Artenförderung Braunkehlchen: Nesterschutz für das Braunkehlchen im Unterengadin Jahresbericht 2017

Jürg Wirth Petra Horch

Bericht zu Handen des Kantons Graubünden, Amtsstelle Natur und Landschaft, der betroffenen Gemeinden, des Vogelschutzvereins, der Feldmitarbeiter und weiterer Inte- ressierter. Nesterschutz für das Braunkehlchen im Unterengadin – Jahresbericht 2017 1

Impressum

Artenförderung Braunkehlchen: Nesterschutz für das Braunkehlchen im Unterengadin – Jahresbericht 2017. Bericht zu Handen des Kantons Graubünden, Amtsstelle Natur und Landschaft, der betroffenen Gemeinden, des Vogelschutzvereins, der Feldmitarbeiter und weiterer Interessierter.

Autoren Jürg Wirth, Petra Horch

Freiwillige Mitarbeiter im Feld Michel Rauch, Lüzza Rauch, Men Janett

Fotos, Illustrationen (Titelseite) Braunkehlchenmännchen (Sarah Burg)

Zitiervorschlag Wirth, J. & P. Horch (2018): Artenförderung Braunkehlchen: Nesterschutz für das Braunkehlchen im Unterenga- din – Jahresbericht 2017. Schweizerische Vogelwarte, Sempach.

Kontakt Jürg Wirth, Regionalkoordinator der Schweizerischen Vogelwarte für das Unterengadin, Stradun 6, 7543 , [email protected] oder Petra Horch, Projektleiterin Artenförderung Braunkehlchen Schweiz, Schweizerische Vogelwarte, Seerose 1, 6204 Sempach Tel.: 041 462 97 00, 041 462 97 44 (direkt), Fax: 041 462 97 10, [email protected]

© 2018, Schweizerische Vogelwarte Sempach

Schweizerische Vogelwarte Sempach, 2018 Nesterschutz für das Braunkehlchen im Unterengadin – Jahresbericht 2017 2

Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung 3 1. Ausgangslage 3 2. Braunkehlchen-Nesterschutz 2017 4 2.1 Durchführung 4 2.2 Ergebnisse 4 3. Resümee 2017 und Ausblick 2018 9 4. Dank 9 5. Literatur 10

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Zusammenfassung 2017 war das 14. Jahr für das Projekt Nesterschutz für das Braunkehlchen im Unterengadin. Die frei- willigen Nesterschützer bearbeiteten die Gebiete der Gemeinden , , , Guarda und Lavin. Dort suchten sie in Wiesen mit einem Schnittzeitpunkt vor dem Flüggewerden der Braunkehl- chen die Nester der Braunkehlchen, markierten sie und verhandelten anschliessend mit den Bauern, damit diese rund eine Are um das Nest stehen liessen. Insgesamt gelang es den Freiwilligen 26 Nester zu lokalisieren, sechs mehr als letztes Jahr. Dieses Plus beruht vor allem auf dem Engagement von Michel und Lüzza Rauch, die wie immer äusserst sorgfältig arbeiteten. In 24 der 26 lokalisierten Nestern liessen sich Bruterfolge vermelden. Ein Teil der Nester befand sich in spät gemähten Wiesen. Insgesamt 12 Bauern verschoben die Mahd auf einen späteren, braunkehlchenfreundlichen Zeitpunkt und wurden entsprechend entschädigt.

1. Ausgangslage Die Wiesenbrüter im Allgemeinen und die Braunkehlchen im Speziellen sind auch im bedroht, während ihr Bestand im Unterland gegen Null tendiert (Abb. 1).

Abb. 1. Verbreitung des Braunkehlchens in der Schweiz 2016 (© Schweizerische Vogelwarte Sempach).

Denn die Wiesenbrüter kämpfen mit den Folgen der Intensivierung der Landwirtschaft. Die Wiesen werden gedüngt und bewässert, damit sie grasreich (und nicht kraut- also blumenreich) aufwachsen und sie werden bewässert, damit sie schneller wachsen. Damit verschiebt sich auch der Schnittzeit- punkt der Wiesen in eine Zeit, wenn die Braunkehlchenjungen noch im Nest sind. Ein Schnitt in dieser Phase zerstört das Nest. Zudem ist der Insektenreichtum in diesen Wiesen viel geringer als in blumen- reichen Wiesen. Dennoch brüten die Braunkehlchen eine recht lange Zeit weiterhin in diesen für sie eigentlich nicht mehr idealen Wiesen weiter nach vorne, beides sind Faktoren, die den Bruterfolg der Braunkehlchen stark mindern (Grüebler et al. 2008, 2012, 2015). Eine Masterarbeit befasste sich 2015 mit der Verschiebung des Schnittzeitpunktes im Unterengadin nach vorne, indem sie Luftbilder auswertete. Die Ergebnisse waren aber nicht sehr aussagekräftig, da die Flächen oftmals durch Bewölkung mindestens teilweise verdeckt waren und so der effektive Schnittzeitpunkt für nur wenige Flächen konkret ermittelt werden konnte. Deshalb versucht die Vogel-

