HISTORISCHER ATLAS 7, 11

VON BADEN-WÜRTTEMBERG Erläuterungen

Beiwort zur Karte 7, 11

Kriegsschäden in Baden-Württemberg 1939-1945

VON HEINZ BARDUA

I. Historischer Überblick von Landoperationen konzipiert worden war und des- halb bei Kriegsbeginn über keine für einen weiträu- 1. Erster Weltkrieg migen strategischen Luftkrieg geeigneten schweren Das 20. Jahrhundert hat der Kriegs- und Zerstö- Bomber verfügte, bauten die U.S.A. schon vor dem rungstechnik eine neue Dimension eröffnet. Flugzeuge Zweiten Weltkrieg den viermotorigen Langstrecken- und Luftschiffe überquerten im Ersten Weltkrieg die bomber Boeing B 17 Flying Fortress. Das britische Frontlinien, an denen sich die Heere kämpfend gegen- Luftfahrtministerium faßte zwar schon 1936 die Ent- überstanden, und drangen in das gegnerische Hinter- wicklung entsprechender Großflugzeuge ins Auge, land ein, um dort Spreng- und Brandbomben abzu- doch konnten diese – die Short Stirling, die Handley- werfen. Wenn auch schon damals versucht wurde, Page Halifax und vor allem die Avro Lancaster – erst Rüstungswerke, wie etwa die Oberndorfer Mauser- von 1942 an in größerer Zahl in Dienst gestellt werden. werke oder die Rottweiler Pulverfabrik, zu treffen, so Hierdurch wurde die Schlagkraft des bis dahin nur mit fanden die Bomben ihre Opfer doch von Anfang an zwei- und einmotorigen Typen ausgerüsteten Bomber- vor allem unter der Zivilbevölkerung, die Wohn- und kommandos der Royal Air Force (R.A.F.) ent- Arbeitsstätten verlor und einen hohen Blutzoll zahlen scheidend gestärkt. Mit Unterstützung durch die kleine, mußte. Da die Männer überwiegend zum Wehrdienst aber überaus schnelle und leistungsfähige deHavilland einberufen waren, richtete sich diese neue Art der Mosquito, die unter anderem als Aufklärungs-, Pfadfin- Kriegführung in der Praxis vorwiegend gegen Frauen, der-, Zielmarkierungs- und Leitflugzeug (Master Bom- Kinder und ältere Menschen. war am 22. ber) sowie als Schnellbomber für Ablenkungsangriffe Juni 1916 das Ziel des heftigsten Luftangriffs, der eine und als Anti-Nachtjäger eingesetzt war, haben die mit britischen, australischen, kanadischen und anderen Be- deutsche Stadt im Ersten Weltkrieg betroffen hat. Da- satzungen fliegenden Viermotorigen des Bomberkom- bei kamen 115 Menschen ums Leben. Das von den mandos bei Nachtangriffen den Löwenanteil der Schä- Fronten weiter entfernte und beim begrenzten Opera- den in unseren Städten angerichtet. Dieses Ergebnis tionsradius der damaligen Flugzeuge weniger gefähr- mußte von der R.A.F. allerdings mit sehr hohen Ver- dete kam mit 22 Toten glimpflicher davon. lusten erkauft werden, die ihr vor allem von deutschen Im Zweiten Weltkrieg, der den wohl absoluten Höhe- Nachtjägern, aber auch von der Flak zugefügt wurden. punkt des strategischen Einsatzes bemannter, mit kon- Ihr Bomberkommando allein hatte mit 55 888 Mann ventioneller Spreng- und Brandmunition beladener schon mehr Gefallene zu beklagen als die britische Bombermassen gegen Städte brachte, wurden in Stutt- Kontinentalarmee in der Zeit von der Invasion bis zur gart 4562, in Karlsruhe 1934 Menschen bei Luftan- deutschen Kapitulation. Im Kampf gegen Deutschland griffen getötet. verlor die britische Luftwaffe insgesamt 79 281 Mann und über 22 000 Flugzeuge, die amerikanische 79 265 2. Strategischer Luftkrieg Mann und über 18 000 Flugzeuge aller Art. Während die erst 1935 offiziell wiedererstandene Die bereits erwähnten Fortresses der United States deutsche Luftwaffe bei ihrem hastigen Aufbau haupt- Army Air Forces (U.S.A.A.F.), von denen schon bis sächlich für den taktischen Einsatz zur Unterstützung

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Ende 1942 882 auf die schottischen Basen der 8. Luft- leidende, zum Teil von 15jährigen Schülern, Rü- flotte überführt worden waren, flogen seit 1943 Tag- stungsarbeitern, Schreibstubenpersonal und hilfswil- angriffe gegen Ziele im Reichsgebiet, darunter – vor ligen Kriegsgefangenen bediente Flakartillerie war da- allem seit September – auch solche in Südwestdeutsch- mals noch fähig, die von Amerikanern und Briten er- land. Dieser laufend verstärkten Bombermacht gesellte rungene Luftherrschaft zu gefährden. sich im Laufe des Jahres 1944 die 15. amerikanische Dabei hatte im deutschen Südwesten alles zunächst Luftflotte zu, die von italienischen Flugplätzen aus ope- noch verhältnismäßig harmlos begonnen. Um keine rierte und in unserem Raum vor allem Ziele im Boden- deutschen Luftangriffe gegen ihre Städte zu provozie- seegebiet, insbesondere das Rüstungszentrum Fried- ren, hielten sich die französische und die britische richshafen, bei Tageslicht angriff. Im Gegensatz zu den Luftwaffe bei Kriegsbeginn ebenso zurück, wie die Briten, die auf Grund ihrer Erfahrungen mit der Schlag- deutsche. Nur sicher identifizierte militärische Ziele kraft der deutschen Abwehr im wesentlichen schon wurden zum Angriff freigegeben. Dieser Begriff ist 1940 in die Nacht ausgewichen sind, hielten die Ameri- allerdings schon früh auf ganze Städte ausgedehnt kaner mit Rücksicht auf die bessere Treffsicherheit an worden. Warschau wurde 1939 von der deutschen Tagangriffen fest. Auf Grund der Ergebnisse der Casa- Luftwaffe als militärisches Ziel bombardiert, weil sich blanca-Konferenz vom Januar 1943 ist eine regelrechte, in seinen Straßen 100 000 polnische Soldaten zur Ver- von den Combined Chiefs of Staff koordinierte Arbeits- teidigung verbarrikadiert hatten. Die Zivilbevölkerung teilung der alliierten Luftwaffen bei ihrer Bomben- war jedoch zuvor durch Flugblätter zum Verlassen der offensive gegen Deutschland zustande gekommen. Stadt aufgefordert worden. Rotterdam widerfuhr bei Die Theorie, nach der sich die auf Kosten der Bom- seiner Verteidigung im Mai 1940 ein ähnliches Schick- benlast mit einer überaus starken Abwehrbewaffnung sal. Andererseits schien der Umstand, daß es bis zum versehenen amerikanischen B 17 Fortress – und B 24 Frühjahr 1940 nur wenigen britischen und französi- Liberator – Langstreckenbomber im dicht aufgeschlos- schen Flugzeugen gelungen war, die »Luftverteidi- senen, gestaffelten Verband auch am Tage ohne Be- gungszone West«, ein an den »Westwall« angelehntes, gleitjäger gegen die Angriffe der deutschen Standard- tief gestaffeltes System von Flugmeldeposten, Flak- Jagdflugzeuge Me 109 und Fw 190 würden halten stellungen, Scheinwerfern, Horchgeräten und Jäger- können, erwies sich im Herbst 1943 allerdings als flugplätzen, zu Aufklärungszwecken oder zum Flug- falsch. Erst als die Bomberformationen von den über- blattabwurf zu überqueren, dem Oberbefehlshaber der legenen Langstreckenjägern der Typen Mustang, Thun- deutschen Luftwaffe zunächst recht zu geben. Göring derbolt und Lightning in ausreichender Zahl zum Ziel hatte sich nämlich in einer Rede dafür verbürgt, daß und zurück begleitet werden konnten, sanken die Bom- die Bevölkerung – von Feindflugzeugen unbehelligt – berverluste der U.S.-Luftwaffe wieder auf ein erträg- ruhig schlafen könne. Tatsächlich stießen die Gegner liches Maß ab. Die Ausrüstung der 1944 schon an- am Rhein auf harte Gegenwehr. So wurde zum Bei- geschlagenen deutschen Jagdverbände mit Raketen- spiel am 11. Januar 1940 eine am Tage eingedrungene waffen und mit dem auf Grund einer Fehlentscheidung französische Potez 63 bereits zwischen Kaiserstuhl Hitlers zu spät und in zu kleiner Zahl zum Einsatz ge- und Freiburg von deutschen Jägern abgefangen, zur kommenen ersten Düsenjäger der Welt, der Me 262, Umkehr gezwungen und bei Colmar abgeschossen. vermochte die wachsende Luftüberlegenheit der Al- Nächtlichen Eindringlingen boten sich allerdings weit liierten letztlich nicht mehr aufzuhalten. Dasselbe gilt bessere Chancen für Operationen über dem Reichsge- für die laufenden Verbesserungen des nun längst auf biet. Vor allem die Briten zogen daraus frühzeitig Radarmessung beruhenden Jägerleitsystems und der Konsequenzen und stellten damit die erste Weiche in Feuerleiteinrichtungen der Flakartillerie. Die »Festung« Richtung auf ihre später so vernichtenden nächtlichen Deutschland verlor in einem gewaltigen Kampf, der Flächenangriffe gegen die deutschen Städte, von denen nicht zuletzt auch auf wissenschaftlich-technischem manche – wie die Symbole strategischer Zielgruppen Gebiet ausgefochten wurde, und in dem geographische auf der Karte zeigen – damals noch erstaunliche Kon- Gegebenheiten, Menschenreserven, Rohstoffquellen und zentrationen von Werken der Rüstungsindustrie in sich ungestörte industrielle Potenz schließlich den Ausschlag vereinigten. gaben, im 5. Kriegsjahr ihr Dach. Der ganze Größen- Über der heimischen Insel übten die Besatzungen wahn mit dem dieser Krieg 1939 begonnen worden war, des Bomberkommandos der R.A.F. im Winter 1939/40 trat zutage, als die alliierten Bombermassen in der den Nachtflug. Wenn sie es gelernt hatten, bestimmte Schlußphase – oft kaum mehr behelligt – rund um die Ziele in mondhellen Nächten zu finden und zu iden- Uhr jedes beliebige Ziel in Deutschland angriffen und tifizieren, wurden sie schließlich – zum Teil von fran- vernichteten. Weder die an allen Fronten verbrauchte, zösischen Basen aus – zu »leaflet raids« (Flugblatt-An- durch Treibstoffmangel und den Verlust ihrer Vorwarn- griffen) entsandt. So drangen z. B. am 12. Januar 1940 anlagen nach der Invasion gelähmte deutsche Flieger- drei Flugzeuge über Karlsruhe und Lahr bis zur Linie truppe, noch die unter Munitionsmangel Plauen – Eger – Regensburg – Straubing vor. Bomben wurden – mit Rücksicht auf die bei Nacht

