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ERSCHEINUNGSORT WIEN/P.B.B./VERLAGSPOSTÄMTER 1150 WIEN, 2700 WR. NEUSTADT/GZ 02Z033355M NUMMER 1–2–3/2016, 2 EURO

1934–1945 DER SOZIALDEMOKRATISCHE KÄMPFER Bund Sozialdemokratischer Freiheitskämpfer/innen, Opfer des Faschismus und aktiver Antifaschist/inn/en

Einer von uns, einer für uns! Am 24. April dieses Jahres findet die Wahl zum öster­ fer hat einmal so eindrucksvoll zu kämpfen haben. Hundstorfer reichischen Bundespräsidenten statt. Mit Rudolf Hunds­ gesagt: ‚Nie zusehen, wenn weiß, wie wichtig gerechte Ein­ torfer ist ein Kandidat im Rennen, der nicht zuletzt auf­ Unrecht geschieht‘“, zeigte sich kommen und Pensionen, wie grund seiner langjährigen Erfahrung als Gewerkschafter Hundstorfer im Zuge der Befrei­ wichtig Bildung und Ausbildung und Sozialminister die besten Voraussetzungen für das ungsfeierlichkeiten im ehemali­ sind. Das prägt seine Herange­ höchste Amt im Staat mitbringt. gen Konzentrationslager Maut­ hensweise. Ärmel aufkrempeln hausen 2009 tief beeindruckt. und gemeinsam anpacken! – ass Antifaschismus für nehmen und unsere Pflicht in Damit das soziale Gefüge Öster­ ihn gelebte politische der Bewusstseinsbildung so­ Der Einsatz für die Demokratie reichs nicht auseinanderbricht. Praxis ist, stellte das wie der Anerkennung der Op­ und den Zusammenhalt in der Dlangjährige Mitglied fer zu leisten“, so Hundstorfer, Gesellschaft ist dem Anwärter Rudolf Hundstorfer hat bereits unseres Bundes der Freiheits­ der ­Richard Bernaschek bei ei­ auf das höchste Amt der Re­ mehrfach bewiesen, dass er kämpfer/innen Rudolf Hunds­ ner Gedenkveranstaltung zum publik enorm wichtig. Auch die nötige Erfahrung und Pro­ torfer unter Beweis, als fessionalität hat, um ein er die Bedingungen für Bundespräsident für alle Friedens-, Gedenk- und Österreicherinnen und Sozialdienste junger Men­ Österreicher zu sein. Ob schen im Vorjahr durch als Jugendvertrauensrat eine Gesetzesnovelle während seiner Zeit als spürbar verbesserte. So Lehrling zum Bürokauf­ ist es seither auch Frauen mann, ob als langjähriger möglich, Gedenkdienst zu Arbeitnehmervertreter, leisten. Ein positives Zei­ als Vorsitzender des Wie­ chen für das tägliche En­ ner Gemeinderates, als gagement wider das Ver­ ÖGB-Präsident beim Auf­ gessen. Als Sozialminister räumen nach der Bawag- trug Hunds­torfer auch für Krise oder als langjähriger die Opferfürsorge Sorge Arbeits- und Sozialmi­ und verbesserte den Zu­ nister – seine Arbeit war gang für viele Betroffene. und ist geprägt von einem konsequenten Eintreten

Bei der Generalversamm­ Astrid Knie für die soziale Gerech­ lung der Österreichischen Präsidentschaftskandidat Rudolf Hundstorfer gemeinsam mit den SPÖ- tigkeit und die Interessen Freunde der Jerusalemer Frauen auf dem Zentralfriedhof: Gedenken an , Hertha der Werktätigen. Holocaust-Gedenkstätte Firnberg, Johanna Dohnal und Barbara Prammer anlässlich des Frauentags Yad Vashem sagte der Klar ist, dass Rudolf nunmehrige Präsidentschafts­ 12. Februar 1934 einmal mit als Bundespräsident will er Hundstorfer­ als einziger Kandi­ kandidat im März des Vorjahres: folgenden Worten würdigte: „Er Brücken bauen, die Menschen dat die notwendigen politischen „In Zeiten wie diesen, in denen hat erkannt, dass der Faschis­ zusammenbringen und das Ge­ Voraussetzungen für dieses der Extremismus wiederauflebt, mus die Menschen in den Unter­ meinsame in den Vordergrund wichtige Amt mitbringt. Gerade in denen politisch und religiös gang führt und dass sich Sozial­ stellen. Bereits in seiner Antritts­ in Zeiten großer Herausforde­ motivierter Hass geschürt wird, demokratie und Faschismus mit rede hat Rudolf Hundstorfer rungen ist es besonders wich­ ist es umso mehr notwendig, die aller Offenheit und Deutlichkeit bekräftigt, sich für das soziale tig, die Menschen zusammen­ Vergangenheit aufzuarbeiten, als unerbittliche Feinde gegen­ Fundament Österreichs stark­ zubringen, das Gemeinsame zu Schicksale aufzuzeigen und mit überstehen.“ zumachen und einen möglichst finden und ein Auseinanderdrif­ diesem Wissen in eine Zukunft großen Beitrag dazu zu leisten, ten der Gesellschaft zu verhin­ zu schreiten, die die Würde der Auch die Würdigung des Ver­ dieses Fundament weiter auszu­ dern. Rudolf Hundstorfer ist der Menschen außer Frage stellt.“ mächtnisses „einer großen bauen. beste Kandidat für die Hofburg, Frau“, nämlich Rosa Jochmanns, für Österreich und seine Bevöl­ Seine Arbeit ist getragen von war und ist Hundstorfer ein An­ Der sozialdemokratische Kan­ kerung. Er ist einer von uns und dem Bemühen, „den Pfad der liegen. „Die große österreichi­ didat weiß, was es heißt, aus einer für uns. Deshalb lohnt es Aufarbeitung weiterzugehen, sche Sozialdemokratin, Politi­ einfachen Verhältnissen zu sich, dafür zu kämpfen, dass unsere Verantwortung für un­ kerin und langjährige Bundes­ kommen. Er kennt die Proble­ Rudolf Hundstorfer der nächste sere Geschichte weiter zu über­ vorsitzende der Freiheitskämp­ me, mit denen viele Menschen Bundespräsident wird! n schwerpunkt DER SOZIALDEMOKRATISCHE KÄMPFER

„Ich will eine Hofburg der offenen Türen“

Wirtschaft und Arbeits- plätze hängen ja be- Zur Person kanntlich zusammen. Hier offensiv zu sein, Rudolf Hundstorfer wurde schafft Jobs. am 19. September 1951 in Wien geboren. Der Auslandsreisen eines gelernte Bürokaufmann österreichischen Staats- startete seine politische chefs haben auch gro- Laufbahn in der Gewerk- ße symbolische Bedeu- schaft der Gemeinde- tung. Gibt es ein Land, bediensteten (GdG) als das aus politischen Jugendvertrauensperson. Gründen nicht besucht 1990 zog Hundstorfer werden sollte? zum ersten Mal in den Das müsste man natür- Wiener Landtag ein, in lich im Einzelfall prüfen dem er bis 2007 saß. und dann entscheiden. Von 2003 bis 2007 übte er die Funktionen des Der Bundespräsident Bundesvorsitzenden der hat auch die Aufgabe, GdG aus. Danach war er oberster Hüter der Bun- bis zu seiner Angelobung Johannes Zinner, SPÖ/Thomas Lehmann Johannes Zinner, desverfassung zu sein. zum Sozialminister im „Mit dem Schüren von Ängsten löst man keine Probleme“, sagt Präsidentschaftskandidat Rudolf Hundstorfer Was das betrifft, habe Jahr 2008 als Präsident ich aufgrund meiner des Österreichischen Ge- Regierungstätigkeit ei- werkschaftsbundes tätig. Bundespräsidentschaftskandidat Rudolf Hundstorfer im nen gewissen Kennt- Hundstorfer ist verheira- ­Interview zu seinem Amtsverständnis, zum Bundesheer und nisstand, den ich mit- tet, hat eine Tochter und zur Flüchtlingssituation. nehme. Es braucht aber zwei Stiefkinder. sicher da und dort zu- Wie würde ein Bundespräsident Tisch bringen, wenn es in der sätzliche Beratung. Hier würde Rudolf Hundstorfer sein Amt ge- Regierung stockt und die Sta- ich es ganz ähnlich halten wie schlüsse gefasst. Die müssen stalten? bilität gefährdet ist. Dann wird Bundespräsident Heinz Fischer, nun abgearbeitet werden. Eines Rudolf Hundstorfer: Ich will man ja sehen, ob doch noch was der sich Expertisen von unbe- ist klar: Mit Ängsten und dem eine Hofburg der offenen Tü- geht. strittenen Autoritäten auf dem Schüren von Ängsten löst man ren. Zwar müsste der Bundes- Gebiet des Verfassungsrechts keine Probleme. präsident Hundstorfer vieles Kann mit einer regen Reisetätig- geholt hat. aus einem anderen Blickwinkel keit gerechnet werden? Was würde ein Oberbefehlshaber betrachten als der Sozialminister Durchaus. Es geht darum, so- Die Flüchtlinge sind auch im Hundstorfer für das Bundesheer Hundstorfer. Aber wenn es etwa wohl politische Kontakte zu Bundespräsidentschaftswahl- bedeuten? um soziale Einschnitte geht, pflegen als auch wirtschaftliche. kampf ein Thema, das sehr emo- Für mich ist klar, und das ent- würde ich mit mahnenden Wor- Auslandsreisen mit Wirtschafts- tionalisiert ist. spricht auch meinem bisherigen ten und vielen Appellen nach delegationen sind gerade für ein Gerade hier ist ein Zurück zur teamorientierten Arbeitsstil, dass innen und außen aktiv werden Land wie Österreich, das stark Sachlichkeit gefragt. Die Regie- die offenen Türen auch für Ver- und klarmachen, dass es Gren- exportorientiert ist, wichtig. rung hat sehr vernünftige Be- teidigungsminister und General- zen gibt. Wesentlich ist ein res- stab gelten. Ich denke auch, dass pektvoller Umgang. Das war für die zusätzlichen Aufgaben, die mich schon immer so. sich aus der Flüchtlingskrise er- geben, nicht aus dem laufenden Heißt das, dass Kanzler und Vi- Betrieb möglich sein werden. zekanzler hinter die berühmte Der All-Parteien-Antrag des Na- rote Tapetentür geladen werden? tionalrats ist hier ein wichtiger Das heißt, dass ich kein leiser Anstoß, sich die Einsparungsplä- Präsident sein werde. Ich setze ne nochmals anzusehen. sehr auf Gespräche, Verhandlun- gen und Kompromisse. Damit Wir danken für das Gespräch. habe ich einige Erfahrung. Als (Das Interview wurde uns dan- Bundespräsident kann ich die kenswerterweise von „SPÖ aktu- Entscheidungsträger an einen ell“ zur Verfügung gestellt.) n

2 DER SOZIALDEMOKRATISCHE KÄMPFER Organisation

Für unsere KZ-Überlebenden und Hinterbliebenen Die Betreuung der KZ-Überlebenden und ihrer Hinter- terbliebenen auch ins Sozialmi- Versorgung usw.). Weiters leis- bliebenen ist neben unserem antifaschistischen Engage- nisteriumservice (vormals Bun- ten wir Beratung für die Zuer- ment das wichtigste Anliegen der sozialdemokratischen dessozialamt und noch früher kennung von Zuschüssen für Freiheitskämpfer/innen. Jedes Opfer wird, wenn ge- Landesinvalidenamt), um dort Spitalsaufenthalte. Auch bei der wünscht, von uns besucht. mit ihnen um einen Parkausweis Befreiung von Gebühren für Re- nach § 29b anzusuchen und be- zepte und Rundfunk sowie der nsgesamt entfällt im Durch- oft Hilfe­stellung für eine Zuer- gleitet sie zum ärztlichen Sach- Telefongrundgebühr konnten schnitt gut ein halber Tag pro kennung beziehungsweise Er- verständigen. Diese § 29b-Park- wir schon oft helfen, ebenso IWoche auf diese natürlich höhung des Pflegegeldes geben. ausweis-Bestimmungen gelten bei der Eintragung des Freibe- ehrenamtliche Betreuung. Die auch für Lenkerinnen und Len- trages aufgrund des Vorliegens Bedeutung der Hausbesuche Ein besonderes Anliegen sind ker von Fahrzeugen, während eines Opferausweises oder ei- besteht darin, durch persönliche uns Beratung und Hilfestellung sie einen Menschen, der diesen ner Amtsbescheinigung. Von Gespräche der Vereinsamung für die Zuerkennung bezie- Ausweis besitzt, befördern. den von uns Betreuten beziehen der Opfer entgegenzuwirken. hungsweise die Erhöhung von viele eine Ausgleichszulage. Für Da alle Betreuten schon sehr be- Opferrenten aufgrund haftbe- Ebenso ein Anliegen ist uns sie wird jedes kaputt gegangene tagt sind, kümmern wir uns vor dingter Gesundheitsschäden. die Beratung für Zuschüsse zu Haushaltsgerät, jede neue Brille allem um ihre gesundheitliche Genosse Peter Weidner begleitet Heilbehelfen (Brillen, Hörgerä- oder gar ein Zahnersatz zum gro- Lage. Dabei konnten wir schon die KZ-Überlebenden und Hin- ten, Zahnersatz, orthopädischer ßen finanziellen Problem. n

Information zur ­Opferfürsorge Die Einkommensgrenzen für (oder Lebensgemeinschaft) Euro, Erhöhungsbeitrag pro (ohne Einkommensgrenze) bis die Vergabe von Leistungen 2.446 Euro, Erhöhungsbeitrag Kind 311 Euro. zur Höhe des dreifachen Betra- aus dem Ausgleichstaxfonds pro Kind 311 Euro. ges des Kostenzuschusses des Opferfürsorge wurden ab Zuschüsse für Zahnkronen 105 Krankenversicherungsträgers. 1. Jänner 2016 wie folgt erhöht: Für Darlehen: Einzelpersonen Euro, einohrige Hörgerätever­ 2.290 Euro, Ehepaare (oder sorgung 720 Euro, beidohrige Bei allen Fragen steht Ihnen Für Aushilfen: Einzelpersonen Lebensgemeinschaft) 2.717 Hörgeräteversorgung 1.080 Peter Weidner telefonisch 1.538 Euro, Ehepaare (oder Euro, Erhöhungsbeitrag pro Euro, Krankenbetten und Kran­ unter 0664/533 88 29 oder per Lebensgemeinschaft) 2.160 Kind 311 Euro. kenfahrstühle 720 Euro, Seh­ E-Mail ([email protected]) mit Euro, Erhöhungsbeitrag pro behelfe und Brillen 285 Euro, Rat und Tat zur Seite. Er be- Kind 311 Euro. Für Aushilfen bei Heilfürsorge­ orthopädische Schuhe 281 sucht Sie auch zu Hause, berät leistungen: Einzelpersonen Euro, sonstige Heilbehelfe und Sie, füllt mit Ihnen Formulare Für Spitalsaufenthalte: Einzel- 1.850 Euro, Ehepaare (oder Hilfsmittel 160 Euro, psycho­ aus und leitet diese an die personen 1.904 Euro, Ehepaare Lebensgemeinschaft) 2.335 therapeutische Behandlungen zuständigen Stellen weiter.

Neuer Vorstand

m November des vergan- Bundesorganisation wird sie mit genen Jahres wurde in der den Vorstandsmitgliedern, die IJahreshauptversammlung aus allen drei Bezirken kom- der neue Vorstand der Bezirks- men, die wichtige antifaschisti- gruppe Mariahilf, Neubau und sche Arbeit fortsetzen. Josefstadt gewählt. Annemarie Einen Überblick über die viel- Hopfgartner hat die Nachfolge fältige Herausforderung der von Hans Brosch angetreten, Arbeit gab der Gast der Jahres- der im Mai 2015 plötzlich ver- konferenz, der Vorsitzende des starb. Landesverbandes Wien, Gerald Als langjährige Sekretärin der Netzl. n

V. l. n. r.: Gallus Vögel, Christa Bammer, Annemarie Hopfgartner, Heidi Reinwein-Karik

3 organisation DER SOZIALDEMOKRATISCHE KÄMPFER

Victor-Adler-Plakette für Rudolf Gelbard Im Zuge eines Festaktes im Parlament ist dem uner­ größte Auszeichnung der Partei Widerstandskämpferin­ Rosa müdlichen Aufklärer und Antifaschisten, Zeitzeu­ mit Freude und Demut“ ent- Jochmann bei der SPÖ. gen und Sozialisten Rudolf Gelbard am 15. Februar gegen. In seiner Dankesrede die höchste Auszeichnung der Sozialdemokratie für erinnerte er sich an Weggefähr- Alleine gesellschaftliche Ent- ­besondere Verdienste um die österreichische Arbei­ tInnen und Vorbilder im Kampf wicklungen zu kritisieren, ma- terInnenbewegung verliehen worden. gegen den Faschismus. „Das che noch niemanden zum De- Leben hat mich zum Sozialisten mokraten und Antifaschisten, ls Bundeskanzler bin ich Bures in Anspielung auf einen gemacht. Ich bin, ich war und so der Bundeskanzler. Erst die stolz darauf, dass wir in Artikel in der Zeitschrift „Aula“ werde immer Sozialist bleiben“, „klare Abgrenzung zu Antisemi- A Österreich Menschen wie fest (siehe Seite 3). Der geehr- bedankte sich Gelbard mit den tismus, Rassismus und Rechtsex- Rudi Gelbard haben, die mit al- te Rudolf Gelbard nahm „diese Worten der österreichischen tremismus“ mache dies möglich. ler Kraft antifaschistische Aufklä- „Nicht zu vergessen, rechtzeitig rung leisten und somit als Vor- aufmerksam zu machen und bild für uns alle dienen“, erklärte Die Victor- neuartige faschistische Strömun- SPÖ-Vorsitzender Bundeskanz- Adler- gen nicht zuzulassen, ist unsere ler Werner Faymann im Rahmen Plakette ist stärkste Kraft im Antifaschismus. der Verleihung der großen Vic- die höchste Nur wer politisch so standfest ist tor-Adler-Plakette. „Manchmal Auszeich- wie du, Rudolf Gelbard, hat die macht es fast sprachlos, zu se- nung der Kraft, sich immer zu Wort zu mel- hen, wie schamlos unantastbar SPÖ für den und zu mahnen, dieses Ka- besondere geglaubte Tabugrenzen über- Verdiens- pitel unserer Geschichte nicht zu schritten werden, wenn etwa te um die vergessen“, stellte Faymann fest. wie zuletzt Holocaust-Opfer österreichi- ungestraft als ‚Massenmörder‘, sche Arbei- Die Redaktion gratuliert Genos- als ‚Landplage‘, als ‚Kriminelle‘ terInnenbe- sen Gelbard herzlich zu dieser bezeichnet werden können“, wegung Würdigung seines beeindru- stellte Nationalratspräsidentin n Johannes Zinner/SPÖ ckenden Schaffens!

