Missbräuche im Bereich der Schönheitsoperationen gezielt verhindern – Verbraucher umfassend schützen Antrag an den Deutschen 24.10.2007 Anhörung Ausschuss für Gesundheit 23.04.2008 Materialien und Stellungnahmen

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Inhaltsverzeichnis

Antrag an den Deutschen Bundestag: „Missbräuche im Bereich der Schönheitsoperationen gezielt verhindern – Verbraucher umfassend schützen“ (Drucksache 16/6779) 1

Auszug Protokoll Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, 24. Oktober 2007, TOP 15 6

Gitta Connemann (CDU/CSU) 6

Mechthild Rawert (SPD) 8

Dr. (FDP) 9

Frank Spieth (DIE LINKE) 10

Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 11

Protokoll Anhörung vor Ausschuss für Gesundheit, Berlin, 23. April 2008 13

Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen zu der Anhörung: „Missbräuche im Bereich der Schönheitsoperationen gezielt verhindern – Verbraucher umfassend schützen“ (16. April 2008) 40

Stellungnahme Rechtsanwalt Matthias Teichner zu der Anhörung: „Missbräuche im Bereich der Schönheitsoperationen gezielt verhindern – Verbraucher umfassend schützen“ (17. April 2008) 43

Pressemitteilung Verbraucherschutz bei „Schönheitsoperationen“: „Orientierung und Sicherheit für Patienten möglich machen!“ (23. April 2008) 47

Weitere Stellungnahmen unter http://webarchiv.bundestag.de/cgi/show.php?fileToLoad=1900&id=1134

Deutscher Bundestag Drucksache 16/6779

16. Wahlperiode 24. 10. 2007

Antrag der Abgeordneten , Dr. Hans Georg Faust, Annette Widmann- Mauz, Dr. , Maria Eichhorn, Hubert Hüppe, Dr. Rolf Koschorrek, Hartmut Koschyk, , , Dr. Norbert Röttgen, Hermann-Josef Scharf, , , Willi Zylajew, , Dr. und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten , Dr. Carola Reimann, Peter Friedrich, Eike Hovermann, Christian Kleiminger, Dr. , Hilde Mattheis, , Dr. Margrit Spielmann, Jella Teuchner, Dr. Marlies Volkmer, Dr. , Dr. Peter Struck und der Fraktion der SPD

Missbräuche im Bereich der Schönheitsoperationen gezielt verhindern – Verbraucher umfassend schützen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest: 1. Die Begriffe Schönheitsoperation, Schönheitschirurgie, kosmetische Chirur- gie oder ästhetische Chirurgie sind in Deutschland nicht eindeutig definiert. In denfolgenden Ausführungen wird der Begriff Schönheitschirurgie ver- wandt. Demliegt die Annahme zugrunde, dass sich die Schönheitschirurgie mitder Verbesserung oder Veränderung von Körperformen durch operative Eingriffe ohne medizinische Notwendigkeit befasst. In der Regel handelt es sich um Maßnahmen, die auf Wunsch des Patienten nach einer Verbesserung seines äußeren Erscheinungsbilds beruhen, ohne dass erlittene Verletzungen oder angeborene Fehlbildungen im medizinischen Sinne vorliegen. Der Wunsch nach maßgeschneiderter Schönheit wächst. Dafür tragen die Medien maßgeblich Verantwortung. Schätzungsweise zehn Millionen kos- metisch-operative Eingriffe werden weltweit jährlich durchgeführt. Im Zeit- alter von Wellness und Antiaging nimmt die Zahl stetig und rapide zu – auch inDeutschland. Mangels bundesweiter Statistiken fehlen allerdings valide Daten. Erhebungen werden insoweit nur von den plastisch-chirurgischen Fachgesellschaften durchgeführt. So haben die Mitglieder der Vereinigung Deutscher Plastischer Chirurgen im Jahr 2005 etwa 700 000 Eingriffe durch- geführt,davon etwa 175 000 rein ästhetische Eingriffe. Die Mitglieder der Gesellschaft für Ästhetische Chirurgie Deutschland haben im Jahr 2004 rund 186 000 Schönheitsoperationen und rund 68 000 Faltenbehandlungen durch- geführt. Es gibt jedoch eine hohe Dunkelziffer, denn die Eingriffe von Ärzten, die keine Facharztausbildung zumplastischen Chirurgen absolviert haben, werden genauso wenig erfasst wie die von Heilpraktikern und Kosme- tikern. Auch die Anzahl der in Deutschland lebenden Verbraucherinnen und Verbraucher, die sich im Rahmen eines OP-Tourismus im Ausland einer schönheitschirurgischen Behandlung unterziehen, ist nicht bekannt. Laut

1 Drucksache 16/6779 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Schätzungen sollen im Jahr 2001 ca. 400 000 Menschen in Deutschland eine Schönheitsoperation an sich haben durchführen lassen, 2002 mehr als 800 000. Seit 2003 wird die Zahl auf über eine Million geschätzt. Das Alters- spektrum der Patientinnen und Patienten soll von 12 bis 84 Jahren reichen. Nach Informationen der Vereinigung Deutscher Plastischer Chirurgen wer- den 10 Prozent aller schönheitschirurgischer Eingriffe an unter 20-Jährigen durchgeführt. Schon unter 9- bis 14-Jährigen wünscht sich jedes fünfte Kind lauteiner Umfrage des Kinderbarometers der LBS-Initiative „Junge Fami- lien“eine schönheitsoperative Behandlung. Der Wunsch nach einem neuen Busen zum Abitur ist keine Ausnahme mehr. Angesichts der hohen und stetig steigenden Zahl an schönheitschirurgischen Eingriffen ist es zunehmend problematisch, dass die Schönheitschirurgie z. T. ohne entsprechende Weiterbildung betrieben wird, obwohl umfängliche fachärztliche Weiterbildungen in diesem Bereich existieren. Dazu gehören unter anderem die Weiterbildungen „Facharzt für plastische/ästhetische Chi- rurgie“ und „Facharzt für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie“. Diese Titel kön- nen erst durch eine entsprechende mindestens sechsjährige Aus- und Weiter- bildung, den Nachweis ausreichender praktischer Erfahrung und nach einer entsprechenden Prüfung bei der Ärztekammer erworben werden. Zudem be- steht darüber hinaus die Möglichkeit, die Zusatzweiterbildung Plastische Operationen zu absolvieren, die in Ergänzung zu einer Facharztkompetenz im Bereich Hals-Nasen- Ohrenheilkunde oder Mund-Kiefer-Gesichtschirur- gie die konstruktiven und rekonstruktiven plastischen operativen Eingriffe zur Wiederherstellung und Verbesserung derForm und Funktion und Ästhe- tik in der Kopf-Hals-Region umfasst. Zurzeit können Ärzte ohne Zusatzqualifikation schönheitschirurgische Ein- griffe vornehmen. Für die Patientinnen und Patienten besteht daher die Ge- fahr,an einen für diese Eingriffe nicht ausreichend qualifizierten und/oder nicht erfahrenen Arzt zu geraten. Nicht nur enttäuschte Erwartungen über das erhoffte neue Aussehen, sondern auch Komplikationen mit erheblichen me- dizinischen Risiken und Dauerschäden bis hin zum Tod der Patientinnen und Patienten können die Folge sein. Nach der bislang gründlichsten Untersu- chung über Liposuktionszwischenfälle in den USA, veröffentlicht im Fach- blatt „Plastic and Reconstructive Surgery“, kommt auf 5 000 Fettabsaugun- gen jeweils ein Todesfall infolge Lungenembolien, innerer Verletzungen, Hautnekrosen oder Infektionen. Damit korrespondiert eine jüngere Studie der Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum. Die Folgebehandlungen missglückter Eingriffe oder bei Komplikationen stellen nicht nur eine große Belastung für die Geschädigten dar, sondern belasten auch die Versichertengemeinschaft mit zunehmenden Kosten. Des- halb gibt es zukünftig eine stärkere Eigenverantwortung für die Behandlung von Folgeerkrankungen aufgrund nicht notwendiger medizinischer Eingriffe – zum Beispiel bei Komplikationen infolge von Schönheitsoperationen oder Piercing. Denn es handelt sich um freiwillige Eingriffe ohne medizinische Indikation, mit deren Folgen die Solidargemeinschaft nicht belastet werden darf. Wegen der starken Zunahme bei den Schönheitsoperationen wandte sich im Jahr 2002 die Europäische Union (EU) an ihre Mitgliedstaaten. In einer Ent- schließung des Europäischen Parlaments (EP) zu der Mitteilung der Kom- mission über Maßnahmen der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten im Zu- sammenhang mit Brustimplantaten (KOM(2001) 666 – C5-0327/2002 – 2002/2171(COS)) vom 12. Januar 2002 empfiehlt das EP Implantationen bei Frauen unter 18 Jahren nur aus medizinischen Gründen zu erlauben. Als Begründung wird angeführt, dass Kindern und Jugendlichen die notwendige

2 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/6779

geistige Reife fehle, um die Tragweite der mit dem Eingriff verbundenen ge- sundheitlichen Gefahren einzuschätzen. Die Zahl der schönheitschirurgischen Eingriffe an Jugendlichen unter 18 Jah- ren nimmt zu. Einzige Voraussetzung dafür ist zurzeit nurdas Vorliegen einer Einwilligungserklärung der gesetzlichen Vertreter. Eine vorherige medizini- sche Begutachtung muss nicht erfolgen. Selbst bei einer ordnungsgemäßen Aufklärung ist nicht sichergestellt, dass sich der Jugendliche der Reichweite seines Entschlusses bewusst ist. Es besteht die Gefahr, dass der jugendliche Charakter die Folgen nur schwer oderüberhaupt nicht verarbeitet. Somit ste- hen fehlende Einsichtsfähigkeit und die möglichen körperlichen Folgen nicht im Verhältnis zum Nutzen. Der Jugendliche befindet sich noch im Wachstum. Ebenfalls verändern sichin der Reflexionsphase das Weltbild und die eigenen Werte in einem fließenden Prozess. Das eigene Aussehen kann später nur noch nachrangige Bedeutung besitzen. Vielmehr ist gerade das Aussehen eines Menschen sein natürliches Gut, über das er bei bestehender geistiger Reife selbst entscheiden muss. Schönheitsoperationen an Kindern und Jugendlichen sollten alsodeshalb nur dann vorgenommen werden, wenn ein erheblicher Leidensdruck vorliegt oder ein Krankheitswert der Deformierung eingeschätzt werden kann. 2. DerDeutsche Bundestag bekräftigt seine Auffassung, dass die Heilpraktiker- erlaubnis nicht zur Vornahme chirurgischer Eingriffe berechtigt. Wer Heil- kunde ausübt, ohne als Arzt bestallt zu sein, bedarf der Heilpraktikererlaub- nis. Für den Beruf des Heilpraktikers existiert kein vorgeschriebener Bil- dungsgang. Es findet lediglich eine Überprüfung durch einen Amtsarzt statt, die jedoch allein der Feststellung dient, ob gegebenenfalls ein Heilpraktiker- anwärtereine Gefahr für diemenschliche Gesundheit darstellen könnte. Die Überprüfung beinhaltet also gerade keine Fachprüfung, sondern konzentriert sich als Maßnahme der Gefahrenabwehr darauf, ob der zu prüfende Kandidat um dieGrenzen der Heilbefugnisse eines Heilpraktikers weiß. Deshalb dür- fen Heilpraktiker keine Eingriffe an Menschen vornehmen, für die sie nicht die erforderlichen Kenntnisse besitzen. Hilfe suchende Menschen müssen stets mit der erforderlichen Sorgfalt behandelt und vor Schäden bewahrt wer- den. Dies gebietet bereits dasallgemeine Haftungsrecht. Hinzu kommt, dass Heilpraktikern nach demArzneimittelgesetz der Zugriff auf verschreibungs- pflichtige Arzneimittel (hier: Betäubungsmittel) verwehrt ist, so dass sie in der Regel auch keine Anästhesie einleiten können, die für schönheitschirur- gische Eingriffe erforderlich wäre. Unabhängig von dieser rechtlichen Situation muss bewusst gemacht werden, dass Schönheitsoperationen schwer wiegende körperliche Eingriffe bedeu- ten,die einer besonderen Qualifikation bedürfen. Heilpraktiker sind hierfür grundsätzlich nicht qualifiziert. 3. Die Eingriffe und die damit verbundenen Risiken erfordern eine hohe Sach- verständigkeit der ausführenden Ärzte. Die Zahl der Fälle, in denen Patien- tinnen und Patienten Schmerzensgeldforderungen wegen Behandlungsfehler stellen, ist inden letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Im Jahr 1997 wur- den insgesamt 8 884 Anträge an dieGutachterkommissionen und Schlich- tungsstellen in Deutschland gestellt, im Jahr 2003 waren es bereits 11 053 Anträge. Jedoch gehen auch titulierte Ansprüche ins Leere, wenn der Arzt keinen Versicherungsschutz hat und auch persönlich nicht im ausreichenden Maße solvent ist. Zwar gewährt eineBerufshaftpflichtversicherung dem Arzt Versicherungs- schutz fürden Fall seiner zivilrechtlichen Inanspruchnahme wegen eines Be- handlungsfehlers. Anders als zum Beispiel im Bereich der Anwaltschaft ist der Abschluss einer entsprechenden Haftpflichtversicherung aber lediglich eine standesrechtliche Berufspflicht und nur in einigen Ländern (beispiels-

3 Drucksache 16/6779 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

weise Nordrhein-Westfalen)gesetzlich vorgeschrieben. Experten schätzen daher, dass einbeträchtlicher Anteil der im Bereich der Schönheitschirurgie tätigen Ärzte nicht ausreichend versichert ist. In dem Bewusstsein dieser Problematikund gegen den Trend zu immer mehr Schönheitsoperationen bei beiden Geschlechtern und in allen Altersgruppen ist die Bundesregierung auf verschiedenen Ebenen aktiv: ● Gesundheitliche Aufklärung und öffentliche Meinungsbildung Die Bundeszentrale fürgesundheitliche Aufklärung greift in verschie- denen Projekten und Broschüren („Kinder stark machen“, „Mädchen- sache(n)“, „Gut Drauf “) Fragen der Körperwahrnehmung und des Schön- heitsideals besonders von Mädchen und jungen Frauen auf. Das Bundesministerium für Gesundheit hat 2005 eine Informationsbro- schüre „Spieglein, Spieglein …“ vorgestellt, die u. a. anhand eines Inter- views mit einer bekannten Schauspielerin Denkanstöße für einen kriti- schen Umgang mit Schönheitsoperationen vermitteln soll. Positiv hervorzuheben ist auchdie von der Bundesärztekammer unter Beteiligung von politischen Verantwortungsträgern ins Leben gerufene „Koalition gegen den Schönheitswahn“. Ziel dieser Koalition ist es, die Medien und die Öffentlichkeit zu einem verantwortungsbewussteren Umgang in der Darstellung von Schönheitsoperationen zu veranlassen und vor allem nicht länger Jugendliche als Zielgruppe anzusprechen. ● Gesetzgebung Seit dem 1. April 2006 sind operative plastisch-chirurgische Eingriffe (Schön heitsoperationen) in den Anwendungsbereich des Heilmittelwerbe- gesetzes (HWG) einbezogen. Damit wird die Werbung für Schönheitsope- rationen eingeschränkt. Durch die Einbeziehung in den Anwendungsbereich des HWG werden insbesondere bestimmte Formen der suggestiven oder irreführenden Wer- bung, wie sievormals weit verbreitet waren,verboten. Eine Irreführung liegt nach § 3 HWG insbesondere dann vor, wenn u. a. Verfahren oder Be- handlungen eine therapeutische Wirksamkeit beigelegt wird, die sie nicht haben, oder wenn fälschlich der Eindruck erweckt wird, dass ein Erfolg mit Sicherheit erwartet werden kann. Verstöße gegen § 3 stellen bei vor- sätzlichem Handeln eine Straftat (Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe), bei fahrlässigem Handeln eine Ordnungswidrigkeit dar (§ 15 Abs. 2 HWG mit Bußgeldandrohung). In dem Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Kran- kenversicherung wurdegeregelt, dass Versicherte, die sich in der Folge einer Schönheitsoperation eine Krankheit zugezogen haben, bei den da- durch entstehenden Behandlungskosten in angemessenerHöhe von der Krankenkasse zu beteiligen sind und dass ein Krankengeld für die Dauer der Behandlung ganz oder teilweise zu versagen oder zurückzufordern ist. Damit wird die Solidargemeinschaft von den Folgen solcher Schönheits- operationen ohne medizinische Indikation weitgehend entlastet. Zum anderen wird dadurch verdeutlicht, dass es sich bei Schönheitsopera- tionen um medizinisch nicht indizierte Eingriffe handelt. Dies trägt zum kritischen Umgang mit dem Thema bei.

II.Der Deutsche Bundestag ● fordert die ärztlicheSelbstverwaltung auf, über das Thema Schönheitsope- rationen sachgerecht aufzuklären,einen Kriterienkatalog als Wegweiser für die Patienten zu erarbeiten, der Nachfrager von Schönheitsoperationen dabei

4 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/6779

unterstützen kann, eine Qualitätsauswahl unter den Anbietern solcher Ge- sundheitsleistungenzu treffen. Ein solcher Wegweiser könnte dazu beitragen, zumindest unerwünschte Folgekomplikationen solcher Operationen zu mini- mieren;

● fordert die Bundesregierung auf, 1. die Entwicklung im Bereich der Schönheitsoperationen, insbesondere bei Jugendlichen, kritisch zu beobachten; 2. nicht darin nachzulassen, einen kritischen Umgang mit Schönheitsopera- tionen zu fördern, wie bereits im GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz und im Heilmittelwerbegesetz geschehen, und weitere Handlungsspielräume auch im Bereich der Werbung zu prüfen;

● appelliert an die Länder, 1. sich dafür einzusetzen,dass die Überwachungsbehörden der Länder für die Berufsausübung verstärkt bei schönheitschirurgischen Eingriffen da- rauf achten, dass nur entsprechend qualifizierte Personen solche Eingriffe vornehmen und Heilkunde nur von dazu befugten Personen ausgeübt wird; 2. die Verpflichtung des Nachweises eines umfassenden Haftpflichtversiche- rungsschutzes zu kodifizieren;

● fordert dieBundesregierung und die Länder in ihrem jeweiligen Zuständig- keitsbereich auf, 1. berufsrechtliche und sonstige rechtliche Regelungen für Verbote von nicht medizinisch indizierten Schönheitsoperationen an Minderjährigen zu prü- fen; 2. auf die Medien hinzuwirken, verantwortungsbewusst mit dem Thema Schönheitsoperationen umzugehen. Insbesondere sollten zielgruppen- typische Seriensendungen für Jugendliche sich des Themas in geeigneter und kritischer Weise annehmen.

Berlin, den 24. Oktober 2007

Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer und Fraktion Dr. Peter Struck und Fraktion

5 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. Oktober 2007 12593

(A) Weil der Unterglasanbau eine energieintensive Branche wussten sich zu helfen. Schon in den Ausgrabungsstät- (C) ist, bedarf es eines schnellen Umstiegs auf alternative ten fanden sich Schminktiegel und Perückenteile. Energieressourcen und effiziente Energienutzung, um das Klima zu schützen und die Wettbewerbsfähigkeit des Das Schönheitsbild hat sich seit der Antike verändert. Gartenbaus in Deutschland zu erhalten. Die Unterneh- Aber auch die Methoden der Verschönerung. Seit den men müssen zügig investieren, um die laufenden Ener- ersten Nasenoperationen vor 400 Jahren hat sich die giekosten senken zu können. Aber viele Betriebe verfü- Schönheitschirurgie in Quantensprüngen entwickelt. gen nicht über das nötige Kapital für die hohen Maßgeschneiderte Schönheit – ein Traum scheint wahr Investitionen. Deswegen sind Bund und Länder gefor- zu werden, der Schlüssel zu Glück und Erfolg gefunden. dert, mit einem gut ausgestatteten Förderprogramm für Denn die sozialwissenschaftliche Forschung belegt: einen schnellen Wechsel zu sorgen. Schönheit öffnet Tür und Tor und zwar von Geburt an. Es reicht nicht aus, die Betriebe an bestehende För- Hübsche Babys erfahren mehr Zärtlichkeit und Zuwen- derprogramme im Rahmen der GAK und der Landwirt- dung. Hübsche Kinder werden in der Schule stärker ge- schaftlichen Rentenbank zu verweisen, so wie Sie es ge- fördert und seltener bestraft. Diese Bevorzugung setzt tan haben. Diese Programme bestehen seit Jahren, ohne sich bis ins Alter fort. Schöne Menschen haben nicht nur dass sich an der Lage der Betriebe etwas Entscheidendes bessere Chancen beim anderen Geschlecht, sondern geändert hätte. Das zeigt doch, dass eine neue Förder- auch größere Erfolge auf dem Arbeitsmarkt. Schönheit initiative mit anderen Förderkonditionen notwendig ist. ist ein Wettbewerbsfaktor und damit bares Geld wert. Außerdem sind neben zusätzlichen Investitionsförderun- Es heißt zwar: „Wahre Schönheit kommt von innen“. gen auch Mittel für die Energieberatung notwendig. Mit Aber es bedarf eines gehörigen Selbstbewusstseins, um mehr und besserer Energieberatung könnten dann auch diese Weisheit auch zu leben. Und wem es daran man- die bestehenden Förderprogramme besser genutzt wer- gelt, behilft sich mit der Erkenntnis von Goethe: „Schön- den. heit ist überall ein gar willkommener Gast.“ Und hilft Nicht vergessen wollen wir auch, dass es gilt, die For- nach – mit den Mitteln der Schönheitschirurgie. schung und Entwicklung technischer Lösungen speziell für den Unterglasgartenbau voranzubringen. Hier gibt es Jede Veränderung, alles scheint möglich und zwar sowohl im Bereich Energieeffizienz als auch der Einbin- ohne Risiko. Nur ein, zwei kleine Schnitte, hier ein we- dung von Systemen der erneuerbaren Energien beson- nig Fett abgesaugt, dort ein Polster eingesetzt, an anderer dere Anforderungen seitens der Branche. Auch hierfür Stelle ein Faltenmittel injiziert. Der Gang zum Schön- sollte der Bund zusätzliches Geld zur Verfügung stellen. heitschirurgen erscheint so unkompliziert wie der Be- such des Friseurs. Und Träume scheinen wahr zu wer- (B) Den Investitionsbedarf macht auch ein Blick in die den. (D) Niederlande deutlich. Die dortige Regierung stellt 48 Millionen Euro für Investitionen in Energiesparmaß- Ist der Bundestag der richtige Ort, um über Träume zu nahmen im Unterglasanbau zur Verfügung. Bis 2020 reden? Gibt es nicht wichtigere Fragen, mit denen sich streben die Niederlande den energieneutralen Unterglas- die Politik beschäftigen sollte? Mit diesen Fragen sahen anbau an, in dem das Gewächshaus auch als Energie- wir uns als CDU/CSU-Fraktion im Dezember 2003 kon- und Stromproduzent fungiert. Der Druck auf die Wettbe- frontiert. Damals thematisierten wir erstmal bundespoli- werbsposition des deutschen Unterglasanbaus wird sich tisch den Patienten- und Verbraucherschutz bei Schön- dadurch noch einmal erhöhen. Wenn Deutschland hier heitsoperationen durch eine Anfrage an die damalige mithalten und Arbeitplätze erhalten will, dann sind Bundesregierung. 25 Millionen Euro nicht zu viel. Betroffene und Verbände hatten im Vorfeld Miss- stände problematisiert. Die Beratung vor Operationen sei unzureichend. Der Begriff Schönheitschirurg sei Anlage 26 nicht geschützt. Deshalb würden Eingriffe auch ohne die Zu Protokoll gegebene Reden erforderliche fachliche Qualifikation durchgeführt. Be- troffen sei eine zunehmende Anzahl an Patienten. Es zur Beratung des Antrags: Missbräuche im Be- gäbe offene Rechtsfragen. reich der Schönheitsoperationen gezielt verhin- dern – Verbraucher umfassend schützen (Ta- Wir haben diese Hinweise ernst genommen. Leider gesordnungspunkt 15) standen wir damit anfangs sehr alleine da. Die damalige rot-grüne Bundesregierung beantwortete unsere Anfrage eher lieblos, erklärte sich im Wesentlichen für unzustän- Gitta Connemann (CDU/CSU): Der Wunsch nach Schönheit ist so alt wie die Menschheit selbst. „Wenn dig und verwies im Übrigen auf das Fehlen aussagekräf- ich zu wählen hätte, zwischen der Macht des persischen tiger Daten. Aber unser Kollege Dr. Hans Georg Faust Königs und körperlicher Schönheit, würde ich mich für und ich fanden auch Verbündete: in fachärztlichen Verei- die Schönheit entscheiden“, schwor bereits der griechi- nigungen wie der vormaligen Vereinigung der Deutschen sche Feldherr Xenophon vor mehr als 2 000 Jahren „bei Plastischen Chirurgen, heute der Deutschen Gesellschaft allen Göttern“. der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chi- rurgen, in engagierten Vorkämpferinnen wie Dr. med. Zu allen Zeiten trachteten die Menschen danach, be- Marita Eisenmann-Klein und Dr. med. Constance stimmten Schönheitsidealen zu entsprechen. Und sie Neuhann-Lorenz und in der Bundesärztekammer. Diese

