Thema

Interregio-Nachfolge: Jetzt kommt RE X

Neues Konzept zur Verbindung der Regionen

➢ Seit dem 15. Dezember 2002 sind die meisten Interregio-Züge abgeschafft. Teilweise fahren die Züge noch unter dem Namen „Inter- city“ oder „ICE“, aber die Fahrgäste aus den Regionen sind durch hohe Preise ausgesperrt, Verbundfahrscheine sind ungültig. Wo die Inter- regio-Züge nicht mehr fahren, haben die Besteller des Nahverkehrs die Lücken leidlich gestopft. Nur einen Monat später trat die Bundesarbeits- gemeinschaft der Aufgabenträger (BAG-SPNV) mit einem neuen Konzept für den interregionalen Verkehr an die Öffentlichkeit, das mehr bieten soll als Notlösungen: Mit einheitlichen Standards, übersichtlichen Tarifen und einem bundesweit durchgeplanten Angebot wollen die Aufgabenträger die Lücke zwischen Nah- und Hochgeschwindigkeitsverkehr schließen. Damit bekommt Konturen, was PRO BAHN schon lange fordert und in derFahrgast immer wieder beschrieben hat: ein regionenübergreifendes, schnelles Angebot als Nachfolge des Interregio. Frage an die Politik: Werden sachfremde Interessen dieses Konzept blockieren? Montage: Steuer

■ RE X als Interregio-Nachfolger ■ Notlösungen allerorten m 22. Januar 2003 trat die Bundesarbeitsgemeinschaft Lange hatten die Aufgabenträger, die Besteller des Nahver- der Aufgabenträger mit dem „RE X-Konzept“ an die kehrs gehofft, gezögert und immer wieder Lücken gestopft. A Öffentlichkeit (abgedruckt ab Seite 11 dieser Ausgabe). Jahrelang war das Konzept der DB AG aufgegangen, sich aus „RE X“ heißt so viel wie „Regional Express“ – nur anders, dem von ihr für defizitär gehaltenen Interregio-Geschäft als die DB AG diese Zuggattung versteht: komfortabler, zurückzuziehen und dabei die Nachfolge der Nahverkehrs- schneller, mit durchgehenden Verbindungen. Was der Inter- Tochter DB-Regio zuzuschanzen. Mit einem Gewaltakt wur- regio war, soll „RE X“ wieder werden: schnell und komfor- de zum Fahrplanwechsel 2002 der Interregio bis auf kleine tabel, aber fest verankert in den Takt und den Tarif der Regio- Reste beseitigt. Wieder – und nicht zum ersten Mal – stopften nen. Die DB AG bestreitet ein Bedürfnis für ein solches die Aufgabenträger hastig die Löcher, jeweils mit unterschied- Angebot, die Gewerkschaft Transnet forderte in einem Papier lichen Methoden. In Bayern wurde es ein 3-Stunden-Takt vom Juli 2001 ein solches interregionales Netz – und die For- zwischen Hof und München, und zwischen Thüringen und derung von PRO BAHN nach Erhalt des Interregio ist noch Nordrhein-Westfalen wurde gar die Subvention des Inter- viel älter. city- und ICE-Verkehrs vereinbart (derFahrgast 1/03).

derFahrgast · 2/2003 5 Jetzt kommt RE X Fotos: Engel

Jetzt kommt RE X: Der „Flex“ (Flensburg- Express) ersetzt den Interregio zwischen Hamburg und Padborg.

■ Fahrgäste: Abkassiert und hin, der schnelle und langsamere Verbindungen integrierte. ausgesperrt Eine der herausragenden Verbindungen, die noch in dieser Phase eingeführt wurden, war der Regionalexpress von Kassel o der Intercity blieb, wird seit dem 15. Dezember ab- über Halle nach Dessau, der seit seiner Einführung noch kassiert. Monatskarten der Verbünde sind nur gegen praktisch unverändert fährt. Andere Verbindungen scheiter- W höhere Zuschläge gültig, Fahrgäste mit Einzelfahr- ten jedoch an dem Debakel mit den Neigetriebwagen der scheinen der Verkehrsverbünde sind ausgesperrt und außer- Baureihe 611, so beispielsweise die Verbindung von Köln halb der Verkehrsverbünde gibt es auf kurzen Strecken saftige nach Saarbrücken. Zum 1. Januar 1997 ging die Verantwor- Zuschläge – auch dann, wenn kein alternatives Verkehrs- tung für die Gestaltung des Regionalverkehrs an die Bundes- angebot zur Verfügung steht. Betroffen sind die Ostseeküste, länder und damit an die neu geschaffenen Aufgabenträger als die Schwarzwaldbahn oder auch Ostfriesland. Besteller des Nahverkehrs über. Unter ihrer Regie kam es zu sehr unterschiedlichen Entwicklungen. Viele Aufgabenträger ■ Zurück zur Grundidee meinten, für den „Fernverkehr“ nicht zuständig zu sein, und ihre Landesregierungen beschränkten sich darauf, von der Die Grundidee des Interregio war es, Fern- und Nahverkehr Bundesregierung die Aufrechterhaltung des Interregio-Net- sinnvoll zu verbinden. Der Interregio sollte zwischen, aber zes zu fordern. Andernorts begannen Aufgabenträger abseits auch innerhalb der Regionen einen festen Platz einnehmen bisheriger Interregio-Linien, eigenständige Konzepte zu ent- und ein attraktives Angebot bieten. Mit der Einführung des wickeln, beispielsweise die Neigezug-Linien von Hannover integralen Taktfahrplans und systematischen Anschlüssen nach Halle und von Göttingen nach Zwickau. Doch durch- zwischen Fern- und Nahverkehr ergab sich auch das Bedürf- gehende Konzepte scheiterten manchmal an politischen nis, den Interregio fest in das Taktgefüge der Regionen einzu- Eifersüchteleien, manchmal an verschiedenen, von der Lan- binden. Von Anfang an wollte dazu aber nicht die Zuschlags- despolitik bedingten Vorstellungen hinsichtlich des Fahr- pflicht für Entfernungen bis 50 km passen. Und so kam es im zeugmaterials, oft genug aber auch einfach daran, dass die Gefolge zu einem Hin und Her hinsichtlich der Zuschläge Aufgabenträger noch voll damit beschäftigt waren, sich zu und der Anerkennung der Verbundfahrscheine. Aus den organisieren, ihren eigenen Standort innerhalb der Politik unterschiedlichen Lösungen ergab sich ein unübersichtlicher ihrer Länder und Regionen zu finden und die neuen Mög- Flickenteppich bei den Tarifen, wobei zuletzt in den lichkeiten des Wettbewerbs auszuprobieren. In dieser Phase Regionen in der Regel Zuschlagsfreiheit galt, während Zu- waren sie noch nicht in der Lage, effizient grenzübergreifende schläge vor allem in Ballungsräumen erhoben wurden. Zum Konzepte zu entwickeln. Erst die Not half zu erkennen, dass 15.12.2002 wurde dieser Missstand beseitigt, allerdings auf alle Aufgabenträger auf der gleichen Schiene fahren, dass alle Kosten der Fahrgäste, indem die Preise heraufgesetzt wurden. dieselben Probleme haben und dass nur sie gemeinsam diese Probleme lösen können. ■ DB-Regio wies den Weg ■ Die Privaten kommen Während der Bereich Fernverkehr und später DB Reise & Touristik in einem Zickzackkurs erst das Interregionetz kräf- In dieser Phase ist es vor allem der Initiative von Connex und tig aufblähten, um es anschließend Stück für Stück zu zer- namentlich Hans Leister zu verdanken, dass auch von unter- stören, zeigten die Kollegen vom Nahverkehr, wie man es nehmerischer Seite neue Initiativen sichtbar wurden. Mit richtig macht. Angefangen beim Allgäu-Schwaben-Takt dem Interconnex von Gera nach Rostock wurde am 1. März arbeiteten sie systematisch auf einen integralen Taktfahrplan 2002 ein erstes Zeichen gesetzt, wie man sich die Anbindung

