Programmheft (PDF 2.3
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… und der Zukunft zugewandt … SA 9. NOV 2019 | KULTURPALAST Spartacus FR 29. NOV 2019 | 19.30 Uhr SA 30. NOV 2019 | 19.30 Uhr KULTURPALAST TSCHAIKOWSKI ›Manfred‹-Sinfonie h-Moll PROKOFJEW Violinkonzert Nr. 2 g-Moll CHATSCHATURJAN Auszüge aus dem Ballett ›Spartacus‹ DMITRIJ KITAJENKO | Dirigent SERGEJ KRYLOV | Violine DRESDNER PHILHARMONIE Tickets 39 | 34 | 29 | 23 | 18 € [email protected] dresdnerphilharmonie.de 9 € Schüler, Studenten © Klaus Rudolph PROGRAMM 17.00 Uhr, Konzertsaal Musik – Demokratie – Europa Harald Muenz (* 1965) [ funda'men de'nit ] per dieci voci, für zehn Stimmen, para diez voces, for ten voices, pour dix voix auf Textauszüge aus dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland (1949) und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2000), eingerichtet vom Komponisten (2019) Stefan Beyer (* 1981) »Vi« für Vokalensemble und Elektronik (2019) Hakan Ulus (* 1991) »Auslöschung II« für zehn Stimmen (2019) Chatori Shimizu (* 1990) »Rightist Mushrooms« für zehn Stimmen (2019) Fojan Gharibnejad (* 1995) Zachary Seely (* 1988) »hēmi« für zehn Sänger (2019) Olaf Katzer | Leitung AUDITIVVOKAL DRESDEN Die fünf Werke entstanden im Auftrag von AUDITIVVOKAL DRESDEN und erklingen als Urauührungen. PROGRAMM 18.30 Uhr, Konzertsaal I have a dream Kurzeinführung: Zeitzeugen im Gespräch mit Jens Schubbe Friedrich Schenker (1942 – 2013) Sinfonie »In memoriam Martin Luther King« (1969/70) Sehr langsam – Schnell – Ruhige Halbe (in der Art eines Chorals) – Tempo I Schnell und rigoros – Langsam – Ruhig ießend – Tempo I Jonathan Stockhammer | Dirigent Dresdner Philharmonie 20.00 Uhr, Konzertsaal Musik und Lesung Paul-Heinz Dittrich (* 1930) Kammermusik II Wolfgang Hilbig (1941 – 2007) Lyrik aus dem Band »Stimme Stimme« Georg Katzer (1935 – 2019) »La fabbrica abbandonata« III (Die verlassene Fabrik) nach Texten von Wolfgang Hilbig für Sprecher, Sopran, Ensemble und elektronische Klänge (2010) PAUSE PROGRAMM Wilfried Jentzsch (* 1941) »Tamblingan« für elektroakustische Klänge und Video (2009) Friedrich Goldmann (1941 – 2009) Sonata a quattro für 16 Spieler (1989) Moderato – Lento assai – Allegro – Moderato – Lento – Lento assai – Moderato Jonathan Stockhammer | Dirigent Catriona Bühler | Sopran Peter Schweiger | Sprecher Collegium Novum Zürich 22.30 Uhr, Foyer, 1. Obergeschoss Film Frank Schleinstein (1955 – 2017) »Zeit-Klänge: Klang-Szenen: Skizzen zu Friedrich Goldmann« (Dokumentarlm, Deutscher Fernsehfunk 1991) JENS SCHUBBE … und der Zukunft zugewandt … Graffito am Berliner Schlossplatz 2008 Vor zwei Jahren entbrannte der sogenannte DDR hat es einen vergleichbaren Auf- »Dresdner Bilderstreit« am Vorwurf, dass schrei nie gegeben, obwohl sie tatsächlich von den Verantwortlichen des Albertinums in ziemlicher Gründlichkeit und von we- die zwischen 1945 und 1990 im Osten nigen Ausnahmen abgesehen ins Abseits Deutschlands entstandene Kunst ins gedrängt wurde. Warum blieb der Protest Depot entsorgt und damit eine ganze aus? Und warum verschwand diese Musik kunstgeschichtliche Epoche ausgeblendet so weitgehend aus den Konzertsälen? würde. Bezogen auf die Musik aus der 4 Verglichen mit der bildenden