Research Collection

Doctoral Thesis

Infrastruktur, Faschismus und Moderne Die Architektur Angiolo Mazzonis (1894-1979)

Author(s): Albrecht, Katrin

Publication Date: 2014

Permanent Link: https://doi.org/10.3929/ethz-a-010274531

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ETH Library Diss. ETH Nr. 22132

Infrastruktur, Faschismus und Moderne Die Architektur Angiolo Mazzonis (1894-1979)

Abhandlung zur Erlangung des Titels

Doktorin der Wissenschaften der ETH Zürich (Dr. sc. ETH Zürich)

vorgelegt von Katrin Albrecht dipl. arch. ETH Zürich geboren am 16. Januar 1976 von Dielsdorf ZH

angenommen auf Antrag von

Prof. Dr. Ing. Vittorio Magnago Lampugnani, ETH Zürich Prof. Dr. Harald Bodenschatz, TU Berlin Prof. Dr. Giuseppe Bonaccorso, Università di Roma „Tor Vergata“

2014

Dank

Vor dem Einstieg in vorliegende Dissertation gilt es zunächst allen meinen herzlichen Dank auszuspre- chen, die mich in den vergangenen Jahren während der Recherchen über die Architektur Angiolo Mazzonis und der Niederschrift der Arbeit begleitet und grosszügig unterstützt haben. Zuallererst danke ich meinem geschätzten Referenten Prof. Dr. Ing. Vittorio Magnago Lampugnani für sein Vertrauen in mein langjähriges Vorhaben, seine konstruktive, kompetente und anregende Kritik und die stete Bereitschaft, mir seine Unterstützung zu gewähren. Prof. Dr. Harald Bodenschatz und Prof. Dr. Giuseppe Bonaccorso danke ich herzlich für die freundliche Übernahme des Korreferats. Prof. Dr. Matthias Noell erleichterte mir mit seinem Rat und Beistand den Einstieg in mein Dissertations- projekt erheblich; ihm und Vittorio Magnago Lampugnani sowie der ETH Zürich danke ich für die Auf- nahme in das ETH-Graduiertenkolleg und die einjährige Förderung. Einen überaus grossen Dank schulde ich Dr. Eliana Perotti, die meine Arbeit in inhaltlicher, struktureller und sprachlicher Hinsicht mit ausserge- wöhnlichem Grossmut begleitet hat. Für die wertvolle finanzielle Unterstützung und Beiträge für Forschungsaufenthalte in Italien bin ich der Fondation pour des bourses d’études italo-suisse und dem Verein „Südkultur“ des Amtes für Kultur des Kantons St. Gallen sowie der ETH Zürich und der Erich Degen-Stiftung zu grossem Dank verpflichtet. Dass ich meiner Forschungsarbeit in Italien unter ausgezeichneten Bedingungen nachgehen konnte, habe ich vor allem dem Istituto Svizzero di Roma und seinem ehemaligen Direktor Prof. Dr. Christoph Ried- weg, sowie Jacqueline Wolf vom Spazio Culturale Svizzero di Venezia zu verdanken, deren Gastfreund- schaft und Einrichtungen ich während eines Jahres bzw. während eines Kurzaufenthalts in Anspruch neh- men durfte. Ein besonderer Dank gebührt den Verantwortlichen des Fondo Angiolo Mazzoni in Rovereto, allen voran Carlo Prosser, der als äusserst hilfsbereiter und sachverständiger Hüter der Archivschätze Mazzonis mei- ne Recherchen bereicherte. Für die Öffnung der unter ihrer Obhut stehenden Archive danke ich ebenfalls herzlich Lia Mascioli vom Archivio Storico delle Ferrovie dello Stato di Roma, Arch. Raffaello Paiella vom Ufficio Fabbricato ed Architettura der Eisenbahnverwaltung in Rom, Ing. Andrea Fratini vom Com- partimento di Roma, Radamès Pandini vom Ufficio Tecnico in Bozen sowie Prof.ssa Laura Marcucci und Fabrizio di Marco vom Fondo Gustavo Giovannoni (CSSAR) in Rom. Ausserordentliche Besichtigungen und Führungen durch Bahnhöfe und Postbauten Mazzonis habe ich den Verantwortlichen der italienischen Post und Eisenbahn zu verdanken, insbesondere den zuvorkommenden Bemühungen von Ing. Prospero Mariano, Ing. M. Ponzianelli, Arch. Raffaello Paiella und Mario Gabriele von der Eisenbahn, Sig. Rossi, Direktor Sferlazzo, Ing. Giangiuseppe Montalbano, Arch. Chiara Bucchieri, Arch. Alessandro Mazzola und Arch. Antonella Riccardi von der Post, sowie der privaten Initiative von Arch. Elisabetta Cappella und Arch. Massimo Fazzino. Für Gespräche, Anregungen, Hinweise und die Gelegenheit, meine Forschungsergebnisse in einem öf- fentlichen Rahmen zu diskutieren, danke ich herzlich Prof. Michael Mc Namara, Dr. Lutz Klinkhammer, Prof. Claudia Conforti, Prof. Giuseppe Bonaccorso, Prof. Daniela Mondini, Dr. Ralph Dobler, Dr. Britta Hentschel, Prof. Elisabeth Kieven, Prof. Carlo Severati und Prof. Peter Märkli, sowie den Freunden Marcel Bächtiger, Matthias Brunner, Ariane Varela Braga, Christine Beese, Marcel Just, Prisca Mattmann und den Mitarbeitern des Lehrstuhls für Geschichte des Städtebaus, besonders Cäcilia Mantegani. Meiner Familie sei gedankt für ihre Zuversicht. Franz Wanner, der mich auf all meinen Reisen begleitet hat, kann ich nicht genug danken.

Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung 9 II. Quellen, Literatur und Stand der Forschung 14

1 „Formazione e AMBIENTE“ – der zeitgeschichtliche Kontext 1.1 Biographische Notizen 1894-1924: Familie, Jugendjahre, berufliche Ausbildung und erste Lehrjahre 19 1.2 Theoretischer Kontext: Der architektonische Diskurs in Rom zu Beginn des Zwanzigsten Jahrhunderts 33 1.2.1 Die Associazione Artistica fra i Cultori di Architettura di Roma 33 1.2.1.1 Architektur und Städtebau als kulturelles Unterfangen 34 1.2.1.2 Interessenskonflikte und persönliche Beziehungen 40 1.2.2 Rückgriff und Erneuerung 49 1.2.2.1 Das Verhältnis zum baulichen Erbe: die Leitgedanken des restauro 49 1.2.2.2 Die Bedeutung der architettura minore und antiker Bauformen 54 1.2.3 Ingenieur, Künstler, architetto integrale: die Ausbildung der Architekten um 1915 69 1.3 Städtebauliche Grundlagen: ambiente als stadträumlicher und landschaftlicher Bezugsrahmen der Architektur 73 1.3.1 Gustavo Giovannonis Lehren über die Stadtbaukunst 73 1.3.1.1 Neue Tendenzen: Giovannonis Rezeption der europäischen Städtebautheorien 74 1.3.1.2 Diradamento: städtebauliches Konzept und konkrete Massnahmen 77 1.3.2 Der städtebau-theoretische Ansatz in den frühen Schriften Mazzonis 85 1.3.2.1 Die städtebaulichen Untersuchungen zu (1917-1922) 85 1.3.2.2 Die Gestaltung des Gefallenendenkmals und des Bebauungsplans von Bologna 88 1.3.3 „Sapienza prospettica e tradizione scenografica“ 105 1.3.3.1 Das Pittoreske: ästhetische Kategorie und Ordnungsprinzip 105 1.3.3.2 Die szenographische Sichtweise Mazzonis 108

2 „Istituzione e lavoro“ – der berufliche Kontext 2.1 Biographische Notizen 1924-1979: architetto-ingegnere im Dienst der italienischen Eisenbahn und die Nachkriegsjahre in Kolumbien und Rom 117 2.2 Verkehr und Kommunikation in Italien zu Beginn des 20. Jahrhunderts 135 2.2.1 Die Bedeutung der modernen Verkehrs- und Kommunikationsmittel 136 2.2.1.1 Von den Pionierleistungen zur Massentauglichkeit 136 2.2.1.2 Hoffnungen und Erwartungen 138 2.2.2 Eisenbahn, Post und Telegrafie zur Zeit des Faschismus 145 2.2.2.1 Konstitution und Kompetenzen des Ministero delle Comunicazioni 145 2.2.2.2 Leitung und Institutionen des Ministeriums 147 2.2.2.3 Bedingungen und Impulse 151 2.3 Mazzoni als leitender Architekt und Ingenieur im Ufficio 5° der Ferrovie dello Stato 161 2.3.1 Die Bauaufgaben des Ufficio 5° 161 2.3.1.1 Die Organisation der Ferrovie dello Stato und der Abteilung Lavori e Costruzioni 161 2.3.1.2 Bahnhöfe und Postbauten 164 2.3.1.3 Wohnungen für Eisenbahnangestellte und andere Bauaufträge 172 2.3.2 Die Vergabe von Aufträgen 189 2.3.2.1 Direktvergaben 189 2.3.2.2 Die Wettbewerbsverfahren des Ministero delle Comunicazioni 192 2.3.3 Die Arbeitsprozesse des Ufficio 5° 203 2.3.3.1 Mitarbeiter, Arbeitsverteilung und Projektablauf 203 2.3.3.2 Entwurfsmethoden und Interessensgemeinschaften 210 2.3.4 Das neue Postamt von Varese: ein beispielhafter Planungsprozess 221

3 Das architektonische Werk 3.1 Ort und Geschichte 233 3.1.1 Die Entwicklung einer Bautypologie: der genius loci des Postamtes von Ostia Lido 233 3.1.1.1 Der Ort und das Gebäude 233 3.1.1.2 Landschaftliche und topologische Beziehungen 237 3.1.1.3 Historische und typologische Beziehungen 238 3.1.2 Bauliche Keimzellen: die Postbauten und der Bahnhof in den Neustädten des Agro Pontino 249 3.1.2.1 Die Entstehung des Ortes 249 3.1.2.2 Das Postamt von Littoria 250 3.1.2.3 Der Bahnhof von Littoria 253 3.1.2.4 Das Postamt von Sabaudia 255 3.1.2.5 Das Postamt von Pontinia 257 3.1.2.6 Autonomie und Kontextualisierung der Projekte Mazzonis 258 3.2 Stadtraum, Landschaft und Territorium 271 3.2.1 Städtebau und Topographie: die Verankerung der Postbauten von Agrigent und La Spezia und die Bedeutung des öffentlichen Raums 271 3.2.1.1 Das Postamt von Agrigent 271 3.2.1.2 Das Postamt von La Spezia 273 3.2.1.3 Die Aufgaben der öffentlichen Bauten Mazzonis im Stadtraum 276 3.2.2 Landschaft: Bezüge zur weiträumigen und nahen Umgebung 287 3.2.2.1 Berge im Hintergrund: die Bahnhöfe von Bozen, Trient, Messina und Reggio Calabria 287 3.2.2.2 Der Entwurf eines modernen Stadttors: der Bahnhof Roma Termini 289 3.2.2.3 Landschaftliche Elemente innerhalb der Baugrenzen 292 3.2.3 Farbe und Material 303 3.2.3.1 Polychromie und Polymaterialität 303 3.2.3.2 Materialeigenschaften 306 3.2.3.3 Farbkonzepte 309 3.2.4 Licht: künstliche Beleuchtung als architektonisches und städtebauliches Gestaltungsmittel 319 3.2.4.1 Elektrisches Licht und Architektur um 1930 319 3.2.4.2 Beleuchtungskörper 321 3.2.4.3 Die städtebauliche Wirkung nächtlicher Beleuchtung 325 3.3 Modul und Typus 333 3.3.1 Das Haus als städtebauliches Modul: die serielle Bauweise der Wohnhäuser in Südtirol 333 3.3.1.1 Politische, wirtschaftliche und demographische Hintergründe Südtirols 334 3.3.1.2 Planung und Gestaltung der Eisenbahnerhäuser 336 3.3.1.3 Die fünf Haustypen 340 3.3.1.4 Die Häuser im Kontext des Eisenbahnbaus und der lokalen Bautraditionen 341 3.3.1.5 Normierung und Variation 344 3.3.2 Grundlagen einer neuen Bahnhofstypologie 353 3.3.2.1 Voraussetzungen und Referenzen 353 3.3.2.2 Grundrissdisposition 355 3.3.2.3 Komposition der Baukörper 357 3.3.2.4 Kohärenz der Ausstattung 359 3.3.2.5 Die neue Bahnhofstypologie am Beispiel des Bahnhofs von Montecatini 361 4 Schlussbetrachtungen 4.1 Zum architektonischen und städtebaulichen Werk Mazzonis 375 4.2 Zur Architektur Mazzonis in ihrem zeitgeschichtlichen und beruflichen Kontext 380

Anhang III. Werkverzeichnis 385 IV. Abbildungsverzeichnis und Abkürzungen 389 V. Bibliographie 393 VI. Zusammenfassung / Summary 428 VII. Curriculum vitae 430 8 I. Einleitung

Als der in Bologna und Rom aufgewachsene italienische Architekt und Ingenieur Angiolo Mazzoni (1894-1979) im Jahr 1921 in den Dienst der staatlichen Eisenbahnverwaltung eintrat, um als Ange- stellter des zentralen Baubüros die Planung und Ausführung öffentlicher Bauaufträge der Eisenbahn und Post zu übernehmen, befand sich Italien sowohl politisch wie auch wirtschaftlich in einer Zeit des Umbruchs und sah sich mit einem folgenreichen gesellschaftlichen, kulturellen und technischen Wandel konfrontiert: bezüglich seiner industriellen Entwicklung galt das Land als rückständig und war, wie das übrige Europa, durch die Ereignisse des Ersten Weltkriegs stark gezeichnet; die Zerstö- rungskraft der Kriegsjahre hatte erhebliche Schäden an Mensch und Material verursacht und einen abgewirtschafteten Staatshaushalt, eine innenpolitisch instabile Lage, soziale Spannungen, Armut und Desillusionen zurückgelassen, gleichzeitig setzten sich die im 19. Jahrhundert eingeleiteten Ent- wicklungsprozesse, die Rationalisierung der Produktionsverhältnisse, die Bevölkerungszunahme, das Wachstum der Städte, die Umstrukturierung der Gesellschaft und der technologische Fortschritt unaufhaltsam fort. Während die gesteigerte Mobilität, die Verbreitung elektrischer Energie sowie das Aufkommen neuer Maschinen und Werkstoffe die Grundlage zur Modernisierung der landwirtschaft- lichen und industriellen Produktion, der Infrastruktur, der Bauten und der Kommunikationsmittel bereiteten, kündigte sich an der Regierungsspitze ein Machtwechsel an, der Italien in die Diktatur des Faschismus überführen und in den folgenden zwei Jahrzehnten für das politische und gesellschaftliche Wertesystem bestimmend werden sollte. Ein gleichermassen grundlegender Umbruch, dessen Wurzeln zurück zu den Anfängen des 19. Jahr- hunderts reichen, fand in künstlerischer Hinsicht statt. Mit der Nationalstaatenbildung und den kolo- nialistischen Ambitionen hatte nicht nur die Suche nach der eigenen, nationalen Identität begonnen, sondern auch der Versuch, einen neuen, erkennbaren „Stil“ zu schaffen, kraft dessen das verloren ge- glaubte Primat in der Kunst, das die italienischen Städte während Jahrhunderten für sich in Anspruch genommen hatten, wiederzuerlangen war. Auf dem Gebiet der Architektur hatte die wissenschaftliche und enzyklopädische Ergründung der Umwelt und der Lebensbedingungen einen lebhaften, mit den internationalen Debatten verknüpften Fachdiskurs ausgelöst und zur Herausbildung neuer Disziplinen wie der Denkmalpflege und des Städtebaus geführt; sie widerspiegelten das veränderte Bewusstsein gegenüber dem historischen Erbe einerseits und der zukünftigen baulichen Entwicklung andererseits. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts sorgten die mitteleuropäischen Reformbewegungen und der davon beeinflusste Liberty-Stil für einen ersten, programmatischen Modernisierungsimpuls in der Baukunst, die aufgrund der Verwendung neuer Materialien wie Stahl und Beton und der dadurch gegebenen, neuartigen formalen und konstruktiven Möglichkeiten gleichzeitig tiefgreifende Veränderungen er- fuhr. Ein weiterer bedeutender Schritt folgte noch in der Vorkriegszeit mit der radikal auftretenden Bewegung des Futurismus, die in der Kunst genauso wie in allen anderen Lebensbereichen einen Pa- radigmenwechsel und kompromisslosen Aufbruch in die Moderne forderte. In den Jahren nach dem Krieg, als Mazzoni sein Studium abschloss und seine beruflicheTätigkeit aufnahm, präsentierte sich das Spektrum architektonischer Gesinnungen und Werke als vielfältiges, hauptsächlich von regionalen Traditionen geprägtes, aber auch an internationalen Ideen orientiertes, offenes, heterogenes Feld. Vor dem Hintergrund der jüngsten Ereignisse und der Erfahrungen des 19. Jahrhunderts, die ihm durch seine Lehrer, Lehrbücher und die gebaute Umgebung in Bologna und 10 Einleitung

Rom vermittelt worden waren, hatte der junge Architekt und Ingenieur sein Architekturverständnis ausgebildet; während der folgenden beiden, vornehmlich faschistisch regierten Jahrzehnte der Zwi- schenkriegszeit entwickelte er schliesslich in der Funktion eines Staatsangestellten seine Professiona- lität und stellte diese mit der Realisierung seines umfangreichen, komplexen und einzigartigen Werks unter Beweis. Die Simultanität markanter Gegensätze, wie sie in der Verknüpfung retrospektiver Tradition und vorwärtsstrebender Avantgarde gegeben war und im Anspruch des Faschismus, Italien als modernen, kompetitiven Staat unter Berufung auf seine einstige, römisch-antike Grösse neu zu etablieren, paradigmatisch offenbaren sollte, bildete in der Kunst eine ebenso unausweichliche Reali- tät, wie im alltäglichen Leben der Menschen, die damals das Aufkommen der ersten Elektrozüge, Au- tomobile, Flugzeuge, Glühbirnen, Schaufensterbeleuchtungen, Kühlschränke, Zentralheizungen, Ra- diosendungen und Kinovorführungen erlebten. Mazzoni und seine Architektengeneration insgesamt waren von diesem Spannungsverhältnis besonders betroffen; es kam in seinen persönlichen Interessen und Freundschaften, seiner Arbeitsweise, seinen Referenznahmen, seiner Architekturauffassung und der beruflichen Praxis immer wieder deutlich zum Ausdruck und äusserte sich in seinem Bestreben, weit auseinander liegende Pole und gegensätzliche Positionen, wie sie etwa die Lehren Gustavo Gio- vannonis und das Gedankengut Filippo Tommaso Marinettis, die historischen Bauten Filippo Bru- nelleschis und die städtebaulichen Visionen Antonio Sant’Elias, die Inanspruchnahme traditionellen Handwerks und industrieller Produktionsmethoden, die Verwendung mittelalterlicher Bossenquader und hochleistungsfähiger Leichtmetalllegierungen, die Bewahrung erinnerungswürdiger Baufragmen- te und der Entwurf erfindungsreicher Formzusammenhänge darstellten, nebeneinander bestehen zu lassen und in Einklang zu bringen.

