Engagierter Demokrat Und Begabter Kommunikator
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404_63_71_Buchstab 27.06.2003 13:59 Uhr Seite 63 Otto Lenz (1903 bis 1957) Engagierter Demokrat und zum 100. Geburtstag begabter Kommunikator Günter Buchstab Im Juni 1956, ein Jahr vor der dritten gewonnen hatte. Das Aufkommen des Na- Bundestagswahl, erschien die erste Num- tionalsozialismus und die schließliche mer der Politischen Meinung. Sie solle, so „Machtergreifung Hitlers“ beruhten nach hieß es „in eigener Sache“, „Meinungen seiner Überzeugung nicht nur auf vermitteln“, „alle brennenden Fragen der der Unkenntnis und Akzeptanz des de- Zeit anpacken und sie über die Polemik mokratischen Systems, sondern auch auf und schnelle Bewertung des Tages hinaus der unzureichenden Öffentlichkeitsarbeit zu grundsätzlicher Analyse und Stellung- und politischen Aufklärung durch die Re- nahme heben“ und „dem Nerv der Ent- gierungen. Der Nationalsozialismus hätte wicklungen, Erscheinungen und Ereig- nicht so leicht an die Macht gelangen kön- nisse ständig auf der Spur sein“ – in der nen, „hätten sich die damaligen demokra- Innen-, Außen- und der Gesellschafts- tischen Regierungen um eine ausrei- politik. „Politisch denken heißt Stellung chende Unterrichtung der Bevölkerung nehmen, heißt einen Standpunkt haben.“ bemüht“. Die Schlussfolgerung für ihn So formulierten die Gründer Erich Peter lautete also, durch systematische Infor- Neumann und Otto Lenz, Staatssekretär mation und Bildung die Demokratie „für im Kanzleramt von 1951 bis 1953, Ziel und die breiten Massen populär“ zu machen, Auftrag der neuen Zeitschrift. Bundes- deren latente Distanz zur Politik zu über- kanzler Adenauer fand den Start „ganz winden und in der Öffentlichkeit ein ausgezeichnet“, wobei er im Gespräch mit Klima der Zustimmung und des Vertrau- Lenz am 22. Juni 1956 betonte, „dass aus ens zu schaffen. Dazu bot sich ihm die der Zeitschrift kein CDU-Organ gemacht Möglichkeit, nachdem Konrad Adenauer werden dürfe, damit sie wirkliche Ver- ihn 1951 als Amtschef ins Zentrum der breitung finde“. Die Politische Meinung Macht, so der Titel seines veröffentlichten reihte sich ein in eine ganze Kette von Pub- Tagebuchs, berufen hatte. likationsorganen, die der umtriebige Lenz in den Anfangsjahren der Bundesrepublik Zögerliche Berufung ins Leben gerufen hatte. Dazu zählten un- Der eigentliche Kandidat des Kanzlers, ter anderem die Deutsche Korrespondenz, Hans Globke, kam beim Aufbau des der Bonner Mittwochsdienst, die Politischen Amts zunächst nicht in Betracht, da er – so Informationen der Arbeitsgemeinschaft Adenauer – „an dem bekannten Kom- Demokratischer Kreise und so weiter. mentar mitgearbeitet hatte und wir bei Diese Publikationsinitiativen waren Teil der Ernennung von Staatssekretären einer intensiven Informations- und Bil- sorgsam darauf achten müssen, daß wir dungspolitik, die Lenz zur Festigung der nicht irgendwelchen Angriffen dadurch noch jungen Demokratie betrieb. Diese Material geben“. Die Wahl fiel zunächst Politik wurzelte in den Einsichten, die er auf den Bundestagsabgeordneten Franz- aus dem Scheitern der Weimarer Republik Josef Wuermeling, der von 1947 bis 1949 Nr. 404 · Juli 2003 Seite 63 404_63_71_Buchstab 