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stark geminderte Treffsicherheit gegen militärische erklären, sie werden bei uns Städte im großen Ausmaß Punktziele – nicht mitgeführt. Solche Flüge sollten, angreifen – wir werden ihre Städte ausradieren! abgesehen von ihren propagandistischen Zwecken, vor Neben Angriffen auf die auch in England zunächst aus- allem auch lang andauernde Fliegeralarme hervorrufen, schließlich bombardierten Häfen, Flugplätze und Indus- die Produktionsminderungen zur Folge hatten. In trieanlagen, sollten Großaktionen gegen Städte vornehm- betrug die Gesamtdauer der im Jahr 1940 lich den Widerstandswillen der britischen Bevölkerung ausgelösten 36 nächtlichen Fliegeralarme etwa 61 erschüttern. Innerhalb von 12 Wochen griff die deutsche Stunden. Während des Krieges wurden dort 562 Flie- Luftwaffe vor allem London sechzigmal mit starken Kräf- geralarme ausgelöst, die eine Gesamtdauer von 611 ten an, wobei mehr als 17 000 Einwohner dieser Stadt Stunden hatten. Am 15. und 21. Januar 1940 wurden umkamen. Außer der Metropole hatten aber auch viele einzelne Flugzeuge im Raum Tübingen und Nörd- andere britische Hafen- und Industriestädte – von den lingen bzw. - festgestellt. Der letzteren sei hier nur Coventry erwähnt – schwer unter Beschuß durch Flakartillerie, die damals noch über den Schlägen der deutschen Luftwaffe zu leiden. Im Jahr 1940 gingen auf Großbritannien immerhin 36 844 Ton- keine Funkmeßgeräte verfügte, blieb dabei meist nen Bomben nieder, während die britische Luftwaffe im ebenso erfolglos, wie die Suche durch die ersten, deutschen Machtbereich nur 14 631 Tonnen zum Abwurf mangels Radar noch »blinden« Nachtjäger. So konnten bringen konnte. Damals begann Großbritannien an eine es die Briten wagen, am 23. Februar 1940 mit zwei kriegsentscheidende Bedeutung der Bomberwaffe zu oder drei Flugzeugen über Freiburg, Villingen, Ulm glauben. Deshalb wurde ihrem Ausbau Priorität einge- und München bis nach Wien vorzudringen, um dort räumt. Zeitweilig war ja die R.A.F. die einzige Waffe, mit Flugblätter abzuwerfen. In der darauffolgenden Nacht der gegen Deutschland überhaupt noch etwas ausgerichtet und im März wurde über Karlsruhe, Heilbronn und werden konnte. Dies gilt sowohl für die verbissene Jagd- Bad Mergentheim wiederholt Prag zum selben Zweck abwehr, deren Abschußerfolge schließlich eine erhebliche angeflogen. Abwehrerfolge waren in unserem Raum Reduzierung der deutschen Angriffe gegen die Insel be- um diese Zeit offenbar nur am Tage zu erzielen. Eine wirkten, als auch für die langsam an Intensität und Effek- tivität wachsenden Gegenangriffe britischer Bomber. Fairey Battle stürzte am 20. April bei Wallhausen, eine Churchill versprach vor den Londoner Trümmerstätten: Spitfire am 22. April 1940 bei Urach ab. Ein Rudel von Wir geben es ihnen zurück! 5 Me 109 hatte die letztere zur Strecke gebracht. Die Zeit der noch gleichsam ritterlich geführten Geplänkel endete mit dem 10. Mai 1940, an dem – mit Die Entlastung Großbritanniens beim Beginn der Beginn der deutschen West-Offensive – Winston deutschen Offensive gegen die Sowjetunion brachte Churchill das Amt des britischen Premierministers schon 1941 eine erste Erfüllung dieses Versprechens, übernahm. Bereits in der darauffolgenden Nacht flogen denn die im Westen verbliebenen Teilkräfte der deut- 18 mit Bomben beladene britische Whitleys ver- schen Luftwaffe vermochten in jenem Jahr nur noch schiedene westdeutsche Städte an und richteten dort 21 858 Tonnen Bomben nach Großbritannien zu tra- Menschenverluste und Schäden im zivilen Bereich an. gen, während die R.A.F. bereits 35 509 Tonnen über Die deutsche Propaganda nahm solche Aktionen, vor dem deutschen Machtbereich abgeworfen hat. Von da allem jedoch den von verirrten deutschen Fliegern an verschob sich das Verhältnis der für Großbritannien ausgelösten, aber den Gegnern angelasteten Bomben- einerseits und den deutschen Machtbereich ande- wurf auf Freiburg i. Br., der an eben diesem 10. Mai rerseits bestimmten Bombentonnagen immer krasser das Leben von 28 Menschen, darunter 22 Kinder, ge- zu ungunsten der Deutschen. 1942 standen schon kostet hatte, zum Anlaß, Rache zu fordern. Der von 53 755 Tonnen der Westalliierten gegen 3 620 Tonnen dem Stuttgarter Oberbürgermeister Dr. Strölin mit an- der Luftwaffe. Als 1943 auch die Amerikaner am Him- geregte Aufruf des Internationalen Roten Kreuzes vom mel über dem Reich erschienen, erbebte dieses unter März 1940, der eine Übereinkunft der kriegführenden den Einschlägen von 206 000 Tonnen Bomben, wäh- Mächte zur Begrenzung von Luftangriffen auf militäri- rend in Großbritannien nur noch 2 298 Tonnen fielen. sche Ziele vorschlug, war ergebnislos verhallt. Eine Die Westalliierten verfügten auf dem europäischen Orgie gegenseitiger Vergeltung stand nun bevor. Kriegsschauplatz schließlich über 14 133 einsatzfähige Als sich nach dem Zusammenbruch Frankreichs die Bombenflugzeuge (Höchststand im März/April 1945). »Luftschlacht über England« ihrem Höhepunkt nä- Ihre Bomber haben insgesamt mehr als 1 440 000 herte, sprach Hitler Worte, die später anglo-amerika- Feindflüge gegen Ziele im deutschen Machtbereich nischen Bombenstrategen als Rechtfertigung für ihre unternommen. Dabei wurden alles in allem 1 996 036 Angriffsmethoden dienen sollten. Im Hinblick auf die Tonnen Spreng- und Brandbomben abgeworfen. In Zunahme britischer Nachtangriffe auf Stadtgebiete, Großbritannien detonierten – einschließlich der V- insbesondere auf Berlin, sagte er am 4. September Waffen – lediglich 74 172 Tonnen, das sind annähernd 1940: Sie werden es verstehen, daß wir jetzt nun Nacht 13 000 Tonnen weniger als die strategischen Bomber für Nacht die Antwort geben, und zwar steigend Nacht der Gegner im Bereich von Baden-Württemberg ab- für Nacht ... Und wenn sie (die Briten) geworfen haben. Deutschland hat – wie Luftmarschall Harris, der Chef des Bomberkommandos der R.A.F., sagte – Sturm gesät und Orkan geerntet.