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(A) rief daraufhin im Jahr 2004 die „Koalition gegen den ten. Aber Formate wie „I want a Famous Face“ oder (C) Schönheitswahn“ ins Leben. „Der Schwan – endlich schön“ faszinieren – und erzeu- gen den Eindruck, zum Star operiert werden zu können. Es war jedoch weitere Überzeugungsarbeit zu leisten. Denn ein Vorurteil hielt sich hartnäckig: Das ist ein Körperliche Maßarbeit wird mit Erfolg und Glück Thema, das nur einige – vornehmlich ausländische – gleichgesetzt. Aber auch die gelungenste ästhetische Filmstars betrifft, also kein Problem. Operation wird mangelndes Selbstwertgefühl nicht er- setzen können, insbesondere dann nicht, wenn das Weit gefehlt. Es existieren zwar nicht so viele Zahlen Krankheitsbild der Dysmorphophobie vorliegt. Selbst wie in anderen Bereichen. Denn nicht jeder Mediziner wenn diese Störung nicht vorliegt: wie fühlt es sich an, gibt gerne seine Daten preis. Und die Grauzone ist er- wenn die eigene Persönlichkeit nicht mehr zur äußeren heblich. Aber die vorliegenden Daten zeichnen ein ein- Hülle passt? „Man braucht fünf Jahre, um sein Gesicht deutiges Bild: Eine Schönheitsoperation ist heute keine wiederzubekommen. Es muß neu eingeweint, einge- Ausnahme mehr. lacht, eingedacht und eingefühlt werden.“ So schilderte Je nach Schätzung werden in Deutschland zwischen die Schauspielerin Hildegard Knef die Folgen ihrer Ge- 500 000 und 1 Million ästhetische Eingriffe und Opera- sichtshautstraffung. tionen pro Jahr durchgeführt. Die Dunkelziffer ist hoch, da Eingriffe von Ärzten ohne Facharztausbildung oder Und: nicht jede Schönheitsoperation gelingt. Jede von Heilpraktikern nicht erfasst werden. Auch die Ein- Operation birgt das Risiko von Komplikationen – im Ex- griffe, die im Rahmen eines Schönheitsoperationstouris- tremfall bis zum Tod. Allein in Deutschland starben laut mus in Nachbarländern wie Tschechien etc. durchge- einer Studie der Ruhr-Universität in den Jahren 1998 bis führt werden, können kaum erfasst werden. 2002 16 Patienten als Folge einer Fettabsaugung. Sili- konbusen müssen nachoperiert werden. Faltenspritzen Von der Altenpflegerin bis zum Ingenieur – die Pa- können Hängelider verursachen. Und vieles mehr. tienten kommen aus einem breiten gesellschaftlichen Spektrum. Dies belegt eine in diesem Jahr vorgelegte Die Betroffenen wagen häufig noch nicht einmal, mit Forschungsstudie im Auftrag der Bundesanstalt für dem eigenen Partner, Freunden oder Bekannten zu re- Landwirtschaft und Ernährung. Danach belaufen sich den. Sie fürchten die Reaktion „Du hast ja selbst die Kosten pro Eingriff auf bis zu 12 000 Euro. Dies schuld“. Eine Schadensersatzforderung wird erst recht lässt auf einen Gesamtmarkt von rund 700 Millionen nicht geltend gemacht, denn diese wäre mit Öffentlich- Euro pro Jahr schließen. Gewerblich organisierte Anbie- keit verbunden. Davon profitieren die schwarzen Schafe ter führen von der Lidstraffung über die Kinnplastik bis unter den Ärzten. Und es gibt sie. (B) hin zur Fettabsaugung fast alle Arten ästhetischer Ein- Denn nicht jeder unterzieht sich der anspruchsvollen (D) griffe durch. Die Patienten werden immer jünger. So Ausbildung zum „Facharzt für plastische/ästhetische weist vor allem die Gruppe der 20- bis 29-jährigen Chirurgie“ oder absolviert die Weiterbildung „Plastische Frauen die höchste Rate bei Brustvergrößerungen auf. Operationen“. Und es ist auch leider nicht erforderlich. Selbst in der Altersgruppe von 9 bis 14 Jahren spricht Die Approbation allein reicht, um sich selbst zum man über das Thema. Der Wunsch nach einem „neuen Schönheitschirurgen zu ernennen. Und diese Möglich- Busen“ zum Schulabschluss oder zu Weihnachten ist keit wird genutzt. keine Ausnahme mehr. Ich habe mit Betroffenen gesprochen, Bilder gesehen Zunehmend bedrängen Jugendliche ihre Eltern mit wie die einer Patientin, deren Operateur sich in einem dem Wunsch nach maßgeschneiderter Schönheit. Meiner anderthalbtägigen Tageskurs zum Spezialisten für Fett- Fraktion und mir geht es um den Schutz dieser Jugendli- absaugungen ausbilden ließ. Nach Injektion von 27 Li- chen – auch vor sich selbst. tern Flüssigkeit ins Gewebe entfernte der Operateur Denn manche Eltern stehen diesem Druck hilflos ge- 24,8 Liter Fettgewebe in einer 14-stündigen Operation. genüber, auch weil diese das vermeintlich Beste für ihre Die Patientin hat knapp überlebt und ist nach wie vor Kinder wollen. „Hauptsache, meine Tochter ist glück- von ihrer Wunschfigur weit entfernt. lich“, so wird die Mutter von Aylin zitiert – BILD Und es gibt weitere Missstände. So berichten Ver- 19. Dezember 2005 – die ihrer Tochter zu Weihnachten braucherzentralen wie Verbände wie der Patientenschutz eine Brustvergrößerung, Lippenaufspritzung, Fettabsau- e. V., dass unzulässige Pauschalhonorare vereinbart wer- gung an Bauch und Beinen finanzierte. Aylin war zu die- den. Für den Erstkontakt oder einen Erstberatungstermin sem Zeitpunkt 19. müssen nicht selten Termingebühren in beträchtlicher Aber Schönheitsoperationen werden auch schon an Höhe im Voraus gezahlt werden. Und diese beklagen Minderjährigen mit Einwilligung ihrer Eltern durchge- den nicht ausreichenden Versicherungsschutz. Denn an- führt. Verstärkt wird diese Entwicklung auch durch die ders als bei Rechtsanwälten wird die Zulassung eines Berichterstattung in den Medien, nach der sich mit Arztes nicht an den Nachweis einer Haftpflichtversiche- Schönheit jedes Ziel erreichen lässt und in jedem ein rung geknüpft. „Model“ schlummert, wenn er, sie es nur will. Das Thema wird ausgeschlachtet. Wildwest pur – dieser Eindruck muss entstehen. Ge- rade weil der Gegensatz zu den verantwortungsvollen Die beliebten Vorher-Nachher-Bilder sind jetzt zwar Fachärzten, die es eben auch gibt, die bestens ausgebil- seit einer Änderung des Heilmittelwerbegesetzes verbo- det sind und sorgfältig operieren, so groß ist.

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(A) Es besteht offensichtlicher Handlungsbedarf. Eine ben, da zweifeln wir alle an unserer Attraktivität. Nor- (C) Anhörung muss ergeben, wie groß dieser ist und auf malerweise gehen diese Phasen auch im Leben eines welchen Feldern er besteht. Dieser Antrag legt die oder einer Jugendlichen wieder vorbei und die Frage, ob Grundlage für die entsprechende parlamentarische Be- der Busen zu klein oder groß und die Nase zu breit oder fassung. zu lang ist, wird später mit Gelassenheit ertragen. Damit dieser identitätsstiftende Weg von allen Jugendlichen ge- Deshalb bin ich froh und dankbar, dass meine Fraktion meistert werden kann, sind wir alle gefordert als Eltern, sich seinerzeit von den Widerständen nicht hat entmuti- als Lehrerinnen und Lehrer, als Politikerinnen und Poli- gen lassen, sondern mich und Dr. Hans Georg Faust be- tiker. gleitet hat. Denn unsere Kolleginnen und Kollegen, voran unsere Gruppe der Frauen, haben ihre Verantwor- Nicht selten aber lastet auf jungen Menschen der tung für diejenigen erkannt, die sich auf den Weg zu einer Druck, schöner, schlanker – das heißt perfekter sein zu Schönheitsoperation machen. Wer sich nach reiflicher müssen. Das Gefühl, dem gängigen, durch die Medien Überlegung für eine Schönheitsoperation entscheidet, produzierten Schönheitsideal nicht zu entsprechen, min- sollte diesen Weg gehen können, ohne dass hinter vorge- dert den Aufbau von Selbstvertrauen und Selbstwertge- haltener Hand darüber getuschelt wird. fühl. Es kommt zu Essstörungen, Fitnesswahn und dem unbedingten Wunsch nach einer Schönheitsoperation, Wichtig ist allein, dass die Patienten wissen, was sie denn der eigene „un-perfekte“ Körper wird abgelehnt. tun; dass Ärzte umfassend aufklären; dass sie sorgfältig Junge Menschen unterziehen sich vor laufender Kamera operieren; dass sie versichert sind – und dass Kinder und einer Schönheitschirurgie – immer in der Hoffnung, dass Jugendliche nur dann behandelt werden, wenn wirklich sie danach ein Leben als „The Swan“ (der Schwan) ein medizinischer Grund vorliegt. – vom unbeachteten Teenager zum stolzen Schwan – le- Denn Schönheit ist eben doch nicht alles. ben können. Die Zurschaustellung und Vermarktung der Schönheitschirurgie hatte mit dieser Sendung einen ab- solut unrühmlichen Höhepunkt in den Medien erreicht. Mechthild Rawert (SPD): Die meisten Menschen Mit der Not und der Hoffnung auf Akzeptanz und Aner- wollen schön sein! Wer kennt diese Eitelkeiten nicht an kennung wurde kalkuliert Geschäftemacherei betrieben. sich selbst! Die Schönheitschirurgie erfreut sich in Mittlerweile ist bekannt, dass postoperative Nachwir- Deutschland einer großen Beliebtheit. Der Markt für die kungen und Komplikationen (unter anderem Taubheits- „Verbesserung oder Veränderung von Körperformen gefühle, Schwellungen, Blutergüsse, deutliche Narben, durch operative Eingriffe ohne medizinische Notwen- Unregelmäßigkeiten/Dellen, Nachblutungen) bei 22 Pro- digkeit im Sinne des Krankenversicherungsrechts“ zent der Frauen und 8 Prozent der Männer auftreten. Ein (B) (Schönheitschirurgie laut Verständnis des Bundesge- weiterer operativer Eingriff ist dann häufig die Folge. Es (D) sundheitsministeriums) boomt. Laut der Ärzte-Zeitung gibt nachweislich auch Todesfälle infolge von schön- (10. März 2006) ist die „Ästhetische Medizin (…) ein heitschirurgischen Eingriffen. Milliarden Markt“: Der Umsatz wird in Deutschland mittlerweile auf jährlich 5 Milliarden Euro geschätzt, da- Zu Recht hatte daher im Anschluss an „The Swan“ von circa 800 Millionen Euro auf plastische Operatio- der Niedersächsische Frauenrat in einer großen Unter- nen, die nicht primär medizinisch indiziert sind. Dabei schriftsaktion die Programmverantwortlichen von Fern- sind nicht nur die Frauen Vorreiterinnen, sondern auch sehsendern kategorisch gefordert, solche Sendungen zu die Männer lassen sich Fett absaugen, Falten behandeln, unterlassen, die wegen ihres Showcharakters irrationale die Nase oder das Kinn korrigieren. Auch Kinder sind Hoffnungen wecken, unrealistische Schönheitsideale vor der „Schönheit aus der zweiten Hand“ nicht gefeit: propagieren und vor allem auch die Risiken durch medi- Laut einer Umfrage des Kinderbarometers der LBS-Ini- zinische Eingriffe und Operationen verharmlosen und tiative „Junge Familie“ wünschen sich jedes 5. Kind der mögliche Komplikationen im Anschluss daran vollstän- unter 9- bis 14-Jährigen eine schönheitsoperative Be- dig negieren. Auch die Bundesärztekammer wurde ini- handlung des eigenen Aussehens. Wünschen heißt aber tiativ und hat eine „Koalition gegen den Schönheits- noch nicht durchführen. Hier haben Eltern eine heraus- wahn“ gegründet, unter anderem unterstützt auch vom gehobene Verantwortung: Nicht nur bei der Lenkung Deutschen Ärztetag sowie Initiativen und politisch Akti- realer erfüllbarer Wünsche, sondern auch als diejenigen, ven. Das Bundesgesundheitsministerium hat sofort gesetz- die schließlich einen Behandlungsvertrag unterschreiben geberische Konsequenzen gezogen: „Schönheitsoperatio- müssen und die Kosten tragen. Der Anteil der Jugendli- nen“ wurden in die Änderung des Heilmittelwerbegesetzes chen beiderlei Geschlechts wächst, die sich mithilfe der aufgenommen. Das Heilmittelwerbegesetz untersagt ir- Schönheit produzierenden operativen Eingriffe auf ein reführende und ethisch bedenkliche Werbung. Darüber allgegenwärtiges Schönheitsideal trimmen wollen. Ju- hinaus hat das Bundesgesundheitsministerium unter ande- gendliche fühlen sich durch dieses Schönheitsideal ei- rem die Informationsbroschüre Spieglein, Spieglein … nem enormen Druck ausgesetzt. Dabei sind nicht mehr vorgestellt. Auch die Bundeszentrale für gesundheitliche nur Stars die Vorbilder, sondern durch computerretu- Aufklärung hat sich verstärkt der Aufgabe gestellt, Fra- schierte Fotos wird der eigene Körper zu einem „perfek- gen der Körperwahrnehmung und des Schönheitsideals ten Körper“ imaginiert und ein „unrealistisches Bild“ in Schulen und anderen Settings zu thematisieren. Im soll zur Wirklichkeit werden. Der Weg der Jugendlichen Forschungsprojekt „Schönheitsoperationen: Daten, Pro- in ihrem Prozess zur Selbstfindung und Identitätsbildung blem, Rechtsfragen“ (veröffentlicht am 16. Juli 2007 wird dadurch nicht einfacher. Denn es gibt Tage im Le- durch das BMELV) wurden – meines Wissens nach

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(A) erstmalig – im Rahmen einer Angebotsanalyse, einer bildung der Ärzte und Ärztinnen in der Ästhetischen (C) Befragung von Verbraucherinnen und Verbrauchern so- Medizin werden können und aktuelle Missstände helfen wie einer Evaluation verbraucherpolitischer Maßnahmen zu beseitigen. Solche Standardsetzungen unterstützen eine Marktanalyse und ein fundierter Überblick über die wir. Wir wollen, dass Personen, die in der Schönheitsme- tatsächliche Inanspruchnahme dieser Dienstleistung, die dizin tätig sind, verpflichtet werden, eine umfassende für Verbraucherinnen und Verbrauchern daraus resultie- Haftpflichtversicherung abzuschließen. Denn bisher ist renden Probleme als auch den tatsächlich daraus resul- der Abschluss einer entsprechenden Haftpflichtversiche- tierenden gesellschaftlichen Folgekosten erstellt. Zu rung lediglich eine standesrechtliche Berufspflicht, und Recht wird auch der Frage nachgegangen, wer denn nun nur in einigen Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen die Nachfragerinnen und Nachfrager von „Schönheits- ist sie gesetzlich vorgeschrieben. Hier besteht aufseiten operationen“ sind: Sind es Patientinnen und Patienten der Länder Handlungsbedarf. Das Heilmittelwerbege- oder sind es Kundinnen und Kunden? Die Begrifflich- setz zeigt Wirkung, die aggressive Werbung in diesem keit ist deshalb von Bedeutung, da diese Begrifflichkei- Bereich ist zurückgegangen. Die Folgebehandlungen ten in der Bevölkerung unterschiedliche Assoziationen missglückter Eingriffe belasten nicht nur die geschädig- hervorrufen. Darüber hinaus sind diese Rollen auch un- ten Personen selbst, sondern auch die Solidargemein- terschiedlichen Erwartungen und Verhaltensweisen hin- schaft der Krankenversicherten. Im Gesetz zur Stärkung sichtlicht der Aufklärungspflicht, der berufsrechtlichen des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversiche- Regelungen, dem Haftungsschutz etc. verbunden. Für rung wurde geregelt, dass Versicherte, die sich in der Kundinnen und Kunden gilt der Verbraucherschutz. Bei Folge einer Schönheitsoperation eine Krankheit zugezo- unserem Antrag „Missbräuche im Bereich der Schön- gen haben, bei den dadurch entstehenden Behandlungs- heitschirurgie gezielt verhindern – Verbraucher umfas- kosten in angemessener Höhe von der Krankenkasse zu send schützen“ geht es nicht nur um den Schutz Minder- beteiligen sind. So kann unter anderem das Krankengeld jähriger sondern aller Nutzer und Nutzerinnen der für die Dauer der Behandlung ganz oder teilweise ver- Schönheitschirurgie. sagt oder zurückgefordert werden. Wir können davon ausgehen, dass die Schönheitschir- Zwischen der ärztlichen Selbstverwaltung und den urgie ein zunehmend gewerblicher Markt mit den ent- Krankenkassen wurde aktuell einvernehmlich geklärt, sprechenden Regeln wird. Aber auch hier gilt: Qualität dass seitens der Medizinerinnen und Mediziner aus- und Qualitätssicherung sind eine wesentliche Vorausset- schließlich die Folgebehandlungen von Schönheitschir- zung für das erhoffte risikofreie Ergebnis schönheits- urgie, Piercing- und Tatoobehandlungen an die Kranken- chirurgischer Eingriffe. Da diese in der Regel ohne me- kassen zu melden sind. Diese klare Regelung stellt dizinische Indikation erfolgen, sondern auf einer quasi sicher, dass ein Konflikt im Ärztinnen- und Arzt- und (B) privatrechtlichen Absprache zwischen Patientin und Pa- Patientinnen- und Patient-Verhältnis nicht entsteht, das (D) tient (Kundin und Kunde) und der Ärztin/dem Arzt als Vertrauensverhältnis bestehen bleibt. Ich gehe selbstver- Leistungserbringerin und Leistungserbringer, greifen die ständlich davon aus, dass im Vorfeld eines schönheits- Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen der Kranken- chirurgischen Eingriffs eine entsprechende Beratung und kassen aber nur eingeschränkt. Dieses ist vielen Men- Aufklärung der Verbraucherinnen und Verbraucher bzw. schen nicht bekannt. Das ärztliche Berufsrecht umfasst Kundinnen und Kunden durch die Behandelnden statt- die Frage nach den beruflichen Kompetenzen und An- findet. Unseres Erachtens kann nur ein insgesamt be- forderungen an Ärzte. Die Kontrolle obliegt den Län- wussterer Umgang mit der eigenen Gesundheit und mit dern, die zumeist in ihren Kammer- und Heilberufsgeset- den Ressourcen des Gesundheitswesen dazu führen, un- zen die Ausgestaltung den Ärztekammern übertragen ser Gesundheitswesen zu erhalten. haben. Ich erwarte im Interesse von uns allen von den entsprechenden Akteuren, eine stärkere Befassung mit Dr. Konrad Schily (FDP): Die sogenannte Schön- diesem teilweise vorhandenen „grauen Markt“ der heitschirurgie gehört in die wunscherfüllende Medizin. Schönheitschirurgie. Auch die Kontrolle und Überwa- Darunter versteht man ärztliche Eingriffe und Verfahren, chung der vielfältigen Angebote ist verstärkt zu überwa- die nicht in Abwehr einer Krankheit oder eines anderen chen und bei Zuwiderhandeln gegen Qualitätsstandards schädlichen Einflusses von außen auf den Menschen zu- mit entsprechenden Sanktionen zu versehen. Nach wie kommen, sondern ärztliche Eingriffe oder Verfahren, die vor ist beispielsweise richtig: „Fettabsaugung“ ist kein einen Wunsch der Patienten nach Veränderung ihrer kör- Friseurbesuch, sondern muss von einem sehr gut ausge- perlichen Verfassung zur Erfüllung verhelfen sollen. bildeten Operateur durchgeführt werden, sonst sind hässliche, oft irreparable Schäden (Dellen) die Folge. Das Verführungspotenzial einer solchen Medizin ist Nicht immer ist aber tatsächlich eine fundierte Ausbil- groß. Wer möchte nicht einen wohlgestalteten Leib ha- dung gegeben. Positiv erwähnen möchte ich die Landes- ben – Chirurgie – oder die besten sportlichen Leistungen ärztekammer Nordrhein-Westfalen, die allgemeine In- erbringen – Dopingmittel – oder der Sorgen enthoben formationen ins Netz gestellt hat und dabei auch auf die sein – Pharmaka? haftungsrechtlichen Konsequenzen verwiesen hat. Mitt- lerweile hat sich eine Expertenkommission zum „Quali- Bei der Schönheitschirurgie sind die Übergänge zwi- tätsmanagement in der Ästhetischen Medizin“ bei der schen Erfüllung von ästhetischen Wünschen und medizi- „Deutschen Gesellschaft für Plastische und Wiederher- nisch Nötigem fließend. Individuell empfundene Störun- stellungschirugie“ gebildet. Sie wird Qualitätsstandards gen des äußeren Erscheinungsbilds können heute entwickeln, die später auch zur Grundlage für die Aus- behoben werden. Aber es gibt auch Fehlbildungen, die

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(A) eine medizinische Indikation zur chirurgischen Korrek- Oder er kann vom Patienten gewünscht werden, weil (C) tur darstellen. er zum Beispiel auf Bühnen oder im Film oder ähnli- chem tätig ist und entsprechenden Schönheitsidealen ge- Wenn Sie zum Beispiel eine spitz nach oben zulau- nügen möchte. fende Nase haben, die zwar Ihre familiäre Ähnlichkeit unterstreicht, unter der Sie aber leiden, dann kann ein Zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Schön- Eingriff notwendig sein. Was auch immer die Ursache heitsoperationen gehört es auch, umfassend zu doku- ist, sie kann für die Erscheinung so bestimmend sein, mentieren und über die weit reichenden Risiken aufzu- dass sie aus ärztlichen Gründen einer Korrektur bedarf. klären, die mit solchen Eingriffen verbunden sind. Eine Das heißt, es muss immer eine ärztliche Entscheidung öffentliche Diskussion halte ich für wichtig, gerade sein, ob wir es mit der Therapie einer Krankheit oder wenn es um den Schutz der Minderjährigen geht. eben mit wunscherfüllender Medizin zu tun haben. Frank Spieth (DIE LINKE): „Missbräuche im Be- Aber bei der wunscherfüllenden Medizin, genauso reich der Schönheitsoperationen gezielt verhindern – wie bei jedem anderen medizinischen Eingriff, muss die Verbraucher umfassend schützen“: Das ist der schöne Qualität gewahrt bleiben, damit der Traum von der Titel dieses Antrages. Natürlich will niemand Missbräu- Schönheit nicht in einem Albtraum endet. Daher ist es che in der Schönheitschirurgie oder in einem anderen durchaus besorgniserregend, wenn man von der steigen- Bereich des Medizinbetriebes. Natürlich sind auch wir, den Zahl von schönheitschirurgischen Eingriffen hört, die Fraktion Die Linke, für einen umfassenden Patien- die von Ärzten ohne diesbezügliche Zusatzqualifikation tenschutz. Wenn also in dem Antrag das drinstecken vorgenommen werden. Dazu kommt, dass das Risiko würde, was draufsteht, würden wir dem gerne zustim- von Fehlbildungen und schweren Gesundheitsschädi- men. gungen steigt. Die Zielrichtung des zugrunde liegenden Antrags, hier für höhere Qualität und Sicherheit für die Einige Punkte gefallen mir recht gut. Jedoch sind gute Betroffenen zu sorgen, ist daher zu begrüßen. Ideen noch keine konkrete Politik. Beispiel: Oft laufen Schadensersatzansprüche der Patienten nach missglück- Um ärztlichem Missbrauch vorzubeugen, sollte da- ten Schönheitsoperationen ins Leere, weil die Opera- rüber hinaus aber auch auf eine europäische Ärzteverein- teure keine Versicherung haben und zudem privat nicht barung hingewirkt werden, in der die in diesem Bereich ausreichend zahlungsfähig sind. Daher wird gefordert, arbeitenden Ärzte verpflichtet werden, vor jedem Ein- dass Ärzte, die operieren, über eine entsprechende Haft- griff die Zweitmeinung eines Kollegen einzuholen, und pflichtversicherung verfügen müssen. Das ist zu begrü- zudem zu einer deutlichen Dokumentation verpflichtet ßen. Ungeklärt bleibt jedoch, wie diese Schadensersatz- (B) werden, wie auch zu einer umfangreichen Haftungssi- ansprüche – auch bei anderen ärztlichen Fehlern – von (D) cherung. Dies gehört in meinen Augen zu einem qualita- armen Patienten vor Gericht durchgesetzt werden sollen. tiven und verantwortungsvollen Umgang mit wunsch- erfüllender Medizin in der Ärzteschaft, die sich diesem Es sollen Verbote für medizinisch nicht indizierte äs- Anspruch stellen muss. thetische Operationen Minderjähriger geprüft werden. Es ist aber meines Erachtens nicht ausreichend, wenn die Ob es sich um medial vermittelte kurzfristige Mode- Eltern einem solchen Wunsch ihrer minderjährigen Kin- trends oder um langfristige Veränderungen der Ästhetik der zustimmen. Teenager sollen sich eben nicht mit el- in der Gesellschaft handelt – die Ursache des Phäno- terlichem Segen zum Realschulabschluss einen neuen mens, dass immer mehr Jugendliche schönheitschirurgi- Busen oder eine neue Nase operieren lassen können. Die sche Eingriffe wünschen, kann hier nicht abschließend Beteiligten sind in der Regel nicht in der Lage, die Fol- geklärt werden. Zu bedenken sind aus medizinischer gen einer solchen Operation abzuschätzen. Der Antrag Sicht die Auswirkungen auf den im Wachstum befindli- fordert aber kein Verbot, sondern lediglich, dass die chen Körper und die weitere psychische Entwicklung. Bundesregierung das Handeln der Operateure „kritisch Zwar ist rechtlich derzeit ein Eingriff nur unter Vorlie- beobachten“ soll. Der Antrag hält nicht, was er ver- gen einer Einwilligungserklärung der Erziehungsberech- spricht. Es bleibt bei wirkungslosen Appellen an die Me- tigten möglich, doch sollten wir uns aus Sorge um das dien, die Ärzte, die Bundesregierung und die Länder. körperliche und geistige Wohl der Minderjährigen über- Appelle reichen aber nicht. legen, ob dies ausreichen kann. Die Eingriffe wirken sich bei Minderjährigen viel schwerwiegender aus als Was ist von der Aufforderung zu halten, dass Bundes- bei Erwachsenen und können zu einer massiven Schädi- regierung und Länder die Medien zu einem „verantwor- gung der weiteren Entwicklung führen. tungsvollen Umgang mit dem Thema Schönheitsopera- tionen“ bringen sollen? Welcher Privatsender wird Meines Erachtens sollte man daher eine medizinisch angesichts des großen Konkurrenzdruckes dem folgen? qualifizierte Zweitmeinung vor dem Eingriff fordern. In einer Medienanalyse hat das Institut für Kommunika- tionswissenschaft und Medienforschung der Universität Die Zweitmeinung ist nicht nur bei Minderjährigen München innerhalb von vier Monaten 105 Sendungen wichtig, da es fließende Übergänge gibt. Ein kieferortho- über Schönheits-OPs ausfindig machen können, fast alle pädischer Eingriff etwa kann notwendig werden durch auf Privatsendern. Eine Studie der American Society of eine mehr oder weniger massive Fehlstellung des Gebis- Plastic Surgeons – ASPS – ergab, dass 57 Prozent der ses, durch funktionsbeeinträchtigende Fehlstellungen Schönheitschirurgiepatienten große Fans solcher Shows oder durch massive kosmetische Beeinträchtigungen. waren und mindestens eine zum Zeitpunkt der Untersu-

