7. Solothurner Waldwanderung

Wald, Kies und Landschaft

Willkommen zur Waldwanderung

Die 7. Solothurner Waldwanderung führt Sie durch die Wälder des Gäus und zu zahlreichen landschaftlichen Sehenswürdigkeiten. Sie ist rund 38 km lang und am besten in vier Teilrouten zu geniessen. Viel Vergnügen!

von swisstopo (BA140143) singen Reproduziert mit Bewilligung mit Bewilligung Reproduziert

Richtung Oen

Route Waldwanderung Restaurant Wanderwegnetz Bus/Postauto Teilroute West Themenposten Teilroute West Feuerstelle Teilroute Wolfwil Ost Bahnhof Teilroute Ost P Parkplatz Start-/Endpunkt Aussichtspunkt

Die Faszination der Solothurner Waldwanderungen liegt in der Vielfalt der Wald- landschaften. Auf allen Wanderwegen finden Sie reich bebilderte Infotafeln, die Wissenswertes über typische Waldgesellschaften, Natur und Landschaft vermitteln.

Auf der 7. Waldwanderung erfahren Sie unter anderem, wie das Gäu zu seinem Kiesreichtum kam. Sie erleben grandiose Ausblicke auf die Aare und Einblicke in Oasen für seltene Arten sowie alte Bäume.

Weitere Hinweise, den Routenbeschrieb und nützliche Tipps finden Sie im Faltblatt zur 7. Solothurner Waldwanderung.

Amt für Wald, Jagd und Fischerei

Die Faltblätter sind gratis zu beziehen bei:

Amt für Wald, Jagd OLTEN INFO Tourist Center Gemeindeverwaltungen entlang und Fischerei, 4509 Solothurn der Wanderroute www.wald.so.ch Raiffeisenbank Gäu-Bipperamt mit Filialen , Härkingen, Für weitere Informationen zu den Region Solothurn Tourismus, Neuendorf, Niederbuchsiten, Ober- Solothurner Waldwanderungen: Solothurn buchsiten, www.waldwanderungen.so.ch

Bürgergemeinden Gäu 7. Solothurner 1 Waldwanderung Wald, Kies und Landschaft

Gunzger Allmend Kantonales Naturreservat und Amphibien- laichgebiet von nationaler Bedeutung

Kantonales Naturreservat Gemeindegrenze Tafelstandort Bild: ARP, Solothurn Bild: ARP,

Mit dem Gestaltungsplan für das Kiesabbaugebiet Gunzgen/Boningen wurde 1983 das Biotop Allmend aus- geschieden. Es wurde 2012 als kanto- nales Naturreservat Gunzger Allmend unter Schutz gestellt. Eigentümerin ist die Bürgergemeinde Gunzgen. Sie kümmert sich zusammen mit dem Kanton um den Unterhalt. Der See entstand durch den Kiesabbau. Er wird vom Grundwasser sowie von Quellaustritten gespeist. Das überschüssige Wasser wird im Süden in einen Graben abgeleitet und versickert im angrenzenden Wald. Bild: ARP, Solothurn Bild: ARP, Bild: ARP, Solothurn Bild: ARP, Bild: ARP, Solothurn Bild: ARP,

Pionierlebensräume Naturschutz mit dem Bulldozer Dauergäste und Rückkehrer

Das Wertvolle der Gunzger Allmend­ Pionierlebensräume sind kurzlebig. In der «alten Kiesgrube» kommen – in einem Teil des ehemaligen Kies- Sie verbuschen, verschilfen oder viele Amphibien vor, z. B. die stark abbaugebietes – sind die Pionierle- verwalden innerhalb weniger Jahre gefährdete Kreuzkröte. Das Gebiet bensräume, d. h. Trockenstandorte und müssen daher immer wieder neu ist ein Amphibienlaichgebiet von mit offenem Kiesboden und vege- geschaffen werden – früher durch nationaler Bedeutung (IANB). Die tationsarme Tümpel. Einige gefähr- die Dynamik der Flüsse, heute mit vielen Seefrösche begünstigen das dete Tier- und Pflanzenarten haben Maschinen. Pionierflächen werden Vorkommen der hier abgebildeten, sich an diese Standorte angepasst, regelmässig mit Bagger, Trax oder ungiftigen Ringelnatter, die sich von wie der Schmalblättrige Hohlzahn Bulldozer aufgebrochen und abge- ihnen ernährt. Ferner konnten bis- (Galeopsis angustifolius; siehe Bild). stossen. Ökologisch besonders wert- her gegen 30 Libellenarten nachge- volle Flächen, sog. Wanderbiotope, wiesen werden. Seit 2012 ist auch entstehen auch unmittelbar nach der Biber hier aktiv und hinterlässt dem Kiesabbau. seine Spuren.

Bürgergemeinden Gäu 7. Solothurner 2 Waldwanderung Wald, Kies und Landschaft

Bauschutt Schweiz ist spitze im Wieder­ verwerten

Westlich von hier steht das Kieswerk Gunzgen (vgl. Karte), das u. a. Bauschutt wiederaufbereitet. Jährlich fallen in der Schweiz pro Einwohner ca. 500 kg mine- ralischer Bauabfall an. 80 % werden heu- te wiederverwertet. Dies entspricht 10 Bild: Jürg Wyss Bild: Jürg bis 15 % der in der Schweiz abgebauten Kiesmenge und stellt einen internationa- len Spitzenwert dar.

Die Kiesgrubenbetreiber arbeiten be- reits seit den 80er-Jahren nach einer Recyclingstrategie. Beim nicht recycel- baren Material ist eine korrekte Ent- sorgung wichtig. Denn die Kiesgruben dürfen nur mit sauberem Aushubmaterial wieder aufgefüllt werden.

In Zukunft ist mit einer Zunahme an

Bild: Reproduziert mit Bewilligung von swisstopo (BA140143) Bild: Reproduziert mineralischen Bauabfällen zu rechnen. 1 Mineralische Bauabfälle zum Recyceln Besonders in städtischen Gebieten, wo 2 Standort des Kieswerks Gunzgen (roter für Neubauten oft alte Gebäude abge- Kreis) Tafelstandort rissen werden. Die Branche setzt sich für das Schliessen der Stoffkreisläufe im Bereich mineralischer Bauabfälle ein. Dadurch wer- den die natürlichen Kiesreserven und die Volumen von Inertstoffdeponien geschont.

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Kiesgruben Naturoasen in der Landschaft

Sie stehen vor einem Biotop, das als Folge des Kiesabbaus geschaffen wurde. Typische Flussauen- bewohner – Pflanzen und Tiere – haben im Mittel- land einen schweren Stand. Flüsse sind begradigt und reguliert, die Flussauen damit vielerorts verschwunden. Für Tiere und Pflanzen der Aue sind Kiesgruben, Bild: WYSS Kies und Beton AG Steinbrüche und Auffüllungen wertvolle Ersatzstandorte. Natürlich entstandene und neu geschaffene Flächen wie Steil- wände, Schutt- und Schotterflächen wie auch vegetationslose Tümpel sind ideal für Pionierarten. Diese Standorte sind in Bild: Jürg Wyss Bild: Jürg den ökologisch weitgehend ausgeräum- ten Landwirtschaftsgebieten des Mittel- landes selten.

Kiesgrubenbetreiber schaffen mit geziel- ten, regelmässigen Einsätzen zugunsten 1 Artenreiche Vegetation der Natur schweizweit während und nach 2 Teich für Kreuzkröten dem Materialabbau viele Lebensräume für seltene Arten wie den Flussregenpfeifer, die Ufer- schwalbe, die Kreuzkröte oder die Sandschrecke.

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Rekultivierung Von der Kiesgrube zum Kulturland

Die Rekultivierungsarbeiten von Kiesgruben beginnen bereits vor dem Abbau. Der Boden im Abbaugebiet wird vorgängig kartiert und in Zonen mit verschie- denen Bodeneigenschaften eingeteilt. Entsprechend diesen Eigenschaften wer- Bild: Jürg Wyss Bild: Jürg den die Lagerungs-, Bodenbearbeitungs-, Aufbau- und Rekultivierungstechniken gewählt.

Boden lebt und ist nicht einfach tote Mas­ se. Organische Bestandteile und kleins- te Bodenlebewesen speichern Nährstoffe und helfen beispielsweise, Grund­was­ser­ ­verschmutzungen zu vermeiden. Deshalb ist während der gesamten Rekultivierung Bild: WYSS Kies und Beton AG darauf zu achten, dass der ursprüngliche Bodenaufbau möglichst wiederherge- stellt wird und die Biologie des Bodens wieder funktionieren kann. Nur so kann 1 Rekultivierung das Land nach Abbau und Rekultivierung 2 Der Dumper bewegt sich nur auf der bald als Landwirtschaftsland oder Wald Rohplanie und nicht auf dem Boden. genutzt werden.

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«Dreiangel» oder «Römerstein»? Grenzstein für vier Gemeinden

Sonderbar: Inmitten einer Waldwegkreuzung steht ein umwachsener, zylindrischer Grenzstein, der die Gemeinden Fulenbach, Härkingen, Gunzgen und Boningen an einem Punkt vereinigt. Auf der Härkinger Nordseite findet sich ein «F» für die alte Herrschaft Falkenstein, auf der Fulenbacher Südseite ist ein «B» eingemeisselt. Es steht für das «Buchs- Bild: Reproduziert mit Bewilligung von Bild: Reproduziert swisstopo (BA140143) gauer Kapitel», die Gemeinschaft der Pfarrherren zwischen Jurasüdfuss und Aare. Diese Pfarrherren erhielten 1400 die Fulenbacher Kirchenrechte und mehr 1 Der Dreiangelstein ist Grenzstein für vier Gemeinden. als 60 Jucharten Kulturland von der Grä-

Gemeindegrenzen fin Anna von Kyburg, später auch den Wald. Sie stiftete dies für das Seelenheil ihrer Vorfah- ren und ihrer Familie. Die «Gnädigen Herren» in der Stadt Solothurn aber versuchten, in ihrem Hoheitsge- biet in den alleinigen Besitz solcher Rechte und Güter zu gelangen. Anno 1619 übereigneten sie eigenmäch- tig 80 Jucharten Fulenbacher Wald den Bonigern – und damit sich selber begehrte Bodenzinse. Seither stossen beim «Dreiangel» nicht nur die drei Gemein- den Fulenbach, Härkingen und Gunzgen aufeinander, sondern als vierte Gemeinde auch Boningen.

Und warum nennt der Volksmund diesen Grenzstein auch «Römerstein»? – Es muss sich um einen sehr al- ten Grenzpunkt handeln. Und wirklich: Dieser Grenz- punkt passt gut in die römische Landvermessung am Jurasüdfuss und über die Aare hinweg.

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Parabraunerde Boden mit Tonverlagerung

Der Boden, auf dem Sie stehen, ist eine Parabraun- erde. Dieser Bodentyp entwickelt sich aus Braun- erden, dem häufigsten Bodentyp im Schweizer Mit- telland. Braunerden und Parabraunerden zeichnen sich durch eine ausgeglichene Luft-, Wasser- und Nährstoffversorgung aus. In gewissen Böden sorgen aber die Auswaschung von Karbonaten und eine schwache Versauerung im Oberboden dafür, dass sich der Ton aus dem oberen in den unteren Bereich des Bodens verlagert – was zur Entstehung einer Parabraunerde führt. Unter der geringmächtigen Humusschicht entsteht dadurch ein fahlbrauner Bodenhorizont. Die Tonanreicherung im darunter- liegenden Horizont sorgt zusammen mit dem Eisen im Boden für eine sattere braune Farbe.

Auffallend an diesem Bodenprofil sind die zahlrei- chen Steine. Der Schotterreichtum ist typisch für diese Region und eine Folge der Vergletscherung. Die Schotter wurden durch die Flüsse im Vorfeld des Rhonegletschers abgelagert. Die so entstandenden Böden sind sehr wertvoll für den Kiesabbau. Auf den schotterreichen, wasserdurchlässigen Parabraun- erden stocken besondere, eher seltene Waldtypen. Der saure Waldstandort auf dieser Parabraunerde wird als «Waldmeister-Buchenwald mit Rippenfarn» (auf Schotter) bezeichnet. Weniger schotterreiche Parabraunerden sind sehr fruchtbare Ackerstandorte.