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Wenn hier für unser Gebiet erstmals nähere Angaben 16. Dezember 1940 mit 102 britischen Flugzeugen und über Intensität und Ziele strategischer Luftangriffe ge- 126 Tonnen Bomben attackiert worden ist. Diese Stadt, macht werden können, so ist dies Quellenhinweisen vom die infolge ihrer Lage an Neckar und Rhein schon im Historischen Forschungs-Zentrum der US-Luftwaffe in frühen Stadium des Krieges in klaren Vollmondnäch- Maxwell Air Force Base, Alabama, und von Dr. Noble ten leicht zu finden war, hält in Baden-Württemberg Frankland, D.F.C., Direktor des Kriegsmuseums in überhaupt den traurigen Rekord, von insgesamt 151 London, vor allem aber der vom Verfasser im Januar Luftangriffen – darunter 85 schon vor Jahresende 1942 1974 erreichten Freigabe sekretierter Unterlagen durch – betroffen worden zu sein, wobei 8 942 Flugzeuge das Nationalarchiv Washington und den Auskünften des und 25 553 Tonnen Bomben zum Einsatz gekommen britischen Verteidigungsministeriums zu verdanken. sind. Noch bevor er selbst Chef des Bomberkomman- Durch örtliche Kenntnisse war es überdies möglich, dos wurde, hatte Luftmarschall Harris seinem Vor- diese Unterlagen hier noch in einigen Punkten zu gänger Peirse am 18. März 1941 berichtet, daß An- ergänzen und zu berichtigen. Angriffe taktischer, d. h. griffe auf Stuttgart und Mannheim, die sich beide als als »fliegende Artillerie« zur unmittelbaren Vorbe- Flächenziele eigneten, starke Auswirkungen auf die reitung und Unterstützung von Landoperationen ein- Kampfmoral der Deutschen haben würden. Wenn gesetzter Luftstreitkräfte, darunter der gefürchteten Stuttgart bei der damals vorgeschlagenen Angriffsserie Jagdbomber (Jabos), die vor allem 1945 schwere Schä- etwas günstiger weggekommen ist als Mannheim, so den angerichtet haben, sind darin nicht enthalten. Diese hat es dies in erster Linie seiner topografischen Lage in in der Regel mit nur wenigen Flugzeugen überraschend einem nachts oft nebligen und durch zusätzliche Tarn- ausgeführten Aktionen, bei denen die Piloten ihre Ziele maßnahmen geschützten Talkessel abseits des Neckars oft nach Belieben aussuchen konnten, lassen sich in den und dem Umstand zu verdanken, daß seine Vororte amerikanischen Unterlagen leider nicht erfassen. Die zum Teil durch Berge, Wälder und Freiflächen vom wohlgeplante strategische Luftoffensive der Alliierten Stadtkern und voneinander abgetrennt sind. Während sollte hingegen schon lange vor dem Einmarsch der Mannheim seit 1940 laufend – meist von kleineren Bodentruppen durch rücksichtslose (Operation Point- Verbänden – angegriffen wurde, kam es noch 1942 blank) und immer wiederkehrende Angriffe auf mili- vor, daß auf Stuttgart angesetzte Bomberformationen tärische, industrielle und politischen Zentren die Organi- ihr Ziel überhaupt nicht erreicht haben. Bei einer der sation und Wirtschaft im deutschen Machtbereich zer- Cannstatter Neckarschleife ähnelnden Flußbiegung in schlagen und den Widerstandswillen der Bevölkerung, insbesondere der Industriearbeiter, brechen. Dieses Ziel der Nähe von Lauffen war auf freiem Feld eine suchten vor allem die Briten unter Führung des 1942 an Attrappe des Stuttgarter Hauptbahnhofs inmitten imi- die Spitze des Bomberkommandos getretenen Luftmar- tierter Gleisanlagen und Straßenzüge aufgebaut wor- schalls Sir Arthur Harris durch nächtliche Flächenan- den, die zahlreiche für die Landeshauptstadt bestimmte griffe gegen Städte zu erreichen. Auch die Amerikaner Bomben auf sich zog. Stuttgart war und blieb, wie ein führten schon 1943 – allerdings am Tage – Flächenan- Pfadfinder-Navigator dem Verfasser schrieb, ein Ziel, griffe gegen südwestdeutsche Städte aus, behielten aber das schwer zu finden und schwer zu treffen gewesen daneben stets auch Präzisionsangriffe auf strategische ist. Auch nach der Einführung des Bodensicht-Radars Einzelziele bei. kam es z. B. am 15. April 1943 noch vor, daß von 462 gestarteten Bombern nur 393 das Zielgebiet erreichten. Seit 1943 zeitigte diese Zerstörungstechnik mit Hilfe Freiland im Norden, Westen und Südwesten der Stadt neuer Navigations- und Zielortungsgeräte (Leitstrahl und fing die Mehrzahl der am 15. März 1944 von 863 Radar) sowie von verschiedenen Verfahren zur Störung der Flugzeugen und selbst noch der bei einem Double deutschen Jäger- und Feuerleitsysteme immer grauenvol- Blow von insgesamt 642 Flugzeugen am 28. Januar lere Wirkungen. Zu Angriffsbeginn wurden ganze Stadtge- biete mittels Leuchtbomben oder Rauchzeichen als Ziel- 1945 hergeschleppten Bomben auf. Bei dem zuletzt raum markiert. Der nachfolgende, durch einen Master erwähnten Fall dürfte eine Scheinanlage (auf freiem Bomber über Funk dirigierte Bomberstrom riß im Zielge- Feld vorbereitete Brandstätte und Abschußanlage für biet zunächst durch Abwurf riesiger Luftminen Dächer, Raketen mit Leuchtfallschirmen) zu diesem Ergebnis Fenster und Türen auf. Darauf setzten gewaltige Mengen beigetragen haben. Außer dieser Anlage zwischen von Brandbomben ganze Häuserblocks in Flammen, da- Stuttgart-Weilimdorf, Gerlingen, Ditzingen und Korn- zwischen eingestreute Sprengbomben sollten die Lösch- tal sowie dem schon zuvor beschriebenen »Stuttgarter kräfte der Feuerwehr und des Luftschutzes so lange in der Bahnhof« bei Lauffen am Neckar konnten auch bei Deckung der Keller halten, bis der Sog durch die Hitze Maichingen, Bezgenriet, Möckmühl, Feßbach, Er- hochgewirbelter Luftmassen den gefürchteten Feuersturm entfachte, der in dicht bebauten Gebieten kaum mehr auf- mingen, Tiefenbronn, Altensteig, Karlsruhe, , zuhalten war und vielen Menschen zum Verhängnis wurde. , Söllingen, Stein am Kocher und Schwä- bisch Hall Einrichtungen ermittelt werden, die zur Die erste deutsche Stadt, der ein Flächenangriff Irreführung der gegnerischen Flieger dienten. zugedacht wurde, war Mannheim, das schon am

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HEINZ BARDUA / KRIEGSSCHÄDEN IN BADEN-WÜRTTEMBERG 1939-1945 7,11 Stützpunkte und Stellungen der Luftabwehr im Raum Baden-Württemberg (Stand: April 1944)

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Vor allem ist es aber der starken Abwehr durch Jäger, kumentieren die eigentlichen Erfolge, die die deutsche Nachtjäger und Flak (vgl. Abbildung S. 5) zu verdan- Luftabwehr trotz aller Beeinträchtigung durch gegne- ken, wenn die Angriffe der gegnerischen Luftstreitkräfte rische Störmaßnahmen und widriges Wetter erzielte. Die amtliche britische Luftkriegsgeschichte stellt zu- das von ihrer Führung erwartete Vernichtungssoll bei sammenfassend fest, daß die deutsche Luftabwehr Tag- weitem nicht erfüllen konnten. Geraume Zeit ist es den angriffe des Bomberkommandos für den größeren Teil Abwehrkräften sogar gelungen, die Gegner in unserem des Krieges unmöglich machte und »daß sie gewaltig zur Bereich von wirkungsvollen Operationen weitgehend meistenteils mangelhaften Zielgenauigkeit von Nachtan- abzuhalten. Selbst im dritten Kriegsjahr war die von der griffen beigetragen hat«. Tiefangriffe seien für die Bom- deutschen Luftverteidigung ausgehende Abschreckung ber wegen der Flak und Ballonsperren außerordentlich noch so groß, daß Bomberchef Harris seinem Premier gefährlich gewesen und die Nachtjagd sei im Laufe des Churchill am 2. Mai 1942 berichten mußte, ein Tagan- Jahres 1942 zur größten aller Gefahren herangewachsen. griff in das Herz eines stark verteidigten Gebietes, wie Tatsächlich sind von insgesamt 5807 bei Nachtangriffen von Juli 1942 bis Mai 1945 verlorengegangenen R.A.F.- Stuttgart, sei vollständig ausgeschlossen – reiner Selbst- Bombern mindestens 2278 den Nachtjägern und 1345 der mord. Flak zum Opfer gefallen. 112 sind durch Flugunfälle und Die teil- und zeitweise mit Jagd- und Nachtjagdstaffeln 2072 aus nicht bekannt gewordenen Ursachen zugrunde der Reichsverteidigung belegt gewesenen Flugplätze ver- gegangen. 1944 war für die R.A.F. mit 2573 nicht heim- teilten sich auf die Kreise Tauberbischofsheim, Buchen (2), gekehrten Bombern das verlustreichste Kriegsjahr. Selbst Mannheim (2), Mergentheim, Sinsheim, Crailsheim (2), in den wenigen Kriegsmonaten des Jahres 1945 lagen Bruchsal (2), Heilbronn, Schwäbisch Hall, Karlsruhe, ihre Verluste mit 597 Bombern höher als im gesamten Pforzheim, Ludwigsburg, Leonberg, Baden-Baden, Ess- Jahr 1940. Im Kriegstagebuch der Flakgruppe Stuttgart lingen (2), Göppingen, Böblingen (2), Bühl, Calw, Horb, sind für Februar 1945 noch 12, für März 10 und für April Tübingen, Ulm, Lahr (2), Hechingen, Balingen, Ehingen, 2 Abschüsse verzeichnet. Biberach (2), Tuttlingen, Sigmaringen, Saulgau (2), Frei- burg, Donaueschingen, Ravensburg und Tettnang (2). Un- Neben den intensiveren Luftschutzvorkehrungen in ter ihnen nahm Böblingen als Sitz des »Kommandos Flug- den schon früh von Bombenangriffen betroffenen hafenbereich 6/VII«, dem alle Flughäfen Südwestdeutsch- Großstädten dürfte die Luftabwehr den Einwohnern lands und des Elsasses truppendienstlich und versorgungs- mindestens bis in das im Zeichen des fortschreitenden mäßig unterstanden, eine besondere Stellung ein. Zusammenbruchs der deutschen Luftwaffe stehende Obgleich die Anstrengungen der deutschen Luftabwehr Bombenangriffe letztlich nicht verhindern konnten, haben Jahr 1944 hinein weitaus größere Opfer erspart haben. sie doch lange Zeit hindurch mit beachtlichem Erfolg zur Dies kann schon aus der Tatsache geschlossen werden, Schwächung und Störung der alliierten Bomberoffensive daß der Löwenanteil der durch den strategischen Luft- beigetragen. krieg hervorgerufenen Verluste und Schäden hierzu- Die Verluste der Amerikaner lassen sich – im Gegensatz lande erst am Ende des Krieges entstanden ist. Auch zu denen der R.A.F. – nicht sicher einem bestimmten Ziel unter Berücksichtigung anderer Faktoren und Zufälle, oder Gebiet zurechnen, da die seit Herbst 1943 in Südwest- die zum Gelingen oder Mißlingen von Luftangriffen deutschland operierenden Großverbände der U.S.A.A.F. beigetragen haben, läßt die folgende Aufstellung die beim selben Einflug meist mehrere, oft in verschiedenen Vermutung zu, daß die Störung der Bomber beim Teilen des Reichs und der besetzten Gebiete liegende Ziele nacheinander angegriffen haben. Dennoch kann auf der Zielvorgang – nicht allein durch Jagdfliegerangriffe, Basis ihrer durchschnittlich bei Operationen südlich der sondern in größerem Ausmaß durch schweren Flak- Mainlinie erlittenen Verluste davon ausgegangen werden, beschuß, bei Nacht auch durch die Blendwirkung von daß sie in unserem Raum mindestens 200 Bomber mit Scheinwerfern – die Wirkung der Bombenabwürfe einer regulären Besatzung von je 10 Mann eingebüßt ha- sogar noch bis zum Kriegsende stärker beeinträchtigt ben. hat, als gemeinhin angenommen wird. Die R.A.F. verlor bei den 6 bis 8 Stunden währenden Flügen in unseren Bereich und zurück 482 Bomber mit durchschnittlich 7 Besatzungsmitgliedern, davon allein schon 206 bei den mit 8 250 Bombereinflügen und 25 505 Tonnen Bomben ausgeführten Angriffen auf die Landes- hauptstadt. Im Rahmen der Großraum-Nachtjagd schleus- ten sich deutsche Maschinen gelegentlich schon über Bel- gien mit Radarhilfe in die südwärts ziehenden Bomber- ströme ein, um diese schon vor den Angriffen durch Ab- schüsse zu dezimieren. Nachdem die Amerikaner infolge nicht mehr tragbarer Verluste bereits im Herbst 1943 zeitweilig zur Einstellung ihrer Tagoffensive gezwungen worden waren, mußten die Briten selbst im April 1944 noch befürchten, ihre bis dahin praktizierte Strategie nächtlicher Massenangriffe aus dem- selben Grund aufgeben zu müssen. Die Tatsache, daß zahlreiche Bomben außerhalb vertei- digter Zielgebiete im Freiland verstreut worden sind, do- 6