Fragen und Ziele der Arbeit Mazzoni wird bis heute aufgrund seines ausgesprochen vielgestaltigen Werks nach wie vor als „archi- tetto eclettico“ bezeichnet1 – eklektisch insofern, als dass seine Bauten bald als futuristisch, rationalis- tisch oder metaphysisch, bald als traditionalistisch, neoklassizistisch oder faschistisch charakterisiert werden und sich offenbar einer klaren Einordnung in die stilorientierte Geschichtsschreibung zu ent- ziehen scheinen. Obwohl im Attribut „eklektisch“ noch immer dessen abwertend konnotierte Definiti- on, die „Übernahme fremden Gedankenguts oder fremder Stile ohne eigene schöpferische Leistung“,2 die bis zur Neubewertung des Begriffs im postmodernen Diskurs der 1980er Jahre gängig war, mit- schwingt, dient es im Fall Mazzonis vielmehr als Verlegenheitsbezeichnung und entstammt vor allem dem Mangel an präziseren Formulierungen, die der Heterogenität seines Werks, der Mehrdeutigkeit und teilweise Widersprüchlichkeit von dessen formalen Zusammenhängen Rechnung tragen könnten. Er selbst, der sich stets als moderner Architekt verstand, legte den Begriff in einem streng stilistischen Sinn aus und wehrte sich dezidiert dagegen, seine Bauten damit in Beziehung zu setzen.3 Bereits zur Zeit ihrer Entstehung wurden sie bisweilen so genannt, seine Vorgehensweise als unbeständig be- zeichnet und dem Architekten sowohl von Seiten der Verfechter der Moderne wie auch der Anhänger traditionalistischer Architekturrichtungen unterstellt, keine klare künstlerische Haltung einzunehmen. Konkret warfen ihm dies beispielsweise der Architekt Giuseppe Pagano wie auch der Kunstkritiker

1 Beispielsweise im Beitrag von Sergio Poretti in: Ciucci, Muratore 2004, S. 449, 461. 2 Definition gemäss Knaurs Fremdwörterlexikon, München, Droemersche Verlagsanstalt, 1992, S. 115. 3 Vgl. FAM, MAZ D/3, S. 11. Zum Diskurs der Postmoderne vgl. Welsch 1988, S. 122-128. Einleitung 11

Ugo Ojetti im Zusammenhang mit dem Projekt für den Bahnhof von Florenz vor, wobei deren subjek- tive, aus zwei vollkommen verschiedenen Blickwinkeln geübte Kritik direkt aus dem Zeitgeschehen heraus entstand und entsprechend vor dem Hintergrund der damaligen kulturpolitischen Dynamik und der schonungslos ausgetragenen Kontroversen zu beurteilen ist.4 In der Mitte der 1970er Jahre, als die Bauten Mazzonis erstmals nach dreissig Jahren wieder eine ausführlichere Rezeption erfuhren, wurde der Vorwurf erneut aufgegriffen, diesmal jedoch unter dem Eindruck der noch wenig differenzierten, emotional geprägten Bewertung der jüngsten Architekturgeschichte in der unmittelbaren Nachkriegs- zeit; Carlo Severati etwa, der sich als einer der Ersten in einer Reihe von Artikeln dem „manierismo mazzoniano“ widmete, setzte sich vornehmlich mit den modernen Aspekten des Werks auseinander und assoziierte sie mit zahlreichen Bauten namhafter, internationaler Architekten.5 In den herange- zogenen Vergleichen fand er offensichtlich ein Instrument, Mazzonis Architektur im Kontext der so genannt klassischen Moderne fassbar zu machen, tatsächlich aber sprach er ihm dadurch gewisserma- ssen das eigene architektonische Bewusstsein, die „eigene schöpferische Leistung“ und künstlerische Kompetenz ab, indem er die geistige Urheberschaft von dessen Werken auf andere Architekten über- trug. Ausserdem blendete Severati mit seiner zwar breiten, aber selektiven, auf formale Fragen fokus- sierten Projektauswahl von vornherein wesentliche Faktoren aus, die auf den Entstehungsprozess der Werke eingewirkt hatten. Wenngleich die Leistungen Mazzonis unterdessen längst gewürdigt und viele seiner Bauten akkurat erforscht sind, bereiten der Reichtum seiner Architektursprache, die Vielfalt der verwendeten Motive und möglichen Bezüge nach wie vor Schwierigkeiten bei ihrer Bewertung. Die Ursache liegt zum einen im Werk selbst begründet, das sich – genauso wie das Zeitgeschehen, in dessen Rahmen es geschaffen wurde – sowohl gesamthaft wie im Einzelnen äusserst facettenreich, vieldeutig und ambi- valent ausnimmt, dadurch aber auch inkohärent erscheinen mag. Nach der Untersuchung der Bauten und Dokumente drängt sich die Annahme jedoch auf, dass Mazzoni sein Werk aus einem hohen Grad an Reflexion heraus entwarf und sich dabei in erster Linie mit der Frage derArchitektur als künstle- rische Auseinandersetzung beschäftigte, innerhalb der stilistische, dekorative und materielle Fragen beantwortet, technische und funktionale Probleme gelöst und wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Bedürfnisse selbstverständlich befriedigt werden mussten. Diese Tatsachen begriff er nicht als Ziel, sie bildeten vielmehr die Grundlage seiner eigentlichen Aufgabe, nämlich der Suche nach der architektonischen Form. Hierfür verfolgte er eine ebenso bildlich-assoziative wie methodisch kont- rollierte Vorgehensweise, die sich dadurch auszeichnete, dass sie sich nicht nach formalen Vorgaben oder ästhetischen Leitbildern richtete, sondern vorab konzeptionell und typologisch begründet war. Dass Mazzonis Werk so vielgestaltig und ambivalent in Erscheinung tritt, ist primär auf seine ausge- prägt undogmatische Entwurfshaltung zurückzuführen, die sowohl seiner persönlichen Überzeugung entsprach wie auch durch seine berufliche Stellung begünstigt wurde. So, wie er keiner Form, keiner Farbe und keinem Material a priori das Potential absprach, in einem architektonischen Projekt eine sinnstiftende Funktion zu übernehmen, so waren für ihn, dies veranschaulichen seine vielen varianten- reichen und teilweise diametralen Entwürfe ebenfalls deutlich, bei jedem Auftrag grundsätzlich immer mehrere Lösungsansätze denkbar, solange die Regeln der Kunst befolgt wurden. Trotz dieser Offen-

4 Vgl. Pagano 1933 (3); Ojetti 1934. 5 Darunter etwa Josef Hoffmann, Adolf Loos, Le Corbusier, Frank Lloyd Wright, Erich Mendelsohn, Gebrüder Luckhardt, El Lissitzky, Willem Dudok, Piet Kramer, Michel de Klerk, J. J. P. Oud. Vgl. Severati 1975 (1)-(4). Carlo Severati war damals Assistent von Bruno Zevi, für dessen Zeitschrift L’architettura. Cronache e storia er die Artikel verfasste. 12 Einleitung heit im Entwurfsprozess wurden Mazzonis Bauten von eigenständig definierten Gestaltungsprinzipien getragen und waren letztlich von der städtebaulichen Anordnung bis zum konstruktiven Detail sehr präzis determiniert. Mit seiner undogmatischen Haltung und freien Handhabung architektonischer Themen und Motive gab er zu verstehen, dass Modernität für ihn keine Frage der Form, der Grösse oder des Stils war, sondern aus dem Bewusstsein hervorging, mit den immer gleichen elementaren Themen und Mitteln der Architektur unter den spezifischen Voraussetzungen seiner eigenen Gegen- wart neue Werte zu schaffen. Die dem Werk Mazzonis immanente, häufig als eklektisch interpretierte Ambivalenz gilt es in den folgenden Untersuchungen daher nicht aufzulösen, sondern ihr durch die Ergründung der leitenden Gestaltungsprinzipien angemessen Rechnung zu tragen. Zum anderen spielt eine Rolle, dass die untersuchten Bauten und Werkgruppen bislang vorwiegend unter räumlich, zeitlich oder inhaltlich eingeschränkten Gesichtspunkten behandelt wurden und da- durch einzelne formale Erscheinungen aus ihrem grösseren Zusammenhang herausgelöst und wichtige Beziehungen marginalisiert oder unberücksichtigt geblieben sind. Allerdings zeigt sich, dass – wie bei vielen anderen Werken aus jener Zeit – gerade der Kontext für die Architektur Mazzonis und deren Tragweite von zentraler Bedeutung ist, ohne dessen Einbezug weder das Gesamtwerk noch Werk- teile ausreichend überschau- und erklärbar werden. Der relevante Kontext, der auf die formalen und funktionalen Entwurfsentscheidungen Mazzonis einwirkte, ist sehr breit und beinhaltet die äusseren, für alle Architekten gleichermassen bindenden Bedingungen – etwa die zeitbezogenen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Verhältnisse, sozialen Strukturen, materiellen und wissenschaftlichen Grundlagen, technischen Möglichkeiten, verfügbaren Mittel und bedürfnisorientierten Anforderungen an die Bauwerke – ebenso wie die für Mazzoni spezifische arbeitsbedingte Situation, die sich aus sei- nem Anstellungsverhältnis bei der Eisenbahnverwaltung ergab, sowie seine persönlichen Interessen, Erfahrungen und Bekanntschaften, die seine künstlerische Gesinnung beeinflussten. Bei der Deutung seines Werks ist den Lehrjahren Mazzonis vor dem zeitgeschichtlichen Hintergrund, insbesondere den damaligen theoretischen Auseinandersetzungen über Architektur, Städtebau und Denkmalpflege, den realen baulichen und künstlerische Ereignissen sowie der Ausbildungs- und Berufspraxis der Archi- tekten und Ingenieure, bis anhin nur ungenügend Aufmerksamkeit zugekommen. Desgleichen gilt für die beruflichen Voraussetzungen, die seine Tätigkeit massgebend bestimmten; so ist von der Organi- sation des Ministero delle Comunicazioni und der Eisenbahnverwaltung, den Planungsprozessen und Arbeitsverhältnissen innerhalb der Bauabteilung, der Auftragslage und -vergabe, der Stellung Mazzo- nis in seinem Arbeitsumfeld, den ihm überantworteten Kompetenzen, der Zusammenarbeit mit Vor- gesetzten, Mitarbeitern und externen Behörden sowie der Bedeutung der Bauaufgaben selbst noch nie ein umfassendes, ganzheitliches Bild gezeichnet worden. Eines der Ziele dieser Arbeit wird folglich sein, diese Bedingungen und Einflüsse eingehend in ihrer Spezifik zu untersuchen und im Zusammen- hang mit dem gebauten Werk zu konkretisieren. Hinsichtlich der architektonischen Projekte und der daraus ersichtlichen künstlerischen Gesinnung kommt schliesslich hinzu, dass Mazzonis Arbeitsweise eine starke Kontextbezogenheit erkennen lässt. Die Betrachtung des Gesamtwerks verdeutlicht, dass er den Beziehungen zur Geschichte und Gestalt des Ortes, der Topographie, der städtebaulichen Ordnung, der Landschaft, der nahen und fernen Um- gebung, den materiellen, farblichen und konstruktiven Zusammenhängen sowie den bautypologischen Referenzen stets einen hohen Stellenwert einräumte, indem er sie als konstitutive und gleichwertige Gestaltungselemente in seine Entwürfe einbezog. Dieser für das Verständnis der Architektur zentrale Einleitung 13

Aspekt ist in den bisher publizierten Untersuchungen kaum jemals projektübergreifend diskutiert wor- den; er trägt allerdings entscheidend zur bis heute anhaltenden Aktualität des Werkes Mazzonis bei, das nicht nur als formales Phänomen Bestand hat, sondern durch seine Einbindung in einen raum- und zeitübergreifenden Kontext emblematisch bleibt. Die Befragung der Architektur Mazzonis unter Berücksichtigung der zeitspezifischen, arbeits- und auftragsbedingten Zusammenhänge soll daher zu neuen Antworten führen und eine differenzierte Sicht auf das vielschichtige und aussergewöhnliche Werk ermöglichen, das sich der Kontinuität bau- künstlerischer Traditionen ebenso verpflichtete, wie der Erneuerung der Baukunst aus dem Geist ihrer gegenwärtigen Zeit. Im Vordergrund stehen die Fragen, aus welchem Bewusstsein heraus und unter welchen Voraussetzungen der Architekt seine formalen Entscheidungen traf, auf welchen materiellen und geistigen Grundlagen er seine Projekte aufbaute und welche übergeordneten Gestaltungsmittel und -prinzipien er seinem heterogenen Werk zugrunde legte. Obwohl der Fokus auf dem individuel- len Schaffen Mazzonis liegt, handelt die Arbeit zugleich von der Tätigkeit und Geisteshaltung einer ganzen Architektengeneration, die er trotz seiner einzigartigen beruflichen Stellung exemplarisch re- präsentierte. Ebenso beispielhaft geben die Untersuchungen Einblick in die Aufgaben und die Funkti- onsweise eines typischen Staatsapparates aus der Zeit des Faschismus, von dessen Wirken ein dichtes Netz technischer Installationen und ein weites Spektrum verschiedener Bautypologien bis heute sicht- bar Zeugnis ablegen.