Ehrung im Bundeskanzleramt Am 10. Februar hat im Bundeskanzleramt eine berüh­ ter war sie im Partisanenkampf in Vizedirektor des DÖW. Seit vie- rende Feier stattgefunden. Geehrt wurden verdiente, der Steiermark. Ihre antifaschis- len Jahren widmet er sich der Er- unermüdliche AntifaschistInnen. tische Arbeit erfüllte sie im KZ- innerungsarbeit und ist seit 2013 Verband. Noch heute tritt Maria der Sprecher der ARGE der NS- undesminister Dr. Josef Rassismus, Antisemitismus und Cäsar bei Vorträgen auf. Opferverbände. Ostermayer übergab an Rechtsextremismus, gegen die Irma Trksak, 1940 im Widerstand, Behemalige Widerstands- Verharmlosung von Faschismus verhaftet, eingeliefert in das KZ In seiner Rede dankte Gerhard kämpferinnen, Maria Cäsar und für Demokratie eingesetzt Ravensbrück, gelang 1945 die Kastelic BM Ostermayer, der stets und Irma Trksak, das Silberne haben“, betonte Ostermayer. Flucht. Als Zeugin nahm Irma ein offenes Ohr für die Anliegen Verdienstzeichen der Republik Gerade auch heute sei es wieder Trksak 1947 am Hamburger Ra- der Opferverbände hat. Die Österreich sowie an Dr. Gerhard wichtig, daran zu erinnern, was vensbrück-Prozess teil. Sie war wichtige Arbeit der ARGE, Auf- Kastelic das Goldene Verdienst- passieren kann, wenn Menschen lange Jahre im KZ-Verband Wien klärungsarbeiten zu leisten, wird zeichen. In seiner Laudatio ging sich verhetzen lassen. „Maria Cä- tätig. Die Ehrung nahm ihr Sohn immer davon getragen, aktiv die Ostermayer kurz auf die Vor- sar, Gerhard Kastelic und Irma entgegen, der sein Bedauern da- Erinnerungsarbeit weiter in Schu- kommnisse der Gegenwart ein – Trksak sind uns in ihrem Enga- rüber aussprach, dass seine Mut- len aufzuzeigen. Einstellung eines Verfahrens am gement wichtige Vorbilder und ter aufgrund ihrer Demenz die- LG Graz und der skandalöse haben gezeigt, dass man sich se späte Würdigung nicht mehr Musikalisch wurde die Feier von Faschingswagen in Maissau –, nicht einschüchtern lassen darf“, wahrnehmen kann. der Musikgruppe „Busted Flat“ bevor er die Arbeit der zu Eh- sagte der Bundesminister. Sie ha- Dr. Gerhard Kastelic, dessen Va- begleitet, unter den Gästen be- renden würdigte. „Mit diesen ben ein gemeinsames Ziel, aber ter im katholischen Widerstand fanden sich ZeitzeugInnen Käthe Auszeichnungen dürfen wir als unterschiedliche Lebensläufe. war und 1944 im Landesgericht Sasso und Rudolf Gelbard sowie Republik Österreich für den Wien hingerichtet wurde, ist ein Hannes Schwantner, Winfried unermüdlichen Einsatz der Ge- Maria Cäsar leistete Widerstand in Opfer des Faschismus. Er ist Ob- Garscha und Hannah Lessing wie ehrten danken, vor allem dafür, der kommunistischen Jugendar- mann der ÖVP-Kameradschaft auch die Mitglieder der einzelnen dass sie sich beharrlich gegen beit, wurde 1939 verhaftet, spä- der politisch Verfolgten und Opferverbände. n

4 DER SOZIALDEMOKRATISCHE KÄMPFER organisation

„Tante Rosi“ ist 97! Dr. Rosa Hirschegger feierte am 27. Februar den 97. Geburtstag.

osi Hirschegger besitzt zum Kriegsende folgten Verhöre Käthe Sasso das sprichwörtliche rote und Bespitzelungen. bei der Prä- RKämpferherz. Fragt man sentation des Rosi, welchen Rat sie den Sozi- Nach dem Krieg begann ihre Dokumentar- films „Er- aldemokratInnen für die Zukunft große Zeit als Kindergärtnerin, schlagt mich, noch geben will, antwortet sie später Leiterin eines Kindergar- ich verrate mit fester Stimme: „Nicht nach- tens. Aus dieser Zeit stammt der nichts!“ geben!“. Sie hält die sozialde- unverwechselbare Name „Tante mokratischen Werte für absolut Rosi“, mit dem sie hunderten richtig und daher nicht verhan- Kindern von Innsbruck, jetzt delbar. selbst Eltern oder Großeltern, bekannt wurde. Schon in der austrofaschistischen Zeit war die ausgebildete Kinder- Als Achtzigjährige beendete sie gärtnerin im Widerstand, auch ihr Pädagogik-Studium mit dem die Nationalsozialisten hatten ein Doktorat. wachsames Auge auf Rosi. Schon Hagen KG/Leo Zolles Parlamentsdirektion/Bildagentur 1939 musste sie ein vierstündiges Sie hat sich zeitlebens in der Fal- -Verhör erdulden. Bis kenbewegung engagiert, später Alles Gute, Käthe Sasso! kam noch die Friedens- bewegung dazu. m März hat Widerstands- politische Arbeit leistet. „Ihre kämpferin Käthe Sasso ihren Erzählungen, Mahnungen und Rosi ist eine Ikone der I90. Geburtstag gefeiert. Forderungen als Zeitzeugin in sozialistischen Arbeiter- ihrer Arbeit mit Jugendlichen bewegung, eine Zeitzeu- Und am 8. April wird Genossin waren und sind vorbildlich und gin von großem Wert. Sasso in der Wiener Hofburg zu honorieren“, hielt etwa SPÖ- Möge „Tante Rosi“ noch der Professorinnen-Titel verlie- Klubobmann Andreas Schieder lange regen Anteil an hen – eine mehr als verdiente in einer Gratulationsaussen- der Politik nehmen kön- Würdigung des beeindrucken- dung fest. Wir werden in der nen und noch viel Ge- den Schaffens der überzeugten kommenden Ausgabe ausführ- Die Freiheitskämpfer/innen Tirol legenheit zur Mitsprache Antifaschistin und Zeitzeugin, lich über die Verleihung in der gratulierten „Rosi“ mit einer Torte haben. n die unermüdlich erinnerungs- Hofburg berichten. n

Wir gratulieren: Jänner bis März 2016 97. Geburtstag: Hirschegger Rosi, Innsbruck; Probst Friederike, Wien, Murowatz Appolonia, Wiener Neustadt. 95. Geburtstag: Albrecht Anneliese; Wien. 94. Geburtstag: Gratzl Helene, Maria Theresia/Eggendorf; Bruckner Edu- ard, Neuhaus Helene, Ploderer Johann, Schweidler Maria, Wien. 93. Geburtstag: Buriy Wilhelmine, Wachold Kurt, Wien; Trappl Josefine, Wilhelmsburg.92. Geburtstag: Wuttke Lia, Eichgraben; Radner Angela, Linz; Fantl-Brumlik Walter, Wien. 91. Geburtstag: Turnitscher Hubert, Bruck/Mur; Zak Leo, Gutenstein; Michalica Paula, Seeböck Edith, Wien. 90. Geburtstag: Male Maria, Ferlach; Schmitt Rosina, Linz; Panny Friedrich, Mödling; Lirsch Elfriede, Schwarzau; ­ Janosch Ernestine, Sidlof Hans, Wien; Sasso Katharina, Winzendorf. 85. Geburtstag: Birnbauer Willy, Bromberg; ­Kynast Otto, Korneuburg; Rigler Felix, Neunkirchen; Moser Rudolf, Pöttsching; Schöggl Friedrich, St. Pölten; Haas Walter, Schrems; Schmidberger Franz, Schwechat; Knapp Franz, Sablik Erich, ; Gorski Kurt, Landsmann Kurt, Lauppert Edith, Pucher Josef, Schinko Wilhelm, Wien. 80. Geburtstag: Pitschedell Veronika, Innsbruck; Weiser Gerhard, Leo- poldsdorf; Pühringer Ulrike, Linz; Huf Hedwig, Krammer Fritz, Seckner Anna, Sturm-Schnabl Stanislava-Katharina, Wien. 75. Geburtstag: Martinek Melitta, Eisenstadt; Koczur Anton, Gross-Siegharts; Rupp Anton, Herzogenburg; Riedmann Peter, Innsbruck; Hausenblas Gertrude, Klagenfurt; Holzer Erika, Korneuburg; Gart Erwin, Nagelberg; Reitsamer Annema- rie, St. Gilgen; Fürst Ditmar, Stockerau; Koncilia Dietmar, Villach; Babion Peter, Bertani Hugo, Hursky Lisbeth, Längl Anton, Lorenz Margit, Mentschik Hans, Neudecker Gerda, Rosenberg Friedrich, Ruzicka Günter, Strauss Johann, Zachoval Paul, Wien; Bauer Johann, Ziersdorf.

5 TRAUER DER SOZIALDEMOKRATISCHE KÄMPFER

Trauer um Manfred Scheuch Mit Erschütterung haben wir vom Ableben beliebt waren seine historischen unseres langjährigen Mitgliedes des Bun- Artikel, in denen er die österrei- desvorstandes und Chefredakteurs unserer chische ArbeiterInnenbewegung Zeitung „Der Kämpfer“ erfahren. beleuchtete.

er Historiker und Publizist auch viele junge In einem Nachruf für die Tages- Manfred Scheuch ist am Journalistinnen zeitung „Der Standard“ schrieb D3. Februar 86-jährig nach und Journalisten der renommierte Publizist Paul einer langen schweren Krankheit geprägt und aus- Lendvai: „Er war trotz seiner pro- verstorben. gebildet. funden historischen Kenntnisse und journalistischer Begabung Scheuch hat die österreichische Auch in den Jah- ein außerordentlich bescheide- Sozialdemokratie nicht nur über ren nach dem ner Mensch. Ein Humanist, zu- weite Strecken journalistisch be- Ende der „Arbei- gleich ein überzeugter Kämpfer gleitet und ihr eine starke media- ter-Zeitung“ bril- gegen Rassismus, Fremdenfeind- le Stimme gegeben, sondern sie lierte Manfred lichkeit und Antisemitismus. In auch kritisch kommentiert und Scheuch etwa einer Branche, in der leider oft

analysiert. Als Chefredakteur der als Autor histori- & Scheriau Kremayr Verlag die durch Freundlichkeit ka- „Arbeiter-Zeitung“, bei der er be- scher Fachlitera- Manfred Scheuch: 1929–2016 schierte Hinterhältigkeit den Ton reits ab 1963 als Journalist und tur, wodurch er bestimmt, war dieser stille und ab 1967 als Innenpolitik-Ressort- auch einer breiteren Öffentlich- weiterhin als Chefredakteur in gute Kollege im wahren Sinne leiter tätig war, hat der promo- keit bekannt wurde. Der sozial- den Parteizeitungen „Wiener des Wortes ein Solitär. Er war und vierte Historiker Scheuch nicht demokratischen Medienarbeit Blatt“, „Wien Telegramm“, dem bleibt über politische und welt- nur das politische Leben und die blieb Manfred Scheuch auch Wiener Teil des „Österreich anschauliche Grenzen hinweg gesellschaftliche Entwicklung treu, nachdem die SPÖ ihr me- Magazins“ sowie für den „So- ein Beispiel für menschliche Ge- in Österreich kommentiert und diales Flaggschiff, die „Arbeiter- zialdemokratischen Kämpfer“. radlinigkeit und journalistisches verständlich gemacht, sondern Zeitung“, verkaufte. Er wirkte Besonders informativ und sehr Ethos.“ n

Nachruf auf Hannes Mittermair und Thomas Höpfl

Die Freiheitskämpfer/innen OÖ haben zwei sehr liebe Mit Thomas Höpfl haben wir der einbrachte, werden uns bei Mitglieder und vor allem gute Freunde verloren. einen weiteren Freund verlo- jeder Veranstaltung und jedem ren. Sein überraschender Tod Treffen fehlen. Thomas Höpfl annes Mittermair ist am vielen von uns damit den Alltag hat uns allen einen schweren war uns ein sehr lieber Freund, 1 Februar unerwartet ver- verschönt. Auch bei wichtigen Schock bereitet. Mit Thomas mit dem man sich prächtig un- Hstorben und hinterlässt politischen Tagesthemen hat er ist uns ein Mitglied verloren terhalten konnte und der auch eine tiefe Lücke in unserem seine Meinung kundgetan und gegangen, das in unserer Mitte durch seine umfassende Bil- Bund. Mit ihm haben wir einen zu gemeinsamen Aktivitäten der immer wieder für Überraschun- dung in Diskussionen ein sehr Freund verloren, der durch seine Freiheitskämpfer/innen aufgeru- gen und gute Laune gesorgt hat. anregender Gesprächspartner bescheidene, stille Art und seine fen. Lieber Hannes, du wirst in Seine erfrischende Art und sein war. Thomas hat jede unserer große Hilfsbereitschaft und Zu- unserer Mitte als treuer Freund Humor, aber auch seine kriti- Veranstaltungen bereichert und verlässigkeit aufgefallen ist. Er fehlen. sche Haltung, die er immer wie- wird uns allen sehr fehlen. Er war nicht nur bei den war ein sehr engagierter Frei- meisten Veranstaltun- heitskämpfer, der auch lange gen anwesend, er hat Zeit im Vorstand tätig und auch diese auch immer sehr für die Organisation unseres bereichert und ausrei- Thomas Vereins außerordentlich wich- chend dokumentiert. Höpfl (l.) tig war. Thomas’ Platz im Bund Als ein begeisterter Fo- und Hannes der Freiheitskämpfer/innen zu tograf hat er nicht nur Mittermair ersetzen, wird schier unmöglich gemeinsame Fahrten (r.) hinter- sein. im Bild festgehalten, lassen eine tiefe Lücke er hat auch immer in unserem Ihr fehlt mir, ihr fehlt uns und sehr schöne und aus- Bund ihr fehlt den Freiheitskämpfer/ sagekräftige Eindrü- inne/n. cke seiner zahlreichen Reisen verschickt und Dieter Strobl n

6 DER SOZIALDEMOKRATISCHE KÄMPFER TRAUER

Abschied von Prof. Rudolf Sarközi (1944–2016) Prof. Rudolf Sarközi, Gründer des Kulturvereins ös- Kindheit und Jugend verbrachte kriegszeit. Zu den schlimmsten terreichischer Roma und Vorsitzender des Volksgrup- er in Unterschützen, später zog Momenten seines Lebens gehör- penbeirates der Roma, ist am 12. März im 72. Lebens- er nach Wien und engagierte te wohl auch der Terroranschlag jahr nach schwerer, mit großer Geduld ertragener sich bei der SPÖ. Sarközis Le- in Oberwart, bei dem vier junge Krankheit verstorben. ben war geprägt von den Erfah- Roma getötet wurden. In Folge rungen der Roma und Sinti mit dieses feigen Attentats initiierte udolf Sarközi hat sich als Rudolf Sarközi wurde knapp vor Verfolgung, Mord und Vernich- Sarközi einen Bildungsfonds, Brückenbauer und Gali- dem Ende des nationalsozialis- tung durch die Nazis und den der die soziale Situation der Ronsfigur im Kampf gegen tischen Regimes im Anhaltela- schwierigen Bedingungen der Roma-Familien im Burgenland Rassismus und Ausgrenzung ger Lackenbach geboren. Seine Volksgruppe auch in der Nach- entscheidend verbesserte und sowie um die Anerken- mit dessen Hilfe Kinder, Ju- nung der Roma als Volks- gendliche und Erwachsene der gruppe besonders verdient Roma-Volksgruppe im Bereich gemacht. PolitikerInnen, der vorschulischen Erziehung JournalistInnen und Vertre- sowie für Aus-, Weiter- und terInnen öffentlicher Stellen Fortbildung finanzielle Unter- im In- und Ausland kannten stützung erhalten haben. ihn als kompetenten, wort- gewandten und gleichzeitig Im Zuge der parlamentarischen sachbezogenen Minderhei- Verhandlungen um die offiziel- tenvertreter und Verhand- le Anerkennung der Roma als lungspartner. Der Beschluss sechste österreichische Volks- der Anerkennung der Roma gruppe im Jahr 1993 wurde Sar- als Volksgruppe erlangte közi einer breiteren Öffentlich- im Dezember 1993 Rechts- keit bekannt. kraft – für Sarközi einer der Durch seine zahlreichen Fern- schönsten Tage seines Le- sehauftritte – vor allem rund bens, wie er erst im Vorjahr um die Briefbombenserie und sagte. Sarközi erhielt zahl- das Bombenattentat auf die reiche Auszeichnungen, da- Roma-Siedlung in Oberwart im runter das Goldene Ehren- Jahr 1995 – galt er den Öster- zeichen für Verdienste um reicherinnen und Österreichern die Republik Österreich. als Gesicht und Stimme dieser

