Kriegsschäden in Baden-Württemberg 1939-1945
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
HISTORISCHER ATLAS 7, 11 VON BADEN-WÜRTTEMBERG Erläuterungen Beiwort zur Karte 7, 11 Kriegsschäden in Baden-Württemberg 1939-1945 VON HEINZ BARDUA I. Historischer Überblick von Landoperationen konzipiert worden war und des- halb bei Kriegsbeginn über keine für einen weiträu- 1. Erster Weltkrieg migen strategischen Luftkrieg geeigneten schweren Das 20. Jahrhundert hat der Kriegs- und Zerstö- Bomber verfügte, bauten die U.S.A. schon vor dem rungstechnik eine neue Dimension eröffnet. Flugzeuge Zweiten Weltkrieg den viermotorigen Langstrecken- und Luftschiffe überquerten im Ersten Weltkrieg die bomber Boeing B 17 Flying Fortress. Das britische Frontlinien, an denen sich die Heere kämpfend gegen- Luftfahrtministerium faßte zwar schon 1936 die Ent- überstanden, und drangen in das gegnerische Hinter- wicklung entsprechender Großflugzeuge ins Auge, land ein, um dort Spreng- und Brandbomben abzu- doch konnten diese – die Short Stirling, die Handley- werfen. Wenn auch schon damals versucht wurde, Page Halifax und vor allem die Avro Lancaster – erst Rüstungswerke, wie etwa die Oberndorfer Mauser- von 1942 an in größerer Zahl in Dienst gestellt werden. werke oder die Rottweiler Pulverfabrik, zu treffen, so Hierdurch wurde die Schlagkraft des bis dahin nur mit fanden die Bomben ihre Opfer doch von Anfang an zwei- und einmotorigen Typen ausgerüsteten Bomber- vor allem unter der Zivilbevölkerung, die Wohn- und kommandos der Royal Air Force (R.A.F.) ent- Arbeitsstätten verlor und einen hohen Blutzoll zahlen scheidend gestärkt. Mit Unterstützung durch die kleine, mußte. Da die Männer überwiegend zum Wehrdienst aber überaus schnelle und leistungsfähige deHavilland einberufen waren, richtete sich diese neue Art der Mosquito, die unter anderem als Aufklärungs-, Pfadfin- Kriegführung in der Praxis vorwiegend gegen Frauen, der-, Zielmarkierungs- und Leitflugzeug (Master Bom- Kinder und ältere Menschen. Karlsruhe war am 22. ber) sowie als Schnellbomber für Ablenkungsangriffe Juni 1916 das Ziel des heftigsten Luftangriffs, der eine und als Anti-Nachtjäger eingesetzt war, haben die mit britischen, australischen, kanadischen und anderen Be- deutsche Stadt im Ersten Weltkrieg betroffen hat. Da- satzungen fliegenden Viermotorigen des Bomberkom- bei kamen 115 Menschen ums Leben. Das von den mandos bei Nachtangriffen den Löwenanteil der Schä- Fronten weiter entfernte und beim begrenzten Opera- den in unseren Städten angerichtet. Dieses Ergebnis tionsradius der damaligen Flugzeuge weniger gefähr- mußte von der R.A.F. allerdings mit sehr hohen Ver- dete Stuttgart kam mit 22 Toten glimpflicher davon. lusten erkauft werden, die ihr vor allem von deutschen Im Zweiten Weltkrieg, der den wohl absoluten Höhe- Nachtjägern, aber auch von der Flak zugefügt wurden. punkt des strategischen Einsatzes bemannter, mit kon- Ihr Bomberkommando allein hatte mit 55 888 Mann ventioneller Spreng- und Brandmunition beladener schon mehr Gefallene zu beklagen als die britische Bombermassen gegen Städte brachte, wurden in Stutt- Kontinentalarmee in der Zeit von der Invasion bis zur gart 4562, in Karlsruhe 1934 Menschen bei Luftan- deutschen