Gliederung und Vorgehensweise Entgegen dem Anspruch, dem Wirken Mazzonis und dem Kontext des Werks ohne vorab festgeleg- te regionale, thematische oder bauaufgabenspezifische Eingrenzungen so vollständig wie möglich gerecht zu werden, muss vorliegende Arbeit mit einer wesentlichen Einschränkung auskommen. So konzentrieren sich die Untersuchungen ausschliesslich auf die Ausbildungs- und Schaffenszeit des Architekten in Italien, wobei Letztere mit dem politischen System des Faschismus und der Institution des Ministero delle Comunicazioni koinzidiert. Die noch kaum erforschte, fünfzehnjährige Tätigkeit Mazzonis in Kolumbien, die sehr umfangreich war, aber fast kein realisiertes Werk hinterlassen hat, würde ein neues Kapitel aufschlagen und wird im Folgenden nicht behandelt. Die Arbeit ist in drei Hauptteile gegliedert. Während die ersten beiden die biographischen, kultur- historischen, theoretischen und professionellen Grundlagen der architektonischen und städtebauli- chen Tätigkeit Mazzonis rekonstruieren und auswerten, analysiert der dritte Teil, als eine Art kriti- schen Inventars, zahlreiche Fallbeispiele aus seinem Werk und ermöglicht durch die systematische Ausrichtung der Abhandlung eine synthetische Schlussfolgerung. Der erste Teil widmet sich dem zeitspezifischen und geistigen Bezugsrahmen, in dem Mazzoni sein baukünstlerischesV erständnis erarbeitete; dies betrifft vor allem sein persönliches Umfeld sowie seine Orientierung während der Ausbildungsjahre in Rom und Bologna. Der zweite Teil befasst sich mit seiner Erfahrung der berufli- chen Wirklichkeit und ihren Bedingungen, insbesondere der Auftragsarbeit und den Arbeitsprozessen im Baubüro der Eisenbahnverwaltung. Im dritten Teil werden die planerische Grundhaltung und Vor- gehensweise des Architekten anhand von Werkbeispielen ergründet und auf ihren Bezug zu Ort, Ge- schichte, Stadtraum, Topographie, Landschaft, Farbe, Material, Licht und Typologie hin untersucht. Die für die Werkanalyse ausgewählten Bauten verkörpern gleichsam Archetypen der Formensprache Mazzonis und dienen aufgrund ihrer Merkmale der Ergründung des spezifischen Themas, unter dem 14 Einleitung sie angeführt werden. Dies bedeutet allerdings nicht, dass sie nicht unter einem (wenn nicht sogar al- len) der anderen Themen ebenfalls behandelt werden könnten. Die Assoziation der Projekte mit einem bestimmten Thema ist folglich nicht zwingend, sondern vielmehr exemplarisch; um diesem Dilemma entgegenzuwirken, werden die Werkbeispiele durch Querverweise thematisch erweitert und miteinan- der verknüpft. Die folgenden, in zwei Teile gegliederten Schlussbetrachtungen führen die Arbeit mit grundsätzlichen, projektübergreifenden und zusammenfassenden Anmerkungen über das architekto- nische und städtebauliche Werk Mazzonis und über das Werk und den Architekten im zeitgeschichtli- chen und beruflichen Kontext zu Ende. Die Ausführungen in den ersten zwei Teilen beruhen hauptsächlich auf der Auswertung von Doku- menten aus dem reichen Bestand des persönlichen Nachlasses Mazzonis, den Archiven der italie- nischen Eisenbahnverwaltung, den persönlichen Archivbeständen Gustavo Giovannonis, Marcello Piacentinis und Alfredo Fortis, sowie den publizierten Schriften Mazzonis, weiteren Quellentexten und zeitgenössischen Zeitschriftenartikeln. Die anschliessende, werkimmanente Analyse gründet in erster Linie auf den tatsächlich realisierten, heute zumindest noch teilweise erhaltenen und aus eigener Anschauung bekannten Bauten, sowie auf zeitgenössischen Projektbeschrieben, Planunterlagen und bereits veröffentlichten Forschungsergebnissen.

II. Quellen, Literatur und Stand der Forschung

Die Literatur über Angiolo Mazzoni und sein Werk lässt sich in das Quellenmaterial, das zur Zeit sei- ner architektonischen Tätigkeit in Italien während seiner Ausbildung und seines Dienstes bei den Fer- rovie dello Stato entstand, und in die Schriften, die ab 1945 in der Rückschau verfasst worden sind, unterteilen. Bis heute sind der Architekt und sein Werk ausserhalb Italiens nur von wenigen Autoren aus dem englisch- und deutschsprachigen Raum eingehender besprochen worden,6 doch auch in Ita- lien blieb Mazzoni nach dem Zweiten Weltkrieg lange Zeit ein Unbekannter, mit dem sich bis in die 90er Jahre lediglich ein kleiner Kreis Interessierter beschäftigte. Obwohl die Rezeption seit der Nach- kriegszeit auf den ersten Blick verhältnismässig umfangreich erscheint, wird bei näherer Betrachtung deutlich, dass ein Grossteil davon selektiv ausfällt: zum einen, weil die Studien in der Regel auf ein- zelne Projekte und Ereignisse beschränkt sind und die Aufmerksamkeit dabei häufig denselben Unter- suchungsgegenständen und Themen gilt, zum andern, weil sich die Ausführungen oft damit begnügen, eine stilistische Einordnung des Werks anzustreben oder einzelne Aspekte einseitig zu diskutieren.

Zum Quellenmaterial Seit seiner Studienzeit in Rom und Bologna beteiligte sich Mazzoni mit eigenen Beiträgen an den öffentlichen Debatten über Architektur und Städtebau. In den Jahren 1922 und 1923 verfasste er meh- rere Artikel für die Zeitungen und Zeitschriften Il Resto del Carlino, L’Avvenire d’Italia und Architet- tura e Arti Decorative und gab 1922 seine Projektstudie über den Städtebau Bolognas als eigenständi- ge Publikation heraus. Nachdem er sich 1933 zur futuristischen Bewegung bekannt hatte, äusserte er

6 Seit den 80er Jahren haben sich in den USA Richard A. Etlin und Michael McNamara eingehend mit Mazzoni befasst, wichtige Beiträge ausserhalb Italiens lieferten ausserdem Vittorio Magnago Lampugnani, Barbara Weiss, Edith Neude- cker, Daniela Spiegel. Vgl. Magnago Lampugnani 1983; Weiss 1988; Etlin 1991; Etlin 1982; McNamara 1997; Neude- cker 2004; Spiegel 2010. Einleitung 15 sich wiederum während zweier Jahre ausgiebig über die aktuellen architektonischen Ereignisse in der futuristischen Zeitschrift Futurismo (auch unter dem Titel Sant’Elia und Artecrazia erschienen), als deren Mitherausgeber er 1934 zusammen mit Mino Somenzi auftrat. Die realisierten Bauten Mazzo- nis wurden vor allem in Architettura e Arti Decorative (ab 1932 Architettura) und Futurismo umfang- reich abgebildet und besprochen, sie stiessen aber ebenso in anderen wichtigen italienischen Fach- zeitschriften, etwa Casabella, Domus, Emporium, Rassegna di Architettura, L’Architettura Italiana, Pan, Lo Stile, Opere Pubbliche, L’Ingegnere, Il Marmo, in den betriebsinternen Publikationen der Eisenbahn- und Postverwaltung, der lokalen und nationalen Tagespresse sowie internationalen Zeit- schriften, etwa L’architecture d’aujourd’hui, Baumeister, Deutsche Bauzeitung, auf grosse Resonanz und Anerkennung. Zudem wurden in den Tageszeitungen vor Baubeginn gelegentlich die geplanten Projekte vorgestellt und Polemiken, wie sie etwa im Zusammenhang mit den Wettbewerbsprojekten für die Bahnhöfe von Florenz, Venedig und Rom aufkamen, ausgetragen.7 Zusätzlich zu diesem schriftlichen Quellenmaterial – und den Bauten selbst – entstand im Lauf der Jahre eine grosse Menge Arbeitsunterlagen in Form von Skizzen, Präsentationszeichnungen, Pers- pektiven, Ausführungsplänen, Modellen, Fotografien, Berichten und Korrespondenz, die teilweise im Nachlass Mazzonis in Rovereto (Fondo Angiolo Mazzoni, Archivio del ’900, MART), sowie dem zentralen Archiv der Bauabteilung in Rom (Archivio Storico delle Ferrovie dello Stato di Roma, Servizio Lavori e Costruzioni) und den lokalen Archiven der Eisenbahnverwaltung in ganz Italien aufbewahrt werden. Viele Dokumente sind jedoch auch verloren gegangen, darunter fast alle Modelle, die während des Kriegs von ihrem Lagerraum in Rom in einen Eisenbahnschuppen an der Strecke Rom-Cassino verlegt worden waren, wo sie den Bombardements zum Opfer fielen; ausserdem sollten damals, als der Umzug der staatlichen Administrationen von Rom nach Verona bevorstand, auf Ge- heiss der Vorgesetzten wahrscheinlich aus strategischen und logistischen Gründen systematisch Pläne und archivierte Unterlagen vernichtet werden, was laut Mazzoni aber nur teilweise befolgt wurde. Mit viel Glück gelang es ihm überdies, einen Teil des wertvollen Fotobestandes über seine fertiggestellten Bauten, den die Firma Anderson im Auftrag der Eisenbahnverwaltung angefertigt hatte, nach dem Krieg in seinen persönlichen Nachlass hinüberzuretten.8

Zur Rezeption nach dem Zweiten Weltkrieg Mit dem Krieg und den politischen Veränderungen nach 1943 versiegten die Berichte über Mazzoni nahezu vollständig. Als die Fertigstellung des Bahnhofs Roma Termini in der Nachkriegszeit unter neuen Voraussetzungen wieder aufgenommen und ein Wettbewerb für dessen Ankunftshalle ausge- schrieben wurde, geriet Mazzoni als Autor des ursprünglichen Bauprojekts noch einmal für kurze Zeit in den Fokus der Aufmerksamkeit, allerdings war er aufgrund seiner Rolle, die er während des Fa- schismus gespielt hatte, als Architekt kompromittiert und blieb von den Geschehnissen ausgeschlos- sen. Mit seiner Emigration nach Kolumbien im Jahr 1948 entzog er sich allen weiteren Auseinander- setzungen. Der römische Bahnhof blieb fortan das einzige Thema, das in Italien zuweilen noch an ihn erinnerte, nach dessen Fertigstellung im Jahr 1950 verstummten auch diese Berichte. Als Mazzoni

7 Für eine umfassende Bibliographie über die Schriften Mazzonis und die bis 2002 über ihn erschienenen Schriften vgl. Cozzi, Godoli, Pettenella 2003, S. 389-407. 8 Vgl. Pettenella 2003; FAM, MAZ B/18, fasc. 1, o. S. Mazzoni notierte, dass die Eisenbahnverwaltung kein Interesse an der Übernahme der Fotos gezeigt habe, als Anderson Ende der 50er Jahre das Archiv auflösen musste; der Bildhauer Fran- cesco Nagni habe die Aufnahmen daraufhin bis zu Mazzonis Rückkehr aus Kolumbien bei sich aufbewahrt. 16 Einleitung

1963 mit seiner Frau Maria nach Rom zurückkehrte, war er weitgehend in Vergessenheit geraten; ab- gesehen von wenigen Kontakten zu einzelnen Persönlichkeiten, darunter Bruno Zevi, Carlo Severati, Alfredo Forti und Enrico Crispolti,9 hielt er sich von der Öffentlichkeit fern und widmete sich der Ordnung seines Nachlasses. Die Rezeption der zur Zeit des Faschismus entstandenen Architektur war in der unmittelbaren Nach- kriegszeit bis in die frühen 70er Jahre von einer moralisierenden, noch distanzlosen Wertung der jüngsten Geschichte geprägt. Viele ihrer Protagonisten waren weiterhin werktätig, teilweise unterrich- teten sie als angesehene Professoren an den Architekturfakultäten Italiens. Einen erheblichen Einfluss auf die Wahrnehmung der Ereignisse hatten Bruno Zevi und sein 1950 veröffentlichtes Buch Storia dell’architettura moderna, in dem die Geschichte der modernen Architektur als eine den faschisti- schen Ideologien fremde Entwicklung interpretiert und damit die verhängnisvolle Vorstellung einer politisch unbelasteten, antifaschistischen Moderne festgeschrieben wurde. Mazzoni, der als Staats- angestellter mit dem Regime besonders eng verbunden gewesen war, fand in Zevis Abhandlung nur indirekt im Zusammenhang mit dem Bahnhof Roma Termini und dessen „bolsa retorica del fascismo nei fianchi mascherati da falsi archi marmorei“10 Erwähnung. Ende der 50er Jahre nahm Mazzoni von Kolumbien aus mit Zevi Kontakt auf, um sich zu rechtfertigen, daraus entspann sich eine bis in die frühen 70er Jahre anhaltende, intensive Korrespondenz, jedoch ohne dass sich die beiden jemals per- sönlich begegnet wären. Wie sich zeigen sollte, galt Zevis Interesse an Mazzoni nicht dessen Werk, das er besonders wegen des Monumentalentwurfs für den Bahnhof Termini korrumpiert sah, sondern betraf letztlich vor allem die Beziehungen des Architekten zur futuristischen Bewegung, die gegen Ende der 60er Jahre durch Enrico Crispolti eine gründliche Aufarbeitung erfuhr.11 Bezeichnend für die von Zevi angeregte Denkweise, die von Schriften wie jenen Giulia Veronesis und Leonardo Be- nevolos bestätigt wurde,12 war auch das 1968 erschienene Buch Architettura in Toscana. 1931-1968 von Giovanni Klaus Koenig, der Mazzoni zwar erstmals wieder erwähnte, ihn aber zunächst nur als Verlierer im Kampf um den Entwurf des Bahnhofs von Florenz darstellte und keines seiner Werke besprach, obwohl Mazzoni in der Toskana mehrere beispielgebende Bauten errichtet hatte.13 Für die ablehnende Rezeption seines Werks war auch die Eisenbahnverwaltung massgebend mitverantwort- lich, zumal sie Mazzoni nach dem Krieg wie ein heisses Eisen fallen gelassen hatte und im Anschluss entweder negativ über seine Projekte berichtete oder seine Autorenschaft nicht mehr erwähnte.14 Nach 1970 setzten allmählich eine differenziertere Betrachtung der historischen Ereignisse und eine Neubewertung der Architektur und der Rolle der Architekten während des Faschismus ein, womit auch Mazzoni zögernd Eingang in die Geschichtsschreibung fand. Einen wichtigen Beitrag leistete Luciano Patetta 1972 mit seiner Publikation L’architettura in Italia 1919-1943. Le polemiche, einer Dokumentensammlung, die anhand von Originalschriften – darunter auch zwei Texte Mazzonis – die Architekturdebatten der Zwischenkriegszeit und die Beteiligung aller Gruppierungen am Aufbau des

9 Vgl. FAM, MAZ D/15, D/16; FFM, B. IV, 33, 34; Anselmi 2003. 10 (Zevi, B. 1950, S. 265.) In der dritten Ausgabe von 1955 wurde Mazzoni dann auch namentlich erwähnt und als Opportu- nist abgestempelt. 11 Vgl. Crispolti 1969. 12 Vgl. Veronesi 1953; Benevolo 1964. 13 Koenig setzte sich in den nachfolgenden Jahren allerdings weiter mit der Architektur Mazzonis auseinander und revidierte seine anfängliche, einseitige Einschätzung. Vgl. Angiolo Mazzoni 1984, S. 15-24. 14 Vgl. Ferrovie Italiane dello Stato 1948; Roma Termini 1951; Ferrovie Italiane dello Stato 1952; Lena 1954 (1); Ferrovie Italiane dello Stato 1955; Lena 1961. Einleitung 17 faschistischen Staates nachzeichnete.15 Die etwa gleichzeitig einsetzende Aufarbeitung des Futurismus brachte Mazzoni zunächst dank Crispolti, später auch eingehender dank Ezio Godoli und seinem 1983 erschienenen Buch Il futurismo. Guide all’architettura moderna in direkte Verbindung mit dieser Be- wegung. Nach mehreren Begegnungen und Briefwechseln mit Mazzoni schrieb Carlo Severati in den Jahren 1973 und 1975 im Auftrag Zevis für dessen Zeitschrift L’architettura, cronache e storia sieben grundlegende Artikel, die sich mit den Projekten für die Bahnhöfe von Rom, Florenz und Venedig und der architektonischen Haltung Mazzonis auseinandersetzten. 1978, ein Jahr vor dessen Tod, ver- öffentlichte Alfredo Forti die erste monographische Publikation, die den Architekten und sein Werk ausführlich würdigte und erstmals in das komplexe politisch-kulturelle Gefüge einordnete. In Forti, der Mazzoni anfangs 1973 persönlich kennengelernt und 1974 in Casabella bereits einen Artikel über das Stellwerk von Florenz geschrieben hatte, hoffte Mazzoni eine Bezugsperson zu finden, mit deren Hilfe er sein Werk und sich selbst in der Öffentlichkeit rehabilitieren konnte. Nachdem Riccardo Mariani 1976 in seinem Buch Fascismo e „città nuove“ die Entstehungsgeschich- te der Neustädte des Agro Pontino detailliert rekonstruiert hatte, wurden 1980 in Latina die vier in dieser Region projektierten Bauten Mazzonis ausgestellt und im Kontext des Futurismus diskutiert.16 1984 fand dann in Bologna unter anderem auf Initiative von Forti, Koenig und Severati und mit der Unterstützung der Stadt, des Transport- und des Postministeriums sowie des Museo Depero17 eine Ausstellung über das gesamte Schaffen Mazzonis statt. Sie wurde vom Katalog Angiolo Mazzoni (1894-1979). Architetto nell’Italia tra le due guerre begleitet, der erstmals eine komplette, chrono- logische Werkübersicht enthielt und mit Aufsätzen verschiedener Autoren das Leben und Werk des Architekten beleuchtete. In den folgenden beiden Jahrzehnten entstanden zahlreiche weitere Aufsätze, Diplomarbeiten und Publikationen über einzelne Bauwerke, Bauaufgaben und Werkgruppen, insbe- sondere über die Bahnhöfe von Trient, Montecatini, Florenz, Siena, Rom, Littoria, Messina, die Post- bauten von Sabaudia, Littoria, La Spezia, Grosseto, Palermo, die Ferienkolonie von Calambrone.18 2003 wurden unter dem Titel Angiolo Mazzoni. Architetto Ingegnere del Ministero delle Comuni- cazioni die Akten der zwei Jahre zuvor in Florenz veranstalteten Konferenz veröffentlicht. Die mo- nographische Publikation fasste ergänzend zu den bisher bekannten Studienschwerpunkten neuste Forschungsergebnisse über einzelne, noch wenig untersuchte Projekte und Themen zusammen und fügte ihnen reiches Fotomaterial aus dem Archivbestand des MART hinzu. Im folgenden Jahr gaben Godoli und Antonietta Iolanda Lima den Band Architettura ferroviaria in Italia. Novecento heraus, in dem wiederum anhand zahlreicher Aufsätze verschiedener Autoren die Projekte der Eisenbahnverwal- tung im 20. Jahrhundert und erstmals auch knapp die organisatorischen Strukturen des Ministero delle Comunicazioni und des Baubüros erörtert wurden. Im selben Jahr reichte Edith Neudecker ihre Dis- sertation Der italienische Postbau während des Faschismus (1922-1944) ein, die Mazzoni im Kontext