Sarközi wurde zudem zum Commons Wikimedia / Johann Morgenbesser Franz lange verfolgten und diskrimi- Ehrenprofessor ernannt. Prof. Rudolf Sarközi: 1944–2016 nierten Minderheit. n

Ludwig Rechtberger (1922–2016) ie burgenländischen Frei- der Folge wurde die Sozialdemo- heitskämpfer/innen nah- kratie als Partei verboten und die Dmen am 12. Februar 2016 Demokratie in Österreich gänzlich Abschied von Genossen Ludwig beseitigt. Rechtberger (26. 6. 1922–5. 2. 2016). Rechtberger gehörte als Jugendli- VertreterInnen der Freiheitskämp- cher zu einer aktiven Gruppe von ferInnen nahmen am Begräbnis Widerstandskämpfern in der Ge- von Ludwig Rechtberger teil. „Wir meinde Steinbrunn, die sich bereits wollen unserem Genossen ein eh- in der Zeit des Austrofaschismus rendes Andenken bewahren. Er ge- und später auch unter den Natio- hörte zu jenen, die schon in jungen nalsozialisten gegen Diktatur und Jahren die Zeichen der Zeit erkannt Verfolgung auflehnten. Sein Be- haben und die gemeinsam dage- gräbnis fand am 12. Februar statt – gen eingetreten sind“, so die Vorsit- einem für die Sozialdemokratie zende Dr. Susanna Steiger-Moser. bedeutungsvollen Tag. Ein Tag, an „Gerade am 12. Februar wollen dem in Österreich von Polizei und wir mit unserem Gedenken auch Militär gegen ÖsterreicherInnen daran erinnern, wozu Rassismus,

volksgruppen.orf.at mit Waffen vorgegangen wurde Faschismus und Menschenverach- Ludwig „Lutz“ Rechtberger verstarb im 94. Lebensjahr und es Tote und Verletzte gab. In tung führen können.“ n

7 gedenken DER SOZIALDEMOKRATISCHE KÄMPFER Wien im Februar 1934 – Syrien heute

Redaktionsmitglied Claus Michl- Atzmüller hat die heurige Gedenk- veranstaltung der SPÖ Wien zum 12. ­Februar 1934 besucht und für unsere Zeitung einen (kritischen) Bericht verfasst.

ie Wiener SPÖ Bildung, Gerald der Bund Sozialdemo­ Netzl und kratischer Freiheits­ Marina kämpfer/innen, die Hanke D auf der Volkshilfe Wien und die Sozi­ Bühne alistische Jugend Wien luden vor dem zum Gedenken an die Opfer der Haupt- ­Februarkämpfe 1934 und jener bahnhof der aktuellen Bürgerkriege ein. Rund 3.000 Kilometer von Ös­ terreich entfernt tobt seit Jahren ein verheerender Bürgerkrieg in Wien Josef Hubmayer/SPÖ Syrien. Seit 2011 wurden hun­ derttausende Menschen getötet. Diskussion ein und betonte, dass wurde, das Gedenken an den Vorsitzender der Wiener Bildung, Millionen SyrerInnen sind auf grundsätzlich die Gedenkveran­ 12. Februar auch zukünftig auf­ moderierte, war Stadträtin Sonja der Flucht. Syrien, ein einziges staltung an Originalschauplätzen rechtzuerhalten. Wehsely. Aus ihrem Statement Trümmerfeld. Mit dieser Gedenk­ durchgeführt werden sollte. Die geht hervor, dass der 12. Febru­ veranstaltung zeigte sich die Sozi­ Entscheidung für den Haupt­ Marina Hanke, Vorsitzende der ar eine Zeit ist, um jener zu ge­ aldemokratie solidarisch mit den bahnhof sei in diesem Jahr aber SJ Wien, und Frau Prof. Eri­ denken, die ihr Leben im Kampf Opfern der Bürgerkriege in Syri­ durchaus weise, so Gerald Netzl. ka Stubenvoll, Vorsitzende der gegen das austrofaschistische en, Libyen, im Jemen und Irak. Volkshilfe Wien, gingen in ihren Unrechtsregime ließen, der öster­ Kritisch sei hier aber festgehal­ Wortmeldungen vor allem auf die reichische Bürgerkrieg aber auch Die Kundgebung fand am 11. Fe­ ten, dass der Konnex Haupt­ aktuelle Situation in der Flücht­ einen Auftrag für die Zukunft be­ bruar am Wiener Hauptbahnhof bahnhof – Republikanische lingskrise ein. Insbesonders deutet, immer für Demokratie statt. Bahnhöfe stehen symbo­ Schutzbündler kaum vorhanden habe sich die Stimmung seit dem und Menschenrechte einzuste­ lisch für Flucht (und Ankunft). war (hier hätte man beispiels­ „Willkommenskultur-Hype“ ge­ hen, sich mit jenen solidarisch zu Im Vorfeld der Veranstaltung gab weise die „Flucht“ und Ankunft dreht, rechtspopulistisches und zeigen, die vor Krieg und Terror es Diskussionen darüber, ob die von Schutzbündlern in der Sow­ rechtsextremes Gedankengut sei fliehen. Gedenkveranstaltung am Haupt­ jetunion, aber auch die Mos­ im Aufwind. Die Sozialdemokra­ bahnhof abgehalten werden soll­ kauer Schauprozesse erwähnen tie müsse sich diesen politischen Für den musikalischen Rahmen te. Gerald Netzl, Vorsitzender der können) und die Veranstaltung Entwicklungen entschlossen und sorgte die Gruppe „Morgenrot“, Sozialdemokratischen Freiheits­ generell etwas „lieblos“ gestaltet geschlossen entgegenstellen, so die eine Reihe von Liedern der kämpfer/innen Wiens ging in wirkte. Trotzdem möchten wir der Tenor der Wortmeldungen. ArbeiterInnenbewegung spielte.­ seiner Wortmeldung, in der er im positiv hervorheben, dass von Die Veranstaltung zählte ­mehrere Übrigen auch an den Sozialisten­ allen Seiten in der Sozialdemo­ Hauptrednerin der Gedenkver­ hundert Besucherinnen und Be­ prozess 1936 erinnerte, auf diese kratie das Bekenntnis abgelegt anstaltung, die GR Ernst Woller, sucher. n

Ich erkläre mit Wort und Unterschrift, Der Schutzbund-Eid der Demokratie und der sozialdemo­ dass ich dem Republikanischen der Reaktion zu bewahren. kratischen Partei zu verfechten. Schutzbund aus freiem Willen ange­ Ich verpflichte mich mit Handschlag, Mit dieser Erklärung gelobe ich, in allen höre, um die republikanische Verfas­ alle Pflichten eines Mitgliedes des Kämpfen welcher Art immer mit Auf­ sung und die Demokratie zu schüt­ Republikanischen Schutzbundes in opferung und Zähigkeit auszuharren. zen, die Errungenschaften der Treue und mit Eifer zu erfüllen, ­Revolution zu hüten und die Anordnungen der Führer Diese feierliche Erklärung besiegle ich die politische und gewerk­ des Schutzbundes jederzeit hiemit mit meiner Unterschrift! schaftliche Unabhängigkeit gewissenhaft zu befolgen der österreichischen Arbei­ und immer und überall die (Quelle: „Der Schutzbund“ Nr. 11/ terschaft vor den Angriffen Interessen der Republik, Nov. 1927, Seite 170)

8 DER SOZIALDEMOKRATISCHE KÄMPFER gedenken

Februargedenken in

Anlässlich des 82. Jahrestages der Februarkämpfe luden Hetzern sein und jeglicher Aus­ Europa richteten. Das Renner-In­ der Bund Sozialdemokratischer Freiheitskämpfer/innen grenzung eine klare Absage er­ stitut Salzburg lud am Vorabend und die vida Salzburg zu einer gemeinsamen Kranznie- teilen. Nur so ist es möglich, eine des diesjährigen Februargeden­ derlegung am Salzburger Hauptbahnhof ein. gesellschaftliche Polarisierung zu kens dazu ein, diese vielfältige verhindern.“ Kultur des Widerstandes näher ort kam es am Abend des designierte­ Landesvorsitzende kennenzulernen und gemeinsam 12. Februars zu einem der Salzburger ­Freiheitskämp- Lieder des Widerstandes ausgewählte Lieder zu proben. Dgrößeren Zwischenfall, als fer/innen betonte darin, wie Zu Beginn des 20. Jahrhunderts nach der Ausrufung des Gene­ wichtig es ist, aus der Geschichte entstanden zahlreiche revoluti­ Bei diesem Themenabend wur­ ralstreiks im Heizhaus eine Lo­ zu lernen: „Der Februar 1934 ist onäre ArbeiterInnenlieder, die den zunächst die geschicht­ komotive in die Drehscheiben­ Mahnung und Auftrag zugleich. sich gegen den aufkeimenden lichen und gesellschaftlichen grube gefahren wurde. Zahlrei­ Wir müssen wachsam gegenüber Faschismus in Österreich und Hintergründe thematisiert, be­ che Züge konnten so bis zum vor im zweiten Teil bekannte darauffolgenden Abend nicht Lieder einstudiert und gesungen mehr abgefertigt werden. wurden. So auch das „Lied der österreichischen Widerstands­ Rudolf Schuchter, Landesvor­ kämpfer“, welches 1944 nach sitzender der vida Salzburg, er­ einem nächtlichen Feuergefecht innerte in seiner Begrüßung an zwischen der österreichischen die zahlreichen Eisenbahner, die Partisanengruppe Leoben-Dona­ Widerstand gegen das austrofa­ witz und SA- und SS-Verbänden schistische und später national­ entstand. sozialistische Regime leisteten. „Diese tapferen Genossen nicht Webtipp: Ausführliche Infor­ zu vergessen, ist eine Verpflich­ mationen zum Thema gibt es tung“, so Schuchter. Matteo Gebhart, designierter Landesvorsitzender auf steinocher-archiv.at, der Ge­ Die anschließende Gedenk­ der Freiheitskämpfer/innen Salzburg, hielt heuer schichtsseite des Renner-Instituts rede hielt Matteo Gebhart. Der die Gedenkrede am Salzburger Hauptbahnhof Salzburg. n

Höchste Auszeichnung der hat die Bedeutung der Exil- und Sozialdemokratischen Frei- Aus der Geschichte lernen Widerstandsliteratur für die ös­ heitskämpfer/innen Tirol terreichische Kultur wiederent­ an Gerlinde Ritter und Kon- drangsaliert worden sind“, erin­ ­Nationalsozialismus, eine Doku­ deckt und thematisiert. stantin Kaiser verliehen. nerte Vorsitzender Helmut Muigg mentation des Widerstandes in Seine Mitarbeit in vielen Gesell­ und mahnte, aus der Geschichte Innsbruck. schaften, Forschungsgruppen, underte Frauen und Män­ zu lernen. Ausstellungen ist sehr geschätzt, ner, die gegen das auto­ Dr. Konstantin Kaiser, Mitbe­ auch war und ist er gefragter Hritäre System aufstanden Im Rahmen der Veranstaltung gründer und Geschäftsführer der Lehrbeauftragter an einigen Uni­ und für die Werte der Sozialde­ wurden Gerlinde Ritter und „Theodor Kramer Gesellschaft“, versitäten in Österreich. n mokratie, für Freiheit, Gleich­ Konstantin Kaiser mit der Otto- heit und Demokratie kämpften, Bauer-Plakette, der höchsten ­haben diesen Mut im Rahmen Auszeichnung der Sozialdemo­ der Februarkämpfe 1934 mit ih­ kratischen Freiheitskämpfer/in­ rem Leben bezahlt. nen, ausgezeichnet. Überreicht wurden sie von Helmut Muigg Die Sozialdemokratischen Frei­ und SPÖ-Vorsitzendem Ingo heitskämpfer/innen Tirol or­ Mayr. ganisierten wie jedes Jahr eine Gedenkveranstaltung am 12. Fe­ Dr. Gerlinde Ritter, Psycholo­ bruar 1934. „Wir gedenken der gin, hat in einer Vielzahl von Frauen und Männer des Schutz­ Funktionen seit 1963 ehrenamt­ bundes, die Opfer des Austrofa­ lich sozialdemokratische und schismus wurden, und wir erin­ antifaschistische Arbeit geleis­

nern uns an die Leiden all jener tet. Sie verfasste für ihren Vater Niederwolfsgruber widerständigen DemokratInnen, Anton Winkler, selbst Revoluti­ Helmut Muigg (l.) und Tirols SPÖ-Vorsitzender die in der Folge vom Stände­ onärer Sozialist und Verfolgter Ingo Mayr (r.) überreichten die Otto-Bauer-Plakette staat unbarmherzig verfolgt und des Austrofaschismus und des an Gerlinde Ritter und Konstantin Kaiser

9 bundesländer DER SOZIALDEMOKRATISCHE KÄMPFER

Ein Blitzlicht der burgenländischen FPÖ Dass die FPÖ Burgenland sich nicht wesentlich von ihrer Der Landesverband Burgen- auf Wunschkennzeichen unter- Bundespartei und anderen blauen Landesorganisationen land verurteilt die Diktion des bunden. unterscheidet, lässt sich anhand eines jüngsten Beispiels Geschäftsführers der FPÖ Bur- buchstäblich gut veranschaulichen. genland. Abgesehen von den Vorsitzende Steiger-Moser: „Im untragbaren persönlichen Ver- Sinne unseres Leitsatzes ‚Nie- ine Buchpräsentation Ende erstattete Anzeige und informier- unglimpfungen der burgenlän- mals vergessen‘ sind wir um die Dezember 2015 im Büro von te Landesvorsitzende Steiger- dischen SJ-Vorsitzenden handelt Gedächtniskultur bemüht. Dazu ELH-Stv. Tschürtz: Der Autor Moser Anfang Jänner 2016 über es sich um eine Verharmlosung gehört auch, in der Gegenwart bittet um Zuruf einer Seitenzahl, den Vorfall. Nach Absprache mit der Ereignisse. Darüber hinaus auf die Verwendung einschlägi- um nicht selbst die vorzulesen- dem DÖW und dem Mauthausen war das ausführliche Erklärungs- ger Zeichen und Codes aufmerk- den Stellen auszuwählen. Es wird Komitee wurde das Video über bedürfnis der FPÖ mehr als ent- sam zu machen. Wenn Herr Ries die Seite 88 von einer Stimme aus soziale Netzwerke verbreitet. larvend. Fakt ist: Sowohl das in diesem Zusammenhang von dem nicht sichtbaren Hintergrund DÖW als auch das MKÖ weisen ‚kruder Zahlennumerologie‘ und gewünscht. LH-Stv. Tschürtz be- Ende Jänner greift die SJ Burgen- immer wieder auf die Bedeu- ‚esoterischem Humbug‘ spricht, ginnt daraufhin zu lachen. Die land den Vorfall auf, wirft Tschürtz tung von Zeichen und Codes empfehlen wir ihm die Lektüre Zahl wird wieder aus dem Off als sein amüsiertes Lachen bei Nen- wie der Zahl 88 hin. Sie sind der vom Mauthausen Komitee zur „unsere Glückszahl“ bezeichnet. nung der Zahl 88 vor und fordert Bestandteil der rechtsextremen Verfügung gestellten Unterlagen.“ eine Distanzierung. Während und neonazistischen Kommuni- Zu verfolgen war das Geschehen Tschürtz in einer ersten Reaktion kation. Sie sind ein Erkennungs- Politisch folgt eine Anfrage von auf einem YouTube-Video, das davon spricht, dass er „nicht nur zeichen für die Ideologie und ÖVP und Grünen im burgenländi- vom anwesenden Kamerateam anlassbezogen“ lache, attackiert dienen dazu, strafrechtlicher schen Landtag. Nach der Presse- online gestellt wurde. Ein enga- der Geschäftsführer der burgen- Verfolgung zu entgehen. Erst im aussendung des Landesverbands gierter burgenländischer Jour- ländischen FPÖ Christian Ries die Sommer 2015 hat Verkehrsminis- der Freiheitskämpfer/innen wird nalist entdeckte das Video bei SJ-Vorsitzende Silvia Czech per- ter Stöger (SPÖ) per Erlass die der Vorfall jedoch in den Medien Recherchen einige Tage später, sönlich auf das Heftigste. Verwendung von Nazi-Codes nicht mehr kommentiert. n