27.06.2003 13:59 Uhr Seite 64 Günter Buchstab als Staatssekretär im rheinland-pfälzi- innenpolitischen Auseinandersetzungen schen Innenministerium Verwaltungser- um die betriebliche Mitbestimmung in fahrungen gesammelt hatte. Im Oktober der Montanindustrie und die Frage der 1949 trat er ein nur kurz währendes Gast- Wiederbewaffnung. Auch hatte es schon spiel an; da ihm das parlamentarische massive Verluste der Unionsparteien bei Mandat wichtiger war, schied er bereits den Landtagswahlen in Schleswig-Hol- im Februar 1950 als Leiter des damals mit stein, Hessen, Württemberg-Baden und neunzehn Beamten des höheren Dienstes Bayern gegeben. Was der Kanzler in die- noch sehr kleinen Stabes wieder aus. Die ser Situation brauchte, war weniger ein Suche nach einem geeigneten Nachfolger Administrator als vielmehr ein kontakt- als Amtschef gestaltete sich schwierig. freudiger und umtriebiger Mann, der Globke schlug seinen alten Bekannten seine politischen Vorstellungen teilte und Lenz vor, was er ihm am 17. Februar 1950 in der Lage war, für die Arbeit und Ziele brieflich mitteilte: „Lieber Otto! Wie be- seiner Regierung erfolgreich zu werben. sprochen, habe ich die Frage bei A. zur Lenz schien aufgrund seines Werdegangs Sprache gebracht. Er erklärte mir, daß er in der Weimarer Republik dafür prädesti- bei aller Würdigung Deiner Fähigkeiten niert. Als er sein Amt antrat, machte Ade- instinktive Bedenken habe. Diese beweg- nauer ihm klar, dass der „wichtigste ten sich in der Richtung, daß Du eine selb- Punkt“ seines Aufgabenbereiches „die In- ständige Politik machen könntest.“ tensivierung der Presse und Propa- Globke und Lenz, beide Mitglied im ganda“, „die Schaffung einer zugkräftigen Cartellverband der katholischen deut- Propaganda“ sei. schen Studentenverbindungen (CV), kannten und schätzten sich seit den drei- Werdegang ßiger Jahren aus Berlin, wo sie der „Don- Lenz war zu diesem Zeitpunkt 47 Jahre alt. nerstagsgesellschaft“ angehört hatten, ei- Geboren wurde er am 6. Juli 1903 in Wetz- nem Kreis von ehemaligen Zentrumspoli- lar. Nach dem Abitur studierte er Jura in tikern, Zentrumsbeamten und -journalis- Freiburg. Sein Studium schloss er 1924 an ten sowie Funktionären katholischer Or- der Universität Marburg mit der Referen- ganisationen, die einander vertrauten und darprüfung und der Promotion (1925) ab. in ihrer grundsätzlichen Opposition zum Nach dem Assessorexamen trat er in den Nationalsozialismus verbunden waren. Justizverwaltungsdienst ein, in dem er zu- Es dauerte noch bis zum 30. Dezember nächst im preußischen Justizministerium 1950, bis Adenauer, dem sich kein geeig- tätig war. Hier übernahm er 1929 die Lei- neterer Kandidat anbot, trotz seiner Vor- tung der Pressestelle und verschaffte sich behalte bereit war, dem Vorschlag Glob- bei der deutschen Presse einen guten Na- kes zu entsprechen und Lenz zu bitten, „ab men. 1932 wurde er persönlicher Referent 15. Januar 1951 bis auf weiteres die Be- des Staatssekretärs Heinrich Hölscher, handlung der mit der innenpolitischen Or- nach der so genannten Machtergreifung ganisation der Bundesrepublik Deutsch- Hitlers dann Referent für Handelsrecht im land zusammenhängenden Fragen im Reichsjustizministerium. Im April 1934 Bundeskanzleramt