Kunst und der Literatur blieb der avancierten Musik aus der DDR »zu Lebzeiten« eine wirk- liche Breitenwirkung versagt. Als sich um 1970 eine insbesondere aus den Meister- klassen von Rudolf Wagner-Regeny und Mit dem Ende der DDR änderten sich die Paul Dessau hervorgegangene Generation Strukturen des Musiklebens grundlegend. von jüngeren Komponisten Freiräume Viele der Protagonisten der ostdeutschen erkämpfte, die einengende Doktrin des komponierenden Avantgarde waren nicht Sozialistischen Realismus hinter sich ohne weiteres in der Lage, sich den neuen ließ und internationale Strömungen des Spielregeln geschmeidig anzupassen. aktuellen Komponierens adaptierte, Aufträge und Aufführungen blieben aus, entstanden mit Festivals wie der Musik- zumal das Wohlwollen, das Komponisten Biennale und den DDR-Musiktagen aus dem Osten zuvor etwa auf den spezielle Foren, die der zeitgenössischen Festivals in Donaueschingen und Witten Musik gewidmet waren. Täglich war im bis 1989 entgegengebracht wurde, nun Programm von Radio DDR II vor Mitter- nicht mehr ohne weiteres vorausgesetzt nacht eine Stunde der zeitgenössischen werden konnte. Als 1992 mit Armin Köhler Musik reserviert. Damit hatte sie zwar ein Ostdeutscher künstlerischer Leiter eine gewisse Präsenz, freilich bevorzugt der Donaueschinger Musiktage wurde, innerhalb der für sie reservierten Nischen, hatte dieser verdienstvolle Mann peinlich wo sie von der relativ kleinen Gemeinde darauf zu achten, dass ihm nicht etwa der Interessierten rezipiert werden konnte. der Vorwurf gemacht werden konnte, Komponisten aus der ehemaligen DDR über Gebühr zu protegieren. 5 Wir meinen, dass es nunmehr, im Abstand einer Generation, höchste Zeit ist, die avancierte Musik aus der DDR, bzw. von So geriet beispielsweise ein Komponist Komponisten, die in der DDR sozialisiert wie Paul-Heinz Dittrich, der in der DDR wurden, erneut zu befragen. Warum? zu den profiliertesten Vertretern seiner Darauf konnte man am Karfreitag dieses Zunft gehörte, allmählich ins Abseits. Jahres in der Berliner Gethsemanekirche Zwar komponierte er unermüdlich weiter, eine Antwort finden. Dort erlebte die aber Aufführungen oder gar Aufträge Markus-Passion von Christfried Schmidt ergaben sich immer seltener. ihre Uraufführung – 45 Jahre, nachdem Wenn zumal die vor 1989 entstandene sie im Jahr 1974 komponiert wurde. Der Musik aus den Konzertsälen weitgehend mittlerweile 86-jährige Komponist war verschwand, spielt aber auch ein anderes anwesend und konnte zutiefst beglückt Phänomen hinein, das nicht nur die die Standing Ovations des die Kirche bis Musik aus der DDR betrifft: Zwischen auf den letzten Platz füllenden Publikums dem das ewig gleiche Repertoire in einer entgegennehmen. Was für eine Musik! Endlosschleife reproduzierenden Klassik- Hoch expressiv, von Abgründen durch- Betrieb und den auf das aktuelle Musik- furcht, von glühender Intensität getragen, schaffen fokussierten Foren der zeitge- in jedem Moment wahrhaftig, sich niemals nössischen Musik öffnet sich gleichsam anbiedernd und doch unmittelbar ergrei- ein Meer des Vergessens, in das immer fend. Mit diesen Eigenarten berührt sich mehr Musik driftet. Im Zusammenspiel die Markus-Passion mit mancher Musik, mit den