KVP), Der Kaderschmiede Der Nationalen Volksarmee (NVA)
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Hermann-Josef Rupieper Probleme bei der Schaffung der Kasernierten Volkspolizei (KVP), der Kaderschmiede der Nationalen Volksarmee (NVA) I. Nach den Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges und der Entmilitarisierungspolitik der Siegermächte gehörte die Schaffung von deutschen Streitkräften zu den schwierigsten und kontroversesten Themen der Nachkriegszeit. Sowohl in der Bundesrepublik als auch in der DDR führten die Entscheidungen der Westmächte bzw. der Sowjetunion, die jeweils von den beiden deutschen Regierungen mitgetragen, unterstützt und durch- gesetzt wurden, zu beträchtlichen innenpolitischen Spannungen und Kontroversen. Im Gegensatz zur Situation in der DDR konnten diese Auseinandersetzungen in der Bundesrepublik auf den verschiedenen politischen Ebenen und in der Presse öffentlich ausgetragen werden. Die politischen Diskussionen und Entscheidungen über einen westdeutschen Verteidigungsbeitrag im Rahmen der Europäischen Verteidigungsge- meinschaft (EVG) bzw. der NATO sind daher, auch wenn noch einige Desiderate vor- handen sind, weitgehend erforscht1. Aber auch in der DDR wurden die einzelnen Schritte bis zum Aufbau von Streitkräften offenbar ebenso intensiv und zumindest in- tern genauso kontrovers wie in der Bundesrepublik diskutiert. Teilweise war die Argu- mentation der Gegner der Wiederaufrüstung in Ost und West nahezu identisch. So heißt es in der offiziellen Geschichte des staatlichen Jugendverbandes der DDR, der FDJ: »Nicht wenige junge Menschen erklärten damals, sie würden nie wieder eine Waffe in die Hand nehmen. Eine intensive Überzeugungsarbeit und die Auseinander- setzung mit pazifistischen Auffassungen war nötig, um die Einsicht zu vermitteln, daß der Frieden auch mit der Waffe verteidigt werden muß, falls der Imperialismus mit mi- litärischer Gewalt die revolutionären Errungenschaften der Werktätigen zunichte ma- chen will.«2 Ähnlich äußerte sich Erich Honecker, damals Vorsitzender der FDJ, in seiner Autobiographie3. Unter anderen Vorzeichen und in anderer Begrifflichkeit könnte das Zitat aus der Geschichte der FDJ auch aus der Bundesrepublik der fünfzi- ger Jahre stammen. Im Gegensatz zur Entwicklung in der Bundesrepublik ist über die hier angesprochene vergleichbare Problematik bei der Schaffung ostdeutscher Streitkräfte relativ wenig bekannt, zumal die Militärgeschichtsschreibung in der DDR auf diese Frage bisher kaum eingegangen ist. Die Freigabe amerikanischer Akten der Jahre 1949 bis 1955 er- laubt es nun, unsere Kenntnisse über Vorgänge in der DDR wesentlich zu erweitern4. Auch wenn damit sicherlich noch keine abschließende Bewertung der Wiederaufrü- stungsproblematik vorgelegt werden kann, so gestatten die von den Amerikanern An- fang der fünfziger Jahre gesammelten Berichte und Beobachtungen immerhin einen Einblick in Vorgänge in der DDR. Im folgenden soll zunächst ein knapper Überblick über die politisch-militärischen Entscheidungen zur Schaffung der sogenannten Volkspolizei-Bereitschaften, der Kasernierten Volkspolizei (KVP), wie sie bald inoffi- ziell, offiziell aber erst ab 1. Juli 1952 bezeichnet wurde, gegeben werden. Anschlie- ßend werden die wichtigsten Probleme beim Aufbau der KVP an Hand des im Anhang abgedruckten Dokuments erläutert. II. Mit der Verschärfung der Ost-West-Konfrontation 1947 setzte eine Entwicklung in 175 MGM 1/87 Europa ein, die von der Sowjetunion einerseits als Bedrohung für die Aufrechterhai- tung des sowjetischen Einflusses auf deutsche und gesamteuropäische Entwicklungen interpretiert werden konnte; andererseits mußte, wenn diese Interpretation zutraf, von der sowjetischen Führung der Versuch unternommen werden, wenigstens im eigenen Einflußbereich klare Verhältnisse zu schaffen und die Konsolidierung der sowjeti- schen Macht herbeizuführen. Damit wurde eine Konfrontationspolitik eingeleitet, die im Ausbau der Machtposition der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) in der sowjetischen Besatzungszone, aber auch im Prager Staatsstreich 1948 ihren sinnfälligen Ausdruck fand. In diesem Kontext dürfte auch die überraschende Mittei- lung des Stellvertretenden Parteivorsitzenden der SED und Mitglieds des Zentralko- mitees der SED, Walter Ulbricht, an die Mitglieder des Zentralkomitees vom Herbst 1947 zu interpretieren sein, die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) bereite seit einigen Monaten die Schaffung einer Polizeitruppe vor. Die offi- zielle Lesart dieser Entscheidung lautete, die Deutsche Verwaltung des Innern solle »eine zentralistische, schlagkräftige Polizeitruppe schaffen, damit die SMAD nach und nach ihre Truppen verringern und schließlich ganz abziehen könne«5. Diese Begrün- dung erscheint allerdings wenig glaubwürdig, bedeutete sie doch, daß neben der