Bürgergemeinden Gäu 7. Solothurner 6 Waldwanderung Wald, Kies und Landschaft ARP

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Bild: WSL

Oberboden (0 – 20 cm) • dünne, humusreiche Schicht • abgestorbenes organisches Material (Streu) wird nur ver- langsamt abgebaut

Auswaschungshorizont (20 – 40 cm) • fahlbrauner, tonarmer Hori- zont • Kies und Steine

Einwaschungshorizont (40 – 65 cm) • Anreicherung des ausgewa- schenen Tons • Kies und Steine

Untergrund (ab 65 cm) • nicht verwittertes Ausgangs- material • stark sandige, kies- und stein- haltige Sedimente

Bürgergemeinden Gäu 7. Solothurner 7 Waldwanderung Wald, Kies und Landschaft

Gedenksteine Gefährliche Waldarbeit

Gleich zwei Gedenksteine zeugen in diesem Wald von der gefährlichen Arbeit der Forstleute. Der Bild: Kanton VD ­Gygaxstein, an dem die Waldwanderung nicht direkt vorbeiführt, erinnert an Ernst Gygax, der 1935 beim Langholztransport starb. Ebenfalls tödlich ging ein Unfall beim Holzfällen aus, an den der Simonstein neben dieser Tafel erinnert. Auch heute noch gehört die Arbeit im Wald zu den gefährlichsten Arbeitsfel- dern überhaupt. Jährlich verunfallen durchschnittlich vier Menschen in Schweizer Forstbetrieben tödlich. Mehr als dreimal so viele Unfälle führen zur Invali- dität. Auf 1000 Vollbeschäftigte erfolgen pro Jahr rund 330 neue Unfallmeldungen bei der Suva (Stand 2013, rund die Hälfte davon Bagatellunfälle).

Das Fällen von Bäumen ist die grösste Gefahren- quelle. Aber auch das Entasten von Stämmen oder der Transport des Holzes an die Waldstrasse sind ­Unfallschwerpunkte. Durch Ausbildung, bessere Schutzausrüstung, Holzerntemaschinen und Fern- bedienung wurden bereits Fortschritte erzielt – seit 1990 nimmt die bis dahin stetig steigende Unfallzahl ab. Nach wie vor sind in der Aus- und Weiterbildung aber Anstrengungen nötig, um die Arbeitssicherheit zu verbessern, das Risiko zu verringern und Gefah- ren zu erkennen.

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Wie entsteht Kies? Die Natur sortiert das Gestein

Die Kiesvorkommen sind ein Gemisch aus Kies, Sand und Feinanteilen. Kies ist von der Natur ­x-fach ver- kleinertes Gestein. Starke Temperaturunterschiede im Gebirge lassen Felswände abbröckeln: Tagsüber werden die Felsen von der Son-

Bild: Annina Sorg ne erwärmt, in der Nacht gefriert das in Spalten und Ritzen eingedrungene Was- ser und sprengt das Gestein. Oft sind im Gebirge deshalb Schutthalden am Fuss von Felswänden anzutreffen. Während Zehntausenden von Jahren haben Was- ser und Eis diesen Gesteinsschutt bear- beitet. In den Eiszeiten transportierten

Bild: Annina Sorg die vorrückenden Gletscher enorme Mas- sen an Geröll ins Flachland und schoben sie zu Moränenwällen auf. Später sorgte das Gletscherschmelzwasser dafür, dass das Material weiter verfrachtet und zer- kleinert wurde. Mit zunehmender Distanz 1 Gletschermoräne nahm die Kraft der Schmelzwasserströme 2 Gesteinsschutt auf Gletscher ab, und so lagerten sich, ihrer Grösse entsprechend, die schweren Steine zuerst und weiter unten auch die leichteren ab − ein willkommener Sortiermechanismus für die Kiesgrubenbetreiber.

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Kiesabbau Bedeutendster Rohstoff der Schweiz

In der Kiesgrube vor Ihnen wurden bis 2014 etwa 1,8 Millionen Kubikmeter Kies abgebaut – rund 80 000 Kubikmeter pro Jahr. Dafür wurde eine Fläche von 17 Hektaren, davon 14 Hektaren Wald, beansprucht. In einem erweiterten Perimeter von 31 Hektaren sollen in den kommenden rund 30 Jahren weitere Bild:WYSS Kies und Beton AG knapp 3 Millionen Kubikmeter Kies ab- gebaut werden.

Kies und Sand sind wichtige Grundwas- serleiter, weshalb beim Trockenabbau in Kiesgruben nur oberhalb des Grund- wassers abgebaut werden darf. Die Be- willigungsbehörde legt die Abbautiefe so fest, dass über dem Grundwasser eine schützende Kiesschicht von einigen Metern unberührt bleibt. Der abgebaute

Bild: Reproduziert mit Bewilligung von swisstopo (BA140143) Bild: Reproduziert Kies wird gewaschen, nach der Grösse 1 Abbaugebiet von oben (Stand 2009). Der der Steine (Korngrösse) sortiert und bei- heutige Tafelstandort lag damals im Wald. spielsweise zu Beton oder Asphalt wei- 2 Der bestehende Perimeter (gelb) wird in den kommenden rund 30 Jahren erweitert terverarbeitet. werden (rot). Tafelstandort Der Kiesabbau erfordert eine umfassen- de Nutzungsplanung, die vom Regierungsrat bewil- ligt werden muss. Ist Wald betroffen, ist zusätzlich eine Rodungsbewilligung notwendig. Die gerodeten Waldflächen werden in der Regel an Ort und Stelle wieder aufgeforstet.

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Kriegsrodung Springplatz statt Wald

Dieser Pferdespringplatz befindet sich auf einer Kriegsrodung. Mit solchen Rodungen erhöhte die Schweizer Regierung im Zweiten Weltkrieg die Selbst- versorgung an Nahrungsmitteln und re- duzierte die Abhängigkeit vom Ausland. Vor 1939 importierte die Schweiz die Hälfte der Nahrungsmittel. Friedrich Bild: Forstmuseum Ballenberg Traugott Wahlen, der damalige Chef der Abteilung für landwirtschaftliche Pro- duktion und spätere Bundesrat, erhöh- te in der sogenannten Anbauschlacht die Produktion, indem die Ackerbauflä- che auf Kosten von Grasland und Wald ausgeweitet wurde. In der Folge verdop- pelte sich die Ackerfläche zwischen 1940 Bild: Forstmuseum Ballenberg und 1945 auf 352 000 Hektaren. Dabei wurden auch 10 000 Hektaren Wald gerodet.

1 Aufwendige Kriegsrodung in Embrach Da nach dem Zweiten Weltkrieg nur noch 2 Rodungsgfläche in Embrach ZH 1942 ein Teil der heutigen Springplatzfläche verpachtet werden konnte, beabsichtig- te die Forstkommission Härkingen, die restliche Fläche mit Waldbäumen zu bepflanzen. Dies wurde aber vom Kriegsernährungsamt abgewiesen. Ein erstes Gesuch des Kavallerievereins Gäu, das Land zu Übungszwecken nutzen zu dürfen, wurde eben- falls abgewiesen. Seit 1951 kann die Fläche nun aber vom Verein für Sportzwecke – als Springplatz – genutzt werden.

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Feuchtbiotop Oase in ausgeräumter Landschaft

Als Folge des Lebensraumverlustes, bedingt durch grossflächige Überbauungen, intensive Landwirt- schaft, die neue Autobahn und die Kanalisierung der Dünnern, sind in der Region viele an- spruchsvolle Vogelarten ausgestorben. Bild: Peter Jäggi

Dieses Biotop ist aus ­einer ehemaligen Kiesgrube, die für den Autobahnbau genutzt wurde, entstanden. 1970 wurde diese der Bürgergemeinde Härkingen gehörende Grube zu einem Biotop auf- gewertet und bietet nun auf einer Fläche von 1,5 Hektaren neue Lebensräume. Hier

Bild: Peter Jäggi hat sich eine spezielle Flora und Fauna mit vielen bedrohten Arten angesiedelt – z. B. Ringelnatter, Grasfrosch und Heideli- belle sowie die Gelbe Schwertlilie oder der Haarblättrige Wasserhahnenfuss.

1 Grasfrosch Das Biotop braucht regelmässige Pflege, 2 Gewöhnliche Heidelibelle da es sonst von Sträuchern und Bäumen sowie von invasiven Neophyten wie dem Japanischen Staudenknöterich oder der Kanadischen Goldrute überwachsen wird. Mit der Pflege sollen vorhandene Strukturen erhalten, aber auch neue Lebensräume geschaffen werden. Der Natur- und Vogelschutz- verein Härkingen pflegt das Biotop seit seiner Ent- stehung.

Bürgergemeinden Gäu 7. Solothurner 12 Waldwanderung Wald, Kies und Landschaft

Reaktordeponie Kein Atommüll!

Auf einer Fläche von rund 15 Hektaren wird hier eine geordnete Reaktordeponie betrieben. Diese hat nichts mit Atommüll zu tun. Vielmehr funktioniert die Deponie selbst als Bioreaktor. Die einge- lagerten Stof­fe können teilweise noch Bild: XXXXXXX biologische oder chemische Reaktionen – deshalb der Name – auslösen. Daraus entstehende Gasemissionen und belas- tetes Sickerwasser werden aufgefangen und behandelt. Die ganze Deponie ist mit Lehm abgedichtet. Das Wasser wird in Sickersträngen abgeleitet. De- poniert wird z. B. Erdreich, das nach ei- nem Ölunfall abgetragen wurde, leicht belastetes Material von Scheibenstän- den oder auch Material aus ehemaligen Kehrichtgruben. Schwerer belastetes Bild: Reproduziert mit Bewilligung von swisstopo Bild: Reproduziert (BA140143) Material gelangt in sogenannte Rest- 1 Perimeter der Reaktordeponie mit den stoffdeponien. verschiedenen Etappen 2 Deponiequerschnitt Tafelstandort Ein Teil dieser Deponiefläche wurde be- reits überdeckt, rekultiviert und der Forst- und Land- wirtschaft zur Nutzung übergeben. Dafür erhielt die Deponie eine Lehm­abdeckung. Darüber wurde als Grundlage für das Pflanzenwachstum Bodenmaterial aufgebracht.

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Weihnachtsbäume Ein Ganzjahresjob

Weihnachtsbäume stammen heute mehrheitlich von eigens dafür angelegten landwirtschaftlichen Flä- chen. Solche Anlagen machen auch in der Schweiz Sinn, da die Weihnachtsbäume sonst oft von weit her (z. B. Dänemark) antranspor-

Bild: Peter Wyss tiert werden. Die romantische Vorstel- lung, dass die Weihnachtsbäumchen aus dem Wald stammen, ist meist überholt.

Die Pflege von Weihnachtsbäumen ist ein Ganzjahresjob. Anfang Jahr wird der Boden in der Plantage geebnet und die verbleibenden «Storzen» der geern-

Bild: Peter Wyss teten Weihnachtsbäume werden abge- schnitten. Im Frühling erfolgt dann die Pflanzung der neuen Bäumchen. Das Aufziehen der Jungpflanzen bedarf be- sonderer Aufmerksamkeit: Im Frühling und Sommer muss gegossen, schattiert 1 Dreijährige Weihnachtsbäume werden und gejätet werden. Im Mai und Juni sind in die Plantage versetzt. Korrekturschnitte nötig. Die Hauptarbeit 2 Neupflanzung – mit dem Erdbohrer werden 30 cm tiefe Löcher gebohrt. im Sommer ist das Mähen von Gras und Unkraut. Im Herbst werden die ersten Bäume für den Verkauf markiert. Besonders gefragt sind Nordmanntannen, Fichten, Blautannen und Coloradotannen. Je nach Sorte und gewünschter Grösse dauert es fünf bis zwölf Jahre von der Pflan- zung bis zur Ernte.

Bürgergemeinden Gäu 7. Solothurner 14 Waldwanderung Wald, Kies und Landschaft

Douglasien-­ Versuchsfläche Beeindruckende Wuchskraft

Mit geringem Aufwand einen hohen Ertrag zu erwirt- schaften, ist bei der Holzproduktion auch für den Förster und den Waldeigentümer das Ziel. Doch das richtige Aufwand-Ertrag-Verhältnis zu finden, ist im Wald nicht einfach. Der Ertrag fällt erst rund 100 Jahre nach der Bild: WSL, Birmensdorf natürlichen Waldverjüngung oder Pflan- zung an. Zudem ist die Wirkung von Durchforstungen oft schwierig abzu- schätzen. Deshalb führt die Eidgenös- sische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL, Birmens- dorf) seit 1966 auf dieser Douglasienflä- che Untersuchungen durch. Der Bestand wird abschnittsweise (in Blöcken, siehe

Bild: Thomas Burger Bild) unterschiedlich stark durchforstet. Dadurch können Aussagen über die Ein- griffsstärke und die daraus resultieren- den Unterschiede beim Wachstum und der Wertleistung des Bestandes gemacht 1 Anordnung der Versuchsfläche mit werden. unterschiedlicher Eingriffsstärke 2 Douglasienzapfen Tafelstandort Das Wachstum dieser Bäume ist beein- druckend: Innerhalb von knapp 40 Jahren haben sie eine Höhe von 30 Metern und Baumdurch- messer von 40 Zentimetern erreicht. Fichten und Bu- chen erreichen auf gleichem Standort und im gleichen Zeitraum nur knapp 20 Meter Höhe und Baumdurch- messer von 25 Zentimetern.