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(A) chung laufende Serie verfolgten. Die Freiwillige Selbst- Die Bundesregierung bauscht mit dieser Regelung ein (C) kontrolle des Privatfernsehens in Deutschland wehrt sich vollkommen nebensächliches Problem des Gesundheits- derzeit gerichtlich gegen Beschränkungen, etwa das Ver- wesens auf. Warum? Weil damit ein neues Prinzip in die bot, entsprechende Sendungen vor 23 Uhr zu zeigen, wie gesetzliche Krankenversicherung eingeführt werden es die Kommission für Jugendmedienschutz will. Wirk- soll: das Selbstverschulden. Es wird ein neues Stellrad in same Maßnahmen sind gefragt und keine weichgespül- der Gesundheitspolitik geschaffen, an dem man zukünf- ten Appelle. tig nur noch drehen muss, um weitere Leistungskom- plexe aus der Erstattungsfähigkeit auszuschließen. Im Nach dem vorliegenden Antrag sollen die Ärztever- derzeit vorliegenden Regierungsentwurf müsste man vor bände eine Aufklärungsbroschüre zu Schönheits-OPs er- die Auflistung „ästhetische Operation, eine Tätowierung stellen. Inhaltlich kann ich da zustimmen. Leider verlie- oder ein Piercing“ nur die beiden Wörter „zum Beispiel“ ren Sie kein Wort darüber, wie Ihr Wunsch an die Ärzte einfügen, um den Geltungsbereich drastisch zu erweitern durchgesetzt werden soll. und damit die Spitzeltätigkeit des Arztes zu intensivie- Auch an die Länder gibt es – das liegt in der Natur der ren. Nach dem Referentenentwurf des Gesundheitsmi- Sache – nur Appelle; schließlich kann der Bundestag nisteriums war dies vor wenigen Wochen sogar noch so schon verfassungsrechtlich den Ländern nicht vorschrei- vorgesehen. ben, was sie tun und lassen sollen. Die Länder sollen nach dem Willen der Koalition das Geschehen auf dem Mit der gleichen Logik wie bei Piercings oder Schön- Markt der Schönheitschirurgie beobachten. Ein solcher heitsoperationen kann man zukünftig auch die Kosten Aufruf mag inhaltlich in Ordnung sein, aus bekannten von Sportverletzungen oder Unsportlichkeit, von Krebs- rechtlichen Gründen bleibt der Koalitionsantrag auch in behandlungen bei Rauchern und anderes privatisieren. diesem Punkt wirkungslos. Diese Liste lässt sich mit selbstverschuldeten Autounfäl- len über Fettleibigkeit bis hin zu Besuchen in Solarien Der Antrag kritisiert zwar in seiner lang gehaltenen beliebig verlängern. Zum Schluss bleibt nur noch ein Einleitung die Tatsache, dass auch Ärzte ohne die ent- stark gerupfter Leistungskatalog der gesetzlichen Kran- sprechende mehrjährige Fortbildung in plastischer Chir- kenversicherung übrig. Auf den übrigen Behandlungs- urgie Schönheitsoperationen durchführen dürfen. In kosten bleiben die Versicherten dann alleine sitzen und Deutschland darf jeder approbierte Arzt operieren, also die Arbeitgeber werden nicht mehr über die gesetzliche auch Schönheitsoperationen durchführen, ob Kardio- Krankenversicherung an der Finanzierung beteiligt. Die loge, Anästhesist, Hausarzt oder Gynäkologe. Wer dann Fraktion Die Linke wird daher diesen Antrag ablehnen. aber im Antrag der Koalition eine Forderung oder einen Lösungsvorschlag sucht, mit dem sich der Zustand än- (B) dern würde, der reibt sich enttäuscht die Augen. (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Spät- (D) abends diskutieren wir einen Antrag, dessen Überschrift CDU/CSU und SPD nutzen die Debatte zur Schön- seit wenigen Tagen, dessen Inhalte aber erst seit etwa heitschirurgie zu etwas ganz anderem: Sie wollen bei 24 Stunden bekannt sind. Wahrlich keine gute Vorausset- diesem Thema ihre unsolidarische Regelung zum Selbst- zung für eine qualifizierte Diskussion im Plenum. verschulden, die sie mit dem GKV-Wettbewerbsstär- kungsgesetz – GKV-WSG – eingeführt hatten und die Schönheitsoperationen – ein schillernder Begriff, der sie von der Öffentlichkeit unbemerkt mit ihrem Gesetz auch mit Dokusoaps wie „Die Beauty Klinik“ oder „The zur Pflegeversicherung scharf stellen, in ein gutes Licht Swan – Endlich schön“ verbunden ist, die vorspiegeln, rücken. Sie haben im GKV-WSG geregelt, dass Versi- Schönheit ist machbar. Es ist gut, gegen solche Idealisie- cherte an den Kosten für Behandlungen, die sie durch rungen vorzugehen. Es ist hilfreich, aufzudecken, dass medizinisch nicht indizierte Maßnahmen selbst verur- viele Frauen hinter von Männern formulierten Schön- sacht haben, beteiligt werden. Dafür ist jedoch erforder- heitsidealen hinterherlaufen und nicht davor zurück- lich, dass der Arzt der Krankenkasse mitteilt, dass ein schrecken, sich mit Skalpellen traktieren zu lassen. Auch sogenanntes Selbstverschulden vorliegt. Dies ist bei Ta- der Jugendlichkeitswahn meiner Generation, die mit 50 toos, Piercings und Schönheitsoperationen der Fall. noch wie 25 aussehen will, sollte thematisiert werden. Diese konkrete Verpflichtung des Arztes zum Brechen seiner Schweigepflicht gibt es bisher nicht, soll jetzt aber Aber wir stehen nicht am Anfang dieser Diskussion. zusammen mit dem Pflegegesetz verabschiedet werden. Es hat in den letzten Jahren bereits einige Initiativen ge- Der Arzt soll nach dem Willen der Koalition zum Ge- geben, die versuchen, den Missbräuchen in diesem Be- sundheitsspitzel werden. reich etwas entgegenzusetzen. Zu nennen sind: Konkret: Wenn sich wegen eines Piercings eine Ent- Erstens die „Koalition gegen den Schönheitswahn“, zündung herausbildet, muss der Versicherte die Behand- die durch die Bundesärztekammer initiiert wurde und lungskosten selbst tragen. In diesem Fall handelt es sich von vielen aus Politik und Gesellschaft mitgetragen wird meist um eine Bagatellerkrankung, für die oft keine und seit 2004 besteht. ärztliche Behandlung notwendig ist. Wenn aber bei Schönheitsoperationen – etwa nach dem Fettabsaugen Zweitens. Ebenfalls 2004 hat die Kommission für Ju- Schmerzen – Infektionen, Blutungen oder gar eine Lun- gendmedienschutz (KJM) entschieden, dass TV-For- genembolie auftreten, dann können auch lebenswichtige, mate, in denen Schönheitsoperationen zu Unterhaltungs- „selbstverschuldete“ Therapien den Patienten schnell fi- zwecken angeregt oder begleitet werden, grundsätzlich nanziell überfordern. nicht vor 23.00 Uhr gezeigt werden dürfen. Die Abgren-

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(A) zung zwischen einer Reportage und einem Unterhal- siken im Vordergrund steht? Das ist nicht nur bei Schön- (C) tungszweck dürfte jedoch nicht so einfach sein. heitsoperationen und IGeL-Leistungen, sondern bei je- der ärztlichen Behandlung notwendig. Drittens. Die Facharztbezeichnung „Plastische Chi- rurgie“ wurde 2005 in der Musterweiterbildungsordnung Reicht hierbei der Verweis auf das ärztliche Standes- um den Zusatz „Ästhetische“ ergänzt. Es dürfte jedoch recht und die Broschüre von Gesundheits- und Justizmi- an der flächendeckenden Umsetzung in den Bundeslän- nisterium zu den existierenden Patientenrechten, oder dern mangeln. besteht nicht die Notwendigkeit eines eigenen Patienten- Viertens. Einer suggestiven und irreführenden Werbung rechte- bzw. Patientenschutzgesetzes? wurde unter Rot-Grün – da schmückt sich der Antrag der Wie ist die Qualitätssicherung in der ambulanten Ver- Koalition mit falschen Federn – durch die Änderung des sorgung zu gewährleisten? Ist eine entsprechende Quali- Heilmittelwerbegesetzes ein Riegel vorgeschoben. fikation als Facharzt bzw. Fachärztin ausreichend? Wie Fünftens. Auch bei den Aktivitäten der Bundeszen- kann die Ergebnisqualität gemessen werden? Sind Krite- trale für gesundheitliche Aufklärung freut sich Schwarz- rien wie zum Beispiel Mindestmengen sinnvoll und not- Rot über das, was Rot-Grün auf den Weg gebracht hat. wendig? Geradezu grotesk wird es, wenn die Koalition die von Wie gewinnen wir Informationen über das Leistungs- allen Seiten kritisierte Regelung im GKV-WSG, dass bei geschehen von Ärztinnen und Ärzten sowie Heilprakti- „medizinisch nicht indizierten Maßnahmen“ gesetzlich kerinnen und Heilpraktikern außerhalb der Abrechnung Versicherte faktisch den Versicherungsschutz verlieren, über GKV und PKV? als hilfreich für den kritischen Umgang mit Schönheits- Wie kann eine unabhängige, qualitätsgeprüfte sowie operationen ansieht. Wir Grünen waren und sind gegen einfach zugängliche und verständliche Information über diese Regelung, da hiermit durch die Hintertür das den Sinn und Unsinn von IGeL-Leistungen und Schön- Selbstverschuldensprinzip in der GKV eingeführt wird. heitsoperationen gewährleistet werden? Gleiches gilt für Bereits jetzt besteht die Unklarheit der Abgrenzung, die Behandlungen im Rahmen des Leistungskataloges. durch die in die Pflegereform geschmuggelte Denunzia- tionspflicht für Ärzte nicht besser wird. Nachdem die Ich bin gespannt, ob die Koalition sich auf solche Dis- Büchse der Pandora geöffnet ist, lässt sich trefflich über kussionen, die ans Eingemachte gehen, einlässt, oder ob Erweiterungen streiten: der chipsessende Couch-Potato es beim An-der-Oberfläche-Kratzen bleiben wird. oder die handballspielende junge Frau. Falls man jedoch der Ansicht ist, dass die Risiken einer Schönheitsopera- tion nicht von der Versichertengemeinschaft getragen (B) Anlage 27 (D) werden sollen, ist nicht nachvollziehbar, warum das Ri- siko auf diejenigen, die sich operieren lassen, und nicht Zu Protokoll gegebene Reden auf die Verursacher – die Operateure – abgewälzt wird. zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zu Bei Schönheitsoperationen an Minderjährigen gehen dem Abkommen vom 26. Juli 2007 zwischen der zum Glück die Warnleuchten an. Die etwas versteckte Europäischen Union und den Vereinigten Staa- Forderung eines Verbotes von nicht medizinisch indi- ten von Amerika über die Verarbeitung von zierten Schönheitsoperationen an Minderjährigen kann Fluggastdatensätzen (Passenger Name Records- nicht auf Horrorvisionen basieren. Unklar ist, ob die PNR) und deren Übermittlung durch die Flug- durch die Medien geisternde Zahl von jährlich 100 000 gesellschaften an das United States Depart- operierten Jugendlichen unter 20 Jahren korrekt ist, wie ement of Homeland Security (DHS) (PNR-Ab- viele Minderjährige betroffen sind, und welche Behand- kommen 2007) (Tagesordnungspunkt 16) lungen sich dahinter verbergen. Eine der einschlägigen Fachgesellschaften geht davon aus, dass es sich dabei Beatrix Phillip (CDU/CSU): Sozusagen als krönen- nahezu ausschließlich um Ohrenkorrekturen handelt. der Abschluss der deutschen EU-Ratspräsidentschaft ist Diese zu verbieten wäre für viele Kinder und Jugendli- es beinahe wider Erwarten gelungen, ein Abkommen che und deren Eltern Psychoterror. Wer kennt nicht die zwischen der EU und den USA zur Übermittlung von Berichte über unerträgliche Hänseleien in der Klasse Fluggastdatensätzen – „passenger name records“ oder oder auf dem Schulhof? auch kurz PNR-Daten genannt – zu vereinbaren. Im Bereich der Schönheitschirurgie sind viele Fragen Die Verhandlungen hierzu konnten am 27. Juni 2007 offen, und bevor der Bundestag hier Empfehlungen im erfolgreich abgeschlossen werden. Damit wurde der un- luftleeren Raum abgibt, sollte das gemeinsame Gespräch befriedigende Zustand, der sich durch das Urteil des Eu- mit Expertinnen und Experten gesucht werden. Wir wer- ropäischen Gerichtshofs vom 30. Mai 2006 noch ver- den dabei sehr schnell auf grundsätzliche Fragestellun- schärft hatte, beendet. gen stoßen: Nachdem dieser das erste Abkommen für „kompetenz- Wie kann das Recht der Patientinnen und Patienten widrig zustande gekommen“ erklärt hatte, musste es zum Beispiel auf umfassende Aufklärung, Darstellung zwangsläufig seitens der EU gekündigt werden. der Risiken und Alternativen gewährleistet werden? Wie lässt sich sicherstellen, dass dabei das Ziel „informierte Dies führte wiederum dazu, dass im Oktober 2006 ein Entscheidung“ und nicht der Ausschluss von Haftungsri- Interimsabkommen geschlossen wurde, das allerdings

12 Deutscher Bundestag Protokoll Nr. 16/83 16. Wahlperiode

Ausschuss für Gesundheit Wortprotokoll

83. Sitzung

Berlin, den 23.04.2008, 13:30 Uhr Sitzungsort: Reichstag, SPD-Fraktionssaal 3 S001

Vorsitz: Dr. , MdB Dr. Hans Georg Faust, MdB (zeitweise)

TAGESORDNUNG:

Öffentliche Anhörung zu folgender Vorlage:

Antrag der Abgeordneten Gitta Connemann, Dr. Hans Georg Faust, Annette Widmann-Mauz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Mechthild Rawert, Dr. Carola Reimann, Peter Friedrich, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD

Missbräuche im Bereich der Schönheitsoperationen gezielt verhindern - Verbraucher umfassend schützen

BT-Drucksache 16/6779

13 Ausschuss für Gesundheit, 83. Sitzung, 23.04.2008 2

Mitglieder des Ausschusses

Ordentliche Mitglieder des Ausschusse Stellv. Mitglieder des Ausschusses

CDU/CSU Bauer, Wolf, Dr. Blumenthal, Antje Eichhorn, Maria Brüning, Monika Faust, Hans Georg, Dr. Hennrich, Michael Hüppe, Hubert Jordan, Hans-Heinrich, Dr. Koschorrek, Rolf, Dr. Krichbaum, Gunther Michalk, Maria Luther, Michael, Dr. Scharf, Hermann-Josef Meckelburg, Wolfgang Spahn, Jens Philipp, Beatrix Straubinger, Max Scheuer, Andreas, Dr. Widmann-Mauz, Annette Zöller, Wolfgang Zylajew, Willi

SPD Friedrich, Peter Bätzing, Sabine Hovermann, Eike Becker, Dirk Kleiminger, Christian Bollmann, Gerd Lauterbach, Karl, Dr. Ferner, Elke Mattheis, Hilde Gleicke, Iris Rawert, Mechthild Hemker, Reinhold, Dr. Reimann, Carola, Dr. Kramme, Anette Spielmann, Margrit, Dr. Kühn-Mengel, Helga Teuchner, Jella Marks, Caren Volkmer, Marlies, Dr. Schmidt, Silvia Wodarg, Wolfgang, Dr. Schurer, Ewald

FDP Bahr, Daniel Ackermann, Jens Lanfermann, Heinz Kauch, Michael Schily, Konrad, Dr. Parr, Detlef

DIE LINKE. Bunge, Martina, Dr. Ernst, Klaus Seifert, Ilja, Dr. Höger, Inge Spieth, Frank Knoche, Monika

B90/GRUENE Bender, Birgitt Haßelmann, Britta Scharfenberg, Elisabeth Koczy, Ute Terpe, Harald, Dr. Kurth, Markus

______Der Urschrift des Protokolls ist die Liste der Unterschriften beigefügt.

14 Ausschuss für Gesundheit, 83. Sitzung, 23.04.2008 3

Sprechregister Abgeordnete Seite/n Sprechregister Sachverständige Seite/n Vorsitzende, Abg. Dr. Martina 6 SV Prof. Dr. Günter Germann 6,10,21,25 Bunge (DIE LINKE.) (Deutsche Gesellschaft der Plasti- schen, Rekonstruktiven und Ästheti- schen Chirurgen (DGPRÄC)) Abg. Annette Widmann-Mauz 6 SVe Dr. Cornelia Goesmann (Bun- 6,16,17,21,25 (CDU/CSU) desärztekammer (BÄK)) Abg. Dr. Rolf Koschorrek 8 SV Dr. Joachim Graf von Fin- 7,11,14,26 (CDU/CSU) ckenstein (Deutsche Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie (DGÄPC)) Abg. Gitta Connemann 9,22,23 SVe Brunhilde Raiser (Deutscher 7,15,17,25 (CDU/CSU) Frauenrat e.V. (DF)) Stellvertretender Vorsitzender, 10,27 SVe Susanne Mauersberg (Verbrau- 7,13,15,17,18 Abg. Dr. Hans Georg Faust cherzentrale Bundesverband e.V. (CDU/CSU) (vzbv)) Abg. Dr. Carola Reimann (SPD) 10,24,26 SV Hartwig Meyer (Patientenschutz 7 e.V.) Abg. Mechthild Rawert (SPD) 12,24 SV Dr. Gerhard Nösser (Bundesärz- 8,18,19,26 tekammer (BÄK)) Abg. Dr. Konrad Schily (FDP) 13,14,15 SV Prof. Dr. Dr. Wilfried Wagner 8,15 (Bundeszahnärztekammer (BZÄK)) Abg. Frank Spieth (DIE LINKE.) 16,17,18 SV Prof. Dr. Dr. Siegmar Reinert 8,25 (Deutsche Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie e.V. (DGMKG)): Abg. Birgitt Bender (BÜNDNIS 18,19,20 SVe Dr. Constance Neuhann- 9,23 90/DIE GRÜNEN) Lorenz Abg. Jens Spahn (CDU/CSU) 21 SV RA Matthias Teichner 9,21,24,27 Abg. Maria Michalk (CDU/CSU) 21 SV Prof. Dr. Christian Gabka (Ver- 10,26 einigung der Deutschen Ästhetisch- Plastischen Chirurgen (VDÄPC)) SV Prof. Dr. Dr. Heinz Bull (Gesell- 11,25 schaft für Ästhetische Chirurgie Deutschland e.V. (GÄCD)) SV Dr. Jörg-Andreas Rüggeberg 11 (Berufsverband der Deutschen Chi- rurgen e.V. (BDC)) SVe Kirsten Schubert (Bundesar- 12,16,18 beitsgemeinschaft der Patientinnen- stellen (BAGP)) SV Dr. Albrecht Wienke (Deutsche 12,24,27 Gesellschaft für Medizinrecht (DGMR)) SV Dr. Albrecht Krause-Bergmann 13,14,15,20 SV Doc. Dr. Dr. Johannes C. Bruck 13 (Vereinigung der Deutschen Ästhe- tisch-Plastischen Chirurgen (VDÄPC))

15 Ausschuss für Gesundheit, 83. Sitzung, 23.04.2008 4

SV Dr. Ulrich Fegeler (Berufsver- 15 band der Kinder- und Jugendärzte e.V. (BVKJ)) SV Peter A. Zizmann (Die Deut- 20,23 schen Heilpraktikerverbände (DDH)) SVe Dr. Marita Eisenmann-Klein 22,23 (Deutsche Gesellschaft der Plasti- schen, Rekonstruktiven und Ästheti- schen Chirurgen (DGPRÄC)) SV Prof. Dr. Dr. Ralf Siegert (Deut- 25 scher Berufsverband der Hals-Nasen- Ohrenärzte e.V. (HNO)) SV Prof. Dr. Jens-Uwe Blohmer 26 (Deutsche Gesellschaft für Plastische und Wiederherstellungschirurgie e.V. (DGPW))

16 Ausschuss für Gesundheit, 83. Sitzung, 23.04.2008 5

Bundesregierung

Bundesrat

Fraktionen und Gruppen

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Beginn der Sitzung: 13.30 Uhr Kenntnis die entsprechende Praxis aus und sehen Sie hier einen Änderungsbedarf? Ich bitte alle Befragten, kurz und prägnant zu ant- Vorsitzende Abg. Dr. Martina Bunge (DIE worten, damit wir die Zeit effizient nutzen LINKE.): Liebe Kolleginnen und Kollegen, können. Herzlichen Dank für Ihr Verständnis. sehr geehrte Damen und Herren, die sie als Vertreter von Verbänden oder als Einzelsach- verständige hierhergekommen sind, ich möchte SV Prof. Dr. Günter Germann (Deutsche Sie herzlich begrüßen und eröffne hiermit die Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven 83. Sitzung des Ausschusses für Gesundheit. und Ästhetischen Chirurgen (DGPRÄC)): Wir Der einzige Tagesordnungspunkt ist die öffent- wissen es nicht genau. Nach unseren Erhebun- liche Anhörung zu dem Antrag von Abgeord- gen aus dem Jahr 2004 schätzen wir, dass etwa neten und der Fraktion der CDU/CSU sowie 150.000 bis 180.000 Eingriffe nach der derzei- von Abgeordneten und der Fraktion der SPD tigen Definition nicht medizinisch indiziert mit dem Titel: „Missbräuche im Bereich der waren. Die Dunkelziffer von Kollegen, die Schönheitsoperationen gezielt verhindern – solche Eingriffe vornehmen, aber nicht plasti- Verbraucher umfassend schützen“ auf BT-Drs. sche Chirurgen sind, ist überhaupt nicht er- 16/6779. Der Ausschuss für Gesundheit ist fassbar. Ich bin der Meinung, dass die kolpor- federführend. Am 20. Februar 2008 ist der tierten Zahlen, die zwischen 700.000 und 1 Antrag im Ausschuss eingeführt worden. In Mio. schwanken, deutlich zu hoch gegriffen der gleichen Sitzung hat der Ausschuss be- sind. Zum Erfassungsverfahren ist folgendes schlossen, eine Anhörung zu dem Thema zu sagen: Während die mit Kostenübernahme durchzuführen. Die Anhörung wird wie folgt ausgestatteten Eingriffe im Rahmen der GKV ablaufen: Die Mitglieder der verschiedenen durch die Krankenhäuser erfasst werden, gibt Fraktionen werden Ihnen Fragen stellen. Sie es für die Praxen keine Erfassungspflicht; dies werden dann von mir aufgefordert zu antwor- gilt im Übrigen für die Mehrzahl der in ten. Falls ich dies noch nicht getan habe, bitte Deutschland ausgeführten Operationen. Über ich Sie, Ihren Namen und gegebenenfalls die die Frage, ob wir ein zentralisiertes, verbesser- Institution, die Sie vertreten, zu nennen und die tes Erfassungssystem brauchen, wird derzeit in Mikrofone zu benutzen. Wir beginnen mit der den Fachgesellschaften sehr intensiv diskutiert. Fraktion der CDU/CSU.

SVe Dr. Cornelia Goesmann (Bundesärzte- Abg. Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU): kammer (BÄK)): Zu der ersten Frage: „Wer- Ich habe drei Fragen. Die erste Frage richtet den Komplikationen, die auftreten, heute do- sich an die Deutsche Gesellschaft der Plasti- kumentiert und wenn ja, wie?“ Wir gehen da- schen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chi- von aus, dass die entsprechenden Einrichtun- rurgen. Wie hoch ist nach Ihrer Kenntnis die gen ein einrichtungsinternes Qualitätsmana- Zahl der in Deutschland nicht medizinisch gementsystem haben. Die seriösen Einrichtun- indizierten Schönheitsoperationen? Wie wer- gen werden dies dokumentieren und dann die den die Zahlen heute erfasst? Gibt es aus Ihrer Schlüsse aus den Komplikationen, die auftre- Sicht am Erfassungsverfahren Änderungsbe- ten, ziehen. Es gibt aber, soweit ich weiß, kein darf? Die zweite Frage richtet sich an die Bun- generelles bundesweites Register. Allerdings desärztekammer und die Vereinigung der werden die Vorfälle, die den Schlichtungsstel- Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen. len für Arzt-Haftpflichtfragen gemeldet wer- Werden die Komplikationen, die bei Schön- den, bundesweit registriert und ausgewertet, so heitsoperationen und bei schönheitschirurgi- dass man dann aus den aufgetretenen Kompli- schen Eingriffen auftreten, heute dokumentiert kationen Rückschlüsse ziehen und diese in die und wenn ja, wie? Werden die Komplikationen Fort- und Weiterbildung der Ärzteschaft ein- solcher Eingriffe europaweit oder international fließen lassen kann. erfasst, und wenn nicht, besteht aus Ihrer Sicht Zur zweiten Frage: „Werden die Komplikatio- dafür ein Bedarf? Die dritte Frage richtet sich nen schönheitschirurgischer Eingriffe europa- an den Deutschen Frauenrat, die Verbraucher- weit oder international erfasst?“ Ich weiß zentrale Bundesverband sowie den Patienten- nicht, ob das geschieht. Wir haben es nicht schutz e.V. Welche Bedeutung hat nach Ihrer herausfinden können. Diese Frage müsste da- Auffassung die Aufklärung über schönheitschi- her jemand anderes beantworten. Ob es dafür rurgische Eingriffe? Wie sieht nach Ihrer