15 Vgl. Mazzoni 1933 (1); Marinetti, Mazzoni, Somenzi 1934. 1973 und 1976 publizierte Michele Cennamo eine weitere umfassende Materialsammlung, die auf die rationalistische Bewegung fokussierte, vgl. Cennamo 1973; Cennamo 1976. 16 Vgl. Angiolo Mazzoni 1980. 17 Mazzoni hatte seinen Nachlass in der zweiten Hälfte der 70er Jahre dem Museo Fortunato Depero di Rovereto, dessen Bestand 1987 in das Museo d’Arte moderna e contemporanea di Trento e Rovereto (MART) integriert wurde, übergeben. 18 Vgl. z. B. Cefaly 1984, S. 85-121; Ciucci 1985; Columba 1985; Anderle 1987; Rusconi 1988; Amato, Conti Nibali 1989; Altarelli, Cao, Chiarini 1990, 58-131; Petti 1990; Futuristi alla Spezia 1991, S. 82-96; Cozzi 1994; Pettenella 1994; Faz- zino 1995; Collenza 1996; Gay 1996; Palazzi storici delle poste italiane 1996; Cappellani 1998; Vittori, Muratore 2000; Giusti 2001, S. 236-271; Moretti 2001; Donati 2002. 18 Einleitung der Postadministration diskutierte und ein umfassendes Verzeichnis der Postgebäude und -architekten auswies. Seitdem hat das anhaltende Interesse an Mazzonis Architektur weitere sorgfältig recherchierte Studien hervorgebracht, so etwa über die Bahnhöfe von Florenz, Siena, Littoria und Messina, über die Post von Nuoro und, in dem kürzlich herausgegebenen Ausstellungskatalog Angiolo Mazzoni in Toscana, über sämtliche in der Toskana projektierten Bauten.19 Diese Aufmerksamkeit widerspiegelt das ins- gesamt veränderte Bewusstsein gegenüber der Architektur der Zwischenkriegszeit, die im Lauf der Jahrzehnte (besonders in den 80er und 90er Jahren) einem erheblichen funktionalen und strukturellen Wandel und teilweise einschneidenden Umbaumassnahmen ausgesetzt war; seit den 90er Jahren stellt sich indes vermehrt die Frage nach ihrer Schutzwürdigkeit und einer angemessenen Sanierung. Bis auf wenige Ausnahmen20 sind mittlerweile die meisten realisierten Projekte Mazzonis in Italien zumindest partiell, teils aber auch sehr gründlich erforscht worden. Die Studien, die fast ausschliess- lich in Italien und auf Italienisch verfasst worden sind, lassen jedoch erkennen, dass die Bauten für sich genommen weder die Komplexität des Gesamtwerks noch jene der Persönlichkeit Mazzonis aus- reichend zu erklären vermögen. Ebenso hat sich gezeigt, dass den aus verschiedenen Autorentexten bestehenden Sammelwerken eine projektübergreifende Analyse, die sowohl dem Gesamtwerk wie auch dem Werdegang Mazzonis gerecht wird, fehlt.

19 Vgl. Ciucci, Muratore 2004, S. 234-259; Cozzi, Nuti 2004; Niglio 2006; Brandino 2007; Verderame 2007; Angiolo Maz- zoni 2008; Cuboni, Vanni Menichi 2010; Quattrocchi 2010, S. 368-379; Spiegel 2010; Giacomelli, Godoli, Pelosi 2013. 20 Darunter etwa das Postamt von Varese, die Wohnbauten in Südtirol, Bologna und Rom, der Dopolavoro ferroviario in Rom, die Bauten für die Erdölförderung in Bari und Albanien, die Töchterschule in Rom, die Funksendestationen in Fi- umicino und Sardinien. 1 Formazione e ambiente – der zeitgeschichtliche Kontext

1.1 Biographische Notizen 1894-1924: Familie, Jugendjahre, berufliche Ausbildung und erste Lehrjahre

Am 23. Oktober 1917 schrieb Gustavo Giovannoni am Ende seines Antwortbriefes aus Rom an den Studenten Angiolo Mazzoni in Bologna: „Mi sarà veramente grato rivedere Lei; di cui serbo così buon ricordo ed a cui auguro di cuore di proseguire bril- lantemente nella via che aveva così bene iniziata a Roma. Io comprendo bene la Sua nostalgia romana; ma anche Bologna è un magnifico ambiente d’arte a cui son sicuro riuscirà benissimo ad assuefarsi il suo temperamento.“21 Der Brief mit der wohlgesinnten Ermunterung an seinen Schüler, der sich nach dem Wegzug aus Rom offenbar noch nicht richtig in seiner neuen Umgebung zurechtgefunden hatte, fiel unter die ersten einer während Jahren fortgesetzten Korrespondenz zwischen Mazzoni und seinem geschätzten Leh- rer an der Scuola d’Applicazione per Ingegneri di Roma.22 Aus den wenigen Zeilen lässt sich nicht nur das Vertrauen Mazzonis zu Giovannoni ablesen, von dem er in einem langjährigen, persönlichen Austausch immer wieder Rat einholte, ihm Studien und Projekte zur Beurteilung unterbreitete und ihn an seinen Gedanken, Sorgen und auch privaten Ereignissen teilhaben liess, sondern auch die freund- schaftliche Gesinnung Giovannonis und dessen Erwartungen in die Fähigkeiten seines Schülers. Al- lem Anschein nach bekundete dieser Mühe mit dem Wechsel aus dem ihm vertrauten Rom, obwohl ihm die neue Stadt nicht ganz so fremd sein konnte, denn Mazzoni war am 21. Mai 1894 in Bologna geboren worden und hatte dort auch seine ersten zehn Lebensjahre zugebracht. Er wuchs im beschei- denen Milieu einer kleinbürgerlichen Familie auf,23 sein Vater Ciro arbeitete, wie dessen Vater Angio- lo schon, für die Eisenbahn, über seine Mutter Adalgisa, Geborene Del Grande, deren Nachname sich Mazzoni nach dem Zweiten Weltkrieg in Kolumbien als zweiten Familiennamen beifügen sollte, ist wenig bekannt; sie hatte Verwandte in Crespellano bei Bologna, was Fotografien und frühe Zeichnun- gen im Archiv Mazzonis dokumentieren.24 1905 zog die kleine Familie nach Rom in die Gegend der Piazza Vittorio Emanuele, wo der Vater eine Stelle als Beamter bei den im selben Jahr verstaatlichten Eisenbahnen, den Ferrovie dello Stato, inne hatte. Es sind wenige konkrete Kindheitserinnerungen, die Mazzoni 1976, drei Jahre vor seinem Tod, in den appunti autobiografici erwähnte:25 er liebte die Poesie, verehrte seine Tante Ofelia Mazzoni für ihre Gedichte und Romanzen, die sie schrieb,26 und sonntags habe ihm sein Vater aus den Büchern Giosuè Carduccis vorgelesen,27 ausserdem interessierte er sich für bühnenbildnerische Entwürfe. Im Wesentli- chen aber ist die persönliche Rückschau von zwei Begebenheiten geprägt: einerseits von den Konflik-

21 (Brief vom 23.10.1917, in: Forti 1990, S. 88-89.) 22 Die Korrespondenz mit Giovannoni scheint gegen Ende der 20er Jahre, als Mazzonis Arbeitspensum stark zunahm, weit- gehend versiegt zu sein. In seinem Nachlass finden sich die Briefe von Giovannoni, die Schreiben Mazzonis dagegen sind nicht mehr im Archiv Giovannonis enthalten. Vgl. FAM, MAZ D/13; Forti 1990; FGG, G.G. 5.1, 26-44. 23 „Qualificabile: impiegatiziamente piccolo borghese“ („Appunti autobiografici“, FAM, MAZ S/21, o. S.) 24 Vgl. „Ricordi di famiglia“, FAM, MAZ S/13. 25 Vgl. „Appunti autobiografici“autobiografi ci“,,������������ FAM, FAM, MAZMAZ SS�/21.21. Weitere autobiographische Aufzeichnungen, allerdings undatierte, fifin n-- den sich in FAM, MAZ S/16, S. 0. 26 Ofelia Mazzoni (1883-1935) war die Schwester des Vaters Ciro, vgl. ebenda, S. 63. Zu ihrer BiografieBiografi e vgl. Billi, Giova-Giova- nelli 2009, S. 714-716. 27 Giosuè Carducci (1835-1907), hoch angesehener Dichter und Literat Italiens des 19. Jahrhunderts, lehrte von 1860 bis 1904 Literatur an der Universität von Bologna und erhielt 1906 den Nobelpreis für Literatur. 20 Biographische Notizen 1.1 ten, in die er durch die Vorgaben anderer Personen in mächtigeren Positionen immer wieder gedrängt worden sei, und andererseits von der Begeisterung für die zeichnerische Ausdruckskraft als elemen- tare Grundlage seiner Tätigkeit. Die Konflikte äusserten sich schon früh in den Auseinandersetzun- gen mit seinem Vater, der ihn über das Leben und die Kunst zu belehren versuchte und seinem Sohn wiederholt unterstellte, wenig befähigt zu sein, eigene Ansichten davon zu entwickeln. Ein Gefühl von Minderwertigkeit und Selbstzweifel und ein eng damit verbundener Drang nach Lob und Aner- kennung verfolgten Mazzoni zeit seines Lebens, was aus den vielen persönlichen Notizen, die er wäh- rend der Ordnung seines Nachlasses verfasste, nur allzu deutlich wird: „Lavorai continuamente con tenacia sempre dubitando se le mie creazioni avessero o no valore.“28 Später war es nicht mehr der Vater, sondern die Lehrer und Vorgesetzten, die ihm vorschrieben, Aufgaben auszuführen, die seinem eigenen Willen zuwider liefen; in der Schule sollte er beweisen, dass er nicht aus Faulheit moderne Gebäude entwarf, sondern ebenso gut die alten Stile beherrschte, im Beruf dann fühlte er sich oftmals genötigt, Projekte zu entwickeln und nach aussen hin zu vertreten, die er allein anders angegangen wäre – so jedenfalls nehmen sich die Darstellungen Mazzonis aus.29 Es ist indessen zweifelhaft, ob es tatsächlich nur Fremdbestimmung war, die ihn veranlasste, ein so vielfältiges Repertoire an teilweise diametralen Entwürfen zu entwickeln, oder ob seine Anpassungsfähigkeit nicht vielmehr Aufschluss über einen zentralen Wesenszug seiner architektonischen Haltung gibt, denn bezeichnenderweise ent- standen solche Konflikte vor allem im Zusammenhang mit der Frage nach der „linguaggio moderno dell’architettura“,30 der Frage nach der Modernität seiner Architektur, die ihn unaufhörlich begleitete, herausforderte und auch ständig in Bedrängnis brachte. Spannungen traten vorwiegend dort auf, wo die Diskrepanz zwischen der vom Architekten angestrebten Konzeption und den Wünschen der Auf- traggeber und Vorgesetzten besonders ausgeprägt war – eine Realität des Entwurfsprozesses, die an sich noch nichts Aussergewöhnliches wäre, im Kontext der faschistischen Kulturpolitik Italiens an der Schwelle zur Moderne jedoch differenziert zu bewerten ist und von Mazzoni selbst aufgrund der ab- lehnenden Rezeption seines Werks in der Nachkriegszeit sehr zwiespältig beurteilt wurde.31 Bezeichnend für Mazzonis Umgang mit dem Dilemma, etwas ihm Widerstrebendes zu akzeptie- ren und auszuführen, sind seine Erinnerungen an Ratschläge, die ihm erteilt wurden: „Il dovere dell’architetto è quello di rendere non prive di bellezza le idee del cliente per strambe e assurde esse siano“, so habe ihn Giovannoni während des Studiums gelehrt, und Ferruccio Businari, der direkte Vorgesetzte Mazzonis im Baubüro der staatlichen Eisenbahnen in Rom, habe ihm geraten: „Fai bene anche ciò che detesti perché con simile prova di intelligenza e tale capacità di disegnare quanto con- trario al tuo sentire conquisterai grande autorità e dopo potrai imporre la tua volontà.“32 Die Aussagen der beiden Persönlichkeiten, die Mazzoni sehr schätzte, ermutigten ihn, scheinbar ungünstige und unabänderliche Bedingungen, die im Lauf einer Projektentwicklung für den Architekten bindend wur- den, nicht als Hemmnis zu betrachten, sondern sie im Gegenteil produktiv werden zu lassen. Auf die- se Weise sollten vordergründige Schwierigkeiten erfinderisch und dem jeweiligen Projekt zuträglich überwunden werden, was letztendlich das Ansehen des Architekten steigerte und im Kern auch eine seiner wichtigsten Aufgaben und grössten Herausforderungen konstituierte: „Il segreto della vita non

28 („Appunti autobiografici“, FAM, MAZ S/21, o.S.) Vgl. auch Angiolo Mazzoni 1984, S. 29-30. 29 Vgl. „Appunti autobiografici“, FAM, MAZ S/21, S. 3; ebenda, G/8, S. 7. 30 Vgl. hierzu die einführenden Worte der „Appunti autobiografici“, FAM, MAZ S/21, S. 1. 31 Vgl. Angiolo Mazzoni 1984, S. 29-32. 32 („Appunti autobiografici“, FAM, MAZ S/21, S. 1.) 1.1 1894 - 1924 21

è fare quello che si ama ma amare quello che si fa“,33 so habee es seine Frau Maria etwas einfacher formuliert. Mazzonis ausgeprägte Anpassungsfähigkeit liesse sich folglich anstatt als Unterwürfigkeit oder Opportunismus genauso gut als Souveränität oder gar Überlegenheit interpretieren. Hätte Mazzonis persönliche Geschichte nicht den Verlauf genommen, der ihm beschieden war, so würden diese einführenden Bemerkungen wohl etwas trivial anmuten. Angesichts der empfunde- nen Demütigung, die ihm durch Geringschätzung, oder schlimmer noch: durch Nichtbeachtung und Totschweigen seines Werkes und seiner Person nach dem Zweiten Weltkrieg widerfuhr, werden sie allerdings bedeutsam, zumal ihn der Vorwurf, er sei lediglich ein willfähriger Architekt des faschis- tischen Staatsapparats gewesen, dessen Bauten aufgrund ihrer belastenden Entstehungsgeschichte nicht bedeutend sein konnten, im Alter sehr beschäftigte.34 Im festen Glauben daran, dass er sich der Architektur stets im Sinn der Kunst verpflichtet habe, wollte er seine Leistung ins rechte Licht gerückt wissen und setzte deshalb alles daran zu beweisen, dass er, entgegen der verbreiteten üblen Nachrede, sogar unter so schwierigen Bedingungen wie jenen des Faschismus fähig gewesen sei, moderne und künstlerisch hochwertige Bauten zu entwerfen. Das zweite wiederkehrende Thema im Lebenslauf Mazzonis ist seine Begeisterung für die zeichne- rische Tätigkeit, was aus den zahlreichen archivierten persönlichen Anmerkungen sogleich deutlich wird. Sie war seine Freude und sein Stolz, im Alter dagegen, als das Sehvermögen wegen eines Au- genleidens nachliess, nahm er den Verzicht darauf als grossen Verlust an Lebensqualität wahr. Das Zeichnen zog sich wie ein roter Faden durch Mazzonis Leben, angefangen mit den Erinnerungen an die ersten Zeichnungen in der Kindheit und die szenographischen Entwürfe der frühen Schulzeit, spä- ter im Studium fand seine Begabung die Anerkennung seitens der Lehrer, die ihm empfahlen, sich der Architektur zuzuwenden. Im Berufsleben schliesslich wurde die Wiedergabe eines Projektes in Plan, Aufriss und Perspektive zur Grundfeste seines Metiers; sie bildete das Werkzeug, anhand dessen er seine Entwurfsideen ermitteln, überprüfen und kommunizieren konnte, und stellte die formale Evi- denz zwischen dem, was er dachte, und dem, was die Hand ausführen sollte, her. So dienten etwa die perspektivischen Skizzen, raumgreifenden Vogelschauen, Grundrissanordnungen und Zeichnungen einzelner Objekte, die er im Zug seiner städtebaulichen Studien zur Umgestaltung des Zentrums von Bologna anfertigte, der Untersuchung räumlicher Zusammenhänge im komplexen städtischen Gefüge und der Herausarbeitung ihrer Qualitäten, zugleich drückten sie Mazzonis ausgeprägtes Bewusstsein den zeichnerischen Mitteln gegenüber aus, die nicht einem rein illustrativen Zweck folgten, sondern konzeptionell wirksam wurden. Mazzonis Erinnerungen an seine erste Berührung mit Architektur gehen auf Erzählungen seiner Tante Maria über ihren verstorbenen Ehemann, den Architekten Lorenzo Doveri, zurück, bleiben aber weit- gehend diffus.35 Einen wichtigeren Einfluss machte Mazzoni für die Gheduzzi, eine Künstlerfamilie aus Crespellano, dem Heimatort seiner Mutter, geltend. Der Vater Ugo Gheduzzi, ein Kunst- und Landschaftsmaler, hatte zunächst für das Theater in Bologna Bühnenbilder entworfen, bevor er 1900 mit seiner Familie nach Turin zog und dort am Teatro Regio tätig wurde. Wie er wurden auch seine vier Söhne Augusto, Giuseppe, Mario und Cesare Kunstmaler und sollen den jugendlichen Mazzo-