Bürgergemeinden Gäu 7. Solothurner 15 Waldwanderung Wald, Kies und Landschaft

Waldrand Neuendorf Hier entsteht Artenvielfalt

Waldrand ungedüngte Wiese Tafelstandort Bild: ARP, Solothurn Bild: ARP,

Mit dem Mehrjahresprogramm Natur und Landschaft fördert der Kanton Solothurn die Aufwertung von Wald- rändern als Lebensraum für einhei- mische Pflanzen und Tiere. Vorausset- zung für eine Vereinbarung mit dem Kanton ist ein dem Waldrand vorgelagerter ungedüngter Wiesen- oder Weidestreifen. Für die besonderen naturschützerischen Leistun- gen richtet der Kanton den Bewirtschaftern aus dem Natur- und Heimat- schutzfonds angemessene Abgeltungen aus. Bild: ARP, Solothurn Bild: ARP, Solothurn Bild: ARP, Bild: ARP, Solothurn Bild: ARP,

Waldrand Faulbaum/Pulverholz Rühr-mich-nicht-an

Dieser Waldrand war früher struktur- Der Faulbaum ist eine in weiten Tei- Das hier in der Krautschicht vorkom- und artenarm. Mit gezieltem Fällen len Europas heimische Strauchart aus mende Grosse Springkraut (Impati- von Bäumen wurde mehr Licht ge- der Familie der Kreuzdorngewäch- ens noli-tangere), auch Rühr-mich- schaffen und so die Artenvielfalt im se. An diesem Waldrand ist er stark nicht-an genannt, ist der einzige Waldrandbereich und in der Strauch- vertreten. Der Name Faulbaum geht Vertreter der Gattung Springkräuter, schicht gefördert. Ökologisch wert- auf den leichten Fäulnisgeruch der der ursprünglich in Mitteleuropa volle Baumarten wie Eichen, Linden Rinde zurück. Diese wird medizinisch vorkommt. Es ist also kein Neo- und Salweide wurden jedoch stehen als Abführmittel verwendet. Früher phyt wie z. B. das rosarote Drüsige gelassen. Das geschlagene Holz nutzte man die aus dem Faulbaum Springkraut. Der lateinische Name wird meist als Energieholz verwer- gewonnene Holzkohle zur Herstel- noli-tangere bedeutet «nicht anrüh- tet. Astmaterial wird teilweise als lung von Schwarzpulver. Daher auch ren». Bei einer Berührung springen Totholz bewusst im Wald belassen. der Name Pulverholz. die reifen Fruchtschläuche auf, wo- durch der Samen verbreitet wird.

Bürgergemeinden Gäu 7. Solothurner 16 Waldwanderung Wald, Kies und Landschaft

Birken Verkannt und ignoriert

In der Schweiz gibt es drei Birkenarten. Hier kommt die häufigste, die Hänge- oder Sandbirke vor. In Hochmooren sind die Moorbirke und die buscharti- ge Zwergbirke zu finden. Typisch an der Hängebirke sind die weiss leuchtende Borke und die oft weit herunterhängen- Bild: Florence Rüegger Bild: Florence Rüegger Bild: Florence den Triebe – wie bereits der Name sagt.

Die auf viel Licht angewiesene Birke ist mit ihren extrem­ kleinen, flugfähigen Samen eine ­Pionierbaumart, weshalb sie im Freistand besser gedeiht als im geschlossenen Wald. In den meist dich- ten, geschlossenen Wäldern mit den Schatten- und Halbschattenbaumarten Buche, Tanne und Fichte ist sie also auf die Hilfe der Förster angewiesen. Wenn sie in der Jugend nicht hinreichend frei 1 Fruchtstände der Birke mit gestellt wird und keine grosse Krone zahlreichen kleinen Samen bilden kann, wird sie nie ein stattlicher 2 Typisches Merkmal der Birke ist die weisse Rinde. Baum.

Das Holz der Birke ist schneeweiss und hart. Bei uns hat sie zu Unrecht weder im Wald noch in der Ver- wendung des Holzes Tradition. Schon nach 50 Jah- ren liefert sie Qualitätsholz auch auf ärmeren Sand- böden (Name!), was sie ökonomisch interessant machen würde.

Bürgergemeinden Gäu 7. Solothurner 17 Waldwanderung Wald, Kies und Landschaft Eichen-­ Versuchsfläche Seit 100 Jahren unter ­Beobachtung

Im Neuendorfer Wald befinden sich zwei forstliche Versuchsflächen, die beide von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL, Birmensdorf) betreut werden. Auf beiden wird erforscht, wie das Wachs- tum der Waldbestände verläuft und wie Bild: Florence Rüegger Bild: Florence die Bäume optimal zu behandeln sind.

Diese Versuchsfläche mit Trauben- und Stieleichen wurde bereits 1916 bis 1920 geschaffen. Sie hat eine Grösse von knapp einer Hektare. Von den ursprüng- lich mehreren Tausend gepflanzten Jungeichen stehen heute noch etwa 70 Bild: Florence Rüegger Bild: Florence grosse Eichen in Abständen von rund 12 Metern, dazwischen hat es Hagebu- chen als Nebenbestand. Im Laufe der Jahrzehnte wurden die Eichen gezielt durchforstet. Die verbliebenen Eichen 1 Stiel- und Traubeneichen lassen sich haben ansprechend ausgebildete Kro- am Blatt unterscheiden: Stieleichenblatt nen. Sie sind fast ausnahmslos von ohne Blattstiel. 2 Traubeneichenblatt mit deutlichem guter Qualität und werden etwa ab Blattstiel 2060 hiebsreif sein, wenn sie mindestens 80 Zentimeter dick sind.

Bürgergemeinden Gäu 7. Solothurner 18 Waldwanderung Wald, Kies und Landschaft

Eichen Der Förster leistet Starthilfe

Es bedarf der forstlichen Hilfe, um an wüchsigen, mittelländischen Buchenwaldstandorten mit Eichen Erfolg zu haben. Die Licht und Wärme liebenden Eichen haben gegen die Konkurrenz der standortsheimischen Baumarten­ wie Buche, Ahorn oder Esche auf den pro- Bild: Florence Rüegger Bild: Florence duktiven Böden im niederschlagsreichen Mittellandklima kaum eine Chance. An- dererseits braucht die Eiche ihre Konkur- renten, insbesondere die schärfste un- ter ihnen, die Buche: Diese «erzieht» in ihrer schattigen Gesellschaft die in der Jugend oft «wilden» Eichen zu beson- ders schönen Exemplaren. Deshalb sind Bild: Florence Rüegger Bild: Florence die Konkurrenten im Zaum zu halten, aber nicht vollständig zugunsten eines reinen Eichenbestandes zu eliminieren. Nur die helfende Hand des Försters sichert also die Existenz der in jeder Hinsicht wert- 1 Eichen sind windbestäubt und haben vollen Baumart Eiche. entsprechend unscheinbare Blüten: männliche Blütenkätzchen … 2 … und weibliche Blüten (Bildmitte). Die anspruchsvolle Stieleiche liebt nähr- stoffreiche, gut mit Wasser versorgte Böden. Die Traubeneiche dagegen stellt geringere Ansprüche an Boden und Licht. Der Förster nützt dies auf den weniger wüchsigen Standorten aus und arbeitet mit der Traubeneiche, um den Pflegeauf- wand zu minimieren.

Bürgergemeinden Gäu 7. Solothurner 19 Waldwanderung Wald, Kies und Landschaft

Amerikaweg Holzschlag zugunsten von Aus- wanderern

Sie stehen vor dem Amerikaweg. Er heisst so, weil hier die Neuendörfer Bürger Mitte des 19. Jahrhun- derts Holz schlugen, um mit dem Erlös die Amerika- Auswanderer finanziell zu unterstützen. Die misslichen Lebensbedingungen

Bild: AKG images führten damals in der ganzen Schweiz zu Massenauswanderungen. Im Kanton Solothurn war besonders das Gäu am Exodus beteiligt. Insgesamt 118 Neuen- dörfer wanderten damals aus. Höhe- punkt war die Zeit um 1854, als 69 Per- sonen das Dorf in Richtung Amerika verliessen.

Ein Drittel der solothurnischen Gemein- den unterstützte damals ihre Auswande- rer finanziell. Im Zeitraum von 1851 bis 1854 beliefen sich die Unterstützungs-

Bild: Reproduziert mit Bewilligung von swisstopo (BA140143) Bild: Reproduziert kosten im ganzen Kanton auf rund 1 Überfülltes Auswandererschiff 250 000 Franken. In Neuendorf betrug 2 Der Amerikaweg (gelb markiert) die Unterstützung 6500 Franken. Dieser Tafelstandort heute gering scheinende Betrag war da- mals viel wert: Eine Überfahrt nach Amerika kostete für Erwachsene 180 Franken, für Kinder 130 Franken. Viele Briefe belegen übrigens, dass es den Auswan- derern in fremden Landen oft besser erging als den Daheimgebliebenen.

Bürgergemeinden Gäu 20 7. Solothurner Waldwanderung

Wald, Kies und Landschaft

Naturreservat Ägerten Ökologische Ausgleichs- und Ersatzmassnahme für den Kiesabbau

Das kantonale Naturreservat ist Ersatzlebensraum für Tiere und

Bild: ARP, Solothurn Bild: ARP, Pflanzen von Kiesgrubenbiotopen auf dem Areal eines ehemaligen Abbaugebietes, der Ägertengrube. Es ist heute ein Amphibienlaichge- biet von nationaler Bedeutung (IANB-Objekt). Zu den speziell er- haltenswerten Amphibien gehört Kantonales Naturreservat die stark gefährdete Kreuzkröte. Neben den Tafelstandort Feuchtgebietsarten kommen auch Arten von trockenen Standorten vor.

Bauprojekt «Aufwertung ­ Reservat Ägerten» 2006/ 2007 Bild: ARP, Solothurn Bild: ARP, Bild: ARP, Solothurn Bild: ARP, Das alte Reservat war verwaldet und zugewachsen, der Unterhalt im stei- len Gelände der Grube gestaltete sich schwierig. Daher wurde das ­Reservat 2006 radikal umgestaltet. Die Grube mit den Weihern wur- de aufgefüllt. Im nun ebenen Ter- Pionier-Lebensräume und -arten rain entstanden neue Tümpel und Weiher sowie Trockenstandorte

Bild: ARP, Solothurn Bild: ARP, Das Wertvolle der Ägerten sind die und ­Kleinstrukturen. Für Besucher Pionierlebensräume, d. h. Trocken- wurden Pfade und ein Hügel einge- standorte mit offenem Kiesboden richtet. Die Massnahmen führten zu und vegetationsarme Tümpel. Einige einer erheblichen Aufwertung. gefährdete Tier- und Pflanzenarten haben sich an diese Standorte ange- passt, wie das seltene Rosmarin-Wei- denröschen (Epilobium dodonaei). 1 Altes Reservat Pionierlebensräume sind kurzlebig.

Bild: ARP, Solothurn Bild: ARP, (24. März 2004) Was früher durch die Dynamik der 2 Auffüllung zur Neugestaltung Flüsse entstand, muss heute im Re- (22. Juni 2006) servat künstlich erhalten werden. 3 Nach der Neugestaltung (7. Mai 2008)

Bürgergemeinden Gäu 21 7. Solothurner Waldwanderung

Wald, Kies und Landschaft

Lothar Jahrhundertsturm als Chance

Auf der heutigen Jungwaldfläche unterhalb der gros- sen Eiche im Hintergrund hat der Sturm Lothar am Stephanstag 1999 innerhalb einer Viertelstunde die ganze Fläche abgeräumt. Was für die Natur normal ist, kann für Forstbetriebe

Bild: Geri Kaufmann katastrophal sein. Durch den Sturm ge- worfene, mehrfache Jahresnutzungen führen auf dem Markt zu einem massiven Überangebot an Holz und lassen die Holzpreise massiv sinken. Aufräumen ist zudem teuer. Oft muss danach für viel Geld gepflanzt und der Jungwald gepflegt werden. Bild: Geri Kaufmann Der Förster pflanzte an diesem Südost- hang auf dem sauren, steinigen und gut durchlässigen Boden zu etwa gleichen Teilen Tannen, Lärchen sowie Buchen und andere Laubbäume an, die sich auf 1 Ausblick auf die Lotharfläche diesem Standort gut eignen. Die Bestän- 2 Sturmschaden de wurden seither intensiv gepflegt. Schon heute ist die an Weihnachten 1999 geschlage- ne Wunde kaum mehr zu erkennen.

