vergehen, und wieder war dies Anlass für einen Rückblick und also zur Beschäftigung mit diesem Material. Denn in der Summe gibt das Protokoll einer deutsch-deutschen Kulturdebatte die Stimmungslage in dieser kurzen Übergangszeit wieder. Man mag sie als gespieltes Selbstvertrauen, als offensive Ratlosigkeit, als Aufbruch oder Ab- rechnung deuten. Das wollten wir schon bei unserem ersten Publikationsvorhaben 1999 sicht- bar machen. Eine Retrospektive nach zehn Jahren sollte das erhellen, und so hat die Redaktion alle erreichbaren Teilnehmer der "Zwischen-Rede" von 1989 um einen rückblicken- den Kommentar gebeten. Sie waren gebeten, nicht nur zu prüfen, wie dicht sie damals an den Trends der Zeit waren, sondern vor allem auf den kulturellen Wandel in den zehn zurückliegen- den Jahren einzugehen. Einige der Teilnehmer haben geantwortet, darunter auch welche, die das für sinnlos hielten oder mit den damaligen Ereignis nichts mehr zu tun haben wollten. Dieter Kramer hat damals Notizen beigesteuert, in denen er bereits unmittelbar nach der „Zwi- schenrede“ im Dezember 1989 seine Eindrücke festgehalten hat; sie sind gesondert als "Zeit- dokument 13" zu finden. Neben vielen kommentierenden Bemerkungen in Antwortbriefen (die hier nicht zu dokumentieren sind) lagen teils umfangreichere Reminiszenzen von Horst Gro- schopp, Anna Elmiger, Johannes Heisig, Rainer Höynck, Werner Liersch, Gisela Oechel- haeuser, Klaus Staeck und Sabine Weißler vor. Diese Texte von 1999 sind ebenfalls als "Zeitdokument 14" unter der Überschrift "Rückblick aus dem Jahre 2000, Erinnerungen an die Zwischenrede von 1989" zu finden. In dem hier folgenden Wortprotokoll der „Zwischenrede“ sind die 35 Texte in der Reihenfol- ge der Wortmeldung angeordnet: Eröffnung durch Gisela Oechelhaeuser und Ulrich Roloff-Momin Kulturation - Online Journal für Kultur, Wissenschaft und Politik - Nr. 17 • 2014 • Jg. 37 [12] • ISSN 1610-8329 1 Kulturation / Zeitdokumente / Wortprotokoll Zwischenrede 1989 Peter Härtling (Schriftsteller), Peter Schneider (Schriftsteller), Hans-Eckhardt Wenzel (Dichter und Sänger), Klaus Staeck (Graphiker), Adrienne Göhler (Präsidentin HdK Hamburg), Freimut Duve (Kulturpolitiker, MdB), Rainer Flügge (Schriftsteller), Peter Ensikat (Schriftsteller, Kabarettist), Heiner Carow (Filmregisseur), Rainer Kirsch (Schriftsteller), Johannes Heisig (Maler), Christoph Hein (Schriftsteller), Hardt-Waltherr Hämer (Architekt), Helmut Hanke (Kulturwissenschaftler), Ernst Schumacher (Theaterwissenschaftler, Kritiker), Werner Gocksch (Kunstpädagoge, Maler), Helga Königsdorf (Schriftstellerin), Anna Elmiger (Kunsterzieherin, Autorin). Thomas Krüger (Kulturpolitiker), Erika Runge (Schriftstellerin), Helke Misselwitz (Filmdokumentaristin), Werner Liersch (Schriftsteller), Ina Merkel (Kulturwissenschaftlerin), Brigitte Martin (Schriftstellerin), Henning Brands (Sozialarbeiter, Psychotherpeut), Ulrich Roloff-Momin (Präsident der HdK Westberlin), Peter Lorf (Kulturministerium DDR), Joachim Doese (Künstler) Freimut Duve (Kulturpolitiker, MdB), Christa Tebbe (Kunstamtsleiterin Kreuzberg), Volker Pfüller (Bühnenbildner), Gisela Oechelhaeuser (Kabarettistin), Rainer Kirsch (Schriftsteller), Schlussbemerkungen von Gisela Oechelhaeuser und Ulrich Roloff-Momin Kulturation - Online Journal für Kultur, Wissenschaft und Politik - Nr. 17 • 2014 • Jg. 37 [12] • ISSN 1610-8329 2 Kulturation / Zeitdokumente / Wortprotokoll Zwischenrede 1989 Wortprotokoll der „Zwischenrede“ Gisela Oechelhaeuser: Ich begrüße Sie alle sehr herzlich. Herr Roloff-Momin hat mich ermächtigt, auch in seinem Na- men zu sagen, dass wir beide lieber da unten säßen, wo Sie sitzen. Da aber eine gewisse Ord- nung noch einen Sinn zu haben scheint, haben wir gedacht, wir setzen uns beide hier hin, setzen uns aller Kritik aus und versuchen, zu moderieren. Das ist ein sehr hochgegriffenes Wort - wir wollen versuchen, eine ordnende, sanfte Hand walten zu lassen in der Liste der Redner. Ich gehöre der Arbeitsgruppe an, die eine Vereinigung demokratischer Kultur vorbereitet, ein- fach nur damit gearbeitet werden kann. Das ist