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warte nun, die Verschiebung der Mahd-Zeitpunkte aus der Praxis zu eruieren und möchte dazu die Mahdjournale der Bauern heranziehen. Ansprechperson dafür ist Jürg Wirth. Auch die aktuelle Landwirtschaftspolitik trägt nicht unbedingt zum Schutz der Bodenbrüter bei. Weil Direktzahlungen nur noch nach Fläche entrichtet werden und es diesbezüglich keine Obergrenze mehr gibt, versuchen die Bauern, ihre Betriebe kontinuierlich zu vergrössern. So erfüllen sie zwar die Strategie des Bundes, der lieber weniger, dafür grössere Betriebe will. Doch um die immer grösseren Flächen zu bewirtschaften, wächst der Maschinenpark. Die Maschinen werden leistungsfähiger und die Schlagkraft steigt. Innert kürzester Zeit mähen die Landwirte nun grosse Flächen. Das bedeutet auch für die Nestersucher, dass sie immer früher mit ihrer Arbeit beginnen müssen. Ein Umstand, dem in Zukunft noch stärker Rechnung getragen werden muss, auch wenn die Lokalisie- rung der Nester in der Brutphase schwieriger ist. Um die Brutbedingungen und vor allem die -erfolge der Braunkehlchen zu verbessern, hat die Vogel- warte vor nunmehr 14 Jahren das Projekt «Nesterschutz für das Braunkehlchen im Unterengadin» gestartet (Janett & Horch 2014). Dieses basiert vor allem auf der Unterstützung durch Freiwillige, wel- che anfangs Juni beginnen die Nester der Braunkehlchen in den Wiesen zu suchen. Darauf markieren sie diese und bitten den Bauern darum, rund eine Are um das Nest ungeschnitten zu lassen, bis die Jungvögel ausgeflogen sind. Als Dank und Lohn für die Mitarbeit erhält der Bauer 40 Fr./Nest von der Vogelwarte. Wohl zeigen sich die Bauern kooperativ und die Nestersucher sind motiviert, trotzdem braucht es grosse Anstrengungen von allen Seiten, damit der Braunkehlchenbestand im Unterengadin nicht wei- ter sinkt.

2. Braunkehlchen-Nesterschutz 2017

2.1 Durchführung Michel und Lüzza Rauch haben sich wie gewohnt den Gebieten in Scuol angenommen. Michel Rauch hat daneben noch Ftan betreut, weil die dort vorgesehene Nesterschützerin kurz vor Beginn einen Rückzieher machte. Men Janett arbeitet in Ardez und Jürg Wirth betreute Lavin sowie Guarda. Gerade in den Gebieten Ftan und Guarda konnten sich die Nesterschützer auch auf Informationen aus der interessierten Bevölkerung verlassen. Diese melden Sichtungen, worauf die Nesterschützer fokussierter suchen konnten. Der Einbezug der lokalen Bevölkerung als Informanten oder Sichter soll 2018 noch stärker ausgebaut werden, da er äusserst erfolgsversprechend ist. Zudem werden so noch mehr Leute in den Nesterschutz einbezogen, was für den Schutz nur von Vorteil sein kann.

2.2 Ergebnisse In Scuol fanden die Nestersucher Michel und Lüzza Rauch insgesamt 15 Nester, in 14 davon konnten sie einen Bruterfolg beobachten (Abb. 2 und 3). Acht Bauern haben sich eine Prämie verdient, weil sie ein Stück Wiese um das Nest stehen gelassen haben, aus den übrigen Nestern flogen die Vögel vor dem Mähen aus.

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Abb. 2. Die 2017 in Scuol Russonch festgestellten Braunkehlchennester (© Kanton Graubünden, Quelle Bundes- amt für Landestopographie und geogr.ch, Kanton Graubünden).

Abb. 3. Die 2017 in Scuol Pazos festgestellten Braunkehlchennester (© Kanton Graubünden, Quelle Bundesamt für Landestopographie und geogr.ch, Kanton Graubünden).

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In Ardez konnte Men Janett zwei Nester markieren (Abb. 4 und 5). Beim einen flogen die Braunkehl- chenjungen vor dem Mähen aus, beim anderen liess der Bauer wohl die geforderte Fläche stehen, zum Bruterfolg kam es aus unbekannten Gründen trotzdem nicht.

Abb. 4. Das eine 2017 in Ardez festgestellte Braunkehlchennest (© Kanton Graubünden, Quelle Bundesamt für Landestopographie und geogr.ch, Kanton Graubünden).

Abb. 5. Das andere 2017 in Ardez festgestellte Braunkehlchennest (© Kanton Graubünden, Quelle Bundesamt für Landestopographie und geogr.ch, Kanton Graubünden).