33 (Ebenda, S. 1.) 34 Dies brachte Mazzoni in seinen in den 70er Jahren an Alfredo Forti adressierten Briefen immer wieder deutlich zum Aus- druck, vgl.FFM, B. IV, 33. 35 Lorenzo Doveri (1799 Pisa-1866 Siena) war Professor am Istituto di Belle Arti in Siena, Maria war Mazzonis (Gross-) tante, eine Verwandte väterlicherseits, vgl. „Ricordi di famiglia“, FAM, MAZ S/13, S. 85-97. Als ihm seine Tante von ihrem Mann erzählte, sei er etwa fünfjährig gewesen. 22 Biographische Notizen 1.1 ni um 1910 die Grundlagen des Bühnenbildentwurfs gelehrt haben.36 Ob und inwieweit er mit den Künstlern auch persönlich bekannt war, bleibt offen, entscheidend ist diesbezüglich vielmehr, dass durch diese Erfahrung vermutlich erstmals sein Augenmerk bewusst auf eine szenographische Sicht- weise gerichtet wurde, die für seine weitere Tätigkeit Bedeutung erhalten sollte. Was in den Aufzeichnungen über Mazzoni immer wieder Erwähnung findet – nicht zuletzt auch deshalb, weil er selbst stets bemüht war, dies zu betonen – und gemeinhin als Initialzündung seines architektonischen Werdegangs gilt, ist der Kontakt mit der Architektur Josef Hoffmanns (1870-1956) anlässlich der internationalen Architektur- und Kunstausstellung in Rom im Jahr 1911. Hoffmann, ein ehemaliger Schüler Otto Wagners, Gründungsmitglied der Secession, Mitbegründer der Wiener Werk- stätte und Professor an der Kunstgewerbeschule Wien, errichtete damals auf dem Gelände der gross- angelegten Kunstausstellung im Valle Giulia den Pavillon, in dem die Exponate der österreichischen Künstlerdelegation gezeigt wurden. Es war ein schlichter, auf einem Sockel stehender, U-förmiger Bau, dessen Räume um einen höher gelegenen, zur Strasse hin offenen Skulpturenhof angeordnet waren. Den beiden Seitenflügeln waren Loggien vorangestellt, die über eine querliegendeT reppe zu erreichen waren. Die Loggien führten in den Hof sowie die Innenräume des Pavillons und wurden von schlanken, kannelierten Pfeilern rhythmisiert. Auch die hochrechteckigen, talwärst ausgerichteten Fensteröffnungen und die seitlichen, grosszügig geschlossenen Mauerflächen waren von einem fein profilierten, tektonisch wirkenden Rahmenwerk eingefasst. Nach hinten wurde der Bau vom Haupt- saal und einer rückseitig angegliederten Exedra abgeschlossen. Die Innenräume wurden hauptsächlich mittels grossflächiger Oberlichter beleuchtet. Hoffmann hatte nicht nur das Gebäude, sondern auch die innere Ausstattung und dekorativen Prinzipien gemäss seiner Idee des Gesamtkunstwerks verwirk- licht.37 Mazzoni notierte, er habe beim Anblick dieses Pavillons erkannt, wie Architektur sein müsse: „Costruzione divenuta poesia. Semplicità era esaltata in questa opera Hoffmanniana.“38 Tatsächlich setzten die Modernität des Baus, seine klaren Linien und die schnörkellose Gestaltung einen starken Kontrast zur traditionsbehafteten Architektur der übrigen Ausstellungsgebäude, etwa des unmittelbar davor errichteten Palazzo delle Belle Arti von Cesare Bazzani, und prägte sich ins Bewusstsein Maz- zonis ein, für dessen Entwurfspraxis die Architektur Hoffmanns ein bedeutender Referenzpunkt wur- de.39 Gelegentlich führte Mazzoni in seinen Erinnerungen ausserdem Frank Lloyd Wright an, dessen Projekt für das Imperial Hotel in Tokio (1915-1922) ihn stark beeindruckt habe. Als weiteres entscheidendes Ereignis nannte Mazzoni seine persönlichen Erfahrungen mit der futu- ristischen Bewegung. Bereits 1909 hatte Filippo Tommaso Marinetti das erste futuristische Manifest publiziert und verbreitete danach seine neuen, provokativen Ideen unter anderem an den für ihre tu- multuösen Verläufe bekannten futuristischen Abenden („serate futuriste“). Möglicherweise im Jahr 1913, als Marinetti an zahlreichen kleineren Veranstaltungen in Rom und anderswo aus seinem neuen Buch Zang Tumb Tumb vorlas,40 wohnte offenbar auch Mazzoni einer dieser serate bei und hörte, wie Marinetti seine Erlebnisse aus dem bulgarisch-türkischen Konflikt während der Belagerung vonAdri -

36 Die Gheduzzi waren Ugo (1853-1925), Augusto (1883-1969), Giuseppe (1889-1957), Mario (1891-1970) und Cesare (1894-1944), vgl. Artisti Crespellanesi 1995. 37 Vgl. Rom Internationale Kunstausstellung 1911. 38 („Appunti autobiografici“, FAM, MAZ S/21, S.2.) 39 Vgl. zum Beispiel seine städtebauliche Studie zu Bologna in: Mazzoni 1922 (1), S. 24-25; den Entwurf für ein Gefallenen- denkmal, Kapitel 1.3.2.2, S. 90-91; den Entwurf für den Bahnhof von Fidenza (1922/1923) in: FAM, MAZ B/1, fasc. 5. 40 Vgl. Marinetti 1914. 1.1 1894 - 1924 23 anopolis 1913 in den „parole in libertà“41 vortrug. Des Weiteren erzählte Mazzoni, habe er die Schau der futuristischen Maler im Teatro Costanzi in Rom besucht, sowie die Bilder und Skulpturen von Umberto Boccioni in einer Ausstellung an der Via Condotti gesehen.42 Hoffmann und die Futuristen, so berichtete Mazzoni, hätten sein „credo artistico“ geformt. Die Aussa- gen, die er in späteren Jahren vor allem bezüglich des Einflusses der Futuristen erster Stunde machte, müssen jedoch kritisch betrachtet werden, da er aufgrund seiner Mitwirkung bei der futuristischen Bewegung in den 30er Jahren,43 die damals von seinen Zeitgenossen sehr kontrovers aufgenommen wurde, möglicherweise dazu tendierte, im Nachhinein eine schlüssige Herleitung seiner futuristischen Geisteshaltung zu konstruieren. Es kann kaum überprüft werden, inwieweit Mazzoni dazu verleitet gewesen sein mochte, seine Erinnerungen diesbezüglich bewusst oder unbewusst zu beschönigen oder zu redigieren, es kann lediglich festgestellt werden, wie gross seine Bemühungen waren, die Bezie- hungen zum Futurismus, seine futuristische Gesinnung, seine Architektur als futuristischer Beitrag und seine Kontakte zu anderen futuristischen Künstlern zu artikulieren und sich dadurch als echten Futuristen legitimiert zu sehen.44 Vielleicht hat das Bedürfnis, einen solchen Beweis zu erbringen, aber vielmehr damit zu tun, dass Mazzoni grundsätzlich in seinen künstlerischen Absichten ernst genommen werden wollte, was man ihm in der Nachkriegszeit lange Zeit verwehrte. Unabhängig da- von können allerdings die Prämissen des Futurismus im Zusammenhang mit den formalen Lösungen seines architektonischen Werks tatsächlich eine etwas andere, vielschichtige Lesart ermöglichen, was zweifellos ergiebigere Erkenntnisse liefert, als den Nachweis einer bestimmten Zugehörigkeit zu er- bringen. 1914 schrieb sich Mazzoni an der Scuola d’Applicazione per Ingegneri di Roma ein und nahm das Studium im Herbst folgenden Jahres auf. Dort traf er auf seine neuen Lehrer: Gustavo Giovannoni (1873-1947) unterrichtete seit 1914 an der Schule „architettura generale“ sowie „elementi delle fab- briche“, „stili architettonici“ und „urbanistica e composizione architettonica“,45 Giovanni Battista Milani (1876-1940) betreute den Lehrstuhl „architettura tecnica“, und ausserdem war der junge Vin- cenzo Fasolo (1885-1969) bereits als Assistent tätig.46 Sie erkannten in den zeichnerischen Fähigkei- ten Mazzonis dessen Interessen und Begabungen, vielleicht auch seinen künstlerischen Sinn und den einfallsreichen Umgang mit architektonischen Details, und empfahlen ihm daher, sich gründlicher

41 „Parole in libertà“: „Unsere lyrische Trunkenheit [muss] die Wörter frei deformieren, umgestalten, sie abschneiden oder verlängern, die Wortmitte oder die -enden verstärken, die Zahl der Vokale und der Konsonanten vermehren oder vermin- dern. So werden wir zu einer neuen Rechtschreibung kommen, die ich frei und ausdrucksvoll nenne. Diese instinktmäs- sige Deformation der Wörter entspricht unserer natürlichen Tendenz zur Klangmalerei. Es tut nichts, wenn das entstellte Wort zweideutig wird. Es wird sich den klangmalerischen Akkorden oder Geräuschbündeln vermählen und uns gestatten, bald zum klangmalerischen psychischen Akkord zu gelangen, dem sonoren, aber abstrakten Ausdruck einer Emotion oder eines reinen Gedankens.“ (Filippo Tommaso Marinetti, „Zerstörung der Syntax - Drahtlose Phantasie - Befreite Worte“, 11. Mai 1913, in: Baumgarth 1966, S. 178.) 42 Im Februar 1913 fand in Rom eine Ausstellung mit Malereien von Giacomo Balla, Umberto Boccioni, Carlo Carrà, Luigi Russolo, Gino Severini und Ardengo Soffici statt, vgl. „Prima esposizione di pittura futurista. Roma. Ridotto del Teatro Costanzi. Galleria G. Giosi 1913“, in: Esposizioni Futuriste 1977. Es ist unklar, um was für eine Ausstellung es sich in der Via Condotti handelte. Die neusten Skulpturen Boccionis wurden im Dezember 1913 in einer Einzelausstellung in der Galleria Futurista Sprovieri in Rom gezeigt, vgl. „Esposizione di scultura futurista del pittore e scultore futurista Umberto Boccioni“, in: ebenda. Zu diesen Erinnerungen an Kontakte mit der futuristischen Bewegung vgl. „Appunti autobiografi- - ci“, FAM, MAZ S/21, S. 2; ebenda S/16, S. 0. 43 Vgl. weiterführend den zweiten Teil der biographischen Notizen, Kapitel 2.1, S. 123-124. 44 Vgl. zum Beispiel das Album „Futurismo“, FAM, MAZ D/1. 45 Vgl. Bonaccorso 1997, S.200-203. 46 Zu Leben und Werk Giovannonis vgl. Zevi, B. 1947, S. 2-8; De Angelis d’Ossat 1949; Salmi 1957, S. 1-10; Del Bufalo 1982; Atti del seminario 1990; Zucconi 1997 (1), S. 9-68; Neri 2001, S. 899-902; Zucconi 2001, S. 392-396; Sette 2005. Zu Milani vgl. Giovannoni 1940, S. 523-524; Mazza 1995. Zu Fasolo vgl. Terranova 1995. 24 Biographische Notizen 1.1 mit Architektur zu beschäftigen.47 Nach zwei Studienjahren – inzwischen war in Europa der Erste Weltkrieg ausgebrochen und auch Italien direkt in das Kriegsgeschehen involviert – verliess Mazzoni Rom und zog 1917 in seine Geburtsstadt Bologna um, wo er bis zum Spätherbst 1918 blieb und Mi- litärdienst bei der Direktion der Pioniertruppen („genio militare“) zu leisten hatte. Die Stadt, die ihm zunächst fremd erschien, liess ihn nach und nach seine sich bisher angeeignete Welt aus einer neuen Perspektive erfahren. Den Briefen Giovannonis ist zu entnehmen, dass Mazzoni schon bald Zugang zu jenen Kreisen von Leuten fand, die sich mit Hingabe den architektonischen Anliegen ihres städ- tischen Umfelds widmeten und sich mit den gegenwärtig dringlichen künstlerischen Fragen ausein- andersetzten, und in Kürze nahm auch er selbst regen Anteil an diesen Debatten. Derzeit umstritten war die Umgestaltung des Zentrums von Bologna, die auf dem Bebauungsplan von 1889 beruhte und unter anderem den Abriss einiger der charakteristischen, mittelalterlichen Geschlechtertürme vorsah. Mazzoni setzte sich leidenschaftlich für den Erhalt dieser aus seiner Sicht wertvollen und schützens- werten Bausubstanz ein, die der Stadt ihren besonderen Charakter verlieh. Auch seine gleichzeitig in Angriff genommene Studie hatte die Umgestaltung des Stadtzentrums zum Inhalt. Sie behandelte den Bebauungsplan anhand dreier ausgewählten Zonen, die er genauer umschrieb und analysierte und für die er konkrete Eingriffe vorschlug. Seine Überlegungen teilte er wiederholt in Briefen an Giovannoni mit und stellte ihm Fragen bezüglich städtebaulicher Probleme und möglicher Lösungsvorschläge. In den Antwortschreiben gibt es Hinweise darauf, dass Mazzoni teilweise mit dem gleichaltrigen Kolle- gen und Architekten Giuseppe Vaccaro zusammenarbeitete.48 Die Untersuchungen zu Bologna bilde- ten 1919 die Grundlage für die Schlussprüfung an der Scuola d’Applicazione und wurden drei Jahre später ergänzt durch weitere Studien veröffentlicht.49 Die Widmung dieser Publikation ging nebst den römischen Professoren Giovannoni und Milani auch an Attilio Muggia (1860-1936).50 Letzterer hatte an der Scuola d’Ingegneria di Bologna den Lehrstuhl für „architettura tecnica“ inne und befasste sich parallel zu seiner baulichen Tätigkeit seit vielen Jahren intensiv mit neuen konstruktiven Systemen aus Eisenbeton. Mazzoni musste ihm schon während den ersten Monaten in Bologna begegnet sein und ihn näher kennengelernt haben.51 Später, als er bereits für die staatlichen Eisenbahnen arbeitete, wollte ihn Muggia als Assistenten gewinnen, was allerdings von Seiten des Arbeitgebers Mazzonis abgelehnt wurde.52 Jedenfalls weisen diese Umstände darauf hin, dass Mazzoni im Kontakt zu Muggia von dessen Lehren beeinflusst worden sein muss und ihm seine Dankbarkeit dadurch ausdrückte, dass er sich in der Widmung als seinen Schüler („discepolo“) auswies. Nach dem Ersten Weltkrieg und der Entlassung aus dem Militärdienst kehrte Mazzoni im Frühjahr 1919 wieder nach Rom zurück und schloss im November desselben Jahres sein Studium als „ingegne-