Diskussion über das Erstarken der Rechten Zur gut besuchten Veranstaltung in der Volkshochschule und Karl Liebknecht die ersten Ersten Weltkriegs und der an- Hietzing am 13. Jänner hatten die Hietzinger Freiheits- Opfer auf einem grauenhaften schließenden Not brachten sich kämpfer/innen und die VHS 13 eingeladen. Referenten Weg, der erst in Auschwitz enden faschistische Regime mit terro- waren Marcus Strohmeier, internationaler Sekretär des sollte.“ ristischen Mitteln an die Macht. ÖGB, und Willi Mernyi, Vorsitzender des Mauthausen Heute führen die kapitalistische ­Komitees. Eine Reflexion von Ali Kohlbacher. Die Mörder von 1919 fanden sich Krise, Kriege, religiöser und/ in den Reihen der rechtsradika- oder nationalistischer Fanatismus n der Arbeiter-Zeitung vom Flucht erschossen, hieß es am Tag len Freikorps, die sich zur Auf- in Europa zu Arbeitslosigkeit, 12. Jänner 1969 zitierte Gen. danach in offiziellen Berichten, gabe stellten, die Entwicklung in Flüchtlingsbewegungen, zu Not IManfred Scheuch in einem aber was am 15. Jänner 1919 an Deutschland zum Sozialismus mit und Abstiegsängsten, denen die Artikel die Arbeiter-Zeitung vom Rosa Luxemburg und Karl Lieb- allen Mitteln zu verhindern. Die europäischen Demokratien po- 14. Jänner 1919 zur Ermordung knecht verbrochen worden war, rechtsradikalen Extremisten in litisch nur unzureichend zu be- von Rosa Luxemburg (R. L.) und das war gemeiner Mord. Ihm den Freikorps waren wie Haupt- gegnen imstande sind. Das ist die Karl Liebknecht (K. L.): „Auf der voran ging eine gezielte Pogrom- mann Pabst, der Mörder von R. L. Stunde der Rechtsradikalen und hetze gegen und K. L. und spätere Stabschef Neofaschisten, die in Europa Zu- die beiden der Heimwehr im Austrofaschis- lauf haben, die die politischen In- Spartakisten mus, oder und stitutionen zunehmend unterwan- in Berlin.“ Hermann Göring die Totengräber dern, Hass predigen und Gewalt „Die letzten der Demokratie. Letztere waren auslösen. Hier schließt sich der Opfer des Akteure des Holocausts und des Kreis zu den Ereignissen 1919, die Weltkriegs“, Eroberungskrieges der Nazis. zum Tod von R. L. und K. L. führ- schrieb sei- ten. Seien wir wachsam, treten nerzeit die Gewiss wiederholt sich Geschich- wir entschlossen Chauvinismus, AZ. Scheuch te nicht exakt. Aber es gibt Pa­ Rassismus, Fremdenfeindlichkeit stellte fest: rallelen und Ähnlichkeiten hin- und Autoritarismus entgegen. „In Wahrheit sichtlich der Ursachen, der Ab- Rosa Luxemburg erkannte die Willi Mernyi (l.) und Marcus Strohmeier (r.) waren Rosa läufe und der Folgen historischer Alternativen für unsere Zukunft: waren als Experten zur Diskussion geladen Luxemburg ­Prozesse. Nach den Gräueln des Sozialismus oder Barbarei. n

10 DER SOZIALDEMOKRATISCHE KÄMPFER zeitgeschehen

Rechte an der Universität Im folgenden Beitrag wid- met sich Genossin Camila Garfias vom Vorsitzteam der ÖH an der Universität­ Wien alten und neuen rech- ten Bewegungen an der Uni. Ein Plädoyer für anti- faschistische Courage.

ie Universitäten waren nach der Zeit des Nati- onalsozialismus bis zur DÖffnung der Hochschu- len durch die Reformen der da- maligen Wissenschaftsministerin Hertha Firnberg ein Hort des Antisemitismus und Deutschnati- onalismus. Die positiven Auswir-

kungen des breiteren Zugangs Bwag/Commons von vor allem bildungsferneren Jeden Mittwoch versammeln sich schlagende Burschenschafter beim „Burschi-Bummel“ vor Schichten lassen sich deutlich am der Uni-Rampe. AntifaschistInnen lassen das nicht unwidersprochen. Beispiel der Hochschüler_innen- schaft zeigen. War der RFS (Ring ­Gedankengut an den Universi- terview mit der ÖH-Zeitung „Pro- Heute wie gestern muss es hei- Freiheitlicher Studenten) noch täten. Neben den Hochburgen gress“: „Das liegt an ihren The- ßen: „Einmal und nie wieder – bis 1974 zweitstärkste Fraktion, der Burschenschaften wie der men, an der Weise, wie sie diese kein Vergeben, kein Vergessen!“ stellen sie heute an der Univer- Montan­universität Leoben fühlen ansprechen, und an den Mitteln, Es gibt jeden Mittwoch eine anti­ sität Wien mit 2,05 Prozent kein sich die Deutschnationalen auch die sie dazu verwenden. Viele faschistische Kundgebung, um Mandat und auch auf Bundesebe- an der Universität Wien wohl: So junge Erwachsene sind erstmals die Deutschnationalen bei ihrem ne sind sie mit 2,46 Prozent und findet jeden Mittwoch der soge- mit sozialen Unsicherheiten kon- Bummel nicht unwidersprochen ­einem Mandat unbedeutend. nannte „Bummel“ am Hauptein- frontiert. Identitäre greifen genau gewähren zu lassen, und so wer- gang der Universität Wien statt das auf, allerdings ohne profun- den auch Aktionen der Identitä- Die Universität Wien hat seit 2001 und auch im Unirat waren bis de Kritik am ökonomischen Sys- ren vehement von linken Akti- eine konsequent linke Studieren- 2008 Burschenschafter vertreten. tem. Ihre aktionistische Ausrich- vist_innen gestört und versucht, denvertretung, bestehend aus dem Noch heute fungieren die Bur- tung und ihre Medien ermögli- zu verhindern. VSStÖ, der Gras und dem KSV-­Lili. schenschafter als Elite in der FPÖ chen es, schnell mitzumachen.“ Die bereits 15 Jahre bestehende und nehmen eine „Scharnierfunk­ Die Krux scheint es zu sein, linke Exekutive kann den fal- tion“ zwischen der parlamentari- die Anfänge zu erkennen, die schen Eindruck vermitteln, dass schen Rechten und den Rechten Literatur rechten Tendenzen in einer Ge- es an der Universität Wien keine auf der Uni und der Straße ein. sellschaft wahrzunehmen und Rechten mehr gäbe. Als kritische, Bruns, Julian; Glösel, Kath­ geschlossen zu bekämpfen, linke und vorlaute ÖH werden Die neue Rechte an der Uni rin; Strobl, Natascha: „Die um sie aus der Mitte der Gesell- wir immer wieder zur Zielschei- Neben den Burschenschaftern Identitären – Handbuch schaft zu verbannen. Die Salon- be bürgerlicher und konservati- hat sich aber auch eine neue zur Jugendbewegung der fähigkeit, die die FPÖ in den ver Kritik – auch von Seiten der rechte Bewegung in der Univer- Neuen Rechten in Europa“, vergangenen Jahren erlangt hat, Medien. Für uns ist klar, dass eine sität einen Raum gefunden, um Unrast Verlag, 2014 ihr immer größerer Zulauf sind Studierendenvertretung sich nicht ihr Gedankengut zu verbreiten: ebenso Anfänge wie die immer nur auf universitätsspezifische die Identitären. Die Identitären Feder, Fanja: „Wir misten wieder auftretende Schändung Probleme konzentrieren soll, son- haben ihr Vorbild in der italieni- aus. Zur Bildungspolitik von Denkmälern, die rechten dern sich auch gesellschaftlichen schen CasaPound und grenzen des Rings Freiheitlicher Gewalttaten gegen ­Asylwer­- Missständen annimmt. Die Uni- sich von einem biologischen Studenten“, in: „Völkische ber_innen, linke Aktivist_innen versität ist kein abgeschlossener Rassismus der „Alten Rechten“ Verbindungen – Beiträge und Vereinslokale. Raum. Denn so wie in der breiten ab. Ihre Ideen gehen von in zum deutschnationalen Gesellschaft gibt es auch an der sich homogenen Kulturgrup- Korporationsunwesen in Aktiver Antifaschismus bedeu- Universität immer noch Rechte. pen aus, deren Identität durch Österreich“, 2. überar­ tet, nicht wegzusehen. Aktiver „Vermischung“ gefährdet ist. Auf beitete und erweiterte Antifaschismus bedeutet, solida- Auch im Jahr 2016 tummeln die Frage, wieso die Identitären Auflage, Hochschüler_in­ risch zu sein. Aktiver Antifaschis- sich deutschnationale Burschen- insbesondere Schüler_innen nenschaft an der Univer­ mus bedeutet, den Anfängen schafter und andere Gruppen und Student_innen erreichten, sität Wien (Hg.), 2014 zu ­wehren und zu sagen: „Nie mit rechtem bis rechtsextremem antwortete Kathrin Glösel im In- ­wieder.“ n

11 Wort & bild DER SOZIALDEMOKRATISCHE KÄMPFER

KZ-Arzt Sigbert Ramsauer: Eine österreichische Geschichte

Ali Kohlbacher hat das Buch von Lisa Rettl und Peter zur ­Waffen-SS und betrat als SS- nister Ferdinand Graf sowie der Pirker über die Geschichte des ehemaligen Kärntner Untersturmführer der 1. SS-Toten- Salzburger Erzbischof Andreas KZ-Arztes Sigbert Ramsauer gelesen und eine Rezension kopf-Reiterstandarte die erober- Rohracher, der mit seinem „Ver- verfasst. Prädikat: absolut empfehlenswert. ten Gebiete Polens und Weiß- söhnungswerk“ Fluchthilfe für russlands. 1942 begann die KZ- NS-Verbrecher über die Netzwer- ine höchst interessante gliederung in die österreichische „Karriere“ Ramsauers als KZ-Arzt ke des Vatikans organisierte. Ausstellung im DÖW be- Nachkriegsgesellschaft nach. in der SS-Verwaltungszentrale für fasste sich im Vorjahr 2015 sämtliche KZ in Oranienburg. Doch auch die SPÖ wollte nicht Emit der österreichischen Dieses verdienstvolle Werk belegt abseits stehen: 1953 intervenier- Nachkriegsjustiz anhand von vier die Umstände und Voraussetzun- Man wies ihm nach, dass er Häft- te der von der SPÖ nominier- Volksgerichtsprozessen gegen gen, die es dem KZ-Mörder Ram- linge zur Tötung, unter anderem te Justizminister Josef Gerö für Nazi-Kriegsverbrecher (dazu ein sauer ermöglichten, den über ihn zur Vergasung, ausgewählt hat. Ramsauer. Am 31. 3. 1954 fiel die Bericht im Heft Nr. 7-8-9 des „So- verhängten Strafen schrittweise Zeugen beschuldigten ihn vor Entscheidung über Ramsauers zialdemokratischen Kämpfers“). bis hin zum Freispruch zu ent- Gericht der Vernachlässigung der Freilassung. Das Foreign Office gehen und anschließend eine medizinischen Versorgung mit bestand jedoch darauf, dass die 2010 legten Lisa Rettl und Peter bürgerliche Existenz als Arzt in Todesfolge, der Tötung durch Freilassung nicht aus politischen, Pirker ein Werk über Sigbert Ram- Klagenfurt aufzubauen. Benzin-Injektionen und willkür- sondern aus medizinischen Grün- sauer vor. Es geht seiner SS-Karri- licher Experimente und Operati- den erfolgt sei. ere, seinen Einsätzen in Ostpolen Bereits als Student trat Ramsauer onen. und Weißrussland sowie im KZ 1933 in Innsbruck der Allgemei- Die Reintegration in die Nach- Loibl und in anderen Konzentra- nen SS bei. Ab 1938 gehörte er Am 7. Mai 1945 kapitulierte Nazi- kriegsgesellschaft verlief schnell tionslagern sowie seiner gelunge- dem SS-Reitersturm an, wech- Deutschland. Am Loibl befan- und problemlos. Zunächst wur- nen, von einem politischen Netz- selte mit Beginn des NS-Erobe- den sich noch 1.115 Häftlinge den er und andere belastete werk unterstützten Wiederein- rungs- und Vernichtungskrieges im Lager. Erst nach drei Wochen „Ehemalige“ von ehemaligen NS- wird der untergetauchte Ram- Ärzten aufgefangen und im LKH sauer von den Briten gefangen Klagenfurt untergebracht und im genommen und am 2. Septem- Dezember 1956 eröffnete Ram- ber vor ein britisches Militärge- sauer im Zentrum der Klagenfur- richt gestellt. Ramsauer erhielt ter Altstadt eine eigene, gut ge- eine lebenslange Haftstrafe. Im hende Praxis mit Kassenvertrag. Vergleich zu den US-Prozessen und den frühen österreichischen In Österreich wollte man von der Volksgerichten war das Strafaus- NS-Vergangenheit nicht mehr viel maß für den kommandierenden wissen und verdrängte sie. Die SS-Hauptsturmführer für nachge- West-Allierten waren bemüht, Ös- wiesene Morde, Misshandlungen terreich und Deutschland in das und ärztliche Pflichtverletzungen Bündnis gegen die Sowjetunion außerordentlich milde. einzubinden. So blieben viele NS- Verbrechen ungesühnt. Bis heu- Nun begann der Prozess der Ver- te werden Straftaten gegen das wandlung Ramsauers vom Täter Wiederbetätigungsgesetz, wenn zum Opfer, der Weg der Strafmil- überhaupt, zögerlich geahndet. derung bis hin zur Begnadigung. Die Strafen hatten meist symbo- Ramsauers Vater, aber auch er lischen Charakter und der jüngs- selbst brachten mehrere Gnaden- te Justizskandal (siehe Seite 24) gesuche ein. Ein weit gespanntes ist der Einstellungsbeschluss der Netzwerk von Initiativen zur Be- Grazer Staatsanwaltschaft zum gnadigung Ramsauers begann zu eingeleiteten Aula-Strafverfahren. arbeiten. Einflussreiche politische Dieser hatte in einem Hetzartikel und kirchliche Institutionen und im einschlägigen Magazin „Aula“ Personen verwendeten sich mit überlebende Häftlinge des KZ

Milena Verlag Milena schriftlichen und mündlichen Mauthausen als Landplage und Lisa Rettl, Peter Pirker: „Ich war mit Freuden Interventionen für seine Frei- als Massenmörder beschimpft. dabei.“ Der KZ-Arzt Sigbert Ramsauer. Eine lassung. Dazu gehörten unter Auch der Rechtsschutzbeauftrag- österreichische Geschichte, Milena Verlag, anderem der spätere ÖVP-Bun- te Gottfried Strasser sah darin Wien, 2010, ISBN: 978-3-85286-200-2, € deskanzler Josef Klaus und der kein Problem. Die Freiheitskämp- 352 Seiten, 23,– (derzeit vergriffen) spätere ÖVP-Verteidigungsmi- fer/innen haben protestiert. n

12 DER SOZIALDEMOKRATISCHE KÄMPFER WORT & BILD

Bundespräsident Heinz Fischers Buch zum Fall Borodajkewycz aus dem Jahr 1966 ist neu aufgelegt worden. Der junge Jurist hatte 1965 eine Schlüssel- rolle in der Affäre. Gerald Netzl hat das Werk noch einmal gelesen.

undespräsident Heinz Fi- scher hatte als junger Jurist Bin den frühen 1960er Jahren eine Schlüsselrolle in der dama- ligen „Affäre Borodajkewycz“. Deren 1966 erschienene doku- mentarische Aufarbeitung mit dem Titel „Einer im Vordergrund: Taras Borodajkewycz“ war lange vergriffen. Im Ephelant Verlag erschien nun ein Faksimile, er- IMAGNO/Barbara Pfl aum Pfl IMAGNO/Barbara gänzt und komplettiert um das Schatten brauner Vergangenheit: die „Affäre Borodajkewycz“ endgültige Urteil der Disziplinar- oberkommission gegen den NS- lastigen Professor. Einer im Vordergrund – Der an der damaligen Hochschu- le für Welthandel (der heutigen Taras Borodajkewycz WU) Zeitgeschichte lehrende Sozial- und Wirtschaftshistoriker freigesprochen. Heinz Fischer: Uni-Professor, der den Ungeist Taras Borodajkewycz war durch Borodajkewycz Einer im Vordergrund. des Antisemitismus und Groß- antisemitische Äußerungen und und ÖVP-Un- Taras Borodajkewycz. deutschtums unter seinen Studie- sein Bekenntnis zu seiner nati- terrichtsminister Dokumente, Berichte, renden verbreitet, umgehend zu Analysen, onalsozialistischen Vergangen- (damals gab es hg. v. Franz Richard entfernen. Der nationalkatholi- heit aufgefallen. Artikel in der noch kein Wis- Reiter, sche Professor fungierte als poli- „Zukunft“ und in der „Arbeiter- senschaftsminis- Ephelant Verlag, tischer Verbinder zwischen ÖVP Zeitung“, in denen kritisiert wur- terium) Theodor Wien, 2015, und Altnazis, wurde für seine An- de, dass er die Hochschuljugend Piffl-Percˇevic´ ISBN 978-3-900766- sichten aber nicht nur von Linken, antisemitisch und neonazistisch beriefen sich 36-9, sondern unter anderen auch von € beeinflusse, trugen den Fall in die auf die „heilige 320 Seiten, 22,– katholischen HochschülerInnen, Öffentlichkeit. Heinz Fischer wur- Autonomie der CV (!) und dem Hauptverband der de von Borodajkewycz geklagt, Lehrfreiheit an den Hochschulen“, schen Kräfte, darunter auch unser katholischen Elternvereine zum verurteilt und in weiterer Folge wohingegen die antifaschisti- Bund, vehement verlangten, den Rücktritt aufgefordert.