zu übernehmen“. wurde er unter Protest des NS-Rechts- Seine politischen Bedenken hatte er zu- wahrerbundes zum Landgerichtsdirektor rückgestellt. Ausschlaggebend für seine befördert. Meinungsänderung war der bedenkliche 1938 lehnte er die Versetzung an ein Rückgang an Zustimmung zu seiner Poli- Gericht ab, weil er im NS-Staat nicht als tik (im April 1951 nur noch zwanzig Pro- Richter tätig werden wollte, und schied zent), verursacht durch die schweren unter Aufgabe seiner Pensionsansprüche Seite 64 Die politische Meinung 404_63_71_Buchstab 27.06.2003 13:59 Uhr Seite 65 Engagierter Demokrat und begabter Kommunikator aus dem Staatsdienst aus. In der Folgezeit war er als Rechtsanwalt am Kammerge- Otto Lenz, 1903–1957 richt in Berlin tätig; seine Zulassung hatte © ACDP er nur unter großen Schwierigkeiten er- reicht. Als Gegner des Regimes stand er in Verbindung mit führenden Persönlich- keiten der Widerstandsbewegung – so versteckte er den später hingerichteten Regierungspräsidenten Ernst von Har- nack in seiner Wohnung. Engen Kontakt hielt er zu dem ebenfalls nach dem 20. Juli 1944 hingerichteten Josef Wirmer, der ihn im November 1943 mit Carl Goerdeler zu- sammenbrachte. Auch Lenz wurde nach dem fehlgeschlagenen Attentatsversuch verhaftet und im Januar 1945 vor dem Volksgerichtshof angeklagt, weil er im Kreis um Goerdeler als Staatssekretär in der Reichskanzlei vorgesehen war. Ohne- hin war er längst ins Visier der Gestapo geraten, verdächtig allein schon deshalb, weil er Juden anwaltlich vertreten hatte, deren Eigentum beschlagnahmt oder ent- eignet worden war. Vor allem machte ihn verdächtig, dass er 1944 Josef Müller, den „Ochsensepp“, vor dem Reichskriegsge- richt verteidigt hatte, der des Hochverrats wenigen Tagen aber wieder für einige angeklagt war. Müller, der nach Kriegs- Wochen in Haft genommen mit der Be- ende die CSU in München mitgründete, gründung „deine Papirre zu gutt, du gehörte der Abwehr von Admiral Canaris Spion“. an und war bereits 1943 verhaftet wor- den. Obwohl Lenz einen Freispruch Mitbegründer der CDU wegen erwiesener Unschuld erreichte, Unmittelbar nach seiner Freilassung grün- blieb Müller weiterhin in Haft, zunächst dete das frühere Zentrumsmitglied in Ber- im Gestapo-Gefängnis Berlin, dann in lin die CDU mit. Wie auch die übrigen verschiedenen Konzentrationslagern, bis Unterzeichner des Gründungsaufrufs der er am 4. Mai 1945 befreit wurde. Lenz neuen Partei war er der Überzeugung, selbst, dem nach dem 20. Juli 1944 das To- dass im Nachkriegsdeutschland nur eine desurteil drohte, verteidigte sich vor dem interkonfessionelle Partei Zukunft haben Volksgerichtshof so geschickt, dass er werde. Zahlreiche Reisen führten ihn in wegen Nichtanzeige von Hochverrat nur den kommenden Monaten und Jahren in zu vier Jahren Zuchthaus und vier Jahren die Westzonen, wo er für die neue Partei Ehrverlust verurteilt wurde. Möglicher- warb. Als Anhänger der Vorstellungen Ja- weise kam er so glimpflich davon, weil kob Kaisers wie auch Josef Müllers, die der Vorsitzende Roland Freisler ihn aus stark in traditionellen, dem Reichsgedan- gemeinsamer Zeit im Justizministerium ken verhafteten Kategorien dachten, war kannte. Am 28. April 1945 wurde Lenz Lenz mit seinen Aktivitäten