Dieter Dorn Schauspieler, Regisseur Und Intendant Im Gespräch Mit Isabella Schmid
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Sendung vom 10.6.2013, 21.00 Uhr Dieter Dorn Schauspieler, Regisseur und Intendant im Gespräch mit Isabella Schmid Schmid: Herzlich willkommen zum alpha-Forum. Unser Gast ist heute Dieter Dorn, der langjährige Intendant der Münchner Kammerspiele und des Münchner Residenztheaters. Ich freue mich sehr, dass Sie bei uns sind. Dorn: Ich freue mich auch. Schmid: Ich habe mal gehört, den Vornamen "Dieter" mögen Sie gar nicht so gerne. Wie haben denn die Leute im Theater zu Ihnen gesagt? Dorn: Dorn, Dornio oder DD. Schmid: Aber Sie sind nicht so der Typ gewesen, der mit allen immer per Du ist? Dorn: Ja, das nicht, aber ich bin auch nicht mit allen per Sie gewesen, denn das ginge ja gar nicht. Es ist nur so, dass man mit dem "du" und "Sie" im Theater vor allem keine Zweiklassengesellschaft bilden darf. Stattdessen muss man das eben konsequent machen und "du" oder "Sie" sagen. Schmid: Manchmal ist es ja auch leichter im Umgang miteinander, wenn man sich nicht duzt, oder? Das hat schon auch Vorteile. Dorn: Ja, das stimmt. Es hat auch Vorteile, wenn man es als Waffe einsetzt, wenn man sich also duzt und dann plötzlich auf "Sie" umschwenkt. Schmid: Wenn man z. B. sagt: "Für dich immer noch 'Sie'!" Der krönende Abschluss Ihrer Intendanz am Residenztheater war das "Käthchen von Heilbronn", eine ganz große Inszenierung, und ganz, ganz viele große Schauspieler haben darin aus Ehrerbietung an Sie selbst kleine und kleinste Rollen übernommen. Wie war da die Stimmung? Gab es da Wehmut? Denn auch für viele Schauspieler war das ja ein Abschied. Dorn: Ja, aber das Entscheidende war doch, dass wir uns alle noch einmal um den großen Kleist versammelt haben und er es uns möglich gemacht hat, in die vielen Schichten dieser Geschichte hineinzugehen. Das war es, was uns alle beflügelt hat. Wir haben das dann 50 Mal ausverkauft gespielt und der wichtigste Punkt dabei war, dass ich mitspielen durfte und dass ich quasi endlich meinen Traum verwirklichen konnte, in einer Truppe wirklich Teil dieser Truppe zu sein und nichts anderes. Schmid: Es war sehr sympathisch, dass Sie damals gesagt haben: "Das Schönste war, dass ich auch dabei war!" Sie haben aber auch gesagt, dass es ein Ensemble, das über so viele Jahre und Jahrzehnte treu ist, nicht mehr geben wird. Warum nicht? Dorn: Vielleicht ist diese Bemerkung ja ein Anreiz, das vielleicht doch noch einmal zu versuchen. Dazu gehört aber sehr viel und dazu gehören vor allem auch ganz viele Zufälle. Es gehört dazu aber auch der Wille, das Theater oder eine gewisse Zeit, eine Spielzeit nicht als die ausschließliche zu nehmen und zu sagen: Jetzt mache ich hier einen Event oder irgendein Highlight, wie das heute heißt, sondern wir versuchen, zusammen einen Weg zu gehen, und zwar über viele Jahre hinweg. Und dass uns das gelungen ist, wundert mich heute manchmal immer noch sehr. Das ist eigentlich die richtigste Art, Theater zu machen, das kann man wirklich bei allen großen Truppen sehen: Das gab es schon bei der Shakespeare-Company, also beim originalen Shakespeare und seiner Truppe, das ging weiter mit Molière und im 20. Jahrhundert bei Brecht und dem Berliner Ensemble. Man kann bei all denen sehen, dass es wichtig ist, nicht auf