spezifischen Entwicklungen des die damals von avancierten Komponisten Musiklebens nach der Wende erfasste der DDR geschaffen wurde. Mit ihrer dieses Vergessen die Musik aus der DDR Musik reagierten sie – wie vermittelt mit besonderer Gründlichkeit. auch immer – auf Wirklichkeit und zwar bis in die innersten Zellen des die Musik konstituierenden Materials hinein. Gerade dadurch aber wurden die Voraussetzungen geschaffen, diesen Werken über die Kon- 6 Kammermusik II, mit der wir das dritte texte ihrer Entstehungszeit hinaus Kapitel des Thementages einleiten, in Gültigkeit zu bewahren. Insofern war diese dem mehrere Geschichten erzählt werden: Kunst, anders als der Staat, in dem sie Georg Katzer wandte sich 2010 rückbli- entstand, »der Zukunft zugewandt« und ckend einer Erzählung von Wolfgang erklärt sich jener keineswegs in einem Hilbig aus dem Jahr 1971 zu und entwarf nostalgischen Sinne der Nationalhymne mit »Die verlassene Fabrik« eine Apoka- der DDR entlehnte Titel dieses Themen- lypse in sächsischer Industrielandschaft. tages. Dessen Programm spannt einen Der Dresdner Wilfried Jentzsch hatte die weiten Bogen: Er wird eröffnet mit fünf DDR schon in den frühen 1970er Jahren neuen Werken von Komponistinnen und verlassen und ging seinen ganz eigenen Komponisten der jungen und mittleren künstlerischen Weg. Friedrich Goldmanns Generation, die durch die spezifische »Sonata a quattro« schließlich führt in Formulierung der an sie vergebenen das Wendejahr 1989, in jene Zeit, in der Aufträge dazu angehalten wurden, sich auch das ihm gewidmete Filmportrait künstlerisch mit bestimmten aktuellen Frank Schleinsteins entstand. Themenfeldern auseinanderzusetzten. Sodann gibt es eine Wiederbegegnung mit der Sinfonie »In memoriam Martin Luther King«, die 1972 von der Dresdner Philharmonie uraufgeführt wurde und einen großen Skandal entfachte, so ver- störend wirkte sie damals. Dieser Skandal stand am Anfang einer höchst spannenden Phase in der Musikgeschichte der DDR, in der in dichter Folge Werke von beacht- licher Qualität entstanden. Dazu zählt Paul-Heinz Dittrichs radikale und wilde 7 TOBIAS SCHICK Neue Vokalmusik für einen europäischen Dialog Europäisches Zentrum der Künste, der Sächsischen Akademie der Künste und »Zum Glück chaotisch! Europa wirkt oft der Dresdner Philharmonie Kompositions- unentschieden und fragil« – so schrieb die aufträge vergeben, die den Themenkom- Wochenzeitung DIE ZEIT im Juni dieses plex von »Musik – Demokratie – Europa« Jahres und kehrte somit ein hartnäckiges auf höchst unterschiedliche und facetten- Vorurteil in sein Gegenteil um. Gerade reiche Weise aufgreifen und – indem sie seine Unordnung und Kleinteiligkeit sei nicht nur dessen inhaltliche, sondern Europas große Stärke, insofern sie eine auch strukturelle, soziale oder klangliche Vielfalt an Lösungen wirtschaftlicher und Dimensionen reflektieren – nicht nur die politischer Probleme entstehen ließen, Vielfalt möglicher Herangehensweisen, so lautete eine Grundthese des Artikels. sondern die Vielfalt Europas selbst unmit- Weder ein bloßes Nebeneinander von telbar sinnfällig machen. heterogenen Meinungen noch Abschottung Das Werk [ funda'men defi'nit ] von Harald und nationale Sonderwege, sondern erst Muenz