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der Regionen auch vorstellen kann: mit Fahrzeugen, die im Prinzip für den Nahverkehr entwickelt sind, aber doch kom- fortabler ausgestattet werden. Während der Interconnex ein eigenständiges Fernverkehrsangebot ist, wurde mit dem Ge- winn der Ausschreibung der Lausitz-Bahn von Cottbus nach Zittau für Connex eine zweite Variante möglich und sofort umgesetzt: aus dem Nahverkehr heraus Angebote zu ent- wickeln, die bis in die Zentren und darüber hinaus reichen. So fährt einmal täglich ein Zug von Zittau bis Cottbus als Nahverkehrszug im Auftrag der zuständigen Besteller, um anschließend auf eigenes unternehmerisches Risiko bis Berlin und Stralsund zu fahren. Dass solche Kombinationen mög- lich sind, hatte die DB mit wenigen Zügen nach Oberstdorf und Berchtesgaden schon vorgemacht – allerdings mit mög- lichst wenig Aufsehen, denn das Konzept hätte zur Ideologie der Konzernführung nicht gepasst. Die dritte Variante – ein selbstständiges Regionalexpress- Angebot mit Nahverkehrs-Triebwagen, das in den Nah- verkehrstarif integriert ist – ist zum 16. Februar 2003 mit zwei bis drei täglichen Verbindungen zwischen Bremen und Wilhelmshaven in Betrieb gegangen. DB Regio wies den Weg: Der Regionalexpress Kassel – Die vierte Variante, ein selbstständiges Interregio-Angebot Halle (zeitweise bis Dessau) war einer der ersten in regionaler Regie, stellt der „Flex“ dar: Ein richtiger Schnell- schnellen und vertakteten Interregio-Nachfolger. zug mit klassischen Schnellzugwagen zwischen Hamburg und Flensburg hat die Nachfolge des Interregio angetreten und zeigt auch gleich, wie man an ein solches Konzept herangehen kann: Er fährt achtmal täglich und außerdem immer bis ■ Der Weg zum Konzept über die Grenze ins dänische Padborg, wo die Anschlüsse zum dänischen Netz hergestellt werden. Erst dieses Konzept ist chon vorher hatte Hans Leister Mitte August 2001 das, was man sich unter einer schnellen Anbindung der großes Aufsehen mit der Forderung erregt, gegen Über- Region vorgestellt hat: ein ganztägiges, in den integralen Takt S nahme des Interregio-Wagenparks die Interregio-Linien eingebundenes Angebot. Es wird schon Ende 2003 einen zu übernehmen. Als wäre es eine Seelenverwandtschaft, war Nachfolger finden: Ganz im Süden wird ein Konsortium aus wenige Tage zuvor die PRO BAHN Zeitung mit einer ent- Regentalbahn und der SBB-Tochter Thurbo den Verkehr sprechenden Artikelserie erschienen. Noch einmal konnte die von München nach Oberstdorf übernehmen. DB die Entwicklung aufhalten, indem sie die Interregio- Wagen für „schrottreif“ erklärte und die Übergabe aus Wett- bewerbsgründen ablehnte. Doch die Arbeiten an dem RE X- Konzept hatten schon begonnen und die DB beschleunigte mit ihren Entscheidungen die Entwicklung des Konzepts und das Zusammenrücken der Aufgabenträger erheblich.

■ Überzeugende Strategie So liegt nun ein Konzept vor, das im strategischen Bereich hinsichtlich der Analyse der Situation und der Wegweisung für die Lösungen kaum noch Wünsche aufweist. Bemerkens- wert ist, dass die Aufgabenträger uneingeschränkt die Be- nutzbarkeit der Züge des neuen Konzepts für Fahrgäste der Verbünde voraussetzen, in den weiträumigeren Verkehren hingegen den Unternehmen Möglichkeiten einräumen wol- len, Tarife selbst zu gestalten und Angebote zu entwickeln. In finanzieller Hinsicht ist gerade diese Kombination realistisch: Der Zuschussbedarf des hochwertigen Verkehrs durch die Regionen liegt nur bei einem Drittel dessen, was der klassische Nahverkehr an Zuschüssen fordert. Wenn man auf die Fahrgastzuwächse bei den Interregio-Zügen nach ihrer Einführung zurückblickt, lässt sich abschätzen, dass der Zu- schuss noch weiter abgesenkt werden kann. Denn gerade ent- Nordwestbahn: Jetzt auch als Eilzug zwischen lang der ehemaligen Interregio-Linien ist der Anteil der Bahn Bremen und Wilhelmshaven. am Gesamtverkehr unterdurchschnittlich gering.

derFahrgast · 2/2003 7 Jetzt kommt RE X

■ Der Linienplan ist ein Anfang solche Untersuchung kann Aufschluss darüber geben, welche Einnahmen durch die schnellen Expressverkehre zu erzielen ährend das strategische Konzept abgerundet und aus- sind, und damit eine Grundlage für erfolgreiche Ausschreibun- geglichen wirkt, lässt das Linienkonzept noch viele gen schaffen. Wesentliche Vorarbeiten dazu könnte bereits die W Fragen offen. Wer die bisherige Entwicklung kennt, vom Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswe- sieht sofort, dass es nicht mehr ist als eine Sammlung der bis- sen finanzierte und in Arbeit befindliche Studie „Erschließung herigen Entscheidungen und Wünsche der Aufgabenträger. der Marktpotenziale der Eisenbahnen“ liefern. Bei der Präsen- Es finden sich ganz unterschiedliche Fälle: tation der Vorarbeiten kamen die beauftragten Wissenschaftler ● ehemalige Interregio-Linien, zu dem Schluss, dass die größten zu erschließenden Potenziale ● neue Regionalexpress-Linien, im „Regionen verbindenden Verkehr“ lägen. 31 Prozent der ● Interregio-Linien, die zum IC umgewandelt wurden, und Bevölkerung der Bundesrepublik lebt in Städten von 20.000 bis ● neue, noch nicht vorhandene Linien. 150.000 Einwohnern (ohne Einbeziehung des Umlands), Die sehr unterschiedliche Handschrift der Aufgabenträger 43 Prozent in Orten unter 20.000 Einwohnern und nur 26 Pro- lässt sich in dem Konzept wieder erkennen. Einige Aufgaben- zent in Städten mit über 150.000 Einwohnern. Daher gelte es, träger richten sich offenbar darauf ein, Intercity-Linien wie- das Potenzial in den Städten mit 20.000 bis 150.000 Einwoh- der für ihre Fahrgäste nutzbar zu machen. In anderen Regio- nern stärker zu aktivieren. Die Studie wird auf dieser Prämisse nen sind noch weiße Flecken zu finden, weil dort nach wie aufbauen und soll Vorschläge für die Umsetzung enthalten. vor der Intercity fährt. Aber wenn das strategische Konzept überall auf Zustimmung stößt, werden diese weißen Flecken ■ Ein Fahrzeugkonzept muss folgen nach und nach schwinden. Dass im Rahmen eines fortentwickelten integralen Takt- Im hochwertigen Verkehr zwischen den Regionen unterhalb fahrplans sehr viel mehr möglich ist, hat PRO BAHN schon des ICE ist die Fahrzeugentwicklung zum Stillstand gekom- vor drei Jahren nachgewiesen. Das Konzept „Der letzte Fahr- men. Hier können nur die Aufgabenträger gemeinsam durch planwechsel“ hat noch nichts von seiner Bedeutung für einen die Formulierung von Anforderungen neue Entwicklungen in effizienten Regionalfernverkehr und einen effizienten Ausbau Gang setzen, und das kann genauso erfolgreich sein wie die des Streckennetzes verloren. Initiative des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen zur Entwicklung von Leichttriebwagen. Bis heute fährt in Deutsch- ■ Marktforschung land nicht ein einziger Fahrzeugtyp, der den Ansprüchen des und Potenzialsanalysen neuen RE X-Konzepts gerecht werden könnte. Die Doppel- stockwagen sind zu eng, der Einstieg ist zu unbequem. Die Um ein solches Konzept wirtschaftlich umzusetzen, werden Nahverkehrstriebwagen sind in der Regel zu eng gebaut – der die Aufgabenträger in Potenzialsuntersuchungen und Markt- „Talent“, der schon zwischen Gera und Rostock unterwegs ist, analysen investieren müssen. Im Nahverkehr ist den Aufgaben- ist eine rühmliche Ausnahme. Die Nahverkehrs-Neigetechnik- trägern diese Arbeit längst vertraut, aber für den Fernverkehr ist Triebwagen der Baureihen 611 und 612 sind zwar schnell, aber das notwendige Wissen nicht öffentlich verfügbar. Die letzte mit ihren engen, hohen Einstiegen und den dröhnenden Moto- öffentlich verfügbare Untersuchung über die Verkehrsnachfra- ren unter den Fahrgasträumen nicht besonders fahrgastfreund- ge und den Modal Split wurde 1991 durch Intraplan veröffent- lich. Wirklich geeignete Fahrzeugtypen sind über das Reißbrett licht; sie war noch vom Bundesverkehrsministerium bezahlt oder Prototypen bisher nicht hinausgekommen. Am weitesten worden. Aus dem Jahr 1995 gibt es eine weitere Untersuchung, ist noch die Entwicklung bei der Firma Talgo, die vor kurzem die aber nicht öffentlich verfügbar ist – ob sie als Unterneh- ein geschlossenes Konzept für den interregionalen Verkehr vor- mensgeheimnis in den Archiven der DB AG schlummert oder gelegt hat. Wenn die Aufgabenträger es schaffen, über die Koor- in den Kellern des Ministeriums, ist nicht bekannt. Erst eine dinierung von Ausschreibungsunterlagen und fahrzeugtechni-

Der letzte Fahrplanwechsel PRO BAHN-Konzept

für einen bundesweiten integralen Taktfahrplan mit schnellem Fernverkehr Im Internet: http://www.pro-bahn.de/pbz/itf_broschuere.pdf Gedruckt zut Zeit nicht verfügbar.