18 Ausschuss für Gesundheit, 83. Sitzung, 23.04.2008 7 einen Bedarf gibt, kann vielleicht die heutige zwar vor allem deshalb, weil gerade bei Diskussion zeigen. Schönheitsoperationen das Problem besteht, dass nicht sichergestellt ist, dass der durchfüh- rende Arzt die sechsjährige Qualifikation SV Dr. Joachim Graf von Finckenstein durchlaufen hat. Gleichwohl kann man auch (Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für bei den Ärzten, die diese Qualifikation haben, Ästhetisch-Plastische Chirurgie (DGÄPC)): gelegentlich feststellen, dass die Beratung Ich habe den Erfassungszahlen nichts Neues nicht ausreichend ausfällt und bei dem Ge- hinzuzufügen. Es ist extrem schwierig, dazu spräch mit den Patienten nicht wirklich auf eine Gesamtzahl zu eruieren, weil nicht ausrei- deren individuelle Fragen eingegangen wird. chend definiert ist, welche Ärzte plastisch- So hat auch die Studie gezeigt, dass z. B. Fälle, ästhetische Eingriffe durchführen dürfen. Es in denen eine starke psychische Problematik besteht ein dringender Handlungsbedarf, hier im Hintergrund steht, vom Arzt gar nicht erho- Eingrenzungen vorzunehmen, aus denen sich ben werden und diese Problematik somit auch ergibt, wer so etwas machen darf. Das ist auch gar nicht feststellt wird. Wir halten also eine eine Frage der Approbation. unabhängige Beratung für die einzige Mög- Ich möchte auch noch kurz etwas zu der euro- lichkeit, dem Patienten die Sicherheit zu ge- paweiten Erfassung sagen. Es ist im letzten ben, dass hier keine finanziellen Interessen des Jahr eine neue Gruppe gebildet worden, die Arztes zur Geltung kommen. „European Association of Plastic and Aesthetic Surgeons“, die in Bordeaux ihren Sitz hat. Es gehört zu ihren Zielsetzungen, die chirurgi- SV Hartwig Meyer (Patientenschutz e.V.): schen Komplikationen nach Eingriffen, die mit Zum Problem der Aufklärung ist zu sagen, der Ästhetik zu tun haben, europaweit zu erfas- dass sie in den vom Patientenschutz beobachte- sen. Was die Erfassung von Fehlern anbelangt, ten Fällen wirklich sehr im Argen liegt. Die sind die Franzosen in Zusammenarbeit mit den Situation wird noch dadurch verschärft, dass Dermatologen schon relativ weit vorange- wir hier einen zweiseitigen Behandlungstou- kommen. rismus haben. Die Patienten werden systema- tisch ins Ausland in irgendwelche Schönheits- farmen oder -kliniken gelockt. Umgekehrt SVe Brunhilde Raiser (Deutscher Frauenrat reisen Ärzte aus dem Ausland, deren Approba- e.V. (DF)): Unserer Ansicht nach ist die Frage tion in Deutschland fraglich ist, vorübergehend der Aufklärung absolut vorrangig und – das in die Bundesrepublik ein, um hier zu operie- war ja der zweite Teil der Frage – bis jetzt ren. Gerade hier in Berlin gibt es einige solcher nicht ausreichend beantwortet, und zwar vor Fälle. Dieses Problem wäre sicherlich zu lösen, allem im Hinblick darauf, was für ein Eingriff wenn es die Aufklärung durch eine unabhängi- durchgeführt wird, welche Folgen er haben ge Stelle gäbe, obgleich deren Umsetzung im kann und welche Alternativen es dazu gegebe- Alltag etwas problematisch wäre. Denn der nenfalls gibt. Das heißt, wir fordern ganz drin- Patientenschutz hat ja einen etwas anderen gend ein intensives Vorgespräch, das in ver- Ansatz. Der sieht vor, dass der operierende ständlicher Form geführt wird und dessen Ver- Arzt die Aufklärung des Patienten nicht dele- lauf nach Möglichkeit auch gerichtlich nach- gieren darf, sondern sie mit einem gewissen vollziehbar ist. Im Idealfall handelt es sich um zeitlichen Abstand zur Operation persönlich eine Beratung einer/s unabhängigen Berate- vornehmen soll. Wenn der Arzt die Aufklärung rin/Beraters, die/der an dem Eingriff nicht bei einem gesonderten Termin vornimmt, darf finanziell interessiert ist. Wir fordern auch – dieser Termin nicht in Rechnung gestellt wer- und das gehört mit in diesen Bereich hinein –, den. Wir haben beobachtet, dass in Schön- dass ein unmissverständlicher Hinweis auf den heitskliniken Aufklärung stattfindet. Es ist aber für uns nicht ganz unproblematischen unserer Ansicht nach unzulässig, dass dafür § 52 SGB V erfolgt, bevor schriftlich im Sinne eine eigene Gebühr erhoben wird. Denn die des Informed Consent der Auftrag erteilt wird. Aufklärung gehört zu den Pflichten eines Arz- tes, die nicht gesondert berechnet werden dür- fen. Das gehört eigentlich zu der ärztlichen SVe Susanne Mauersberg (Verbraucherzent- Leistung, die insgesamt abgerechnet wird. Das rale Bundesverband e.V. (vzbv)): Auch für uns Arzt-Patienten-Verhältnis ist ein Vertrauens- ist die Forderung nach einer unabhängigen verhältnis, das nicht durch einen unabhängigen Beratung ein ganz wesentlicher Punkt, und Berater, der die Patientenaufklärung durch-

19 Ausschuss für Gesundheit, 83. Sitzung, 23.04.2008 8 führt, ersetzt werden kann. An dieses Vertrau- die Werbung für Schönheitsoperationen An- ensverhältnis und an den aufklärenden Arzt wendung finden. müssen aber hohe Anforderungen gestellt wer- den. Die Beratung muss schriftlich dokumen- tiert werden, der Arzt muss dem Patienten eine SV Prof. Dr. Dr. Wilfried Wagner (Bundes- Haftpflichtversicherung nachweisen und Kli- zahnärztekammer (BZÄK)): Im Bereich der nik und Patienten müssen eine Garantiehaftung Bundeszahnärztekammer bestehen dieselben für eventuelle Folgen übernehmen. Wenn das Regelungen für die Werbung wie für den Be- geschieht, besteht meines Erachtens kein An- reich der Bundesärztekammer. Das Besondere lass, in das Arzt-Patienten-Verhältnis durch im Bereich der Zahnheilkunde besteht darin, eine unabhängige Beratungsstelle einzugreifen. dass der ästhetische Anspruch an die ganz Das halte ich persönlich für zu bürokratisch. traditionelle zahnärztliche Therapie mit den erweiterten Möglichkeiten erheblich gestiegen ist. Das bedeutet, dass die neuen Therapiefor- Abg. Dr. Rolf Koschorrek (CDU/CSU): Ich men einen zusätzlichen, ästhetisch bedingten richte meine erste Frage an die Bundesärzte- Behandlungsbedarf bewirken. Gerade in der kammer und die Bundeszahnärztekammer. Zahnheilkunde ist es extrem schwierig und nur Welchen Anforderungen unterliegen Ärztinnen in Grenzfällen realistisch, eine rein medizi- und Ärzte hinsichtlich der Werbung für nisch indizierte von einer nur ästhetisch indi- Schönheitsoperationen? Welche dieser Rege- zierten Therapie zu unterscheiden, weil Zahn-, lungen gelten auf Grund der berufsrechtlichen Mund- und Kieferheilkunde, die Kieferverän- Bestimmungen ausschließlich für Ärztinnen derungen herbeiführt, immer auch eine ästheti- und Ärzte? Meine zweite Frage richtet sich an sche Therapie ist, weil sie im Gesicht stattfin- die Bundeszahnärztekammer und die Deutsche det. Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichts- Zur Qualitätssicherung ist folgendes zu sagen: chirurgie. Welche Rolle spielt die Zahn-, Die wesentlichen operativ kombinierten The- Mund- und Kieferheilkunde bei der ästheti- rapien, also Kombinationen von konservativer schen Rehabilitation und bei entsprechenden und chirurgischer Therapie, wie sie etwa bei Korrekturwünschen der Patienten? Welche der Dysgnathiechirurgie stattfinden, sind durch Maßnahmen zur Sicherung einer entsprechen- zwei Weiterbildungskonzepte qualitätsgesi- den Aus- und Weiterbildung, auch zur Quali- chert, einerseits durch den Fachzahnarzt für tätssicherung, sind in Ihrem Berufsstand etab- Kieferorthopädie und andererseits durch den liert? Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschi- rurgie. Vor diesem Hintergrund muss man die komplexen ästhetischen Korrekturen sehen. SV Dr. Gerhard Nösser (Bundesärztekammer (BÄK)): Es gibt im ärztlichen Berufsrecht keine speziellen Anforderungen an die Wer- SV Prof. Dr. Dr. Siegmar Reinert (Deutsche bung für Schönheitsoperationen. Wir haben Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichts- generelle Regelungen für die den Ärzten er- chirurgie e.V. (DGMKG)): Zu der Frage nach laubten Werbemaßnahmen. Im § 27 der Be- der Rolle der Zahn-, Mund- und Kieferheil- rufsordnung ist geregelt, dass anpreisende, kunde im Bereich des Gesichtes und den Ab- irreführende und vergleichende Werbung be- hängigkeiten zwischen Gesicht, Form und rufswidrig ist. Das sind die Regelungen, die Funktion möchte ich auf die Ausführungen von speziell für Ärzte gelten. Darüber hinaus gibt Herrn Kollegen Wagner verweisen, wonach im es Regelungen im Heilmittelwerbegesetz, die Gesicht Form und Funktion untrennbar und nicht speziell für Ärzte, sondern für alle gelten, gewissermaßen einzigartig verbunden sind. die Werbung in Bezug auf ärztliche Behand- Beispielsweise hat ein zu großer Unterkiefer lung/Heilkunde und ähnliches betreiben. Wie mit einem Vorbiß (einem Fehlbiß), der Funkti- Sie unserer Stellungnahme entnehmen können, onsstörungen im Gelenk, also eine Kaustörung, begrüßen wir es, dass diese Regelungen in verursacht, auch eine Profilveränderung zur jüngster Zeit verschärft worden sind und dass Folge. Die Korrektur der Funktion des Fehlbis- insbesondere der Vorher-Nachher-Vergleich ses führt somit auch zu einer ästhetischen Pro- durch Fotos bzw. die Werbung mit derartigen filkorrektur. Das kann man nicht trennen, bei- Aufnahmen verboten worden ist. Das wären des ist eng miteinander verbunden. die wesentlichen Regelungskomplexe, die auf Zu der Frage, welche Maßnahmen in der Qua- litätssicherung etabliert sind, kann ich Folgen-

20 Ausschuss für Gesundheit, 83. Sitzung, 23.04.2008 9 des sagen: Zum einen ist der Facharzt für wegen so hoch, weil die kommerziellen Insti- Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie als ein- tutionen in keiner Weise von diesen Meldun- ziger Facharzt doppelt approbiert. Er hat eine gen erfasst werden. Daher sind auch im inter- ärztliche und eine zahnärztliche Approbation nationalen Kontext keine wirklich seriösen sowie eine fünfjährige Weiterbildung, und er Zahlen zu erhalten. Entsprechende Daten kann kann darauf aufbauend eine Zusatzqualifikati- man letztlich nur von den Bürgern selbst erhal- on mit der Bezeichnung „Plastisch-ästhetische ten. Jedenfalls werden diese Eingriffe von den Operation“ erwerben. Zum anderen gibt es bei operierenden Institutionen nicht vollständig der Deutschen Gesellschaft für MKG- erfasst, und schon gar nicht, wenn diese Insti- Chirurgie eine sich über zwei Jahre erstrecken- tutionen Eingriffe vornehmen, die nicht durch- de, zertifizierte Fortbildung für ästhetische geführt werden sollten. Gesichtschirurgie, die sich als interne Quali- Zu der zweiten Frage nach den Heilpraktikern tätssicherung im Fachgebiet etabliert hat. und den Unterspritzungen ist Folgendes zu sagen: Die Injektionstherapie, die von Heil- praktikern praktiziert wird, muss von ähnlichen Abg. Gitta Connemann (CDU/CSU): Meine Therapieformen deutlich unterschieden wer- erste Frage richtet sich an Frau Dr. Neuhann- den. Hier geht es um Quaddelungen oder um Lorenz. Die Zahlen zur Inanspruchnahme die Einbringung von weitgehend nebenwir- schönheitschirurgischer Eingriffe bei Jugendli- kungsfreien Produkten oder Medikamenten in chen differieren sehr stark. Wie erklären Sie die oberste Hautschicht. Faltenuntersprit- sich diese Unklarheiten? Des Weiteren möchte zungsmittel oder Neurotoxine, also Lähmungs- ich darauf hinweisen, dass ästhetisch indizierte substanzen, die in die Gesichtsmuskulatur oder Ein- und Unterspritzungen mit Neurotoxinen in eine andere Muskulatur am Körper einge- wie Botox oder Füllsubstanzen zur Faltenbe- bracht werden, können damit nicht gemeint handlung grundsätzlich auch von Heilprakti- sein. Injektion ist eben nicht gleich Injektion. kern durchgeführt werden dürfen. Warum for- Eine Faltenunterspritzung kann z. B. auch die dern Sie, dass solche Interventionen nicht für Einbringung eines bleibenden Implantats sein, Heilpraktiker erlaubt sein sollten? welches in der unteren Hautschicht des Gesich- Meine zweite Frage richtet sich an Herrn tes oder des Halses platziert wird, und dies Rechtsanwalt Matthias Teichner. Sie hatten in kann wiederum bleibende Folgen nach sich Ihrer Stellungnahme ausgeführt, dass eine un- ziehen, die ein Heilpraktiker niemals behan- zureichende bzw. fehlerhafte Aufklärung im deln könnte. Daher fordern wir eine Beschrän- Zusammenhang mit kosmetischen Operationen kung der Befugnis zu solchen Injektionsbe- nur selten einen Haftungsgrund darstellt. Das handlungen auf Mediziner. überrascht mich. Ich habe daher die Frage, welcher Grund dafür ausschlaggebend ist. Im Übrigen haben Sie nach meiner Information SV RA Matthias Teichner: Meine Ausfüh- mehrere Mandanten vertreten, die Opfer von rungen zur Frage der Relevanz der Aufklä- Falschbehandlungen sind und bei dem Ver- rungsrüge müssen Sie vor dem Hintergrund such, Entschädigungen zu erlangen, auf das sehen, dass ich Haftungsfälle bearbeite, die in Problem gestoßen sind, dass die verantwortli- einem Gerichtsverfahren enden. Bei Gericht chen Ärzte nicht versichert sind. Können sie geht es leider nicht so sehr um die Wahrheit, hierzu ergänzende Angaben machen? sondern um die Beweisbarkeit. Beweisbelastet ist die Ärzteseite, das heißt, der Arzt muss beweisen, dass er rechtzeitig, richtig und auch SVe Dr. Constance Neuhann-Lorenz: Zur umfassend aufgeklärt hat. An diese Aufklärung ersten Frage ist zu sagen, dass die Zahl der sind sehr hohe Anforderungen zu stellen. Den schönheitschirurgischen Eingriffe bei Jugend- Beweis können die Ärzte in der Regel erbrin- lichen weitestgehend bei den Fachärzten für gen, indem sie Formulare vorlegen, die alle plastische und ästhetische Chirurgie erhoben Risiken aufführen und die vom Patienten un- worden ist. Das sind die Fachleute, die solche terschrieben sind. Zudem können sie ihre Operationen durchführen, allerdings aus- Arzthelferin als Zeugin dafür nennen, dass die schließlich bei medizinischer Indikation, wie Aufklärung auch tatsächlich durchgeführt wor- es z. B. das Ohrenanlegen darstellt. Darunter den ist. Daher muss ich von der praktischen fallen auch andere Form verändernde Operati- Relevanz her, wenn ich meine Fälle betrachte – onen, die aus psychiatrischer Hinsicht medizi- ich spreche aber gewissermaßen auch für die nisch indiziert sind. Die Dunkelziffer ist des- Kollegen – sagen, dass die Aufklärungsrüge

21 Ausschuss für Gesundheit, 83. Sitzung, 23.04.2008 10 am Ende meistens nicht von Erfolg gekrönt ist. SV Prof. Dr. Günter Germann (Deutsche Es geht eben – wie gesagt – nicht darum, was Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven passiert ist, sondern was sich im Einzelfall und Ästhetischen Chirurgen (DGPRÄC)): beweisen lässt. Ergänzend sollte man vielleicht Meines Erachtens stellen sich hier zwei Fra- noch erwähnen, dass ich vor allem die Risiko- gen. Zum einen: Gibt es einen Zwang, die Ein- aufklärung im Blick habe, dass der Arzt griffe zu erfassen? Und zum anderen: Wie daneben aber auch noch diverse andere Auf- erfassen wir diese Eingriffe? In den Fachge- klärungspflichten hat, unter anderem die wirt- sellschaften versuchen wir das durch freiwilli- schaftliche Aufklärungspflicht. Es wird künftig ge Angaben zu erheben. Denn es ist natürlich sicherlich vermehrt geprüft werden müssen, ob auch für uns von Bedeutung zu erfahren, wie die Ärzte der wirtschaftlichen Aufklärung groß das Volumen wirklich ist, um solchen nachkommen, das heißt auch auf die neue Re- Horrorszenarien, wie sie in der Presse jetzt im gelung im SGB V hinweisen. Ich habe in die- Vorfeld dieser Anhörung ausgemalt worden sem Zusammenhang die Forderung aufgestellt, sind, entgegentreten zu können. Hier standen dass man den Arzt verpflichten sollte – solange Zahlen im Raum, die auf Deutschland bezogen es keine Versicherungspflicht gibt – den Pati- schon rein mathematisch unrealistisch sind. enten darüber zu informieren, ob er für die Art Eine zweite Möglichkeit besteht darin, die von Operation, die er an dem Patienten durch- Daten über die Versicherungen zu erheben, zuführen beabsichtigt, eine Haftpflichtversi- indem die Haftpflichtversicherer bei ihren cherung abgeschlossen hat. Die Fälle, die mir Klienten, also den operierenden Ärzten, nach- den Anlass gegeben haben, die Versicherungs- fragen, wie groß das Volumen der Eingriffe ist. pflicht überhaupt zu problematisieren, waren Das gibt es auch schon. Diese Daten sind im fatal. Es war auch für mich ein neues Phäno- Moment allerdings nur beim einzelnen Versi- men – und ich bearbeite seit über 20 Jahren cherer verfügbar. Zum Beispiel fragt mich Arzthaftungsfälle und war bis dahin nie auf das meine Haftpflichtversicherung jedes Jahr, was Problem gestoßen –, dass Ärzte nicht versi- ich mache, und ich gebe dann Auskunft, weil chert waren. Daraus ergibt sich auch der Zu- ich meinen Versicherungsschutz nicht verlie- sammenhang mit der kosmetischen Chirurgie. ren möchte. Das heißt also, die Daten werden Die Mandanten konnten zwar vor Gericht den eigentlich schon erfasst, wir brauchen nur noch Nachweis führen, dass sie fehlerhaft operiert intelligente Wege, um sie auch ohne Verlet- worden waren und dies mit fatalen, auch er- zung der Persönlichkeitsrechte zusammenfüh- heblichen wirtschaftlichen Folgen, sie konnten ren zu können. Meiner Ansicht nach brauchen aber ihre Forderung nicht durchsetzen, weil wir keine neuen bürokratischen Strukturen. keine Haftpflichtversicherung bestand. Des- halb sehe ich eine dringende politische Not- wendigkeit dafür zu sorgen, dass geschädigte SV Prof. Dr. Christian Gabka (Vereinigung Patienten angemessen entschädigt werden kön- der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirur- nen. gen (VDÄPC)): Ich bin der Präsident der VDÄPC, einer Tochtergesellschaft der DGPRÄC. Sie ist die größte Vereinigung der Der stellvertretende Vorsitzende, Abg. Dr. Ästhetisch-Plastischen Chirurgen, die vor- Hans Georg Faust (CDU/CSU), übernimmt nehmlich ästhetische Chirurgie von plastisch- den Ausschussvorsitz. chirurgischer Seite aus durchführen. Das The- ma der Datenerhebung beschäftigt uns schon seit einigen Jahren. Bei den Erhebungen haben Abg. Dr. Carola Reimann (SPD): Ich habe die Kollegen immer eine gewisse Sorge, ihre eine Frage zu der statistischen Erfassung von Operationszahlen offenzulegen, weil sie dann Schönheitsoperationen. Wir haben gerade noch vielleicht eingestehen müssten, dass sie nur einmal eine Zahl gehört und dabei auch erfah- eine kleine Anzahl etwa von Gesichtsstraffun- ren, dass die Daten nicht so valide sind, wie gen durchführen oder dass man aufgrund der wir uns das vorstellen. Es wird intensiv dar- Angaben möglicherweise ihr Einkommen er- über diskutiert, wie man solche Eingriffe bes- rechnen kann. Ich glaube, das ist der Haupt- ser erfassen kann. Ich möchte gern erfahren, grund, weswegen wir bei all unseren Nachfra- welche – durchaus auch unterschiedlichen – gen bisher immer nur eine Rücklaufquote von Vorstellungen es dazu in den einschlägigen ca. zehn bis fünfzehn Prozent hatten. Daher Fachgesellschaften gibt. muss bei den Erhebungen Anonymität gewähr- leistet sein. Wir haben das zum Anlass ge-

22 Ausschuss für Gesundheit, 83. Sitzung, 23.04.2008 11 nommen, einen anonymisierten Erhebungsbo- die Ärztekammern. Ich war verwundert, als ich gen in unser Netz zu stellen. Hier kann sich der vorhin von Herrn Teichner gehört habe, dass Arzt einloggen, ohne dass nachprüfbar ist, von nicht in allen Bundesländern Pflichtversiche- wem die Angabe über eine bestimmte Operati- rungen bestehen. Eine der allerersten Maß- onszahl stammt. Wir haben das Verfahren erst nahmen, die getroffen werden müssten, wäre im Februar gestartet, es gibt aber schon jetzt eine Pflichtversicherung für sämtliche Ärzte, eine ganz gute Rücklaufquote. Wir nehmen die ästhetische Eingriffe durchführen. Ich wür- daher an, dass wir jedenfalls für unseren Ver- de sogar noch weiter präzisieren wollen: Im band eine ganz erhebliche Zahl der tatsächlich Gesetzestext heißt es „hinreichend“. Es ist aber durchgeführten Operationen auch genannt nicht klar, was das bedeuten soll, ob etwa ein bekommen. Million hinreichend ist oder etwas anderes. Die Versicherung sollte auch die Tätigkeit des Arztes begrenzen, das heißt, ein Hals-Nasen- SV Prof. Dr. Dr. Heinz Bull (Gesellschaft für Ohren-Arzt oder ein Mund-Kiefer-Gesichts- Ästhetische Chirurgie Deutschland e.V. Chirurg sollte jeweils auf seinem Gebiet versi- (GÄCD)): Ich bin Präsident der Gesellschaft chert sein. Denn wenn ein Mund-Kiefer- für Ästhetische Chirurgie Deutschland. Ich Gesichts-Chirurg eine Fettabsaugung oder eine kann zu den Zahlen sagen, dass wir diese seit Bauchdeckenplastik durchführen würde, hätte Jahren erheben und damit die erste Gesell- ich damit meine Probleme. Hier besteht also schaft waren, die bei ihren Mitgliedern ermit- ein dringender Handlungsbedarf, und entspre- telt hat, welche Eingriffe sie vorgenommen chende Maßnahmen wären sehr einfach zu haben. Auf die Zahlen, die wir seit Jahren vor- realisieren. legen, wurde auch in dieser wissenschaftlichen Studie Bezug genommen. Bei unseren Erhe- bungen hat sich ganz klar herausgestellt, dass SV Dr. Jörg-Andreas Rüggeberg (Berufs- die absoluten Zahlen in keiner Weise steigen; verband der Deutschen Chirurgen e.V. allerdings mit einer Ausnahme, die das Bild (BDC)): Ich kann mich den Ausführungen im verfälscht. Das sind diese ganzen Untersprit- Prinzip anschließen. Es gibt keine zentrale zungen mit Füllsubstanzen und mit Botulinum- Erfassung von Daten. Das liegt daran, dass die toxin. Aber die Zahl der eigentlichen Operati- ästhetische und kosmetische Chirurgie in zwei onen nimmt nicht zu, und die Zahl der Opera- Bereiche aufgeteilt ist. Zum einen haben wir tionen bei Jugendlichen, um die es hier vor- diejenigen Eingriffsarten, die medizinisch in- wiegend geht, ist in allen unseren Untersu- diziert sind, die zu Lasten der Sozialversiche- chungen verschwindend gering. Wenn jetzt rung gehen, die alle ausnahmslos katalogisier- populistisch behauptet wird, dass es sich um bar sind und die auch zahlenmäßig erfasst eine riesige Zahl handele, dann ist dies objek- werden. Um die geht es hier aber nicht in erster tiv einfach unzutreffend. In diesem Zusam- Linie. Vielmehr geht es um die so genannten menhang haben wir auch einen Wunsch an die kosmetischen Eingriffe, die keine medizinische Politik. Bis vor wenigen Jahren galten die Füll- Indikation, keinen Krankheitswert haben und substanzen als Medikamente. Jetzt sind sie die deshalb auch nicht dem Sozialrecht unter- leider keine Medikamente mehr, sondern nur liegen. Solange wir keinen entsprechenden noch CE-zertifizierte Medizinprodukte, die Rechtsrahmen haben, weder für die Eingriffs- ohne wissenschaftliche Studien angewandt arten noch für die Durchführung durch die werden dürfen. Es ist der Wunsch unserer Kol- Ärzteschaft, das heißt, solange wir diese Ein- legen bzw. unserer Gesellschaften, dass sich griffe ohne jeden konkreten Rechtsrahmen dies wieder ändert. Denn wenn diese Substan- betreiben, ist es einfach nicht möglich, diesbe- zen verschreibungspflichtig wären, würden zügliche Zahlen zu erheben. Solche Daten viele rasch wieder vom Markt verschwinden. hätten wir auch gerne. Für die anderen Berei- che, also beispielsweise für die medizinisch indizierte Ohranlegeplastik bei Kindern, haben SV Dr. Joachim Graf von Finckenstein wir qualitätsgesicherte Daten, sozusagen alles, (Deutsche Gesellschaft für Ästhetisch- was man möchte, zur Verfügung. Es geht aber Plastische Chirurgie (DGÄPC)): Ich möchte darum, den anderen Bereich, diese Grauzone, noch kurz auf etwas eingehen, was Prof. Ger- ebenfalls einer Rechtsnorm zu unterwerfen. mann angesprochen hat. Es wäre ganz einfach, ein Gesetz zu initiieren, das eine Meldepflicht für die Versicherungen einführt, und zwar über