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an. Dies geschah nicht nur, wenn Flugzeugbesatzun- gen infolge der Abwehr – etwa bei Verfolgung durch deutsche Jagdmaschinen – in erhöhte Gefahr kamen, oder wenn sie ihre Bomben einfach los werden wollten, um vor einer furchterregenden Sperrfeuer- wand der Flak abdrehen und auf Heimatkurs gehen zu können. Wie schon das oben erwähnte Freiburger Beispiel zeigt, unterliefen im großräumig geführten Luftkrieg auch folgenschwere Fehler bei der Zielidentifizierung, die zu einer Streuung der Luftkriegsschäden beitrugen. So fielen z.B. selbst in der benachbarten neutralen Schweiz wäh- rend des 2. Weltkriegs etwa 170 Tonnen Bomben auf die Markungen von etwa 100 Ortschaften, in denen 84 Tote und 260 Verletzte zu beklagen waren und rund 150 Gebäude total zerstört oder schwer beschädigt wurden. Ein amerikanischer Verband griff beispielsweise am 1.

April 1944 bei Tageslicht die Stadt Schaffhausen – anscheinend als target of opportunity (Gelegenheitsziel) – Von der im strategischen Luftkrieg bei rund 28 300 an, wobei 40 Menschen getötet und etwa 100 verwundet Bomber-Einsatzflügen (sorties) auf das jetzt baden- wurden. 66 Gebäude sind dabei zerstört bzw. mehr oder minder beschädigt worden. Die Schweiz schoß während württembergische Gebiet abgeworfenen Gesamt-Bom- des Krieges 15 alliierte Flugzeuge ab. 28 weitere gingen benlast von mindestens 87 000 Tonnen (Anteile: dort aus anderer Ursache zugrunde. 139 landeten normal R.A.F. = 57 300, U.S.A.A.F. = 29 700 Tonnen) wur- auf Schweizer Territorium, wo sie mit ihren vorwiegend den mindestens 81 600 Tonnen = 93,8 % auf die am amerikanischen Besatzungen interniert wurden. stärksten betroffenen Städte Mannheim (Tonnage- Die für den Bereich Baden-Württembergs erfaßte, anteil: 31,3%, Zerstörungsgrad insgesamt ung. 51 %), strategisch eingesetzte Gesamt-Bombenlast von min- Stuttgart (31,2%, 34,6%), Karlsruhe (14,5%, 25,8%), destens 87 000 Tonnen verteilt sich folgendermaßen Ulm (6,3%, 43,1%), Friedrichshafen (6,3%, ung. auf die einzelnen Kriegsjahre: 1939 = 0, 1940 = 400, 47%), Heilbronn (3,4%, 57%), Freiburg (3%, 27,8%), 1941 = 2 000, 1942 = 2 500, 1943 = 13 500, 1944 = Pforzheim (2,9%, 66,4%), Reutlingen (0,6%, ung. 49 100, und 1945 (bis März) = 19 500 Tonnen. In der 20%) und Bruchsal (0,4%, ung. 70%) konzentriert. härtesten Phase des Luftkriegs, die hierzulande von Innerhalb der Stadtgebiete und auf dem Lande wur- März 1944 bis März 1945 dauerte, wurden rund 67 500 den zwar – wie bereits erwähnt – auch strategische Tonnen = 77,5 % der Gesamtbombenlast abgeworfen. Einzelziele mit Präzisionsangriffen belegt, doch domi- Erst auf diesen letzten Zeitraum, der vom Niedergang nierten die bebauten Stadt- und Ortsgebiete als Ge- der deutschen Tagjagd und – seit Herbst 1944 – auch samtziele in Baden-Württemberg mit einem Anteil von der Nachtjagd geprägt war, entfiel, wie bereits er- 54 000 Tonnen. Als zweitwichtigste Zielgruppe wur- wähnt, der Löwenanteil der Kriegssterbefälle den die Verkehrseinrichtungen, vor allem Verschiebe- und -sachschäden. bahnhöfe und sonstige Anlagen der Eisenbahn ange- Nach der weitgehenden Zerstörung der größeren sehen. Auf sie entfielen 17 000 Tonnen, während der Städte, die aber bis zuletzt immer noch mehr oder min- Industrie 10 200 Tonnen zugedacht waren. Die zuletzt der heftigen Störangriffen ausgesetzt blieben, gingen genannte Summe enthält 5 000 Tonnen, die auf Pro- die Alliierten gegen Kriegsende zur Vernichtung von duktionsstätten für Fahrzeuge und Panzer angesetzt nicht oder kaum durch Flak verteidigten Mittelstädten waren. 3100 Tonnen der für die Industrie bestimmten über, deren eng bebaute Kerne oft mit einem einzigen Bomben wurden auf Chemiewerke und 1 500 Tonnen Flächenangriff ausgelöscht wurden. Bei der inzwischen auf Werke der Flugzeug- bzw. Raketenproduktion (V- entwickelten, mangels Abwehr schulmäßig anwend- Waffen) abgeworfen. Die Flugplätze im Lande (s. baren Technik der räumlichen und zeitlichen Konzen- Abbildung S. 5) wurden mit 3 000 Tonnen, sonstige tration des Bombenabwurfs und dem infolgedessen militärische Einrichtungen – von Scheinwerferstel- sehr schnell einsetzenden Feuersturm gab es für viele lungen bis zum Artilleriedepot – mit 1 100 Tonnen Einwohner trotz aller Vorkehrungen und des rastlosen bedacht. Der Rest von 1 700 Tonnen Bomben fiel auf Einsatzes von Polizei, Feuerwehr, SHD (Sicherheits- von den Fliegern nicht identifizierte Ziele. Hilfsdienst), Luftschutz- und Selbstschutzkräften oft Auch Teile der für die Städte oder für Spezialziele keine Chance mehr, zu entrinnen. Die Gesamtzahl der bestimmten Bombenlast richteten in umliegenden oder vorwiegend durch den Luftkrieg bedingten Kriegsster- an der Anflugroute gelegenen Orten schwere Schäden befälle lag deshalb – wie bereits erwähnt – bei diesen Mittelstädten z. T. wesentlich höher, als bei den durch viele Luftangriffe nach und nach zerstörten stark ver- teidigten Großstädten Stuttgart 7

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(4 562 Tote), Mannheim (ung. 3 000 Tote) und Karls- Maßgebliche Historiker aus dem Lager der ehemaligen ruhe (1934 Tote). In dem noch am 23. Februar 1945 von Westalliierten halten dafür, daß der Einfluß des Städ- den Briten zerstörten Pforzheim wird sogar mit insge- tebombardements auch auf die deutsche Kriegsproduk- samt ungefähr 17 000 Toten gerechnet. An zweiter Stel- tion lange Zeit bemerkenswert gering war. Trotz der le folgt Heilbronn mit 7 071 Toten, das – wie Ulm mit Vernichtung vieler Industrieanlagen gelang es den 1710 Toten – ebenfalls der R.A.F. zum Opfer gefallen Deutschen nämlich bis in das Jahr 1944 hinein, diese ist. Bei einem amerikanischen Angriff auf Bruchsal ka- durch Dezentralisierung und teilweise Verlegung in men insgesamt 1 062 Menschen ums Leben. Mit Pforz- unterirdische Werke immer wieder zu steigern. Den- heim zusammen erreichte Bruchsal unter den hauptsäch- noch darf den vorwiegend von den Amerikanern – ne- lich vom strategischen Luftkrieg betroffenen Städten mit ben Städteangriffen – praktizierten Präzisionsangriffen etwa 70% den relativ höchsten Zerstörungsanteil. Stutt- auf strategische Einzelziele, insbesondere auf Ver- gart mit 52 034 und Mannheim mit 44 141 zerstörten kehrseinrichtungen und bestimmte Schlüsselindustrien Wohnungen wiesen dagegen 1945 die absolut höchsten (Treibstoffproduktion usw.), ein Einfluß auf den Zu- Zahlen an vorwiegend durch Folgen des Luftkrieges sammenbruch des deutschen Reiches beigemessen unbewohnbar gewesenen Wohnungen auf. werden. Möglicherweise hätte der Krieg bei einer Der von Goebbels am 18. Februar 1943 ausgerufene Konzentration der britischen und amerikanischen Luft- »Totale Krieg« war ausgebrochen – totaler, als man ihn streitkräfte auf solche Ziele eher und unter geringeren sich zuvor überhaupt hatte vorstellen können. Professor Menschenverlusten und Zerstörungen zu Ende ge- Lindemann (später: Lord Cherwell) hatte als Berater bracht werden können. Churchills und britisches Kabinettsmitglied 1942 eine Nachdem die R.A.F. im März 1945 noch einen letz- Kabinettsvorlage durchgesetzt, wonach die R.A.F. die ten Großangriff gegen das Mannheimer und einen Hälfte der Häuser in allen deutschen Städten mit mehr Störangriff gegen das Stuttgarter Stadtgebiet geführt als 50 000 Einwohner zerstören und damit ein Drittel hatte, beendete sie ihre geplanten Aktionen im Bereich der Bevölkerung obdachlos machen sollte. Man erwar- unseres Landes mit kleineren Einsätzen, die am 24. tete, daß die derart terrorisierten Deutschen ihre Führer März gegen Flugplätze bei Pforzheim (wohl: Huchen- schließlich zur Kapitulation zwingen würden, was sich feld) und Tübingen (wohl: Hailfingen) gerichtet waren. jedoch als Fehlspekulation erwies. Am 6. April ordnete Churchill die Einstellung der Im demokratisch regierten Großbritannien erhoben Angriffe auf Stadtgebiete an, weil sonst, wie er be- sich jedoch selbst zur Zeit, als die Luftherrschaft über fürchtete, die Alliierten in Deutschland statt der be- dem Reich mehr und mehr an die Alliierten überging, nötigten Unterkunftsmöglichkeiten nur noch einen sowohl im Ober- als auch im Unterhaus Stimmen gegen Trümmerhaufen vorfinden würden und mit eigenen das rücksichtslose Bombardement deutscher Städte. Mitteln das Chaos beheben müßten. Die Städte Heidel- Hier sind in erster Linie der anglikanische Bischof von berg und Baden-Baden, die nach der Besetzung ameri- Chichester Dr. George Bell und der Labour-Abgeord- kanische bzw. französische Kommandozentralen auf- nete Richard Stokes zu nennen, die sich mutig gegen nehmen mußten, zählen – anders als die übrigen sieben eine erdrückende Mehrheit parlamentarischer Befür- Stadtkreise – nicht zu den in der Karte besonders mar- worter der Städteangriffe stellten. Unter dem Druck kierten Schwerpunkten des strategischen Luftkriegs. einer zum Teil auch von deutschen Aktionen ungünstig Die Amerikaner griffen im März 1945 außer der be- beeinflußten öffentlichen Meinung stehend, mußte es reits erwähnten Stadt Bruchsal noch die Fahrzeug- diesen Männern versagt bleiben, die nach Jahren der werke, den Verschiebebahnhof und ein Artilleriedepot Frustration endlich in Gang gekommene Vernichtungs- in Ulm sowie Eisenbahnanlagen in Göppingen, Heil- maschinerie zu stoppen. bronn, Neckarsulm, Reutlingen, Rastatt und Offenburg Auch im Besitz der 1944 errungenen absoluten Luft- an. Trotz der Ausweisung dieser strategischen Einzel- herrschaft ist es den alliierten Bomberflotten indessen ziele wurden dabei verschiedentlich sehr starke Schä- weder gelungen, das ihnen gesetzte Zerstörungs-Soll zu den in Wohngebieten angerichtet und zahlreiche Zivi- erfüllen noch den Widerstandswillen der deutschen Be- listen getötet. In Reutlingen bombardierten einige völkerung zu brechen. Selbst Kreise, die dem NS- amerikanische Flugzeuge am 4. März nochmals gezielt System ablehnend gegenüberstanden, konnten von das Stadtgebiet. Schließlich folgte am 22. März noch Staatsmännern, die einen wahllosen Vernichtungskrieg ein letzter größerer Angriff auf den Flugplatz Schwä- gegen Wehrlose führen ließen, nichts Gutes mehr er- bisch Hall-Hessental. Spätere Bombenschäden dürfen warten. Diese von der nationalsozialistischen Propa- hierzulande – abgesehen von etwaigen Zufallsab- ganda klug ausgenützte Erkenntnis neutralisierte einen würfen der bis zum 25. April über den noch in deut- Teil des Eindrucks, den die gewaltige Machtdemon- scher Hand befindlichen Gebieten operierenden stra- stration der alliierten Luftstreitkräfte in den letzten tegischen Bomber – den taktischen Luftstreitkräften Kriegsmonaten hinterlassen hat. Man stand zwischen der Alliierten, darunter der vorwiegend mit französi- zwei Feuern, dem NS- und dem Luftterror. schem Personal fliegenden 1st Tactical Air Force, zu- geschrieben werden.