den einzelnen Gegenstand abzuzielen, sondern dass man einen gemeinsamen Weg geht und sich mit verschiedenen Gegenständen beschäftigt, die sich aufeinander beziehen können und die zusammen dann ein Versuchsbild ergeben können. Schmid: Sie haben gesagt, dass Schauspieler heute nicht mehr so ausschließlich an ein Haus gebunden sind und dass es im Theater schon fast ein bisschen so wie in der Oper geworden ist, d. h. dass man sich an Flugplänen orientieren muss usw. Denn die Schauspieler wollen z. B. auch Fernsehen machen und nicht nur für ein Medium, nämlich das Theater arbeiten. Da verändert sich also etwas, oder? Dorn: Ja, aber eigentlich hat der Schauspieler, wie ich immer sage, den gesellschaftlichen Auftrag, in der Stadt, in der Polis, von der er bezahlt wird, auch wirklich anwesend zu sein und dort zu arbeiten. Das ist leider zum großen Teil verloren gegangen und es ist mittlerweile so, dass z. B. die Opernensembles Weltensembles geworden sind: Es sind immer nur die gleichen 100 Sänger, die auf der ganzen Welt auftreten. Das spürt man allerdings auch meistens in dem, wie sie ihre Rollen anlegen: Sie als Sänger, als schauspielernde Sänger müssen überall hineinpassen. Das heißt, sie sind überhaupt nicht mehr individuell, sondern sie sind das, was ich "Breitband Spielen" nenne, weil sie überall hineinpassen. Schmid: Die Schauspieler lockt natürlich auch der Film und das Fernsehen. Aus dem "Käthchen" musste deswegen eine Schauspielerin dann auch aussteigen. Sie haben gesagt, dass es da schon auch Sachen gegeben hat, die Sie bestürzt haben. Merkt man denn dabei auch, dass man als Intendant nicht mehr die Macht und den Einfluss hat wie früher? Dorn: Ja, natürlich. Aber gegenüber der Ökonomie kann man entfalten, was man möchte, irgendwann siegt die Ökonomie doch, also das Geld. Schmid: Sie wollten ja immer schon das "Käthchen" inszenieren, haben sich aber nicht getraut. Warum nicht? Und warum dann doch? Dorn: Na ja, das ist schon ein sehr komplexes und ganz, ganz schwieriges Werk. Wenn man die Chance hat, mit einem anderen Stück "davonzukommen", dann ergreift man zunächst diese Chance, dieses andere Stück. Das war damals beim "Faust" nicht anderes. Aber es kommt einfach irgendwann der Punkt, an dem man sagt: "So, das machen wir jetzt!" Und so war das beim "Käthchen" auch – und wir haben es nicht bereut. Schmid: Diese Inszenierung war dann ein riesengroßer Erfolg, wie überhaupt die meisten Inszenierungen von Ihnen sehr gut besucht wurden. Beim Residenztheater war es dann ja schon noch einmal eine ganz andere Herausforderung, den Zuschauerraum überhaupt zu füllen, denn das Residenztheater ist nun einmal größer als die Münchner Kammerspiele. Nachdem Sie die Intendanz des Residenztheaters übernommen haben, ist die Abonnentenzahl jedoch unglaublich gestiegen. Dorn: Ja, und darauf bin ich auch sehr stolz, obwohl damit schon auch eine kleine Niederlage verbunden ist. Als wir dort ankamen, waren es so ungefähr noch 2500 Abonnenten, am Ende waren es dann ungefähr 12800 – wo ich doch so gerne noch die 13000er-Marke geknackt hätte, aber das ist mir nicht gelungen. Nein, im Ernst, ich finde es unglaublich, wie die Münchner mit uns mitgegangen sind in all den vielen Jahren: zuerst an den Kammerspielen und dann am Residenztheater. Es ist berührend, wenn man z. T. inzwischen schon weißhaarige