Herzogin Clara – eine Frau an der Schwelle zur Neuzeit

Clara war eine starke und kluge Frau im ausklingenden Mittelalter – ein Kind der Erneuerung. Etwa 1521, zu Beginn der Reformation, wurde sie als Tochter des Herzogs zu Sachsen-Lauenburg geboren. Es war ein katholisches Stift, in dem sie Lesen und Schreiben, Handarbeit und Haushaltsführung lernte und sich mit Heilkräutern vertraut machte. Im Alter von 15 Jahren wurde sie aus machtpolitischen Erwägungen mit Herzog Franz von Braunschweig-Lüneburg verlobt. Nachdem ihre Familie zum Protestan- tismus übergetreten war, zog sie zu ihrer Schwester Dorothea an den dänischen Königshof, um die Grundsätze des neuen Glaubens kennenzulernen. Nach fast 11 Jahren Verlobungszeit heirateten Clara und Franz. Das Schloss in wurde zur fürstlichen Residenz des Herzogtums Gifhorn. Das Volk schätzte Clara als mildtätige Landesmutter. Als zwei Jahre später Franz mit nur 41 Jahren starb, blieb sie als Witwe mit zwei Töchtern zurück. Aufgrund der Erbfolgeregeln der Welfen fiel das Herzogtum ohne männlichen Stammhalter zurück an das Celler Stammhaus. Clara musste das Schloss verlassen und in Fallersleben ihren Witwensitz beziehen. Dank eines Ehevertrages konnte sie Einkünfte aus Gütern beziehen und Herrschaftsgewalt ausüben. Trotz Vormund blieb sie eine souveräne Frau, die sich mit Hilfe ihrer einflussrei- chen Familie durchsetzen konnte. Bis zu ihrem Tod im Jahre 1576 wirkte sie sozial und verhalf dem Flecken Fallersleben zu wirtschaftlichem Aufschwung.

Herzogin Clara

Geburt ClaraErziehung VerlobungHöfische Franz Bildung HochzeitGeburt FranzTod Katharina FranzGeburtWitwenschaft Clara II Tod Clara ca. 1521 1528 1536 1547 1548 1549 1550 1550 1576 Augustinerinnenstift Schloss Schloss Barth Steterburg Gifhorn Fallersleben Hof König Lauenburg von Dänemark

1 AllerHoheit – Auf den Spuren der Welfenherzogin Clara

Liebe Radfahrerin, lieber Radfahrer, auf diesem Teilstück des -Radweges, den Sie sich für Ihre Tour ausgewählt haben, steht eine überaus bemerkenswerte Frau ihm Mittelpunkt: Herzogin Clara von Braunschweig-Lüneburg, geb. Herzogin von Sachsen-Engern und Westfalen. Ein Projektteam aus dem Landkreis Gifhorn und -Fallersleben hat in enger und konstruktiver Zusammenarbeit die Route entwickelt, die historische und naturräumliche Aspekte verbindet. Im Fokus steht dabei immer die Herzogin. In ihrer Person verbinden sich Ortschaften und Naturraum.

Auf der Thementour AllerHoheit begegnet uns mit Herzogin Clara eine durch- setzungsstarke Frau, der wir aus heutiger Sicht Managerinnenqualitäten zu- schreiben würden. Mit vielen anderen historisch bedeutsamen und wegweisen- den Frauen teilt die Herzogin das Schicksal, bisher kaum beachtet worden zu sein. Mit der Themenroute wird ihr nun als regional bedeutsame Frau Aufmerk- samkeit und Anerkennung geschenkt. Auf der Route erhalten Sie auf 16 Infotafeln jeweils Informationen zum jeweiligen Ort, aber auch zum Zeitgeist des 16. Jahrhunderts. Daneben erzählt uns jede Station eine ganz persönliche Episode aus dem Leben der Herzogin. Alle Stati- onen zusammen lassen Herzogin Clara und ihre Zeit lebendig werden.

Wir wünschen Ihnen viel Vergnügen bei Ihrer ganz persönlichen Spurensuche! Das Projektteam AllerHoheit

Vorwort

Statue aus Lindenholz von Herzogin Clara in der Kapelle Schloss Gifhorn

2 Herzogin Clara – eine Frau an der Schwelle zur Neuzeit ...... 1

Vorwort ...... 2

Spurensuche in Gifhorn ...... 4 Gifhorn – Residenz von Clara & Franz ...... 6 Schloss Gifhorn – uneinnehmbare Festung ...... 7 Schlosskapelle – Zeichen der Reformation ...... 8 Torhaus – einzigartiges Tonnengewölbe ...... 9 Kräutergarten – für Apotheke und Bier ...... 10 Kavalierhaus – Sandsteinfassade in Fachwerk-Altstadt ...... 11

Spurensuche in Fallersleben ...... 12 Fallersleben – Claras Witwensitz ...... 14 Schloss Fallersleben – im Stil der Renaissance ...... 15 Michaeliskirche – Claras Hofkirche ...... 16 Schlossanlage – vom Garten zum Park ...... 17 Torschreiberhaus – Claras Steuereintreiber ...... 18 Forsthof Stellfelde – Wachturm im Barnbruch ...... 19

Spurensuche im Barnbruch ...... 20 Aller-Urstromtal – ein Werk der Gletscher ...... 21 Barnbruch – Schweine im wilden Wald ...... 22 Barnbruch – Leben zwischen Wasser und Land ...... 23 Ilkerbruch – Paradies für Weißstörche ...... 24 Allertal – Leben am Puls des Flusses ...... 25

Inhalt

In Claras Zeiten ...... 26 Adelige Zeit – für Bündnisse der Macht ...... 27 Reformation – Zeit der Erneuerung ...... 28 Bier- und Weinzeit ...... 29

