Pegida Und Der Verfassungs- Schutz
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AnAlysen PArteien und demokrAtie PegidA und der VerfAssungs- schutz Felix Korsch Inhalt Vorwort zur Nachauflage 2 Asylkritik, mit und ohne Hakenkreuz 4 1 Einleitung 8 2 Das Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen im Diskurs um Pegida 10 3 Die Pegida-Bewegung im Spiegel der Verfassungsschutzberichte 16 4 Berichterstattung und Beobachtung als Verfassungsschutzpolitik 28 5 Pegida als ständiger Prüffall 33 6 Reziproke Anpassung 36 7 Pegida und die Grenzen des Verfassungsschutzes 40 2 Vorwort zur nachauflage Als die «Patriotischen Europäer gegen landsgeheimdienste im Jahr eins der Be- die Islamisierung des Abendlandes» wegung noch nicht als opportun. (Pegida) im Oktober 2015 das einjähri- Warum, das erklärt die vorliegende Bro- ge Bestehen feierten, meldete die Po- schüre, deren erste Auflage pünktlich litik bis hoch in die Bundesregierung zum Jubiläum beziehungsweise zum plötzlich ihren Bedarf nach Beobach- Meinungswandel erschienen war. Sie tung Pegidas durch den Verfassungs- erklärt vorsorglich, warum auch im Jahr schutz an. Was war geschehen? Bei der zwei eine Beobachtung durch die Ämter Jubiläums-Demonstration in Dresden für Verfassungsschutz nicht zu erwarten beendete Akif Pirinçci seine Karriere ist. Der einzige analytische Zuwachs et- mit seiner Aufsehen wie Abscheu erre- wa seitens des sächsischen Landesam- genden «KZ-Rede». Am Rande des Ver- tes für Verfassungsschutz bestand En- sammlungsgeschehens kam es unter de 2015 in der ernstlichen Feststellung, Hooligan- und Neonazi-Beteiligung zu «Gida»-Veranstaltungen seien für soge- Straßenschlachten. Wenige Tage zuvor nannte Rechtsextremisten erstens «at- hatte in Köln ein Anhänger der rechten traktiv» und würden zweitens «attrakti- Szene die heutige Oberbürgermeisterin ver». Es ist nicht auszuschließen, dass der Stadt Henriette Reker niedergesto- die Analysekompetenz der Ämter weiter chen und lebensgefährlich verletzt. Da regrediert. Den nach optimistischer Les- habe Pegida «mitgestochen», pointier- art unveränderten Einsichten der Diens- ten Medienkommentare. Einige Tage te entspricht jedenfalls die unveränderte darauf nahm die Polizei in Oberfranken Neuauflage dieser Broschüre: Sie um- mehrere Personen fest, die bewaffnete reißt ein fast schon «zeitloses» Problem Anschläge geplant und teils einem ört- amtlicher Extremismusdiskurse. Von ei- lichen Pegida-Ableger nahegestanden ner Ausweitung dieses Diskurses auf die haben sollen. sich gleichwohl weiter radikalisierende Diese Bewegung sei «in Teilen offen Pegida-Bewegung ist demnach so wenig rechtsradikal», erklärte nunmehr Vize- zu erwarten wie von einer tatsächlichen kanzler Sigmar Gabriel (SPD). Bundesin- Beauftragung der Verfassungsschutzbe- nenminister Thomas de Maizière (CDU) hörden. Sie klingt folgerichtig, ist aber, ging so weit, die Pegida-Organisatoren entgegen dem drastischen Tenor, nicht als «harte Rechtsextremisten» zu be - einmal beabsichtigt. Andernfalls hätte de zeichnen. Sein Ministerium relativier- Maizière sie herbeigeführt. Sein Ressort te das kurz darauf zwar und versicherte hat die Aufsicht über das Bundesamt für noch vorsorglich, dass ein – so von