nichts Feststehendes, sondern nur vorläufig, wie das ja dem Gesamtzustand der Gesellschaft und eines jeden Einzelnen von uns entspricht. Wir haben uns einfach an den Haaren gefasst und haben gesagt, wir fangen jetzt an miteinan- der zu reden. Alle die wir eingeladen haben, haben sehr gerne zugesagt zu kommen. Für einige war es prak- tisch nicht mehr möglich, dieses ungünstigen Datums wegen heute hier zu sein. Es gibt aber keine prinzipielle Absage, an den Sinn eines solchen Treffens. Das ermutigt uns natürlich. Wir haben uns geeinigt, dass einige Menschen hier anfangen müssen. Wir haben dazu einen Gruß von Peter Härtling, der auch sehr gern gekommen wäre und nun hier als erster zu Wort kommt. Es ist mir eine Freude, dass er dies mit meinen Stimmbändern tut, so dass für den nächsten Redner die fatale Situation bereits geklärt ist: er ist dann nämlich nicht mehr der erste Redner, sondern der zweite. Die hier anwesenden Rundfunkvertreter bitten sehr, an die Mikrofone zu gehen und auch ihren Namen zu sagen, damit dann in der Berichterstattung nicht irgendein Kommentar nötig ist. Ebenso denken wir, dass wir hier niemanden vorstellen müssen, denn jede Auswahl irgendei- ner Eigenschaft wäre eine Wertung, die ich nicht übernehmen will und die mir auch nicht zu- steht, so dass wir lediglich die uns bekannten Wortmeldungen namentlich aufrufen und dann bitte jeder für sich entscheidet, ob und wie er sich vorstellt. Ich stelle mich zuerst vor. Ich bin Gisela Oechelhaeuser, ich bin von Beruf Kabarettistin, ich habe zwanzig Jahre lang in Leipzig bei den "Akademixern" Kabarett gemacht und bin jetzt seit einem Jahr hier in Berlin Dozentin an der Hochschule für Schauspielkunst und bin auch Regis- seur im Kabarett. Ich bin 45 Jahre alt. Ich beginne also mit Peter Härtling: "Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich käme, wenn ich könnte. Ich käme geflogen, gefahren. Aber an diesem Tag geht's schlichtweg nicht. So hoffe ich, dass es bei diesem einen Treffen, Kulturation - Online Journal für Kultur, Wissenschaft und Politik - Nr. 17 • 2014 • Jg. 37 [12] • ISSN 1610-8329 3 Kulturation / Zeitdokumente / Wortprotokoll Zwischenrede 1989 bei diesem einen Gespräch nicht bleibt. Denn ich möchte dabei sein, wenn nachgedacht wird über HübenOderDrüben oder DrübenUndHüben oder NüberWieRüber oder NixWieNüberRüber, wenn nachgedacht wird über die schnell weggeworfene Geschichte, über Wieselwenden und Wendewiesel über die verdammte deutsche gemeinsame Verdrängungsfähigkeit. Mir haben Ideologien seit meinem dreizehnten Jahr (fünfundvierzig!) gestunken und nicht minder jene Ersatzweisen, die sich allein durch GeldAktienImmobilien auswiesen. Mit einem schönen Gruß an alle, die dabei sein werden! Ihr Peter Härtling. Ich bitte nun Herrn Roloff-Momin, sich vorzustellen und dann den ersten Redner aufzurufen. Ulrich Roloff-Momin Meine Damen und Herren, mein Name ist Ulrich Roloff-Momin. Zum Hintergrund: Ich komme aus dem anderen Teil dieser Stadt. Ich beschäftige mich seit 1969 mit Kulturpolitik, war eine gewisse Zeit Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses und bin seit 1977 verantwortlich für die Westberliner Hochschule der Künste. Wir - und damit meine ich eine Gruppe von Westberliner Frauen und Männern - haben von der Gesellschaft für demokratische Kultur in der DDR, der KulturInitiative '89, die Frage erhalten, ob wir gemeinsam mit der KulturInitiative '89 Veranstaltungen organisieren würden, ob wir uns da mit einklinken würden, ob wir bereit wären, in solchen Veranstaltungen etwas zu sagen. Wir haben das sehr gern getan, vor allen vor dem Hintergrund, dass wir alle, die wir diese KulturIni- Kulturation - Online Journal für Kultur, Wissenschaft und Politik - Nr. 17 • 2014 • Jg. 37 [12] • ISSN 1610-8329 4 Kulturation / Zeitdokumente / Wortprotokoll Zwischenrede 1989 tiative derzeit bilden, der festen Überzeugung sind, dass es nicht sein kann, dass sich Men- schen aus der BRD oder aus Westberlin ungefragt einmischen. Dass sie sich nur dann mit dem, was sie zu sagen haben, zur Verfügung stellen, wenn sie gefragt sind, dass sie nicht vor- laut