Bürgergemeinden Gäu 22 7. Solothurner Waldwanderung

Wald, Kies und Landschaft

Waldbiotop Lebensraum für Edelkrebse

Die Forstkommission der Bürgergemeinde Wolfwil beschloss 1980, auf den lehmigen, staunassen Bö- den im Gebiet des Aglismattbaches einen Waldwei- her als Lebensraum für Amphibien und Reptilien anzulegen. Damit sollte auch

Bild: Christian Kühni ein Begegnungsplatz für Mensch und Natur entstehen. Mit einem grosszügi- gen Unterstand mit Grillstelle wurde dieser Wunsch erfüllt. 1981 eingeweiht, entstand so im Eimerechban ein Wald- biotop mit idealem Lebensraum für Frösche, Stockenten und Libellen.

Bild: Christian Kühni 2008 wurde erkannt, dass sich der Wald- weiher auch als Lebensraum für stark ge- fährdete Edelkrebse eignet. Denn als Gewässer, das vom schweizerischen Flusssystem isoliert ist, bleibt es von der amerikanischen Krebspest verschont, 1 Edelkrebse: Das Männchen (vorne) welche die einheimischen Edelkrebse hat deutlich längere Scheren als das bedroht. Je fünfzig männliche und weib- Weibchen. 2 Die Blutrote Heidelibelle erscheint erst liche Exemplare wurden ausgesetzt. Die im Spätsommer. daraus entstandene Population hat sich seither erfreulich entwickelt.

Bürgergemeinden Gäu 23 7. Solothurner Waldwanderung

Wald, Kies und Landschaft

Dohlenkrebse und Biber Diverse Tierarten sind zurückgekehrt

An dieser Stelle grub sich nach der letzten Eiszeit ein Aare-Flussarm sein Bett in ältere Schotter. Seit 1861 entwässert der Schweissackerkanal den einst beachtlich breiten Flussraum

Bild: David Gerke mit den reichen Wässermatten.

Die einheimische Dohlenkrebspopula­ tion verschwand 2003 aus ungeklärten Gründen. Als 2008 im Mühlebach in Wolfwil Dohlenkrebse entdeckt wur- den, bewilligte das Amt für Wald, Jagd und Fischerei jährliche Umsetzaktionen,

Bild: Chrsitian Kühni und so sind heute wieder Exemplare der bedrohten Art vorhanden. Etwas weiter bachabwärts hat 2008 eine Biberfamilie von der Aare her kommend am Schweiss- ackerkanal ihr Revier bezogen.

1 Dohlenkrebs Ursprünglich verlief der direkte Weg von 2 Jungbiber am Schweissackerkanal Wolfwil nach Olten hier über den «Kapu- zinersteg». Auf diesem Steg soll einst ein Kapuziner des Klosters Olten bei beissender Kälte ausgerutscht und in den Bach gefallen sein. Steif gefroren stapfte er noch bis ins Pfarrhaus in Härkin- gen, wo ihn der Pfarrer aus seinem eisigen Panzer befreite und im gewärmten Bett vor dem Erfrierungs- tod rettete.

Bürgergemeinden Gäu 24 7. Solothurner Waldwanderung

Wald, Kies und Landschaft

Kein Irrgarten! Der Labyrinthweg im Hinterban

2005 erschufen viele Kinder und Erwachsene dieses grosse Gemeinschaftswerk. Besonders einbezogen wurden die Firmlinge aus Wolfwil während ihrer Vorbereitung zur Firmung. Die während Jahrhunderten hier deponierten Acker-

Bild: Erich Schenker Lesesteine wurden zu Bausteinen dieses besinnlichen Labyrinthwegs. Er lädt zum Meditieren über den eigenen Lebensweg ein: «von aussen nach innen – von innen nach aussen». Eine Gruppe Erwachsener aus der Pfarrei ist für den Unterhalt ver- Brätelstelle beim westlichen Waldeingang antwortlich. Der Weg ist so bekannt, dass er auch Auswärtige anzieht. Weitere Infos: www.wallfahrtsort-wolfwil.ch/spiritualität.

Kinder legen den Weg in der Regel schneller zurück als Erwachsene und erfreuen sich dann an den zwei «Ritiseili» und der Feuerstelle bei der Wegspinne gleich südlich von hier. Weitere Feuerstellen finden sich auf der Wanderroute im Hinterbänli.

Bürgergemeinden Gäu 25 7. Solothurner Waldwanderung

Wald, Kies und Landschaft

Der Höhenban Eine «herausragende» Waldinsel

Wie sein Name sagt, ist dieser Wald etwas höher gelegen: Er ist eine von Aareläufen einst heraus- modellierte Insel eines eiszeitlichen Schotterfeldes.

«Ban» und «Bänli» sind im Gäu sehr weit

Bild: Erich Schenker verbreitete Flurnamen. Schon in germa- nischer Zeit war das Verb «bannan» be- kannt, was so viel bedeutet wie «unter Strafandrohung ge- oder verbieten». Seit dem Mittelalter heissen im Gäu die herr- schaftlichen Wälder jeweils mundartlich «Baan» (Einzahl) bzw. «Bänne» (Mehr- zahl), weil sie für die Untertanen zum Hol- zen und Jagen verboten – gebannt – wa- ren. Diese Einschränkungen sind längst Geschichte – die Flurnamen zeugen aber noch von jener Zeit.

Bild: Reproduziert mit Bewilligung von swisstopo (BA140143) Bild: Reproduziert An der Kantonsstrasse im Süden des 1 Noch heute bringt die Kriegsrodung Höhenbans besteht noch immer die reiche Erträge. Wolfwiler Kriegsrodung gemäss dem An- 2 Die Wolfwiler Kriegsrodung blieb bis heute erhalten. bauplan von Friedrich Traugott Wahlen Tafelstandort von 1940 (Bundesrat von 1958 bis 1965). Alle Gemeinden mussten sich an der sogenannten Anbauschlacht von 1941 bis 1945 beteiligen.

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Wald, Kies und Landschaft

Gute Gastgeber Auf den Eichen wachsen die besten Schinken! Zeichnung: H.R. Fiechter Hornisse (Vespa crabro)

Baummarder (Martes martes)

Mittelspecht (Dendrocopos medius)

Grosser Abendsegler (Nyctalus noctula)

Waldkauz (Strix aluco)

Hirschkäfer Eichen-Feuerschwamm Grosser Eichenbock (Lucanus cervus) Eichen-Schillerporling (Phellinus robustus) (Cerambyx cerdo) (Inonotus dryophilus)

Diese zwei alten, über einen Meter dicken Stieleichen sind Zeugen der Bedeutung, welche die Eichen früher hatten. In den vergangenen Jahr- hunderten sind sie in diesen milden Lagen bevorzugt worden, da sie da- mals die Bedürfnisse der Menschen besser abdeckten als Buchen. In den im 19. Jahrhundert geplünderten, lichten Wäldern fruchteten die gross- kronigen Eichen reichlich. Die Eicheln, reich an Kohlehydraten und Prote- inen, waren begehrte Nahrung für die Schweine, die zur Weide in den Wald getrieben wurden. Daher stammt der Ausspruch: «Auf den Eichen wachsen die besten Schinken.»

Nach vielen Jahrzehnten starker Förderung der für Bauholz bestens ge- eigneten Rottanne erlebt die Eiche heute vor allem aus ökologischen Gründen wieder eine grosse Wertschätzung, denn die Eiche ist jene Baum­ art, welche im Alter mit Abstand am meisten Tierarten beherbergt. In Mitteleuropa sind 300 bis 500 Arten bekannt, die auf Eichen spezialisiert und damit von ihnen abhängig sind.

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Wald, Kies und Landschaft

Simsen- Buchenwald Standort für spezialisierte Pflanzen

Dieser sandige Boden ist extrem wasserdurchlässig. Die Nährstoffe und Tonbestandteile, die an der Oberfläche der Sandkörner haften, werden allmäh- lich durch den Regen in den Untergrund ausgewaschen. Der Säuregrad des

Bild: Tobias Liechti Bild: Tobias Bodens ist zu hoch, als dass hier Regen- würmer leben könnten. Der Umsatz der Nährstoffe ist somit gehemmt. Das Laub wird schlecht abgebaut, es bleibt über Jahre liegen oder wird an dieser Hang- kante weggeweht.

Keimlinge von Buchen, Eichen und Föh- ren, welche hier noch leben können, Bild: Florence Rüegger Bild: Florence machen schon im ersten Lebensjahr tiefe Pfahlwurzeln, damit sie die Nährstoffe und das in der Tiefe gespeicherte Wasser erreichen. Durch die Sommertrockenheit und die Nährstoffarmut in den oberen Bodenschichten ist die Existenz vieler Strauch-, Kraut- und Grasarten einge- schränkt bis unmöglich. Deshalb kommen Bild: Florence Rüegger Bild: Florence hier nur «Spezialisten» unter den Boden- pflanzen vor, welche mit dieser Situation zurechtkommen. Es sind dies unter an- derem die Busch-Hainsimse, die Heidel- beere und säureertragende Moose.

1 Schönes Widertonmoos 2 Busch-Hainsimse 3 Heidelbeere

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Wolfwiler Zimt Vom Chienisbänli zum Chly Aarli

Eindrücklich erleben wir die letzte Eintiefung der Aare in die eiszeitliche Schotterterrasse beim Abstieg vom Chienisbänli zum Chly Aarli an die Aare hinunter. Hier legte die Aare Molasseschichten aus dem früheren «Wynauersee» frei. Aus einer

Bild: Erich Schenker warmen Zeit vor rund 25 Millionen Jah- ren finden sich im Sandstein versteinerte Lorbeer- und Zimtblätter wie auch die berühmten «Wolfwiler Muscheln», die im Naturhistorischen Museum in Solothurn zu sehen sind. Eine Steinkohleschicht von höchstens 16 Millimeter Dicke wird nur bei Niedrigstwasser am Aare­ufer sichtbar. Im Chienisbänli suchte Grossrat Bild: Erich Schenker Glutz von Blotzheim 1766 nach grösse- ren Steinkohlevorkommen – vergeblich.

Die zwei Weiher mit geschützten Amphi- bien im Chly Aarli passen ihren Wasser- stand demjenigen der Aare an. Sie sind 1 Versteinerte Zimtblätter 2 Steinkohleflöss 16 mm dick Überbleibsel eines früheren Seitenarms. (bei Niedrigwasser am Aareufer entdeckt Dieser verlandete zu Beginn des 20. Jahr- von Baptist Niggli sel.) hunderts. Nur die zwei natürlichen Wei- her blieben übrig.

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Kammmolche Amphibienlaichgebiet von nationaler Bedeutung

IANB-Objekt Chly Aarli Gemeinde-/Kantonsgrenze Tafelstandort Bild: ARP, Solothurn Bild: ARP,

Die Bundesinventare der Lebensräu- me und Landschaften von nationaler Bedeutung wurden von 2011 bis 2013 überarbeitet. Dabei wurde das IANB- Objekt Chly Aarli auf den hier dargestellten Perimeter erweitert. Das Kern- gebiet liegt im früheren Aare-Seitenarm, im ursprünglichen Chly Aarli, mit den zwei durch den Damm getrennten Weihern. Ferner gehören die neuen, künstlich angelegten Amphibientümpel am Aareufer beim Mattenhof und in der Haselwoog dazu sowie das ausgedolte Bächlein und der neue Weiher beim Quellaustritt im Hasel.

Temporäre Tümpel: ökologische Mangelware So wie der Wasserstand der Aare Bild: ARP, Solothurn Bild: ARP, Bild: ARP, Solothurn Bild: ARP, jahreszeitlich schwankt, füllt und leert sich das Chly Aarli. Gewöhnlich ist es im Herbst und Winter trocken und wird wieder gefüllt, wenn die Aare im Frühling das Schmelzwas- ser aus den Alpen mitführt. Gerade rechtzeitig für den Kammmolch und Die letzten Solothurner andere Amphibien, die ihre Larven Kammmolche und Eier um diese Zeit ablegen. Die Der Kammmolch muss nachts mit winterliche Trockenphase beseitigt der Taschenlampe in der dichten die Feinde der Amphibien, wie Fi- Unterwasservegetation gesucht sche, Libellenlarven usw. werden, was recht schwierig ist. Am 1. Juni 2012 gelang dieser Nachweis

im Chly Aarli. Dieser Altarm der Aare Solothurn Bild: ARP, ist der letzte bekannte Lebensraum der stark gefährdeten Art im Kanton Solothurn. Neben dem Kammmolch konnten bei der Aktualisierung der Roten Liste auch noch die Gelb- 1 Niedrigwasser bauchunke, die Geburtshelferkröte (13. November 2008) und der Feuersalamander nachge- 2 Hochwasser (7. Juni 2013) wiesen werden.