8 derFahrgast · 2/2003 Thema Fotos: Talgo

Wer bietet neue Fahrzeugkonzepte für den RE X? Talgo präsentiert ... und zweistöckig: Talgo 22 – der erste Doppelstockzug mit zwei Varianten: Talgo XXI mit Triebkopf und Steuerwagen ... Durchgang auf beiden Ebenen.

schen Anforderungen die Standards für diesen Verkehr neu zu setzen und eine Kompatibilität der Fahrzeuge zu erreichen, die dem klassischen Schnellzugwagen gleicht, wird es auch mög- lich, den Tausch und den Durchlauf von Fahrzeugen quer durch das Land neu zu organisieren. BAG-SPNV – ■ Geld verdienen mit dem RE X die Gemeinschaft der udolf Göbertshahn hatte schon 1988 aufgedeckt: Der Ex- Aufgabenträger press verdient viel und braucht daher nur geringe Zuschüs- Rse. Eineinhalb Jahrzehnte später kommt diese Erkenntnis, Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Aufgabenträger des die für jeden Betriebswirtschaftler eine Binsenweisheit ist, wie- Schienenpersonennahverkehrs (BAG-SPNV) wurde im der zum Tragen. Der klassische Nahverkehr braucht um 7,50 Mai 1999 mit dem Ziel gegründet, die Interessen der Mit- bis 10 Euro Zuschuss je Zugkilometer, der neue Auftrag für die glieder in regional übergreifenden Angelegenheiten zu ver- Strecke München – Oberstdorf wird nur zwei Drittel dieses treten und Verfahren mit den Eisenbahnunternehmen Zuschusses brauchen, der „Flex“ braucht nur ein Drittel davon. zu koordinieren und zu bündeln. Daneben sind der In- Das Marketing auf allen diesen Linien liegt darnieder, der formationsaustausch zwischen den Mitgliedern, die ge- Anteil der Bahnen ist unterdurchschnittlich. Daher sind neue meinsame Konzeptentwicklung und die Abstimmung von Fahrgäste sogar leichter zu gewinnen als für den ICE. Für einen Verhandlungsstrategien wesentliche Arbeitsschwerpunkte. Erfolg sind die Kompetenz regionaler Partner und die Koope- Die Standardisierung von Verfahren soll dazu beitragen, ration mit ihnen unabdingbare Voraussetzung. Doppelarbeiten zu vermeiden. Die BAG-SPNV bietet so- mit eine Plattform zur Zusammenarbeit mit den zerstreut ■ Blockiert die Politik den Fortschritt? organisierten Aufgabenträgern des SPNV. Ein abgestimmtes Vorgehen in der SPNV-Bestellung Mit dem RE X-Konzept würde für die Fahrgäste aus den in den täglichen Fragen und Angelegenheiten bildet eine Regionen ein Traum wahr: schnell, direkt, preiswert und be- Basis, von der aus man auf Erstellerseite effektiv den beste- quem zu reisen – auch dorthin, wo keine Wolkenkratzer und henden Strukturen im SPNV begegnen kann. Nach fast Bankenviertel rund um den Bahnhof stehen. zweieinhalb Jahren der Zusammenarbeit innerhalb der Doch schon ziehen dunkle Wolken auf. Ganz schnell möch- BAG-SPNV liegen zahlreiche inhaltliche Konzepte und ten einige Landesregierungen ihren Verkehrsvertrag mit der Lösungsansätze zu verschiedenen Themenschwerpunkten DB AG unter Dach und Fach bringen – teilweise über die vor. Köpfe ihrer Aufgabenträger hinweg. In Brandenburg ist ein sol- Mit derzeit 31 von 33 Aufgabenträgern in Deutsch- cher Vertrag schon bei der Justiz gelandet, trotzdem haben land repräsentiert die BAG-SPNV die große Mehrheit der andere Landesregierungen ebenfalls Verträge abgeschlossen Besteller des Nahverkehrs. Das Bestellvolumen umfasst oder wollen nachziehen. Es besteht die Gefahr, dass sachfremde ca. 550 Mio. Zugkilometer mit einem Zuschussbedarf von Interessen die Oberhand bekommen und die Fahrgäste weiter ca. 4,6 Mrd. Euro pro Jahr. auf der Strecke bleiben. (re)

Zum Ausschreibungsrecht weitere Informationen ab Seite 21.

derFahrgast · 2/2003 9 DB-/RE X-Konzept

DB und RE X-Konzept: Weltbild in Gefahr Gefährdet ein interregionales Expressnetz die Bahnreform?

➢ Die AG hält ein interregionales Expressnetz für überflüssig. Während sie auf der Mitte- Deutschland-Verbindung selbst Subventionen für den ICE entgegennimmt und trotzdem von den Fahrgästen der Region ungeniert astronomische Preise verlangt, schwingt sie sich in einer Stellungnahme zum RE X-Kon- zept zum Hüter der öffentlichen Haushalte auf. Das RE X- Konzept rührt am Weltbild der DB. Kein Verkehrsbedürfnis für interregionalen Verkehr? Der ■ Vier Thesen „Interconnex“ beweist: Fahr- gäste wollen mehr als einen it vier Thesen tritt die DB AG in einer Stellungnahme ge- Regionalexpress wie diesen gen das RE X-Konzept an. Sie wendet sich damit „gegen von Berlin nach Rostock. MÜberlegungen, den Schienenpersonenfernverkehr durch staatliche Eingriffe weiter zu regulieren“. Die DB behauptet: 1. Das RE X-Konzept sei nicht finanzierbar. Das Weltbild der DB: Nur 2. Das RE X-Netz gefährde vorhandene eigenwirtschaftliche samstags und sonntags ein Fernverkehrsangebote. direkter Zug vom Ruhrgebiet 3. Es bestehe kein verkehrlicher Bedarf für ein interregionales in den Schwarzwald. Das ist Expressnetz. den Anrainern der Schwarz- 4. Das RE X-Netz erhöhe den finanziellen Verwaltungsauf- waldbahn zu wenig. wand ohne Zusatznutzen. Was ist von davon zu halten?

■ RE X nicht finanzierbar? hereinbekommen, dass auch die übrigen Linien des RE X- Netzes finanzierbar sind. Die DB behauptet, die Autoren des RE X-Konzepts blieben eine Antwort auf dessen Finanzierung schuldig. In der Tat ■ Gefährdet RE X sagen die Autoren nicht, woher die notwendigen Gelder kom- eigenwirtschaftliche Linien? men sollen. Aber die Lösung ist ganz einfach. Seit der Bahn- reform hat die DB es geschafft, die Verkehrsverträge so zu Im Prinzip ja – aber zum Wohl der Allgemeinheit. Eigenwirt- gestalten, dass sie für die Nahverkehrsleistungen feste Kilo- schaftlichkeit ist nämlich kein Selbstzweck, sondern beruht metersätze erhält, unabhängig von der Ertragskraft der Linien. zu einem guten Teil darauf, die schlechten Geschäfte auf Der Zuschussbedarf liegt durchschnittlich bei zwei Dritteln der den Staat abzuwälzen, um mit den verbleibenden Geschäften Gesamtkosten. Im Bereich der interregionalen Linien liegen Profite zu machen. Das gilt auch im Schienenpersonenver- aber die erzielbaren Einnahmen sehr viel höher. Das Defizit der kehr. Ist es volkswirtschaftlich sinnvoll, in der einen Stunde eingestellten Interregio-Linien lag nur bei zehn bis 20 Prozent einen eigenwirtschaftlichen Zug zu fahren, um in der anderen der Kosten. Anders ausgedrückt: Statt einen Kilometer Regio- Stunde einen subventionierten Zug für 7,50 Euro Zuschuss nalbahn müssten die Aufgabenträger drei Kilometer Regional- pro Kilometer fahren zu lassen? Dieses Prinzip wünscht sich express für das gleiche Geld einkaufen können. Im Taktsystem die DB, denn daran hat sie bisher doppelt verdient. liegen die stark nachgefragten Züge oberhalb der Eigenwirt- Es ist volkswirtschaftlich sinnvoll, jede Stunde einen schaftlichkeit und erst die schwächer nachgefragten Züge am Zug für 3,75 Euro pro Kilometer fahren zu lassen mit der Tagesrand verursachen die Defizite. Das zeigt der Interconnex Chance, dass die Subventionen sinken, weil Nachfrage und von Rostock nach Gera. Einmal täglich bekommt man ihn voll, Erträge steigen. Der Stundentakt war schon das Erfolgsrezept ein Taktverkehr in gleicher Qualität wäre hingegen defizitär. des Intercity-Systems von 1979. Die „Wechseltakte“ mit Ein Teil der künftigen RE X-Linien wird schon heute be- unterschiedlichen Tarifen, die der Fahrplanwechsel zum zuschusst. Durch die konsequente Vernetzung und Vermark- 15.12.2002 gebracht hat, sind hingegen eine Zumutung für tung dieser Linien können die Aufgabenträger so viel Geld Fahrgäste und Aufgabenträger.