Geocaching mit Klatschspalte ...... 30

Service, Quellen, Impressum ...... 31

3 Spurensuche in Gifhorn Mittelpunkt des gemeinsamen Lebens von Clara und Franz war Gifhorn. Hier verdichten sich Claras Spuren. Es lohnt sich, vom Rad zu steigen und den Stationen zu Fuß zu folgen, alte Gemäuer und Wassergräben zu erkunden. Beeindruckendes Zeugnis ist das weiße Schloss im Stil der Renaissance im Weserraum zwischen Ise und Aller. Die Zeitreise beginnt mit der Einfahrt über den Wassergraben auf den äußeren Schlosshof, gibt den Blick frei auf das Torhaus und führt in den inneren Schlosshof mit der Schlosskapelle. In Gif- horn, ebenso wie später in Fallersleben, braute Clara ein Kräuterbier, dessen Zutaten sie im Schlossgarten anbaute. Wer tiefer in Claras Welt vordringen will, der sollte den Weg über das Kopfsteinpflaster ins Museum einschlagen und in der Schlosskapelle Clara in Augenschein nehmen. Der gesamte Baumbestand auf dem Schlossgelände ist heute ein Naturdenkmal, der Graben aus wehrhafter Zeit von Erlen und Eschen gesäumt. Ein Rundweg lädt zum „Lustwandeln“ mal ohne Fahrrad ein. Lohnend ist auch ein Bummel durch die Altstadt, zwischen deren Fachwerkfassaden sich das Kavalierhaus aus Claras Zeit abhebt.

Treffpunkte mit Clara

• Fußgängerzone von Gifhorn mit historischen Gebäuden • Museum im Schloss Gifhorn mit Kapelle und Relikten aus Claras Zeit • Kräuterbeet im Schlossgarten mit Claras Heilkräutern • Fußweg um den Wassergraben von Schloss Gifhorn

Spurensuche in Gifhorn

Schloss in Gifhorn im Stil der Renaissance im Weserraum

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C 1 : 6 336 Poststraße alb Map data © OpenStreetMap contributors Ca er Map data © OpenStreetMapl contributors 250 m 5 Gifhorn – Residenz von Clara & Franz

Im frühen Mittelalter lag Gifhorn als kleine Siedlung auf einer Anhöhe im Aller-Ur- stromtal umflossen von Aller und Ise. Strategisch günstig am Kreuzungspunkt von Kornstraße und Salzstraße gelegen, förderte die Furt über die Ise ihre Entwicklung.­ Gegen Eindringlinge wie z. B. die Wenden wurde eine Wasserburg gebaut. Hand- werker und Kaufleute ließen sich nieder. Im Jahre 1275 wurde dem Ort das Marktrecht verliehen. Der Vater von Herzog Franz verstärkte die Gifhorner Burg und ließ die Altstadt in südlicher Richtung erweitern. Während der Hildesheimer Stiftsfehde von 1519 bis 1523 wurde Gifhorn fast völlig zerstört. Im Jahre 1539 kam Franz als Herzog in die Stadt und bemühte sich um den Wiederaufbau. Nach seiner Hochzeit mit Clara im Dom zu Ratzeburg lebte er mit ihr im Schloss.

Episode Fürstliches Beilager

Bei einer Hochzeit wird nach der kirch- lichen Feier ein prunkvolles Hoch- zeitsmahl abgehalten. Kern der Feier- lichkeiten ist das fürstliche Beilager. Die Beschreitung des Ehebettes erfolgt unter Zeugen. Dazu liegt das Braut- paar unter einer Decke. Erst jetzt ist die Ehe rechtsgültig.

Spurensuche in Gifhorn

Holzbrücke über dem Wassergraben am Schloss Gifhorn

6 Schloss Gifhorn – uneinnehmbare Festung

Das heutige Schloss ist von 1525 bis etwa 1581 im Stil der Renaissance im Weserraum erbaut worden. An der Südostflanke des Herzogtums gelegen, hatte es für die in Celle residierenden Herzöge eine strategisch wichtige Funktion und schützte eine bedeutende Zollstation. Das Schloss wurde daher als Fes- tung mit einem 50 Meter breiten Wassergraben, Wällen und Bastionen ange- legt. 1539 überließ Herzog Ernst das Schloss mit den umliegenden Ämtern seinem Bruder Herzog Franz. Gifhorn wurde bis zum Tod von Franz zum Herzog- tum. Die „Frauenzimmer“ des Schlosses, die Herzogin Clara mit ihrem weibli- chen Gefolge bewohnte, lagen im oberen Stockwerk über der männlichen Herr- schaft und hatten wahrscheinlich einen direkten Zugang zur Kapelle.

Episode Rücksicht auf Untertanen

Herzog Franz holt den Baumeister Michael Clare nach Gifhorn, damit er den Bau der fürstlichen Residenz wei- terführt. Er drängt auf Fertigstellung, doch er will seine armen Untertanen nicht zu sehr mit Arbeitsdiensten be- lasten: „ … ich will lieber wenigk ha- ben, dan viel mit der armuth beßrung.“ Bogenförmiger Eingang im Torhaus

Schloss Gifhorn mit Kapelle

7 Schlosskapelle – Zeichen der Reformation

Die Bauinschrift „ANNO DNI 1547“ beweist, dass die Schlosskapelle in Gifhorn der früheste evangelische Kirchenbau in Nordwestdeutschland ist. Mit ihr be- kannte sich Herzog Franz weithin sichtbar als christlicher Fürst und schuf einen Ort für den Gottesdienst. In der Kapelle sind die Initialen „F“ und „K“ für Franz und Klara, zwei Sarkophage und lebensgroße Statuen aus Lindenholz erhalten: der Herzog in Rüstung und Clara im repräsentativen Kleid. Eine Untersuchung der Knochen von Franz aus seinem Sarkophag ergab, dass sein rechter Fuß amputiert wurde. Sogar Ver- bandsmaterial wurde gefunden. Vermutlich starb er nach einer Jagdverletzung an Wundbrand. Claras Sarkophag ist leer geblieben. Sie starb 1576 bei einem Besuch ihrer Tochter in Vorpommern und wurde dort beigesetzt.