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3. Bodenkämpfe und taktischer Waffeneinsatz von 1 169 Ziviltoten und 4 720 zerstörten Wohnungen aber vorwiegend von der im strategischen Luftkrieg Der Einwirkung taktischer Waffen, vor allem der zerstörten kreisangehörigen Stadt Bruchsal beeinflußt Artillerie und der taktischen Luftstreitkräfte, war unser sind. Land in der Zeit vom September 1939 bis zum Zu- Schwere Schäden entstanden auch im Kreis Crails- sammenbruch Frankreichs im Juni 1940, vor, haupt- heim, als die 10. U.S.-Panzerdivision aus dem Raum sächlich aber während der Besetzung 1944/45 ausge- Mergentheim am 6. April 1945 bis Crailsheim vorge- setzt gewesen. (Vgl. Karte 7,10). stoßen und am 10./11. April durch erbitterten deut- Als Beispiel für die schon im ersten Stadium des schen Widerstand zum Rückzug hinter die amerikani- Krieges betroffenen Gemeinden sei Neuenburg am schen Linien bei Nitzenhausen gezwungen wurde. Mit Rhein herausgegriffen. Seine Bevölkerung war bereits der zweiten und endgültigen Besetzung der nun zu evakuiert, als von Dezember 1939 an immer wieder 66% zerstörten Stadt Crailsheim am 20./21. April und Maschinengewehrgarben in die Stadt prasselten und dem gleichzeitigen Vordringen der Amerikaner bis zur vom Ende des Februar 1940 an auch Granaten dort de- Linie Gaildorf-Murrhardt-Backnang-Winnenden- tonierten. Am 26. Mai 1940, während die deutsche Waiblingen-Bad Cannstatt, sowie nach Schwäbisch Westoffensive im Gang war, erfolgte ein Artillerie- Gmünd und Schorndorf, gingen die Kampfhandlungen überfall der Franzosen auf die Stadt. In der Zeit vom 9. im nördlichen Württemberg zu Ende. Stuttgart selbst bis 14. Juni ging dort ein Granathagel von etwa 3 000 wurde – mit Ausnahme seiner durch Sprengung aller Schuß nieder. Schließlich führten die fast ununter- Brücken abgetrennten, rechts des Neckars gelegenen brochenen Tiefflieger- und Artillerieangriffe vom Sep- und deshalb von den Amerikanern besetzten Vororte – tember 1944 bis April 1945 die nahezu vollständige etwa gleichzeitig von den Franzosen eingenommen. Zerstörung herbei. Wenn dabei keine Zivilisten ums Bei den vorausgegangenen Kämpfen sind im nörd- Leben gekommen sind, so ist dies allein der zwei- lichen Baden und Württemberg, außer dem bereits er- maligen totalen Evakuierung der Stadt zu verdanken. wähnten Crailsheim, zahlreiche weitere Gemeinden In dem schon vom Luftkrieg so schwer betroffenen durch taktischen Waffeneinsatz schwer geschädigt Mannheim sind dagegen vor und während der Be- worden. Nur einige wenige davon können hier Er- setzung noch 158 Menschen dem Artilleriebeschuß wähnung finden. Aus der großen Zahl der kleineren, in und sonstiger Feindeinwirkung zum Opfer gefallen. der Karte nicht untergebrachten Orte sei Königshofen Zwischen Mannheim und Karlsruhe erreichten die an der Tauber genannt; dessen Zerstörungsgrad 75 % 7. U.S.-Armee und die 1. französische Armee zu Be- erreichte und dessen Einwohnerschaft 13 Todesopfer ginn der letzten Märzwoche 1945 den Rhein. Wenig zu beklagen hatte. Artilleriegeschosse und Bomben später gelang es den Amerikanern, nördlich von richteten im Lauf des April 1945 zum Beispiel in Sind- Mannheim einen Brückenkopf zu bilden, die Stadt ringen, Forchtenberg, Heimsheim, Neuenstadt am selbst am 29. März einzunehmen und weiter nach Os- Kocher, Niederstetten und Beilstein schwere Zerstö- ten und Südosten vorzudringen. Bei Germersheim rungen an. überschritten die Franzosen am 31. März mit Stoß- Nach sieben vorausgegangenen Angriffen fügten ame- richtung auf Stuttgart den Rhein. Die dritte Ausgangs- rikanische Jabos am 12. April dem von deutschen stellung zum Angriff auf unser Land bildete ein tiefer Truppen bereits geräumten Weinsberg den schwersten Einbruch der Amerikaner im Raum Frankfurt, der Schlag zu. Waldenburg und Ilshofen fielen vorwie- rasch zum unteren Main hin ausgedehnt werden gend der amerikanischen Artillerie zum Opfer, konnte. während der Brand des Städtchens Löwenstein auf ein Im relativ dünn besiedelten Kreis Mergentheim Zusammenwirken von Jabos und Artillerie zurückzu- wurde vom 31. März bis 15. April heftig gekämpft. führen ist. Allein in den nordwürttembergischen Land- Am 4. April kam der Vormarsch der Amerikaner an kreisen Backnang, Crailsheim, Heilbronn (ohne den einer von Heilbronn aus neckarabwärts und jagstauf- Stadtkreis), Künzelsau, Ludwigsburg, Mergentheim, wärts bis Dörzbach verlaufenden deutschen Verteidi- Öhringen, Schwäbisch Hall und Vaihingen fielen dem gungslinie vorübergehend ins Stocken. Den dabei sich Krieg 2 170 zivile Einwohner zum Opfer. entwickelnden harten Kämpfen ist es – abgesehen von Inzwischen war Karlsruhe am 4. April in die Hände Auswirkungen des strategischen Luftkriegs – zuzu- der 4. französischen Kolonialdivision gefallen. Von schreiben, wenn der damalige Landkreis Heilbronn mit den Gemeinden seines Landkreises blieben nur zwei 596 getöteten ortsansässigen Zivilisten und 4 091 zer- von Kriegsschäden verschont. Morsch wurde z.B. am störten beziehungsweise unbewohnbaren Wohnungen 5. April von den Franzosen besetzt. Als die am folgen- vor dem ehemaligen Landkreis Karlsruhe (536 Tote, den Tag zwangsevakuierten Einwohner am 12. April 1 992 Wohnungen) und dem Kreis Rastatt (518 Tote, zurückkehren durften, fanden sie annähernd ein Fünf- 5 063 Wohnungen) in der Spitzengruppe der vom tel ihres Dorfes in Trümmern vor. Krieg betroffenen Landkreise in Baden-Württemberg Schon nachdem sich der Gegner im November 1944 erscheint. Die erwähnten Kreise werden hierin nur bis Straßburg durchgekämpft und schließlich das ge- noch vom Altkreis Bruchsal übertroffen, bei dem die Zahlen