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Abg. Mechthild Rawert (SPD): Ich möchte gen Rechtslage sind sämtliche medizinischen zunächst einmal feststellen, dass es für viele Fachgruppen befugt, schönheitschirurgische eine Überraschung gewesen ist, dass diese Eingriffe durchzuführen. Versicherungspflicht nicht existiert. Als Politi- kerin bin ich vor allem erstaunt, dass selbst manche Standeskolleginnen und -kollegen Abg. Mechthild Rawert (SPD): Meine nächs- davon keine Kenntnis hatten. Wenn die Anhö- te Frage bezieht sich auf das Vertragsverhält- rung zu dieser Erkenntnis geführt hat und wir nis. Es gibt ja zunehmend die Tendenz zur daraus die nötigen Schlussfolgerungen ziehen, Gründung von GmbHs und Instituten anstelle dann ist dies schon ein großer Erfolg. Ich von individuellen Vertragsverhältnissen. Wel- möchte beim Thema Rechtsrahmen bleiben che Rechtsform würden Sie im Hinblick auf und richte meine Fragen im Hinblick auf um- den Patientinnen-, Konsumentinnen- und fassenden Verbraucherinnenschutz und Patien- Verbraucherinnenschutz bevorzugen? tinnenschutz an die BAGP, an die DGMR und an die Verbraucherzentrale. Der Kontext ist erwähnt worden. Wir befinden uns in einer SVe Kirsten Schubert (Bundesarbeitsgemein- neuen gesellschaftlichen Situation, das heißt in schaft der Patientinnenstellen (BAGP)): Wir einem Spannungsfeld zwischen einer Wunsch halten die Einführung einer Pflicht zu einer erfüllenden Medizin einerseits und dem, was ausführlichen Aufklärung für unabdingbar und dem traditionellen Arzt-Patientinnen-Ver- schlagen vor, dass die Aufklärung von den hältnis zuzuordnen ist, nämlich der Therapie finanziellen Interessen der Operierenden abge- oder Heilung mit allem, was dazu gehört, an- koppelt wird. Weiterhin schlagen wir vor, dass dererseits. Unter rechtlichen Gesichtspunkten es ein Zeitfenster von mindestens sechs Wo- möchte ich gern wissen, welche konkreten chen zwischen der Aufklärung und dem Ein- Vorschläge mit welchen Konsequenzen es im griff geben, und dass die Aufklärung durch Hinblick auf das individuelle Vertragsverhält- zwei verschiedene Berufsgruppen erfolgen nis gibt. Es gibt bislang Äußerungen in Bezug sollte. Das wären zum einen die Ärzte, die die auf Dienst- oder Werkverträge. Meine Frage Operation vornehmen, und zum anderen mög- lautet: Wie müssen die Berufsordnung, das licherweise eine unabhängige Instanz, eine Haftungsrecht und der Schadensersatz geändert unabhängige Beratungsstelle, eine andere Ärz- werden, damit man auch in diese Grauzone tin bzw. ein anderer Arzt oder Psychologe. vorstößt. Die oberste Prämisse müsste dabei Was die von Ihnen angesprochene Haftung der Patientinnenschutz sein. Wie könnte man anbelangt, halten wir es für wichtig, dass die diesen rechtlich sicherstellen? Ärzte eine Berufshaftpflicht haben. Aber dies ist im Vergleich zu dem zuerst Geforderten nachrangig, das heißt, dass vor der Einführung SVe Kirsten Schubert (Bundesarbeitsgemein- einer Berufshaftpflicht die Schönheitschirurgie schaft der Patientinnenstellen (BAGP)): Wir erst einmal definiert und die Qualifikation der halten es im Interesse der Verbraucherinnen Ausübenden zertifiziert sein muss. bzw. Patientinnen, die bei uns Rat suchen, für unabdingbar, dass der Begriff der Schönheits- operation klar definiert und rechtlich abgesi- SV Dr. Albrecht Wienke (Deutsche Gesell- chert wird. Ein typische Situation, in der eine schaft für Medizinrecht (DGMR)): Das ist eine Patientin zu uns kommt, ist die, in der ein Ein- sehr wichtige Frage, Frau Rawert, die Sie da griff medizinisch indiziert wäre, aber von der angesprochen haben. Wir müssen uns in der GKV nicht finanziell unterstützt wird. Dies ist Tat darüber im Klaren sein, dass es sich in dem zum Beispiel bei der Mammaresektion der Bereich, über den wir hier sprechen, nicht um Fall, die nach Gewicht vorgenommen wird. Es medizinisch indizierte Eingriffe handelt. Es gibt medizinische Indikationen, bei denen es geht hier nicht um Heilkunde in dem von uns sinnvoll wäre, diesen Eingriff vorzunehmen üblicherweise verstandenen Sinne, und eigent- und auch durch die GKV zu erstatten. Für den lich dürften wir auch nicht von Patienten spre- Schutz der Verbraucherinnen wäre es daher chen, denn wir haben es letztlich nicht mit wichtig, dass es eine klare Definition gibt. Leidenden zu tun. Deshalb ist hier, mehr oder Weiterhin halten wir auch eine ärztliche Quali- weniger unbewusst, auch schon von Auftrags- fizierungspflicht für unabdingbar, das heißt vergabe die Rede gewesen. Es gibt in der Tat eine zertifizierte Qualifikation für die Anbieter Tendenzen im Medizinrecht, diese Eingriffe von Schönheitsoperationen. Nach der derzeiti- nicht mehr dem Dienstvertragsrecht, sondern

24 Ausschuss für Gesundheit, 83. Sitzung, 23.04.2008 13 dem Werkvertragsrecht zuzuordnen. Sie ken- tet und damit in eine ganz andere Rolle nen das sicher, insbesondere wenn Sie beim schlüpft, dass er plötzlich Leistungen verkauft, Zahnarzt waren und eine prothetische Versor- also quasi zum Verkäufer wird. Das ist bei den gung bekommen haben. Auch dann sprechen Schönheitsoperationen, die keine medizinische wir von einem Werkvertrag mit entsprechen- Indikation haben, eben auch der Fall. Ich halte den Gewährleistungsregelungen. Hier eröffnet es für ganz wichtig, für beide Seiten Klarheit sich ein Feld, auf dem dann vermehrt auch darüber zu schaffen, was hier eigentlich ge- über eine Haftpflichtversicherung zu reden schieht und wie sich das Rollenverhältnis ver- sein wird. Im Übrigen besteht eine solche ändert. Des Weiteren ist für uns sehr wichtig, Haftpflichtversicherungspflicht im Bereich der dass man eine verbindliche Regelung im Hin- Ärztekammer Nordrhein. Allerdings ist dies blick auf eine unabhängige weitere Beratung die einzige Ärztekammer in Deutschland, bei vorsieht. der es so etwas gibt. Wenn wir also von einem Werkvertragsverhältnis ausgehen, dann können wir möglicherweise – auch durch den damit Abg. Dr. Konrad Schily (FDP): Meine Frage verbundenen Gewährleistungsanspruch des richtet sich an Herrn Dr. Krause-Bergmann Patienten gegenüber seinem Arzt – die Risiko- und an die Vereinigung der Deutschen Ästhe- potenziale etwas besser als bisher in den Griff tisch-Plastischen Chirurgen. Es ist schon ge- bekommen. Ich gebe zu, dass die rechtswissen- sagt worden, man könne die beiden Arten von schaftliche Diskussion über dieses Thema noch Schönheitsoperationen gut voneinander unter- in den Anfängen steckt, die Problematik ge- scheiden. Hier möchte ich gerne noch einmal winnt aber zunehmend an Bedeutung nicht nur nachfragen: Inwieweit kann man Schönheits- im Hinblick auf die hier diskutierten Schön- operationen, die medizinisch indiziert sind, heitsoperationen, sondern auch in Bezug auf von reinen Schönheitsoperationen klar unter- die Wunsch erfüllende Medizin insgesamt. So scheiden? Und inwieweit ist die Indikations- sprechen wir etwa über den pharmakologi- stellung monetär beeinflusst? Immerhin han- schen Einsatz von Arzneimitteln, die bei De- delt es sich hier um einen Markt. menzkranken heilende Wirkung, bei Gesunden aber möglicherweise andere Wirkungen wie Konzentrationssteigerung oder Abnahme des SV Dr. Albrecht Krause-Bergmann: Sie Schlafbedarfs haben. All diese Dinge werden haben ein ganz großes Problem angesprochen, uns künftig viel stärker beschäftigen, als das und zwar die Unterscheidung zwischen einer bisher der Fall ist. Im Übrigen kommt es nicht medizinisch notwendigen Behandlung und darauf an, ob ein individuelles oder ein institu- einem ästhetischen Eingriff. Die Übergänge tionelles Vertragsverhältnis vorliegt, ob eine sind fließend. Kennzeichnend für den ästheti- GmbH oder ein einzelner Arzt tätig wird. Ent- schen Eingriff ist das Ziel der Verbesserung, so scheidend ist vielmehr die Art des Vertrags- wie es hier analog auch von der Bundeszahn- verhältnisses, ob also ein Dienstvertragsver- ärztekammer geschildert worden ist. Ein we- hältnis oder ein Werkvertragsverhältnis vor- sentliches Merkmal einer ästhetische Leistung liegt. besteht darin, dass hierfür direkt ein Preis ver- einbart wird. Zurzeit besteht das Unterschei- dungskriterium darin, dass Eingriffe, die von SVe Susanne Mauersberg (Verbraucherzent- der Gesetzlichen Krankenversicherung abge- rale Bundesverband e.V. (vzbv)): Die deckt werden, eindeutig dem medizinischen Verbraucherzentrale Bundesverband fordert Bereich und Eingriffe, die eine direkte Hono- schon seit geraumer Zeit, dass der Behand- rarzahlung verursachen, dem ästhetischen Be- lungsvertrag reguliert wird. Unser Ziel ist eine reich zugeordnet werden. Diese Differenzie- klare Bündelung aller einschlägigen gesetzli- rung halte ich für falsch. Ich denke, wir haben chen Regelungen, um einen besseren Patien- es hier mit einem sehr komplexen Problem zu tenschutz zu gewährleisten und auch um ein tun. In anderen Ländern gibt es einen gesell- Bewusstsein dafür zu schaffen, dass es sich in schaftlichen Konsens darüber, wo die Grenze solchen Fällen – das gilt auch für die IGL- zu ziehen ist; Grundlage dafür ist in der Regel Leistungen – um ein spezielles Vertragsver- eine Art von Katalog. hältnis handelt. Wie verschiedene Untersu- chungen der Verbraucherzentrale gezeigt ha- ben, ist dem Patienten oft überhaupt nicht be- SV Doc. Dr. Dr. Johannes C. Bruck (Verei- wusst, dass der Arzt eine IGL-Leistung anbie- nigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen

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Chirurgen (VDÄPC)): Auch Wunschmedizin Herr Dr. Schily beschrieben haben, ist, dass ist Heilkunde und muss daher nach den Krite- diejenigen, die schönheitschirurgische Eingrif- rien der Heilkunde erbracht zu werden. Des- fe durchführen, entsprechend den Weiterbil- wegen gehört sie in die Hand eines qualifizier- dungsordnungen ausgebildet und geschult ten Arztes. Wir sind der Auffassung, dass die werden. Das zweite ist, eine entsprechende Werbung hier eine ganz große Rolle spielt. Sie Dokumentation verpflichtend zu machen. Die läuft den Bedürfnissen der Patienten zuwider, Kontrolle des beratenden und unter Umständen weil sie Bedarfsweckung betreibt. Die Ärzte später auch behandelnden Arztes besteht darin, sind dazu da, die Bedürfnisse der Patienten zu dass er sich Gedanken darüber gemacht hat, ob decken, in welcher Form der Patient diese auch der Patient oder die Patientin an einer Wahr- an den Arzt heranträgt. Demgegenüber ist ein nehmungsstörung leidet, bei der die gewünsch- Dritter nicht dazu in der Lage zu entscheiden, te chirurgische Behandlung eine Kontraindika- worunter ein Patient leidet und worunter nicht. tion darstellen würde. Es ist aus unserer Sicht ein Zeichen von Über- heblichkeit, wenn man einer Institution, einem Dritten oder einer Gesellschaft, die nicht in SV Dr. Joachim Graf von Finckenstein entsprechender Weise ausgebildet ist, die Fä- (Deutsche Gesellschaft für Ästhetisch- higkeit zubilligt, eine psychologische Explora- Plastische Chirurgie (DGÄPC)): In der tägli- tion des Patienten vorzunehmen bzw. sein Leid chen Praxis passiert das, was Sie angesprochen zu definieren. Auch die Wunschmedizin ist haben, vergleichsweise selten. Wenn jemand Heilkunde, und ihre Ausübung bedarf einer sich mit einem störenden körperlichen Stigma entsprechenden Qualifikation. Deswegen ha- vorstellt, muss man einfach herausfinden, ob ben wir beantragt, die Berufsordnung dahinge- die eigene Wahrnehmung dem entspricht, was hend zu ändern, dass die Facharztbezeichnung da vorgetragen wird. Wenn dem nicht so ist, und die darin enthaltenen Eingriffe nicht nur versteht es sich von selbst, dass man einen eine Beschränkung für die übrigen Fachärzte, Riegel vorschiebt und zu dem Schluss kommt, sondern auch für die approbierten Ärzte ohne dass hier ein psychischer Defekt im Vorder- Facharztbezeichnung beinhalten. Letztere dür- grund steht, den man beheben muss. Das ist fen somit die Eingriffe, die in der Weiterbil- aus meiner Sicht aber nicht die Regel. Natür- dungsordnung aufgeführt sind, nicht erbringen. lich gibt es eine Grauzone. Es wird sicherlich Menschen geben, die etwas als ein Stigma empfinden, das andere nicht stören würde, aber Abg. Dr. Konrad Schily (FDP): Ich habe eine das ist nicht Gegenstand dieser Anhörung. Die Nachfrage an Herrn Dr. Krause-Bergmann und Fälle, in denen so etwas mit einem katastro- die Deutsche Gesellschaft für Ästhetisch- phalen Ergebnis endet, sind sicherlich selten. Plastische Chirurgie. Ich spreche aus Erfah- Unser Problem ist, dass die mediale Welt gern rung. Es gibt viele Patientinnen und Patienten, die schlechten Beispiele aufgreift, weil sich die sich aus einem inneren Antrieb heraus kör- daraus medial etwas inszenieren lässt. Nehmen perlich verändern wollen und bei denen ganz sie nur die heutige Überschrift der AZ, in der eindeutig keine medizinische Indikation vor- es heißt, eine Zwölfjährige würde einen Sili- liegt.Wir erleben in der Praxis immer wieder, konbusen bekommen. Ich würde gern von den dass solche Patienten dann tatsächlich operiert hier Anwesenden wissen, ob so etwa in ihrer werden, oft mit sehr zweifelhaftem Erfolg. täglichen Praxis schon vorgekommen ist. Aus Sehen Sie einen Weg, um zu verhindern, dass meiner Sicht wird die Problematik der Minder- es zu solchen Operationen kommt? jährigen in den Medien viel zu sehr dramati- siert. Denn in der täglichen Praxis ist die Zahl entsprechender Fälle verschwindend gering. SV Dr. Albrecht Krause-Bergmann: Das Ich würde sagen, bei mir liegt sie im Promille- Problem, das Sie ansprechen, ist bekannt. Es bereich. Minderjährige, die ich operiere, haben ist daher auch Gegenstand der fachärztlichen einen echten Defekt, und der Eingriff geht Weiterbildung, wie sie in den Kammerrechten dann mehr in Richtung Rekonstruktion als hin niedergelegt ist. Sowohl Fachärzte für plasti- zur Schönheitschirurgie. sche Chirurgie als auch diejenigen Fachärzte, die Zusatzbezeichnungen im Bereich der plas- tischen Chirurgie erwerben können, müssen Abg. Dr. Konrad Schily (FDP): Die mediale sich damit auseinandersetzen. Die erste Vor- Welt erzeugt aber auch Bedürfnisse, das wis- aussetzung dafür, das zu vermeiden, was Sie, sen wir. Meine nächste Frage richtet sich an

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Herrn Dr. Krause-Bergmann, an den Deut- SV Dr. Ulrich Fegeler (Berufsverband der schen Frauenrat und an den Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e.V. (BVKJ)): Unsere Kinder- und Jugendärzte. Wie stehen Sie zu Grundposition ist ganz einfach. Wir sagen, einem Verbot von Schönheitsoperationen bei dass jeder ärztlich indizierte Eingriff selbstver- noch nicht volljährigen oder bei unter 16- ständlich erlaubt ist, dass aber jeder nicht ärzt- Jährigen Jungen oder Mädchen? lich indizierte Eingriff bis zur Volljährigkeit nicht erlaubt sein sollte. Natürlich gibt es eine Grauzone. Aber um diese aufzuhellen, ist die SV Dr. Albrecht Krause-Bergmann: Ich Ärzteschaft da. Stellen wir uns eine 16-Jährige halte ein Verbot für ein nicht geeignetes In- vor, die sich in ihrer Klasse gehänselt oder strument. Ähnlich wie Dr. Graf benachteiligt fühlt, weil sie noch überhaupt Finckenstein sehe ich das Problem, dass Kin- kein Brustwachstum hat (ich nehme ein Ex- der rein schönheitschirurgischen Eingriffen trembeispiel) und die angibt, darunter zu lei- unterzogen werden, schon zahlenmäßig als den. Wenn ich mir in einem solchen Fall unsi- sehr gering an. Ich halte es aber für wichtig, cher bin, würde ich immer den Rat eines kin- dass bei der Indikationsstellung für einen Ein- der- und jugendpsychiatrischen Kollegen ein- griff an Kindern eine zusätzliche Instanz hin- holen. Das heißt, ich würde mir im Bedarfsfall zugezogen wird. Dieses geschieht derzeit in die ärztliche Indikation bestätigen lassen. Das aller Regel dadurch, dass zunächst die betreu- ist nach unserer Ansicht der Weg, um in den enden Kinder- und Jugendärzte die Kinder zu Fällen, die sich in der Grauzone bewegen, sehen bekommen – z. B. wenn sie wegen ab- weiterzukommen. Aber auf alle Wünsche nach stehender Ohren in der Schule gehänselt wer- körperlichen Veränderungen, die sozusagen den –, und dann ein plastischer Chirurg bzw. aus Gründen des Lifestyles von Kindern, Ju- HNO-Arzt oder Kieferchirurg hinzugezogen gendlichen oder Heranwachsenden geäußert wird. Es sollte analog zu dem, was Herr Teich- werden, würde ich auf keinen Fall vor der ner aufgezeigt hat, ein Stufenkonzept erarbeitet Volljährigkeit eingehen. Danach besteht zu- werden, um die Verantwortung gegenüber mindest Anlass zu der Hoffnung, dass ein Grad Kindern und Jugendlichen in diesem Bereich an Reife erreicht ist, um auch die Konsequen- besonders herauszustellen. zen eines solchen Eingriffes, die ein Jugendli- cher häufig noch nicht überblickt, realistisch einschätzen zu können. SVe Brunhilde Raiser (Deutscher Frauenrat e.V. (DF)): Im Gegensatz zu Ihnen haben wir uns für ein Verbot von Eingriffen bei Minder- Abg. Dr. Konrad Schily (FDP): Ich habe noch jährigen ausgesprochen, wenn sie nicht medi- eine Frage an die Bundeszahnärztekammer. zinisch indiziert sind. Als Nichtmedizinerin Was sind die häufigsten Wünsche nach rein würde ich gerne versuchen, auf die Zahnchi- ästhetischen Korrekturen und Verbesserungen, rurgen zu antworten. Natürlich hat die Zahn- die gegenüber Kieferorthopäden oder Kiefer- chirurgie auch ästhetische Veränderungen zur Gesichtschirurgen geäußert werden? Folge. Dabei stellt sich aber aus meiner Sicht als Nichtmedizinerin immer die Frage, mit welcher Zielsetzung der Eingriff vorgenom- SV Prof. Dr. Dr. Wilfried Wagner (Bundes- men wird. Jeder Eingriff verändert, das ist zahnärztekammer (BZÄK)): Zunächst möchte völlig klar. Aber die Zielsetzung ist für mich ich, die letzte Frage mit aufgreifend, sagen, das entscheidende Kriterium. Unserer Ansicht dass die Operation von Kindern mit einer nach bedarf es, wenn es dieses Verbot geben Dysgnathie praktisch keine Rolle spielt, weil soll, einer Legaldefinition von Schönheitsope- sie notgedrungen zu einem Misserfolg führen rationen, so schwierig diese auch zu finden ist, bzw. weil das Wachstum das Ergebnis wieder wie die Fachleute hier zu Recht gesagt haben. zunichte machen würde. Dieser Eingriff spielt Ich kann mir aber, wenn dieses Verbot nicht nur bei den Lippen-Kiefer-Gaumenspalten und realisierbar sein sollte, als minimale Lösung deren Folgezuständen eine Rolle, und darüber auch vorstellen – auch wenn wir das in unserer diskutieren wir hier nicht. Zur zweiten Frage, Stellungnahme nicht schriftlich fixiert haben –, die sich auf die wesentlichen Veränderungen dass man eine weitere Beratungsperson hinzu- bezog: Zweifellos haben die Wünsche hin- zieht. Das wäre das Mindeste. sichtlich Farbe, Form und Fehlstellungen incl. Zahnfleisch in der Oberkieferfront zahlenmä- ßig den höchsten Anteil an der Nachfrage nach

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ästhetisch wirksamen Korrekturen. Aber auch die GKV erstattet bekämen. Außerdem beziehe in diesen Fällen ist der ästhetische Effekt der ich mich auf einige Vorredner. Natürlich kann Maßnahme, beispielsweise einer Zahnfleisch- auch ein psychischer Leidensdruck oder eine plastik, von dem therapeutischen Effekt nicht psychische Konfliktsituation dazu führen, dass zu trennen. Wenngleich der Antrieb, sich be- ein Wunsch nach Veränderung der Körperfor- handeln zu lassen, häufig ein ästhetischer ist, men entsteht. Somit ist der Begriff der Schön- ist mit fast allen Maßnahmen, vom Bleechen heitsoperation nicht klar definiert und vor al- vielleicht abgesehen, auch ein präventiver oder lem auch nicht rechtlich geschützt. kurativer Begleiteffekt verbunden. Deshalb glaube ich, dass die Unterscheidung zwischen einer rein ästhetischen Indikation und einer SVe Susanne Mauersberg (Verbraucherzent- auch funktionell oder präventiv sinnvollen rale Bundesverband e.V. (vzbv)): Ich denke, Maßname letztlich nicht möglich ist. Dies zeigt am Beispiel von Fehlbildungen der Brust kann sich besonders deutlich am Beispiel der Kie- man das Problem sehr deutlich illustrieren. ferorthopädie. Denn während es oft der ästheti- Dazu gab es vor kurzem ein Gerichtsurteil. sche Wunsch ist, der die jungen Leute in die Eine Patientin, bei der eine Brustseite sehr Therapie bringt, trägt gerade diese frühe The- groß und die andere sehr klein war, hatte für rapie durch die Kieferorthopädie dazu bei, eine eine Operation von der Krankenkasse nichts spätere ästhetische Operation zu verhindern. erstattet bekommen. Sie hatte dagegen geklagt Man würde also einen sachlichen Fehler ma- und damit argumentiert, dass bei einer Tumor- chen, wenn man versuchen würde, eine solch operation, bei der die Brust entfernt wird, der strenge Linie zu ziehen. anschließende Aufbau der Brust von der Kran- kenkasse finanziert wird. Vor Gericht ist sie aber mit dieser Ansicht nicht durchgedrungen. Abg. Frank Spieth (DIE LINKE.): In dem Ich denke, an solchen Beispielen kann man vorliegenden Antrag, der zur Beratung ansteht, deutlich sehen, dass es sehr schwer werden heißt es wörtlich, „dass es sich bei Schönheits- wird, eine klare Grenze zwischen medizinisch operationen um medizinisch nicht indizierte indizierten und reinen Schönheitsoperationen Eingriffe handelt“. Daraus ergeben sich, insbe- zu ziehen. Die einer der Stellungnahmen bei- sondere jetzt nach der Verabschiedung des gefügten Fotos zeigen sehr anschaulich, dass GKV-WSG und der Pflegereform, Folgewir- hier in der Tat ein objektiv nachvollziehbarer kungen für die Patienten, die unter den Folge- Leidensdruck vorliegen kann und dass es nicht krankheiten einer so definierten Schönheits- nur um das subjektive Empfinden geht. Ich operation leiden. Abgesehen von der Frage des denke, es wird sehr schwer werden, hier eine Selbstverschuldens, auf die ich später noch trennscharfe Abgrenzung vorzunehmen. einmal zu sprechen kommen will, möchte ich zunächst von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Patientinnenstellen, der Verbraucherzentra- SVe Dr. Cornelia Goesmann (Bundesärzte- le Bundesverband und der Bundesärztekammer kammer (BÄK)): Wir haben jetzt schon ausrei- Folgendes wissen: Ist aus Ihrer Sicht hinrei- chend herausgearbeitet, dass die Übergänge chend definiert, was medizinisch erforderlich zwischen dem, was im Rahmen der GKV er- ist und was nicht? Ist das, was in dem Antrags- stattungsfähig ist und dem, was die Patientin- text steht, der vor allem appellativen Charakter nen bzw. die Verbraucherinnen oder Kundin- hat, hinreichend konkret, auch im Kontext der nen selbst bezahlen müssen, fließend sind. In neuen Gesetze? Das, was bisher dazu gesagt der Regel ist es in der Praxis wie folgt: Wenn wurde, ist mir noch nicht trennscharf genug. hinreichende Hinweise dafür vorliegen, dass eine Leistung erstattungsfähig sein könnte, dann raten wir den Patientinnen und Patienten, SVe Kirsten Schubert (Bundesarbeitsgemein- bei ihrer Krankenkasse einen Antrag auf Über- schaft der Patientinnenstellen (BAGP)): Unse- nahme der Kosten zu stellen. Dann wird das rer Meinung nach, die wir auch schriftlich geprüft, und wenn die entsprechenden Gutach- dargelegt haben, ist der Unterschied nicht aus- ter Stellung genommen haben – in der Regel reichend definiert. Ich habe vorhin bereits aus- gehört dazu auch eine psychiatrische oder psy- geführt, dass sehr häufig Patientinnen mit dem chotherapeutische Begutachtung –, dann wird Anliegen in die Beratungsstellen kommen, eben eine Entscheidung getroffen, ob die Kos- dass sie ein medizinisch indiziertes Problem ten übernommen werden oder nicht. Wenn der hätten, dessen Behebung sie aber nicht durch Patient mit der Entscheidung nicht einverstan-

28 Ausschuss für Gesundheit, 83. Sitzung, 23.04.2008 17 den ist, dann wird in der Regel der Rechtsweg handelnden eine Pflicht zum Abschluss einer beschritten. Es gibt also einen Rechtsweg, um Haftpflichtversicherung eingeführt werden die Entscheidung herbeizuführen. Wegen der muss, um unerwünschte Folgen auffangen zu fließenden Übergänge wird es aber nicht mög- können. Da wir uns gegen jegliche Ermitt- lich sein, einen Katalog festzulegen, aus dem lungstätigkeit der Ärzte wenden, halten wir die sich zweifelsfrei entnehmen lässt, was GKV- umfassende Aufklärung der Patientinnen und Leistungen und was IGL-Leistungen sind. Patienten für eine tragbare Lösung.

Abg. Frank Spieth (DIE LINKE.): In den SVe Susanne Mauersberg (Verbraucherzent- vergangenen Wochen haben zwei Frauen in rale Bundesverband e.V. (vzbv)): Die Verbrau- meiner Abgeordneten-Sprechstunde vorge- cherzentrale Bundesverband sieht hier eben- sprochen, die genau in einer solchen Angele- falls ein großes Problem, weil es in der Tat genheit ihren Rechtsanspruch gegen die GKV sehr willkürlich wäre, wenn man bei den nicht durchsetzen konnten. Nach der Entschei- Schönheitsoperationen eine Beteiligung der dung der GKV wurden sie auf den Weg durch Patienten einfordern und diese damit auf eine die Instanzen verwiesen. Solche Patientinnen Stufe mit Menschen stellen würde, die sich werden häufig finanziell nicht dazu in der Lage wegen Prügeleien oder kriminellen Handlun- sein, ihren Anspruch auf dem Rechtsweg gen einer medizinischen Behandlung unterzie- durchzusetzen. Das ist ein großes Problem, das hen und für deren Kosten selbst aufkommen mich unzufrieden macht. Darüber hinaus habe müssen. Das halten wir für sehr problematisch. ich eine Frage, die sich auf die Konsequenzen Wir sind im Übrigen der Ansicht, dass man aus dem Wettbewerbsstärkungsgesetz einer- den psychischen Leidensdruck der Patienten seits und der Pflegereform andererseits bezieht. stärker in den Vordergrund stellen muss, weil Durch den so genannten „Petz-Paragraphen“ dieser häufig der Grund dafür ist, sich einer wird bei Eigenverschulden die volle Kosten- solchen Operation zu unterziehen. Es dürfte übernahme eingeführt. Es interessiert mich, zudem eine große Zahl von Patienten geben, wie der Deutsche Frauenrat, die Verbraucher- denen nicht unbedingt mit einer Schönheits- zentrale Bundesverband und die Bundesärzte- operation, sondern möglicherweise auf ande- kammer diese Hinwendung zu einer stärkeren rem Wege – sozialmedizinisch, psychologisch Eigenverantwortung und zum Selbstverschul- oder wie auch immer – weitergeholfen werden dungsprinzip beurteilen. kann.