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Die Stellungnahme der DB nennt konkret fünf Linien, die sie abgedrängt. Und nun wundert sie sich, dass die Aufgaben- als gefährdet ansieht. Doch wer genau hinschaut, entdeckt träger aus dem, was sie eigentlich wider Willen übernehmen schnell, wie die DB ihre Eigenwirtschaftlichkeit auf Kosten mussten, ein geschlossenes Konzept mit einer zukunftsfähigen der Fahrgäste der Region herbeiführt: Strategie machen. ● Linie Stuttgart – Nürnberg: Hier verkehren Züge ohnehin über zwei Linienwege abwechselnd (Aalen und Schwäbisch ■ Bahnreform gefährdet? Hall). Der Intercity deckt nur eine dieser Linien ab. Ein Stundentakt zwischen beiden Städten zum gleichen Tarif Die deutsche Bahnreform sollte mehr Verkehr auf die Schiene wäre die bessere Lösung. bringen. Mehr Verkehr auf der Schiene sollte auch die DB AG ● Linie Bremen – Ruhrgebiet: Da macht die DB sich mit dem börsenfähig machen. Die Aufgabenträger haben es geschafft, mit schon selbst Konkurrenz. Gefährdet sie da- neuen Konzepten und einem regional verankerten, offensiven mit nicht die Eigenwirtschaftlichkeit der Intercity-Züge? Marketing mehr Fahrgäste in die Züge zu holen – besonders er- ● Linien Köln – Rheintal – Karlsruhe – Offenburg: Sollen zur folgreich dort, wo andere Unternehmen als die DB tätig wurden. Sicherung der Eigenwirtschaftlichkeit alle Fahrgäste aus Die DB AG hat es im Bereich des Fernverkehrs hingegen nicht dem Schwarzwald in Offenburg umsteigen? Wird Worms geschafft, die Fahrgastzahlen wesentlich zu erhöhen. Sicher sind zur Sicherung der Eigenwirtschaftlichkeit seit Jahren nicht auch die nach wie vor schlechten Rahmenbedingungen für die mit dem Intercity bedient? Schienenverkehrsunternehmen daran schuld. Aber mit ihren ● Linie Saarbrücken – Mannheim: Hier fährt die DB nur Konzepten hat die Deutsche Bahn AG ein ganzes Marktsegment noch einen Restverkehr im Wackeltakt, der durch bestellte brachliegen lassen: den interregionalen Verkehr. Der Löwen- Züge ergänzt werden muss. Die internationale Bedeutung anteil der deutschen Bevölkerung wohnt in kleineren Städten. dieser Linie wird durch den fortschreitenden Ausbau der Die DB könnte sich an der Bemühung um mehr Fahrgäste Linien über Köln und Brüssel sowie über Straßburg weiter im interregionalen Verkehr beteiligen. Doch das passt nicht abnehmen. Und die „Milchkanne“ Darmstadt will die ins Weltbild der Deutschen Bahn AG, die Fern- und Nahver- DB an die Neubaustrecke von Mannheim nach Frankfurt kehr säuberlich trennt. Die Fahrgäste in der Region sehen das gar nicht erst anschließen. Wo bleibt da die Nachfrage für freilich anders. Sie wollen schnelle Züge – dorthin, wo sie hin- einen eigenwirtschaftlichen Verkehr? fahren möchten, und das zu akzeptablen Preisen. ● Linie Berlin – Stralsund: Sie ist schon deswegen gefährdet, weil zwischen Berlin und Frankfurt demnächst ICE-Trieb- züge eingesetzt werden sollen. Abkassieren – Das RE X-Konzept denkt gegenüber den sich abzeichnenden Veränderungen nur weiter, um nicht mehr Feuerwehr spielen ein gangbarer Weg? zu müssen, wenn die DB von heute auf morgen die Intercity- Morgens um 7 Uhr in Altenbeken. Um diese Zeit gibt es in der Züge streicht. ganzen Region keine geöffneten Fahrkartenausgaben, die Anschlusszüge fahren ohne Schaffner. Der Fernverkehrsauto- ■ Kein verkehrlicher Bedarf? mat nimmt kein Bargeld, der Nahverkehrsautomat verkauft zwar Fahrkarten für 12,80 Euro, aber die sind nicht gültig. Um nachzuweisen, dass es keinen Bedarf für das RE X-Kon- Denn um diese Zeit kommt der ICE. Für die Fahrt nach Kassel zept gibt, verweist die DB darauf, dass die Länder sich bereits gibt es keine Alternative. Der Zugbegleiter kassiert ungeniert im Oktober 2001 auf ein „neues, bedarfsgerechtes Grund- stolze 21,80 Euro – einschließlich Bordpreis, denn der ist im Handcomputer voreingestellt. Die Entfernung auf der paralle- angebot im Nahverkehr“ geeinigt hätten. Weiter verweist die len Straße beträgt 75 Kilometer – das macht also 29 Cent pro DB darauf, dass sie wegen der Verzahnung zwischen Fern- Kilometer. Und das, obwohl die DB für diese Fahrtstrecke und Regionalverkehr in engem Kontakt mit den Aufgaben- schon 225 Euro Subvention eingestrichen hat. Nicht einmal trägern stehe. Aber was hat die DB wirklich getan? Sie hat eine Rückfahrkarte kann man kaufen. Um 18 Uhr fährt ein eigenmächtig den Fahrgästen der Regionen den Stuhl vor die Intercity, um 19 Uhr ein Regionalexpress, um 20 Uhr ein ICE. Tür gesetzt: Verbundfahrscheine gelten nicht mehr im Inter- Die Subvention des ICE-Verkehrs auf der Mitte-Deutschland- city und so mancher Direktanschluss sieht im Fahrplan schön Verbindung sei zwar „nicht optimal“, aber „ein gangbarer aus, aber seine Benutzung wird mit außerordentlich hohen Weg“, schreibt das hessische Wirtschaftsministerium an Tarifen bestraft. Die DB hat mit ihrem Tarifsystem selbst die derFahrgast als Reaktion auf die Februar-Ausgabe. Geschäftsgrundlage verlassen. Wir bleiben dabei: Dieser Zustand ist unzumutbar.

■ Spitzenpreise für Ordnungspolitischer Sündenfall? die Fahrgäste, So hält die DB das RE X-Konzept für einen ordnungspoliti- staatliche schen Sündenfall: Fernverkehr müsse eigenwirtschaftlich er- Subvention für bracht werden. Genau das trifft nicht zu. Die künstliche Tren- den ICE – das ist nung zwischen Fern- und Nahverkehr durch die deutsche für PRO BAHN Bahnreform ist durch das damalige Verkehrsangebot der kein gangbarer Deutschen Bundesbahn und der Deutschen Reichsbahn be- Weg: ICE in gründet worden. Die Deutsche Bahn AG selbst hat Stück um Altenbeken. Stück Verbindungen des „Fernverkehrs“ in den „Nahverkehr“

derFahrgast · 2/2003 11 RE X-Netz-Konzept

Wir verbinden Deutschlands Regionen Schnell – Direkt – Attraktiv (RE X-Netz) Konzept zur Entwicklung eines interregionalen Expressnetzes