Kapitulation. Im Kampf gegen Deutschland griffen getötet. verlor die britische Luftwaffe insgesamt 79 281 Mann und über 22 000 Flugzeuge, die amerikanische 79 265 2. Strategischer Luftkrieg Mann und über 18 000 Flugzeuge aller Art. Während die erst 1935 offiziell wiedererstandene Die bereits erwähnten Fortresses der United States deutsche Luftwaffe bei ihrem hastigen Aufbau haupt- Army Air Forces (U.S.A.A.F.), von denen schon bis sächlich für den taktischen Einsatz zur Unterstützung 1 7,11 HEINZ BARDUA / KRIEGSSCHÄDEN IN BADEN-WÜRTTEMBERG 1939-1945 Ende 1942 882 auf die schottischen Basen der 8. Luft- leidende, zum Teil von 15jährigen Schülern, Rü- flotte überführt worden waren, flogen seit 1943 Tag- stungsarbeitern, Schreibstubenpersonal und hilfswil- angriffe gegen Ziele im Reichsgebiet, darunter – vor ligen Kriegsgefangenen bediente Flakartillerie war da- allem seit September – auch solche in Südwestdeutsch- mals noch fähig, die von Amerikanern und Briten er- land. Dieser laufend verstärkten Bombermacht gesellte rungene Luftherrschaft zu gefährden. sich im Laufe des Jahres 1944 die 15. amerikanische Dabei hatte im deutschen Südwesten alles zunächst Luftflotte zu, die von italienischen Flugplätzen aus ope- noch verhältnismäßig harmlos begonnen. Um keine rierte und in unserem Raum vor allem Ziele im Boden- deutschen Luftangriffe gegen ihre Städte zu provozie- seegebiet, insbesondere das Rüstungszentrum Fried- ren, hielten sich die französische und die britische richshafen, bei Tageslicht angriff. Im Gegensatz zu den Luftwaffe bei Kriegsbeginn ebenso zurück, wie die Briten, die auf Grund ihrer Erfahrungen mit der Schlag- deutsche. Nur sicher identifizierte militärische Ziele kraft der deutschen Abwehr im wesentlichen schon wurden zum Angriff freigegeben. Dieser Begriff ist 1940 in die Nacht ausgewichen sind, hielten die Ameri- allerdings schon früh auf ganze Städte ausgedehnt kaner mit Rücksicht auf die bessere Treffsicherheit an worden. Warschau wurde 1939 von der deutschen Tagangriffen fest. Auf Grund der Ergebnisse der Casa- Luftwaffe als militärisches Ziel bombardiert, weil sich blanca-Konferenz vom Januar 1943 ist eine regelrechte, in seinen Straßen 100 000 polnische Soldaten zur Ver- von den Combined Chiefs of Staff koordinierte Arbeits- teidigung verbarrikadiert hatten. Die Zivilbevölkerung teilung der alliierten Luftwaffen bei ihrer Bomben- war jedoch zuvor durch Flugblätter zum Verlassen der offensive gegen Deutschland zustande gekommen. Stadt aufgefordert worden. Rotterdam widerfuhr bei Die Theorie, nach der sich die auf Kosten der Bom- seiner Verteidigung im Mai 1940 ein ähnliches Schick- benlast mit einer überaus starken Abwehrbewaffnung sal. Andererseits schien der Umstand, daß es bis zum versehenen amerikanischen B 17 Fortress – und B 24 Frühjahr 1940 nur wenigen britischen und französi- Liberator – Langstreckenbomber im dicht aufgeschlos- schen Flugzeugen gelungen war, die »Luftverteidi- senen, gestaffelten Verband auch am Tage ohne Be- gungszone West«, ein an den »Westwall« angelehntes, gleitjäger gegen die Angriffe der deutschen Standard- tief gestaffeltes System von Flugmeldeposten, Flak- Jagdflugzeuge Me 109 und Fw 190 würden halten