Trauriger Höhepunkt der Aus- Weitere wertvolle Bücher des Buchtipps und den Widerstandswillen einandersetzungen war der Tod Ephelant-Verlages, die wir breiter Schichten gegen des Widerstandskämpfers Ernst bewerben wollen: fragen KZ-Häftlinge“ die nationalsozialistische Kirchweger, der von einem An- Österreicherinnen und Öster- Herrschaft. hänger des Uni-Professors atta- Franz Richard Reiter reicher, die die Nazi-Konzent- ckiert wurde und kurz darauf sei- „Wer war Rosa Jochmann?“ rationslager überlebt haben, Irene Harand: „Sein Kampf – nen Verletzungen erlag – er war Die erste, authentische berichten SchülerInnen und Antwort an Hitler“ (1935) das erste politische Todesopfer Antwort gibt Rosa Jochmann beantworten ihre Fragen. Die Katholikin Irene Harand der Zweiten Republik. Borodaj- mit einer Rede und in einem (1900–1975) stand welt- kewycz selbst wurde schließlich Interview, das Franz Richard Franz Danimann „Flüsterwit- anschaulich Dollfuß und im Mai 1966 strafweise – bei vol- Reiter mit ihr geführt hat. ze und Spottgedichte unterm Schuschnigg nahe. Ihr Buch len Bezügen – in den Ruhestand Rund vierzig AutorInnen Hakenkreuz“ gibt Antworten auf Aussagen versetzt. Die Disziplinaroberkom- legen Zeugnis ab, berichten Die Zusammenstellung von Hitlers und anderer Nazis – mission hielt unter anderem fest, und analysieren. Flüsterwitzen und Spottge- einfach, luzid, überzeugend, dass Borodajkewycz „Personen Monika Horsky: „Man muss dichten dokumentiert die heute wie damals gültig und der Geschichte und Gegenwart darüber reden – Schüler Unterdrückung im Alltag aufklärend. mit einem negativen Wertakzent als Juden“ bezeichnet habe. I

13 wort & bild DER SOZIALDEMOKRATISCHE KÄMPFER

Graphic Novels Immer öfter erscheinen Graphic Novels mit zeitge- den Deutschen besetzten Polen 2004 ist sein Büchlein erstmals schichtlichen Inhalten, die auch für AntifaschistInnen zu entkommen. Der Comic gilt erschienen, 2016 wurde es neu interessant sind. Gerald Netzl stellt einige davon vor. bis heute als eine der ambitio- aufgelegt. niertesten und besten Graphic raphic Novel (dt.: Novels. 1992 wurde Spiegelman Weitere erwähnenswerte Bü- illustrierter Roman, mit einem Pulitzer-Preis ausge- cher: „Der Boxer – Die Über- GComicroman) ist zeichnet, ein Novum. lebensgeschichte des Hertzko eine aus den Vereinigten Haft“ von Reinhard Kleist und Staaten übernommene Be- Interessant ist auch „Das Kom- „Rosa Winkel“ von Michel Duf- zeichnung für Comics im plott. Die wahre Geschichte ranne und Milorad Vicanovic. Buchformat, die sich auf- der Protokolle der Weisen von grund ihres thematischen Zion“. Will Eisner entlarvt in Es gibt noch viele lesenswerte Anspruchs und ihrer er- ­diesem spannenden Comic, das Graphic Novels: Karl Kraus’ „Die zählerischen Komplexität sich auf Erkenntnisse von Histo- letzten Tage der Menschheit“, von normalen Heftcomics rikern stützt, ihre Entstehungs­ „Ich, René Tardi, Kriegsgefange- unterscheiden. geschichte. ner im Stalag IIB“ von Jacques Tardi sowie die vierbändige Dar- In dem mittlerweile als „Als die Nacht begann“ von stellung der Pariser Commune Klassiker zu bezeichnen- Thomas Fatzinek behandelt den „Die Macht des Volkes“, eben- den „Maus“, 1989 erstmals 12. Februar 1934 und ist schon falls von Tardi. in Deutsch erschienen, er- deshalb lesenswert. Im Gegen- zählt Art Spiegelman die satz zu allen anderen in diesem WEBTIPP: Eine Vielzahl inter- picture alliance/Bundeszentrale für politische Bildung alliance/Bundeszentrale picture Art Spiegelman wurde für Geschichte seines Vaters. Er Artikel behandelten Büchern ar- essanter Graphic Novels findet „Maus“ mit dem Pulitzer- schildert dessen vergebliche beitete Fatzinek mit Linolschnit- man hier: www.besserewelt.at/ Preis ausgezeichnet Versuche, als Jude im von ten und nicht mit Zeichnungen. sachcomics-graphic-novels n

Biografie über Hitler Claus Michl-Atzmüller hat die neue Hitler-Biografie von an „Flexibilität“, die auch Peter Longerich gelesen und seine Eindrücke für unsere Phasen der Unschlüssigkeit, Zeitung zusammengefasst. spontaner Umdisposition oder des Zögerns kannte. eit dem zweibändigen ­Hitler sei ein schwacher Dikta- Longerich vermeidet aber Werk von Ian Kershaw, tor gewesen. Im Gegenteil. Er tiefenpsychologische Deu- Sder eine strukturalistische zeichnet ein Bild eines starken tungen von Hitlers Charak- Sichtweise in seiner Hitler-Bio- Diktators, eines skrupellosen ter. Auch Hitlers vorpoliti- grafie verfolgt, Hitler als Produkt Machtpolitikers und Diktators, sches Leben steht für Longe- des Systems und der (gesell- der die Zügel fest in der Hand rich in keinem nennenswer- schaftlichen) Umstände sieht, hielt, Strukturen, die ihn be- ten Zusammenhang mit der liegt die Latte für neue Biografien hinderten, niederriss und neue späteren Karriere Hitlers. hoch. Doch Peter Longerich hat (ihm ergebene) erschuf, die ihm sich in seinem Werk dieser Her- enorme Handlungsspielräume Ausgehend von den Erleb- ausforderung auf hervorragende ermöglichten. Nichts geschah nissen im Ersten Weltkrieg und äußerst lesenswerte Weise ohne seine dezidierten Anord- widmet Peter Longerich gestellt. nungen und „Führerbefehle“, erst den Großteil seiner Hitler- Peter Longerich: recht nicht die „Euthanasie“ oder Biografie der Darstellung „Hitler. Biographie“, Peter Longerich beschäftigt sich die „Lösung der Judenfrage“. Ob von Hitlers Weg durch die Siedler Verlag, München, 2015, schon seit langem mit NS-Funk- Außenpolitik, Aufrüstung, Wirt- Weimarer Republik bis an ISBN: 978-3-82750-060-1, tions-Eliten und verfasste bereits schafts- und Sozialpolitik, Kir- die Staatsspitze. Über seine 1.296 Seiten, € 41,20 in der Vergangenheit Biografien chenpolitik, Kulturfragen oder Tätigkeit erst als „Tromm- zu Goebbels und Himmler. In das Alltagsleben, der „Kontroll- ler“, dann als Führer der NS- die Mordpolitik in Polen und der seiner Hitler-Biografie rücken die freak“ Hitler zog in sämtlichen DAP, die „Machtergreifung“, die Sowjetunion, schließlich den Un- Person Hitler, ihr Handeln und Politikfeldern die Fäden. Errichtung einer Diktatur, die tergang und Selbstmord – Peter seine extreme Persönlichkeit in innen- und außenpolitischen Er- Longerich schreibt die Geschich- den Fokus, wodurch Longerich Doch bescheinigt Longerich folge, den Kriegsbeginn bis hin te des „Dritten Reiches“ aus der gegen die These anschreibt, Hitler auch ein gewisses Maß zum Genozid an den Juden und Perspektive des „Führers“. n

14 DER SOZIALDEMOKRATISCHE KÄMPFER wort & Bld

Wer war Rudolf Hilferding? Wussten Sie, dass Rudolf Hilferding, 1923 und 1928 deut- angehörte, und der Demokrati- des, nach Arles. Im Februar 1941 scher Reichsfinanzminister und von 1924 bis 1933 Abge- sierung in der Weimarer Republik wurde er jedoch dort auf Befehl ordneter der SPD im Reichstag der Weimarer Republik, begann dort seine politische Kar- der Vichy-Regierung inhaftiert bis 1919 Österreicher war? Ein Beitrag von Franz Sperl. riere in Reichstag und Regierung. und dann an die Gestapo ausge- 1925 verfasste er zusammen mit liefert. Auf dem Weg nach Paris 877 in Wien als Sohn jü- tarischen Tätigkeit ist Hilferding Karl Kautsky das „Heidelberger war er schon schwerer Folter discher Eltern geboren, damit auch den bedeutenden Programm“ der SPD. ausgesetzt. Rudolf Hilferding studierte er Medizin und austromarxistischen Denkern starb unter nicht dokumentierten 1war zuerst in Wien als Kinderarzt zuzuordnen. Als 1933 die Nationalsozialis- Umständen am 12. Februar 1941 tätig. Früh jedoch kam er poli- ten in Deutschland die Macht im Pariser Gestapo-Gefängnis tisch mit der Sozialdemokratie in 1915 war er als Feldarzt in ein übernahmen, emigrierte er zu- Santé. Rudolf Hilferding war Berührung und machte sie nach Frontlazarett der österreichischen erst nach Zürich und 1938 nach dreifaches Feindbild für die Nati- und nach zum Zentrum seines Armee eingezogen worden, wo Frankreich. Als die deutsche onalsozialisten – Sozialdemokrat, Wirkens. 1906 gab er den Arzt- er bis 1918 zu verbleiben hatte. Wehrmacht 1940 in Frankreich Parlamentarier und Jude. Dass er beruf auf und sein Tätigkeitsfeld Trotz seines militärischen Ran- einmarschierte, flüchtete er in eines natürlichen Todes verstarb, verlagerte sich zunehmend nach ges war er Kriegsgegner und ge- den unbesetzten Süden des Lan- ist auszuschließen. n Deutschland. Eine Lehrtätigkeit gen die Burgfriedenspolitik der an der SPD-Parteischule in Berlin SPD-Mehrheit eingestellt, die die folgte, ebenso die Redaktion im Kriegspolitik unterstützte. 1917 SPD-Organ „Vorwärts“. kam es in der SPD deswegen auch zur Abspaltung der USPD Inhaltlich entfernte sich Rudolf (Unabhängige SPD). Rudolf Hil- Hilferding bald von der Medizin ferding schloss sich der USPD an und wurde schnell zur finanz- und übernahm nach Kriegsende wirtschaftlichen Kapazität und die Chefredaktion ihres Partei- Rudolf zum fortgeschrittenen politischen organs „Freiheit“. 1919 erhielt er Hilferding Theoretiker. Bereits 1910 ver- auch die deutsche Staatsangehö- im Jahre fasste er sein wichtigstes Werk, rigkeit. Hilferding setzte sich im- 1923 „Das Finanzkapital“. Karl Kauts­ mer für die Wiedervereinigung ky, dem er sehr verbunden war, mit der SPD ein, war aber ent- nannte es einmal den „vierten schiedener Gegner einer Vereini- Band des Kapitals“. Trotz seiner gung mit der KPD. Mit der Wie- späteren deutschen Staatsange- dervereinigung der SPD mit dem hörigkeit und dortigen parlamen- rechten Flügel der USPD, dem er Bundesarchiv, Bild 102-00144 / CC-BY-SA 3.0 / CC-BY-SA Bild 102-00144 Bundesarchiv,

Aus dem Archiv arl Czernetz gehörte zu den Der Austromarxismus hatte das essenz des Austromarxismus“, in großen Köpfen der öster- Denken und Handeln dieser „neu- dem er Otto Bauers theoretische Kreichischen Nachkriegs- en Menschen“ zutiefst geprägt, Konzepte und die politische Pra- sozialdemokratie. Der spätere und auch nach der Februarnie- xis der Sozialdemokratie einer Nationalratsabgeordnete und Bil- derlage, als sie sich daran mach- Kritik unterzieht. Czernetz weist dungsfunktionär Czernetz war in ten, die Fehler der alten Partei zu dabei, wie er selbst schrieb, stich- der Sozialistischen Arbeiterjugend überwinden, blieb Otto Bauer ihr haltig nach, dass Otto Bauer die politisch groß geworden und politischer Ziehvater und Beglei- „Marx’sche Methode ganz anders auch nach der Zerschlagung der ter. Die Beziehung zwischen den auffasst und anwendet als Marx Sozialdemokratie im Februar 1934 Revolutionären Sozialisten im und Engels“. der Bewegung treu geblieben. In Inland und den ehemaligen Par- Dieser Text dokumentiert ein bis- der Illegalität spielte er unter dem teiführern im Exil wurde in der lang völlig ausgeblendetes Kapitel Decknamen „Konstantin“ bei den Illegalität jedoch immer wider- in der Ideologiegeschichte der ös- Revolutionären Sozialisten bald sprüchlicher und konfliktreicher. terreichischen Sozialdemokratie. Karl Czernetz („Konstantin“): schon eine zentrale Rolle in der „Kritik des Austromarxismus“ Schulungsarbeit. Wie eine gan- Karl Czernetz verfasste auf dem Interessierte können die Broschü- Verlag AdV, Wien, 2006, ze Generation von „Kindern des Höhepunkt dieser ideologischen re bei Genosse Gernot Trausmuth ISBN: 978-3-90298-804-1, ­Roten Wien“ war er ein Schüler Auseinandersetzung das Doku- bestellen: gernot.trausmuth@ 91 Seiten, € 10,00 Otto Bauers. ment mit dem Titel „Die Quint- gmail.com n

15 zeitgeschehen DER SOZIALDEMOKRATISCHE KÄMPFER Verschwörungstheorien Claus Michl-Atzmüller hat sich mit alten wie neuen ideologie“ dar, die im letzten wäre ermordet worden, damit die ­Mythen über weltumspannende Verschwörungen aus­ Viertel des 20. Jahrhunderts im Öffentlichkeit nicht erführe, dass einandergesetzt. Seinen Befund hat er uns – ganz unkon- deutschsprachigen Raum ent- die Briten mit Absicht keine Frie- spirativ und demokratisch – zur Verfügung gestellt. stand. Ihre Anhängerinnen und densverhandlungen mit ihm ge- Anhänger bezeichnen sich als führt hätten, um die Sowjetunion­ erschwörungstheorien nen, wie z. B. der CIA oder der „Reichsbürger“, „Staatsangehöri- und die USA zum Kriegseintritt erleben vor allem durch UNO. Diese handeln entweder ge des Freistaats Preußen“ oder auf Seiten der Briten zu bewe- soziale Medien einen im ­jüdischen Auftrag oder sind als „Natürliche Personen“. So gen. Ohne deren Unterstützung VAufschwung. Sie stellen durch Jüdinnen und Juden „un- gründen Reichsbürgerinnen und hätten die Briten den Krieg verlo- aber keinesfalls ein genuin rechts- terwandert“. Letzteres wird in Reichsbürger eigene „Reichsre- ren. Damit soll die Kriegsschuld extremes Phänomen dar, doch rechtsextremen Kreisen oft als gierungen“, stellen sich unter der Nazis gemildert, die wahren funktionieren sie in dieser Welt ZOG („zionist occupied govern- „Selbstverwaltung“ oder grün- Aggressoren in den Reihen der ausgesprochen gut. Sie befördern ment“, zionistisch unterwanderte den „Scheinstaaten“. Die Existenz Alliierten gefunden werden. Seit ideologische Sichtweisen, die Regierung)­ bezeichnet. der Bundesrepublik Deutschland seinem Tod 1987 stilisiert ihn die eine vereinfachende Einteilung in ist für Reichsbürgerinnen und rechtsextreme Szene zum Märtyer Gut und Böse ermöglichen. Kom- Ihren schriftlichen Höhepunkt Reichsbürger eine Verschwörung und organisiert Gedenkmärsche plexe Zusammenhänge und Sach- fand die Behauptung einer jüdi- gegen die Deutschen, begangen in Wunsiedel. verhalte werden nachvollziehbar. schen Weltverschwörung in „Die von Personen oder Institutionen, Sie fragen danach, wer „schuld Protokolle der Weisen von Zion“, die oftmals antisemitischen Ste- Eine neuere Verschwörungstheo- ist“, wenn Ereignisse eintreten, einem Text, der erstmals Anfang reotypen entspringen: den Roth- rie in der rechtsextremen Szene die kaum erklärbar sind, bzw. un- des 20. Jahrhunderts auftauchte schilds, der Wall Street, dem in- stellt die Umdeutung der NSU terstützen dabei, Widersprüche und in 24 Abschnitte gegliedert ternationalen Finanzkapital oder (Nationalsozialistischer Unter- und Unklarheiten verständlich zu ist. Jeder Abschnitt stellt ein Proto- „den Juden“. Das Deutsche Reich grund) als reine Erfindung der machen. Zufälle sind ausgeschlos- koll einer Versammlung der „Wei- bestünde juristisch weiter. deutschen Geheimdienste dar. sen, nichts passiert aus Versehen. sen von Zion“ dar. In dem Text Das „NSU-Phantom“ ermordete werden verschiedene Mittel und Doch ist die Reichsideologie nicht allerdings zwischen 2000 und Die Vorstellung von einer „jüdi- Wege dargelegt, wie die jüdische nur für die rechtsextreme Szene 2007 zehn Menschen. schen Weltverschwörung“ ist ein Weltherrschaft angestrebt werden attraktiv, z. B. für Holocaustleug- Klassiker unter den Verschwö- soll, darunter die Destabilisierung ner wie , sondern Auch um die Anschläge auf das rungstheorien. Mystischer Hin- der traditionellen Ordnung der auch für Menschen, die leicht ver- World Trade Center am 11. 9. 2001 tergrund ist die Annahme, dass Nationalstaaten durch Kriege, ständliche Lösungen für private, ranken sich Verschwörungs­ sich die Juden gegen den Rest der (Welt-)Wirtschaftskrisen, Kapita- gesellschaftliche und wirtschaft- theorien. „09/11: Inside Job“ – der Menschheit verschworen hätten lismus, Liberalismus, Sozialismus, liche Probleme suchen – unter israelische Geheimdienst habe die und die Weltherrschaft durch die Demokratie oder die Kontrolle anderem in der Esoterik, der völ- USA zu einem stärkeren pro-isra- Juden angestrebt wird. „Als Welt- über die Medien. Den National- kischen Kapitalismuskritik oder elischen Engagement im ­Nahen judentum“, „internationales Ju- sozialisten dienten die Protokolle in Ideen vom Ausstieg aus der Osten zwingen wollen; Neokon- dentum“ und „Finanzjudentum“ als Rechtfertigung für ihren „elimi- Gesellschaft.­ servative wie Georg. W. Bush wird dieses fiktive Kollektiv der natorischen Antisemitismus“. hätten ein neues Pearl Harbour Juden bezeichnet. Es bedient sich „Holocaustleugnung“ dient erschaffen wollen, um einen Krieg zur Erlangung der Weltherrschaft In der rechtsextremen Szene ist (rechtsextremen) Verschwö- im Nahen Osten zu recht­fertigen; (inter)nationaler Organisatio- das Wissen über die Protokolle rungstheoretikern dazu, die Shoa Al-Qaida habe die Anschläge ge- auch heutzutage fes- umzudeuten. Die Shoa sei von plant und durchgeführt, die US- ter Bestandteil der po- Jüdinnen und Juden selbst insze- Regierung aber davon gewusst litischen Erziehung. niert worden, um die Staatsgrün- und sie gewähren lassen, damit Doch beziehen sich dung Israels zu legitimieren und US-Unternehmen, an denen Bush moderne Antisemiten Deutschland dauerhaft zu erpres- und sein Umfeld Anteile hielten, sämtlicher politischer sen. Antisemitismus kann so als vom Krieg profitierten. und religiöser Rich- Antizionismus getarnt werden tungen auf die Pro- und eine Schuldumkehr stattfin- Selbst um das „Zika-Virus“ bilden tokolle. Speziell in den. Holocaustleugner zweifeln sich schon Verschwörungstheo- der islamischen Welt vor allem die Opferzahlen und rien: als Verschwörung der Phar- stellen sie für radikale die technische Umsetzbarkeit der maindustrie, Tests einer ominösen Islamisten ein bedeu- Judenvernichtung an. Biowaffe oder die Vertuschung tendes propagandisti- von Nebenwirkungen giftiger sches Werkzeug dar. Legendär ist auch die Verschwö- Pestizide. wikimedia rungstheorie rund um den „Heß- Um die Ein-Dollar-Note ranken sich Eine weitere wichtige Selbstmord“: Rudolf Heß, Stell- Verschwörungstheorien werden ebenfalls Verschwörungtheorien in Verschwörungstheo- vertreter Adolf Hitlers, habe nicht uns daher wohl auch in Zukunft Bezug auf Illuminaten rie stellt die „Reichs­ Selbstmord begangen, sondern begleiten. n