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samte französische Rheinufer wieder besetzt hatte, – oder besser gesagt, das, was von ihnen noch übrig waren die oberrheinischen Kreise zunehmend in den Ak- geblieben war –, kapitulierten, so z.B. in Tübingen, tionsradius taktischer Waffen geraten. Das unter Artil- Donaueschingen und Immendingen. Der motorisierte leriebeschuß liegende mußte am 24. November von Gegner ließ diesen aus allen Waffengattungen und der Zivilbevölkerung total geräumt werden. Nur ein ge- Jahrgängen buntscheckig zusammengewürfelten Fuß- ringer Teil seiner Schäden geht indessen zu Lasten der truppen, die kaum mehr über Fahrzeuge, Treibstoff Kampfhandlungen. Der Löwentanteil der Zerstörungen und Verpflegung verfügten, keine Zeit mehr, sich neu wurde dort von Marodeuren angerichtet, während zu formieren. Am 24. April 1945 standen Amerikaner beispielsweise 16,2 % des weiter nördlich gelegenen und Franzosen bereits bei Dietenheim an der Iller. Lichtenau den Jabos und der Artillerie zum Opfer gefal- Nachdem der Bodenseeraum und das württember- len sind. Lahr lag von Februar bis April 1945 fast all- gische Allgäu schon in der letzten Aprilwoche ver- nächtlich unter Artilleriebeschuß. In den gleichfalls et- lorengegangen waren, ergaben sich beispielsweise am was weiter vom Rhein entfernten Städten Emmendingen 2. Mai 1945 die 246. Volksgrenadierdivision in Iller- und Staufen forderten Luft- und Artillerieangriffe 264 tissen und am 6. Mai die 559. in Hindelang. Die all- bzw. 78 Menschenleben. Die evakuierte Grenzstadt gemeine, bedingungslose Kapitulation stand unaus- Breisach hatte zwar nur 27 Tote zu beklagen, sie ist aber weichlich bevor. beim – mit Rücksicht auf die Westwall-Befestigungen – erst am 20./21. April erfolgten Einmarsch der Franzosen zunächst durch Beschuß sehr schwer zerstört worden. II. Erläuterungen zur Karte Danach trugen auch Marodeure noch zur Vollendung des Vernichtungswerks bei, dem 74,7 % der Wohnungen 1. Menschenverluste zum Opfer gefallen sind. Die noch weiter südlich In der vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Deut- gelegene, zu 96 % zerstörte Stadt Neuenburg wurde be- schen Bevölkerungsbilanz des 2. Weltkriegs werden die Ver- reits oben erwähnt. luste, die die Zivilbevölkerung des Deutschen Reichs (Stand 1937) durch Luftkrieg und Bodenkämpfe erlitten hat, mit fast Unter den vom Einmarsch der Franzosen berührten einer halben Million veranschlagt. Davon werden 410 000 als Kreisen sind, abgesehen von den schon früher genann- Opfer des strategischen Luftkriegs und etwa 20 000 als solche ten ehemaligen Landkreisen Karlsruhe und Rastatt vor des Landkriegs angesehen. Als weitere Luftkriegsopfer wurden allem die Kreise Lahr (292 getötete ortsansässige Zivi- im Reichsgebiet 32 000 Ausländer und Kriegsgefangene sowie listen, 1 039 zerstörte Wohnungen; grüne Zahlen i. d. 23 000 Angehörige der Wehrmacht und Polizei gezählt. Karte), (117 Tote, 1499 Wohnungen), Innerhalb des jetzigen Landes Baden-Württemberg, das im Donaueschingen (283 Tote, 1 044 Wohnungen) und 2.Weltkrieg insgesamt 315 000 Menschen und somit 5,7 % der Calw (342 Tote, 788 Wohnungen) besonders schwer Bevölkerung von 1939 (Volkszählung) verloren hat, sind nach auch durch taktische Waffen geschädigt worden. Die den Angaben des Statistischen Landesamts (Kriegssterbefälle und Todeserklärungen, erhoben bis zum 31. Dez. 1972) 39 982 Zerstörung des Kerns der Lazarettstadt Freudenstadt (57 ortsansässige deutsche Zivilpersonen durch Kriegseinwirkung Tote) am 16./17. April 1945 durch französische Artil- ums Leben gekommen. 22 530 davon waren weiblichen Ge- lerie und Jabos verdient besondere Erwähnung. Die schlechts. Der Anteil der Kinder und Jugendlichen liegt bei gleichfalls zum Teil sehr hohen Verluste und Kriegs- 21%. Etwa die Hälfte der Erwachsenen war, da die wehrfähigen schäden in anderen vom französischen Einmarsch be- Jahrgänge eingezogen gewesen sind, über 45 Jahre alt. Ferner troffenen Kreisen dürften vorwiegend vom strategischen sind 4 414 durch den Krieg im Lande umgekommene Aus- Luftkrieg hervorgerufen worden sein. länder hinzuzurechnen. Etwa 94,5 % der zivilen Kriegsopfer Vor den in Zahl und Ausrüstung weit überlegenen, wurden für die Jahre 1944 und 1945 registriert. unablässig vordringenden amerikanischen und fran- Von der Gesamtzahl sind 75,4 % dem Luftkrieg, 8,3 % dem Landkrieg und 16,3 % sonstigen kriegsbedingten Einwirkungen zösischen Truppen zogen sich die abgekämpften, pau- und Vorgängen zum Opfer gefallen. senlos von Flugzeugen, Panzern und Artilleriebeschuß Die Kriegsverluste in den vom strategischen Luftkrieg be- gejagten Reste der 1. deutschen Armee – sie hatte allein sonders hart betroffenen Stadtkreisen Stuttgart, Heilbronn, im nördlichen Württemberg mehr als 2 000 Gefallene Ulm, Karlsruhe, Mannheim, Pforzheim und Freiburg machen und ein Vielfaches an Verwundeten und Gefangenen allein schon bei den ortsansässigen deutschen Zivilisten 26 484 verloren – in hinhaltendem Widerstand über die Schwä- Gefallene aus. bische und hinter die Donau in Richtung auf das Sowohl dem vorwiegend gegen Ziele des höher industriali- Hochgebirge zurück, das als »Alpenfestung« einen sierten und bevölkerten Nordens von Baden und Württemberg letzten verteidigungsfähigen Stützpunkt bieten sollte. gerichteten Luftkrieg sowie den dort in stärkerem Maße auf- getretenen Bodenkämpfen bei Kriegsende ist es zuzuschreiben, Gleichzeitig wurden die Reste der vom Westwall kom- wenn in diesen Landesteilen die höheren Menschenverluste ein- menden 19. und der an der Schweizer Grenze aus getreten sind. Von den Regierungsbezirken hatte Nordwürt- Volkssturmeinheiten usw. improvisierten 24. deutschen temberg einen Anteil von 16 044, Nordbaden von 15 297, Süd- Armee nach Osten getrieben. Immer mehr deutsche baden von 6 080 und Südwürttemberg-Hohenzollern von 2 561 Truppen, zum Teil ganze Divisionen im Lande getöteter oder vermißt gebliebener deutscher Zivi- listen zu verzeichnen. Die geringsten Verluste sind in den Landkreisen Säckingen (23), Ehingen (27), Wangen (35) und