stellungen, Scheinwerfern, Horchgeräten und Jäger- können, erwies sich im Herbst 1943 allerdings als flugplätzen, zu Aufklärungszwecken oder zum Flug- falsch. Erst als die Bomberformationen von den über- blattabwurf zu überqueren, dem Oberbefehlshaber der legenen Langstreckenjägern der Typen Mustang, Thun- deutschen Luftwaffe zunächst recht zu geben. Göring derbolt und Lightning in ausreichender Zahl zum Ziel hatte sich nämlich in einer Rede dafür verbürgt, daß und zurück begleitet werden konnten, sanken die Bom- die Bevölkerung – von Feindflugzeugen unbehelligt – berverluste der U.S.-Luftwaffe wieder auf ein erträg- ruhig schlafen könne. Tatsächlich stießen die Gegner liches Maß ab. Die Ausrüstung der 1944 schon an- am Rhein auf harte Gegenwehr. So wurde zum Bei- geschlagenen deutschen Jagdverbände mit Raketen- spiel am 11. Januar 1940 eine am Tage eingedrungene waffen und mit dem auf Grund einer Fehlentscheidung französische Potez 63 bereits zwischen Kaiserstuhl Hitlers zu spät und in zu kleiner Zahl zum Einsatz ge- und Freiburg von deutschen Jägern abgefangen, zur kommenen ersten Düsenjäger der Welt, der Me 262, Umkehr gezwungen und bei Colmar abgeschossen. vermochte die wachsende Luftüberlegenheit der Al- Nächtlichen Eindringlingen boten sich allerdings weit liierten letztlich nicht mehr aufzuhalten. Dasselbe gilt bessere Chancen für Operationen über dem Reichsge- für die laufenden Verbesserungen des nun längst auf biet. Vor allem die Briten zogen daraus frühzeitig Radarmessung beruhenden Jägerleitsystems und der Konsequenzen und stellten damit die erste Weiche in Feuerleiteinrichtungen der Flakartillerie. Die »Festung« Richtung auf ihre später so vernichtenden nächtlichen Deutschland verlor in einem gewaltigen Kampf, der Flächenangriffe gegen die deutschen Städte, von denen nicht zuletzt auch auf wissenschaftlich-technischem manche – wie die Symbole strategischer Zielgruppen Gebiet ausgefochten wurde, und in dem geographische auf der Karte zeigen – damals noch erstaunliche Kon- Gegebenheiten, Menschenreserven, Rohstoffquellen und zentrationen von Werken der Rüstungsindustrie in sich ungestörte industrielle Potenz schließlich den Ausschlag vereinigten. gaben, im 5. Kriegsjahr ihr Dach. Der ganze Größen- Über der heimischen Insel übten die Besatzungen wahn mit dem dieser Krieg 1939 begonnen worden war, des Bomberkommandos der R.A.F. im Winter 1939/40 trat zutage, als die alliierten Bombermassen in der den Nachtflug. Wenn sie es gelernt hatten, bestimmte Schlußphase – oft kaum mehr behelligt – rund um die Ziele in mondhellen Nächten zu finden und zu iden- Uhr jedes beliebige Ziel in Deutschland angriffen und tifizieren, wurden sie schließlich – zum Teil von fran- vernichteten. Weder die an allen Fronten verbrauchte, zösischen Basen aus – zu »leaflet raids« (Flugblatt-An- durch Treibstoffmangel und den Verlust ihrer Vorwarn- griffen) entsandt. So drangen z. B. am 12. Januar 1940 anlagen nach der Invasion gelähmte deutsche Flieger- drei Flugzeuge über Karlsruhe und Lahr bis zur Linie truppe, noch die unter Munitionsmangel Plauen – Eger – Regensburg – Straubing vor. Bomben wurden – mit Rücksicht auf die bei Nacht 2 HEINZ BARDUA / KRIEGSSCHÄDEN IN BADEN-WÜRTTEMBERG 1939-1945 7,11 stark geminderte