16 DER SOZIALDEMOKRATISCHE KÄMPFER zeitgeschehen

Ein antisexistischer Aufschrei? In der Silvesternacht kam es in Köln zu vielen Fällen ten, wie antimuslimischer Rassis- gesetzt werden müssen: Dieses sexualisierter Gewalt. Unzählige Frauen wurden in die- mus (oftmals durch „kulturelle Instrument ist Rassismus. Ist die ser Nacht belästigt, begrapscht, ausgeraubt. Die Täter? Unterschiede“ argumentiert) die breite Bevölkerung der Meinung, Scheinbar alles Flüchtlinge. Köln schien zu zeigen, wel- Gesellschaft durchzieht. Nun sind dass Flüchtlinge eine Gefahr für che Probleme mit flüchtenden Menschen nach Europa wir an einem Punkt angelangt, die eigene Lebenswelt darstellen, kommen. Doch welche Bedeutung hat Köln tatsächlich? der die endgültige Durchsetzung so erscheinen die Konsequenzen Marlis Zederbauer geht dieser Frage nach. in der breiten Gesellschaft not- weniger schlimm. Und genau wendig macht: die sogenannte dafür dient Köln: Unter schein- „Flüchtlingskrise“. Die EU ver- bar antisexistischen Vorzeichen atsächlich ist Köln ein Sinn- produziert das Bild von der Frau dankt ihre Stabilität unter ande- („Schutz der Frauen“) wird die- bild für unsere gesellschaft- als Opfer, als beschützenswertes rem einem gemeinsamen Wer- ses Ereignis dafür genutzt, um Tliche Realität. Ein Thema Wesen. Dieser angebliche Schutz terahmen, doch dieser wird seit Angst zu schüren, Flüchtlinge als kam in die Öffentlichkeit, das für soll durch eine Beschränkung der Beginn der Wirtschaftskrise 2008 „schlechte“ Menschen darzustel- die Hälfte der Bevölkerung All- Freiheit der Frauen passieren. Es immer wieder erschüttert. len und damit Rassismus noch tag ist: sexualisierte Gewalt. Sta- geht also nicht um die Änderung tiefer in der Gesellschaft zu ver- tistisch gesehen ist in Österreich der gesellschaftlichen Verhältnis- Die große Anzahl an Flüchtlingen ankern. jede fünfte Frau zumindest einmal se, sondern um eine Verfestigung stellt eine weitere Herausforde- in ihrem Leben von sexualisierter dieser. Der Aufschrei, der nach rung dar. Es scheint Konsens in Was fehlt, ist eine (selbst)kriti- Gewalt betroffen. Rund um Köln der Silvesternacht in Köln durch der Politik zu sein, dass die Auf- sche Auseinandersetzung mit wurde dieses Thema wieder prä- die Gesellschaft ging, hatte nur nahme der vor Krieg, Terror und Sexismus auf allen Ebenen. Es sent, doch die Reaktionen zeigen, wenig mit Antisexismus zu tun, Elend Flüchtenden – oder zu- braucht eine Politik, die dafür dass gesellschaftliche Verhältnis- und das zeigt sich auch am Ras- mindest eines Großteils davon – sorgt, dass weder Sexismus noch se verfestigt und nicht verän- sismus, mit dem die Debatte ge- keine Option ist. Das Resultat ist Rassismus Platz in unserer Ge- dert werden sollen. Es wird ein führt wurde. Abschottung durch Grenzzäune, sellschaft haben. Die politischen „Normalzustand“ gezeichnet, der Sicherung der Außengrenzen. Für Maßnahmen, die derzeit propa- unveränderbar scheint: dass sich Denn dieser ist der Grund für viele Flüchtende bedeutet diese giert werden, verfestigen jedoch Frauen unwohl fühlen, Angst ha- die Empörung nach Köln: Sexu- Politik den Tod. Werte wie Men- nur herrschende Rollenbilder ben müssen. Dieser „Normalzu- alisierte Übergriffe auf Großver- schenrechte, Offenheit und Tole- und die Diffamierung bestimmter stand“ wird nicht in Frage gestellt, anstaltungen sind leider keine ranz sind mit dieser mörderischen Gruppen und sind damit höchst sondern das Verhalten der Frauen Seltenheit, wie etwa das Okto- Politik nicht vereinbar. Es braucht reaktionär. muss sich ändern: ja nicht allein, berfest zeigt. Doch Köln erfüllt also ein Instrument, mit dem sich ja nicht in der Nacht unterwegs einen Zweck: die Durchsetzung legitimieren lässt, warum diese Genossin Zederbauer ist seit Mai sein, und wenn, dann eine Arm- rassistischer Hegemonie. Schon Werte für eine Gruppe von Men- 2015 Frauensprecherin der Sozi- länge Abstand halten. Dies re- seit Jahren können wir beobach- schen (Flüchtlinge) außer Kraft alistischen Jugend Österreich. n

sens“, so die Politologin Barbara Die vollständige Rede von Bar- Aus dem Schatten der Erinnerung Wolf-Wicha in ihrer Festrede. bara Wolf-Wicha vom 27.1.2016 Auch wurde an jene Frauen erin- mit vielen biografischen Details Der Nationalsozialismus, bemerkte der Auschwitz-Über- nert, die wegen „verbotenen Um- kann man auch auf der Website lebende Primo Levi im Jahr 1990, habe seine Verbrechen gangs“ mit Ausländern, Kriegsge- der Salzburger Freiheitskämp- in strikter Geheimhaltung verübt und dabei getrachtet, fangenen und Zwangsarbeitern fer/innen nachlesen: die Erinnerung an die Opfer auszulöschen. öffentlich geschmäht und gede- www.freiheitskaempfer-salz- mütigt wurden. burg.at n m 71. Jahrestag der Befrei- mal die Rolle der Frauen im Wi- ung des Vernichtungslagers derstand in den Fokus gerückt. AAuschwitz setzten die Salz- Frauen nehmen zwar einen wich- burger Freiheitskämpfer/innen tigen Platz in der Widerstandsge- gemeinsam mit dem Personenko- schichte ein, viele sind jedoch bis mitee Stolpersteine Salzburg, dem heute kaum bekannt und schei- KZ-Verband/VdA Salzburg, der Is- nen nur selten in schriftlichen raelitischen Kultusgemeinde und Quellen auf. dem Stadtarchiv Salzburg ein Zei- Das familiäre Umfeld und die Le- chen gegen dieses „Vergessen“. benszusammenhänge waren da- bei oft prägend, ob und wie sich Bei der Gedenkveranstaltung Widerstand zeigte. „Dieser Wider- am Antifaschistischen Mahnmal stand war einer des Wortes, der in der Stadt Salzburg wurde dies- Haltung, aber auch des Gewis-

17 ZEITGESCHICHTE DER SOZIALDEMOKRATISCHE KÄMPFER Sozialistenprozess 1936

Gerald Netzl setzt sich in diesem Artikel mit den Justizprozes- schrieb, von Anfang an unter sen des austrofaschistischen Regimes gegen Sozialistinnen eigener Führung unabhängig und Sozialisten auseinander. vom Parteivorstand der vom Fa- schismus besiegten Sozialdemo- it einer Serie von Pro- kratie und unabhängig von ihren zessen beabsichtigte emigrierten Führern entstanden. Mdas austrofaschistische Unmittelbar nach den Februar- Regime in den Jahren 1935 und kämpfen bildeten einige junge 1936, den Organisationsappa- Funktionäre das „Provisorische rat der im Untergrund agieren- Zentralkomitee der Revolutio- den Revolutionären Sozialisten nären Sozialisten“. Am 8./9. Sep- (RS) zu zerschlagen. Anlässlich tember 1934 fand in Blansko bei des 70. Geburtstags von Bru- Brünn eine erste Wiener Kon- no Kreisky brachte unser Bund ferenz der RS statt, zu Neujahr 1981 die Broschüre „Fanal des 1935 fand in Brünn die erste Freiheitskampfs“ heraus. Unser Anlässlich des 70. Geburts- „Reichskonferenz“ (quasi ein unvergessener Genosse Herbert tags von Bundesparteitag) mit 68 Teil- Beim Prozess, der am 16. März brachte unser Bund 1981 Exenberger hat die umfangrei- die Broschüre „Fanal des nehmern statt. Unter anderem 1936 begann, stand praktisch chen Akten des „großen Sozia- Freiheitskampfs“ heraus referierte der Vorsitzende Karl der gesamte Führungskader der listenprozesses“ vom März 1936 Hans Sailer die sechs Punkte RS (28 Sozialisten und zusätz- studiert und sorgfältig dokumen- Doch der Reihe nach: Aus Hass des Aktionsprogramms der RS. lich die bei anderer Gelegenheit tiert. Josef Hindels steuerte einen gegen die sozialen Reformen und Auf der Konferenz setzte sich die verhafteten Kommunisten Franz einführenden Beitrag bei. Rudol- Errungenschaften der Republik von Joseph Buttinger und den Honner und Friedl Fürnberg) vor fine Muhr, Hietzinger Delegierte hatten die maßgebenden Kräfte Ländervertretern verfochtene Gericht; verhandelt wurde über bei der Konferenz in Brünn, be- des österreichischen Konserva- Strategie der „langen Perspekti- den Anklagepunkt „Hochverrat“, schreibt die Atmosphäre dieser tismus im März 1933 den Weg ve“, die eine Einschränkung der auf den explizit die Todesstrafe Tagung. Da über Tagungen der des kalten Staatsstreichs, des Organisationstätigkeit und mehr stand. Angeklagt waren unter Revolutionären Sozialisten keine Verfassungsbruchs beschritten, Konspiration vorsah, durch. anderem Karl Hans Sailer, Ma- Protokolle angefertigt werden der nach dem gescheiterten Wi- ria Emhart, Franz Rauscher, Ro- konnten, kommt diesem Bericht derstand im Februar 1934 in der Ein Polizeispitzel und ein RSler, man Felleis, Otto Probst, Anton große Bedeutung zu. autoritären Verfassung gipfelte. der nach seiner Verhaftung zum Proksch, Bruno Kreisky und Verräter wurde, haben die spä- Franz Jonas. Höhepunkt der Broschüre sind Anders als in Italien oder teren Angeklagten denunziert Auszüge aus den aufrüttelnden Deutschland nach der Macht- und zum Teil schwer belastet. Roman Felleis gab die Parole Reden einiger Angeklagter im ergreifung/Machtübertragung Die Verhaftungen erfolgten aus: „Jeder Angeklagte hat zwei Gerichtssaal. Es gelang ihnen, an Mussolini bzw. Hitler war großteils im Jänner 1935, sodass Aufgaben: Seine Partei würdig aus den Anklägern Angeklagte die illegale sozialistische Partei die meisten Angeklagten vier- vertreten und den Kopf aus der zu machen! in Österreich, wie Otto Bauer zehn Monate in U-Haft saßen. Schlinge ziehen.“

Die angeklagten SozialistInnen Angaben aus einer illegalen RS-Broschüre; Privatbeamter, 29, Bruno Kreisky, Hoch- Viele der Angeklagten spielten in der kursiv jene, die zu Opfern des NS-Terrors schüler, 25, Andreas Liberda, Privatbeam- Zweiten Republik eine wichtige politische wurden: ter, 43, Josef Mohler, Maschinenarbeiter, Rolle: Franz Jonas (Wiener Bürgermeister, Otto Binder, Beamter, 45, Johann Ecker, 35, Anton Pastaz, Bauarbeiter, 30, Rudolf NR-Abg., Bundespräsident), Bruno Kreisky Bauarbeiter, 32, Marie Emhart, Eisen- Pastaz, Bauarbeiter, 31, Alois Pfanner, (NR-Abg., Außenminister, Bundeskanzler), bahnersgattin, früher Gemeinderätin von Elektrotechniker, 36, Anton Proksch, Otto Probst (NR-Abg., Verkehrsminister), St. Pölten, 35, Roman Felleis, Angestellter, Gewerkschaftssekretär, 39, Otto Probst, Anton Proksch (NR-Abg., Sozialminister), 33, Karl Fischer, Mechaniker, 32, Natalie Lithograph, 25, Franz Rauscher, Eisen- Franz Rauscher (NR-Abg., Staatssekretär), Fulda, früher Redaktionssekretärin der bahnschaffner, 36, Karl Hans Sailer, früher Marie Emhart, Karl Knechtelsdorfer, Josef „Arbeiter-Zeitung“, 40, Karl Fürstenhofer, Redakteur der „Arbeiter-Zeitung“, 36, Kratky (NR-Abg.), Theodor Grill (Vizebgm. Autoschlosser, 34, Theodor Grill, Magis- Dr. Paul Schick, Rechtsanwalt, 32, Josef von Linz). Unter den Verteidigern waren tratsbeamter, 34, Leontine Haas, Rentne- Wacke, Hochschüler, 25, Alfred Weißmann, Adolf Schärf (später Vizekanzler, dann rin, 38, Franz Jonas, Schriftsetzer, 37, Karl Beamter, 29, Stefan Wirlandner, Beamter, Bundespräsident) sowie Heinrich Steinitz Knechtelsdorfer, Schriftsetzer, 29, Hans 31, Elise Zerner, früher Redaktionssekre- und Oswald Richter, die beide von den Kratky, Privatbeamter, 36, Josef Kratky, tärin der „Arbeiter-Zeitung“, 31. Nazis umgebracht wurden.