SVe Brunhilde Raiser (Deutscher Frauenrat SVe Dr. Cornelia Goesmann (Bundesärzte- e.V. (DF)): Wir haben uns bereits in einem kammer (BÄK)): Es ist natürlich sehr schwer anderen Zusammenhang gegen das Prinzip der zu entscheiden, wer für negative Folgewirkun- Selbstverschuldung und damit gegen die Kos- gen einer Schönheitsoperation aufkommen tenübernahme durch die Patienten ausgespro- muss. Wir haben im Zuge der Anhörung zum chen, weil wir dies als ein Einfallstor für die Pflegeweiterentwicklungsgesetz klar gesagt, Aufweichung des Solidarprinzips ansehen. Wir dass wir als Ärzteschaft den so genannten sehen diese Gefahr nach wie vor, insbesondere „Petz-Paragraphen“ ablehnen. Wir halten es weil immer noch nicht geklärt ist, inwieweit angesichts der ärztlichen Schweigepflicht für die Patientinnen und Patienten überhaupt über nicht statthaft, den Krankenkassen eine Mel- die Folgen solcher Eingriffe informiert werden dung zu machen, wenn wir meinen, Verletzun- und wer gegebenenfalls die Kosten für eine gen oder Folgeerscheinungen seien selbstver- unerwünschte Entwicklung oder einen Fehlers schuldet. Wir weisen die Patientinnen und trägt, wenn es keine Haftpflichtversicherung Patienten zwar darauf hin, dass bestimmte gibt. Von daher haben wir uns entschieden zu Behandlungen selbst zu bezahlen sind und dass sagen, es muss absolut sichergestellt sein – wie wir diese als IGL-Leistungen privat abrechnen, ich vorhin schon ausgeführt habe –, dass auf wenn wir den Eindruck haben, dass die Be- den § 52 SGB V hingewiesen wird. Dieser schwerden selbstverschuldet sind, wir lehnen Paragraph muss in vollem Umfang bekannt aber eine Meldepflicht gegenüber den Kran- sein, damit die einzelnen Patientinnen und kenkassen ab. Patienten sich über die möglichen Folgen eines Eingriffes völlig im Klaren sind. Des Weiteren erheben wir die Forderung, dass für die Be-

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Abg. Frank Spieth (DIE LINKE.): Ich habe Operation durchzuführen, im Aufklärungsge- noch zwei Nachfragen zum Thema Haftung spräch wirklich detailliert auch auf diese Prob- und Versicherung. Wir haben bisher einiges lematik eingeht und sie dem Kunden, der mög- darüber erfahren, wie die Berufsverbände und licherweise später sein Patient wird, entspre- die praktizierenden Ärzte sich haftungsrecht- chend erläutert. Wir halten daher eine unab- lich absichern können. Ich habe aber gerade hängige Beratung für wichtig, damit genau ausgeführt, dass der umgekehrte Fall, nämlich diese Fragen dem Patienten ausführlich darge- die Durchsetzung von Rechten der Versicher- stellt werden können. Wenn der Fall dann spä- ten, um die es in dem vorliegenden Antrag, der ter vor Gericht verhandelt wird, sind viele Pa- ausdrücklich den Schutz der Verbraucher an- tienten erstaunt, wie wenige Möglichkeiten sie spricht, geht, sehr viel komplizierter ist. Des- haben, ihre Rechte einzufordern. halb wende ich mich noch einmal mit der Fra- ge an die Bundesarbeitsgemeinschaft der Pati- entinnenstellen und an die Verbraucherzentra- Abg. Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE le, ob sie die Vorschläge, die in diesem Antrag GRÜNEN): Ich richte meine Frage an die gemacht werden, im Hinblick auf die Durch- Bundesärztekammer. Wir haben von Herrn setzungsfähigkeit der Patienten im Falle von Teichner gehört, dass es viele Ärzte gibt, die Fehlbehandlungen für ausreichend halten oder, keine Haftpflichtversicherung haben. Trifft es falls dies nicht der Fall ist, welche weiterge- zu, dass Sie keine Handhabe haben, dagegen henden Vorstellungen sie haben. vorzugehen oder was können Sie dagegen tun?

SVe Kirsten Schubert (Bundesarbeitsgemein- SV Dr. Gerhard Nösser (Bundesärztekammer schaft der Patientinnenstellen (BAGP)): Ich (BÄK)): Natürlich gibt es die Pflicht zum Ab- hatte eben schon ausgeführt, dass für die schluss einer Berufshaftpflichtversicherung. BAGP die Frage einer Rechtschutzversiche- Das gehört zu den Berufspflichten eines jeden rung nachrangig ist. Bevor diese überhaupt Arztes, die in der Berufsordnung verankert zum Tragen kommt, ist es wichtig, dass alle in sind. Wenn es aber so ist, wie Herr Rüggeberg diesem Bereich tätigen Ärzte eine Haftpflicht- mir gerade sagt, dass ästhetisch-chirurgische versicherung haben und vor allem, dass sie Eingriffe von dieser Versicherung oftmals eine zertifizierte Qualität nachweisen können, nicht erfasst werden, dann genügt der Arzt an die bescheinigt, dass sie eine solche Operation dieser Stelle nicht seiner Pflicht zum Ab- durchführen können. Die Frage, ob die in dem schluss einer Berufshaftpflichtversicherung. Antrag enthaltenen Vorschläge ausreichend Infolge der Novellierung des Versicherungs- sind, um eine Durchsetzbarkeit von Ansprü- vertragsrechts haben wir auch eine versiche- chen der Patienten gegenüber den behandeln- rungsvertragsrechtlich hinreichende Bestim- den Ärzten zu gewährleisten, kann ich im mung in der Berufsordnung. Die Berufsord- Moment nicht beantworten. nung ist eine Satzung der Ärztekammern, wo- nach es eine Pflicht zum Abschluss einer Be- rufshaftpflichtversicherung gibt. Das Problem SVe Susanne Mauersberg (Verbraucherzent- ist nur, dass wir keine Pflicht zum Nachweis rale Bundesverband e.V. (vzbv)): Die Vor- dieser Berufshaftpflichtversicherung haben. schläge sind sicherlich nicht ausreichend, zu- Daher hilft auch die Regelung, die es in Nord- mal es eben keine Versicherungspflicht gibt. rhein gibt, nicht weiter, weil auch diese nicht Das haben wir schon ausführlich diskutiert. „wasserdicht“ ist. Sie führt unserer Auffassung Das Hauptproblem dürfte aber sein, dass selbst nach eher dazu, dass auf die Kammer, die ja dann, wenn es eine Haftpflichtversicherung Aufgaben nach dem Kammer- und Heilberufs- gibt, gerade bei Schönheitsoperationen vielen gesetz hat – ähnliches gibt es jetzt auch in Patienten nicht klar sein dürfte, was der Ge- Sachsen-Anhalt –, ein Haftungsproblem zu- genstand dieser Versicherung des Arztes ist kommt. Denn die Kammer hat nicht die Mög- und dass es sich eben nicht um einen Werkver- lichkeit sicherzustellen, dass eine Haftpflicht- trag, sondern um einen Dienstvertrag handelt. versicherung tatsächlich besteht, weil sie von Das ist eine juristisch diffizile Angelegenheit, der Beendigung einer Haftpflichtversicherung die man nicht so ohne weiteres versteht, die nichts erfährt. Das Problem ließe sich aber einem erklärt werden muss. Es stellt sich hier einfach dadurch lösen, dass im Sinne des Ver- auch die Frage, ob ein Arzt, der möglicherwei- sicherungsvertragsrechts eine zuständige Stelle se ein finanzielles Interesse daran hat, diese bestimmt würde, so wie das in der Bundes-

30 Ausschuss für Gesundheit, 83. Sitzung, 23.04.2008 19 rechtsanwaltsordnung geregelt ist. Darin heißt Nach unserer Kenntnis sehen auch die berufs- es einfach nur: „ … zuständige Stelle für die rechtlichen Regelungen in anderen Berufs- Entgegennahme der Erklärung ist xy…“. Wir zweigen nicht vor, dass eine bestimmte Versi- haben vorgeschlagen, dass die Approbations- cherungshöhe für die Versicherung normiert behörden diese Aufgabe übernehmen sollten, wird, weil das natürlich vom Leistungsspekt- weil diese derzeit bereits entsprechende Pflich- rum des jeweiligen Arztes abhängt. Das ist ten in Bezug auf Informationen von EU- etwas, was sich nur begrenzt prüfen lässt, weil Ausländern haben. Das konnte man damals es Veränderungen unterworfen ist. nicht präziser regeln, weil es auch für Inländer keine strenge Nachweispflicht gab. Die Ap- probationsbehörden wären in der Lage, die Abg. Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE notwendige Konsequenz, die am Ende des GRÜNEN): Ich richte eine weitere Frage an Weges stünde, den Entzug der Approbation, zu die Bundesärztekammer. Wir hörten vorhin vollziehen. Das können die Kammern nicht von der Fachgesellschaft, es sei ein Problem, machen. Das ist der entscheidende Punkt: Es dass die ärztliche Approbation für alle medizi- muss eine Nachweispflicht und eine dafür zu- nischen Eingriffe legitimiere, während es bei ständige Stelle geben, denn das hätte zur Kon- der fachärztlichen Ausbildung eine Einschrän- sequenz, dass der Versicherer von seiner Ver- kung auf die im Weiterbildungskatalog enthal- sicherungspflicht nur im Falle des Erlöschens tenen medizinischen Maßnahmen gebe. Die des Versicherungsvertrages befreit wird, falls entsprechende Regelung bei der Approbation er der zuständigen Stelle davon Meldung ge- soll daher geändert werden. Was halten Sie macht hat. Das ist erforderlich. davon?

Abg. Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE SV Dr. Gerhard Nösser (Bundesärztekammer GRÜNEN): Ich möchte noch eine Nachfrage (BÄK)): Die Kammer- und Heilberufsgesetze an die Bundesärztekammer richten. Wenn ich der Länder schreiben vor, dass der Arzt, der Sie richtig verstehe, ist diese Pflicht, sich hin- eine Facharztbezeichnung führt, bei der Aus- reichend zu versichern, vom materiellen Rege- übung seiner Tätigkeit auf dieses Fachgebiet lungsgehalt her tatsächlich ausreichend. Ich beschränkt ist. Daraus resultiert aber ein Prob- habe Herrn Teichner aber so verstanden, dass lem, nämlich dass derjenige, der keine solche „hinreichend“ nicht gleichbedeutend ist mit Gebietsbezeichnung führt, auch nicht auf ein „ausreichend“, dass also nicht alle ärztlichen bestimmtes Gebiet festgelegt ist. Und dies Behandlungsweisen und die damit verbunde- dürfte die Ursache für die besagte Grauzone in nen Gesundheitsrisiken abgedeckt wären. der Praxis sein. Diese ist auch schwer einzu- Könnten sie noch einmal erläutern, wie Sie das schränken. Wir überlegen daher, ob wir im sehen? Außerdem möchte ich wissen, ob ich es Rahmen der anstehenden Novellierungen der richtig verstanden habe, dass die notwendigen Berufsordnung eine Regelung treffen wollen, Verfahrensregelungen auf Bundesebene im die bestimmte Eingriffe an bestimmte weiter- Versicherungsvertragsgesetz zu regeln wären. bildungsrechtliche Voraussetzungen bindet. Man wird aber noch einmal prüfen müssen, ob dies mit Blick auf die erwähnten Regelungen SV Dr. Gerhard Nösser (Bundesärztekammer in den Kammer- und Heilberufsgesetzen der (BÄK)): Zu Ihrer letzten Frage ist zu sagen, Länder, die dafür eine Grundlage schaffen dass die Thematik beispielsweise auch in den müssen, zulässig ist. Kammer- und Heilberufsgesetzen der Länder geregelt werden könnte. Notwendig ist nur, dies durch ein Gesetz festzulegen. Es ist kaum Abg. Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE denkbar, dass wir uns selbst durch eine Sat- GRÜNEN): Meine nächste Frage richtet sich zungsregelung zur zuständigen Stelle ernen- an die Heilpraktikerverbände. Wir haben vor- nen. Was den ersten Teil Ihrer Frage angeht, hin gehört, dass auch Heilpraktikerinnen und besteht das Problem darin, wer prüft, was hin- Heilpraktiker ästhetisch-chirurgische Eingriffe reichend oder ausreichend ist. Ich kann mir vornehmen und dass man dies einschränken nicht vorstellen, dass die Kammer im Einzel- müsste. Bitte stellen Sie uns dar, welche Ein- fall prüfen darf, ob eine ausreichende Versi- griffe Sie vornehmen dürfen und weshalb das cherung unterhalten wird. Ich weiß auch nicht, aus Ihrer Sicht so bleiben sollte. ob das eine Approbationsbehörde leisten kann.

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SV Peter A. Zizmann (Die Deutschen Heil- SV Dr. Albrecht Krause-Bergmann: Ich praktikerverbände (DDH)): Zunächst einmal möchte ausdrücklich betonen, dass ich nicht im will ich feststellen, dass dies nicht so bleiben Namen meines Berufsverbandes spreche, son- soll. Meine Aussage im Namen der Deutschen dern meine persönliche Überzeugung zum Heilpraktikerverbände war ganz eindeutig: Ausdruck bringe. Ich bin der Meinung, dass Unser Tätigkeitsgebiet umfasst keine Schön- schönheitschirurgische Eingriffe ein Geschäft heitsoperationen. Das gilt nach meiner Auffas- sind. Deshalb müssen hier auch die Regelun- sung und auch nach Auffassung unserer Ver- gen, die im Geschäftsleben üblich sind, gelten. bandsfunktionäre selbst für das Faltenunter- Das bedeutet, dass man zum einen der Steuer- spritzen mit Botox und ähnliche Eingriffe. Ich pflicht, die für diesen Bereich gilt, unterliegen vertrete diese Auffassung auch auf die Gefahr sollte und dass zum anderen eine gewisse Ga- hin, dass dies mit einzelnen Mitgliedern oder rantie für die durchgeführten Eingriffe gegeben Nichtmitgliedern zu Konflikten führt. Wir werden müsste. Das Problem im sogenannten wollen dies nicht. Denn hier hantiert man, „Markt für Schönheit“ besteht darin, dass Ärz- selbst beim Faltenunterspritzen, mit Giftstof- te hier einen Verdienst erzielen können, der fen, und das entspricht nicht unserem Berufs- unverhältnismäßig viel höher ist als der, den bild. Was das Wirkungsfeld anbelangt: Sicher- man durch normale ärztliche Tätigkeit erzielen lich darf ein Heilpraktiker heute relativ viel. kann, und dass zugleich das finanzielle Risiko Allerdings wird das Handlungsfeld beschränkt eines Regresses wegen nachgewiesener minde- durch das Sorgfaltspflichturteil des Bundesge- rer Qualität recht klein ist. Das macht diesen richtshofes, der eindeutig festgestellt hat, dass Markt so attraktiv. Da der Bereich, in dem es ein Heilpraktiker das, was er macht, auch kön- um medizinische Indikationen geht, gedeckelt nen muss. Er muss die nötigen Kenntnisse und ist und die individuellen Verdienstmöglichkei- Fähigkeiten besitzen. Das heißt, auch wenn er ten hier immer kleiner werden, weichen viele relativ wenig macht, zum Bespiel Tees verord- Ärzte in diesen nicht geschützten, ungeregelten net, dann muss er sich damit auskennen. Wenn Bereich aus. Wenn es eine Regelung gäbe, der er etwas anderes macht, zum Beispiel Chiro- zufolge derjenige, der diese Eingriffe vor- praktik oder Akkupunktur, dann muss er sich nimmt, auch für das Ergebnis haftet, und zwar vorher die entsprechenden Kenntnisse ange- im Sinne eines Werkvertrages, dann würden eignet haben, sonst darf er die Therapien nicht sich viele aus diesem Markt von allein zurück- anwenden. Das ist die Begrenzung unseres ziehen. Es sollten sich nur diejenigen in diesem Tätigkeitsfeldes, und die ist fließend. Macht Markt bewegen, die das auch gelernt haben jemand wenig, dann braucht er einen entspre- und die eine entsprechende Garantie für ihre chend niedrigen Kenntnisstand; macht er mehr, Leistungen abgeben können. dann muss er sich entsprechend fortbilden, und zwar im Zweifel genauso, wie das ein Arzt tun müsste. Unsere Aussage ist also ganz klar. Wir Abg. Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE hätten gern eine eindeutige Beschreibung des- GRÜNEN): Ich habe noch eine Nachfrage. sen, was Sie unter diesen Eingriffen verstehen. Wir haben gehört, es gebe durchaus fließende Im Übrigen sind die Funktionäre unseres Be- Übergänge zwischen medizinisch indizierten rufsstandes eindeutig der Meinung, dass wir Schönheitsoperationen und der Wunsch erfül- solche Eingriffe nicht vornehmen sollten. Wir lenden Medizin. Ist es angesichts dessen realis- haben auch unabhängig davon genügend Tä- tisch, das eine als Dienstvertrag und das andere tigkeitsgebiete, auf denen wir sehr erfolgreich als Werkvertrag zu klassifizieren? arbeiten können.

SV Dr. Albrecht Krause-Bergmann: Das ist Abg. Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE eine Frage, die eigentlich an Juristen gerichtet GRÜNEN): Ich möchte eine Frage an Herrn werden müsste. In anderen Ländern sind ähnli- Dr. Krause-Bergmann richten. Wir haben von che Probleme schon gelöst worden, indem man der Deutschen Gesellschaft für Medizinrechte Kataloge erstellt hat, wie etwa in Frankreich. gehört, dass die medizinisch nicht indizierten Ich denke, es muss einen gesellschaftlichen Schönheitsoperationen nicht dem Dienstver- Konsens darüber geben, wohin man sich mit trag, sondern dem Werkvertrag zugeordnet einer entsprechenden Gesetzgebung bewegen werden sollten, so dass der Arzt auch den Er- will, unter Umständen muss eine Regulierung folg schuldet. Sie unterstützen diese Haltung. auch durch die fortschreitende Rechtsprechung Was versprechen Sie sich davon? erfolgen.

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Abg. Jens Spahn (CDU/CSU): Ich habe eine Abg. Maria Michalk (CDU/CSU): Meine Frage an Herrn Teichner. Ist es problematisch, erste Frage richtet sich an die Bundesärzte- dass die Begriffe „schönheitschirurgisch“ und kammer. Sie haben angekündigt, einen Verhal- „Schönheitschirurgie“ ungeschützt sind? Muss tenskodex für ästhetische Chirurgie entwickeln dagegen, auch im Sinne der Verbraucher und zu wollen. Wie weit sind diese Arbeiten gedie- Patienten, etwas unternommen werden? Au- hen und in welche Richtung entwickeln sie ßerdem möchte ich von Ihnen wissen, ob es sich? Die zweite Frage richtet sich an Herrn tatsächlich Eingriffe gibt, die von Heilprakti- Prof. Germann. In der Diskussion ist immer kern durchgeführt werden. wieder zwischen medizinisch indizierten und kosmetischen Eingriffen unterschieden wor- den. Gibt es aus Ihrer Sicht eine bessere Unter- SV RA Matthias Teichner: Ich denke schon, scheidung? dass hier ein Handlungsbedarf besteht. So ist der Begriff Chirurg dann irreführend, wenn beispielsweise eine Fachärztin für Innere Me- SVe Dr. Cornelia Goesmann (Bundesärzte- dizin sich dem Verbraucher gegenüber als kammer (BÄK)): Wir können uns nicht erin- Schönheitschirurgin ausgibt. Der Titel „Chi- nern, einen solchen Verhaltenskodex angekün- rurg“ sollte nur von einem Arzt geführt wer- digt zu haben. Aber es gibt bei einigen Lan- den, der nach der Approbation in einem – er- desärztekammern Kriterienkataloge bzw. Pati- lauben Sie mir die Formulierung – „schneiden- entenwegweiser für Menschen, die planen, sich den Fach“ eine Zusatzqualifikation erworben einer Schönheitsoperation oder einem ähnli- hat. Nur ein solcher Arzt sollte sich als Chirurg chen Eingriff zu unterziehen. Wir wollen künf- bezeichnen dürfen. Deshalb sehe ich bei dem tig dafür sorgen, dass dies nicht nur von diesen Begriff „Schönheitschirurg“ einen Regelungs- beiden Landesärztekammern angeboten wird, bedarf. Was den Bereich der Heilpraktiker sondern dass auch die Bundesärztekammer betrifft, kenne ich keine Fälle, die mir Anlass oder die anderen Landesärztekammern solche geben würden, irgendwelche Forderungen zu Informationen zur Verfügung stellen, die dann stellen. Erlauben sie mir noch zwei kurze An- über das Internet bundesweit zugänglich ge- merkungen zu der Frage, was als hinreichend macht werden könnten. Im Übrigen bin ich mir anzusehen ist. Ein HNO-Arzt, der seine Ein- nicht sicher, ob hier nicht eine Verwechslung griffe im HNO-Bereich versichern lässt und mit unserem Verhaltenskatalog zu den soge- daneben etwa 10 Prozent seiner Arbeitszeit auf nannten IGL-Leistungen vorliegt. Wir haben das „Fettabsaugen im Bauchbereich“ verwen- inzwischen sehr klare Kriterien entwickelt, wie det, wird hinreichend versichert sein, weil er die Ärztinnen und Ärzte die IGL-Leistungen, nämlich in seinem Hauptbereich HNO versi- also von Patienten gewünschte Leistungen, die chert ist. Deshalb sehe ich den Begriff „hinrei- nicht über die GKV abgerechnet werden kön- chend“ als zu unbestimmt an und sehe hier nen, liquidieren sollen. Vielleicht ist das einen Regelungsbedarf. Beim Versicherungs- durcheinandergeraten. Auf jeden Fall gibt es schutz muss man auch an die Firmen, an die für den Umgang mit den von Patienten ge- GmbHs, denken. Es ist aus Sicht des Verbrau- wünschten Leistungen klare Kriterienkataloge. chers in keiner Weise einzusehen, dass er in Zukunft zwar – hoffentlich – bei dem einzel- nen Arzt, nicht aber bei einer GmbH einen SV Prof. Dr. Günter Germann (Deutsche Versicherungsschutz genießt, sofern nicht auch Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven für diese die Versicherungspflicht eingeführt und Ästhetischen Chirurgen (DGPRÄC)): Die wird. Auch bei der Abrechnung ist es aus der Frage ist, wie wir Gesundheit definieren. Wenn Sicht des Verbrauchers nicht einzusehen, dass man die WHO-Definition zugrunde legt, dann nur der einzelne Arzt verpflichtet ist, nach beinhaltet Gesundheit eben nicht nur „absence GOÄ abzurechnen, während dies dann, wenn of illness“, sondern auch „presence of well- eine Firma die Leistungen pauschal anbietet, being“. In Deutschland wird leider der Fehler nicht gewährleistet ist. Wenn zum Beispiel gemacht, dass man alles, was nicht mehr in den eine Fettabsaugung 19.000 Euro kostet, dann GKV-Erstattungsbereich fällt, auf einmal als erscheint dies aus der Perspektive des medizinisch nicht indiziert bezeichnet. Dabei Verbraucherschutzes stark überhöht, vor allem, wird aber vergessen – auch in der Rechtspre- wenn man bedenkt, dass für die gleiche Leis- chung; als Gutachter vor Gericht sieht man das tung nach GOÄ nur zwischen 3.000 und 4.000 ständig –, dass die GKV ihre Leistungen in den Euro abgerechnet werden kann. letzten Jahren systematisch eingeschränkt hat,