nie- Verfassungsschutz. mandem gefordertes – Verbot unmög- Als die Bundessprecherin der Alterna- lich sei. Gleichwohl: So deutliche Wor- tive für Deutschland (AfD), Frauke Pe- te waren vorher nicht gewählt worden. try, Ende Januar 2016 in einem Presse- Im Überbietungswettbewerb um die interview ausführte, «ein Grenzpolizist größtmögliche Nachsicht für angeblich müsse den illegalen Grenzübertritt ver- berechtigte «Ängste und Sorgen» des hindern, notfalls auch von der Schuss- Protestmilieus galt der Einsatz der In- waffe Gebrauch machen», da empfah- len Politikerinnen und Politiker bis hinauf pulismus als systematischer Leerstelle 3 in die Bundesregierung schon wieder, der «Extremismus»-Beobachtung in der dass sich der Verfassungsschutz rühren Bundesrepublik informieren. müsse. Er rührt sich nicht. Keine Poin- te. Klar jedoch, dass die nächsten Seiten Felix Korsch auch zum zeitgenössischen Rechtspo- Februar 2016 4 «Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.» J. W. v. Goethe asylkrItIk, mIt und ohne hakenkreuz In den vergangenen Monaten ist in der An der fortgesetzten Entwicklung hat Bundesrepublik – mit deutlichen regio- die extreme Rechte einen unleugbaren nalen Schwerpunkten – eine ungeahnte, Anteil, aus der heraus sich offenbar ei- buchstäblich un-heimliche Eskalations- ne neue Fraktion formiert, die durch ei- dynamik zu beobachten. Der staatliche nen vigilantistischen Aktionismus1 ge- Versuch, sie einzudämmen, bewertet das eint ist: Das ist beispielsweise der Fall bei Geschehen augenscheinlich kaum als ein einer sogenannten Bürgerwehr in Frei- innenpolitisches Risiko. Er teilt dafür, wo tal, bei Teilen der «Reichsbürger»-Bewe- zeitweise Grenzen erschlossen werden, gung im Umfeld der «Initiative Heimat- mit dem Rassismus deutscher Nation die schutz» in Meißen sowie bei überörtlich Signatur des Illiberalen.Diese scheint seit mobilisierungsfähigen, hooligan-artigen gut einem Jahr immer stärker auf und Gruppierungen, die mehrfach bei Legi- begegnet uns – das ist bemerkenswert – da (Leipzig gegen die Islamisierung des in Gestalt einer sozia len Bewegung von Abendlandes)2 in Leipzig ihre Aufwar- rechts. Im Oktober 2014 begann die Se- tung machten. Wissenschaftlich gestütz- rie von Pegida-Demonstrationen in Dres- te Einordnungen sind angesichts der dy- den. Außerhalb der sächsischen Lan- namischen Gemengelage noch äußerst deshauptstadt tritt Pegida (Patriotische rar.3 Der Verfasser hat bislang versucht, Europäer gegen die Islamisierung des den Aufschwung der Pegida-Bewegung Abendlandes), von wenigen Ausnahmen in ihrer Hochphase und die elektoralen abgesehen, inzwischen nicht mehr in Er- Auswirkungen nachzuzeichnen.4 Dem- scheinung. Recht synchron ist es aller- nächst erscheinen zwei weitere kleine dings zu anhaltenden Protestmobilisie- rungen in Mittel- und selbst Kleinstädten 1 Damit wird ein gewaltaffines Gruppenhandeln zur Durch- gekommen, die sich – teils unverkenn- setzung oder Verteidigung bestehender oder erwünschter Normen, insbesondere Privilegien, bezeichnet; vgl. Johnston, bar – formal, inhaltlich und selbst perso- Les: What is Vigilantism?, in: British Journal of Crimonology 2/1996, S. 220–236. 