1. Ausgangsbasis ● Schaffung kundenorientierter, unternehmensübergreifen- der Tarif-, Vertriebs-, Marketing- und Servicestrukturen 1.1. Grundsätze ● Entwicklung von intelligenten und wirtschaftlichen Fahr- zeugkonzepten in Zusammenarbeit von Industrie und Mit besonderer Sorge beobachten die Aufgabenträger des Eisenbahnunternehmen Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) derzeit, dass das ● Zukunftsorientierte Bemessung der Eisenbahninfrastruk- InterRegio-Netz der Deutschen Bahn AG drastisch ein- tur auch außerhalb des Hochgeschwindigkeitsnetzes geschränkt worden ist. Die Aufgabenträger des SPNV sind 5.Die in der BAG-SPNV zusammengeschlossenen Aufga- dadurch mit der Forderung nach Bestellung von Ersatzleis- benträger gehen davon aus, dass ein solches zukunftsorien- tungen im Nahverkehr konfrontiert. Sie lehnen eine Ver- tiertes Konzept wirtschaftlich tragfähig und für den Kun- schiebung der Finanzverantwortung für bisher zum Fernver- den attraktiv ist. Bis zur Umsetzung dieses Konzeptes ist es kehrsnetz gehörende Züge ab. zwingend notwendig, Übergangslösungen vorzusehen, da Aus Sorge um das Gesamtsystem Eisenbahn und die notwen- die Deutsche Bahn AG zum Fahrplanwechsel im Dezem- dige Vernetzung zwischen Nah- und Fernverkehr hat sich die ber 2002, gegen die Interessen der Fahrgäste und Auf- Bundesarbeitsgemeinschaft der Aufgabenträger des SPNV gabenträger, eine weitere Reduzierung ihres Fernverkehrs- (BAG-SPNV) intensiv mit dieser Thematik befasst und ist zu netzes außerhalb der ICE-Linien durchgeführt hat. folgenden Grundpositionen gelangt: 1.Nach Artikel 87e Abs. 4 Grundgesetz der Bundesrepublik 1.2. Bestandsaufnahme Deutschland hat der Bund zu gewährleisten, dass dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbe- Die Deutsche Bahn AG verfolgt derzeit offensichtlich die dürfnissen, beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes Strategie, die an der Grenze der Eigenwirtschaftlichkeit ope- der Eisenbahnen des Bundes sowie bei den Verkehrsan- rierenden Fernverkehre in die Gemeinwirtschaftlichkeit zu geboten auf diesem Schienennetz, soweit diese nicht den führen und so eine Zuschussfinanzierung zu ermöglichen. Schienenpersonennahverkehr betreffen, Rechnung getra- Durch den damit einhergehenden Attraktivitätsverlust der gen wird. Der Bund darf aus dieser grundgesetzlich veran- dann dem Nahverkehr zugeordneten Ersatzangebote werden kerten Rolle nicht leichtfertig entlassen werden. die verbleibenden Fernverkehre wirtschaftlich weiter ge- 2.Die Aufgabenträger des SPNV sind bereit, den Bund und stärkt, da vormals durchgängig im Fernverkehr angebotene die im Fernverkehr tätigen Unternehmen bei der wirt- Relationen nunmehr gebrochen angeboten werden. Eine schaftlichen Umsetzung dieser Aufgaben zu beraten und zu solche Vorgehensweise kann nicht im Interesse der Allge- unterstützen, um ein wirtschaftlich und verkehrlich trag- meinheit sein. Die guten Risiken verbleiben bei der Deut- fähiges bundesweites Angebot langfristig zu sichern. Die schen Bahn AG, während die schlechten Risiken den Aufgabenträger des SPNV verfügen dazu über die notwen- Aufgabenträgern und damit dem Steuerzahler aufgebürdet dige Kompetenz. werden. Ein erster Schritt zur Umsetzung dieser Strategie ist 3.Nachdem weder der Bund noch die im Fernverkehr tätigen mit dem Fahrplanwechsel am 10. Juni 2001 erfolgt. Zu Unternehmen Bereitschaft gezeigt haben, diese Aufgabe diesem Zeitpunkt hat die Deutsche Bahn AG die erste Stufe sachgerecht im Interesse der Bahnkunden zu lösen, haben ihres marktorientierten Angebotskonzeptes im Personenver- die in der BAG-SPNV zusammengeschlossenen Aufgaben- kehr (MORA-P I) umgesetzt. Dies bedeutet, dass bundesweit träger das im Folgenden erläuterte Konzept erarbeitet. ca. 16 Mio. Zug-km im InterRegio-Verkehr gestrichen wor- 4.An die Umsetzung eines solchen Ergänzungsnetzes zum den sind. Hochgeschwindigkeitsverkehr sind folgende Anforderun- gen zu stellen: Zum Fahrplanwechsel am 15. Dezember 2002 wurde die ● Sicherung und Fortentwicklung eines Netzes lang laufen- zweite Stufe dieses Konzeptes umgesetzt (MORA-P II). Die der, länderübergreifender Linien mit hohen Reisege- Aufgabenträger des SPNV befürchten bis zum Jahr 2004 den schwindigkeiten, die auch dem Tourismus und Freizeitver- Entfall von weiteren 23 Mio. Zug-km im Fernverkehr. Nach kehr sowie der Bedienung solitärer Oberzentren dienen Abschluss dieser Planungen werden nur noch die Ballungs- ● Vergabe dieser Leistungen im Wettbewerb in Netzen unter regionen in Deutschland an den Fernverkehr angebunden der Mischung guter und schlechter Risiken sein. Es werden beträchtliche Lücken gerissen, die der grund-

12 derFahrgast · 2/2003 Thema Fotos: DB (2)

RE X 32: Karlsruhe – Offenburg (Flügelung) – Konstanz / – Freiburg – Seebrugg; Vorschlag-Takt 1 h.

gesetzlichen Vorgabe einer Grundversorgung mit Fernver- de Rolle eines Aufgabenträgers für den Fernverkehr überneh- kehrsangeboten nicht mehr entsprechen. men wird.

Zum Fahrplanwechsel 2001/02 haben sich eine Reihe von Aus Sicht der Länder und Aufgabenträger gewünschte lang Aufgabenträgern, unter hohem Zeit- und Handlungsdruck, laufende Verbindungen (z. B. ehemalige Interregio-Linien im Sinne des Fahrgastes dazu entschlossen, den Entfall von und lang laufende RE-Linien) sollten aufgewertet und zu Fernverkehrsleistungen durch die Bestellung und Bezuschus- einem interregionalen Expressnetz weiterentwickelt werden. sung von Nahverkehrsleistungen zu kompensieren. Mit die- Der unbestrittene Bedarf nach tragfähigen Konzepten im sen Ersatzbestellungen kann jedoch nur eine Teilfunktion des Bereich zwischen dem hochwertigen Fernverkehr und dem Fernverkehrsnetzes erfüllt werden. Lange Linienläufe oder Nahverkehr eröffnet ein breites Handlungsfeld: internationale Verbindungen können durch SPNV-Leistun- gen nicht mehr in Gänze bedient werden. Auch im Verkehr ● Bessere Einbindung bisheriger Fernverkehrslinien in die auf mittleren Distanzen kommt es zu Einschränkungen in der integralen Taktfahrpläne (ITF) der Länder und Aufgaben- Bedienqualität, da die neuen RE-Züge Aufgaben des Fern- träger und Vorortverkehrs vermengen. Hinzu kommt das Problem ● Definition eines länderübergreifenden interregionalen der Finanzierung dieser Leistungen, für die zumeist Abstriche Expressnetzes, das aus Sicht der Aufgabenträger des SPNV an anderer Stelle gemacht werden mussten. zu erhalten und fortzuentwickeln ist ● Verkehrlich sinnvolle Verzahnung von Fern- und Nahver- Seit März 2002 besteht mit dem von der Connex-Gruppe be- kehrsleistungen, um eine maximale Marktausschöpfung zu triebenen Interconnex zwischen Gera und Rostock erstmals gewährleisten ein von einem Privatunternehmen betriebenes Angebot im ● gezielte Ausschöpfung des freizeitorientierten Mobilitäts- Fernverkehr. Der Erfolg dieses Zuges, der ohne Zuschüsse be- marktes trieben wird, zeigt, dass verkehrlicher Bedarf in diesem ● Entwicklung von intelligenten und wirtschaftlichen Fahr- Marktsegment besteht. Zum Fahrplanwechsel im Dezember zeug- und Service-Konzepten verkehrt ein weiteres Interconnex-Zugpaar zwischen Zittau ● Nutzung des Know-hows der Bestellorganisationen zur Pla- und Stralsund. Eine Ausweitung des Interconnex auf weitere nung, Bestellung und Qualitätssicherung dieser Leistungen, Relationen ist nach Unternehmensangaben geplant. Die ohne zusätzlichen Verwaltungsaufwand zu erzeugen BAG-SPNV begrüßt den mit diesem Zug entstehenden ● Fortentwicklung des Konfliktmanagements bei Abstim- Wettbewerb im Fernverkehr ausdrücklich. Gleichzeitig ist mungsprozessen benachbarter Aufgabenträger jedoch erkennbar, dass die durch den Entfall der InterRegio- ● Konsequente Vergabe der Leistungen im Wettbewerb und Züge gerissene Lücke durch neu in den Markt eintretende Vermeidung von „Rosinenpickerei“ und „Linienkannibali- Unternehmen zumindest kurz- und mittelfristig aus eigener sierungen“, sobald sich die DB AG zurückzieht. Kraft nicht in der gewünschten Form geschlossen werden kann. In Schleswig-Holstein wurde zum Fahrplanwechsel am 2. Konzeptentwicklung 15. Dezember 2002 bundesweit erstmals eine Ersatzbestel- lung für eine ehemalige InterRegio-Leistung an einen Wett- 2.1. Netzdefinition bewerber der Deutschen Bahn vergeben. Seit diesem Zeit- punkt bedient die Nordfriesische Verkehrs AG die Linie Die Definition eines interregionalen Expressnetzes, das die Hamburg – Flensburg unter dem Namen FLEX im Zwei- Lücke zwischen Hochgeschwindigkeitsverkehr und klassi- stundentakt. Diese Linie muss derzeit allerdings noch vom schem SPNV ausfüllt, ist nach bundeseinheitlichen Kriterien Aufgabenträger bezuschusst werden. erforderlich. Dabei sollte auch berücksichtigt werden, dass Teile des RegionalExpress-Netzes bereits heute Fernverkehrs- 1.3. Handlungsfelder funktionen übernehmen. Für diese – in der Finanzierung sichergestellten – Verkehre ist zwar keine Änderung des Rege- Unabhängig von den methodischen Problemen, ein Fernver- lungsrahmens bezüglich der Finanzierung erforderlich, eine kehrsnetz nach raumordnerischen oder sonstigen Kriterien zu Integration in das Gesamtkonzept ist jedoch sowohl aus Mar- definieren, ist nicht zu erwarten, dass der Bund die gestalten- keting- als auch angebotsplanerischen Gründen erforderlich.