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Wald, Kies und Landschaft

Vogelparadies Einzigartiger Blick auf den Cher

Der in mancher Beziehung interessanteste Aare- abschnitt weit herum findet sich hier beim Wolfwiler Aarerank, auch Cher genannt. Das Schauspiel des mächtigen Wirbels mit der Waage, den Läufen und Schnellen sowie die beiden sich ständig wandelnden Inseln stehen Bild: Christian Kühni unter eidgenössischem Schutz. Einen einzigartigen Blick auf den Aarerank ge- niesst man auch von der Kronengasse in Wolfwil.

Zu allen Jahreszeiten können Vögel be- obachtet werden, welche auf Futtersu-

Bild: Christian Kühni che sind. Ganzjährig sind Eisvogel, Stock- ente, Gänsesäger, Graureiher und im Winter Höckerschwan oder Kormoran zu entdecken. Im Sommerhalbjahr tummeln sich Schwärme von Mehl-, Rauch- und selten auch Uferschwalben zusammen 1 Gänsesägerweibchen mit Mauer- und Alpenseglern über dem 2 Kormoran – ein sehr guter Fischer Cher. Eher selten sucht ein Storch auf den Kiesinseln sein Fischerglück. Vor dem Einnach- ten füttern die Baumfalken ihre Jungen mit Flugin- sekten, die sie mit diversen Fledermausarten teilen müssen.

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Wald, Kies und Landschaft

Kraftort Die Wallfahrtskirche Wolfwil

Schon durch das Mittelalter hindurch hatten Wolfwil und Far ein Kirchlein «Maria Hilf». In der Zeit des Bildersturms von 1528 fand vom Bernbiet her eine schöne Marienstatue aus dem Gestrüpp am Wolfwiler Aareufer hinauf in das alte

Bild: Erich Schenker Kirchlein, wo sie bald auch von Gläubi- gen aus der näheren und weiteren Um- gebung verehrt wurde. Deshalb baute man von 1616 bis 1620 eine grössere Pfarrkirche «Maria Himmelfahrt» und errichtete 1622 erneut die Pfarrei Wolf- wil. 1778 erhielt die Kirche den barocken Dachreiter mit Zwiebelturm für vier Glo- cken. Das Schiff wurde 1923 um sieben Meter nach Westen und 1976/77 nach Süden erweitert, geschmückt mit fünf Glasmosaiken zu Stationen aus dem Le- ben der Mutter Jesu. Ein Besuch dieser gefälligen Wallfahrtskirche mit dem Die Gnadenkapelle Gnaden­altar im alten Chor lohnt sich. Sie ist ein überregionaler Kraftort geblieben.

Der stattliche Pfarrhof stammt von 1623. Die Säle der ehemaligen «Pfarrschür» können bei Voranmel- dung für private oder öffentliche Anlässe gemietet werden. Der alte Kirchenteil und der Pfarrhof ste- hen unter kantonalem Denkmalschutz. Mehr Infos: www.wallfahrtsort-wolfwil.ch sowie www.wolfwil.ch.

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Wald, Kies und Landschaft

Notgedrungen Schulhaus dank Fronarbeit

Wolfwil und die meisten Dorfbewohner waren im 19. Jahrhundert sehr arm. Dabei hätten sie ein eige- nes Schulhaus bitter nötig gehabt. Früher unter­ richteten die Schulmeister die Buben in ihren eigenen Wohnstuben. Aus der Not heraus waren Eigeninitiative und Fronar- Bild: Rea Fürst-Egger beit gefragt. Kleine Einkünfte brachten das Brennen von Kalk und der Verkauf von selbst gemahlenem Kalk für Haus und Stall. Dank diesen Geldern war es schliesslich möglich, von 1826 bis 1828 Erstes Schulhaus von 1828 (Aufnahme von ein schönes weisses Schulhaus zu bauen, 1969). Im Vordergrund steht ein Mammut- wie es sich seit 2013 wieder präsentiert. baum – einer von rund zwanzig im Gäu.

Holzfrevel – ein Zeichen von Armut – kam häufig vor. Auch in den Wäldern der Nachbargemeinden holten Wolfwiler Frauen und Kinder Reisig, um daraus Stall- besen zu binden. So erhielten sie den Spottnamen «Bäsemeitschi» und «Bäsebuebe». Auf den Märkten von Basel bis Thun verkauften sie die Gebinde für 50 Rappen. Dies war Grundlage für eine bessere Ernährung und den späteren Wohlstand. 1961 schenk- te die Bürgergemeinde der Einwohnergemeinde den Besenbinderinnen-Brunnen, geschaffen von Stein- hauer Jean Hutter, dem Vater von Schang Hutter, dem bekannten Solothurner Bildhauer.

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Wald, Kies und Landschaft

Das Löchli Ein Ort zum Verweilen

Der älteste Dorfkern von Wolfwil, das Löchli, ist Teil des Ortsbildschutzes, weist aber nur noch wenige Hochstudhäuser und keine Speicher mehr auf. Un- ter kantonalem Denkmalschutz steht der Patrizierlandsitz aus dem 18. Jahrhundert

Bild: Erich Schenker (bekannt als das «Kreuz»). Die Mühle, das wohl älteste Wolfwiler Gebäude, liegt östlich davon. Dank persönlicher Initiative sind weitere Gebäude unter Beizug der kantonalen Denkmalpflege bewohnbar und damit erhalten geblieben.

Die beiden Bachsiedlungen Wolfwil,

Bild: Erich Schenker 1266 erstmals «Wolfwiler» genannt, und Var beherbergten um 1300 etwa 60 Ein- wohner. Zwei Pestzüge um 1350 sowie das Morden und Niederbrennen der Guglerhorden (englische und französi- sche Söldner) im Winter 1375/76 lies- 1 Patrizierlandsitz und Mühle sen die Bevölkerungszahl auf die Hälfte 2 Die alte Mühlescheune und die Umgebung sinken. Erst nach der grossen Rodungs- des Hauses Kissling leben dank Bernhard Kisslings Werken. phase ab 1519 fanden mehr Menschen nördlich der beiden Siedlungen genü- gend Nahrung. Etwas vor 1600 dehnte sich Wolfwil vom Löchli her auf die mittlere und danach auf die obere Geländeterrasse aus.

Bernhard und Marie Kissling-Boss verzauberten das Löchli in ein Paradies an Blumenpracht mit lautlos von Wasser bewegten mechanischen Einfällen. Hier darf man ruhig verweilen!

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Wald, Kies und Landschaft

Fähre über die Aare Kantonal geschützte Wappen

Vom Gartenrestaurant Fähre nur 350 Meter aareauf- wärts befand sich die älteste Übersetzstelle bei der kleinen Siedlung Var, 1295 erstmals erwähnt. Die Personenfähre wird hier seit Ende des 19. Jahrhunderts dank Drahtseil und Lauf-

Bild: Erich Schenker rad nur mithilfe der Strömung betrieben. Diese Technik erlaubt es, die Aare auf ökonomischste Weise, nämlich allein mit natürlich vorhandener Strömungsenergie, zu überqueren. Die Familie Ackermann führt den Fährbetrieb in der vierten Generation.

Bild: Erich Schenker Das Fährhaus mit Strohdach von 1687 soll im 18. Jahrhundert in Bannwil gekauft und als «Fahrhabe» per Schiff hierher verfrachtet worden sein. Die Standeswap- pen der «Dreizehnörtigen Eidgenossen- schaft» am Fährhaus sowie ihrer zehn 1 Das alte Fährschiff auf dem Foto wurde «Zugewandten Orte» müssen zwischen 2003 durch ein neues ersetzt. 1514 und 1798 gemalt worden sein. Sie 2 Die Standeswappen der «Dreizehnörtigen Eidgenossenschaft». Abweichungen von sind von rechts nach links zu lesen und der heutigen Farbgestaltung geben wo- geben genau die Reihenfolge wieder, möglich die Farben der Schlachten-Fähn- lein wieder, wie am Beispiel von Schaff- wie die Orte von 1514 bis 1798 an den hausen (Schwarz-Grün) nachgewiesen. eidgenössischen Tagsatzungen die Sitz- ordnung beachtet hatten. Die Wappen- tafeln sind ein kantonal geschütztes Kulturdenkmal mit Seltenheitswert.

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«Brücke» der Römer Die erste Übersetzstelle

Es ist nachgewiesen, dass bereits die Römer hier eine Fähre in ihr Strassennetz eingeplant und realisiert hatten. Denn bis ins 19. Jahrhundert befanden sich zwischen den Brücken von Aarwangen und Olten vier Fähren in Übereinstimmung mit der römischen Landvermessung, so auch eine davon hier. Die Ale- mannen gaben der Siedlung den Namen Var, weil sie hier eine Fähre vorfanden. Bild: Erich Schenker

Die rekonstruierte römische Fundienkarte Die Personenfähre zwischen Wynau und Wolfwil von Aarwangen bis Olten zeigt die regel- beim Restaurant zur Fähre ist die letzte noch exis- mässigen Abstände tierende der ursprünglich vier Fähren. der Flussübergänge. Tafelstandort Die beiden Bauernhöfe beidseits des Letzirains, eines alten Pilgerwegs nach Rom, stehen an den Stellen der ersten mittelalterlichen Bauernhöfe. Ein kleines Gut − vermutlich das Fährhaus − stand nahe beim Aareufer. Im 18. Jahrhundert betrieb der Stand Solothurn hier das «Salzhüsli», ein Lagerhaus, von wo aus das lebensnotwendige Salz ins Gäu gelangte.

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Wald, Kies und Landschaft

Die «Schränne» Einst Lebensgefahr und Natur- schauspiel zugleich

Familien kamen an Sonntagen von weit her, um das Naturschauspiel «Schränne» zu bewundern. Flosse und grosse Kähne überwanden diese Stromschnelle meistens gut – allerdings mit bangem Herzklopfen der Passagiere! Aber für Leute in einem leichten Weidling bedeu- tete die Stromschnelle der Aare bei

Bild: Archiv Arnold Bild: Archiv Kölliker-Liechti Hochwasser Todesgefahr. Während Jahr­ hunderten fanden hier immer wieder Schiffsreisende den Tod. So ertranken am Eidgenössischen Dank-, Buss- und Bettag 1881 sechs Wolfwiler – alles gute Schwimmer!

Die Elektrizitätswerke Wynau AG nutz-

Bild: Archiv Arnold Bild: Archiv Kölliker-Liechti ten das Gefälle der «Schränne» und sprengten vor 1895 den südlichen Teil für das Werk Wynau I und vor 1925 den nördlichen Teil für das Werk Schwarz- 1 Wagemutige Flossfahrt durch die häusern. «Schränne» 2 Tosender Wasserfall am Südufer (beide Aufnahmen von 1892) Im 18. Jahrhundert glaubten solothurni- sche Patriziersöhne, mit Bodenschätzen reich werden zu können. So auch am bewaldeten Wolfwiler «Ölbärg» nördlich von hier. Doch auch hier galt: «Erdöl – ausser Spesen nichts gewesen.»

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Wald, Kies und Landschaft

Beim «Horn» Blick auf die frühere «Schränne»

Nur zwanzig Meter nordwestlich von der Ruhebank entfernt, steht zwei Meter im Waldesinneren der jahr- hundertealte Kantonsgrenzstein Nr. 431. Die Grenze zwischen Neuban (Kanton Solothurn) und Tiergartenwald (Kanton Bern)sicherten

Bild: Erich Schenker die Stände Bern und Solothurn 1470 und hielten sie zum ersten Mal auch schriftlich fest.

Der jahrhundertealte Flurname «Horn» meint ein Landstück von «zipfeliger Gestalt» als südlichster Zipfel der «Neu- weid». Von hier schauten Menschen zu allen Zeiten auf die Aare und die Strom- schnellen «Schrännen» hinunter. Viele sonntägliche Besucher verfolgten gerne aus sicherer Distanz dieses Naturschau- spiel, den Felsriegel mit seinen tosenden Wasserläufen, aber auch die hindurch-

Bild: Erich Schenker fahrenden Schiffe, noch früher wohl auch die Lachse fangenden Bären.

Das starke Gefälle der ehemaligen «Schränne» nutzen die Elektrizitätswer- ke. Am gegenüberliegenden Aareufer 1 Dieser Kantonsgrenzstein Bern-Solothurn liegt das stillgelegte Werk Wynau I von ersetzte 1763 einen älteren bei «Heiligers 1895. Das neue Werk Wynau II von 1996 Eich». 2 Oberhalb der Kraftwerke ist die Aare ist von hier aus verdeckt durch das Werk gestaut, eher einem See ähnlich. Schwarzhäusern von 1925.