18 DER SOZIALDEMOKRATISCHE KÄMPFER ZEITGESCHICHTE

Der Weg zum Austrofaschismus Der christlich-soziale Bundeskanzler Engelbert Doll- fuß, der seit dem Mai 1932 regierte, war auf die Unter- stützung der Heimwehren angewiesen.

m 4. März 1933 traten alle Nationalratspräsidenten Ain Folge einer Geschäfts- ordnungskrise zurück (es ging um eine Abstimmung über die Behandlung der Teilnehmer des

Eisenbahnerstreiks vom 1. März asrotewien.at) 1933). Dollfuß sah darin seine Viele GenossInnen leisteten Stiftung Bruno Kreisky Archiv] Stiftung Bruno Kreisky Chance, aus diesem Zwischen- in der Illegalität Widerstand Bruno Kreisky nach seiner Verhaftung 1935, Polizeifoto fall, statt ihn demokratisch zu gegen den Faschismus bereinigen, weitreichende anti- Der Prozess erregte auch im weil sie gegen das brutale Vor- demokratische Konsequenzen Zentren des Aufstands in Wien Ausland großes Aufsehen. Aus gehen der Polizei gegen eine an- zu ziehen. Am 7. März trat die waren Arbeiterheime und Ge- vielen Ländern kamen bekann- dere Zuhörerin laut protestierte. Regierung Dollfuß zurück und meindebauten (Karl-Marx-Hof, te sozialistische PolitikerInnen ließ sich vom Bundespräsiden- Goethehof, Sandleitenhof, nach Wien, um durch ihre An- Im Rahmen der Juli-Amnestie ten auf scheinrechtlicher Grund- Reumannhof und Schlingerhof wesenheit das Interesse der aus- von 1936 wurden die Verurteil- lage des „Kriegswirtschaftlichen sowie Gemeindebauten in Sim- ländischen Öffentlichkeit und ten, die allerdings bereits länger Ermächtigungsgesetzes“, das in mering). Die Regierung setzte ihre Solidarität mit den Ange- als ein Jahr in Untersuchungs- der Verfassungsreform 1929 trotz das Bundesheer ein, das auch klagten zu bekunden. Aus Belgi- haft verbracht hatten, schließ- Drängens der Sozialdemokratie Kanonen verwendete. Es wurde en kam eine der bedeutendsten lich begnadigt. Am längsten nicht eliminiert werden konnte, das Standrecht verhängt, die Sozi- Persönlichkeiten der Internatio- saß Franz Rauscher. Er wurde neu ernennen. Am 15. März ver- aldemokratische Partei, die freien nale, der Abgeordnete Louis de als Erster verhaftet und kam als hinderte Dollfuß das Zusammen- Gewerkschaften und alle Neben- Brouckère, aus Frankreich der Letzter frei. Obwohl „nur“ zu treten des von Dr. Staffner einbe- organisationen wurden verboten. Abgeordnete Longuet, ein Enkel zehn Monaten verurteilt, kam rufenen Parlaments unter Gewalt. Es begann die Zeit der Illegalität von Karl Marx. Die Strafen am er danach nach Wöllersdorf, wo Diese beiden Akte vollzogen die der Arbeiterorganisationen und 24. März fielen schließlich deut- seine Anhaltung willkürlich zwei Wende zum autoritären Staat. des Austrofaschismus. Neun lich milder aus als erwartet. Die Mal verlängert wurde, sodass er prominente Sozialdemokraten beiden Hauptangeklagten, Karl in Summe drei Jahre bis Herbst Elf Monate nach der Ausschal- wurden nach dem Standrecht Hans Sailer und Maria Emhart, 1937 inhaftiert war! tung des Parlaments begann die hingerichtet, darunter Koloman für die der Staatsanwalt die To- bewaffnete Gegenwehr der Sozi- Wallisch und Karl Münichreiter. desstrafe beantragt hatte, wur- Josef Hindels schreibt in der aldemokratie gegen den Verfas- Nicht zu vergessen ist auch das den zu 20 bzw. 18 Monaten Haft eingangs erwähnten Broschüre: sungsbruch der Regierung Doll- Anhaltelager Wöllersdorf, in dem verurteilt, Bruno Kreisky erhielt „Das Beispiel der Revolutionären fuß. Die Kämpfe dauerten vom sich von 1933 bis 1938 tausende 12 Monate Kerker, Franz Jonas Sozialisten sollte in der Gegen- 12. Februar bis zum 15. Februar politische Gefangene, Sozialde- und zwölf weitere Personen wur- wart als Mahnung verstanden und endeten mit der völligen mokraten, Kommunisten und den freigesprochen. Das Regime werden: Es gilt, auch im All- Niederlage der Sozialdemokratie. Nationalsozialisten, befanden. I wagte nicht annähernd so dra- tag einer Regierungspartei die konische Strafen auszusprechen Bedeutung von sozialistischer wie beim Wiener Schutzbund- Gesinnung und Ideologie zu er- prozess (s. „Kämpfer“ 1/2015) kennen und das Ziel einer neuen oder wie sie tagtäglich jeden Gesellschaft nicht aus dem Auge Kolporteur der illegalen „Arbei- zu verlieren.“ ter-Zeitung“ treffen konnten. In „Zwischen den Zeiten“ (S. 247) LESETIPPS: Buchempfehlungen schreibt Bruno Kreisky, die re- zur Geschichte der RS für Inte- lativ milden Urteile wären auch ressierte: Joseph Buttinger, „Am auf eine Intervention von Kar- Beispiel Österreichs“ (1953); Otto dinal Innitzer zurückzuführen Leichter, „Zwischen zwei Dikta-

gewesen („Man solle die Arbei- turen“ (1968); Walter Wisshaupt VGA terschaft nicht noch mehr in die „Wir kommen wieder!“ (1967) Im „Hotel Schiff“ in Linz nahmen die Kämpfe ihren Enge treiben.“). Rosa Jochmann, und Manfred Marschalek, „Un- Ausgang. Neun Schutzbündler wurden standrechtlich wurde im Gerichtssaal verhaftet, tergrund und Exil“ (1990). I hingerichtet und mehr als 1.200 inhaftiert.

19 zeitgeschichte DER SOZIALDEMOKRATISCHE KÄMPFER

Dieses Bild machte Geschichte (2. v. l.: Kurt Waldheim)

ich einen Anruf von John Tagli- abue, Bonner und Europakorre- spondent der „New York Times“ zwecks Verifizierung „meines“ Fotos, das ihm zugespielt wurde. Am 3. März erschien sein Artikel, Waldheim habe 1942 und 1943 in einem Wehrmachtsgeneral- stab gedient, der gegen Partisa- nen brutal vorgegangen sei und massenweise griechische Juden in deutsche KZs deportiert habe. Dies und seine SA- und NSDStB- Mitgliedschaft hätten von ihm au- torisierte und eigene biografische Vor 30 Jahren: Angaben ausgelassen. „Mein“ Waldheim-Foto „geisterte“ dann durch die halbe Weltpresse, nicht Die Waldheim-Affäre das bessere Foto aus dem Bild- band „SS-Division Prinz Eugen“! Genosse Peter Riedmann aus Innsbruck berichtet uns, wie er vor dreißig Jahren in einem Antiquitätengeschäft in der Tiroler Landeshauptstadt ein Foto von einiger Waldheim wurde dabei auch politischer Brisanz fand, das Schlagzeilen machen sollte und den Anstoß zu einem teilweise als Kriegsverbrecher korrigierten Geschichtsbild in unserem Land gab. Der Artikel ist eine von Gerald hingestellt, was übertrieben war. Netzl gekürzte Version der 25-seitigen Originalfassung. Als Generalstabsoffizier der Hee- resgruppe E (Balkan) wusste er ls Amateurhistoriker ralsekretär und frühere Außenmi- er sein Freiwilligen-Jahr beim aber so gut wie alles von Juden- suchte ich „Dachboden- nister 1986 für das Amt des Bun- Dragonerregiment des Bundes- und „Zigeuner“-Verschickungen hinterlassenschaften“ despräsidenten kandidierte. Ich heeres in Stockerau. […] Im März in KZs, von Partisanen- und Gei- Aund war regelmäßiger recherchierte mehrere Lebens- 1938, kurz vor dem „“, selerschießungen und anderen Kunde bei einem Antiquitäten- läufe Waldheims, um den Zeit- wurde er in Tulln von illegalen schlimmen Vorkommnissen und händler. Diesmal, es muss zwi- raum der Aufnahme (22. 5. 1943) Nazis verprügelt, als er pro-ös- wirkte wohl bei vielen derartigen schen Mitte 1984 und Mitte 1985 auszuleuchten. Das war mein terreichische Flugzettel verteilte. Befehlen mit. Dass er „nur seine gewesen sein, reichte er mir wichtigstes Anliegen! Er erhol- Wohl um sein Studium nicht zu Pflicht erfüllt“ habe, erscheint einen Schuhkarton mit Wehr- te sich von einer Ende 1941 in gefährden, trat er umgehend am mir grob untertrieben – Wald- machtsfotos. Ich blätterte sie alle Russland erlittenen Verwundung, 1. 4. 1938 dem NS-Studentenbund heim schwamm wie ein Korken durch und fand ein Bild mit Kurt studierte, machte Prüfungen und und dann am 18. 11. 1938 der SA- immer obenauf. […] Niemand Waldheim und anderen Unifor- schrieb seine Dissertation. Damit Reiterstandarte 5/90 bei. Das glaubte der SPÖ, dass sie mit der mierten, einem Flugzeug und wurde ich erst so richtig neugierig waren zugegebenermaßen nur Fotoveröffentlichung nichts zu zwei PKW im Hintergrund. Es und begann, weitere Lebensläufe NS-Nebenorganisationen, aber tun hätte. Waldheim als österrei- war dies, wie sich später heraus- zu suchen – in allen das gleiche eben auch Teile der NSDAP. Bei chischer Bundespräsident wurde stellen sollte, der Restbestand der leere Bild. Ein österreichischer seiner „Entnazifizierung“ am dann fast weltweit (mit wenigen für den Bildband „7. SS-Gebirgs- Staatsbürger hat aber sehr wohl 13. 1. 1946 gab er dies unter dem Ausnahmen) ignoriert und kandi- division Prinz Eugen im Bild“ von das Recht und darüber hinaus Schein „sportlicher Betätigung“ ja dierte deshalb auch kein zweites Otto Kumm (Osnabrück 1983) sogar die verantwortungsvolle auch noch zu. Dann aber 1986, Mal mehr 1992! aussortierten Fotos. Waldheim Pflicht, die Vergangenheit eines im Wahlkampf, stritt er jegliche war in diesem Buch auf Seite 116 BP-Kandidaten lückenlos in Er- NS-Mitgliedschaft ab – obwohl Die Waldheim-Affäre löste aber, viel besser erkennbar. Als ich fahrung zu bringen! Er braucht seine Wehrstammkarte diese be- das kann man jetzt nach 30 Jah- „meine“ Aufnahme umdrehte, las sich keinesfalls als „Dummerle“ stätigte. PROFIL veröffentlichte ren Rückblick wohl sagen, eine ich mit deutscher Gründlichkeit verkaufen zu lassen! diese am 2. 3. 1986. Ich schick- äußerst positive, österreichweite die Namen aller Abgebildeten te Ende November 1985 mein und ziemlich ehrliche Diskussion (SS-Gruppenführer, italienischer Kurt Waldheim wurde am Foto an mehrere mir bekannte über den Anteil an Schuld und Be- Kommandant …). 21. 12. 1918 geboren und wuchs Personen und Organisationen, teiligung von uns Österreichern in Tulln als Lehrersohn auf. doch nichts geschah. Erst Ende in der Nazizeit aus. Das war der So richtig bedeutsam wurde das 1936 maturierte er in Kloster- Februar 1986, zwei Monate vor wirklich gute Teil und positive Foto erst, als der Ex-UNO-Gene- neuburg. Am 1. 9. 1936 begann dem ersten Wahlgang, erhielt ­Effekt der Waldheim-Affäre! n

20 DER SOZIALDEMOKRATISCHE KÄMPFER MUSeum/ausstellung

Erfasst, verfolgt, vernichtet Claus Michl-Atzmüller hat sich eine Wanderausstellung, dem Decknamen „T4“ in die Ge- speziell für den BSA nach dem die die Opfer der NS-Euthanasie ins Zentrum rückt, schichte eingegangen. Die „Eu- 2. Weltkrieg eine schwere Bür- ­angesehen und seine Eindrücke in einem Bericht fest- thanasie“ gilt als Vorstufe zum de darstellte. Eine Bürde – und gehalten. Holocaust. hier wiederhole ich mich immer wieder –, die ich als überwunden m 19.1.2016 eröffnete Elterndarlehen, Kindergeld oder Ergänzungen zu Österreich betrachte. Nationalratspräsidentin Ausbildungshilfen gefördert wer- In Wien wurden Beiträge er- ADoris Bures die Wander- den sollten. Die rassenhygieni- gänzt, die die österreichische Die Ausstellung geht auch auf ausstellung „erfasst, verfolgt, ver- sche Schulung des medizinischen Beteiligung an den Verbrechen den Umgang mit den Gescheh- nichtet. Kranke und behinderte Personals wurde intensiv forciert. zeigten. So wurde das Renais- nissen in der Nachkriegszeit ein. Menschen im Nationalsozialis- sance-Schloss Hartheim bei Linz Leider fanden Zwangssterilisierte, mus“, die bis 30. Jänner im Pa- Ärzte, Pflegende und Funktionä- von den Nationalsozialisten zu Überlebende der Tötungsanstal- lais Epstein zu sehen war. Dabei re urteilten nach Maßgabe von einer Tötungsanstalt umgebaut. ten und Angehörige ermordeter betonte sie die Notwendigkeit, „Heilbarkeit“, „Bildungsfähigkeit“ Bei den ersten (Bus-)Transpor- Patientinnen und Patienten nach die Verbrechen des Nationalso- oder „Arbeitsfähigkeit“ über die ten funktionierte die Tarnung, 1945 wenig Unterstützung. Die zialismus weiter aufzuarbeiten. Opfer. Am PatientInnenmord wa- dass die Opfer einen „Erholungs- Vorstellungen von „Minderwer- „Wenn es um eines geht, dann ren demnach viele beteiligt. Rich- urlaub“ konsumieren sollten, tigkeit“ und „erblicher Belastung“ darum, dass man diese Vergan- ter und Ärzte entschieden über noch ganz gut. Doch schon bald wirkten noch lange fort. Die An- genheit in Erinnerung behält, um Zwangssterilisationen, Gynäko- bröckelte die Fassade der „T4“- erkennung als „NS-Opfer“ wur- sicherzustellen, dass so etwas in logen und Chirurgen führten sie Anstalt Hartheim, und das Wissen de lange verweigert. Viele Täter Zukunft nie wieder passiert“, so durch. Ausgrenzung, Verfolgung über die tatsächlichen Vorgänge konnten ihre Karrieren fortset- Doris Bures wörtlich. und Vernichtung „auffälliger“, verbreitete sich unter den Ärz- zen. Erst ab den 1980er Jahren „störender“ und „kranker“ Men- ten schnell, so Herwig Czech begann die öffentliche Erinne- Die Wanderausstellung wurde am schen stand in den betroffenen vom Dokumentationsarchiv des rung an die Opfer. 27.1.2014 im Deutschen Bundes- Anstalten an der Tagesordnung. Österreichischen Widerstandes tag eröffnet. Zu den Anwesenden (DÖW). Gerade der verfolgten Gruppe zählten Nachfahren der Opfer Bis zu 400.000 kranke, behinder- der kranken, behinderten und sowie als erste Gäste Bundesprä- te oder psychisch beeinträchtig- Traurige Berühmtheit erlangte psychisch beeinträchtigten Men- sident Joachim Gauck, der die te Menschen wurden zwischen die Kinder- und Jugendfürsorge- schen sollte noch mehr Platz und Schirmherrschaft übernahm, und 1933 und 1945 zwangssterilisiert, anstalt „Am Spiegelgrund“, wo Erinnerung eingeräumt werden. Ulla Schmidt (SPD), Vizepräsiden- mehr als 200.000 Menschen in die Nationalsozialisten ab 1940 Den Worten Georg Psotas von tin des Deutschen Bundestages. Heil- und Pflegeanstalten ermor- systematisch ihr Verbrechen der der Österreichischen Gesellschaft Die Deutsche Gesellschaft für det. Das geschah inmitten der „Kindereuthanasie“ begangen für Psychiatrie und Psychothera- Psychiatrie und Psychotherapie, Gesellschaft. Auch in Österreich und rund 700 Kinder als „le- pie, dass die Ausstellung in be- Psychosomatik und Nervenheil- fielen dem Massenmord unzäh- bensunwertes Leben“ ermorde- rührender Art und Weise einen kunde rückte kranke und behin- lige Menschen zum Opfer. Die ten. Maßgeblich beteiligt war der Zugang zum Thema „Euthanasie“ derte Menschen, die als Belastung massenhafte Tötung von Pati- Psychiater Dr. Heinrich Gross, finden würde, können wir nur für die deutsche „Volksgemein- entinnen und Patientenist unter der für die Sozialdemokratie und beipflichten. n schaft“ galten, in den Fokus ih- rer Ausstellung. Die Ausstellung wurde in Kooperation mit den Stiftungen „Denkmal für die er- mordeten Juden Europas“ und „Topographie des Terrors“ erstellt. Bevor die Ausstel- Rassenhygiene war bereits vor lung in Wien zu sehen war, hatten 1933 in Deutschland zu einer bereits 170.000 Leitwissenschaft geworden, doch Menschen die im Nationalsozialismus wurde sie Ausstellung seit zum tödlichen, politischen Pro- ihrer Eröffnung gramm. Die nationalsozialistische in Deutschland, Sozial- und Gesundheitspolitik Japan und Kanada wurde nach dem „Erbwert“ der gesehen gesamten Bevölkerung ausge- richtet. „Erbkranke“ wurden an Heirat und Familienbildung ge- hindert, natürlich nicht zuletzt durch Zwangsmaßnahmen, wäh-

rend „erbgesunde Sippen“ durch / Johannes Zinner Parlamentsdirektion

21 zeitgeschichte DER SOZIALDEMOKRATISCHE KÄMPFER

teil 1 Von der Republik zum Krieg Im Zuge einer vierteiligen Serie setzen Den Anfang macht Genosse Marcus entwickelte sich die ArbeiterIn- wir anlässlich des 80. Jahrestages des Strohmeier, der sich mit den historisch- nenbewegung dennoch zu einer Ausbruchs des Spanischen BürgerInnen- gesellschaftlichen Vorbedingungen aus- entscheidenden Kraft. Obwohl krieges einen Schwerpunkt zum Thema. einandersetzt. im Untergrund agierend, gelang es den spanischen Anarchi- aum ein europäischer stInnen, zu einer der größten Staat war um das Jahr Bewegungen zu werden. Vor 1900 so rückständig allem unter den ausgebeuteten Kwie das spanische Kö- LandarbeiterInnen fand der An- nigreich. Während sich in an- archismus großen Zuspruch. deren Ländern des Kontinents Schon 1911 zählte die Gewerk- durch die anhaltende Industri- schaftskonföderation CNT alisierung auch die Gesellschaft 700.000 Mitglieder. Auch die So- massiv veränderte, behielt das zialistInnen (Sozialistische Arbei- ökonomisch unterentwickelte, terpartei Spaniens – PSOE) unter streng katholische Spanien eine ihrem eindeutig links stehenden beinahe mittelalterliche feu- Partei- und Gewerkschaftsfüh- dalistische Struktur. Den rund rer Francisco Largo Caballero, 50.000 GroßgrundbesitzerInnen wuchsen zu einer mächtigen gehörten weit mehr als 50 Pro- Bewegung heran. Als General zent des gesamten Bodens, auf Rivera 1930 durch einen ande- dem fast drei Millionen entrech- ren Militär ersetzt wurde, führte tete LandarbeiterInnen unter dies zu einem Aufschwung der unmenschlichen Bedingungen DemokratInnen. Dem Druck schuften mussten. Neben den der Straße nachgebend, kam es BesitzerInnen der Latifundien im April 1931 zu Gemeinderats- bildeten die Aristokratie und wahlen, bei denen die demokra- der Klerus die Machtbasis des tischen Parteien große Erfolge rückständigen Landes. erzielten. Die Oligarchie war da- von überrascht, und diese kurze Diese reaktionäre Politik un- „Schockstarre“ ausnutzend, rief terdrückte aber nicht nur den der Großgrundbesitzer Niceto