derFahrgast · 2/2003 13 RE X-Netz-Konzept

Eine Netzdefinition könnte nach folgenden Gesichtspunkten 2.2. Produktdefinition erfolgen: Das interregionale Expressnetz deckt den Markt zwischen dem klassischen Nahverkehr und dem hochwertigen Fernver- Netz Merkmale Finanzierung kehr (Hochgeschwindigkeitsverkehr) ab. A-Netz Hochgeschwindigkeitsnetz Als Produktname wird die Bezeichnung RE X vorgeschlagen. Verkehre zwischen Metropolen, eigenwirtschaftlich Damit wird der Bezug zu dem beim Kunden eingeführten größeren Oberzentren und kein Bestellprinzip RegionalExpress (RE) verdeutlicht. Durch die in vielen Ver- Ballungsräumen kehrsräumen übliche Bezeichnung X für Expressverkehre wird zusätzlich die verbesserte Qualität des Produktes dar- B-Netz Interregionales Expressnetz gestellt. Anbindung von solitären Oberzentren ggf. Bestellerprinzip und Grenze zwischen touristisch Eigen- und Gemein- Produktmerkmale sind: ● relevanten Räumen wirtschaftlichkeit lang laufender, schneller Verkehr über Aufgabenträger- und Landesgrenzen hinweg ● Anbindung von Regionen und Zentren ohne Hochge- Dabei sollten folgende Kriterien beachtet werden: schwindigkeitsverbindung ● Verkehrsnachfrage ● hohe Reisegeschwindigkeiten zwischen 80 und 110 km/h, ● Raumordnerische Kriterien (z. B. Mindestbedienstandard die dieses Produkt im Mittelstreckenverkehr konkurrenz- für Oberzentren) fähig zum Individualverkehr machen ● Verbindungsachsen ● Halt nur an im Regionalverkehr aufkommensstarken ● Einbeziehen der Verkehre ins benachbarte Ausland Stationen bzw. Knotenpunkten Das RE X-Netz soll als eigenständiges, unternehmensneutra- Im Ergebnis sollte das Netz wie folgt definiert werden: les Produkt vermarktet werden, der InterRegioExpress (IRE) ● Definition eines Mindestqualitätsstandards (Reisege- als unternehmensbezogenes Produkt der Deutschen Bahn schwindigkeit, Komfort) AG ist hierzu nicht geeignet. ● Definition eines Mindestbedienstandards (Laufwege, Betriebszeiten, Anzahl der Züge, Haltebahnhöfe) 2.3. Fahrzeug In der Anlage (siehe unten) ist ein erster Vorschlag der BAG- SPNV für ein solches interregionales Expressnetz enthalten. Es ist nicht Aufgabe des Konzeptes, eine Entscheidung über In diesem Vorschlag sind sowohl bestehende Linien des einen bestimmten Fahrzeugtyp zu treffen oder gar ein kon- SPNV, die interregionale Verkehrsaufgaben erfüllen, als auch kretes Fahrzeug vorzuschlagen bzw. festzulegen, vielmehr soll bisherige Fernverkehrslinien zu einem einheitlichen Gesamt- es darum gehen, die Kriterien herauszuarbeiten, die die Auf- netz integriert. gabenträger und Länder an ein mögliches Fahrzeug haben, Das interregionale Expressnetz umfasst ein jährliches Leis- das im Produktbereich RE X eingesetzt werden soll. tungsvolumen von insgesamt 59,8 Mio. Zugkilometern. Es ist dabei davon auszugehen, dass die Aufgabenträger für Davon sind 45,1 Mio. Zug-km Leistungen, die derzeit bereits das RE X-Netz, das zwischen „klassischem“ Nahverkehr und im SPNV gefahren werden und somit in der Finanzierung als hochwertigem Fernverkehr angesiedelt ist, hohe qualitative gesichert angesehen werden können. Ansprüche an das Fahrzeug stellen. Der verbleibende Anteil von 14,7 Mio. Zug-km sind Leistun- gen, die derzeit nicht im SPNV gefahren, sondern zum Groß- Anforderungen an das Fahrzeug teil eigenwirtschaftlich durch die DB Reise & Touristik AG Die nachfolgenden Anforderungen sollen grundsätzlich für erbracht werden. Da den Aufgabenträgern des SPNV für alle Fahrzeuge für RE X-Züge gelten, sie können aber auf- diese Linien keine exakten Wirtschaftlichkeitsberechnungen grund regionaler Besonderheiten in einzelnen Ländern bzw. vorliegen, kann nicht abschließend beurteilt werden, ob diese bei einzelnen Aufgabenträgern leicht abweichen. Bei der Linien eigen- oder gemeinwirtschaftlich sind. nachfolgenden Betrachtung ist keine Präjudizierung für einen

14 derFahrgast · 2/2003 Thema Foto: Preuß Fotos: DB (2)

lokbespannten Zug oder einen Triebwagen vorgenommen Aufgrund des aufgabenträger- bzw. ländergrenzenübergrei- worden, ebenso nicht für die Wahl der Traktionsart (Diesel, fenden Einsatzes stellt sich hier auch die Frage nach der Elektro). Diese Entscheidung sollte unter Anwendung der Beschaffung der Fahrzeuge. Unter der Voraussetzung, dass es Kriterien dem Wettbewerb überlassen werden. sich um Neufahrzeuge handeln wird, die erstmals bestellt werden, kommt der Stückzahl der Fahrzeuge eine hohe Be- Leistungsdaten des Fahrzeuges deutung zu. Es ist daher von Vorteil, wenn es zu einer län- • min. 160 km/h, optional bis 200 km/h lauffähig • hohes derübergreifenden Zusammenarbeit bei der Beschaffung Beschleunigungsvermögen aufgrund der gegenüber dem kommen kann. Dies würde den Stückpreis für diese Fahr- Hochgeschwindigkeitsverkehr erhöhten Zahl von Halten zeuge deutlich reduzieren. Nach heutigem Sachstand ist bei • Fahrzeugtyp muss für E-Traktion und Diesel-Traktion glei- der Beschaffung einer größeren Stückzahl der benötigten chermaßen zur Verfügung stehen • optional gemeinsame Grundeinheit mit Stückkosten von etwa 5,5–6 Mio. € zu Traktion je einer E- und einer D-Einheit in einem Zugver- rechnen. band • grundsätzliche Flügelungsfähigkeit, um zusätzliche Direktverbindungen anbieten zu können • Möglichkeit zur 2.4. Tarif/Vertrieb Mehrsystemfähigkeit aufgrund des grenzüberschreitenden Einsatzes (z. B. Frankreich, Luxemburg, Dänemark) Entsprechend der verkehrlichen Funktion des RE X-Netzes als Mischprodukt mit Aufgaben sowohl im Nah– als auch im Wirtschaftliche Kenndaten des Fahrzeuges Fernverkehr muss das Tarifkonzept auf beide Segmente aus- ● Günstige Life-Cycle-Costs über die Gesamtnutzungsdauer gerichtet sein: des Fahrzeuges ● Gestaltung des Tarifs für Relationen innerhalb von Ver- ● Angebot von 250 – 300 Sitzplätzen je Grundeinheit kehrsverbünden oder Kooperationsräumen mehrerer Ver- ● Modulartiger Aufbau der Fahrgastbereiche kehrsverbünde ● Gestaltung des Tarifs in lang laufenden Relationen, die Qualitative Anforderungen an das Fahrzeug deutlich über bestehende Verbundgrenzen hinausgehen ● Das Komfortniveau der RE X-Züge soll zwischen dem heu- tigen Nahverkehr und dem Fernverkehr angesiedelt sein. Tarifgestaltung innerhalb von Verkehrsverbünden Eine Orientierung eher zum Qualitätsniveau des Fernver- Die Züge des RE X-Netzes sollten tariflich vollständig in die kehrs wird empfohlen. bestehenden Verkehrsverbünde integriert werden. Nur so ● kein ständig besetztes Restaurant/Bistro, aber ständige Vor- kann gewährleistet werden, dass sich die Angebote des SPNV haltung von Grundangebot der Versorgung (Automaten) und das RE X-Zug-Netz tatsächlich ergänzen und nicht und Bistromodul zur möglichen zeitweisen personellen gegeneinander konkurrieren. Besetzung Die Bildung eines RE X-Zug-Netzes – mit seinen gegenüber ● attraktives Angebot hinsichtlich Arm- und Beinfreiheit auf- dem klassischen SPNV längeren Reiseweiten – kann zum grund des Mittelstreckencharakters der Reisen Anlass genommen werden, verstärkt Übergangstarife zwi- ● ausreichende Flächen für Gepäck wegen urlaubsverkehr- schen benachbarten Verkehrsverbünden anzubieten. Als und flughafenverkehrrelevanten Relationen Beispiel sei die Relation Koblenz – Mainz – Karlsruhe ge- ● begrenzte Möglichkeiten zur Fahrradbeförderung (Reser- nannt, die mehrere Verbundgrenzen überschreitet und vierung) seit Eröffnung der Neubaustrecke (NBS) Köln – Rhein/Main ● Möglichkeit der Platzreservierung in einer Überlagerung von Fern- und Nahverkehrszügen Derzeit sind für das Segment der RE X-Züge keine adäqua- bedient wird. Eine tarifliche Gleichstellung aller Produkte ten Fahrzeuge in Betrieb, die für den Zweck lang laufender, in solchen Relationen ist verkehrlich anzustreben. schneller Regional-/Fernverkehr konzipiert worden sind. In Regionen ohne Verkehrsverbünde bzw. ohne Kooperatio- Neufahrzeuge für dieses Marktsegment sind in der Ent- nen zwischen Verkehrsverbünden sollte bis zu einer bestimm- wicklung bzw. Erprobung. Als Beispiel seien der Talgo und ten Kilometergrenze (z. B. 100 km) der allgemeine Eisen- der LIREX von Alstom genannt. Diese Fahrzeuge stehen bahntarif, analog den Bestrebungen der BAG-SPNV mit nach Aussage der Fahrzeugindustrie ab ca. 2004 zur Ver- einer Wahlfreiheit zwischen evtl. vorhandenen verschiedenen fügung. Anbietern, angewandt werden. In den beschriebenen Relatio-