Episode An Wundbrand gestorben

Franz verletzt sich wahrscheinlich bei der Jagd am rechten Fuß. Die Wunde heilt nicht, weil er vermutlich an Dia- betes leidet. Gegen den nachfolgen- den Wundbrand haben die Ärzte kein Mittel. Selbst die Amputation des Fu- ßes rettet ihn nicht. Franz stirbt 1549 an seinem 41. Geburtstag.

Spurensuche in Gifhorn

Schlosskapelle innen mit Statuen von Clara und Franz

8 Torhaus – einzigartiges Tonnengewölbe

Wer über den Wassergraben ins Schloss wollte, musste die Holzbrücke ins Torhaus nehmen. Das Torhaus wurde bereits ein Jahr nach Beginn des Schloss- baus 1526 fertiggestellt. Wegen seiner überdimensionierten Größe war es ver- mutlich ursprünglich als alleiniges Schlossgebäude geplant. Es ist das einzige und letzte Gebäude in Nordeuropa, das Zeugnis von einer einst verbreiteten Dachkonstruktion abgibt. Sie besteht aus hölzernen Halbkreisgiebeln und einem in Längsrichtung laufenden hölzernen Tonnengewölbe, das von Quertonnen durchstoßen wird. Gebogene Balken überspannen diagonal den Raum. Noch bis zum 18. Jahrhundert wurde das Torhaus als Zugang genutzt. Danach wurde es als Kornmagazin verwendet. Das Holzwerk des Daches wurde bei Renovie- rungsarbeiten weitgehend erhalten.

Episode Die ewig Verlobte

Franz genießt in Sachsen die Annehm- lichkeiten des höfischen Lebens mit Turnieren, Festen und Jagden in vollen Zügen. Aufgrund der Teilnahme am Schmalkaldischen Krieg wird er kurz- fristig mit der Reichsacht belegt. Clara wartet elf Jahre auf ihn.

Dach Torhaus mit Tonnengewölbe

9 Kräutergarten – für Apotheke und Bier

Für ihre Apotheke und die Verwendung beim Bierbrauen baute Herzogin Clara im Schlossgarten Kräuter an. Sie hatte während ihrer Erziehungszeit im Augus- tinerinnenstift Steterburg einiges über Heilpflanzen und ihre Anwendung ge- lernt. Ihre Tante Elisabeth von Braunschweig-Wolfenbüttel war damals Priorissa (Vorsteherin). Zum Stift gehörte eine Art Krankenhaus mit ausgebildeter Kranken- meisterin.

Zeugnis Kräuter im Bier

Im neuen Kräuterbeet wachsen Kräuter, die damals von Clara verwendet wurden. Hildegard von Bingen (1098 - 1179) hat sie beschrieben: • Wermuth: „Es bezwingt den Schmerz in den Nieren … macht den Magen warm, reinigt die Eingeweide und bereitet eine gute Verdauung.“ • Alant: „Die Wärme des Alant … gibt der Lunge, die auf Grund unrechter Kälte erkrankt ist, die richtige Wärme zurück.“ • Liebstöckel: „Kocht man es zusammen mit anderen Zuspeisen, schädigt es den, der es ißt, nicht sehr.“ • Hirschzungenfarn: „… ist warm und feucht und gut für Leber, Lunge und für Schmerzen in den Eingeweiden … beseitigt innere Fäulnis und slim (Schleim) …“

Hirschzungenfarn

Spurensuche in Gifhorn

Wermuth Alant Liebstöckel

10 Kavalierhaus – Sandsteinfassade in Fachwerk-Altstadt

Das Kavalierhaus wurde im Jahr 1546 erbaut und ist damit das älteste Bürger- haus Gifhorns. Der damals mit dem Ausbau des Gifhorner Schlosses beauf- tragte Schloss- und Festungsbaumeister Michael Clare errichtete die massive Sandsteinfassade im Stil der Renaissance im Weserraum mit spätgotischen Elementen. Der erste Bewohner Caspar von Leipzig war von 1539 bis 1543 Schlosshauptmann und anschließend Hofmarschall von Herzog Franz. Bei der Restaurierung wurde eine Tapeten- und Farbschichtenfolge bis ins 16. Jahrhundert freigelegt. Aus der Zeit der Renaissance sind rote und schwarze Begleitlinien zum farbigen Holzwerk und hellen Gefache erkennbar. Heute ist im Kavalierhaus das Museum für bürgerliche Wohnkultur der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts untergebracht.

Episode Bildung adeliger „Fräulein“

Clara hat eine umfangreiche Bildung genossen. Denn das Ideal der adeligen Frauen sieht – neben den Forde- rungen nach Schamhaftigkeit, Züchtigkeit und Frömmig- keit – auch den Erwerb von Sprachkenntnissen sowie die Beherrschung von Musikinstrumenten und Gesangs- unterricht vor. Dazu gibt es „schöne Arbeiten“ wie Sticken Torbogen im Kavalier- und Malen. haus, freigelegt bei der Renovierung

Kavalierhaus Vor- und Rückseite

11 Spurensuche in Fallersleben Als Franz starb, musste Clara ihren Witwensitz im Schloss Fallersleben beziehen, von dem aus sie 26 Jahre bis zu ihrem Tod herrschte. Viel gibt es über ihr Leben hier zu berichten. Es lohnt sich, vom Rad zu steigen und ihren Spuren zu Fuß zu folgen. Wie es für eine Witwe aus dem Adel üblich war, nahm sie in Fallersleben viel- fältige Verwaltungsaufgaben wahr. Aus den Einnahmen, die sie erwirtschaftete, musste sie ihren kleinen Hofstaat, ihren Lebensunterhalt und den ihrer Töchter bestreiten. Der AllerHoheit-Radweg ist Bindeglied zwischen den Orten und der Landschaft, in und mit denen Clara lebte. Ihr Leben als Mutter, Landesherrin, Verwalterin und als Protestantin bildet den Hintergrund für eine Auseinandersetzung mit der im Wandel begriffenen Gesellschaft und der Rolle der Frau im 16. Jahrhundert. Mittelpunkt ist ihr familiäres, wirtschaftliches, soziales und religiöses Wirken, dessen Spuren in Altstadt und Schloss zu entdecken sind. Der wundervolle Schlosspark mit alten Bäumen, Teich und Brauhaus lädt zum Flanieren ein.

