DER SPIEGEL Jahrgang 1995 Heft 34
Werbeseite Werbeseite MNO DAS DEUTSCHE NACHRICHTEN-MAGAZIN Hausmitteilung Betr.: Günter Grass ine Blechtrommel war nichts dagegen: Mit gewaltigen Paukenschlägen Ekündigte der Göttinger Steidl Verlag dieses „Opus magnum“ an – das jüngste Buch des Günter Grass, berühmtester unter den lebenden deut- schen Schriftstellern, dem der SPIEGEL nun zum viertenmal eine Titelge- schichte widmet. Zeitig und exklusiv sicherte sich der SPIEGEL die Rech- te für einen Vorabdruck etlicher Passagen aus dieser Neuheit, „Ein weites Feld“. Doch als es dann etwas zu lesen gab, kamen Chef- und Kulturre- daktion in Verlegenheit. Die zum Abdruck gedachte Romanstrecke er- wies sich als ein überaus sperriger Kurs durch deutsche Geschichte, und selbst dem besonders bemühten, literarisch bewander- ten Leser mußte es da schwerfallen, zwi- schen den Bruchstücken eine Richtung zu erkennen. Da zudem der Verlag um die 4500 Exemplare des „Jahrhundertwerks“ (dpa) im Vorwege an die Fachwelt verteil- te, war auch von der Exklusivität nicht viel übriggeblieben. Gute Gründe also, auf den Teilabdruck zu verzichten, doch bei den Betroffenen hörte es sich anders an. Rudolf Augstein, wurde Grass-Titel (1963) kolportiert, habe sein Veto eingelegt, und zwar auch deshalb, so hieß es allen Ernstes, weil er mit Grass in Fragen der deutschen Vereinigungspolitik über Kreuz sei. Als der SPIEGEL den Vorabdruck des „Weiten Feldes“ ablehnte, hatte Augstein gerade mal ein Viertel davon überflogen, und die Vorstellung, politischer Dissens trübe bei ihm das literarische Urteil, ist nun wohl allzu naiv. Augstein hatte schon 1966 das Anti-Brecht-Stück von Grass „Die Plebejer proben den Aufstand“ im SPIEGEL rezensiert. Dennoch war es vom Steidl Verlag werbetechnisch nicht ungeschickt zu insinu- ieren, der neue Grass sei dem SPIEGEL politisch zu suspekt, gar zu brisant.
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