33 Ausschuss für Gesundheit, 83. Sitzung, 23.04.2008 22 und zwar auf dem Rücken der Versicherten. le Fachgesellschaften mit insgesamt 23.000 Die GKV vertraut dabei darauf, dass die Versi- Plastischen Chirurgen und mit annähernd cherten die ausgegrenzten, medizinisch not- 100.000 Mitgliedern, wenn man die kooptier- wendigen Leistungen selbst finanzieren. Das ten Gesellschaften und die Ärzte in Weiterbil- heißt, hier existiert eine Grauzone, die sehr dung hinzurechnet. Damit haben wir einen schwierig zu erfassen ist. Wir machen daher guten Überblick, was weltweit passiert. Wir einen Fehler, wenn wir die Wünsche von Pati- sind die einzige Weltgesellschaft, die als Ko- enten und Patientinnen, die ästhetisch- operationspartner der WHO im Verbraucher- chirurgische Eingriffe nachfragen, von vorn- schutz tätig ist. Es gibt Leitlinien der WHO, herein als nicht medizinisch indiziert deklarie- die festlegen, welche Eingriffe unter welchen ren. Wir müssen diese Grauzone sorgfältig strukturellen Voraussetzungen erbracht werden definieren, weil der Leidensdruck dieser Pati- dürfen. Wenn diese Leitlinien eingehalten entengruppe sonst einfach unter den Tisch würden, wäre das bereits ein riesiger Schritt in fällt. Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Die Rekon- Richtung Verbraucherschutz. Bislang ist mir struktion der weiblichen Brust ist etwas, das als einziges Land Frankreich bekannt, wo dies jeder von uns – und ich sehe hier jemanden, geschehen ist, wo man ähnliche Richtlinien der das auch macht, so wie ich – eindeutig als geschaffen hat, nach denen bestimmte Eingrif- einen medizinisch indizierten, wiederherstel- fe in großen Kliniken mit einer Intensivstation lenden Eingriff ansehen würde. Denn das ist durchgeführt werden müssen. Hier wird nach nichts anderes als die Wiederherstellung des dem Schweregrad und dem Risiko entschieden, Körperbildes der betroffenen Patientin. Wir tun welche Eingriffe wo durchgeführt werden dür- also etwas für ihre Seele. Keiner von uns seriö- fen. Ein Negativbeispiel stellen hingegen die sen Ärzten würde eine solche Operation als USA dar, wo sehr viele, auch zeitaufwändige einen ästhetisch-chirurgischen Eingriff be- Eingriffe mit hohem Risiko in Praxen durchge- zeichnen. Wir stellen also das Körperbild wie- führt werden. Hier gibt es auch etliche der der her, weil ein Leidensdruck vorhanden ist. Todesfälle, die wir in unserem Fachgebiet zu Wir werden uns daher – und dies nehme ich als beklagen haben. Auf EU-Ebene haben wir Anregung aus der Anhörung mit – sehr bemü- maßgeblich an dem „Medical Device Law“ hen, diese Grauzone differenziert zu gestalten, mitgewirkt. um einer holzschnittartigen Betrachtung, wie Ich komme zurück auf eine Bemerkung von sie auch heute hier immer wieder zum Aus- vorhin. Es gibt keine Implantate bei 16- druck gekommen ist, endlich entgegenzutreten, Jährigen. Es war unser großes Anliegen, eine um nicht die Patienten einem Fehlurteil auszu- Empfehlung des EU-Parlaments zu erwirken, setzen, das sie einfach nicht verdient haben. nach der Implantate für ästhetische Zwecke nur bei jungen Frauen über 18 Jahren durchgeführt werden sollen. Das haben wir auch durchge- Abg. Gitta Connemann (CDU/CSU): Meine setzt. Als damals vor vier bis fünf Jahren diese Frage richtet sich an Frau Dr. Eisenmann- Fernsehsendungen aus den USA zu uns her- Klein. Mich interessiert unter anderem, wie der über kamen, hat die Bundesärztekammer auf Patienten- oder Verbraucherschutz, um den es nationaler Ebene eine Koalition gegen den heute hier geht, international geregelt ist. Sie Schönheitswahn initiiert, bei der wir zusam- haben dazu einen sehr guten Überblick, weil men sehr viel Aufklärung betrieben haben. Sie sich seit langer Zeit mit diesem Thema Gemeinsam haben wir eine DVD für den Un- auseinandersetzen. Ich möchte erfahren, wo terricht erstellt, die jetzt in den Schulen ver- Sie vor diesem Hintergrund eine besondere wendet wird. Sie heißt „Wa(h)re Schönheit“. Gefahr für die Patienten sehen. Welche struk- Grundsätzlich glaube ich, dass durch ein Ver- turellen Ansätze sehen Sie, um den Verbrau- bot nichts zu erreichen wäre. Wir müssen dar- cherschutz zu stärken, und was hat Ihre Fach- aufhin wirken, das Selbstwertgefühl von Kin- gesellschaft bisher unternommen, um den dern und Jugendlichen zu stärken, und da gibt Schutz von Jugendlichen zu gewährleisten? es in unserer Gesellschaft noch große Defizite. Unser Schulsystem ist in vielen Bereichen noch auf Unterdrückung und Unterwerfung SVe Dr. Marita Eisenmann-Klein (Deutsche ausgelegt. Es wird einem als Mutter – ich habe Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven drei Söhne – nicht leicht gemacht, seinem Kind und Ästhetischen Chirurgen (DGPRÄC)): Ich ein stabiles Selbstwertgefühl anzuerziehen. Da bin Generalsekretärin des Weltverbandes für gibt es noch einiges zu tun. Wenn die Kinder Plastische Chirurgie. Wir vertreten 97 nationa- erst ein stabiles Selbstwertgefühl haben, dann

34 Ausschuss für Gesundheit, 83. Sitzung, 23.04.2008 23 sind Schönheitsoperationen bei Jugendlichen mit Implantaten anbelangt, sehen wir ein er- kein Thema mehr. höhtes Risiko bei nicht abgeschlossenem Brustwachstum und noch nicht vollständig ausgebildetem Körperbild. Aus diesem Grunde Abg. Gitta Connemann (CDU/CSU): Ich sprechen wir uns in diesem Fall für ein Verbot habe zunächst zwei Nachfragen zu den Aus- aus. führungen von Herrn Zizmann, der Folgendes gesagt hat: „Wir als Vorstand sind der Auffas- sung, dass Eingriffe nicht durchgeführt werden Abg. Gitta Connemann (CDU/CSU): Ich sollten“. Können Sie ausschließen, dass diese habe eine Frage an Frau Dr. Neuhann-Lorenz. durchgeführt werden und gibt es eine entspre- Es ist hier auch das Problem angesprochen chende Selbstverpflichtungserklärung von worden, ob die Qualifikation der Ärzte ausrei- Heilpraktikern? Eine weitere Nachfrage richtet chend ist. Sind Ihrer Auffassung nach die in sich an Frau Eisenmann-Klein. Einerseits ha- den Weiterbildungsordnungen fixierten Rege- ben sie gesagt: „Ich spreche mich gegen ein lungen geeignet, um eine adäquate Ausbildung Verbot aus“, andererseits haben sie sich massiv der Operateure zu gewährleisten? Wie schät- für ein Verbot von Brustimplantaten einge- zen Sie grundsätzlich die Situation der Ausbil- setzt. Hierzu gibt es eine Empfehlung der EU- dung für schönheitschirurgische Eingriffe ein? Kommission, der zufolge Implantationen bei Sehen Sie hier Defizite und welche Änderun- Frauen unter 18 Jahren nur aus medizinischen gen fordern Sie? Gründen zu erlauben sind, also gerade schön- heitschirurgische Eingriffe nach dem derzeiti- gen Verständnis nicht durchgeführt werden SVe Dr. Constance Neuhann-Lorenz: Ich bin sollen. Wenn hier kein Problem gesehen wor- niedergelassene Plastische Chirurgin in Mün- den ist, weswegen haben Sie sich dafür einge- chen und Präsidentin des Komitees für Quali- setzt? tätssicherung für Medizinprodukte und Tech- nologien in der plastischen Chirurgie. Zur Ausbildung und zu jeder Art von Berufsaus- SV Peter A. Zizmann (Die Deutschen Heil- übung gehört eine effiziente, definierte und praktikerverbände (DDH)): Selbstverständlich überprüfte Weiterbildung. Das ist ein wesentli- geht es uns genauso wie anderen Organisatio- ches Element der Qualitätssicherung, auch in nen. Wir können nicht ausschließen, dass das der plastischen Chirurgie. Ich betreue im Rah- irgendjemand tut. Die Frage wäre nur, ob der men meines Vorsitzes auch das Komitee für Berufsstand das wünscht. Diese Frage ist mit Beziehungen zu den Regierungen der Interna- „Nein“ zu beantworten; wir möchten das aus- tionalen Gesellschaft für ästhetisch-plastische drücklich nicht. Die weitere Frage wäre, ob Chirurgie. Es gibt in Deutschland und in vielen uns Schadensfälle bekannt sind. Auch diese anderen Ländern eine klar definierte Ausbil- Frage kann ich mit „Nein“ beantworten. Soll- dung und Facharztweiterbildung zum Facharzt ten uns Schadensfälle bekannt werden, dann für plastische und ästhetische Chirurgie. Zu wäre es zunächst einmal das Wichtigste, diese den Weiterbildungsinhalten gehören Operatio- für die Zukunft auszuschließen. Als Verbände nen, die Indikationsstellung, die Weiterbetreu- haben wir aber nicht die Möglichkeit dazu. Da ung, die Untersuchung, die Befundung sowie geht es uns wie den anderen Verbänden. Wir die Begutachtung von Form verändernden können nicht ausschließen, dass irgendjemand Operationen und Eingriffen am menschlichen etwas, im Zweifel sogar etwas ganz Verrück- Körper. Es muss eine bestimmte Anzahl von tes, tut. Das ist in der heutigen Gesellschaft Operationen nachgewiesen werden, und diese gang und gäbe. Wir möchten das aber nicht. müssen in eigens dafür lizensierten und zertifi- zierten Ausbildungsorten und Krankenhäusern SVe Dr. Marita Eisenmann-Klein (Deutsche durchgeführt werden. Es ist ganz klar, dass die Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven ästhetischen Operationen, die niemals – wie und Ästhetischen Chirurgen (DGPRÄC)): Ich wir schon gehört haben – von den rekonstruk- möchte nicht missverstanden werden. Ich halte tiven Operationen eindeutig unterschieden ein Verbot für nicht hilfreich. Das heißt aber werden können, unabdingbarer Bestandteil der nicht, dass ich mich für solche Eingriffe bei Ausbildung in der plastischen Chirurgie sind, Kindern und Jugendlichen ausspreche. Ich wie dies auch für die Zahnheilkunde und viele denke nur, dass ein Verbot nicht zielführend andere Bereiche gilt. Nehmen Sie als Beispiel wäre. Was die Eingriffe im Zusammenhang einen schwer brandverletzten Patienten, wo-

35 Ausschuss für Gesundheit, 83. Sitzung, 23.04.2008 24 möglich eine junge Frau mit schweren Narben SV Dr. Albrecht Wienke (Deutsche Gesell- im Gesicht, bei der vielleicht noch eine Ge- schaft für Medizinrecht (DGMR)): Es ist mög- sichtshälfte stärker entstellt ist als die andere. licherweise erforderlich, hier eine ähnliche Hier liegt keine Funktionsbehinderung und Regelung, wie sie für die Anwälte gilt, zu tref- auch keine Krankheit im körperlichen Sinne fen. Anwälte müssen, um überhaupt zu dem vor, sondern ein ästhetisches Problem, das Beruf zugelassen werden zu können, eine dennoch behandelt werden muss. Das lernen Mindestversicherungssumme nachweisen. Die die Plastischen Chirurgen sozusagen „von der Versicherungsgesellschaften, die Anwälte ver- Pike auf“. Dafür sind die Regelungen in der sichern, haben die Verpflichtung übernommen, Weiterbildungsordnung meiner Ansicht nach eine entsprechende Meldung unmittelbar an absolut ausreichend. Außerdem gibt es eine die Kammern weiterzuleiten. Eine solche Re- zusätzliche Weiterbildung in zwei anderen gelung könnte man sich auch bei den Ärzten Facharztgebieten, nämlich in der Hals-Nasen- vorstellen, also eine Pflicht, bei der Berufszu- Ohren-Heilkunde und in der Mund-, Kiefer- lassung bzw. beim Zugang zum Beruf des Arz- und Gesichtschirurgie. Diese Weiterbildung ist tes, ob in der Klinik oder in der Praxis, eine aber beschränkt auf die genannten Organsys- entsprechende Berufshaftpflichtversicherung teme, also im Grunde auf die Region vom Ge- nachzuweisen. Diesen Nachweis könnte man sicht bis zum Hals. Für alle anderen Körperre- an eine entsprechende Mindestdeckungssum- gionen sind die Fachärzte für Plastische Chi- me koppeln. Diese Summe könnte man dann rurgie zuständig. Diese Sachlage müsste klar nach den verschiedenen Fachgebieten – je nach dargestellt werden. Denn es kann nicht ange- dem, welche Risiken damit verbunden sind – hen, dass jeder praktische Arzt oder jeder staffeln. Dabei könnte man auf Erfahrungswer- Nichtfacharzt solche Eingriffe ohne eine adä- te in den einzelnen Fachgebieten zurückgrei- quate Weiterbildung ungestraft durchführen fen. Ob die Leistungen individuell oder institu- kann. Das ist ein ganz wichtiger Aspekt. Die tionell erbracht werden, spielt dabei im Grunde Weiterbildung ist somit ausreichend und adä- keine Rolle. Auch bei der institutionellen Leis- quat geregelt in dem Facharzt für Plastische tungserbringung wird man – ähnlich, wie das Chirurgie. Sie ist ebenso klar geregelt wie die bei Anwalts-GmbHs der Fall ist – auf die Leis- Kompetenz von Augenärzten für das Auge. tung des einzelnen Leistungserbringers abstel- Der Augenarzt würde auch nicht auf Idee len müssen, so dass man sich auch durch eine kommen, Operationen an anderen Körperteilen GmbH-Haftung nicht etwa freizeichnen könn- vorzunehmen. Hier gibt es klare Definitionen, te. Eine GmbH müsste dann eine Gesamthaf- wonach ein Augenarzt natürlich auch Operati- tungssumme zur Verfügung stellen. onen am Lidapparat durchführen darf.

SV RA Matthias Teichner: Aus Zeitgründen Abg. Dr. Carola Reimann (SPD): Ich habe stimme ich dem einfach nur zu. Auch ich wür- noch eine Frage zu der Haftpflichtversiche- de betonen, dass der Verbraucher geschützt rung, und zwar an die Deutsche Gesellschaft werden muss. Darum geht es auch bei der für Medizinrecht und an Herrn Teichner. Haftpflichtversicherung der Anwälte. Die wird Selbst wenn wir im Versicherungsvertragsrecht man wohl auch vor allem deshalb eingeführt eine Änderung herbeiführen und den Ab- haben, um den Kunden abzusichern, und zwar schluss einer Haftpflichtversicherung ver- unabhängig davon, ob er es mit einem Einzel- pflichtend machen würden, bliebe nach mei- anwalt oder einer GmbH zu tun hat. Nichts nem Eindruck eine Regelungslücke bestehen. anderes sollte für den Bereich der Medizin Ich würde gern erfahren, wie nach Auffassung gelten. der Juristen eine Absicherung für die Institute und Klinken, also für die juristischen Personen, aussehen müsste. Denn selbst wenn es eine Abg. Mechthild Rawert (SPD): Meine Frage Stelle gäbe, zum Beispiel die Ärztekammer, richtet sich zunächst an den Deutschen Frauen- der die Ärzte Meldung darüber machen müss- rat. Der Deutsche Frauenrat hat in seiner Stel- ten, dass sie eine solche Versicherung abge- lungnahme geschrieben, dass unsere Appelle schlossen haben, wäre ja noch eine gesonderte an das Verantwortungsbewusstsein der Medien Regelungen für diesen Bereich erforderlich. nicht ausreichend sind. Ich würde Sie bitten, ihre Forderungen an die Medien noch einmal zu konkretisieren. Diese Bitte habe ich auch an die Bundesärztekammer. Sie sind doch Mit-

36 Ausschuss für Gesundheit, 83. Sitzung, 23.04.2008 25 glied in verschiedenen Vereinen und Verbän- sie in bestimmten Etablissements durchgeführt den, und von daher wissen Sie, dass diese stei- werden, sollte man verbieten. gende Nachfrage nach einer Wunsch erfüllen- den Medizin zu einem erheblichen Teil von den Medien erzeugt wird. Ich möchte daher SV Prof. Dr. Dr. Ralf Siegert (Deutscher von allen Fachverbänden eine klare Antwort Berufsverband der Hals-Nasen-Ohrenärzte auf die Frage erhalten, ob sie ein Verbot von e.V. (HNO)): Wir sind ganz klar gegen ein Schönheitsoperationen an Jugendlichen befür- prinzipielles Verbot von Schönheitsoperatio- worten oder ablehnen. nen. Wir haben unter unseren Patienten sehr viele Kinder und Jugendliche mit schweren Fehlbildungen der Ohrmuscheln. Deren Kor- SVe Brunhilde Raiser (Deutscher Frauenrat rektur ist ganz klar indiziert. Die Übergänge e.V. (DF)): Wir haben zunächst einmal keine von der Norm bis hin zu abstehenden Ohrmu- spezifischen Forderungen an die Medien ge- scheln sind fließend und lassen sich nur schwer stellt, sondern nur festgestellt, dass Appelle an fassen. Die Korrektur von abstehenden Ohr- die Medien nicht ausreichend sind. Des Weite- muscheln, das klang auch in vielen Diskussi- ren haben wir eine Erwartung an den Gesetz- onsbeiträgen an, ist bei Kindern unzweifelhaft geber formuliert. Nach unserer Ansicht müsste indiziert, weil sie eine erhebliche psychopro- eine Werbung mit Vorher-Nacher-Vergleichen phylaktische Wirkung, was immer das im Ein- verboten werden. Hier wäre die Chance gege- zelnen ist, in Bezug auf die Entwicklung dieser ben, etwas ganz Konkretes zu bewirken. Das Kinder hat. Der Eingriff ist zwar letztlich eine wäre für uns das zentrale Anliegen im Zusam- Schönheitsoperation, weil er keine funktionelle menhang mit den Medien. Denn reine Appelle Bedeutung hat, aber er ist wichtig für die Kin- an die Medien sind wenig wirksam, und zwar der, und deshalb halte ich von einem prinzi- nicht, weil die Medien so schlecht wären, son- piellen Verbot überhaupt nichts. dern weil sie natürlich auch Bedürfnisse de- cken und wecken. Die Frage der Verantwor- tung der Medien geht aber weit über den ge- SV Prof. Dr. Dr. Siegmar Reinert (Deutsche sundheitlichen Bereich hinaus. So wäre die Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichts- grundsätzliche Frage zu stellen, die auch das chirurgie e.V. (DGMKG)): Ich kann mich die- Medienrecht betrifft, inwieweit Medien eigent- sen Ausführungen weitgehend anschließen, lich einen Bedarf wecken dürfen, wenn dies weil die Übergänge zwischen den verschiede- möglicherweise gefährliche Folgen hat. Aber nen Arten von Eingriffen in der Tat fließend bei diesem Thema begebe ich mich auf wan- sind. Bei Abwägung aller Gesichtspunkte wür- kenden Boden. de man mit einem Verbot vermutlich dem ei- nen oder anderen Einzelfall nicht gerecht wer- den. Man muss die prinzipielle Möglichkeit SVe Dr. Cornelia Goesmann (Bundesärzte- haben, solche Eingriffe durchzuführen. Ein kammer (BÄK)): Gesetzlich regeln lässt sich generelles Verbot würde den Patienten bzw. das sicherlich nicht, auch nicht berufsrechtlich. den Kindern, die unter einem Stigma psychisch Wir nehmen natürlich jede Chance wahr, auf leiden, letztlich schaden. die Medien einzuwirken, damit sie eine solche Berichterstattung, wie sie hier angeprangert wurde, unterlassen. Wir haben gerade mit die- SV Prof. Dr. Günter Germann (Deutsche ser Koalition gegen den Schönheitswahn ver- Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven sucht, durch Weckung medialer Aufmerksam- und Ästhetischen Chirurgen (DGPRÄC)): Die keit zu einem vernünftigen Umgang mit die- rein ästhetisch motivierten, nicht medizinisch sem Thema zu kommen, und wir werden das indizierten Korrekturen haben aus unserer auch weiterhin tun. Ich glaube, die Diskussion Sicht schon rein zahlenmäßig nur eine margi- heute wird einiges dazu beitragen, dass man in nale Bedeutung. Was die Anteile an allen Ein- Zukunft diesen Problemkomplex etwas anders griffen anbelangt, bewegen wir uns hier im betrachtet. Nun zu Ihrer konkreten Frage, ob Promillebereich. Dies hat auch die heutige wir für Verbote sind. Dies kann ich klar beja- Diskussion gezeigt. Deshalb halten wir ein hen. Reine Schönheitsoperationen an Kindern Verbot für nicht sinnvoll und sagen dazu ein und Jugendlichen unter 18 Jahren, die nicht klares „Nein“. medizinisch indiziert sind, aber auch andere Eingriffe wie Piercing und Tätowierungen, wie

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SV Prof. Dr. Jens-Uwe Blohmer (Deutsche würde ich schon aus rein pragmatischen Grün- Gesellschaft für Plastische und Wiederherstel- den „Nein“ zu einem Verbot sagen. lungschirurgie e.V. (DGPW)): Diese Gesell- schaft vertritt alle chirurgischen Fachdiszipli- nen, einschließlich der Frauenärzte. Ich bin SV Prof. Dr. Christian Gabka (Vereinigung selbst Frauenarzt. Wir lehnen reine Schön- der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirur- heitsoperationen an Kindern und Jugendlichen gen (VDÄPC)): Wir führen keine Schönheits- ab, sprechen uns aber ebenfalls gegen ein Ver- operationen bei Minderjährigen durch. Inso- bot aus, und zwar aus den gleichen Gründen fern brauchen wir auch kein Verbot. Vielmehr wie meine Vorredner, das heißt, weil es Ein- sollten wir den Akzent auf die Qualifikation zelfälle gibt, die dagegen sprechen. Ich denke der Ärzte legen, die den Eingriff durchführen. hier an Frauen, beispielsweise Mädchen, mit Damit gewährleistet man eine seriöse Bera- einer kompletten Brustaplasie. Die sind viel- tung, die Missbrauch ausschließt. leicht 17 ½ Jahre alt und setzten sich schon viele Jahre mit diesem Problem auseinander. Aus diesem Grund sprechen auch wir uns ganz Abg. Dr. Carola Reimann (SPD): Ich habe eindeutig gegen ein Verbot aus. noch eine Frage an die Bundesärztekammer, die Deutsche Gesellschaft für Medizinrecht und an Herrn Teichner, und zwar zur Wer- SV Prof. Dr. Dr. Heinz Bull (Gesellschaft für bung. Wenn wir Ärzte und Institute in die glei- Ästhetische Chirurgie Deutschland e.V. che Situation bringen, müssen wir auch über (GÄCD)): Ich würde zunächst gerne das Wort die Werbung sprechen. Es wurde bereits das „Schönheitschirurgie“ durch den Begriff „Äs- Heilmittelwerbegesetz angesprochen, aber es thetische Chirurgie“ ersetzen. Dieser Begriff gibt noch zusätzliche Beschränkungen für die ist klarer definiert. Schönheitschirurgie ist Ärzteschaft. Welche dieser Beschränkungen, dagegen überhaupt nicht definiert; dies er- die aufgrund berufsrechtlicher Regelungen schwert die Diskussion. In Bezug auf Kinder ausschließlich für Ärztinnen und Ärzte gelten, und Jugendliche kann ich mich den Vorrednern sollten auch auf juristische Personen bzw. In- anschließen, denn es gibt hier klare Indikatio- stitute und ähnliche Einrichtungen angewandt nen, insbesondere psychiatrische und soziale werden? Indikationen. Wir haben das Stichwort „Ohr- muschelplastik“ gehört und auch Beispielsfälle für junge Frauen mit Brustaplasie. Hier müssen SV Dr. Gerhard Nösser (Bundesärztekammer Eingriffe erlaubt sein, wenn auch nur nach (BÄK)): Die Bestimmungen im Heilmittelwer- vorheriger psychiatrischer Untersuchung. Ein begesetz gelten unabhängig davon, wer Wer- Verbot würde uns jedenfalls in diesen wenigen bung betreibt, und sie sind sicherlich konkreter Fällen nicht weiterhelfen. und präziser als die Regelungen in der Berufs- ordnung, die allgemeineren Charakter haben und nicht konkret auf den Sachverhalt, der hier SV Dr. Joachim Graf von Finckenstein diskutiert wird, abzielen. Wir denken gleich- (Deutsche Gesellschaft für Ästhetisch- wohl über das Problem der ausübenden Heil- Plastische Chirurgie (DGÄPC)): So sehr ich kunde durch juristische Personen nach, das aus ethisch-medizinischen Gründen für ein hier verschiedentlich angesprochen worden ist, Verbot wäre, so eindeutig muss ich mich aus weil diese nicht – jedenfalls nicht unmittelbar ganz pragmatischen Gründen dagegen ausspre- – den Regelungen des Berufsrechts unterlie- chen. Die Gründe ergeben sich aus Erfahrun- gen. Allerdings bleibt der Arzt, der die Leis- gen in der eigenen Praxis: Wenn in Deutsch- tung für eine juristische Person ausführt – und land ein solcher Eingriff von vornherein unter- das wurde ebenfalls bereits angesprochen –, sagt wäre, würde sich die Nachfrage ins Aus- natürlich an die Berufsordnung gebunden, so land verlagern, wo die Gesetzgebung lange dass wir hier zumindest mittelbar einen Schutz nicht so streng ist. Ich glaube, die Gefahr, dass haben. Wir denken aber, wie gesagt, darüber jemand mit 15 oder 16 Jahren einer rein ästhe- nach, wie wir es erreichen können, dass auch tisch begründeten Operation unterzogen wird, die juristischen Personen unmittelbar den be- ist ziemlich klein. Denn die Widerstände der rufsrechtlichen Vorschriften unterliegen, damit Eltern sind meist größer, als gemeinhin ange- keine Schutzlücken auftreten können. nommen wird. So einfach ist die Einwilligung eines Elternteils nicht zu bekommen. Daher

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SV Dr. Albrecht Wienke (Deutsche Gesell- das war ein passendes Schlusswort. Unsere schaft für Medizinrecht (DGMR)): In der Tat Anhörung ist hiermit beendet. gibt es derzeit Unterschiede im Hinblick auf Nachdem Sie uns neue Anregungen gegeben die Werbung. Das hängt damit zusammen, dass haben, beginnt für uns als Politiker nun die die berufsrechtlichen Sanktionen nur die Ärzte Arbeit. Wir danken Ihnen für ihre Ausführun- persönlich betreffen. Soweit solche Leistungen gen und wünschen Ihnen einen guten Heim- institutionalisiert angeboten werden, sind der weg. Werbung dagegen keine Grenzen gesetzt. Bei der Beantwortung dieser Frage sind sich die Juristen ausnahmsweise einmal einig.

Ende der Sitzung: 15.30 Uhr SV RA Matthias Teichner: Es gibt dazu aus meiner Sicht nichts zu hinzufügen. Ich würde aber gerne etwas zur Verbotsfrage sagen. Im BGB ist geregelt, dass Minderjährige nicht sterilisiert werden dürfen. Der Gesetzgeber hat hier ein Problem gesehen und dies auch gere- gelt. Ich denke, es ist ein Stufenplan denkbar. Ich habe mich dazu zwar nicht in meinem Sta- tement geäußert, wir haben uns darüber aber im Vorfeld verständigt. Wenn bei den Minder- jährigen Handlungsbedarf besteht, dann sollte man vielleicht bestimmte Eingriffe auflisten und für diese festlegen, dass sie nur unter dem Vorbehalt der Zustimmung durch die Ethik- kommissionen durchgeführt werden dürfen. Es müssten dann entsprechende Anträge bei den Ärztekammern gestellt und von den Ärzten geprüft werden. Man kann davon ausgehen, dass dies im Falle von Minderjährigen nur sehr wenige Anträge sein würden. Im Vormund- schaftsrecht ist geregelt, dass Eltern nicht ohne Genehmigung eines Gerichts zu Lasten ihrer Kinder Vermögensverfügungen treffen dürfen. Wieso dürfen sie dann Verfügungen über den Gesundheitszustand treffen, möglicherweise mit schädlichen Konsequenzen? Auch darüber wird nachzudenken sein. Die Ethikkommissio- nen sind dafür der richtige Ansprechpartner. Über ein Verbot muss vielleicht bei Extremfäl- len nachgedacht werden. Wir können uns nicht mit dem Hinweis begnügen, dass solche Ein- griffe nicht oder nur im Ausland vorkommen. Das wäre zu kurz gedacht. Denn auch im Falle der Sterilisation könnte man sagen: „Dann lassen wir das eben im Ausland machen.“ Die Politik wird oft dafür kritisiert, dass sie angeb- lich nur reagiert. In diesem Falle hätte man einmal die Chance, nicht nur zu reagieren bzw. nicht nur abzuwarten, sondern aktiv zu handeln und das jetzt schon zu regeln.