derFahrgast · 2/2003 15 RE X-Netz-Konzept

nen sollten keine weiteren Tarife (z. B. Haustarife der Unter- Vertrieb nehmen) zum Einsatz kommen. Es ist davon auszugehen, dass der Vertrieb von Verbund- fahrausweisen für das RE X-Zug-Netz mit den bestehen- Tarifgestaltung in lang laufenden Relationen den Vertriebsstrukturen abgedeckt werden kann. Zusätzliche Für lange Relationen über mehrere hundert Kilometer gelten Lösungen sind allenfalls bei lang laufenden Linien zu ent- folgende Rahmenbedingungen: wickeln, in deren Linienverlauf mehrere Verbundtarife im Zug vertrieben werden müssen. Es ist jedoch davon auszu- ● Der DPT (Deutscher Personen- und Gepäcktarif) (bzw. gehen, dass dies technisch lösbar ist. sein Nachfolgetarif PEP) ist der Tarif der Deutschen Bahn Für den unternehmenseigenen Tarif in Fernverkehrsrelatio- AG und kann daher von anderen Unternehmen nicht ohne nen sind jedoch neue Vertriebskonzepte zu erstellen. Die weiteres angewendet werden. Die BAG-SPNV erarbeitet Deutsche Bahn AG wird ihr Vertriebssystem voraussichtlich derzeit ein Konzept, diesen Tarif für den SPNV zu einem nicht für andere Unternehmen öffnen. Derzeit wird zwar unternehmensneutralen Dachtarif weiterzuentwickeln. Ob diskutiert, ob sie hierzu gesetzlich verpflichtet ist (Vertrieb als eine solche Öffnung des DPT auch für den Fernverkehr Bestandteil der Essential Facilities), jedoch würde eine ent- durchsetzbar ist, ist zweifelhaft. sprechende Verpflichtung voraussichtlich nur für den SPNV ● Es ist umstritten, ob PEP für alle Segmente des Fernver- gelten. Grundsätzlich bestehen in Deutschland weitere Ver- kehrsmarktes marktgerecht ist. Von einigen Experten wird triebssysteme auch anderer Branchen (z. B. Reisebüros), die angeführt, dass die Zugbindungs- und Frühbuchungs- ggf. zu nutzen sind. In größeren Bahnhöfen sind – ähnlich pflicht gerade bisherige Nutzer des Autos, das eine freie wie im Luftverkehr – auch separate Vertriebsstellen für Dritt- Verfügbarkeit bietet, abschrecke. unternehmen denkbar. Auch der Vertrieb über Internet Das Tarifniveau ist gerade auf den Schnellfahrstrecken sehr schafft Freiräume für DB-unabhängige Lösungen. hoch. Es ist daher zu überlegen, ob für die – langsameren – Da eine – zwangsweise – Öffnung des DB-Vertriebssystems Züge des RE X-Netzes ein niedriger Tarif marktgerechter ist. für den Fernverkehr derzeit nicht realistisch erscheint, sollte Um in den lang laufenden Relationen des Fernverkehrs die auch der Vertrieb den Unternehmen freigestellt werden. Ggf. Wirkungen des Marktes auszunutzen, sollte die Tarifgestal- können die Aufgabenträger bundesweite Rahmenvereinba- tung hier den jeweiligen Verkehrsunternehmen überlassen rungen mit möglichen Vertriebspartnern (z. B. Reisebüros, werden. Entsprechende Erfahrungen aus dem Luftverkehr Kaffeeröstereien, Deutsche Post) abschließen. oder auch das neue Connex-Tarifkonzept zeigen, dass unter- nehmerische Kreativität und Wettbewerb in diesem Segment 2.5. Fahrgastinformation zu innovativen Lösungen und günstigeren Tarifen führen. Dies führt zwar zu einer Einschränkung der Wahlfreiheit Für das RE X-Netz des Fernverkehrs ist – ähnlich wie im zwischen den verschiedenen Anbietern in gleichen Relatio- SPNV – eine unternehmensneutrale Fahrgastinformation nen, was jedoch im Fernverkehr nur von untergeordneter sicherzustellen. Dies umfasst die Print- und elektronischen Bedeutung ist. Zudem wird die Wahlfreiheit für die meisten Medien sowie auch telefonische Auskünfte. Anders als im Fahrscheine mit Einführung von PEP ohnehin faktisch ent- Flugverkehr – wo es vergleichsweise wenige Relationen und fallen. eine geringe Vernetzung gibt – wäre es für die Fahrgäste un- Zusätzlich zu den unternehmenseigenen Tarifen könnte auch möglich, den Überblick über den Fahrplan zu erlangen. im Fernverkehr ein unternehmensneutraler Dachtarif – dann Derzeit besteht durch den hohen Marktanteil der DB AG voraussichtlich mit hohem Preisniveau – angeboten werden. eine Monopolstellung auch im Bereich der Fahrgastinforma- Ggf. könnte der Grundpreis von PEP hierzu weiterentwickelt tion. Auch hier ist ggf. rechtlich zu diskutieren, ob der Bereich werden. Entsprechende Beispiele für solche Dachtarife der Fahrgastinformation als „Essential Facility“ ggf. Dritten bestehen in Großbritannien oder im Luftverkehr (IATA- gegenüber geöffnet werden muss. Tarif). Dabei ist zu beachten, dass die bestehende Fahrplanauskunft Auch bei Anwendung von Unternehmenstarifen ist jedoch in der Deutschen Bahn AG teilweise mit Geldern der öffent- jedem Fall eine Durchtarifierung zu ermöglichen, indem an- lichen Hand gefördert worden ist bzw. gefördert wird. Falls grenzende Tarife angestoßen und auf einer Fahrkarte ausge- eine solche Lösung nicht im Einvernehmen zwischen den stellt werden. Verkehrsunternehmen erzielt werden kann, sollte geprüft