be- reits vorhandenen »Deutschen Volkspolizei« eine — wie sich später herausstellte — pa- ramilitärische bzw. militärische Eingreiftruppe geschaffen wurde. Im Frühjahr 1948 ging die Detailplanung an deutsche Stellen in Ost-Berlin über. Am 3. Juni 1948 bildete die Deutsche Verwaltung des Innern auf Weisung von SMAD die Hauptabteilung Grenzpolizei und Bereitschaften (GP/B). Wiederum einige Wochen später, nach Be- ginn der sowjetischen Blockade West-Berlins, ordnete SMAD am 3. Juli 1948 die Auf- stellung bewaffneter Bereitschaftsverbände unter Kontrolle der Verwaltung des Innern an. Zum Chefinspektor dieser Truppe wurde Hermann Rentsch, ein ehemaliger Ober- leutnant der Wehrmacht und Mitglied des Nationalkomitees Freies Deutschland (NKFD), ernannt6. Das Personal der Bereitschaftsverbände kam vornehmlich aus der Deutschen Volkspolizei7. Gleichzeitig lief offenbar in den deutschen Kriegsgefange- nenlagiern in der Sowjetunion eine Aktion zur Gewinnung von Offizieren, Unteroffi- zieren und MannschaftsdienstgradenBei der Auswahl wurde neben der fachlichen Qualifikation vornehmlich auf die klare politisch-ideologische Ausrichtung im Sinne der SED geachtet9. In der sowjetischen Besatzungszone lief gleichzeitig für den ge- samten Polizeibereich eine Kampagne zur Unterordnung des Polizeiapparates unter die SED-Parteiherrschaft an. Unter diesem Gesichtspunkt erläuterte Walter Ulbricht auf der 1. Staatspolitischen Konferenz der SED in Werder/Havel vom 23. bis 24. Juli 1948 die Bedeutung der Polizei für die Sicherung des Systems und des gesellschaftli- chen Fortschritts: »Entsprechend der neuen politischen und militärpolitischen Lage in Deutschland forderte er [Ulbricht] unter anderem die Festigung der Polizeiorgane durch die konsequente Verwirklichung der führenden Rolle der SED in der Polizei, die Einsetzung von Polit-Kultur-Leuten und eine bessere Bewaffnung und Ausrü- stung.«10 Ende 1948 sollen die Volkspolizei-Bereitschaften rund 8000 Mann Personal besessen haben. In allen Einheiten waren »Sowjetniks«, sowjetische Offiziere als Mili- tärberater tätig11. Am 13. Oktober 1948 wurden der ersten Bereitschaft der Volkspoli- zei in Zwickau von Bergleuten der Steinkohlengrube »Karl Liebknecht« die Waffen übergeben u. Ein weiterer wichtiger Einschnitt in der Entwicklung erfolgte nach der Gründung der DDR und der Umwandlung von SMAD in die Sowjetische Kontrollkommission (SKK). Nachdem bereits am 14. April 1949 auf Befehl von SMAD die Kasernierten Bereitschaftsverbände aus der Hauptverwaltung Grenzpolizei und Bereitschaften aus- gegliedert und in der Hauptverwaltung für Schulung (HVS) zusammengefaßt worden waren, wurde im Mai die Säuberung der gesamten Volkspolizei von unzuverlässigen Elementen angeordnet. Gemäß Befehl 240/2 vom 30. Mai 1949 der SMAD mußten al- le Personen ausscheiden, die Verwandte ersten Grades in Westdeutschland hatten, lange in westlicher Gefangenschaft gewesen oder Ostvertriebene waren, politisch als unzuverlässig galten und vor 1945 der Polizei angehört hatten13. Inwieweit diese Säu- berungen tatsächlich durchgeführt wurden, ist unklar. Unter ideologischen Gesichts- punkten und zur Etablierung der SED-Kontrolle mag dies zwar notwendig, aber ange- sichts der Personalknappheit dürfte es äußerst problematisch gewesen sein. Die weite- ren Schritte auf dem Wege der Trennung der Volkspolizei-Bereitschaften von der nor- malen Polizei erfolgten durch die Einrichtung von Volkspolizeischulen, den Erlaß ei- ner Disziplinar- und Strafordnung, die weitgehend den einschlägigen Vorschriften der Großdeutschen Wehrmacht von vor 1945 entsprach, und der Ablösung des bisherigen Leiters, Hermann Rentsch, im September 1949 durch den Altkommunisten und ehe- maligen Stabschef der Internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg und bishe- rigen Innenminister von Sachsen, Wilhelm Zaisser, der nunmehr die Hauptverwaltung für Schulung im Ministerium des Innern leitete. Sein Stellvertreter wurde Heinz Hoff- mann, zuletzt Sekretär der SED-Bezirksleitung Groß-Berlin14. Nach Umbenennung der Zentralverwaltung für Inneres in Ministerium des Innern der DDR wurde die Hauptverwaltung für Schulung im Oktober 1949 in Hauptverwaltung für Ausbildung (HVA) umbenannt. Im Juni 1950 wurde außerdem eine Hauptverwaltung Seepolizei (HVS) geschaffen. Ende 1949 sollen die Bereitschaften aus 39 Einheiten (24 Infanterie, 7 Artillerie, 3 Pan- zer, 3 Nachrichten und 2 Pioniere) bestanden haben. Insgesamt waren es angeblich 40 000 bis 50 000 Mann. Es bleibt jedoch die Frage, ob diese Zahl bereits Ende 1949 er- reicht war oder erst im Laufe des Jahres 1950 angestrebt werden sollte. Das im Anhang abgedruckte Dokument weist auf Schwierigkeiten bei der Beschaffung von 40 000 Paar Schuhen hin. Da die Einrichtung der Bereitschaften im Juli 1948 beschlossen wur- de und eine organisatorische Anlaufzeit nötig war, kann vermutet werden,