2 Die meisten Pegida-Ableger haben ih- nell auf das Dresdner Vorbild beziehen, re Eigenbezeichnungen entsprechend an das Dresdner Vor- aber insbesondere gegen Asylsuchen- bild angelehnt und um einen Ortshinweis ergänzt. 3 Jüngst erschienen: Kiess, Johannes: 50 Shades of Brown: Pegida und de und deren Unterbringung gerich- der Wunsch nach Autorität, in: Möllers, Martin/van Ooyen, tet sind. Dafür stehen in (vorerst) letzter Christian (Hrsg.): Jahrbuch Öffentliche Sicherheit 2014/2015, Frankfurt a.M. 2015, S. 207–222; Salzborn, Samuel: Demokra- Konsequenz die als Po gromversuch zu tieferne Rebellionen. Pegida und die Renaissance völkischer Verschwörungsphantasien, in: Frindte, Wolfgang u. a. (Hrsg.): wertenden Ausschreitungen von Heide- Rechtsextremismus und «Nationalsozialistischer Untergrund». nau. Dafür stehen auch die vollendeten Interdisziplinäre Debatten, Befunde und Bilanzen, Wiesbaden 2015, S. 359–366; Jennerjahn, Miro: Sachsen als Entstehungs- Anschläge in vielen anderen Orten, die ort der völkisch-rassistischen Bewegung PEGIDA, in: Braun, sich mitnichten auf Sachsen oder Ost- Stephan u. a. (Hrsg.): Strategien der extremen Rechten. Hin- tergründe – Analysen – Antworten, 2., akt. u. erw. Aufl., Wies- deutschland beschränken. baden 2015, S. 533–558. Studien in einem bei der Forschungsstel- Abgeben oder Bestreiten solcher Be- 5 le Rechtsextremismus und Neonazismus kenntnisse als entscheidendes Kriteri- (FORENA) der Fachhochschule Düssel- um für irgendetwas herzunehmen hieße dorf edierten Sammelband, die sich mit dann, die Verfassungsschutzbehörden Interaktionsverhältnissen Pegidas zur von jedem Auftrag, also auch von der ei- Alternative für Deutschland (AfD), poli- genen Verantwortung freizustellen. tischen Kräfteverhältnissen in der orga- Die tiefere Bedeutung des Maaßen’schen nisatorischen Kernsphäre sowie thema- Satzes wird unten von seiner diskursiven tischen Elementen der Protestagenda Vorgeschichte her zu erhellen sein, die, auseinandersetzen.5 wie sich zeigen wird, tatsächlich Einfluss Der hier vorgelegte Beitrag soll den auf die Entwicklung Pegidas hatte. Dass Blick weiten und auf einen Akteur auf- sich im Hinblick darauf kein «Beobach- merksam machen, der so selbstver- tungsauftrag» ergab, stand in dieser Zeit ständlich im medialen Diskurs ein- und überhaupt nicht fest. Wer das kritisiert, aufgeht, dass er als kollektive drama- muss damit rechnen, unter «Pro-Sozia- tis personae zumeist gar nicht in Be- lismus-Verdacht» gestellt zu werden. 9 tracht gezogen wird. Gemeint sind die Bemerkenswert erscheint dem Verfas- Verfassungsschutzämter der Länder ser aber die jüngst publizierte Ansicht und des Bundes, die sich wiederholt, des Sozialwissenschaftlers und ehema- vor allem aber wiederholt widersprüch- ligen Mitarbeiters des nordrhein-west- lich zur Pegida-Bewegung und zu de- fälischen Landesamtes für Verfassungs- ren Umfeld eingelassen haben. Aus - schutz (LfV), Thomas Grumke, über die gewertet wurde dafür Material, das bis Verfassungsschutzämter: «Bisher ist je- Ende Juni 2015 angefallen ist, das also doch keine neue Qualität im professio- mit den Ereignissen in Heidenau und nellen Handeln bzw. der Auswertung des andernorts noch nicht rechnen konnte Rechtsextremismus zu erkennen. […] und auch nicht mit dem entscheiden- Nach wie vor