16 derFahrgast · 2/2003 Thema Fotos: DB (3)

werden, eine unternehmensunabhängige deutschlandweite von ca. 5,00 EUR/Zug-km eingeschätzt werden. In diesem Fahrplaninformation einzuführen. Die meisten Aufgaben- Falle wäre für die Realisierung des RE X-Netzes ein Betrag träger bzw. Länder verfügen mit den bestehenden Datenpools von ca. 75 Mio. EUR p. a. erforderlich. bereits über die notwendigen Voraussetzungen hierzu. 2.7. Beispielkorridor 2.6. Bestellung des B-Netzes „Hamburg – Flensburg“ Die Aufgabenträger des SPNV sind bereit und aufgrund ihrer Als Beispiel für die Umsetzung des vorliegenden Konzeptes Erfahrung mit der Bestellung von Verkehrsleistungen geeig- wird der Korridor Hamburg – Flensburg näher untersucht. net, die entstandene Lücke zwischen Hochgeschwindigkeits- Die Darstellung dieses Beispielkorridors ist zur Erläuterung verkehr und Nahverkehr in Vertretung des Bundes zu füllen, und zur besseren Verständlichkeit des vorliegenden Konzep- falls die Voraussetzungen hierzu gegeben sind. Hierzu gehört tes gedacht. Mit der Auswahl dieses Beispielkorridors soll insbesondere die Ausstattung mit den notwendigen finanziel- keine Priorität dieser Strecke gegenüber anderen Abschnitten len Mitteln durch den Bund. Die organisatorische Übernah- impliziert werden. me der Bestellfunktion für die lang laufenden Linien durch die Aufgabenträger des SPNV würde nicht bedeuten, den Planungsanlass Bund aus seiner grundgesetzlichen Pflicht für den Fernver- Zum Fahrplanwechsel am 15. Dezember 2002 strich die DB kehr zu entlassen. Reise & Touristik ihre InterRegio-Züge (IR) in der Relation Vorteil der Übernahme dieser Bestellfunktion im Fernver- Hamburg – Flensburg komplett. Die DB setzte bislang sieben kehr durch die Aufgabenträger des SPNV sind die vorhande- Zugpaare ein. Seit 15. Dezember 2002 ist die DB auf der ne Erfahrung auf diesem Gebiet, die vorhandenen organisato- Strecke noch mit einem EC-Zugpaar Prag-Arhus und Ham- rischen Voraussetzungen sowie die bestmögliche Integration burg-Arhus, dem EN-Zugpaar Kopenhagen-München sowie der Angebote des SPNV und des Fernverkehrs innerhalb des einem nur freitags verkehrenden IR Flensburg – Chemnitz jeweiligen Zuständigkeitsbereichs. vertreten. Das schnelle Angebot wurde somit deutlich ver- Die aufgabenträgerübergreifende Zusammenarbeit muss zur ringert und es entstanden Lücken im bisher dichten Angebot. Erfüllung dieser Aufgaben profiliert werden. Hierzu gehört Da auch zukünftig bestimmte, wichtige und nachfragestarke insbesondere eine möglichst eindeutige vorangehende Defi- Relationen über die Strecke Hamburg – Flensburg nach- nition des RE X-Netzes. gefragt werden, besteht die Notwendigkeit, zusätzliche Ver- Die Bestellung des RE X-Netzes soll konsequent nach wett- bindungen dieser Relation einzurichten, um die bereits be- bewerblichen Grundsätzen erfolgen. Daher ist es erforderlich, stehenden Potenziale auszuschöpfen und neue Potenziale zu gute und schlechte Risiken zu mischen. In den zur Ausschrei- generieren. bung kommenden Netzen dürfen daher eigenwirtschaftlich zu betreibende Teilabschnitte einer Linie nicht von den Linienkonzept gemeinwirtschaftlichen Teilen losgelöst werden. Das Konzept sieht auf der Strecke Hamburg – Flensburg Um die konzeptionellen Vorstellungen für künftige Wett- einen Zweistundentakt vor. Damit ergeben sich täglich acht bewerbsverfahren in fernverkehrsrelevanten Korridoren und Zugpaare, an Sonntagen sieben. Die Züge verkehren in der Teilnetzen vorbereiten zu können, sollte die Kompetenz der Fahrplanlage der bisherigen IR-Züge. Als Halte dieser Linie Aufgabenträger einbezogen werden. werden nur im Regionalverkehr aufkommensstarke Bahn- Bezüglich der Finanzierung des RE X-Netzes ist davon auszu- höfe bzw. Knotenpunkte vorgesehen. Die Haltekonzeption gehen, dass die Finanzierung für den Anteil, der bereits heute ist somit an den heutigen IR-Halten angelehnt. Zusätzlich im SPNV gefahren wird, gesichert ist. Offen ist die Finanzie- halten die Züge in Tarp. Bei einer Linienlänge von 182 km rung der verbleibenden 14,7 Mio. Zug-km. Hier müssen werden auf der Basis eines Zweistundentaktes acht tägliche zunächst vertiefende Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen an- Zugpaare (sonntags sieben) gefahren. Da zusätzlich in den gestellt werden, um die Frage der Eigenwirtschaftlichkeit ein- Stunden dazwischen Regionalbahnen zwischen Flensburg schätzen zu können. Für den eventuellen Fall, dass diese Züge und Neumünster verkehren, ist eine Integration dieser Leis- nicht eigenwirtschaftlich zu betreiben sind, kann als obere tungen grundsätzlich möglich. Zur Sicherstellung des inter- Grenze des durchschnittlichen Zuschussbedarfs ein Betrag nationalen Verkehrs nach Dänemark verkehren täglich sieben

derFahrgast · 2/2003 17 RE X-Netz-Konzept Fotos: DB (3)

RE X 20: Frankfurt/M. – Mainz – Koblenz – Köln – Duisburg – Emmerich – Arnheim; Takt-Vorschlag: 2 h.

der Zugpaare weiter bis ins dänische Padborg, ergänzt durch 3. Umsetzungskonzept 2006 ein Zugpaar Flensburg – Padborg. Das vorliegende Konzept für ein interregionales Expressnetz Infrastruktur setzt auf den bestehenden Planungen der Aufgabenträger für Der gesamte Linienverlauf ist elektrifiziert und durchgehend den Schienenpersonennahverkehr auf. Die schrittweise Um- zweigleisig. Bis in den Grenzbahnhof Padborg ist die Strecke setzung kann daher grundsätzlich rasch beginnen. Vor einer nach dem deutschen Strom- sowie Leit- und Sicherungs- Realisierung sind jedoch noch organisatorische, rechtliche system ausgerüstet. und finanzielle Rahmenbedingungen zu klären, die insbeson- dere das Verhältnis zwischen dem Bund als Gewährleistungs- Fahrzeuge träger für den Fernverkehr und den Aufgabenträgern des Es werden drei lokbespannte Zuggarnituren eingesetzt. Die 230 SPNV betreffen. So sehen die gesetzlichen Grundlagen bis- km/h schnellen Loks werden von Siemens geleast. Insgesamt lang eine strikte Trennung zwischen Fern- und Nahverkehr werden 19 Wagen benötigt, die ebenfalls geleast werden sollen vor, die ggf. überprüft werden müsste. und durch ein Zugbistro, vergrößerten Sitzabstand und Laptop- Nach Klärung der Rahmenbedingungen könnte das erste Anschlüssen einen gesteigerten Reisekomfort bieten. Da das Teilnetz eines RE X-Netzes innerhalb von drei Jahren in Redesignprogramm noch bis zum Frühjahr dauert, werden zur Betrieb gehen. Die BAG-SPNV schätzt ein, dass das Konzept Zeit aufgearbeitete und neu lackierte Wagen aus DB-Beständen bis zum Jahr 2010 vollständig umgesetzt werden kann. Bis eingesetzt, gleichwohl mit Bewirtschaftungskonzept. dahin muss die Bedienung der aufgeführten Relationen durch geeignete Übergangsvarianten sichergestellt werden. Betreiber Der Betreiber ist die Norddeutsche Nahverkehrsgesellschaft (NNVG). Die Vergabeentscheidung wurde durch den Fi- nanzausschuss des Landtages Schleswig-Holstein abgesegnet.

Tarif Diese Verbindung ist in den Verbundtarif des Hamburger Verkehrsverbundes (HVV) integriert. Gleichzeitig gilt der „Schleswig-Holstein-Tarif“, der Nahverkehrstarif im Land Schleswig-Holstein. Die Tickets können im Zug ohne Auf- preis erworben werden. Die Grafik auf der gegenüberliegen- Service & Marketing den Seite zeigt Zu den qualitativen Anforderungen an das Fahrzeug und den einen Entwurf für Service allgemein sind im Konzept bereits Ausführungen ge- die konkrete Ange- macht worden. Daher soll an dieser Stelle auf die unterschied- bots- und Linienge- lichen Zielgruppen und die daraus folgenden Anforderungen staltung des RE X- an die Ausgestaltung dieser Linie eingegangen werden. Netzes. Dabei werden Für die Linie Hamburg – Flensburg werden derzeit folgende zum Teil bestehende Inter- Hauptzielgruppen gesehen: regio- und Regionalexpress- ● Touristische Verkehre in Schleswig-Holstein und im Linien aufgegriffen, zum Teil werden aber grenzüberschreitenden Verkehr nach Dänemark auch neue Linienführungen mit neuen ● Kunden, die Direktverbindungen gegenüber Umsteige- Technologien (Flügelung) vorgeschlagen. verbindungen bevorzugen ● Pendlerverkehre im Zulauf auf die Ballungsräume, vorwie- gend Fernpendler (Anm. d. Red.: Das Streckennetz und Die Züge verkehren unter dem Produktnamen „FLEX“ die Linientabelle sind hier nicht abgedruckt. (www.flex-bahn.de). Sie finden diese unter www.bag-spnv.de).

18 derFahrgast · 2/2003