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Sigmaringen (41) entstanden. Die höchsten Verluste hatte – wie scheinen, so ist dies meist darauf zurückzuführen, daß sich diese bereits im Abschnitt über den strategischen Luftkrieg erwähnt entweder nur auf einen Teil des bebauten Markungsgebiets wurde – der Stadtkreis Pforzheim zu beklagen (s. Zahlen- beziehen, oder daß sie auf der bebauten Fläche oder der Zahl nachweis S. 18). der Gebäude aller Art fußen. Im damals noch mit vielen land- Die Gesamtzahl der innerhalb des Landes umgekommenen wirtschaftlichen Nebengebäuden durchsetzten Städtchen Beil- Angehörigen der Wehrmacht und gleichgestellter uniformierter stein wurden zum Beispiel etwa 40 % der Gebäude, aber nur Verbände konnte nicht in Erfahrung gebracht werden. Sie mag 15,9 % der Wohnungen zerstört. Die Schäden und Totenzahlen vielleicht bei 4 000 liegen. Soweit die Gefallenenzahlen der in der Karte nicht unterzubringenden kleineren Gemeinden uniformierter Einheiten den Berichten von Gemeinden sowie sind in den auf Landkreisebene ausgeworfenen Werten ent- vor allem den vom Verfasser eingeholten Fragebogen ent- halten, die dem Bericht Nr. 29 des Stuttgarter Instituts für süd- nommen werden konnten, sind sie im Zahlennachweis und in westdeutsche Wirtschaftsforschung entnommen wurden. Die den eingeklammerten Totenzahlen der Karte enthalten. Dort angegebenen Prozentsätze können lediglich als Anhaltspunkte erscheinen auch andere, nicht zur ortsansässigen deutschen Zi- für den Grad der Kriegszerstörung angesehen werden. Exakte vilbevölkerung zu rechnende Gruppen. Vergleichsmöglichkeiten konnten auf diesem Gebiet unter den gegebenen Umständen leider nicht geschaffen werden. In den Dokumenten deutscher Kriegsschäden wird davon 2. Sachschäden ausgegangen, daß von etwa 19 600 000 massiv gebauten Woh- nungen im Reich (Stand 1937) schätzungsweise 4 050 000, das Während von den Kriegstoten wenigstens die einheimischen sind rund 20 %, durch Kriegseinwirkung verloren gingen. Im Zivilisten über die Einträge von Kriegssterbefällen und nach- jetzigen Land Baden-Württemberg waren von etwa 1 497 200 träglichen Todeserklärungen in den Standesamtsregistern an- bei Kriegsbeginn vorhandenen Wohnungen am Kriegsende nähernd vollständig erfaßt werden konnten, stellten sich dem mindestens 211 291, das sind etwa 14,1 %, unbewohnbar. Wie Versuch, auch die vom Krieg im Lande hervorgerufenen Sach- die Menschenverluste, sind auch diese Sachschäden weit über- schäden objektiv zu bewerten und Vergleichsmöglichkeiten zu wiegend Folgen des strategischen Luftkriegs. Dementsprechend schaffen, erhebliche Schwierigkeiten entgegen. Bei den am rangieren auch hier die ehemaligen Regierungsbezirke Nord- schwersten wiegenden Sachschäden an Gebäuden, vor allem am württemberg mit 94 963 und Nordbaden mit 85 836 unbewohn- Bauzustand und der Bewohnbarkeit der Wohnungen, schien baren Wohnungen (Mindestzahl) vor Südbaden mit 21 860 und eine Beurteilung materieller Kriegsfolgen noch am ehesten Südwürttemberg-Hohenzollern mit 8 432 zerstörten Wohnein- möglich. Zwar existiert ein System zur Feststellung und pro- heiten. zentualen Bewertung von Gebäudeschäden nach fest umris- Die absolut höchsten Zahlen an bei Kriegsende nicht mehr senen Kriterien, doch konnte es im Krieg und in der unmittelbar verwendbar gewesenen Wohnungseinheiten hatten die Stadt- anschließenden Zeit der Bestandsaufnahme nur selten ange- kreise Stuttgart mit 52 034 und Mannheim mit 44 141 Woh- wandt werden, weil die hierzu benötigten Fachkräfte nicht in nungen aufzuweisen. Von den ehemaligen Kreisen waren die genügender Zahl verfügbar waren. In der Praxis wurden die Stadtkreise Pforzheim mit 66,4 % und Heilbronn mit 57 % Schäden vielfach von Laien unter Zeitdruck geschätzt, relativ am stärksten betroffen. Bei den Landkreisen stehen Tett- gelegentlich – unter dem Eindruck des von einem Luftangriff nang mit 26,1 %, Rastatt mit 21,7%, Bruchsal mit 19,6 % und oder Artilleriebeschuß hervorgerufenen Chaos – auch über- Crailsheim mit 16,4 % in der relativen Bewertung an der Spitze. schätzt. Mancherorts liegen sogar mehrere, in den Ergebnissen Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß diese Werte er- voneinander abweichende Erhebungen vor. Selbst wenn für ein heblich von den schweren Schäden in den kreisangehörigen Gebiet einheitliche Beurteilungsgrundsätze aufgestellt worden Städten Friedrichshafen, Rastatt, Gaggenau, Bruchsal und waren, blieb das Ergebnis der Schadenserhebungen einzelner Crailsheim beeinflußt worden sind. Den geringsten Zerstö- Gemeinden infolge mangelhafter Anwendung oft unbefriedi- rungsgrad weist der Landkreis Sigmaringen mit 5 unbewohn- gend. baren Wohnungen (0,1 %) auf. Als Grundlage für die Schadensbemessung wurde für den Ein grobes Bild der in den verschiedenen Landesteilen ent- vorliegenden Zweck schließlich eine Gegenüberstellung des standenen Sachschäden vermittelt auch eine in den Dokumenten Wohnungsbestandes von 1939 (Volkszählung) und der Zahl der deutscher Kriegsschäden veröffentlichte, allerdings nur Städte bei Kriegsende unbewohnbar gewesenenen Wohnungen ge- mit mehr als 20 000 Einwohnern erfassende Statistik der Trüm- wählt. Lediglich bei Gemeinden, die die Wohnungszahlen nicht mermengen, die nach Kriegsende geräumt werden mußten. Da- liefern konnten, wurde von den Gebäude- (G) bzw. Wohn- nach entfielen auf Nordwürttemberg und Nordbaden zusammen Gebäudezahlen (WG) oder vom Zerstörungsanteil an der be- 14 150 500 cbm = 9,4 cbm Trümmerschutt pro Einwohner. In bauten Fläche (F) ausgegangen. Die Erhebung des Zahlen- Südbaden waren es 1 071 000 cbm = 5,9 cbm pro Einwohner materials erfolgte durch einen Fragebogen, der an alle we- und in Südwürttemberg-Hohenzollern 151 600 cbm = 1,2 cbm sentlich betroffenen Gemeinden mit mindestens 3 000 Einwoh- pro Einwohner. Auf die mehr als 20 000 Einwohner zählenden nern (Stand 1950) sowie an eine Anzahl kleinerer Städte ver- Städte unseres Landes entfielen demnach insgesamt 15 373 100 sandt worden ist. Bei Gemeinden, die keinen Fragebogen aus- cbm, das sind etwa 8,5 cbm Trümmerschutt auf jeden ihrer Ein- gefüllt haben – es handelt sich dabei überwiegend um Orte mit wohner. geringerem Wohnungsverlust – fehlen im Zahlennachweis die Die Erfassung der Industrieschäden warf noch größere Pro- Einzelangaben. Für sie wurden in der Regel die Werte aus der bleme auf, als die der Wohnungsschäden. So war beispielsweise »Kriegsfolgenkarte Westdeutschland 1939-1950« übernommen, die Stadt Mannheim angesichts ihrer riesigen Luftkriegsschäden die die zu 50 und mehr Prozent beschädigten Wohnungen dem nicht in der Lage, den besonderen Zerstörungsanteil der In- Bestand von 1939 gegenüberstellt. dustrie in vertretbarer Weise zu beziffern. Auch dort, wo ent- Wenn in der Literatur verschiedentlich von den hier dar- sprechende Werte ausgeworfen werden konnten, gebotenen Werten abweichende Zerstörungsprozentsätze er-

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handelt es sich nur um Schätzungen, die sich teils nur an den kreisen wohnhaft gewesenen Pendler, die bei der Bombardie- Beschädigungen von Industriebauten, teils aber auch an denen rung der Rüstungswerke in Friedrichshafen gefallen sind, wur- der Fertigungseinrichtungen im engeren Sinne oder am Pro- den demnach unter ihren Heimatkreisen ausgeworfen. Deshalb duktionsausfall orientierten. liegt die beim Landkreis Tettnang angegebene Zahl getöteter Die kriegszerstörten Kunst- und Kulturschätze konnten in dem deutscher Zivilisten unter der Zahl der von der Stadt Fried- für diese Arbeit schon vom Kartenformat her gesteckten Rahmen richshafen gemeldeten Toten. nicht im einzelnen erfaßt werden, doch darf hier wenigstens an Die Zahl der durch Kriegseinwirkung verwundeten Zivi- die weitgehende Zerstörung der großen Barockschlösser in listen, die allein in Stuttgart 8908 betragen hat, konnte nicht für Stuttgart, Mannheim und Bruchsal sowie an die vor allem im alle Gemeinden und Kreise entsprechend präzisiert werden und Bombenkrieg vernichteten oder beschädigten Kirchen, Biblio- blieb deshalb unerwähnt. theken, Museen und Archive erinnert werden. Alle alten Be- In der vierten Spalte des zweiten Teils sind die anläßlich der stände des Stadtarchivs Stuttgart sind z.B. bei einem unerwar- Volkszählung von 1939 erfaßten Wohnungen und die bei teten Luftangriff auf den Verlagerungsort Löwenstein verbrannt. Kriegsende unbewohnbar gewesenen Wohnungen erfaßt. Die Noch immer besteht die Gefahr, daß aus dem 2. Weltkrieg fünfte Spalte enthält Angaben über den daraus bzw. aus dem stammende Kampfmittel Schaden stiften. Vor allem in den bom- Zerstörungsanteil an Gebäuden, Wohngebäuden oder an der bardierten Städten werden bei Tiefbauarbeiten oft noch scharfe überbauten Fläche errechneten Zerstörungsgrad (Abkürzungen Blindgänger zutage gefördert. Das staatliche Sprengkommando s. Abschnitt II,2). Die Spalte sechs gibt – soweit Unterlagen hat in den ersten 25 Jahren seines Bestehens bis 1971 an 30 280 vorhanden waren – über die Industriezerstörung Aufschluß. Wo Fundorten Munition im Gesamtgewicht von 3 772 465 kg für einen Ort mehrere Schadensbewertungen mit unterschied- geräumt. Mit je 30 000 Fundmeldungen standen die Städte Stutt- lichen Ergebnissen vorliegen, wurde für die Karte diejenige gart und Heilbronn bis dahin an der Spitze der Fundorte. ausgewählt, die die meiste Wahrscheinlichkeit für sich hat. Die Spalten sieben, acht und neun geben getrennte Zahlen für die britische (ʘ) und amerikanische ( ) Luftwaffe an, die die abgeworfene Bombenlast (short tons = 907,18 kg) sowie die 3. Zahlennachweis über dem Ziel eingetroffenen Bomber (effective sorties) und Im Zahlennachweis sind die in der Karte erfaßten Gemeinden deren Verluste (R.A.F. = tatsächliche Verluste, U.S.A.A.F. = und Stadtkreise aufgeführt, während die Daten für die einzelnen errechnete Durchschnittsverluste) beziffern. In Anbetracht der Landkreise nur in der Karte selbst in grünem Druck erscheinen. großräumig geplanten Luftkriegsstrategie können diese Werte Letztere enthalten die vom Statistischen Landesamt bis zum 31. allerdings – wie bereits erwähnt – nicht allein auf den Mar- Dezember 1972 erhobenen Zahlen der Kriegssterbefälle und kungsbereich der betreffenden Stadt bezogen werden. Die Alli- Todeserklärungen von deutschen Zivilpersonen sowie die dem ierten ordneten z.B. jenseits der Markungsgrenze liegende Flug- Bericht Nr. 29 des Instituts für südwestdeutsche Wirtschaftsfor- plätze wie Merzhausen bei Freiburg, Echterdingen sowie Böb- schung, Stuttgart, entnommenen Zahlen und Prozentanteile der lingen-Sindelfingen bei Stuttgart und Dornstadt bei Ulm der bei Kriegsende unbewohnbar gewesenen Wohnungen. Darin jeweiligen Stadt zu. Das weitere Umland der Ziele von Flächen- konnten die Wohnungszahlen für Nordwürttemberg und Nord- angriffen wurde aber auch durch die Streuwirkung der Luft- baden in Anlehnung an die amtliche Wohnungszählung von 1946 angriffe erheblich mitgeschädigt. Ähnliches gilt für die Um- erhoben werden, während die Wohnungsschäden in Südwürt- gebung mancher Scheinanlagen (z. B. Lauffen a. N.). temberg-Hohenzollem und Südbaden über die Baubehörden er- Der Vergleich der gegen eine Stadt eingesetzten Bomben- mittelt werden mußten und in höherem Maße auf Schätzungen tonnage mit der Totenzahl und dem Zerstörungsprozentsatz beruhen. zeigt, daß das Ausmaß der Angriffswirkungen nicht immer Die Kreiszugehörigkeit der Gemeinden (Stand 1957) ist an der Rückschlüsse auf die Angriffsintensität zuläßt. In Bruchsal wur- für Kraftfahrzeugkennzeichen gebräuchlichen Buchstabengruppe den mit 344 Tonnen Bomben mehr als 1 000 Menschen getötet, zu erkennen. Unter den Namen der vom strategischen Luftkrieg dagegen bedurfte es in Mannheim einer Bombenlast von 25 553 betroffenen Gemeinden sind in Klammem die von den Alliierten Tonnen, um dort das Bruchsaler Ergebnis in dieser Hinsicht angegebenen örtlichen strategischen Ziele ausgewiesen (NiZ = annähernd zu verdreifachen. Nicht nur topographische, städte- nicht identifiziertes Ziel). In der zweiten Spalte wird die bei der bauliche, organisatorische, meteorologische und militärische Volkszählung von 1939 erhobene Bevölkerungszahl ausge- Gegebenheiten, sondern auch eine Menge Imponderabilien wiesen, während in der dritten die Zahl der Todesopfer ange- spielten dabei eine Rolle. Das Kriegsgeschehen folgt eigenen geben ist. Der auf Landesebene erstellten Statistik entsprechend, Gesetzen. Deshalb fällt es auch so schwer, seine oft als Ver- wurden die Gruppen »Deutsche Zivilisten« (Ortsansässige = O), kettung blinder Zufälle erscheinenden chaotischen Folgen lo- »Ausländer« (A) und »Uniformierte Angehörige der Wehrmacht gisch zu erfassen und statistisch zu verarbeiten. und gleichgestellter Organisationen« (U), soweit dies möglich Eine Rückfrage, die wegen allerdings nicht gravierender war, gesondert aufgeführt. Wo nur die Gesamtzahl der Toten aller Differenzen in amtlichen Unterlagen über ins Ziel gebrachte Gruppen ermittelt werden konnte oder wo die Zusammensetzung Bombentonnagen nötig geworden war, beantwortete der pro- dieser Zahl unsicher blieb, steht sie in Klammern. Zahlen, die mit minente britische Luftkriegshistoriker und -teilnehmer Dr. Vorbehalt wiedergegeben werden, sind kursiv gesetzt. Das Sta- Noble Frankland mit folgenden Worten, die ohne weiteres auch tistische Landesamt hat die Zahl der getöteten deutschen Zivi- auf einen Teil der deutschen Unterlagen zur Berechnung von listen auf der Ebene der Stadt- und Landkreise nach dem Wohn- Kriegszerstörungen angewandt werden können: »You will also ortsprinzip errechnet. Die in den umliegenden Land- see that there is no satisfactory and certain method of resolving the question precisely since the various sources give different figures«.