47 Gemäss Mazzoni fielen den Professoren besonders jene Zeichnungen auf, die sie auch dazu veranlassten zu fragen, ob er jemals in München studiert habe, sie trugen ihm zudem die Bemerkung Fasolos ein, er entwerfe nur aus Faulheit im mo- dernen Stil. Vgl. FAM, MAZ G/8, S. 7; ebenda B/1, fasc. 4, 3. 48 Vgl. Briefe von Giovannoni an Mazzoni vom 3.1.1918 und vom 17.11.1921, in: Forti 1990, S. 89, 92. Die Berührungs- punkte in den Lebensläufen von Vaccaro und Mazzoni legen die Vermutung nahe, dass es sich bei dem von Giovannoni erwähnten „architetto Vaccaro“ um Giuseppe Vaccaro handelte, obwohl im Nachlass Mazzonis, soweit bekannt, keine weiteren Hinweise auf die Zusammenarbeit der beiden zu finden ist. Zur BiographieVaccaros vgl. Mulazzani 2002, S. 254-255. 49 Vgl. Mazzoni 1922 (1). 50 Zu Attilio Muggia vgl. Muggia 1951, Norma e arbitrio 2001, S. 399. Zu den Schülern Muggias zählten auch Pier Luigi Nervi, Giuseppe Vaccaro und Eugenio Miozzi. 51 Vgl. auch den Hinweis auf Kontakt zu Muggia im Brief von Giovannoni an Mazzoni vom 23.10.1917 in: Forti 1990, S. 88. Im Übrigen diplomierte Vaccaro 1920 bei Muggia und war 1920/21 Assistent an dessen Lehrstuhl. Muggia wurde 1922 Mitglied der neu gegründeten Associazione Amatori e Cultori di Architettura dell’Emilia e delle Romagne. 52 Vgl. FAM, MAZ D/9, S. 33. 1.1 1894 - 1924 25 re civile“ ab. Er blieb mit der Schule noch einige Zeit als Assistent für die Fachgebiete „elementi delle fabbriche“, „architettura generale“ und „architettura tecnica“ am Lehrstuhl Milanis und jenem Gio- vannonis verbunden,53 gleichzeitig begannen seine ersten Lehrjahre im beruflichen Umfeld. Die Jahre um 1920 waren nicht nur für Mazzoni persönlich eine Zeit grosser Veränderungen, sondern wurden auch für die Zukunft der italienischen Architekten allgemein wegweisend: im Dezember 1920 wurde nach jahrzehntelanger Vorarbeit die „Regia Scuola di Architettura“ in Rom eröffnet, die den Architek- ten erstmals eine eigenständige Ausbildung ausserhalb der bestehenden Ingenieur- und Kunstschulen ermöglichte; im Mai/Juni 1921 erschien unter der Leitung von Giovannoni und Marcello Piacentini die erste Ausgabe der Zeitschrift Architettura e Arti Decorative, die zum Sprachrohr der Vereinigung Associazione Artistica fra i Cultori d’Architettura di Roma wurde und den frühen Projekten Mazzo- nis jeweils grosszügig Platz einräumte; in rechtlicher Hinsicht trat schliesslich 1923 das Gesetz zum Schutz der Titel für Architekten und Ingenieure in Kraft, womit die Kompetenzen der Berufsstände neu geregelt und die beiden Berufsgruppen geschützt wurden. Diese Entwicklungen, getragen von einflussreichen Persönlichkeiten und Gruppierungen, wirkten sich massgebend auf die Ereignisse der 20er und 30er Jahre aus und spielten für den Werdegang Mazzonis eine wichtige Rolle. Anschliessend an das Studium arbeitete Mazzoni (wahrscheinlich vermittels familiärer Verbindun- gen) zunächst für kurze Zeit im Baubüro der Banca di Sconto, bevor er 1920 im Architekturbüro von Marcello Piacentini (1881-1960) eingestellt wurde und dort ungefähr ein Jahr als Zeichner tätig war.54 Sicher war dessen Einfluss auf Mazzoni sowohl auf fachlicher Ebene wie auch in freundschaftlicher Hinsicht gross. Als bereits fest etablierter, aber noch verhältnismässig junger Architekt und Professor an der neuen Architekturschule verkörperte Piacentini eine wichtige Bezugsperson mit Vorbildcha- rakter, mit dem Mazzoni zuerst als Schüler und Mitarbeiter, später als Freund und Berufskollege den architektonischen Diskurs pflegte und gemeinsame Interessen teilte, beispielsweise jenes für die Überarbeitung des Bebauungsplans von Bologna oder für die so genannte architettura minore, die anonyme Architektur.55 Piacentini gehörte damals zweifellos zum fortschrittlichsten Kreis der jünge- ren Architektengeneration Italiens, er zeichnete sich durch einen hohen Grad an Professionalität aus, konnte schon zahlreiche realisierte Bauten vorweisen und auf ein breites Spektrum kultureller Bezüge zurückgreifen; von Reisen in den frühen 10er Jahren kannte er die moderne, internationale Architek- tur aus eigener Anschauung, er beschäftigte sich eingehend mit deren Themen und Hintergründen und trug wesentlich zu ihrer Verbreitung in Italien bei, nicht zuletzt dank seiner umfangreichen Bibliothek, die bestimmt auch für Mazzoni zu einer Quelle der Inspiaration wurde.56 Ihre freundschaftliche Bezie- hung blieb bis in spätere Jahre bestehen, was anhand der Zusammenarbeit am internationalen Wettbe- werb für den Völkerbundpalast in Genf im Jahr 1927 und ebenso aus den gegenseitig wiederholt ge- äusserten, respektvollen Anerkennungen in Briefwechseln und Zeitschriftenartikeln ersichtlich wird.57

53 Mazzoni war „assistente volontario“. Vgl. FAM, MAZ S/23, 1.16-1.19; Scuola d’applicazione 1921, S. 32-33. 54 In Piacentinis Büro arbeiteten auch viele andere bekannte Architekten, etwa Enrico Del Debbio, Eugenio Fuselli, Ales- sandro Limongelli, Cesare Pascoletti, Luigi Piccinato, Ernesto und Gaetano Rapisardi, Innocenzo Sabbatini, Giuseppe Samonà, Giuseppe Vaccaro, Giorgio Wenter Marini, vgl. Lupano 1991, S. 183. 55 Weiterführend zur architettura minore vgl. Anm. 76 sowie Kapitel 1.2.2.2 und 3.3.1.4. 56 Zu Leben und Werk Piacentinis vgl. Mu�ñ����������������������������������������������������������������������������oz 1925; Patetta 1972, S. 45-53; Lupano������������������������������������������� 1991; De Rose 1995; Marcello Piacen- tini 1995. Piacentinis persönliche, rund 2’500 Titel umfassende Bibliothek ist in die Bibliothek der Architekturfakultät der Universität „La Sapienza“ in Rom integriert. Vgl. auch den Brief an Alfredo Forti vom 29.3.1977, FFM, B. IV, 33; sowie Piacentini, M. 1921. 57 Vgl. Mazzoni 1922 (1), S. 6; Mazzoni 1923 (2); Piacentini, M. 1939. Mazzoni und Piacentini hielten den Kontakt auch nach dem Zweiten Weltkrieg noch aufrecht, vgl. FAM, MAZ D/11, S. 33-37. 26 Biographische Notizen 1.1

Eine andere Persönlichkeit, deren Atelier Mazzoni zu Beginn der 20er Jahre gelegentlich frequentier- te, war der ungarische Architekt Jósef Vágó (1877-1947). Giuseppe Vago, wie er sich selbst nach sei- ner Ankunft in Italien nannte,58 war 1919 infolge der politischen Veränderungen, von denen er durch sein Mitwirken in der Baudirektion während der kurzen Dauer der kommunistischen Räterepublik Ungarns unmittelbar betroffen war, mit seiner Familie aus Budapest nach Rom emigriert, wo er sich von Grund auf eine neue Existenz aufbauen musste. Er stand nicht nur dem Schaffen und den The- orien Ödön Lechners (1845-1914) nah, sondern orientierte sich genauso an den Ideen Otto Wagners (1841-1918) und der Wiener Secession und hatte während seiner knapp zwanzigjährigen Bautätigkeit in Budapest mit seinem Werk einen überaus wichtigen Beitrag zur ungarischen Architekturdiskussion der Moderne geleistet. Dass Mazzoni in Vagos Arbeit und dessen undogmatischer Entwurfshaltung viele tragfähige Ansätze für seine eigene Tätigkeit sah, ist gut denkbar, ausser einigen knappen Be- merkungen sind allerdings keine Einzelheiten über den Austausch zwischen den beiden bekannt. Möglicherweise lernte Mazzoni Vago über Piacentini kennen, der seinerseits mit ihm in Kontakt stand, ihn für sein architektonisches Schaffen schätzte und sich auch wiederholt in Artikeln dazu äu- sserte.59 Gegen Ende des Jahres 1921 erhielt Mazzoni in Mailand eine Anstellung bei den staatlichen Eisen- bahnen in der Sektion „speciale lavori“, die zu jener Zeit mit der Überarbeitung des Projekts für den neuen Bahnhof von Mailand beschäftigt war. Mit dem Wechsel begann für ihn der Dienst bei seinem zukünftigen, langjährigen Arbeitgeber. Schon nach kurzem wurde er im November 1921 nach Bolo- gna versetzt und arbeitete dort erneut in der Sektion „lavori“ an baulichen Aufträgen. Im folgenden Monat heiratete er seine Jugendfreundin Maria Bozzato, die wie er in der Gegend von Bologna auf- gewachsen war und sich zur Lehrerin ausgebildet hatte. Die zweite Phase in dieser ihm mittlerweile wohlbekannten Stadt markierte eine sehr aktive Zeit, in der er wiederum regen Anteil an den öffent- lichen Diskussionen über die städtebauliche Entwicklung Bolognas nahm. Er schrieb für die lokale und nationale Tageszeitung Il Resto del Carlino bzw. L’Avvenire d’Italia eine Serie von Artikeln zu aktuellen architektonischen Themen, die Planer, Architekten, Künstler und Bewohner allgemein be- schäftigten, und machte darin seine persönliche Haltung zu städtebaulichen Fragestellungen deutlich. Überdies gehörte er zu den Initiatoren der Associazione Amatori e Cultori di Architettura dell’Emilia e delle Romagne, die neben derjenigen in Neapel erst die zweite regionale Gruppierung war, die sich nach dem Vorbild der mächtigen römischen Vereinigung Associazione Artistica konstituierte. Nicht nur die Gründung der neuen Vereinigung in Bologna, sondern auch das Bedürfnis, sich mit einer ver- trauten und kompetenten Persönlichkeit zu besprechen, veranlassten ihn, erneut eine intensive Kor- respondenz mit Giovannoni in Rom zu führen. Dabei fällt auf, dass vom einschneidenden politischen Wandel, der damals in Italien in Gang war, in den überlieferten Briefen keine Rede war und nur fach- liche Fragen, gelegentlich auch private Angelegenheiten verhandelt wurden. Parallel zur Arbeit im Büro und seinem übrigen Engagement besuchte Mazzoni in Bologna die Ac- cademia di Belle Arti und erhielt im Herbst 1922 das Diplom in Architektur zusammen mit dem Titel

58 Vgl. Lambrichs 2003, S. 141. Das Siegel, mit dem Vago seine Pläne zu kennzeichnen pflegte, änderte er von JV zu GVR: „Giuseppe Vago Roma“. Zu Vagos Zeit in Rom von 1920 bis 1926 vgl. auch Betta 1926; Architettura Italiana, Okt. 1926; Betta 1927; Lambrichs 2003, S. 141-179; Turco 2003; Turco 2010. 59 Vgl. Turco 2003; Turco 2010, S. 508-510. 1922 sorgte die geplante Farbfassung des Hôtel de la Ville, das an der via Sis- tina in Rom nach Plänen Vagos im Bau war, für Aufregung; die Associazione Artistica verfasste sogar ein Votum, um die „unharmonische“, polychrome Farbgebung zu verhindern, vgl. Annuario 1925, S. 45; Lambrichs 2003, S. 167-169; Turco 2010, S. 515-517. 1.1 1894 - 1924 27

„professore di disegni architettonici“. Er hatte also, wie dies unter Architekten in jener Zeit nicht un- üblich war, eine doppelte Ausbildung absolviert, die ihm sowohl eine technische wie auch künstleri- sche Befähigung attestierte. Fortan konnte er sich als „architetto“ und als „ingegnere“ bezeichnen. Sein Vorgesetzter im Baubüro, Ingenieur Giustiniano Coen, liess Mazzoni schon bald eigenständig ei- nen ersten Auftrag ausführen. Es handelte sich um zwei viergeschossige Wohnhäuser, die nordöstlich des Bahnhofs von Bologna für Angestellte der Eisenbahn gebaut wurden und seine architektonische Haltung, seine Interessen und Arbeitsweise bereits deutlich zum Ausdruck bringen. 1923 waren die Häuser fertig gestellt und wurden 1924 in der Januarausgabe der Zeitschrift Architettura e Arti Deco- rative mit Plan- und Bilddokumenten und zwei weiteren Zeichnungen Mazzonis publiziert.60 Diese autorenbezogene Projektdokumentation zeigt, wie er schon früh als eigenständiger Architekt wahrge- nommen wurde, wenngleich er den Auftrag als Staatsangestellter im Namen der Eisenbahnverwaltung ausgeführt hatte. Unabhängig von seiner Arbeit im öffentlichen Dienst nahm er 1923/1924 gemeinsam mit den Bild- hauern Edoardo De Albertis, Guido Galletti und Francesco Messina am Wettbewerb für das in Form eines Triumphbogens zu planende Gefallenendenkmal in Genua teil. Ihr Entwurf sah einen mächti- gen, geraden Balken vor, der mit Figuren- und Flächenreliefs strukturiert und von zwei Bündeln aus je acht freistehenden, kannelierten dorischen Säulen getragen werden sollte. Das Monument wirkte wie ein gewaltiges Fragment eines Architravs, das von zwei aus einzelnen Säulen bestehenden „Säu- len“ emporgehoben wurde, und stellte im Vergleich zu den übrigen eingereichten Vorschlägen eine ungewöhnliche und ausgesprochen konzeptionelle Interpretation des Triumphbogenmotivs dar. Das Projekt wurde zusammen mit jenen von Alessandro Limongelli und Marcello Piacentini für die engere Auswahl berücksichtigt, musste sich am Ende jedoch gegenüber Letzterem geschlagen geben.61 Im Frühjahr 1924 zog Mazzoni mit seiner Frau Maria und der neugeborenen Tochter Elisa wieder nach Rom, wohin er laut seinen Aussagen eilig versetzt worden sei, um in Bologna einer politischen Säuberung zu entgehen, die ihm angesichts seiner regen Aktivitäten angeblich gedroht hätte.62 Inzwi- schen hatten die Faschisten unter der Führung Benito Mussolinis die Macht in Italien übernommen. Nach anfänglichen politischen Unsicherheiten wurden schon bald Reformen eingeleitet und schritt- weise die neuen organisatorischen, institutionellen und ideologischen Strukturen des Faschismus aufgebaut. Zu den ersten Neuerungen zählte auch die Gründung des Ministero delle Comunicazioni, das im April 1924 eingerichtet wurde und die staatlichen Eisenbahnen zusammen mit der Post und der Telegraphie sowie der Handelmarine und dem Strassenbauinspektorat in einem einzigen Ministe- rium zusammenfasste. Gleichzeitig mit dessen Konstitution trat Mazzoni im Baubüro der staatlichen Eisenbahnen am Hauptsitz in Rom seine neue Arbeitsstelle an. Für den persönlichen Werdegang des jungen Architekten bedeutete der Transfer nach Rom ein folgenreicher Wendepunkt in seinem Leben: er markierte den Auftakt seiner aussergewöhnlichen Laufbahn im Dienst der staatlichen Eisenbahnen, der ihm die Möglichkeit eröffnete, nicht nur eine bemerkenswerte Anzahl öffentlicher Bauaufträge planen und realisieren zu können, sondern überhaupt den architektonischen Ausdruck der Bahn- und

60 Vgl. Architettura e Arti Decorative, Jan. 1924, S. 233-236; sowie Kapitel 1.2.2.2., S. 58-59. 61 Vgl. Emporium, Feb. 1924, S. 128-130; Architettura e Arti Decorative, März 1924, S. 319-333. 62 Vgl. Brief von Mazzoni an Alfredo Forti vom 16.01.1974: „Nel 1923/24 quando il Servizio Lavori mi salvò dalla perse- cuzione fascista della Commissione del Compartimento ferroviario di Bologna nominata dall’Alto Commissario per le Ferrovie traslocandomi da Bologna a Roma con ordine a cui dare immediata esecuzione.“ (FFM, B. IV, 33.) Vgl. auch Angiolo Mazzoni 1984, S. 228. ���������������������������������������������������������������������������������Bologna wurde ab 1914 unter dem Bürgermeister Francesco Zanardi erstmals soziali- stisch regiert, bis 1920 die faschistischen Kräfte übernahmen. 28 Biographische Notizen 1.1

Postbauten neu zu artikulieren. Mit dem Abschied von Bologna gingen aber auch seine Wander- und Lehrjahre zu Ende, die er unabhängig, aufmerksam, mit Begeisterung und treu seinem ihm eigenen temperamentvollen Wesen zugebracht hatte. 29

1 A. Mazzoni, Vogelperspektive der Stadt Bologna, 1918/1919: Studie zur Freilegung der Apsiden der Kirche San Domenico (im Vordergrund rechts) und Planung eines locker bebauten Quartiers mit Gärten, im Hintergrund die Hügel von Bologna mit dem Sanktuarium San Luca (rechts) und der Villa Aldini (links), in der Bildmitte der Palazzo Bociocchi (Justizpalast)

2 A. Mazzoni, „Prima pensilina da me disegnata (in pietra)“, 1913 (?). 3 A. Mazzoni, „Roma, porta pinciana“, Skizze „dal vero“ 3. 9. 1919 1918 schickte Mazzoni eine Fotografie der aquarellierten Zeichnung an Gus- tavo Giovannoni, der sie kommentierte: „Ma perché mai quell’aspetto massic- cio, quel carattere straordinariamente esagerato di robustezza o di peso? (...) E perché non valersi, dato il tema, dell’elemento ornamentale che può trarsi dalle lampade elettriche?“ (Brief vom 15. 9. 1918) 30

4 Cesare Bazzani, Planung der Kunstausstellung in Valle Giulia anlässlich der internationalen Architektur- und Kunstausstellung in Rom 1911: 4 Vogelperspektive des Ausstellungsgeländes, 1908-1911, rechts der Palazzo delle Belle Arti, dahinter der österreichische Pavillon 5 Palazzo delle Belle Arti, Rom 1911

Josef Hoffmann, Pavillon der österreichischen Künstlerdelegation an der Kunstausstellung in Valle Giulia, Rom 1911: 6 Ansicht des Projekt 7 Grundriss 8 Ansicht des Pavillons von der Strasse aus 9 Einblick in den Skulpturenhof 5

6 7

8 9 31

10 A. Mazzoni, Zeichnungen für das Diplom „professore di disegni architettonici“ an der Accademia di Belle Arti in Bologna, 2. November 1922: Projekt für eine mit Bauten, Strassen, Brunnen und Pflanzen ausgestattete Brücke, Details von der Beleuchtung, den Toren am Brückenkopf, der Ein- und Durchgänge 32