Treffpunkte mit Clara

• Schlossanlage von Fallersleben mit Park • Fußgängerzone von Fallersleben mit historischen Gebäuden • Fallersleber Brauhaus mit „Claras Kräuterbier“

Spurensuche in Fallersleben

Schloss Fallersleben mit Clara-Statue

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13 Fallersleben – Claras Witwensitz

Erstmals genannt wurde Fallersleben in der Zeit von König Otto I. im Jahre 942. Nachdem Herzogin Clara Gifhorn 1550 verlassen hatte, residierte sie dort 26 Jahre. Zu Fallersleben zählten damals 18 Dörfer und einige Höfe. Clara verhalf dem Ort, der günstig an einem Fernhandelsweg lag, zu wirtschaftlichem Auf- schwung. In jenen unsicheren und unruhigen Jahren wollte sie mit einer Münz- ordnung ihre Untertanen gegen eine Geldentwertung schützen. Im Jahre 1573 erließ sie zudem eine Marktordnung, nach der dreimal im Jahr Markttage statt- fanden. Sie sorgte für den Marktfrieden und sicherte Zollfreiheit für Waren zu. Fallersleben hatte keine Stadtrechte, rückte aber so zum Marktflecken auf. Handwerker und Kaufleute konnten sich vermehrt niederlassen.

Zeugnis Münzordnung von 1555 „Von Gotts gnaden Wir Clara geborne zu Sachsen, Herzogin zu Braunschweig und Luneburg, Witwe … Das Mariengroschen bleiben mariengroschen, und sein nicht geringert, sondern erhohert worden, Dan hievor hat ein Daler, sechs und dreißig mariengroschen gegolten, Ißt aber hin- furder soll ehr nicht mehr dan zwey und dreissig Mariengroschen gelten …“

Spurensuche in Fallersleben

Blick in die Marktstraße

14 Schloss Fallersleben – im Stil der Renaissance

Als Clara 1550 Schloss Fallersleben erhielt, war es noch nicht fertiggestellt. Wie Schloss Gifhorn war es während der Hildesheimer Stiftsfehde (1519 – 1523) zerstört worden. Mit erstaunlicher Tatkraft setzte die Witwe den Schlossbau fort, der von Herzog Franz begonnen worden war. Sie schuf ein dreiflügeliges Renais- sanceschloss aus kräftigem Eichenfachwerk. Die in U-Form angeordneten Ge- bäude umschlossen einen Hof. Zum Schutz der Bewohner gab es einen 11,5 Meter breiten und fünf Meter tiefen Wassergraben, Wälle und eine Stadtmauer. Über den Wassergraben führten zwei Brücken in die Anlage. Von den Schlossflü- geln ist nur noch der Westflügel mit dem Treppenturm erhalten. Eine Brücke und ein Grabenabschnitt sind rekonstruiert. Heute ist der Graben verfüllt.

Zeugnis „VON GOTS GNADEN KLARA GEBORENE ZU (…) BRAUNSCHW: UND LUNEB: WIDT GEBAWET ANNO MDLI“

Inschrift auf dem Schwell­ balken zum Hof

Innenhof Schloss Fallersleben mit rekonstruiertem Kopfsteinpflaster

15 Michaeliskirche – Claras Hofkirche

Herzogin Clara war eine tiefgläubige Christin und überzeugte Protestantin. Ein Jahr nach der Übernahme von Schloss Fallersleben ließ sie die Michaeliskirche ausbauen. Sie stiftete ein Taufbecken und ließ ihr Wappen oberhalb des Altars anbringen. Geweiht wurde die Kirche dem Erzengel Michael sowie den Heiligen Cosmas, Damian, Alexander, Eventius und Theodolus. Ihre Hofprediger nutzten die Kirche, die dadurch den Status einer Hofkirche erhielt. Während ihres Auf- enthalts wurde 1570 zudem eine Superintendentur eingerichtet. Pfarrhaus, Küsterei, Scheune und Pfarrwitwenhaus wurden gebaut sowie eine Mauer um den Kirchhof gezogen. Die Hofkirche wurde 1803 abgerissen. Im Jahre 1805 wurde der Neubau eingeweiht.

Zeugnis Grabplatten der Superintendenten

Fallersleben war bis 1965 Sitz der Super­ intendentur. An der Kirchenmauer stehen Grabplatten verstorbener Superinten- denten. Zu Claras Zeiten unterlag auch das Schulwesen der kirchlichen Aufsicht. Religiöse Erziehung stand im Mittel- punkt.

Spurensuche in Fallersleben

Heutige Michaelis Kirche aus dem Jahre 1805

16 Schlossanlage – vom Garten zum Park

Fallersleben war während Claras Witwenzeit mit Wall und Graben sowie vier Toren gesichert – Westtor, Gröpertor im Osten, Hoftor zur Schlossseite im Süden und Neues Tor im Norden. Zur Schlossanlage zählten u. a. Amtsstubengebäude, Gefangenenhaus, Scheunen, Schweinehaus, Hühnerhaus und Viehhaus sowie Brauhaus und Brennerei. Der heutige Teich gehörte damals zur Brennerei. Ein großer Teil des Parks war Garten des Drosten (Verwalter) und Amtsmanns. Das alte Brauhaus stand nicht an seinem heutigen Standort, sondern an der Westecke des südlichen Wassergrabens. Im Jahre 1765 wurde es durch einen Neubau am heutigen Standort ersetzt und in den 1980er Jahren umfassend restauriert.