Emanzipationsprozess der Ar- wikimedia Alcalá-Zamora am 14. April 1931 beiterInnenbewegung, sondern Werbebanner mit dem Slogan ¡No pasarán! der antifaschisti- die Republik aus. Der König, auch jegliche Aktivität der zahl- schen Volksfront in Spanien 1936 von den Ereignissen offenbar reichen nationalen Minderheiten. überrollt, begab sich ins Exil. Mi- Neben den Repressionen im In- mit Hilfe von Giftgas ausgerottet nerhalb Spaniens zu vermehrten nisterpräsident wurde der Sozia- land verteidigte das monarchis- werden. Solche Maßnahmen Aufständen. 1909 versuchten sich list Manuel Azaña, der mit seiner tische Regime, auch unter größ- führten allerdings zu einer noch die ArbeiterInnen Kataloniens Regierung sogleich mit einem ten Verlusten, die Reste seines größeren Verteidigungsbereit- vom Joch des Zentralstaates zu ambitionierten Reformprogramm Kolonialreiches in Nordafrika schaft der misshandelten Völker, lösen. Die Antwort Madrids war begann. Neben zahlreichen So- und auf den Philippinen. Auf und allein in Marokko starben aber auch hier von großer Bruta- zialgesetzen wurden auch das persönlichen Befehl des Königs fast 20.000 spanische Soldaten. lität geprägt: Neben vielen Toten Frauenwahlrecht, die Zivilehe sollten etwa die Widerstand lei- Neben den Misserfolgen in Afri- und Hingerichteten wurden über und bestimmte Autonomierechte stenden BerberInnen in Marokko ka und auch Asien kam es in- 2.000 Menschen in Katalonien für Minderheiten eingeführt. verhaftet. Die ökonomischen Probleme des Innere Unruhen und die Verluste unterentwickelten Landes konn- im Ausland führten zu einer ver- ten aber auch von der neuen mehrt instabilen Situation. Aus Regierung nicht gelöst werden. diesem Grund überantwortete Die geplante Landreform wurde der König 1923 die Regierungs- nicht radikal genug durchgesetzt, geschäfte an General Primo die Arbeitslosigkeit stieg weiter de Rivera. Er errichtete, dem an. Radikale Kräfte nutzten die Wunsch des Monarchen ent- neuen Machtverhältnisse im Land sprechend, eine Militärdiktatur und begannen mit einer scho-

Bundesarchiv, Bild 102-11543 / CC-BY-SA 3.0 / CC-BY-SA Bild 102-11543 Bundesarchiv, und führte Spanien fast ein Jahr- nungslosen Jagd auf die großteils Feiern zur Ausrufung der Zweiten Spanischen Republik in zehnt mit eiserner Hand. Trotz verhasste katholische Kirche. Barcelona, 1931 aller Repressalien und Verbote Dabei kam es allerdings zu un-

22 DER SOZIALDEMOKRATISCHE KÄMPFER zeitgeschichte

geplanten Ausschreitungen wie der Plünderung von Klöstern, Er- Heinz Fischer, mordung von Priestern und dem Christian Broda, Niederbrennen von Kirchen. Die Franz Jonas und Schwäche der Regierung und die Hans Kelsen (1965) teilweise übertriebene Radikalität der vorher unterdrückten Klassen führten im August 1932 zu einem ersten Militärputsch, der jedoch aufgrund der republikanischen Gesinnung der Massen zu einem VGA Misserfolg wurde. Dennoch trau- te man einer rechten Regierung VGA mehr Erfolge zu, und bei den er eine dreimo­natige Gefängnis- Wahlen im Jahr 1933 übernah- 100 Jahre Christian Broda strafe. Den weiteren Kriegsverlauf men konservative und liberale erlebte Broda in der Wehrmacht Kräfte die Macht. Jetzt war es Im folgenden Beitrag widmet sich Peter Lhotzky dem und das Kriegsende im Innvier- die ArbeiterInnenschaft, die eine Leben und Schaffen des sozialdemokratischen Justiz­ tel, wo er sich auch der „Öster- erneuerte reaktionäre Regierung reformers. reichischen Freiheitsbewegung“ nicht dulden wollte. Im Oktober anschloss. 1934 kam es zu Aufständen von ls jüngeres von zwei Kin- zunächst nicht immatrikulieren. ArbeiterInnen im ganzen Land. dern des Ehepaares Dr. Doch dann besuchte er ab dem Nach seiner Heimkehr war Broda Zunächst erklärte das linke Kata- AErnst Broda und Viola Wintersemester ’36/37 die Wiener von Dezember 1945 bis Septem- lonien erfolglos seine Unabhän- (geb. Pabst) kam Hans Christian Universität. Seine Studienfächer ber 1946 in der Bibliothek des gigkeit, später misslang auch ein Broda am 12. 3. 1916 in Wien zur waren Geschichte und Jurispru- Bundeskanzleramtes beschäftigt, ArbeiterInnen-Aufstand in Ma- Welt. Der familiäre Hintergrund – denz, doch sein Widerstand ge- promovierte 1947 zum Dr. jur. drid. In Asturien wurde eine Er- sein Vater Finanzrat, also Staats- gen den Ständestaat schlug sich und legte schließlich im Oktober hebung der ArbeiterInnenschaft beamter, der noch in seinen letz- auch in politischen, illegalen Ak- 1948 die Rechtsanwaltsprüfung durch Regierungstruppen unter ten Lebensjahren eine Rechtsan- tivitäten nieder. In der Zwischen- ab. Im Jahr 1949 trat Broda der General Francisco Franco brutal waltskanzlei eröffnete – ermög- zeit schloss er sich einer oppositi- SPÖ bei. Ab dem Jahr 1957 war niedergeschlagen. lichte Christian, wie er sich sehr onellen Gruppe von Jungkommu- er im Bundesrat als Vertreter des früh unter Weglassung des ersten nistInnen an. An dieser Gruppe Landes Wien und ab 1959 als Na- Da auch die rechte Regierung Vornamens, Hans, nennen sollte, waren außer Broda auch Josef tionalrat im Parlament vertreten. keinerlei Erfolge erzielen konnte, den Besuch des Akademischen Hindels, Georg Scheuer und Karl Sein wichtigstes Anliegen war es, entschied sich das Volk bei den Gymnasiums (ab 1926). Zunächst R. Stadler, später der erste Direk- die noch aus 1873 stammende Parlamentswahlen im Februar mit der Sozialdemokratie – den tor des Karl-Renner-Institutes und Strafprozessordnung und das aus 1936, der linken Volksfrontregie- Sozialistischen Mittelschülern – Gründer der Uni Linz, beteiligt. dem Jahr 1811 stammende Fami- rung die Mehrheit zu geben. Die sympathisierend, schloss er lienrecht zu revidieren. Wie sein unterlegenen konservativen und sich 1931 der kommunistischen Seine Dissertation „Volk und Füh- Biograf Béla Rásky schreibt: rechten Gruppen wollten diesen Jugend­bewegung an. rung. Ein Beitrag zum Problem Wahlsieg der linken Kräfte aller- der politischen Willensbildung im „… zeigte Broda sich auch dings nicht akzeptieren. Für die Noch bevor er im Jahr 1934 zweiten Deutschen Reich“ sollte häufig kompromissbereit, so politische Rechte war zu diesem die Matura ablegen konnte, wur- später, als Broda Justizminister war er es nicht um jeden Preis. Zeitpunkt schon klar, dass ein an- de er am 23. Februar wegen kom- war, zu heftigen Angriffen führen. Auch sein oft hervorgehobener derer Weg für Spanien gewählt munistischer Betätigung verhaftet Seine „militärische Karriere“, wie Charme hinderte ihn nicht werden musste, jener, den das und „auf dem Verwaltungsweg“ Christian Broda ironisch in einem daran, seine Ziele beharrlich faschistische Italien, Österreich zu 42 Tagen Haft verdonnert. Das Brief bemerkte, begann 1940. Im und mit strategischem Kalkül und das nationalsozialistische mag wohl einer der Gründe sein, Jahr 1943 wurde der Obergefreite zu verfolgen, … er verstand Deutschland zuvor gegangen dass sich Broda später für die Fe- Broda wegen „Unterlassung der es, seine Mitarbeiter, die ihm waren. Am 17. Juli 1936, also nur stigung des Rechtsstaates und die Anzeige einer hochverräterischen bis heute verbunden geblieben wenige Monate nach dem Antritt Abschaffung der Todesstrafe ein- Unternehmung“ festgenommen. sind, zu motivieren …“ der neuen Regierung, begann, setzte. Nach der Haft, um sich der Glücklicherweise war er (er be- von der marokkanischen Kolonie Beobachtung und Bespitzelung fand sich sechs Tage in GESTAPO- Mit dem Namen Christian Broda ausgehend, ein schon länger ge- der Exekutive zu entziehen, ver- Haft) in den Akten der politischen wird die große Strafrechtsreform planter Putsch. Angeführt­ wurde brachte er mehr als ein Jahr bei Kartei des Austrofaschismus nicht und die Familienrechtsreform dieser von General Franco, der seinem Onkel G. W. Pabst in San- unter seinem Namen, sondern nur für immer verbunden sein. Nach sich zuvor bereits als erfolg- ta Monica in Kalifornien. Wieder mit dem Decknamen „Genosse einem arbeitsreichen Leben ver- reicher Unterdrücker der Arbei- in den Schuschnigg’schen Stän- Janda“ vermerkt, und den kannte starb Dr. Christian Broda am terInnenschaft angedient hatte.n destaat zurückgekehrt, durfte er die GESTAPO nicht. Daher erhielt 1. 2. 1987 in Wien. n

23 Die letzte Seite DER SOZIALDEMOKRATISCHE KÄMPFER

ass eine Zeitschrift wie auch für demokratiepolitisch die freiheitliche „Aula“ ARGE-Stellungnahme bedenklich. DKommentare eines Neo- In der rechtsextremen Postille „Aula“ wurden KZ-Über- Nazis abdruckt, in denen ge- lebende in übelster Art diffamiert. Im Folgenden die Umso mehr begrüßen wir fragt wird, ob die Befreiung Stellungnahme der ARGE im Wortlaut. die Distanzierung der Grazer Tausender KZ-Häftlinge tat- Oberstaatsanwaltschaft und sächlich ein Grund zu feiern sachlichen, einseitigen oder von acht Hitlerjungen im des Bundesministeriums für sei, ist politisch ebenso ein propagandistisch vorteilhaf- Waldviertel als „Massenmord“ Justiz. Bundesminister Dr. Skandal wie die Verunglimp- ten Darstellungen national- bezeichnet wird, denn die Er- Brandstetter hat bei zahlrei- fung der befreiten Häftlinge sozialistischer Maßnahmen mordung einer größeren An- chen Gelegenheiten einen als „Landplage“. Für uner- und Ziele“ dar, wenn über zahl von Menschen sei nun selbstkritischen Umgang träglich halten wir – als Ver- die befreiten Häftlinge des einmal Massenmord. auch mit der Rolle der Jus- tretung der überlebenden KZ Mauthausen behauptet tiz in der NS-Diktatur einge- politischen Häftlinge und der wird, eine „Horde von 3.000 Dass der zur Verhinderung mahnt. Wir erwarten, dass Angehörigen der Ermorde- Befreiten“ sei „raubend und solcher Fehlleistungen ein- er dafür sorgt, dass künftig ten – jedoch die Begründung, plündernd, mordend und gesetzte Rechtsschutzbe- nur solche Staats­anwälte und mit der die Staatsanwaltschaft schändend“ durchs Land ge- auftragte am Grazer Einstel- Staatsanwältinnen mit Anzei- Graz ein deshalb eingeleite- zogen. Und es sei auch keine lungsbeschluss nichts zu gen wegen NS-Wiederbetä- tes Strafverfahren wegen na- Verniedlichung von NS-Ver- beanstanden fand, weil die tigung befasst werden, die tionalsozialistischer Wieder- brechen, wenn die – vermut- Darstellung in der „Aula“ über ein Mindestmaß an Wis- betätigung und Verhetzung lich von ehemaligen KZ-Häft- sich mit seinen Kindheitser- sen über die NS-Herrschaft in einstellte: Es stelle „keine un- lingen verübte – Ermordung innerungen decke, halten wir Österreich verfügen. n

de Mauthausen ein neues Konzept erstellt, Gedenkfahrt Mauthausen 15.5.2016 nach welchem die Feierlichkeiten ablaufen Seit 1946 findet immer im Mai im ehema- Der Ablauf dieser Feier ist seit mehr als werden. Nach diesem Konzept beginnt die ligen KZ Mauthausen eine Zeremonie zur 40 Jahren im Prinzip unverändert geblie- gemeinsame Hauptfeier bereits um 10 Uhr, Wiederkehr der Befreiung des Lagers statt. ben. Daher hat das Comité International was frühere Abfahrtszeiten zur Folge hat.

Ab Wien: Treffpunkt Kontaktadressen: Tel.: +43/(0)662/ Linz: Loibl Bildungs- 6.15 Uhr, Hütteldorf/ Wien: Bundesbüro 42 42 00-400 E-Mail: freiheitskaempfer. und Gedenkfahrt Busbhf., Abfahrt 6.30 Uhr Tel.: +43/(0)1/534 27-277 E-Mail: alexander. [email protected] 10.–12. 6. 2016 (Mo.–Do. 9 – 16 Uhr, [email protected] Innsbruck: Bundesbüro Die anderen Abfahrts­ Fr. 9 – 13 Uhr) St. Pölten: Harald Ludwig Helmut Muigg Tel.: +43/(0)1/534 27-277 zeiten erhalten Sie bei E-Mail: [email protected] Tel.: +43/(0)2742/35 71 54 Tel.: +43/(0)512/53 66-17 (Mo.–Do. 9 – 16 Uhr, den jeweiligen Kontakt­ Salzburg: Alexander E-Mail: harald.ludwig E-Mail: freiheitskaempfer Fr. 9 – 13 Uhr) personen. Neunherz @spoe.at @spoe-tirol.at E-Mail: [email protected]

Mitarbeiter/innen dieser Ausgabe: Ingrid Antes, Camila Garfias, Annemarie Hopfgartner, Peter Lhotzky, Claus Michl-Atzmüller, Helmut Muigg, Gerald Netzl, Alexander Neun- herz, Martin Oppenauer, Henri Schreiber, Franz Sperl, Susanna Steiger-Moser, Marcus Strohmeier, Gernot Trausmuth, Peter Weidner, Marlis Zederbauer. Grafische Gestaltung: Karim Hashem. Lektorat: Julia Gartner, Susanne Hartmann, Roswitha Singer-Valentin. Redaktionsschluss dieser Ausgabe: 21. März 2016 Redaktionsschluss der nächsten Ausgabe: 6. Juni 2016

Impressum: Medieninhaber und Herausgeber: Bund Sozialdemokratischer ­Freiheits­kämpfer/innen, Opfer des Faschismus und aktiver Antifa- schist/inn/en. 1014 Wien, Löwelstraße 18, Telefon: 01/534 27-277, Fax: Dw. 258, E-Mail-Adresse:­ [email protected], Internetadresse: www.freiheitskaempfer.at Produktionsleitung: VWZ Zeitschriften- verlag Ges.m.b.H., Maria-Jacobi-Gasse 1, 1030 Wien; Tel.: 524 70 86-0 Fotos: Wenn nicht anders vermerkt: Redaktion Freiheitskämpfer Hersteller: Bauer Medien Offenlegung nach § 25 Mediengesetz: Information über neofaschis- tische und rechtsextremistische Bewegungen, Vereinsnachrichten, Informationen der Opfer des Faschismus. Die im „Kämpfer“ veröf- fentlichten Artikel und Kommentare geben nicht notwendigerwei- se die Meinung der Redaktion oder des Bundesvorstandes wieder. Zlnr.: GZ 02Z033355M

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