In Ftan suchte ebenfalls vor allem Michel Rauch. Jürg Wirth unterstützte ihn. Gemeinsam gelang es, sieben Nester zu markieren mit einem hundertprozentigen Bruterfolg und zwei auszuzahlenden Prä- mien (Abb. 6 und 7). Jürg Wirth „entdeckte“ seine drei Nester nur dank einem lokalen Bauer und Jä-

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ger, der ihm einen Tipp gab und ihn auch gleich auf der Suche begleitete. Eine durchaus erfolgver- sprechende Nesterentdeckungs-Variante, die der Multiplikation harrt.

Abb. 6. Die 2017 in Ftan festgestellten Braunkehlchennester (© Kanton Graubünden, Quelle Bundesamt für Lan- destopographie und geogr.ch, Kanton Graubünden).

Abb. 7. Die 2017 in Ftan Champs festgestellten Braunkehlchennester (© Kanton Graubünden, Quelle Bundesamt für Landestopographie und geogr.ch, Kanton Graubünden).

In Guarda konnte Jürg Wirth ein Nest markieren und den Bauer davon überzeugen, rundherum ein Stück stehen zu lassen, eine weitere Brut hat er beim Ausfliegen beobachtet (Abb. 8). Auch hier kam der Erfolg dank Hinweisen aus der Bevölkerung zu Stande.

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Abb. 8. Die 2017 in Guarda festgestellten Braunkehlchennester (© Kanton Graubünden, Quelle Bundesamt für Landestopographie und geogr.ch, Kanton Graubünden).

In Curtins schliesslich, zwischen Lavin und Guarda, beobachtete Jürg Wirth über mehrere Tage ein eifrig singendes Männchen, allerdings blieb sein Gesang unerhört und es wollte sich kein Weibchen dazu gesellen (Abb. 9). Gut möglich, dass er dann ebenfalls ins Gebiet von Guarda gezügelt ist, liegt dieses doch luftlinienmässig lediglich einige hundert Meter von Curtins entfernt.

Abb. 9. Das 2017 in Lavin Curtins festgestellte Braunkehlchenmännchen (© Kanton Graubünden, Quelle Bun- desamt für Landestopographie und geogr.ch, Kanton Graubünden).

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3. Resümee 2017 und Ausblick 2018 Alles in allem war 2017 für den Braunkehlchen-Nesterschutz kein schlechtes Jahr. Im Vergleich zum Vorjahr fanden die Nesterschützer mehr Nester und konnten auch einen höheren Anteil an erfolgrei- chen Nestern verzeichnen. Dies obwohl gerade in Ftan die Voraussetzungen nicht ideal waren. Für 2018 hat sich eine ausgebildete und erfahrene Ornithologin aus Lavin gemeldet, die ebenfalls an der Nestersuche mitmachen will. Zudem hat sich gezeigt, dass die Mithilfe der Bevölkerung äusserst wertvoll ist. Wohl markieren sie keine Nester, aber sie beobachten die Vögel und können das Gebiet genau angeben, was die Nestersuche wesentlich vereinfacht. Eine Hilfe, die 2018 gezielt in Anspruch genommen werden soll. Jürg Wirth als Regionalkoordinator organisiert idealerweise bereits anfangs oder Mitte Mai ein Treffen aller Nesterschützer. Dort sollen auch die Gebiete aufgeteilt werden.

4. Dank Das Nesterschutz-Projekt wäre ohne die freiwilligen Nesterschützer nicht möglich. Wir danken Michel und Lüzza Rauch für ihr – inzwischen langjähriges – Engagement für die Braunkehlchen in Scuol und Ftan und Men Janett für seine Arbeit in Ardez. Herzlich bedanken möchten wir uns ausserdem bei allen Naturliebhabenden in der Bevölkerung für ihre Hinweise!

Abb. 10. Nesterschutzfläche in Ftan (© Sarah Burg).

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5. Literatur Grüebler M. U., H. Schuler, M. Müller, R. Spaar, P. Horch & B. Naef-Daenzer (2008): Female biased mortality caused by anthropogenic nest loss contributes to population decline and adult sex ratio of a meadow bird. Biol. Conserv. 141: 3040–3049. Grüebler M. U., H. Schuler, P. Horch & R. Spaar (2012): The effectiveness of conservation measures to enhance nest survival in a meadow bird suffering from anthropogenic nest loss. Biol. Conserv. 146: 197–203. Grüebler MU, Horch P, Spaar R 2015: Whinchats impacted by changes in alpine grassland management: research results from . In: Bastian H-V, Feulner J (Eds.): Living on the Edge of Extinction in Europe. Proc. 1st European Whinchat Symposium: 263-273. LBV Hof, Helmbrechts. Janett, M. & P. Horch (2014): Nesterschutz für das Braunkehlchen im Unterengadin – Jahresbericht 2013 und Rückblick über 10 Jahre Nesterschutz. Schweizerische Vogelwarte, Sempach. Wirth, J. & P. Horch (2016): Nesterschutz für das Braunkehlchen im Unterengadin. Jahresbericht 2016. Schweizerische Vogelwarte Sempach.

Schweizerische Vogelwarte Sempach, 2018