Episode Das Recht zum Bier brauen

Clara hat das Recht, für die Krüge in Fallersleben, die damaligen Gastwirt- schaften, Bier zu brauen und zu ver- kaufen. 1585 beschweren sich die Braunschweiger, dass sie ihr Bier nicht mehr „in den Krügen“ verkaufen können. Stattdessen wurde in Fallers­ leben ein Brauhaus errichtet.

Brauhaus heute mit Gastronomie

17 Torschreiberhaus – Claras Steuereintreiber

Torschreiber waren Steuerbeamte, die direkt am Stadttor Verbrauchssteuern bzw. Zölle auf Grundnahrungsmittel, Genussmittel, Vieh und sonstige Ver- brauchsgüter erhoben. Herzogin Clara war auf diese Einnahmen für ihre Hofhal- tung angewiesen. Von säumigen Steuerzahlern konnte sie Bußgeld erheben und Pfändungen vornehmen, da sie die Gerichtsbarkeit in Fallersleben innehatte. Der Torschreiber wohnte im Westen des Ortes am „Westertor“, wo schon im Mittelalter ein Torschreiberhaus stand. Das heute vorhandene Fachwerkhaus ist von 2011 bis 2013 saniert worden und wird privat genutzt.

Episode Clara pfändet Fohlen

Jede Woche treibt ein Rosskämmerer seine Pferde durch Fallersleben zum Markt nach Oebisfelde. Er weigert sich beständig, den Zoll zu zahlen. Bis im August 1562 Clara seine vier Fohlen als Bußgeld pfändet. Zwei Fohlen kommen in den fürstlichen Stall, zwei bekommt der Rat. Das ist gerecht.

Spurensuche in Fallersleben

Torschreiberhaus

18 Forsthof Stellfelde – Wachturm im Barnbruch

Im frühen Mittelalter war Stellfelde Teil einer Befestigungskette gegen die „räube- rischen Wenden“. Der Wachturm stand im Barnbruch auf einer Düne und war noch bis zum 30-jährigen Krieg in Funktion. Von Stellfelde wurden zu Claras Zeiten die forstlichen Königsgüter verwaltet. Ausschließliches Jagdrecht hatte dort der König. Sein Forstmeister war auch Richter, auf dessen Großzügigkeit die Bürger bei der Nutzung des Waldes angewiesen waren. Der Forsthof war zudem für die Sicherheit der Fallersleber wichtig. Näherten sich Feinde, gab der Förs- ter vom Turm aus Feuerzeichen. Die sumpfigen Wälder waren dann Zufluchtsort für die Bewohner der Umgebung. Heute zeugen über 400 Jahre alte mächtige Eichen von Zeiten, als noch Schweine zur Mast in die Wälder getrieben wurden.

Zeugnis Gedenkstein mit Inschrift

„Stellfelde 300 m nördlich lag die alte Wallburg. Errichtet von Bernward von Hildesheim um 1000. Aus einem karolin- gischen Forsthof entwickelte sich die spätere königliche Hannoversche Ober­ försterei im Amte Fallersleben. Abgebro- chen 1962.“.

Lageplan der Gebäude von Stellfelde 1827

19 Spurensuche im Barnbruch Zwischen Gifhorn und Fallersleben führt der AllerHoheit-Radweg in die Wald- und Sumpflandschaft des Barnbruchs im Aller-Urstromtal. Auf dem gut ausge- bauten Weg kann man sich heute nur schwer ein Bild von den Beschwernissen einer Reise zu Claras Zeiten machen. Einer Zeit, in der die Waldlandschaft häufig überflutet war und keine Gräben die Sümpfe trocken legten. Noch heute ist die Niederung fast unbewohnt, der Natur überlassen bzw. wird nur zaghaft genutzt. Hier und da erzählen mächtige Eichen von der Schweinemast vergan- gener Zeiten. Sumpfige Wiesen entlang des Erlebnispfades am Ilkerbruch las- sen erahnen, wie raffiniert Claras Tausch von Pomeranzen gegen fette Weiden war. Bei Osloß schwingt die Aller natürlich durch das Tal, darf bei Hochwasser über die Ufer treten. Streuobstwiesen und Kopfweiden erinnern uns an alte Zeiten, als Natur und landwirtschaftliche Nutzung noch enger miteinander ver- flochten waren. Heute ist diese einzigartige Landschaft ein europäisches Schutzgebiet.

Treffpunkte mit Clara

• Allerauen-Erlebnispfad bei Osloß • Königsallee im Barnbruch • Naturerlebnispfad und Aussichtspunkte am Ilkerbruch • uralte Eichen bei Stellfelde

Spurensuche im Barnbruch

Aller bei Osloß

20 Aller-Urstromtal – ein Werk der Gletscher

Wer den AllerHoheit-Radweg radelt, muss aufgrund der geringen Höhendiffe- renz keinen Kraftakt vollbringen. Die vorletzte Eiszeit vor rund 200.000 Jahren hat hier ihre Spuren hinterlassen. Als es wärmer wurde und die mächtigen Gletscher schmolzen, haben die gewaltigen Wassermassen ein 20 Kilometer breites ebenes Tal mit vielen Strömungsrinnen geformt – das Aller-Urstromtal. Die Aller hat sich mit ihrer Aue nur wenig in diese Niederung eingesenkt. Als in der letzten Eiszeit, die vor ca. 10.000 Jahren zu Ende ging, entlang ihrer Aue ein breiter natürlicher Damm von Binnendünen angeweht wurde, bildeten sich dahinter lagunenartig Moore und Sümpfe. Im Laufe der Wiedererwärmung kehr- ten die Bäume aus ihren südlichen Rückzugsgebieten zurück und bildeten eine waldreiche sumpfige Urlandschaft.