11 Frank Lloyd Wright, Imperial Hotel, Tokio, 1915-1922 12 Jószef Vágó (Giuseppe Vago), Projekt für eine Gartenstadt, Rom, 1920

13 Josef Hoffmann, Villa Ast in Wien, 1909-1911 14 A. Mazzoni, Entwurf für den Bahnhof von Fidenza, 1922-1924 (Detail nachgez. KA)

15 Klosterhof von Santo Stefano, Bologna (2011) 16 A. Mazzoni, Wettbewerbsentwurf für das Gefallenendenkmal von Genua, 1923/1924 1.2 Theoretischer Kontext: Der architektonische Diskurs in Rom zu Beginn des 20. Jahrhunderts

1.2.1 Die Associazione Artistica fra i Cultori di Architettura

Zur Zeit, als Mazzoni die Ausbildung zum Ingenieur und Architekten begann, hatte sich die Associa- zione Artistica fra i Cultori di Architettura di Roma als eine der einflussreichsten Architekten- und Künstlervereinigungen in Rom etabliert. Ihr vielseitiges Wirken in den Jahren zwischen 1890 und 1927 vermag nicht nur die Geisteshaltung und das künstlerische Klima von damals beispielhaft zu widerspiegeln, die Associazione Artistica wurde auch zu einem wichtigen Faktor für die Entwicklung des Architekturverständnisses von Mazzoni. Viele der Fragen, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Italien zur Diskussion gestanden hatten und im Kreis der römischen Vereinigung verhandelt wurden, nahmen für seinen Werdegang einen bedeutenden Stellenwert ein, um 1917 schrieb er sich als Mit- glied ein, und im Frühjahr 1922 trug er in Bologna zur Gründung einer lokalen Sektion bei, die sich dort nach dem römischen Vorbild konstituierte.63 Obwohl er nur die letzten Jahre vor der Auflösung der Vereinigung miterlebte, bewegte er sich im unmittelbaren Umfeld ihrer langjährigen Mitglieder, die seine Ausbildungszeit als Lehrmeister, Kollegen und Gesprächspartner prägten. Die breite Aus- richtung von Mazzonis Interessen, die künstlerische, konstruktive, städtebauliche, bauhistorische, funktionale und dekorative Aspekte gleichermassen fokussierten und im gebauten Werk zum Aus- druck gebracht wurden, entsprach weitgehend der integralen Auffassung von Architektur, wie sie die Associazione Artistica vertrat. Diese zeichnete sich massgeblich dadurch aus, dass sie sich mit der Ar- chitektur nicht in einem eng gesetzten, auf bauliche Fragen begrenzten Rahmen beschäftigte, vielmehr verstand sie die Architektur als Rotationspunkt, um den herum die gesamte Kultur im Sinne der Kunst kreiste und die, mit Verantwortung gegenüber der Gesellschaft, erneuert werden sollte. Im Gegensatz zu den ihr verwandten Gruppierungen, etwa der Federazione Architetti Italiani oder der Società degli Ingegneri e degli Architetti Italiani, wies sie überdies eine sehr heterogene Zusammensetzung ihrer Mitwirkenden und ein ebenso vielschichtiges Aktionsfeld auf.64 An der Wende zum Zwanzigsten Jahrhundert formierte sich in Italien eine Vielzahl neuer Architek- tur- und Künstlervereinigungen, die Architekten, Ingenieure, Maler, Bildhauer, Kunsthandwerker, Theoretiker, Historiker, Kritiker, Archäologen und Kunstfreunde unterschiedlicher Provenienz in verschiedenartig ausgerichteten Interessengemeinschaften zusammenbrachten. Das Aufkommen solcher Gruppierungen rührte unter anderem von der als problematisch empfundenen Entwicklung der künstlerischen und beruflichen Bedingungen her, mit denen sich die Beteiligten zunehmend kon- frontiert sahen. Mit den komplexen Verhältnissen, die im 19. Jahrhundert aus der fortschreitenden

63 Mazzoni wird als Mitglied der Associazione Artistica fra i Cultori di Architettura di Roma aufgeführt in: Annuario 1925, S. 80; Annuario 1929, S. 114. Zur Gründung der Associazione Amatori e Cultori di Architettura dell’Emilia e delle Roma- gne vgl. Architettura e Arti Decorative, März/Apr. 1922, S. 591-592; Il Resto del Carlino, 23. Mai 1922, [o. S.]. 64 Die beiden anderen nationalen Vereinigungen waren zwar überregional organisiert, vertraten aber ausschliesslich eine be- stimmte Berufsgruppe, d.h. die Federazione (gegr. 1905) nahm an Kunstschulen­ ausgebildete Architekten auf, die Società (gegr. 1885) Absolventen von Ingenieurschulen, vgl. Giovannoni 1916 (1), S. 25; Berta 2008, S. 30-35, 42-50. Neben diesen Gruppierungen gab es in den grösseren Städten im Norden und Zentrum Italiens auch viele kleine, regionale, wie etwa der Circolo Artistico Veneziano (gegr. 1875), die Società Storica Lombarda (gegr. 1873), die Società degli Ingegneri e degli Architetti in Turin, der Comitato per Bologna storica e artistica (gegr. 1899) u.a., vgl. Atti del Seminario 1990, S. 37-39, 59-66. In Rom hatten Künstlervereinigun­ ­gen mit den Virtuosi al Pantheon (gegr. 1542) und der Accademia di San Luca (gegr. 1577) bereits eine lange Tradition. Vgl. auch Zucconi 1989, S. 93-131. 34 Theoretischer Kontext 1.2

Industrialisierung, dem Wachstum der Städte, den sich verändernden gesellschaftlichen Strukturen und der Suche nach nationaler Identität heraus erwuchsen, ging nicht nur die Sensibilisierung für eine neue Wirklichkeit einher, sondern auch die allmähliche Konsolidierung neuer Disziplinen wie die Kunst- und Architekturgeschichte, der Städtebau und die Denkmalpflege. Das Augenmerk der kultu- rellen Kräfte richtete sich in besonderem Mass auf Rom, das sich nach der Ernennung zur Hauptstadt des vereinten Italiens (1871) zum politischen Zentrum des neuen Nationalstaates entfalten sollte. In Form von Bauvorhaben und Massnahmen zur städtischen Umgestaltungen, wie auch mittels intensiv geführter Debatten zwischen den an diesen Prozessen beteiligten Architekten, Künstlern und Auftrag- gebern, häuften sich dort entsprechend wichtige architektonische Ereignisse.

1.2.1.1 Architektur und Städtebau als kulturelles Unterfangen Die Associazione Artistica wurde im Januar 1890 in Rom vorwiegend von Architekten ins Leben gerufen.65 In ihren Statuten hielt sie einleitend fest: „L’associazione ha per iscopo di promuovere lo studio e rialzare il prestigio dell’architettura, prima fra le arti belle“. Danach folgte eine Aufzählung aller Aktivitäten, die zur Erreichung dieser beiden Ziele notwendig waren: die Mitglieder sollten sich dem Studium der historisch und künstlerisch wertvollen Kulturgüter Italiens widmen und für deren Schutz und Erhaltung eintreten, sie sollten öffentliche Ausstellungen über ausgeführte oder geplante Projekte realisieren, Artikel publizieren und Vorträge halten, Förderpreise vergeben und Wettbewer- be veranstalten, sich für die Ausschreibung von Wettbewerben für öffentliche Bauten einsetzen, eine Bibliothek zum Studium der Architektur einrichten, den Kontakt zu anderen Institutionen und wichti- gen Persönlichkeiten pflegen und Ausflüge für die Mitglieder organisieren. Anschliessend wurde der Grundsatz bekräftigt: „Essendo l’arte scopo esclusivo della Associazione questa deve rimanere estra- nea a qualunque manifestazione politica.“66 Hehres und höchstes Ziel allen Bestrebens war demnach die Kunst, und unter allen Künsten gab die Associazione Artistica der Baukunst den Vorrang, weil sie die anderen – die Malerei, die Bildhauerei, die Musik, die Poesie, das Theater und das Kunsthandwerk – in ihrer Ordnung mit einschloss und ihnen Raum bot; und weil sie, wie spätestens seit Vitruv festgeschrieben war, in der Verbindung von Kunst und Wissenschaft, von Theorie und Ausführung, höchste Ansprüche an die Fähigkeiten des Baumeisters erhob und darum umfassende Kenntnisse von ihm verlangte.67 Um die besten und fähigs- ten aller Kräfte im Kreis der Associazione Artistica zu bündeln, war für eine Mitgliedschaft nicht die Bescheinigung beruflicher oder akademischer Titel ausschlaggebend, sondern die der Verdienste, die durch eigenständige Tätigkeit erworben worden waren.68

65 Darunter bekannte Persönlichkeiten wie z.B. Ernesto Basile, Carlo Busiri, Giovanni Battista Giovenale, Gaetano Koch, Giulio Magni, Manfredo Manfredi, Pio Piacentini, Giuseppe Sacconi. Für die vollständige Liste aller 24 Gründungsmit­ glieder vgl. „Elenco dei soci promotori“, in: Annuario 1891, S. 7. 66 Vgl. „Statuto. Capitolo I. Scopo e formazione della associazione. Articolo 2“, in: Annuario 1891, S. 9-10. Die revidierten Statuten ergänzten die Tätigkeitsfelder noch durch das Engagement für die Lehre, die Unterstützung künstlerischer Insti- tutionen und die Berufsausübung, vgl. Annuario 1901, S. 65. 67 Vgl. Vitruv 2009, S. 17-23. Die Haltung der Vereinigung knüpfte an die Debatte um die Vorrangstellung der Künste an, die den Wettstreit zwischen den verschiedenen Kunstgattungen (Paragone) seit Jahrhunderten geprägt hatte. 68 Es gab folgende Mitgliederkategorien: soci effettivi: jene, die sich mit architektonischen Werken, herausragenden Wettbe- werbsbeiträgen, monumentaler Malerei oder Bildhauerei oder mit archäologischen oder architekturhistorischen Studien besonders hervorgetan hatten; soci aderenti: jene, die sich im Kunstgewerbe verdient gemacht hatten; soci corrispondenti: ausserhalb Roms wohnhafte Mitglieder; azionisti d’incoraggiamento: übrige Personen und Körperschaften. Vgl. Annuario 1891, S. 10-11, 23-24. Die Kategorien wurden später revidiert: für Archäologen und Kunsthistoriker wurde eine eigene Gruppe geschaffen (soci aggregati), die Künstler wurden zu den soci effettivi eingeordnet und nach den Bereichen: a) Ar- 1.2 Der architektonische Diskurs in Rom zu Beginn des 20. Jahrhunderts 35

Das gemeinsame Programm war, wie aus den Statuten hervorgeht, ein zweifaches: Einerseits sollten wissenschaftliche Studien gefördert werden („promuovere lo studio“), um die historischen Kultur- güter zu erforschen und daraus Erkenntnisse für die Architektur- und Kunstgeschichte zu gewin- nen.69 Erkenntnisgewinn bedeutete aber nicht allein die geistige Erschliessung des kulturellen Erbes, sondern bildete auch für die Beurteilung gegenwärtiger architektonischer Fragen die unabdingbare Voraussetzung, unabhängig davon, ob es sich um eine denkmalpflegerische Aufgabe oder um eine Neugestaltung handelte. Auf der anderen Seite sollten die Arbeit und das Engagement der Mitglieder bewirken, dass die Architektur in der Öffentlichkeit­ wieder als künstlerische Disziplin wahrgenom- men und respektiert würde („rialzare il prestigio dell’architettura“). Wenngleich bescheiden formu- liert, so war dieses Ziel höchst ehrgeizig und in seiner Umsetzung komplex, denn die Bemühungen der Associazione Artistica zielten nicht nur auf die Steigerung des Ansehens von Architektur, sondern strebten darüber hinaus die ganzheitliche Erfassung der Disziplin an, die praktische genauso wie theo- retische und didaktische Inhalte berücksichtigen sollte: im Brennpunkt standen sowohl die berufliche Tätigkeit der Architekten wie auch deren Ausbildung, die praktische Ausführung von Bauwerken wie auch ihre theoretischen Grundlagen, die Bewahrung alter Bausubstanz wie auch die Konzeption neuer Projekte, die Überarbeitung gesamter Stadtgefüge ebenso wie die Anerkennung ihrer einzelnen Bestandteile. Die heterogene Disposition der Vereinigung machte es möglich, dass unterschiedliche, konservative wie innovative Gesinnungen nebeneinander bestehen konnten und einander widerstre- bende Kräfte erfolgreich zusammenwirkten.70 Als im Mai 1922 die Regionalgruppe Associazione Amatori e Cultori di Architettura dell’Emilia e delle Romagne in Bologna gegründet wurde, hielt Mazzoni anlässlich der Einweihungsfeier vor der versammelten Gesellschaft eine Rede, die er mit folgenden Worten einleitete: „Bologna è città eminentemente architettonica: le arti figurative fanno capo all’Architettura, vivono da essa e per essa. È quindi logico l’attività artistica di questa città abbia per centro una Associazione la cui tutte le Arti si tro- vino unite sotto l’egida dell’Architettura.“71 Wichtiger noch als die Frage nach der Vorrangstellung der Künste war aber der Wunsch, dass die verschiedenen Kunstgattungen wieder stärker als Teil der architektonischen Komposition betrachtet würden. Die Zielsetzungen, die Mazzoni nach seiner Einleitung darlegte, gliederten sich nach drei Gebieten: Schutz und Erforschung der Kulturgüter, Entwicklung der städtischen Strukturen unter Be- rücksichtigung der bestehenden Umgebung sowie Bekanntmachung der Kunst und der Künstler in der Öffentlichkeit mittels Wettbewerben und Ausstellungen. Mit diesen Erklärungen schloss sich die neue Schwestervereinigung im Wesentlichen den Grundsätzen an, die für die römische Associazione Artis- tica bereits seit über dreissig Jahren Gültigkeit hatten.72 Inhaltlich sah sich die Associazione Artistica einem grossen Spektrum von Aufgabestellungen ver- pflichtet. Ihre Aktivitäten lassen sich den vier primären Kernthemen Denkmalpflege, Städtebau, -Di

chitektur; b) Malerei, Skulptur; c) grafische, dekorative Kunst; d) Schmiede- und Industriekunst gegliedert, vgl.Annuario 1901, S. 68-69. 1906 wurde die Gruppe der soci studenti geschaffen, vgl. Annuario 1908, S. 9. 69 „Se agli altri dobbiamo insegnare, se alla nostra arte dobbiamo acquistare proseliti, dobbiamo quest’arte possederla com- pletamente, e per possederla non conosco mezzo migliore che studiarla (...).“ (Giovenale 1892, S. 13.) 70 Neuerer wie Konservative könnten sich im Kampf um den künstlerischen Fortschritt verdient machen, meinte z.B. Pio Piacentini im Nachruf auf Gaetano Koch, und weiter: „Gaetano Koch, in questa feconda lotta, ha preso posto fra i conser- vatori, ma, ripeto, fra i conservatori sapienti, studiosi e intelligenti che sanno rendersi conto esattamente e serenamente dei pregi da difendere e dei difetti da combattere in ognuno dei due campi.“ (Piacentini, P. 1910, S. 140-141.) 71 („La relazione Mazzoni“, in: Il Resto del Carlino, 23. Mai 1922, o. S.) Mazzoni sprach als Sekretär der Vereinigung. 72 Vgl. Architettura e Arti Decorative, März/Apr. 1922, S. 591. 36 Theoretischer Kontext 1.2 daktik und Gesetzgebung zuordnen. Zwei permanent aktive Kommissionen beschäftigten sich mit dem Schutz von Bauwerken in der Stadt Rom und in der Provinz Latium. Ihre Aufgabe war es zu überwachen, ob historisch oder künstlerisch wertvolle Artefakte durch Zerstörung oder Neuerungen gefährdet waren und gegenüber den Behörden und der Allgemeinheit verteidigt werden mussten. Im Lauf der Jahre erstellten die Mitwirkenden ein Inventar „di tutto quanto s’incontra di monumentale percorrendo le piazze e le vie di Roma“.73 Es beinhaltete Angaben, Zeichnungen, Vermessungsdaten und Fotografien von allen als „Baudenkmal“ („monumento“) eingestuften Objekten. Die so verzeich- neten Bauten, Bauteile, Brunnen, Wappen, Gedenktafeln und einzelnen Fragmente wurden nach drei Klassen bewertet, wobei die Associazione Artistica der dritten besondere Beachtung entgegenbrachte. Sie versammelte all jene Werke, denen keine einmaligen Erinnerungswerte oder charakteristische Stil- merkmale zugeschrieben wurden, die aber dennoch einen respektablen Bezug zur Geschichte und zur Kunst aufwiesen. Im Gegensatz zu den Erst- und Zweitklassifizierten durften sie abgerissen werden, falls höher eingeschätzte Interessen dies verlangten. Weil sie den Zerstörungsmechanismen dadurch wesentlich mehr ausgeliefert waren, wollte man sie wenigstens in Form von Dokumenten den nach- kommenden Generationen erhalten wissen.74 1912 wurde mit der Publikation Inventario dei monu- menti di Roma das Ergebnis der Inventarisierung vorgelegt, 1926 und 1927 erschienen mit den beiden Bänden Architettura minore in Italia weitere wichtige Beiträge zu diesem Thema.75 Die Associazione Artistica strengte mit ihren Untersuchungen eine Sensibilisierung für die als ar- chitettura minore bezeichnete, autorenlose Architektur an.76 Ihre Bemühungen weckten zweifellos auch das Interesse Mazzonis, was seine in den frühen 20er Jahren verfassten Schriften und die grosse Aufmerksamkeit, welche die regionale Associazione von Bologna der architettura minore unter seiner Wortführung schenkte,77 bekräftigen. Aus Skizzen, die er während seiner Ausbildungszeit anfertigte, geht hervor, dass er sich keineswegs nur an klassischen Vorbildern oder Meilensteinen der Architektur orientierte, sondern genauso bei den einfachen, alltäglichen Bauten nach architektonischen Qualitäten suchte, und in seinem gebauten Werk werden die verschiedenartigen Bezugnahmen, die seine Ent- wurfsarbeit beeinflussten, tatsächlich sichtbar. Mit seiner Haltung bewegte sich Mazzoni im grösseren Kontext eines allgemeinen Diskurses, denn die Korrelation zwischen traditionellen, klassischen und modernen Werten war damals für das Schaffen der italienischen Architekten und für die Entwicklung der modernen italienischen Architektur bezeichnend.78 Die anderen, mit denkmalpflegerischen Aufgaben betrauten Kommissionen der Associazione Artis- tica befassten sich in der Regel mit einem spezifischen Objekt oder Bauensemble, das sie gründlich befragten und dokumentierten und bei dem sie gegebenenfalls eine Intervention vor Ort begleiteten. Das erste, ab 1890 erfolgreich betreute Studienprojekt war der Baugruppe der Basilika Santa Maria in