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Wald, Kies und Landschaft

Grenzwald Der Neuban (SO) und der Tier­ gartenwald (BE)

1470 legten die Schultheissen und Räte von Bern und Solothurn die Standesgrenzen fest – hier durch einen Wald. Damals war es kein Problem, durch den ganzen Buchsgau – von Schönenwerd bis nach Flumenthal – auf «Weidfahrt» zu gehen: Mit dem Vieh, hauptsächlich Bild: Horst Zimmerlein mit Schweinen, zog man frei durch die Gegend, um es zu mästen. Doch als 1578 die alte «Weidfahrt» ins «Acherum» – in die Eichel- und Bucheckernmast – von den Ständen Bern und Solothurn zwei- geteilt wurde, verlangte Bern einen Wall und Graben entlang der Standesgrenze. Bild: Erich Schenker Der wohl sehr alte Grenzstein, wie er 1764 mit der Nummer 429 dokumentiert wurde, sowie Wall und Graben, die soge- nannte «Schanz», lassen sich noch heute zirka 20 Schritte westlich der Feuerstelle gut erkennen. Sie trennen den Wald- komplex in einen Berner und einen So- lothurner Teil.

1 Schematische Darstellung des von Bern verlangten Walls und Grabens entlang der Standesgrenze 2 Alter Grenzstein auf dem Wall von 1578

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Wald, Kies und Landschaft

Auf dem Damm Der «wyer ze Fulennbach» wird zum «Grossweier»

Ein kräftiger Aarelauf und mit ihm vereinigt die Emme verfrachteten über Schwarzhäusern und Wolfwil hinweg Schotter bis auf eine Höhe von mindestens 435 m ü. M. Auf diesem Schotterunter- grund schuf sich danach ein beachtlicher Emme-Aare-Flussarm sein Bett. Es er- streckt sich nördlich des besiedelten

Bild: Reproduziert mit Bewilligung Bild: Reproduziert von swisstopo (BA140143) Wolfwiler Gebietes im heutigen Aaretot- arm über Weier, Mistleten und Buech- matten bis über das Bad bei Fulenbach hinaus (siehe Karte).

Als sich die Aare das heutige, rund 404 m ü. M. tief gelegene Flussbett schuf, blieben im nun fast leeren Aaretotarm

Bild: Staatsarchiv Solothurn Bild: Staatsarchiv westlich von Wolfwil nur noch der «wyer ze Fulennbach» und sein Abflussbach zu- rück: «de fuuli Bach», welcher der Ort- schaft Fulenbach Wasser und Namen gab.

1529 wurde mit einem «Däntsch», einer 1 Verlauf des Aaretotarms (blau markiert), Damm-Aufschüttung, dieser Weiher hö- heute vom Schweissackerkanal entwässert her gestaut. Er hiess nun «Grossweier». 2 Der Grossweier mit eingetragener Standesgrenze. Darstellung von 1762 Ende des 18. Jahrhunderts gab man ihn Tafelstandort auf und durchstach an dieser Stelle den Däntsch. 1861 wurde der Aaretotarm melioriert, der Fulenbach kanalisiert und der Damm eingeebnet. Doch am westlichen Ende des heutigen Schweissackerkanals – gut 600 Meter westlich von hier – sprudelt die kräftige Quelle noch heute aus dem Boden.

Bürgergemeinden Gäu 40 7. Solothurner Waldwanderung

Wald, Kies und Landschaft

Ehemalige Dickban-Grube Einblick in vergangene Zeiten

Die ehemalige Dickban-Grube – heute ein Natur- schutzgebiet – gibt einen Einblick in die Ablagerun- gen, die sich über Tausende von Jahren aufgeschich- tet haben. Sie lässt uns in den lang­- gezogenen Höhenrücken – südlich von bis Härkingen – hineinblicken.­ Gäuebene Der ganze Mittelgäuer Höhen­rücken

Bild: Reproduziert mit Bewilligung Bild: Reproduziert von swisstopo (BA140143) besteht aus Niederbuchsiten-Schotter. Mittelgäuer Höhenrücken Er wurde vom Schmelzwasser einer alten Vergletscherung abgelagert und zeigt Höchi uns, wo damals die Aare durchfloss. Übersicht über das Gebiet Der Talboden lag zu dieser Zeit auf rund Tafelstandort 520 Metern über Meer und stieg über dem heutigen Gäu, das es damals noch nicht gab, direkt zum Jura auf.

Die braunen, lehmigen Schichten über dem Schotter bestehen im oberen Teil aus Löss und im unteren aus Moräne. Die Moräne wurde nach den Schottern von einer neuen Vergletscherung abgelagert. Sie reichte enorm weit und deckte wahrscheinlich auch einen grossen Teil des Juras und des Emmentals zu. Die Vergletscherungen der letzten Eiszeit hatten eine kleinere Ausdehnung. In ihren Gletschervorfeldern wurde durch kalte Talwinde Staub ausgeblasen, der sich weiter nördlich als Löss ablagerte. Auf Löss ent- stand sehr fruchtbare Erde.

Bürgergemeinden Gäu 41 7. Solothurner Waldwanderung

Wald, Kies und Landschaft Gruben und ­Gräber Lange Vorgeschichte einer ­Naturschutzzone

Auf dem Kestenholzer Kienisacher, auf der Ebene nördlich dieser Grube, sollen einst, d. h. vor rund 5000 Jahren, Jungsteinzeitmenschen gesiedelt haben. Auch von den Alemannen finden sich Zeugnisse: Zwei Alemannengräber

Bild: Erich Schenker wurden 1943 am Nordrand der Grube entdeckt.

Die «Rauber-Grube» hatte dem Baumeis- ter Richard Rauber von Neuendorf für den Kiesabbau gedient. 2012 erwarb sie die Einwohnergemeinde Kestenholz.

Bild: E. Schenker Sie weist einen Krater mit zwei Weihern auf. 1 Eine silbertauschierte Gürtelschnalle, in der Zeit zwischen 675 und 700 herge- stellt,… Nach dem Erwerb wertete die Gemeinde 2 … fand sich mit verschiedenen Waffen im reicheren Alemannengrab, wie dieses Kestenholz die Grube mit verschiedenen Kurzschwert, «Sax» genannt. (Alle er- Massnahmen zur Naturschutzzone auf. wähnten Fundstücke befinden sich im Historischen Museum in Olten.) Tiere und Pflanzen erhielten durch das Auslichten des Gehölzbestandes einen attraktiveren Lebensraum. Ein erster Erfolg konnte mit der Wiederansiedlung der Geburtshelferkröte (Glögglifrosch) verzeichnet werden.

Bürgergemeinden Gäu 42 7. Solothurner Waldwanderung

Wald, Kies und Landschaft

Douglasie Baumart der Zukunft? Die Douglasie war vor der zweitletzten Eiszeit, also vor etwa 350 000 Jahren, bei uns zwischenzeitlich heimisch, ist dann aber vom Eis aus Europa verdrängt worden. Der schottische Botaniker David Douglas brachte den Baum im 19. Jahrhundert aus Nordamerika nach London und wur- de damit zum Namensgeber. Bild: Verein Chutzenturm Bild: Verein

Im Nordwesten der USA wird die Doug- lasie bis 100 m hoch und bis 1000 Jahre alt. Auch bei uns übertrifft ihr Wachs- tum auf geeigneten Standorten die einheimischen Baumarten bei Weitem. In der Region erreicht sie in 100 Jahren Höhen von 50 Metern und Durchmesser Bild: Thomas Burger Bild: Thomas Burger von über einem Meter. Obwohl sie über das Kronendach der einheimischen Be- stände ragt, trotzt sie oft als Einzige den Stürmen. Zum begehrten Baum wird sie auch wegen der Dauerhaftigkeit ihres 1 Beständiges Douglasienholz Holzes gegen Witterungseinflüsse und 2 Douglasienzapfen dessen ansprechender Schönheit durch die rötliche Färbung.

Diese Baumart ist für die einheimische Flora und Fauna fremd. Sie wird darum vorteilhaft nur einzeln in die Laubmischwälder eingebracht. Dank ihrem tief greifenden Wurzelwerk ist die Douglasie gegen- über der Rottanne weniger anfällig auf Trockenheit und könnte in Zukunft im Zusammenhang mit der Klimaveränderung auch bei uns eine grössere Be- deutung erlangen.

Bürgergemeinden Gäu 43 7. Solothurner Waldwanderung

Wald, Kies und Landschaft

Waldreservat Möösli Entwicklung (fast) ohne menschliches Zutun

Waldreservat Möösli Waldrand ungedüngte Wiese Tafelstandort Bild: ARP, Solothurn Bild: ARP,

Mit dem kantonalen Mehrjahrespro- gramm Natur und Landschaft fördert der Kanton Solothurn u. a. unbewirt- schaftete Waldflächen als Lebensräu- me für einheimische Pflanzen und Tiere (Waldreservate). Auf diesen ­Flächen kann sich die Natur weitgehend natürlich entwickeln. Nur naturschützeri- sche und der Sicherheit dienende Massnahmen sind zugelassen. Für den Nutzungsverzicht und den entgangenen Nettoholzerlös werden die Eigentümer aus dem Natur- und Heimatschutzfonds entschädigt. Bild: ARP, Solothurn Bild: ARP, Bild: ARP, Solothurn Bild: ARP, Bild: ARP, Solothurn Bild: ARP,

Ungestörter Lebensraum Totholz Rotrandiger Baumschwamm

Das seit 1997 bestehende Waldre- Stehendes und liegendes Totholz ist Der hier vorkommende Rotrandige servat Möösli ist eines der wenigen ein sehr wichtiges Glied in der Nah- Baumschwamm ist einer der auffäl- Waldreservate im Solothurner Mit- rungskette. In absterbenden und to- ligsten dieser Artengruppe, zu denen telland. Im bewirtschafteten Wald ten Stämmen lebende Insekten und auch der seltenere Zunderschwamm werden die Bäume weit vor dem Larven dienen z. B. den Spechten gehört. Er bildet mehrjährige Frucht- natürlichen Höchstalter geschlagen. als Nahrung. Kleinere Spechtarten körper, die bis zu 30 cm breit und In einem Waldreservat hingegen wie der Mittelspecht brauchen mor- 9 cm dick werden und bis über 15 cm können sie alt werden, absterben sche Bäume zum Bau von Höhlen. vom Stamm abstehen können. Er und zerfallen. So entsteht ein unge- Vermoderndes Totholz ist eine ide- kommt an stehenden und liegen- störter Lebensraum für Pflanzen und ale Grundlage für das Keimen von den Stämmen vor. Der Fruchtkörper Tiere. Nur für die Sicherheit auf den Jungbäumen. Dürre Nadelbäume kann sich während des Wachstums Waldstrassen und für die Förderung sind keine Gefahr für den Wald, da drehen und sich so der Ausrichtung der wenigen Eichen wird in diesem die Borkenkäfer sie längst verlassen des Stammes anpassen. So sind die Waldreservat wo nötig eingegriffen. haben. Röhren immer nach unten gerichtet.

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Wald, Kies und Landschaft

Aebisholz Aus Wald wurde Ackerland

Hier im Aebisholz wurde während des Zweiten Welt- kriegs Wald gerodet. Mit solchen Rodungen erhöhte die Schweizer Regierung die Selbstversorgung an Nahrungsmitteln, um die Abhängigkeit vom Ausland zu reduzieren. Bild: AWJF, Solothurn Bild: AWJF, Vor 1939 importierte die Schweiz die Hälfte der Nahrungsmittel. Friedrich Traugott Wahlen, der damalige Chef der Abteilung für landwirtschaftliche Pro- duktion und spätere Bundesrat, erhöh- te die Produktion, indem die Ackerbau- fläche auf Kosten von Grasland und Wald ausgeweitet wurde. Mit der «Anbau- Bild: AWJF, Solothurn Bild: AWJF, schlacht» wuchsen das Zusammengehö- rigkeitsgefühl und der Widerstandswille der Schweizer. Die Unterordnung unter ein gemeinsames Ziel förderte die ge- sellschaftliche Integration nachhaltig.