Das Aller-Urstromtal ist Teil einer eiszeitlichen Serie

• einer leicht welligen Grundmoränenlandschaft, die sich unter dem Eis befand, • einer hügeligen Endmoränenkette, die den Rand des Gletschers markiert, • einer durch Schmelzwasser aufgeschütteten Sanderfläche und • dem Urstromtal, in dem sich das abfließende Wasser sammelte.

Harz Harzvorland Aller- Sander Endmoräne Grundmoräne Urstromtal Lüneburger Heide Wilseder Berg mit Gletscher

21 Barnbruch – Schweine im wilden Wald

Der Barnbruch war bis ins 19. Jahrhundert ein riesiger Sumpfwald. Hoch stehen- des Grundwasser und die periodischen Überschwemmungen förderten das Wachs- tum von Erlenbruchwäldern. Auf Sanddünen eiszeitlicher Herkunft wuchsen Eichen und Kiefern. In den unzugänglichen wilden Wäldern lebten vermutlich Elche, Bären und Wölfe. Für eine menschliche Besiedlung und intensive Nutzung waren sie zu nass, für Viehhaltung und Brennholzgewinnung jedoch schon frühzeitig unverzichtbar. Zur Eichelmast trieben die Fallersleber täglich hunderte Schweine in den Barnbruch. Hinzu kam die Waldweide mit Kühen und Pferden. Der Barn- bruch erschien daher zu Claras Zeiten stellenweise parkähnlich mit weit ausei­ nanderstehenden breitkronigen Eichen, die die begehrten Eicheln lieferten.

Zeugnis Naturdenkmal „13 Eichen“

Im Naturdenkmal „13 Eichen“ bei Stellfelde stehen mächtige alte Zeugen aus einer Zeit zusammen, als noch Schweine zur Eichelmast in den Barnbruch getrieben wur- den.

Spurensuche im Barnbruch

Ausdehnung der parkähnlichen Wäl- der im Barnbruch (Karte der Kur- hann. Landesauf- nahme aus den Jahren 1780 / 1781)

22 Barnbruch – Leben zwischen Wasser und Land

Dort wo zu Claras Zeiten sumpfige Wälder den Barnbruch beherrschten, ist heute ein international bedeutsames Schutzgebiet entstanden. Doch in der Zwischenzeit ist einiges passiert. Nachdem sich im Jahr 1830 Bauern bei ihrem König über miese Heuernten und dauerndes Hochwasser beschwert hatten, begann 1860 die Regulierung von Aller und Ohre mit Bau des Allerkanals. Aus der wilden Sumpflandschaft wurde nach Entwässerung ein genutztes Feuchtge- biet mit einem Mosaik aus Eichen-Birken- und Kiefernwäldern, Bruch- und Au- wäldern sowie Seggenriedern und Feuchtwiesen. Wasser bestimmt noch heute Art und Intensität der Nutzung im Barnbruch, er leidet aber auch unter Trocken- heit. Schwarzspecht, Grünspecht und Mittelspecht hämmern hier. Der Rotmilan kreist über den Baumwipfeln.

Unser kleinster Frosch, der Laub- frosch, lebt in den feuchten Wäldern des Barnbruchs.

Der Barnbruch ist heute ein 1.200 Hektar großes Naturschutzgebiet und Teil des euro- päischen Schutz­ gebietssystems Natura 2000.

23 Ilkerbruch – Paradies für Weißstörche

Das Naturschutzgebiet Ilkerbruch ist ein Paradies für den Weißstorch und auch der Seeadler ist hier anzutreffen. Bedeutsam sind die weiten von Röhricht umstandenen Flachwasser und die umgebenden Feuchtwiesen. Seltene Brut- und Rastvögel werden hier beobachtet, z. B. Beutelmeise, Schwarzhals- und Rothalstaucher, Spießente und Löffelente. Heckrinder und Konikponys halten als tierische Landschaftspfleger den Grasteppich niedrig und verschaffen so be- drohten Wiesenbrütern wie der Bekassine Lebensraum. Vor etwa 450 Jahren weidete das Rindvieh von Herzogin Clara auf diesen mageren, nassen Weiden. Da sie kein Fett ansetzten, versuchte sie für das „kümmerliche Hornvieh“ fette Wiesen zu ergattern.

Episode Pomeranze gegen Ochsenweide

Clara besucht den fürstlichen Hof in Oldenburg, in den ihre Schwester Sophie eingeheiratet hat. Im Gepäck hat sie selbst zubereiteten Tee aus Blüten, Blättern und Öl aus der Schale der Pomeranzen (Bitterorange). Anthonius, Claras Schwager, leidet unter Fettleibigkeit, Kurzatmigkeit und Darmstörungen. Die Säfte bekom- men ihm gut. Dafür dürfen magere Ochsen aus dem nassen Ilkerbruch auf seinen saftigen Marschwiesen weiden.

Spurensuche im Barnbruch

Weißstorch

24 Allertal – Leben am Puls des Flusses

Zwischen Gifhorn und Wolfsburg fließt die Aller noch im natürlichen Bett und ist mit ihrer Aue als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Aufgrund des geringen Gefälles zeichnet sie hier weite von Hochstauden und Röhrichten gesäumte Mäander. Fischotter finden hier ideale Bedingungen. In Steilufern brütet der schillernde Eisvogel, der sich von überragenden Ästen blitzschnell ins Wasser stürzt und kleine Fische erbeutet. Tagsüber jagen Schwalben und Libellen, nachts Fleder- mäuse über die Wasseroberfläche. In der landwirtschaftlich genutzten Aue folgen dem Flusssaum feuchte Wiesen. Einzelne weit ausladende Eichen sowie Weiden-Erlen- und Eschengehölze sind Res- te der ehemaligen Auwälder. Viele der heute vorhandenen Sträucher und Kräuter wuchsen sicherlich auch zu Claras Zeiten und waren ihr als Heilkundige bekannt.