Menschen trifft, die einem sagen: "Ich habe schon ganz früh bei Ihnen in den Kammerspielen gesessen." Und dann schaut man sich selbst an und merkt, dass man gemeinsam alt geworden ist. Das, finde ich, ist der richtige Weg für das Theater und diesen Weg lasse ich mir auch nicht nehmen. Das Gegenteil davon ist, dass man mit einer kleinen künstlerischen Palette von einer Stadt in die nächste zieht und dort noch einmal das Gleiche, wenn nicht sogar dasselbe macht, was man vorher schon gemacht hat. Schmid: Das kann man auch alles nachlesen in Ihrem Buch "Spielt weiter! Mein Leben für das Theater", das im Beck Verlag erschienen ist. Dort drin findet sich Ihre ganze Theatergeschichte von den Anfängen in Leipzig bis zum Residenztheater in München. Ich habe darin gelesen, dass es sogar ein Käthchen-Zimmer gegeben hat, in dem Sie zusammen mit Ihrem Bühnenbildner und langjährigen künstlerischen Weggefährten Jürgen Rose gearbeitet haben. Sind das Bedingungen, die es künftig vielleicht nicht mehr geben wird? Dorn: Doch, das kann man auch in Zukunft noch machen – wenn man, wie gesagt, am Theater nicht nur eine Inszenierung abliefert und das Bühnenbild nicht sozusagen aus dem Flugzeug abwirft, damit es die Werkstatt dann baut. Nein, wenn man sich wirklich monatelang mit einem Gegenstand beschäftigt, dann braucht man einen Raum, in dem man wirklich in Ruhe arbeiten kann, und das nicht nur nach festgelegten Uhrzeiten. Wenn man sagt, dass man jetzt mal ein paar Stunden über das Käthchen reden muss und dass dieses und jenes zu tun ist, dann kann man in so ein Zimmer gehen. Die Arbeit mit Jürgen Rose sieht ja nicht so aus, dass ich sagen würde: "Ich möchte das ungefähr so und so haben und du machst mir dafür ein Bühnenbild." Nein, das ist eine absolut gemeinsame Arbeit, die man hinterher auch nicht mehr auseinanderhalten kann: Kein Rechtsanwalt der Welt könnte sie mehr auseinanderdividieren. Denn das ist eine wirklich gemeinsame Arbeit, an der selbstverständlich auch der Dramaturg mit beteiligt ist. Schmid: Bei der Opernregie haben Sie es manchmal erlebt, dass der Dirigent das Bühnenbild gar nicht mehr sehen wollte, weil er keinen Bedarf danach hatte, kein Interesse, keine Zeit. Wie funktionierte denn da die Zusammenarbeit überhaupt? Dorn: Nicht sehr gut. Die Oper ist ja an manchen Stellen wirklich auf einem perversen Weg. Diese gemeinsame Arbeit ist heute nur noch mühsam durchzusetzen – schon wegen der vielen Termine und wegen dieses Weltensembles, bei dem der eine von hier und der andere von dort kommt. Wenn man so eine Truppe aber wirklich zusammenbekommt und wenn man den Dirigenten bei den Vorarbeiten tatsächlich mit dabei hat, dann bekommt das Ganze natürlich eine Dimension, die man im Schauspiel niemals erreichen kann. Darum bin ich eben auch immer wieder auf dem Feld der Oper zu finden gewesen. Denn dort gibt es einfach ein paar Punkte, die mich enorm gereizt haben. Wenn es klappt, dann fängt dieser Wunderteppich wirklich zu segeln an. Bei den großen Stücken von Mozart ist das z. B. so. Schmid: Wie geht es Ihnen da zurzeit in Genf? Denn dort inszenieren Sie ja gerade den "Ring" von Wagner. Dorn: Ingo Metzmacher, der Dirigent, war dort eben bei den ersten Gesprächen mit dabei. Es gab dann Besetzungsprobleme, aber wir haben aus diesem Ensemble doch eine wunderbare Truppe formen können.