Stellvertretender Vorsitzender, Abg. Dr. Hans Georg Faust (CDU/CSU): Vielen Dank,

39 Stellungnahme der Geschäftsstelle der Deutschen Gesellschaft der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Plastischen, Rekonstruktiven Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen und Ästhetischen Chirurgen Langenbeck-Virchow-Haus Luisenstraße 58-59 zu der Anhörung: 10117 Berlin

„Missbräuche im Bereich der Schönheitsoperationen gezielt Telefon (030) 28 00 44 50 Fax (030) 28 00 44 59 verhindern – Verbraucher umfassend schützen“ E-Mail [email protected]

Internet www.dgpraec.de

Im zweiten Absatz der ersten Seite des Antrages heißt es unter Geschäftsführender Bezugnahme auf die Zahlen der DGPRÄC und der Gesellschaft für Vorstand

Ästhetische Chirurgie Deutschland (GÄCD), dass es eine hohe Dunkelziffer Präsident Univ.-Prof. Dr. med. gäbe, da nicht alle Eingriffe auch von Fachärzten für Plastische (und Günter Germann Ästhetische) Chirurgie durchgeführt werden. Dies entspricht zwar leider der Ludwigshafen

Wahrheit, allerdings sind in den zitierten Statistiken der GÄCD auch die Vize-Präsidenten Eingriffe von Nicht-Fachärzten für Plastische Chirurgie enthalten, da sich in Ästhetische Chirurgie dieser Gesellschaft folgende Arztgruppen finden: Fachärzte für Chirurgie, Prof. Dr. med. habil. Dermatologie, Gynäkologie, HNO-Heilkunde, MKG-Chirurgie, Christian J. Gabka München Ophthalmologie und Plastische Chirurgie. Handchirurgie Univ.-Prof. Dr. med. Im zweiten Absatz auf Seite 2 wird zu Recht ausgeführt, dass umfängliche Peter Mailänder Lübeck fachärztliche Weiterbildungen in der ästhetischen Chirurgie bestehen und darauf verwiesen, dass unter anderen der Facharzt für Plastische und Rekonstruktive Chirurgie Univ.-Prof. Dr. Dr. med. Ästhetische Chirurgie sowie Fachärzte für Mund-, Kiefer- und Prof. h.c. (RC) Gesichtschirurgie eine entsprechende Weiterbildung hätten. Dies stimmt Norbert Pallua Aachen nicht ganz, da der Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Verbrennungschirurgie ebenso wie der Facharzt für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde erst mit der Univ.-Prof. Dr. med. Zusatzweiterbildung Plastische Operationen für rekonstruktive und Peter Vogt Hannover ästhetische Eingriffe in der Kopf-Hals-Region qualifiziert ist. Damit sind allerdings auch schon sämtliche Facharztgruppen aufgeführt, in deren Sekretär Univ.-Prof. Dr. med. Weiterbildungsordnung die ästhetische Chirurgie explizit verankert ist. Hans-Eberhard Schaller Tübingen

Unter Punkt 2 des Antrages bekräftigt die Bundesregierung ihre Schatzmeister Dr. med. Auffassung, dass Heilpraktiker keine Eingriffe am Menschen vornehmen Hermann Lampe dürfen, für die sie nicht qualifiziert sind. Wir möchten darauf hinweisen, Frankfurt am Main dass in den Ausführungsbestimmungen des Heilpraktikergesetzes auch geregelt ist, dass Kenntnisse in der Injektion geprüft werden. Dies ist sicher integriert, um den Weg zu Naturheilverfahren, wie dem „Quaddeln“, zu eröffnen, führt aber leider auch dazu, dass zum Beispiel als Medizinprodukt zugelassene Faltenfiller auch von Heilpraktikern gespritzt werden, die spätestens bei Komplikationen an die Grenzen ihrer Kompetenz stoßen. Wir möchten anregen, diesen Passus zu streichen oder auszuführen, dass keine Substanzen injiziert werden dürfen, bei denen Nebenwirkungen bekannt sind.

Sorge bereitet uns auch die Berufsausübung von Ärzten ohne jede Facharztqualifikation in diesem Bereich. Jeder Arzt mit der Vollapprobation ist berechtigt, die Heilkunde umfassend, also auch in der so genannten

40 „Schönheitschirurgie“ auszuüben. Für den Patienten ist dabei völlig unklar, dass in diese sechsjährigen, überwiegend universitäre Ausbildung lediglich ein Jahr ärztliche Tätigkeit am Patienten integriert ist. Hier wird eine Besonderheit des Berufsrechtes zur Falle für den Patienten, da der approbierte Arzt ohne Facharztweiterbildung dazu befugt ist, Heilkunde in jeder Form auszuüben, während für den Facharzt gilt, dass lediglich im Weiterbildungskatalog enthaltene medizinische Maßnahmen vollzogen werden dürfen. Dies führt auch dazu, dass Ärzte ihre Facharztqualifikation „zurückgeben“, was eindrucksvoll die Absurdität dieser Regelung sichtbar macht. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass diesen Ärzten „im allgemeinen Sinne“ weder eine Kassenarztsitz noch die Anstellung im Krankenhaus offen steht, wird deutlich, dass nur die Ausübung der „Lifestyle“ Medizin bleibt. Um Patienten vor diese Arztgruppe zu schützen, regen wir an, die Approbationsordnung so zu ändern, dass in Weiterbildungsordnungen geregelte, fachspezifische medizinische Maßnahmen von der allgemeinen Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde ausgenommen sind.

Zu dem auch aus unserer Sicht unabdingbaren Haftpflichtversicherungsschutz aller Ärzte und insbesondere jener, die ästhetische Eingriffe vornehmen, möchten wir anregen, dass für die berufsrechtliche Auflage zur Versicherung von den Kammern bundesweit ein Nachweis gefordert wird. Wünschenswert wäre aus unserer Sicht ein Modell analog zu der Situation in Großbritannien. Hier melden die Haftpflichtversicherer Fälle an die Aufsichtsbehörde und lösen damit stets einen Prüfvorgang aus. In Deutschland ist es hingegen so, dass zwar in strittigen Fällen in der Regel die Schlichtungsstelle der zuständigen Kammer hinzugezogen wird, ist der Fall aber eindeutig, so begleicht die Versicherung, ohne dass die Kammer Kenntnis erhält, entsprechend wird sie auch nicht aktiv. Die Verankerung eine Rückmeldepflicht der Versicherung an die Kammer und die Aufsichtsbehörden der Länder wäre aus unserer Sicht ein probates Mittel, den Patientenschutz in diesem Bereich nachhaltig zu stärken. So würde zum Einen jeder Fall geprüft, zum Anderen sofort deutlich, wenn eine Versicherung die Weiterversicherung verweigert. Wir bitten darum, zu prüfen, ob eine solche Änderung der Rechtslage umsetzbar ist.

Im europäischen Vergleich fällt generell auf, dass in unseren Nachbarländern teilweise Wege gefunden wurden, Patienten mit dem Wunsch nach einem ästhetischen Eingriff vor fachfremden und damit nicht entsprechend der Weiterbildungsordnung ausgebildeten Ärzten zu schützen. In Spanien ist gesetzlich geregelt, dass nur Plastische Chirurgen ästhetische Eingriffe vornehmen dürfen. In Frankreich wurde die im Jahr 2003 von der WHO erstellte „Surgical Safety Checklist“ übernommen. Diese gibt strenge Rahmenbedingungen für die Durchführung chirurgischer Eingriffe vor und hat damit eine Bereinigung der Situation ausgelöst. Auch diese beiden Ansätze erscheinen uns als adäquater durchaus auf die Bundesrepublik übertragbarer Ansatz, der Patienten vor nicht ausgebildeten Operateuren schützen würde. Dabei ist es uns durchaus

41 bewusst, dass die rechtliche Situation in Deutschland, bedingt durch die ärztliche Selbstverwaltung und die Rechtsgrundlagen auf EU-, Bundes- und Landebene deutlich komplizierter ist. Nichts desto trotz streben wir eine Regelung an, die Patienten vor „Wildwuchs“ schützt und bitten hierbei um ihre Unterstützung, dabei gehen wir zunächst davon aus, dass die Installation eines Nachweises der Haftpflichtversicherung und die Implantierung eines Meldeverfahrens an Kammer und die Aufsichtsbehörden der Länder sicher der praktikabelste und wohl auch effektivste Weg ist.

Ein ganz anderer, aus unserer Sicht zu begrüßender und ergänzender Ansatz, wäre die von Dr. Korczak vorgeschlagene Implementierung einer Plattform, die bundesweit Auskunft über qualifizierte Ärzte gibt, in Zusammenarbeit mit den Ärztekammern. Bei der Ärztekammer Nordrhein ist ein solches Register „Plastisch-operative Medizin“ bereits verankert, verbunden unter anderem mit dem Nachweis der Qualifikation und der Erklärung, beim Vorwurf von Behandlungsfehlern, die Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärztekammer Nordrhein einzuschalten. Dies ist aus unserer Sicht ein vorbildlicher Ansatz, dessen Übertragung in alle Landesärztekammern den Patientenschutz maßgeblich voran bringen würde.

Das im Antrag formulierte Problem, der Eingriffe bei unter 18jährigen Patienten, wird aus unserer Sicht überschätzt, auch dies stellt Dr. Korczak in seinem Abschlussbericht ja fest. Wir möchten zu der von unserer Gesellschaft im Jahr 2004 erfassten und sowohl in der Studie als auch im Antrag aufgegriffenen Zahl, dass im Jahr 2004 10 Prozent aller ästhetischen Eingriffe unserer Mitglieder an Patienten unter 20 Jahren vorgenommen wurden nochmals betonen, dass es sich hierbei fast ausschließlich um die Korrekturen von so genannten Fehlbildungen, zumeist der Ohren, handelt. Hier sehen wir keinen Bedarf nach weiterreichenden rechtlichen Regelungen, da vor einem Eingriff ja die Zustimmung der Erziehungsberechtigten erforderlich ist und wir davon ausgehen, dass diese sich, ebenso wie die behandelnden Ärzte, ihrer Verantwortung durchaus bewusst sind. Hinzu kommt im Bereich der Brustimplantate, die ja auch im Antrag aufgeführte Empfehlung des Europäischen Parlaments.

42 MATTHIAS TEICHNER

R E C H T S A N W A L T

Experte im Bereich Arzthaftungsrecht Spezialist für Patientenrecht

Neuer Wall 18 Tel. (040) 348 04 46 RA MATTHIAS TEICHNER · NEUER WALL 18 · 20354 HAMBURG 20354 Hamburg Fax (040) 348 04 48

Email: [email protected] GK 495 DEUTSCHER BUNDESTAG Ausschuss für Gesundheit Vizepräsident der Europäischen Gesellschaft für Medizinrecht Platz der Republik 1 11011 Berlin Mitglied der Dt. und der Öesterr. Gesellschaft f. Medizinrecht

Mitglied der Dt. Gesellschaft f. Rechtsmedizin

Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht beim Dt. Anwaltsverein

Besuchen Sie gern auch meine Homepage http://www.patientenanwalt-hamburg.de

17.04.08

Stellungnahme im Zusammenhang mit der öffentlichen Anhörung zum Antrag:

Missbräuche im Bereich der Schönheitsoperationen gezielt verhindern – Verbraucher umfassend schützen

Sehr geehrte Frau Dr. Bunge, vielen Dank für Ihr Schreiben vom 25.03.2008 und die darin enthaltene Einladung. Gern nehme ich vorab zu dem o. g. Antrag wie folgt Stellung:

1. Allgemeines

Seit 1985 bin ich als selbstständiger Rechtsanwalt auf die Bearbeitung von Schadenfällen aus dem Bereich des Medizinrechts spezialisiert. Im Vordergrund meiner Tätigkeit stand von Anbeginn an die Vertretung von geschädigten Patienten in so genannten Arzthaftungssachen. Ungefähr seit dem Jahre 2000 suchen vermehrt Patienten bei mir Rat, die mit durchgeführten kosmetischen Eingriffen – aus unterschiedlichen Gründen – unzufrieden sind. Mit „vermehrt“ ist dabei der Vergleich mit der Zeit davor gemeint, als kosmetische Eingriffe noch nicht so „verbreitet“ waren, wie es seit einigen Jahren der Fall ist bzw. sein soll. Ich kann aufgrund meiner bisherigen Erfahrung (ich bearbeite durchschnittlich 120 Medizinschadenfälle im Jahr) nicht feststellen, dass es im Bereich der kosmetischen Chirurgie überproportional zu Zwischenfällen bzw. Haftungsfällen kommt.

Moniert werden von meinen Mandanten, bei denen es sich ganz überwiegend um Frauen handelt, in erster Linie Operationsergebnisse, die mit den Erwartungen, aber auch mit den Zusagen der verantwortlichen Ärzte bzw. mit getroffenen „Vereinbarungen“, nicht übereinstimmen. Die Kritik an

43 2 den Operationsergebnissen ist in den meisten Fällen, vor allem im Zusammenhang mit Fettabsaugungen im Bereich von Bauch, Beinen und Gesäß, auch für den „Nichtmediziner“ nachvollziehbar, denn beklagt werden sichtbare, erhebliche Unebenheiten, Dellen, Stufen usw.

Die Beantwortung der Frage danach, ob ein Haftungsfall vorliegt, hängt, wie in anderen Medizinschadenfällen, in erster Linie davon ab, ob ein Sachverständiger – im außergerichtlichen Bereich oder im Laufe eines Gerichtsverfahrens – zu dem Ergebnis gelangt, dass das Operationsergebnis nicht mit dem maßgeblichen Standard im Einklang steht, d. h. dass das Ergebnis den (sicheren) Schluss darauf zulässt, dass die Behandlung entweder fehlerhaft geplant und / oder falsch durchgeführt wurde. Schließlich besteht auch die Möglichkeit, dass eine fehlerhafte Nachsorge Ursache für die Schädigung des Patienten ist.

Die Grenze zwischen einer „gerade noch ausreichenden“ und einer „fehlerhaften“ Behandlung ist im Bereich der kosmetischen Chirurgie ganz offensichtlich besonders schwer zu ziehen, aber dies darf niemanden überraschen, der sich mit dieser Materie näher auseinandersetzt. Vielleicht macht ein Vergleich das Problem deutlich: bei den Benotung einer schulischen Leistung kann ebenfalls Streit darüber aufkommen, ob noch die Note „ausreichend“ oder doch „mangelhaft“ angemessen und vertretbar ist.

In zweiter Linie spielt im Zusammenhang mit der Haftungsfrage die Frage der ordnungsgemäßen Aufklärung eine Rolle. Allerdings liegt in diesem Bereich sehr selten am Ende der Haftungsgrund. Patienten werden im Bereich der kosmetischen Chirurgie grundsätzlich ausreichend, rechtzeitig und „richtig“ aufgeklärt; jedenfalls kann von Seiten des verantwortlichen Arztes oder der Klinik dieser Nachweis in der Regel erbracht werden.

2. Das Problem des Versicherungsschutzes

Es gibt eine Besonderheit, die mir im Zusammenhang mit der Bearbeitung von Medizinschadensachen im Bereich der kosmetischen Chirurgie aufgefallen ist. Hierbei handelt es sich um die Frage des Versicherungsschutzes. In mehreren von mir bearbeiteten Fällen, in denen drei verschiedene Ärzte für die monierten Behandlungen verantwortlich waren, bestand keinerlei Versicherungsschutz. Die Ärzte hatten entweder überhaupt keine Haftpflichtversicherung abgeschlossen, oder aber sie hatten, angeblich aus Vergesslichkeit, wahrscheinlich aber eher aus wirtschaftlicher Not heraus, keine Beiträge entrichtet und waren deshalb gekündigt worden.

Diese Problematik war für mich völlig neu und veranlasste mich dazu, insoweit Ermittlungen anzustellen und die Sach- und Rechtslage zu prüfen. Mit einer gewissen Verwunderung und Überraschung musste ich zur Kenntnis nehmen, dass Ärzte lediglich nach Maßgabe des Berufsrechts (§ 21 MBO-Ä 97) dazu verpflichtet sind, sich „hinreichend“ zu versichern. Im Gegensatz dazu ist nach § 51 BRAO jeder Rechtsanwalt gesetzlich dazu verpflichtet, eine Versicherung für Vermögensschäden zur Deckung der zivilrechtlichen Haftung aus seiner Berufstätigkeit abzuschließen und aufrechtzuerhalten. Ein Bewerber erhält erst dann die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft, wenn er zuvor den Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung nachgewiesen hat (51 BRAO). Die Versicherungsgesellschaften wiederum sind zur Meldung der Beendigung des Vertragsverhältnisses gesetzlich verpflichtet. Endet der Versicherungsvertrag des Anwalts und wird kein neuer Vertrag abgeschlossen, so ist die Zulassung zu widerrufen (§ 14 Abs. 2 BRAO). Vergleichbares ist für Ärzte in Deutschland (bisher) nicht vorgesehen.

Ich war bis dahin, wie wahrscheinlich der überwiegende Anteil der Patienten (Verbraucher) in Deutschland, davon ausgegangen, dass Ärzte für ihre, vor allem invasiven Maßnahmen, ausreichend

44 3 versichert sind bzw. dass – von wem auch immer – dafür Sorge getragen wird, dass Ärzte einer Versicherungspflicht auch tatsächlich nachkommen.

Nachdem ich in einem Fall den Verdacht gegenüber der zuständigen Ärztekammer schriftlich geäußert hatte, dass ein bestimmter Arzt wahrscheinlich über keine Haftpflichtversicherung verfügen würde, teilte man mir mit, dass man Ermittlungen aufgenommen habe. In späteren Telefongesprächen wurde mir mitgeteilt, dass der verantwortliche Arzt angeschrieben worden wäre, jedoch nicht reagiert hätte. Auf meine Frage hin, was die verantwortliche Ärztekammer als weitere Maßnahme planen würde, teilte man mir mit, man habe keine „rechte Handhabe“. Ich teilte bereits damals meine Meinung und Ansicht darüber mit, dass es dann angezeigt sein dürfte, die Berufsordnung entsprechend abzuändern bzw. zu ergänzen und sich auf diese Art und Weise eine geeignete Handhabe zu schaffen.

3. Änderung bzw. Ergänzung der Berufsordnung

Ich bin der Ansicht, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Es muss m. E. dafür Sorge getragen werden, dass Ärzte, vor allem im Bereich der invasiven Medizin, über eine Haftpflichtversicherung verfügen. Zumindest die Pflicht, die Versicherung gegenüber der zuständigen Ärztekammer auf deren Anforderung hin nachzuweisen, muss in die Berufsordnungen der Bundesländer ausdrücklich aufgenommen werden. In diesem Zusammenhang müssen auch Sanktionen geregelt werden und zwar sowohl für die Fälle, in denen der Arzt der Nachweispflicht nicht nachkommt, als auch für die Fälle, in denen keine Versicherung abgeschlossen wurde.

Die bisherigen Regelungen, wonach sich Ärzte hinreichend zu versichern haben, ist vollkommen unzureichend, denn mit dem unbestimmten Begriff „hinreichend“ kann sowohl das Ausmaß des Versicherungsschutzes im Hinblick auf den Tätigkeitsbereich des jeweiligen Arztes als auch die jeweils vereinbarte Versicherungssumme gemeint sein. Es sollte deshalb als ausdrückliche Berufspflicht des Arztes aufgenommen werden, dass dieser zum Abschluss einer Versicherung verpflichtet ist, die sämtliche Behandlungsweisen und ihre damit für den Patienten verbundenen Gesundheitsrisiken abdeckt. Für den Fall, dass sich diese Forderung nicht umsetzen ließe, sollte zumindest eine entsprechende Aufklärungspflicht des Arztes als zusätzliche Berufspflicht etabliert werden. Danach wäre der Arzt dazu verpflichtet, für den Fall, dass für eine geplante ärztliche Maßnahme kein Versicherungsschutz von Seiten einer Haftpflichtversicherung besteht, den Patienten hierüber aufzuklären.

Diese zusätzliche, ausdrückliche Aufklärungspflicht könnte sogleich mit einer weiteren, ebenso ausdrücklichen Aufklärungspflicht kombiniert werden. Ärzte sollten im Zusammenhang mit kosmetischen Eingriffen auch mit Hilfe des Berufsrechts dazu verpflichtet werden, den Patienten auf die in § 52 Abs. 2 SGB V getroffene Regelung und ihre möglichen Auswirkungen für den Patienten hinzuweisen. Dies losgelöst davon, dass m. E. Ärzte unter haftungsrechtlichen Gesichtspunkten eine entsprechende – wirtschaftliche – Aufklärungspflicht trifft.

Vorliegend geht es um eine Verbesserung des Verbraucherschutzes. Das Berufsrecht dürfte eher dazu geeignet sein, für einen besseren Verbraucherschutz zu sorgen, als das Haftungsrecht, das vornehmlich die Regelung von Einzelfällen zum Ziel hat. Allerdings lässt sich eine Verbesserung des Verbraucherschutzes – auch – mit Hilfe des ärztlichen Berufsrechts nur dann erreichen, wenn die Ärztekammern ihrer Aufsichtspflicht intensiv und konsequent nachkommen. Soweit es hierzu an irgendeiner „Handhabe“ fehlen sollte, sind die Bundesländer und die Ärztekammern aufgefordert, sich diese Möglichkeiten mit zulässigen Mitteln zu verschaffen, in erster Linie natürlich durch entsprechende Abänderungen bzw. Ergänzungen der Berufsordnungen.

45 4

4. Das Abrechnungswesen

Auch im Zusammenhang mit der Abrechnung von ärztlichen Leistungen im Bereich der kosmetischen Chirurgie besteht m. E. aus Gründen des Verbraucherschutzes Regelungsbedarf. Während der einzelne Arzt dazu verpflichtet ist, seine Leistungen nach der GOÄ abzurechnen (BGH Urteil vom 23.03.2006, Az. III ZR 223/05), so gilt dies nicht für die juristische Person (z. B. GmbH). Spätestens aufgrund des BGH-Urteils aus März 2006 wird der Trend, juristische Personen zu gründen, um von diesen Leistungen erbringen und sodann pauschal (relativ hoch) abrechnen zu lassen, zunehmen. Ziel sollte es deshalb sein, dass sämtliche ärztlichen Leistungen aus dem Bereich der kosmetischen Chirurgie in die GOÄ aufgenommen werden und dass verbindlich geregelt wird, dass diese Leistungen ausnahmslos nach der GOÄ abzurechnen sind, unabhängig davon, von wem die Leistungen im Einzellfall erbracht wurden.

5. Parallele Ermittlungsverfahren der Ärztekammern und Staatsanwaltschaften

In zwei der drei von mir erwähnten Fälle waren im Laufe der Zeit Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Hamburg anhängig. Dies führte dazu, dass die Ärztekammer Hamburg daran gehindert war, während der Dauer des Ermittlungsverfahrens eigene Ermittlungen anzustellen. Für Hamburg gilt insoweit § 16 Abs. 3 des Gesetzes über die Berufsgerichtsbarkeit der Heilberufe. Danach darf ein Verfahren von der Ärztekammer solange weder eingeleitet noch durchgeführt werden, wie eine andere Behörde, in diesem Fall die Staatsanwaltschaft, ermittelt. Auch diese Regelung halte ich für änderungsbedürftig. Ermittlungsverfahren bei Staatsanwaltschaften ziehen sich nicht selten über mehrere Jahre hin. Es muss Ärztekammern, nicht zuletzt im Interesse der Patienten, möglich und erlaubt sein, auch parallel zu Staatsanwaltschaften eigene Ermittlungen gegen Ärzte einzuleiten und durchzuführen. Die Feststellung eines berufsrechtlichen Überhangs sollte nicht erst nach Abschluss eines Ermittlungsverfahrens getroffen werden, wenn es für – weitere – geschädigte Patienten zu spät ist.

Mit freundlichen Grüßen

RA Matthias Teichner

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P R E S S E M I T T E I L U N G

2008 - 04 - 23

Verbraucherschutz bei „Schönheitsoperationen“: „Orientierung und Sicherheit für Patienten möglich machen!“

Berlin – Darin sieht Prof. Dr. Günter Germann, Präsident der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen (DGPRÄC) den Kernpunkt, des heute im Rahmen der Verbände-Anhörung zu beratenden Antrages der Regierungsfraktionen „Missbräuche im Bereich der Schönheitsoperationen gezielt verhindern – Verbraucher umfassend schützen“.

Ein kaum zu durchschauender „Markt“ „Leider ist für Patienten, konfrontiert mit Instituten für ästhetische Medizin, Internetauftritten von selbst ernannten ,Schönheitschirurgen’ und dubiosen ,Fernsehärzten’ kaum zu durchschauen, wie qualifiziert der behandelnde Arzt ist“, konstatiert der Plastische Chirurg. Zwar sei die Ausbildung für ästhetische Eingriffe am ganzen Körper mit der sechsjährigen Weiterbildung zum Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie, für jene Eingriffe im Kopf- und Halsbereich mit der Zusatzweiterbildung Plastische Operationen für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen sowie HNO-Ärzten eindeutig geregelt, dies Patienten aber zu wenig bekannt, führt Prof. Germann aus. Nur so könne er sich auch die Ergebnisse der aktuell viel zitierten Umfrage der Stiftung Warentest erklären, die bei von 558 Patienten beantworteten Bögen ausmachte, dass jeder vierte unzufrieden sei. „Kein Wunder, nach der Qualifikation des Arztes wurde nicht gefragt“, stellt Germann fest und bedauert, dass die Diskussion häufig basierend auf wenig validen oder falsch dargestellten Daten geführt werde.

Eingriffe bei Teenagern – ein überschätztes Problem? In diesem Zusammenhang sei auch die aktuelle Diskussion um ästhetische Eingriffe bei Teenagern zu sehen, hier werde willkürlich mit bis zu 10.000 Eingriffen, (basierend auf einer Umfrage der DGPRÄC aus dem Jahr 2004) argumentiert und dabei offensichtlich bewusst verschwiegen, dass es sich hierbei fast ausschließlich um die Korrekturen von so genannten Fehlbildungen, zumeist der Ohren, handele. „Somit also um chirurgische Maßnahmen, denen ein starker psychischer Leidensdruck vorausgegangen ist. Wir würden uns gegen ein Verbot nicht sperren, weisen aber darauf hin, dass bei der schwierigen Abgrenzung von rein ästhetisch und medizinisch indiziert die Gefahr besteht, dass auch psychologisch indizierte Eingriffe dann durch das Raster fallen“, stellt er klar.

Lösungsansätze auf breiter Ebene gibt es! Ein wirksamer und aus Sicht der Plastischen und Ästhetischen Chirurgen zielführender Ansatz sei, so Germann, ein Modell analog zu dem Verfahren in Großbritannien. Hier muss der Arzt seine Haftpflichtversicherung gegenüber der Aufsichtsbehörde nachweisen, die Versicherung Schadensfälle an diese melden. Kontakt: „So ließe sich“, schließt Germann „zumindest steuern, dass jeder Fall kritisch begutachtet und entsprechende Konsequenzen gezogen werden. Von einer solchen Kerstin van Ark Bereinigung könnten Patienten unmittelbar profitieren!“ Pressesprecherin Luisenstr. 58-59 10117 Berlin

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