Zeugnis „Oslosser Kirchsteig“

Die Kirchengemeinde von Osloß im Al- lertal gehörte früher zum Kirchspiel Fal- lersleben. Der Weg der Kirchgänger durch den Barnbruch ist als „Oslosser Kirchsteig“ bekannt.

Fischotter

25 In Claras Zeiten Wir begeben uns auf Zeitenreise vom Mittelalter in die Neuzeit. Clara ist ein Kind der Reformation, die große Veränderungen bringt. Eine Schlüsselrolle kommt ihrem Mann Herzog Franz zu, der für die Errungenschaften mit dem Schwert kämpft. Als Jugendlicher erhält Franz am Hof von Sachsen eine stan- desgemäße Ausbildung. Er studiert an der Universität Wittenberg, an der Martin Luther lehrt, und schließt sich später dem Schmalkaldischen Bund protestan- tischer Fürsten und Städte gegen die Religionspolitik des katholischen Kaisers Karl V. an. Franz genießt die Annehmlichkeiten des höfischen Lebens in vollen Zügen. Später in Gifhorn versucht er, einiges für seine Hofhaltung zu übernehmen. Zu seinem Personal zählen neben dem Kanzler auch ein Hofnarr und ein Organist. Er frönt weiter ritterlichen Turnieren und Jagden, während Clara ihren Pflichten nachkommt und sich fürsorglich um ihre Untertanen kümmert.

Zeugnis Die Hildesheimer Stiftsfehde (1519 – 1523) Die Fehde begann als Konf likt zwischen dem Bischof von Hildesheim und den Stiftsade- ligen wegen einer Geldgeschichte. Aus ihr entwickelte sich ein vierjähriger Krieg mit vielen Gefechten und einer blutigen Schlacht, in die mehrere niedersächsische Territorial- fürsten verwickelt waren. Im Rahmen der militärischen Auseinandersetzungen wurde Gifhorn größtenteils zerstört und das mittelalterliche Schloss in Fallersleben niederge- brannt. Durch den Eingriff Kaiser Karls V. kam es zu Friedensverhandlungen. Als Folge davon verlor der Bischof von Hildesheim Teile seines Gebietes an die welf ischen Herzöge.

Zeitgeist

Statue des Herzogs Franz in der Gedächtniskirche der Protestation in Speyer, 19. Jahr- hundert

26 Adelige Zeit – für Bündnisse der Macht

Fürstliche Familienbindungen dienen der Sicherung und Erweiterung der Herr- schaft. Die Erziehung der Mädchen ist eine Vorbereitung auf die Ehe. Das Ideal der adeligen Frauen sieht – neben den Forderungen nach Schamhaftigkeit, Züchtigkeit und Frömmigkeit – den Erwerb von Sprachkenntnissen sowie die Beherrschung von Musikinstrumenten und Gesangsunterricht vor. Dazu gibt es „schöne Arbeiten“ wie Sticken und Malen. Bildung und Erziehung erfolgen nicht nur in der Familie, sondern wie bei Clara im Stift oder bereits am Hof des künftigen Ehegatten. Dort sichert eine Frauenzimmerordnung den christ­lichen und moralischen Lebenswandel. Witwen übernehmen oft die Rolle der Vermitt- lerin in Herrschaftskreisen und erhalten einen standesgemäßen Unterhalt.

Zeugnis Mode Die Mode der Renaissance und Reformation in Deutschland war relativ schlicht. In der Frauen- mode bildeten Hemd und Kleid eine modische Einheit. Die Kleiderärmel reichten oft bis über die Finger. Adelige Frauen trugen dazu aufwen- digen Schmuck, reichlich verzierte Kleidungs- stücke und exklusive Kopfbedeckungen. Daneben gehörten kostbare Stoffe wie Samt und Brokat zu einer vornehmen Kleidung.

Das Kloster Isenhagen lag zeitweise im Herr- schaftsbereich von Clara. Sie bezog landwirtschaftliche Produkte.

27 Reformation – Zeit der Erneuerung

Kurz nachdem Martin Luther 1517 seine Thesen an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg geschlagen hat, wird Clara geboren. Die dunklen Zeiten des Mittelalters sind vorbei. Menschen entdecken neue Länder, Kontinente und Gestirne. Schießpulver und Buchdruck werden erfunden. Der Fortschritt ist nicht mehr aufzuhalten. Mehr Menschen bekommen Zugang zum geschriebenen Wort. Im Mittelpunkt des Bildungsideals steht der humanistische Gedanke der Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit auf sittlich-moralischer Grundlage und der „Freiheit des Christenmenschen“. In diesem Zeitalter der Entdeckun- gen und des politischen Aufbruchs gibt es in Deutschland eine Vielzahl von Territorialstaaten. Um 1535 ist ein Kern protestantischer Länder und Städte erkennbar. Dazu zählt für 10 Jahre das Herzogtum Gifhorn.

Zeugnis Politik für die Reformation

Die Protestation zu Speyer 1529 gilt als Geburtsstunde des Protestantismus. Claras Gatte, Herzog Franz, gehörte zu den Un- terzeichnern gegen die Verhängung der Reichsacht über Luther sowie der Äch- tung seiner Schriften und Lehre durch den katholischen Kaiser Karl V.

Zeitgeist

Urkunde zur Protestation, Speyer 1529

28 Bier- und Weinzeit

Aufgrund der häufig schlechten Wasserqualität konsumiert die Bevölkerung ein obergäriges, braunes Bier. Selbst Kinder bekommen es zu trinken, da es weitge- hend keimfrei ist. Auch als „flüssiges Brot“ ist es von Bedeutung. Ein aus dem Mittelalter überkommenes Recht ist die „Kruggerechtigkeit“. Im Jahre 1540 erlaubt Herzog Franz den Krügern bzw. Gastwirten des Amtes Gifhorn, ihr Bier nach freier Wahl zu beziehen. In Gifhorn und später Fallersleben übernimmt Clara das Bierbrauen, das sie in ihrer Zeit im Augustinerinnenstift gelernt hat. Sie versteht ein Kräuterbier herzustellen, das auch medizinische Wirkung hat. Begünstigt durch die mittelalterliche Warmzeit kann an der Aller zeitweise Wein angebaut werden. Er wird vornehmlich von wohlhabenden Bürgern getrunken und dient auch medizinischen Zwecken. Da der Wein häufig sehr sauer ist, wird er mit Kräutern und Honig versetzt. Als mit der Reformation den Abendmahl- gästen Brot und Wein gereicht wird, ist dieser ausreichend vorhanden.