Die Kriegsrodung im Aebisholz betrug 4,4 Hektaren. Sie wurde nach dem Krieg wieder aufgeforstet und dient der Eid- genössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) als Bild: Amt für Geoinformation, Kanton Solothurn Versuchsfläche. Hier wird der Einfluss verschiedener Durchforstungsarten auf 1 Luftbild von 1951 Fichte sowie Japanlärche untersucht. 2 Luftbild von 1964 3 Luftbild von 2012 Tafelstandort Roter Kreis: Kriegsrodung

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Wald, Kies und Landschaft

Inertstoffdeponie Für schwach belastetes Material

Hinter der Christbaumkultur befindet sich eine Kies- grube. Hier stand früher Wald. Für die Kiesgrube wurde die Fläche temporär gerodet – die Fläche wird also wieder aufgeforstet. Im Nord- osten des Perimeters (gemäss Karte) ist die Fläche bereits rekultiviert. Weiter südlich (blauer Bereich auf Karte) wird weiterhin abgebaut. Bild: Amt für Geoinformation, Kanton Solothurn/ cycad/Kaufmann+Bader Südlich der Abbauzone ist eine Inert- stoffdeponie geplant. Inertstoffdepo- nien enthalten nur gesteinsähnliche Stoffe, die nicht reaktionsfähig sind und einen geringen Schadstoffgehalt aufwei- sen. Es handelt sich dabei vorwiegend um nicht wiederverwertbare und nicht brennbare Bauabfälle wie beispielswei- se Steine, Beton, Eternit, Ziegel, Glas, Die Inertstoffdeponie (gelb) ist südlich Mauerabbruch und Strassenaufbruch von der Abbauzone der Kiesgrube (blau) sowie schwach belastetes Aushub- und ge­plant. Wirkungsbereich Gestaltungsplan Abraummaterial. Das Sickerwasser der Tafelstandort künftigen Inertstoffdeponie Aebisholz wird gesammelt und in die Kanalisation umgeleitet.

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Wald, Kies und Landschaft

Wie Tag und Nacht Ahorn und Fichte

Auf demselben Boden zwei völlig unterschiedliche Waldbestände – wie Tag und Nacht. Ein dunkler Fich- tenforst links, ein lichtdurchfluteter Ahorn-Eschen- wald rechts. Die Bäume beider Flächen wurden gepflanzt und sind gleich alt.

Bild: Florence Rüegger Bild: Florence Augenfällig ist der Unterschied der Bo- denvegetation: Unter den Bergahornen hat sich ein geschlossener Rasen von Seegras (Lische) eingestellt. Im Fich- tenforst dominiert hingegen Brom- beere, unterbrochen von moosbewach- senen Stellen. Dieser eklatante Unter­­- schied liegt vor allem an den Lichtver- Bild: Thomas Burger Bild: Thomas Burger hältnissen: Seegras reagiert stark auf Licht, im Schatten kümmert es. Mit sei- nem dichten Wurzelfilz verunmöglicht das Seegras das Aufkommen von Kon- kurrenzvegetation aber auch von Strauch- 1 Blühendes Seegras und Baumkeimlingen, sodass Seegrasflä- 2 Seegrasteppich im Frühling chen meist sehr monoton sind und kaum Unterwuchs aufweisen. Die Brombeere ist schatten- toleranter, Moose brauchen noch viel weniger Licht.

Die hier im Reinbestand angepflanzten Baumarten spielen auch für das Bodenleben eine wichtige Rol- le: das Ahornlaub wird von den Bodenlebewesen rasch abgebaut und vom Regenwurm im Boden ver- mischt. Bei den Fichten häuft sich die saure, schwer abbaubare Nadelstreu an. Die Bodenaktivität ist hier gering.

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Wald, Kies und Landschaft

Kiesverwertung Aus Kies wird Beton

In der Region wird nicht nur viel Kies abgebaut, son- dern auch Kies verbaut. Die Autobahn und die zahl- reichen Bauten im Hintergrund − Richtung Jura − zeugen davon. Je nach Konjunkturlage werden in der Schweiz jährlich 20 bis 25 Millionen ­Kubikmeter Kies, Sand und Fels benötigt. Das entspricht einer Bild: WYSS Kies und Beton AG Lastwagen­ladung Gesteinsmaterial pro Einwohner. Etwa 60 % davon werden für den privaten, 40 % für den öffentlichen Bau verwendet.

Strassen und Flugpisten, Quartierwege und Waldstrassen brauchen Kies als trag- fähigen Untergrund, damit sie befahren Bild: WYSS Kies und Beton AG werden können. Der grösste Teil der ge- förderten Kiesmenge – rund 60 % – ent- fällt aber auf den Hochbau. Hier dienen Kies und Sand als Zuschlagstoffe für Be- ton und Mörtel. ­Beton ist ein Gemisch aus Kies, Sand, Zement und Wasser und lässt sich fast in beliebiger Form giessen. Von den 2450 kg, die ein Kubikmeter Bild: WYSS Kies und Beton AG Beton wiegt, sind rund 2000 kg Kies ne- ben 300 kg Zement und 150 kg Wasser.

1 Beton und Teer für Strassen und Brücken 2 Beton lässt sich in fast beliebigen Formen wie diese Tunnelhalbschale giessen. 3 Beton im Wohnungsbau

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Wald, Kies und Landschaft

Stelli Eine von vielen Kriegsrodungen

Hier in der Stelli wurden 1943 fast viereinhalb Hek­ taren Wald gerodet. Diese Kriegsrodung erfolgte im Rahmen der «Anbauschlacht Wahlen» im Zweiten Weltkrieg. So erhöhte die Schweizer Re- gierung die Selbstversorgung an Nah- rungsmitteln und reduzierte die Abhän- Bild: Florence Rüegger Bild: Florence gigkeit vom Ausland.

Vor 1939 importierte die Schweiz die Hälfte der Nahrungsmittel. Friedrich Traugott Wahlen, der damalige Chef der Abteilung für landwirtschaftliche Produktion und spätere Bundesrat, er- höhte die Produktion, indem er die Bild: Florence Rüegger Bild: Florence Ackerbaufläche auf Kosten von Grasland ausweitete. Auch liess er schweizweit 10 000 Hektaren Wald roden. Das stellte Wahlens Anbauwerk auf die gleiche Stufe wie die militärische Landesverteidigung.

1 Typisch für Lärche: die büschelig in Kurztrieben angeordneten Nadeln Von den 4,5 Hektaren hier in der Stelli 2 Rötlich-brauner Lärchenstamm lagen nach dem Krieg 3 Hektaren brach. 1960 wurde die Fläche schliesslich wieder aufge- forstet. Die Bepflanzung mit vorwiegend Lärchen und etwas Weymouthsföhren unterscheidet sich vom sonst verbreiteten reinen Fichtenanbau. Die gute Qualität und das starke Dickenwachstum der Lärche zeigen, dass diese Baumart hier den passenden Standort gefunden hat und von den Förstern richtig gefördert wurde.

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Wald, Kies und Landschaft

Waldrand Die «Allmend» Kestenholz

Waldrand ungedüngte Wiese Waldreservat Tafelstandort Bild: ARP, Solothurn Bild: ARP,

Mit dem Mehrjahresprogramm Natur und Landschaft fördert der Kanton So- lothurn die ökologische Aufwertung der Waldränder als Lebensraum für einheimische Pflanzen und Tiere. Den Waldrändern müssen möglichst grosse ungedüngte Wiesen- oder Weide- flächen vorgelagert sein. Für die besonderen naturschützerischen Leistun- gen, insbesondere für den gezielten Waldrandunterhalt, entrichtet der Kanton den Bewirtschaftern aus dem Natur- und Heimatschutz- fonds angemessene Abgeltungen. Bild: ARP, Solothurn Bild: ARP, Bild: ARP, Solothurn Bild: ARP, Bild: Florence Rüegger Bild: Florence

Artenreichtum Schwarzer Holunder Adlerfarn

Dieser Waldrand war früher sehr Der Schwarze Holunder ist an diesem Der Adlerfarn, der verbreitet im struktur- und artenarm. Um die Ar- Waldrand standortbedingt eine der Westteil dieses Waldrandes vor- tenvielfalt im Waldrandbereich und häufigsten Straucharten. Er ist ein bis kommt, ist die grösste einheimische in der Strauchschicht zu fördern, wur- 10 Meter hoher Strauch oder kleiner Farnart. Das im Boden kriechende, den gezielt Bäume entnommen, um Baum mit starker Verzweigung und verzweigte Rhizom (Wurzelwerk), Licht zu schaffen. Ökologisch wert- kann etwa 20 Jahre alt oder sogar kann bis zu 50 Meter lang und bis volle Baumarten wie Eichen, Kirsch- älter werden. Die reifen Beeren wer- 1000 Jahre alt werden. Am Rhizom bäume, grosse Buchen und Weich- den von sehr vielen Vogelarten und entstehen jedes Jahr die einzeln hölzer, wie die Salweide, werden im auch kleinen Säugetierarten gerne stehenden, einjährigen, überhän- Waldrandbereich stehen gelassen. gefressen. Die Blüten können zu Ho- genden Wedel. Diese werden in Das geschlagene Holz wird meist als lunderlimonade verarbeitet werden. der Regel 0,5 bis 2 m, selten bis Energieholz verwertet. Astmaterial Aus den Beeren kann auch Holun- 4 m hoch. Die Bestände können so wird teilweise als Totholz bewusst im dersirup hergestellt werden, der, dicht werden, dass fast keine ande- Wald belassen. heiss getrunken, gegen Erkältung ren Pflanzen darunter aufkommen wirkt. können.

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Wald, Kies und Landschaft Sturmfeste ­«Wettertanne» Standhaft seit dem 19. Jahrhundert

Diese Fichte ist den Einheimischen als «Wettertan- ne» bekannt. Schon seit 1835 steht sie hier. Sie hat ähnlich einer «Jura-Weidetanne» Äste, die fast bis an den Boden reichen, und bietet damit dem Wind eine grosse Angriffsfläche.

Vor langer Zeit ist sie tatsächlich einmal Bild: Buch Pro Natura Solothurn Bild: Buch Pro gebrochen und weist deshalb zwei Haupt- stämme auf. Seither trotzt sie jedem bö- sen Wetter: Wegen ihrer imposanten Grösse – rund 36 Meter Höhe – ist es erstaunlich, dass sie 1999 sogar den Orkan Lothar unbeschadet überstanden hat. Fichten gelten nämlich wegen ihrer flachen Bewurzelung als nicht besonders sturmfest. Der massive Stamm von über 1,3 Meter Durchmesser mag dabei ge- Fichte mit «Apfelbiss» holfen haben.

Früher verlief neben der Fichte eine Stromleitung. Zum Schutz der Leitung mussten die Äste der Fichte im Bereich der Leitung zurückgeschnitten werden. Deshalb sieht es heute so aus, als hätte jemand wie bei einem Apfel in die Fichte gebissen.

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Wald, Kies und Landschaft

Roteiche Wuchskräftige Gastbaumart

Die Roteiche fällt vor allem im Herbst auf, wenn sich die grossen, tief eingeschnittenen Blätter mit den spitzen Lappen orange bis rot verfärben. Die im ­Osten Nordamerikas weit verbreitete Baumart wurde als Parkbaum erstmals 1691 nach Europa gebracht. Bild: www.phytoimages.siu.edu Im Wald wurde sie wegen ihres raschen Dickenwachstums als Gastbaumart ge- pflanzt und gefördert – jedoch eher selten. Weitere Vorteile sind ihre ge- ringen Ansprüche an den Standort und ihre Sturmfestigkeit. Als Nachteil ist wie

Bild: www.flickr.com Bild: www.flickr.com bei allen aus fremden Florengebieten eingeführten Arten zu erwähnen, dass sie nur von wenigen einheimischen Pil- zen, Käfern, anderen Insekten und Vö- geln bewohnt werden. Ihr Laub ist zudem schwer abbaubar. Wegen dieser Neben- 1 Typisch sind die spitz gelappten Blätter wirkungen wird die Roteiche nur noch 2 Roteichenblatt in Herbstfärbung selten kleinflächig und in Mischung mit einheimischen Baumarten angepflanzt.

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Wald, Kies und Landschaft

Altholzinsel Ehret das Alter

Im Wirtschaftswald werden die Bäume in der Regel mit 100 bis 120 Jahren genutzt. Viele Baumarten würden von Natur aus ein Alter von über 200 Jahren – die Eiche bis 350 Jahre – erreichen. Somit fehlen im ganzflächig bewirtschaf- teten Wald im Mittelland Bäume und

Bild: Kaufmann + Bader Bestände der zweiten biologischen Le- benshälfte. Da viele Vögel, Insekten, Pil- ze und andere Lebewesen auf altes Holz oder Totholz angewiesen sind, haben diese Arten keinen Lebensraum mehr.

Zur Erhaltung und Schaffung dieser sel- ten gewordenen Lebensräume fördern Bund und Kantone das Stehenlassen von Altholzbeständen, indem der Ertrags- ausfall dem Waldeigentümer finanziell entschädigt wird. Neben Altholzinseln von wenigen Hektaren Grösse wird auch Der Schwarzspecht – der Nutzungsverzicht in grossflächigen ein typischer Altholzbewohner Naturwaldreservaten und das Stehen- lassen einzelner, alter sogenannter Biotopbäume unterstützt.