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4. Einzelfragen der Darstellung baden-württembergische Gebiet beschränkt, so daß die außer- halb liegenden Zwillingsstädte Ludwigshafen und Neu-Ulm Die Karte zeigt in der Abstufung der Flächentönung zwischen unberücksichtigt bleiben. In Anbetracht der Ungenauigkeit der Weiß und verschiedenen Blautönen, wie auch in Ziffern, den Abwürfe besteht jedoch kein Zweifel daran, daß beispielsweise Zerstörungsgrad (in der Regel: prozentualer Anteil der nach für Ludwigshafen bestimmte Bomben auch in Mannheim Kriegsende erfaßten unbewohnbaren bzw. mehr als zur Hälfte niedergegangen sind, wie dies auch umgekehrt geschehen sein zerstörten Wohnungen am Gesamtbestand von 1939) der ein- dürfte. Der Versuch, den in Baden-Württemberg hervorgeru- zelnen damals bestehenden Kreise (Stadtkreise: schwarze Schrift, fenen Verlusten und Schäden den beträchtlichen Aufwand der Landkreise: grüne Schrift, Kreisnamen bei Platzmangel auf das Alliierten an Flugzeugen, Besatzungen und Bomben gegenüber- Kfz-Zeichen gekürzt) sowie die Zahl der darin durch Kriegsein- zustellen, führte beim Vergleich zwischen von schwerer Flak wirkungen aller Art umgekommenen deutschen Zivilisten (nach verteidigten und ungeschützten Städten (s. Abbildung S. 5) zu dem Wohnortsprinzip). Der Stadtkreis Stuttgart ist mit seinem im interessanten Vermutungen über die indirekte Wirksamkeit der April 1942 erreichten Gebietsstand ausgewiesen. Boden-Luft-Abwehr. Ferner ist der Zerstörungsgrad von 167 damaligen Gemeinden Von den Verkehrseinrichtungen spielte vor allem die Eisen- durch Symbole und Ziffern ausgewiesen. Mangels gleichwertiger bahn – vorab deren Knotenpunkte und die Verschiebebahnhöfe Berechnungsgrundlagen sind die hinter den Ortsnamen genannten – sowohl bei der Planung strategischer Luftangriffe als auch Prozentsätze allerdings nicht exakt vergleichbar; sie können somit beim Einsatz taktischer Luftstreitkräfte und als Gelegenheitsziel nur als Anhaltspunkte dienen. Wegen der Verdichtung in den eine bedeutende Rolle. Aus diesem Grunde wurde das Eisen- Räumen um Karlsruhe, Pforzheim, Heilbronn und Stuttgart war es bahnnetz rot eingezeichnet. Die Reichsautobahn erscheint als nötig, die Auswahl in der Regel auf betroffene Gemeinden mit schwarze Doppellinie. Da die 44 militärisch genützten Flug- etwa 3000 und mehr Einwohnern (Stand 1950) zu beschränken. plätze im Lande Luftangriffe auf sich gezogen haben, die oft Nur wenige kleinere Orte mit Zentralfunktion konnten – soweit auch umliegende Siedlungen verwüsteten, fanden auch sie sie sich an der Fragebogenaktion beteiligt hatten – zusätzlich Aufnahme in die Karte. Sie konnten leider nicht alle ganz berücksichtigt werden. Die Schäden und Verluste aller übrigen lagegetreu eingezeichnet werden und erscheinen zum Teil an Gemeinden sind auf Kreisebene mit erfaßt worden. Wo es nicht beliebiger Stelle bei dem Ort, dessen Namen sie trugen. Soweit möglich war, den Zerstörungsgrad auf der Wohnungsbasis zu sie in der Statistik strategischer Ziele der Alliierten erwähnt berechnen, ist dies angegeben (Gebäude = G, Wohngebäude = sind, wurde der Kreis mit dem Flugzeugsymbol rot ausgefüllt. WG, Zerstörungsanteil an der bebauten Fläche = F). Soweit die Angriffe taktischer Luftstreitkräfte mußten auch hier unberück- Zahl der dem Krieg zum Opfer gefallenen deutschen Zivilisten sichtigt bleiben. Flugplätze, die um die Mitte des Jahres 1944 in oder gar die Gesamtzahl der auf einzelnen dieser Markungen die Bodenorganisation der Großraum-Nachtjagd der Luftflotte eingetretenen Kriegssterbefälle – einschließlich Angehöriger uni- Reich integriert gewesen sind, weisen ein blaues Flugzeug- formierter Verbände sowie von Ausländern usw. – erfaßt werden symbol auf. konnte, ist sie bei der betreffenden Gemeinde erwähnt (Gesamt- zahl in Klammern). Kursive Zahlen beruhen auf Schätzungen. Wo mehrere unterschiedliche Werte vorliegen, wurde für die Karte III. Quellen und Literatur der nach Abwägung der bekannten Fakten wahrscheinlichste ausgewählt. Quellen: Diese Erläuterungen gelten auch für die Schwerpunkte des Fragebogen »Menschenverluste und Zerstörungen durch strategischen Luftkriegs, die durch Ringe mit roten (Zer- Kriegseinwirkung innerhalb Baden-Württembergs 1939-1945«, störungsgrad Wohnungen) und schwarzen (Zerstörungsgrad H. BARDUA 1974. strategisch wichtiger Anlagen, soweit erfaßbar) Sektoren markiert sind. Aus technischen Gründen war es leider nicht möglich, die HStASt J 170 Berichte der Gemeinden über Kriegsereignisse in Durchmesser dieser Ringe entsprechend der Größe der betref- Württemberg. fenden Stadt zu variieren, doch kann diese an dem üblichen Sym- »Statistical Studies USSBS – Tabulating Service Branch« bol für die Einwohnerzahl abgelesen werden. Die zehn Schwer- (USA, General Services Administration, National Archives punkte des strategischen Luftkriegs umfassen sieben der neun and Records Service, Washington DC). Stadtkreise (außer Heidelberg und Baden-Baden) sowie die er- heblich betroffenen Städte Bruchsal, Friedrichshafen und Reut- The United States Strategie Bombing Survey. Summary Report lingen. Um die Ringe gruppieren sich Symbole für die in den Sta- (European War). o.O. 1945. tistiken der Alliierten erwähnten örtlichen Angriffsziele bis hin »Kriegsverluste, Stand 31.12.1972« und »Bewohnte und leer- zum gesamten bebauten Stadtgebiet als Flächenziel. In den Rin- stehende Normalwohngebäude und darin befindliche Woh- gen erscheinen in roter Schrift die Mindestzahlen der während nungen« (in: Volkszählung 1950) (Statistisches Landesamt des Krieges in den Bereich der betreffenden Stadt vorgedrun- Baden-Württemberg, Stuttgart). genen Bomber (effective sorties) und der von diesen abgewor- Karten »40/215, 41/28, 41/86« (Bundesarchiv/Militärarchiv, fenen Bombenlasten (ts = short tons = 907,18 kg) sowie der bei Freiburg i. Br.). diesen Flügen eingetretenen Bomberverluste. Wenn die Ringe und Zielsymbole im Falle von Mannheim und Ulm so angeordnet Kriegstagebuch der Flakgruppe Stuttgart (Flakregiment 139) werden mußten, daß sie teilweise jenseits der Landesgrenze mit unterstellten Einheiten in Kornwestheim, Gerlingen, erscheinen, hat auch dies ausschließlich drucktechnische Gründe. Backnang, Rottweil, Ulm und Friedrichshafen vom 19.1. bis Alle Angaben wurden so weit als möglich auf das heute 20.4.1945 (Württ. Landesbibliothek Cod. hist. 2° Nr. 1029). Verwaltungsbericht und Statistik der Stadt Pforzheim 1945 bis 1952.

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»Bericht des Kommandanten der Flieger- und Fliegerabwehr- dtv dokumente 160: Der Luftkrieg über Deutschland 1939- truppen an den Oberbefehlshaber der Armee über den Ak- 1945. 1963. tivdienst 1939-1945« (Schweiz. Bundesarchiv, Bern). FEUCHTER, G. W.: Die Geschichte des Luftkrieges. 1954.

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Historischer Atlas von Baden-Württemberg: Erläuterungen Herausgegeben von der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg Zeichnung der Abbildungen: Graphisches Atelier Inge Hermanns, Leonberg 4. Lieferung 1975 Druck der Erläuterungen: Offizin Chr. Scheufele, Stuttgart