Zeugnis Weinanbau in Gifhorn

Die Flurbezeichnung „Weinberg“ und der Straßenname „Am Weinberg“ gelten als Nachweis, dass in Gifhorn bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts Wein angebaut wurde.

Mittelalterliche Abendmahlskelche aus der Michaelis- kirche Fallersleben

29 Geocaching mit Klatschspalte Unter dem Motto „Clara – Adel verpflichtet“ ist eine Geocaching-Route angelegt. Das Interesse an Leben und Wirken Adeliger ist bis in unsere Zeit ungebrochen. Zahlreiche Geschichten und Geschichtchen drehen sich um sie. Lesen Sie unterwegs die Klatschspalten über Clara und Franz.

Der Einstieg in das Geocaching ist überall möglich. Es gibt keinen festen Start und Zielpunkt. Insgesamt gilt es 12 versteckte Caches entlang des Radweges zu finden. Die geographischen Koordinaten und wichtige Hinweise finden Sie auf unserer Internetseite! Die Caches können ausschließlich mit einem GPS- Gerät gefunden werden.

Auch Clara unter der Haube?

Der Reigen der Adelshochzeiten in deutschen Landen reißt nicht ab. Jetzt scheint auch Herzogin Clara verlobt zu sein. Nachdem sich bereits zwei Schwestern einen König geangelt haben, soll es diesmal standesge- mäß ein Herzog sein. Ihr Vater Herzog Magnus I. von Sachsen-Lauenburg aus dem Geschlecht der Askanier hat sich die Verlobung ein Vermögen kosten lassen. Die Mitgift soll 9.000 Gulden betragen. Wer der Teure ist, stand zu Redaktionsschluss noch nicht fest. Geocaching- Klatschspalte

Geocaching mit Klatschspalte

Fund eines Caches

30 Impressum

Gesamtherstellung Projektträger cognitio Kommunikation & Planung Kultur- und Denkmalverein Fallersleben e. V. A. Hoffmann in Kooperation mit der Stadt Wolfsburg und dem www.cognitio.de Landkreis Gifhorn, dem Historischen Museum Schloss Gifhorn sowie mit der Wolfsburg Wirt- schaft und Marketing GmbH

Bildnachweise U5: © lisovoy – Fotolia.com Seite 19 unten: Jürgen Schröder Seite U1, U2, 2, 4, 6 u., 7, 8, 9 u., 11 u. li., 12, Seite 22 u., 23 u.: Auszug aus den Geobasisdaten 14 u., 15, 16, 17 u., 18 u., 19 o., 20, 22 o., der Niedersächsischen Vermessungs- 25 u., 27 o., 30: cognitio und Katas­terverwaltung, © 2016 Seite 6 oben: cognitio nach Eduard Fuchs Illus­ Seite 23 oben: Frank Grawe trierte Sittengeschichte vom Mittelalter bis zur Seite 24 oben: alte Zeichnung nn Gegenwart in 3 Bänden, Band 1: Renaissance Seite 24 unten: Karl-Heinz Volkmar Seite 9 o., 28 u.: aus Franz von Gifhorn, Auf Seite 25 oben: Archiv Fallersleben Stadt Wolfsburg den Spuren eines Reformationsfürsten, Histori- Seite 26: www.calluna-medien.de sches Museum Schloss Gifhorn Seite 27 unten: Klosterarchiv Seite 10: cognitio nach Rothmaler, Exkursionsflora Seite 28 oben: wikipedia von Deutschland Seite 29 unten: Stadt Wolfsburg, IZS Seite 11 o., 11 u. re., 29 o.: Landkreis Gifhorn Seite 14 oben: Bernd Wedekind Grafiken / Karten: Seite 17 oben: aus NLA Hannover Kartensamm- Seite 13, 21 o., 32, U3, U4 lung Mappe Nr. 785 Map data © OpenStreetMap contributors Seite 18 oben: © anakondasp – Fotolia.com überarbeitet von cognitio

Service

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31 Barwedel Tiddische

NSG Allertal Westerbeck Wilsche Triangel Derenmoor zwischen Gamsen Gifhorn (B 4) und Flettmar (Kreisgrenze) Bokensdorf Hoitlingen

B 188 Jembke

Aller Aller Neubokel Dannenbüttel Aller

B 248 Gifhorn

B 188

B 4 Brackstedt

Fahle Heide Tappenbeck Osloß

Aller

Weyhausen Allerkanal Winkel A 39

Warmenau B 188

Barnbruch

Tankumsee B 4 B Kästorf NSG Viehmoor Teichbreite

-Seitenkanal Aller Elbe Düpenwiesen Isenbüttel

eede Ribbesbüttel Südliche AusbüttelParkplatz Düpenwiesen Infostation Ilkerbruch Heßlingen Essen / Trinken Stadtmitte Vollbüttel Übernachtung Wohltberg AllerHoheit-Radweg Aller-Radweg Allerbüttel Hageberg Fallersleben Wolfsburg Grenze Naturschutzgebiet

A 39 Rötgesbüttel Sülfeld Laagberg Steimker Berg Wasbüttel Köhlerberg Mittellandkanal Eichelkamp B 4 32 NSG Maaßeler Edesbüttel Westhagen Rabenberg Lindenwald Ohnhorst Erlengrund Ehmen