Die mit weisser Farbe markierte Altholzinsel unter- halb der Strasse zeichnet sich durch mächtige Bu- chen und Linden aus. Am unteren Waldrand befinden sich zudem ältere Exemplare von Hagebuchen.

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Wald, Kies und Landschaft

Buchenhalle Natürlich – künstlich

Dieser eindrückliche, etwa 100-jährige Hallenbu- chenwald hat eine natürliche Baumartenzusammen- setzung. Die ausgeräumte Halle mit auschliesslich dicken Bäumen ist jedoch durch die Bewirtschaftung entstanden. Von Natur

Bild: Tobias Liechti Bild: Tobias aus wäre zwar auch ein Buchenhallenbe- stand vorhanden, aber mit einer stärke- ren Differenzierung im Alter und in der Dicke der Bäume. Hier, im bewirtschaf- teten Wald, wurden die schwächeren Bäume im Laufe der Zeit entfernt.

Buschwindröschen blühen, bevor die Buchenblätter austreiben. Die Buche lässt durch ihr dichtes, dun- kelgrünes Laub in der Vegetationszeit nur wenig Licht auf den Boden fallen. Dies ist ein weiterer Grund für die Entstehung eines Hallenbuchenwaldes. Das Aufkommen von jungen Bäumen wird dadurch er- schwert. Höchstens die Schatten ertragende Buche selbst oder die Tanne haben eine Chance dazu. Wenn andere Baumarten wie beispielsweise Ahorn, Esche, Kirschbaum oder Eiche aufkommen sollen, müsste das Kronendach geöffnet oder der ganze Bestand abgeräumt werden. Sofern dieser Bestand als Alt- holzinsel bestehen bleibt, wird sich ein solcher Vor- gang durch das Absterben einzelner Bäume allmäh- lich oder durch Windwurf und andere Kalamitäten früher oder später selbst vollziehen.

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Wald, Kies und Landschaft

Weiherbiotop Standort mit Potenzial

Die Jagdgesellschaft St. Peter aus Kestenholz hat 1982 ohne finanzielle Unterstützung das Weiher- biotop gebaut. Mit dem Aushubmaterial wurde ein Damm mit einem Auslauf errichtet. 1995 hat der Kleintierzüchterverein Nieder- buchsiten den verschlammten und zu- Bild: Florence Rüegger Bild: Florence gewachsenen Weiher saniert. 2012 er- folgte eine weitere Sanierung durch die Bürgergemeinde Niederbuchsiten mit Unterstützung durch kantonale Fach- stellen. Die Randbereiche der Weiher- anlage wurden aufgelichtet und die Ein- und Überläufe zum Weiher saniert. Durch die Revitalisierung wird das Was- ser natürlich bewegt. Dank den Einsät-

Bild: Geri Kaufmann zen entstand ein neues Refugium für Klein-, Wasser- und Sumpftiere sowie für Wildenten. Heute liegt das Weiherbio- top geschützt in einer Altholzinsel.

Der saure, zeitweilig staufeuchte Boden im Süden des Weihers ist nur für wenige Baumarten geeignet. Ideal wäre ein Be- 1 Vogelbeere auf saurem Standort stand mit Föhren, Lärchen, Birken und 2 Traubenkirsche auf nährstoffreichem, Vogelbeeren. Ganz andere Verhältnisse feuchtem Standort finden sich auf der Nordseite: Dort ist der Boden nährstoffreich und sehr gut mit Wasser versorgt. Die Traubenkirsche in der Strauchschicht weist auf diese Eigenschaften hin. Der Standort hat das Potenzial für viele verschiedene Baumarten.

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Wald, Kies und Landschaft

Weihnachtsbäume Verletzliche Pflänzchen

Die romantische Vorstellung vom Weihnachtsbäum- chen aus dem Wald ist längst überholt. Weihnachts- bäume stammen fast ausschliesslich von eigens dafür angelegten landwirtschaftlichen Flächen wie dieser dreieinhalb Hektaren grossen Weihnachtsbaumanlage, die Bild: Martin Henzirohs rechtlich nicht zum Waldareal gehört.

Hier wachsen Nordmannstannen, Weiss­ tannen, Rottannen und Blaufichten. Je nach Sorte und gewünschter Grösse dauert es fünf bis zwölf Jahre von der Pflanzung bis zur Ernte. In dieser Zeit fällt viel Arbeit an: Die gepflanzten Bäumchen müssen eingezäunt und vor Wildverbiss geschützt werden. Zudem wachsen die Bäumchen nicht unbedingt von selbst in die gewünschte Form. So Neuanpflanzung mit dem Erdbohrer braucht es Formschnitte, und das Un- kraut muss bekämpft werden. Gefähr- dungen für die Weihnachtsbäume sind Wildverbiss, Frost, Hagel und Pilzbefall.

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Wald, Kies und Landschaft

Erlen und Eschen Suchen die Nähe zum Wasser

Eine Geländemulde, wo das nährstoffreiche Wasser zusammenläuft, oder ein Graben zur Entwässerung sind die bevorzugten Standorte von Schwarzerlen, Eschen und Traubenkirschen. Die Schwarz­erle erträgt als einzige einheimi-

Bild: Thomas Burger sche Baumart dauernd stehendes, nähr- stoffreiches Wasser, da sie ihre Wurzeln mit Luft versorgen und mithilfe von Bak- terien und Pilzen den lebensnotwendi- gen Stickstoff aus der Umgebungsluft aufnehmen kann. Deshalb kommt sie im Verlandungsgebiet von Weihern und Seen vor.

Bild: Thomas Burger Die Esche hingegen weicht auf Stellen aus, wo das Wasser in Bewegung ist. Da- rum ist sie an Bächen und in Flussauen häufig anzutreffen. Die Eschen auf dieser Fläche weisen grössere laublose Partien in der Krone auf, ein deutlicher Hinweis 1 Laublose Eschenäste wegen des Eschen­ auf das seit 2009 auftretende Eschen- triebsterbens triebsterben. Diese unterdessen euro- 2 Schwarzerlenblatt paweit verbreitete Krankheit ist auf einen Pilzbefall zurückzuführen, der die Was- sergefässe verstopft und darum zu Trockenheitssymp­ tomen und zur Schwächung junger wie alter Bäume führt. Die Traubenkirsche zeigt einen hohen Grund- wasserstand an. Sie bildet mit ihren Ausläufern un- durchdringliche Dickichte. Ihre Samen und die Rinde enthalten giftige Blausäure.

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Pimpernuss Liebhaberin behaglicher Wärme

Die Pimper- oder Klappernuss ist eine unscheinbare, seltene Strauchart. Vom Laub her hat sie Ähnlichkei- ten mit dem Holunder. Einzig im Herbst fallen die blasenartigen Fruchtkapseln auf, in de- nen die Nüsse klappern; darum auch der Name. Das Wort «pimpern» kommt vom Bild: Thomas Burger Mittelhochdeutschen «klappern».

Die Pimpernuss ist verbreitet in Südost- europa zwischen den Karpaten und Klein­asien anzutreffen. In der Schweiz kommt die Rote-Liste-Art nur an war- men Standorten in den Föhngebieten, im Rhein- und Aaretal sowie bei Büren Bild: Thomas Burger Bild: Thomas Burger im Schwarzbubenland vor. Die Pimper- nuss war in Mitteleuropa einst weiter verbreitet. Doch sie war dem eiszeitli- chen Klima nicht gewachsen und wich in wärmere Rückzugsgebiete aus. Danach 1 Blüten der Pimpernuss wurde sie vom Menschen wieder zurück- 2 Fruchtkapseln der Pimpernuss geholt. Und so ist wohl auch dieses ein- zige Exemplar im Gäu nicht das Resultat natürlicher Verjüngung, sondern wurde vermutlich einmal an diesen von der Nachmittagssonne be- schienenen Waldrand gepflanzt.

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Wald, Kies und Landschaft

Ort der Stille Ein Flecken «Urwald»

Ein stufiger, ungleichaltriger Waldbestand. Bis zu einem Meter dicke Bäume: Weisstannen, Rottannen, Buchen, Winterlinden und Hagebuchen mit verschie- denen Altern und Durchmessern. Alte Bäume sterben ab oder werden durch den Wind geworfen. Junge Bäume nut- zen das durch die Lücken im Kronendach einfallende Licht. Ein buntes Neben- und Miteinander von Altem, Mittelaltem und Bild: Amt für Geoinformation, Kanton Solothurn Jungem, von Vitalem, Schwächelndem, Sterbendem und zerfallendem Totem. Ein ewig währendes Werden und Ver- gehen in langen Zeiträumen.

Diese «Ur-Altholzinsel» ist geprägt durch mehrheitlich − vor rund 200 Jahren − gepflanzte Bäume. Durch die Nicht-Nut- zung ist heute der kulturelle Wert grösser als der Holzwert. Die Baumgruppe trägt 1 Ausdehnung der Altholzinsel auch den Lokalnamen «Altersheim». Tafelstandort 2 Symbol für Unendlichkeit Die liegende 8, das in der Mathematik verwendete Symbol für die Unendlichkeit, symboli- siert das Diesseits und das Jenseits sowie die Schwel- le von Geburt und Tod – ein vortreffliches Symbol für die natürlichen Vorgänge im Wald. Zum Verfolgen dieser Vorgänge ist unser Erdendasein zu kurz. Neh- men Sie sich trotzdem etwas Zeit und begeben Sie sich für ein paar Minuten hinein in diese stille, fried- liche Baumgemeinschaft.

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Wald, Kies und Landschaft

Traubeneiche Wo einst Späher ins Land blickten

Diese etwa 200 Jahre alte Traubeneiche ist mit rund 1,4 Meter Durchmesser wohl die mächtigste Trau- beneiche des Kantons Solothurn. Bereits 1972 wur- de sie als schützenswertes ­Naturobjekt klassiert. Seit Sturm Lothar den umlie- genden Wald im Dezember 1999 gewor- fen hat, steht die Eiche prominent in Bild: Buch Pro Natura Solothurn Bild: Buch Pro einer Waldverjüngung und bildet als Schutz vor starker Sonnenstrahlung star- ke Klebäste.

Der Sage zufolge soll sich an diesem Ort vor langer Zeit ein hohes Schloss ganz aus Holz erhoben haben. Der «Schlosshubel», wie die Anhöhe noch heute heisst, wurde womöglich von Schloss- und Burgherren als Melde- und Beobachtungspunkt genutzt. Bei einem Überfall brannten feindliche Ritter das Schloss ab und töteten die Bewohner. Klebäste entwickeln sich in Stresssituationen Der Schlossherr konnte zuvor noch einen aus schlafenden Knospen. Schatz vergraben. Schon viele Leute ha- ben bis heute erfolglos danach gesucht. Mit viel Geduld und Glück soll es aber möglich sein. Wer an einem Karfreitag drei Tulipane findet und am Nachmittag um drei Uhr dazwischen gräbt, kann den Schatz nur noch aus der Grube heben. Aber nicht vom Schlossherrn ablenken lassen. Dieser treibt zu dieser Zeit sein Unwesen. Viel Glück!

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Urzeitliches Schotter – Zeugen der Eis- und Warmzeit

Zwischen den mächtigen alten Buchen und Eichen am Waldrand befindet sich ein kleiner Aufschluss von verkittetem Schotter, der noch weit vor der letzten Warmzeit (130 000 bis 115 000 Jahre vor heute) hier abgelagert worden ist. Der

Wangen a. A. Solothurn Schotter besteht aus Gesteinsschutt, der ursprünglich vom Aare- und Rhone-

Burgdorf Gletscher mitgeführt und anschliessend durch Schmelzwasserströme transpor- Bild: Reproduziert mit Bewilligung von swisstopo Bild: Reproduziert (BA140143) tiert und abgelagert wurde. Das Aus- fällen von Kalk aus dem Sickerwasser sorgte für die Verkittung des Schotters. Vermuteter Maximalstand des Aare- Er baut den Hügelzug von der Strasse Rhone-Gletschers während der letzten von Aarwangen nach Niederbipp bis Eiszeit (115 000 –11 500 Jahre vor heute) Tafelstandort Neuendorf auf und entspricht der übrig- gebliebenen Füllung eines längst ver- schwundenen, alten Aaretals.

Das ebene Ackerland der Ägerten, des Aare- und Dünnern-Gäus liegt auf ­jüngeren Schottern. Die oberste Lage stammt aus der letzten Eiszeit. Sie wird heute in der Grube weiter östlich ausgebeutet.

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