73 Die Inventarisierung der städtischen Kulturgüter lag 1900 als Entwurf vor, das Heft des ersten von insgesamt fünfzehn Quartieren (Rione Monti) wurde 1903 gedruckt, vgl. Annuario 1901, S. 54-55; Annuario 1904, S. 6-7. 74 Bezüglich der Tätigkeit der Kommissionen „Studio e tutela dei monumenti“ und ihrer Arbeit am Inventar vgl. „Relazione della commissione di tutela dei monumenti di Roma intorno al suo programma di lavori per l’anno MDCCCXCII“, in: Annuario 1892, S. 14-17; Annuario 1901, S. 54-56; Associazione Artistica, Annuario 1904, S. 3-7. 75 Vgl. Inventario dei monumenti a Roma 1912. Insgesamt erschienen drei Bände zur architettura minore, 1926 und 1927 die beiden ersten über Rom, 1940 ein dritter Band über Latium, vgl. Architettura minore in Italia 1926; Melis 1926; Ar- chitettura minore in Italia 1927; Architettura minore in Italia 1940. 76 Mit architettura minore wurde vernakuläre, volkstümliche und insbesondere anonyme Architektur bezeichnet. Im Unter- schied zu den monumenti insigni, den herausragenden, epochalen Bauwerken, konnte architettura minore auch wertend im Sinne von „unbedeutender“ Architektur verwendet werden. 77 Vgl. Architettura e Arti Decorative, März/Apr. 1922, S. 591; Il Resto del Carlino, 23. Mai 1922, o. S. 78 Vgl. weiterführend das Kapitel 1.2.2. 1.2 Der architektonische Diskurs in Rom zu Beginn des 20. Jahrhunderts 37

Cosmedin gewidmet.79 Bauaufnahmen, strukturelle und stoffliche Untersuchungen sowie unerwartete Funde liessen erstmals eine detaillierte Rekonstruktion ihrer Baugeschichte zu und ermöglichten die Unterscheidung von Eingriffen vergangener Zeiten auf einer wissenschaftlichen Basis. Die stilisti- schen und bautechnischen Analysen lieferten wertvolle Erkenntnisse für die Kunstgeschichte und Ar- chäologie, anhand derer sich bislang falsche Überlieferungen widerlegen liessen. Die zunächst wertfreie Betrachtung aller historischen Epochen und Werke stellte eines der Grundprin- zipien dar, nach denen die Associazione Artistica bei ihren Recherchen vorzugehen beabsichtigte.80 Diese Maxime kann auch für die Arbeitsweise von Mazzoni geltend gemacht werden. Die Frage nach der Deutung historischer Bausubstanz und die Suche nach einem angemessenen Umgang damit spiel- ten bei seiner Tätigkeit stets eine wesentliche Rolle, und zwar nicht nur, weil seine Projekte mehrheit- lich in einer unmittelbar historischen Umgebung situiert waren, sondern auch, weil ihm seine eigene, stark kontextbezogene Vorgehensweise unweigerlich Antworten darauf abverlangte. Das Postgebäude in Trient, mit dessen Planung Mazzoni Ende 1927 beauftragt wurde, bestätigt diese Annahme para- digmatisch: Gemäss städtischen und denkmalpflegerischen Auflagen musste der Architekt für den Bau der Post einerseits Originalteile des bedeutenden Renaissance-Palazzo „a Prato“ aus der Zeit des Tri- dentiner Konzils in sein Projekt integrieren, andererseits sollte der Vorgängerbau aus österreichisch- ungarischen Herrschaftszeit, der ebenfalls die vorgesehene Bauparzelle besetzte, beseitigt werden, weil dessen Präsenz nach den Ereignissen des Ersten Weltkriegs angeblich die italienisch-nationalen Gefühle beleidigte.81 Diese beiden Bedingungen erfüllte Mazzoni zur allgemeinen Zufriedenheit. Dennoch: anstatt den ungeliebten Bau abzureissen, was eine naheliegende, möglicherweise sogar die einfachste Lösung gewesen wäre, kleidete er ihn lediglich neu ein, im Kern aber liess er den Grossteil der Strukturen und der räumlichen Formationen bestehen. Sie blieben höchstens noch für jene lesbar, die mit der baulichen Vergangenheit des neuen Postgebäudes vertraut waren. Mazzoni hatte demnach entschieden, den österreichisch-ungarischen Bau als integralen Teil der ortspezifischen Geschichte in seiner Substanz weitgehend zu bewahren. Dieser Haltung liegt ein historisches Bewusstsein zugrunde, das über den begrenzten Zeitraum der eigenen Generation hinausweist.

In städtebaulicher Beziehung brachte die Associazione Artistica dem Bebauungsplan von Rom („pia- no regolatore“) das grösste Interesse entgegen. Nachdem sich die Stadt 1870 infolge der Kämpfe der Risorgimento-Bewegung dem vereinten Italien angeschlossen hatte, stand sie in politischer, gesell- schaftlicher und wirtschaftlicher Hinsicht am Anfang eines tiefgreifenden Wandels. Als vormalige Hauptstadt des Kirchenstaates erlangte Rom 1871 mit der offiziellen Ernennung zur Kapitale der Nation und mit der Niederlassung des italienischen Königshauses einen doppelten zentralistischen Status.82 Dem politischen Machtwechsel folgten unmittelbar erste Pläne für einen Stadtumbau, der

79 Die Associazione Artistica erhielt im Gründungsjahr vom Ministero della Pubblica Istruzione den Auftrag zur Untersu- chung des Kirchenkomplexes und arbeitete unter der Leitung von Giovanni Battista Giovenale ein Restaurierungspro- jekt aus. Vgl. Annuario 1892, S. 4-5; Annuario 1894, S. 4-6. Zu Santa Maria in Cosmedin vgl. Giovenale 1927. Weitere umfangreiche Forschungsschwerpunkte der Associazione Artistica waren z.B. der mittelalterliche Torre degli Anguillara (ab 1894), die Basilika San Saba (ab 1897) und die Palazzi Venezia und Caffarelli (ab 1915). Daneben fanden unzählige kleinere Bauten und Kunstwerke die Aufmerksamkeit der Vereinigung, längst nicht alle konnten jedoch so gründlich un- tersucht und betreut werden. Siehe weiterführend die Annuarii, die Jahresberichte der Vereinigung. 80 Gleichwohl stand sie ihren Untersuchungsgegenständen nie neutral gegenüber, vgl. hierzu Giovenale 1892, S. 5; Vgl. auch die kritische Bemerkung in diesem Zusammenhang von Gustavo Giovannoni in: Giovannoni 1929 (1), S. 154-155. 81 Vgl. Pasetti Medin 2003, S. 227-228. 82 Vittorio Emanuele II. (1820-1878), Angehöriger des Hauses Savoyen und König von Piemont-Sardinien, wurde nach der Proklamation des Nationalstaates am 17. März 1861 in Turin zum ersten König Italiens ernannt, im Juni 1871 zog er mit 38 Theoretischer Kontext 1.2 dem Begehren nach Erneuerung, Vergrösserung und Verschönerung gerecht werden sollte. Die Über- siedlung der Regierung mit der dazugehörigen Administration aus Florenz führte im Bereich der öffentlichen Bauten zu beträchtlichen Engpässen, gleichzeitig löste der Zuzug der vielen auswärtigen Beamten mit ihren Familien einen akuten Wohnungsmangel aus. Die Besitzverhältnisse und die dichte Struktur der Stadt mit ihren engen, verwinkelten Strassenzügen und verborgenen Plätzen waren aber weder auf den Raumbedarf der Verwaltung, die in neuen Ministerien oder bereits vorhandenen Alt- bauten untergebracht werden musste, noch auf die schnelle Bevölkerungszunahme vorbereitet, noch war die Stadt für das erwartete Verkehrsaufkommen und die neuen Fortbewegungsmittel wie Stra- ssenbahn und Automobil gerüstet. Die infrastrukturellen und hygienischen Zustände entsprachen nicht den Vorstellungen eines modernen und repräsentativen Städtebaus, wie ihn damals etwa Paris oder Wien bereits vorgaben. 1865 war auf nationaler Ebene erstmals eine Gesetzesgrundlage für die Stadtplanung geschaffen wor- den, die den italienische Städten den piano regolatore als Planungsinstrument zur Verfügung stellte, so dass sie Erweiterungen und Umbauten in einem normativen Rahmen vorbereiten und steuern konn- ten.83 In Rom wurde 1882 ein erster solcher Plan verbindlich ratifiziert.84 Das Fehlen von wirksamen Mitteln zur städtebaulichen Regulierung hatte während der Jahre nach der Einigung einer unkontrol- lierten privaten Bauspekulation Vorschub geleistet. Das so genannte Baufieber („febbre edilizia“) fand dann aber 1887, infolge der internationalen Finanzkrise, ein jähes Ende.85 Die Associazione Artistica erachtete es von Anfang an als eine ihrer Hauptaufgaben, grösstmöglichen Einfluss auf die Ausarbeitung des neuen Bebauungsplans zu nehmen, um die städtische Entwicklung Roms trotz einsetzender Baukrise und fehlender Gelder in den Griff zu bekommen – nicht zuletzt im Interesse der vielen Baudenkmäler, die von potenziellen Eingriffen direkt betroffen waren. Ab 1901 hielt sie mit dem Bildhauer Ettore Ferrari einen Abgeordneten aus den eigenen Reihen im städti- schen Ausschuss,86 der bis 1907 für die Planung zuständig war. Nach der Wahl Ernesto Nathans zum Bürgermeister von Rom (1907-1913) wurde der Auftrag für den Entwurf indes an den sardischen Ingenieur Edmondo Sanjust di Teulada übertragen, der 1908 den neuen Plan vorlegte.87 Der Veröffent- lichung folgten sogleich allseits rege Diskussionen. Die Associazione Artistica bildete gemeinsam mit der Società degli Ingegneri e degli Architetti Italiani ein Komitee, das unter der Leitung von Filippo Galassi den Bebauungsplan ausführlich prüfte. Vor allem die vorgesehenen Massnahmen innerhalb des alten Stadtkerns wurden kritisch betrachtet, aber auch die Erweiterungen jenseits der antiken Mauer, wo neue Quartiere für die Arbeiterschaft und die Staatsangestellten errichtet werden sollten, stellten eine Herausforderung neuartiger Dimension dar.88 Mit der Unterstützung weiterer Vereinigun-

seiner Regierung von Florenz, Hauptstadt seit 1865, nach Rom. 83 R.D.L. [Regio Decreto Legge], 15. Jan. 1865, Nr. 2892. Diese Verordnung blieb bis zum Erlass der Legge Urbanistica vom 17. Aug. 1942, Nr. 1150, die einzige gesetzliche Grundlage für städteplanerisches Vorgehen. 84 Der piano regolatore von 1882 wurde �������������������������������������������������������������������������������vom technischen Büro der Stadtverwaltung unter der Leitung des Ingenieurs Ales- sandro Viviani ausgearbeitet und knüpfte inhaltlich an einen ersten gescheiterten Entwurf von 1873 an. Zur Entwicklung der piani regolatori vgl. Lugli 1998, S. 123-141. 85 Zur Geschichte und zur baulichen Entwicklung Roms nach der Einigung vgl. Portoghesi 1968; Accasto, Fraticelli, Nicoli- ni 1971; De Polis, Ravaglioli 1971; Kiess 1991, S. 177-180; Cuccia 1991; Hentschel 2009, S. 21-50. 86 Vgl. Annuario 1902, S. 5. 87 Vgl. Sanjust di Teulada 1908. 88 Nach 1909 zählten zu den wichtigsten, von der Associazione Artistica betreuten Eingriffen innerhalb der Stadtmauer die Freilegung der Gebiete um das Nationaldenkmal Vittoriano und der Fori Imperiali und die Neugestaltung des Corso del Rinascimento. Die ersten, nach der Jahrhundertwende ausserhalb der Stadtmauer gebauten Quartiere waren Flaminio, Mazzini, Trionfale, Ostiense, Appio, Tiburtino, Piazza Bologna, Trieste, vgl. Lugli 1998, S. 141. 1.2 Der architektonische Diskurs in Rom zu Beginn des 20. Jahrhunderts 39 gen arbeitete das Komitee Verbesserungsvorschläge aus und unterbreitete sie dem Stadtrat.89 Im Au- gust 1909 wurde der piano regolatore schliesslich unter Einbezug etlicher dieser Anregungen definitiv verabschiedete und blieb bis 1931 in Kraft. Wichtige Impulse für die im Kreis der Vereinigung geführten Diskussionen über städtebauliche Grundsätze und Lösungen gingen von den Theorien aus, die durch die Schriften von Camillo Sitte, Josef Stübben, Charles Buls und Ebenezer Howard um die Jahrhundertwende im europäischen Raum Verbreitung gefunden hatten.90 Ihre Bücher wurden auch in Italien zu Schlüsselwerken für den moder- nen Städtebau, ähnlich wie es zuvor diejenigen von Eugène Emmanuel Viollet-le-Duc, John Ruskin oder Auguste Choisy für die italienische Theorie und Geschichte der Architektur und der Denkmal- pflege gewesen waren.91 An zahlreichen internationalen Konferenzen erhielten die Mitglieder der Associazione Artistica die Gelegenheit, mit verschiedenen Positionen der Städteplanung bekannt zu werden und sich mit anderen Fachgrössen etwa aus Deutschland, Österreich, Holland, Belgien, Eng- land oder Frankreich zu besprechen.92 Führend in den städtebaulichen Debatten Italiens wurde nach 1910 zweifelsohne Gustavo Giovannoni, dessen eigene theoretische Schriften für die nachfolgende Architektengeneration, derjenigen Mazzonis, wegweisend werden sollten.93 Durch seine Abhandlungen hat Giovannoni vor allen Dingen den Begriff des ambientismo geprägt.94 Mit „ambiente“ umschrieb er die kontextuellen Bezüge der Architektur; er bezeichnete damit die Gesamtheit der äusseren Bedingungen, die ein Bauwerk charakterisieren: räumlich-physische Gege- benheiten und visuell-ästhetische Aspekte von umgebenden Bauten und Landschaft gehörten gleicher- massen dazu, wie das historische und kulturpolitische Gefüge, das durch die formale und stilistische Ordnung der Architektur vermittelt wurde. Mazzoni eignete sich die Lehre Giovannonis, die dem ambiente eine zentrale Bedeutung in der Architektur beimass und sich somit explizit von der Objekt- fixierung des 19. Jahrhundert distanzierte,95 weitgehend an. Erste Hinweise finden sich in den Briefen, die Giovannoni 1918 an seinen Schüler richtete, um ihm die Städtebautheorie des diradamento („Aus- lichtung“) zu erläutern. Mazzoni hatte ihn offenbar im Zusammenhang mit dem Projekt für Bologna, an dem er damals mit Giuseppe Vaccaro arbeitete, um seine Meinung gebeten. Ohne eine spezifische Antwort zu geben, resümierte Giovannoni in wenigen Worten die Kerngedanken der beiden Aufsätze, die er 1913 in der Zeitschrift Nuova Antologia publiziert hatte,96 und merkte an, dass er gemeinsam mit Marcello Piacentini die dort angeführten Konzepte eben gerade bei der Planung der römischen Stadtquartiere Ponte und Parione anwende.97 Als Mazzoni seine Bologneser Studien 1922 veröffent- lichte, zitierte er darin nicht etwa aus den Originalartikeln von Giovannoni, sondern gab die entschei- dende Stelle aus dessen Brief wortwörtlich wieder.98 Anlässlich der Vereinsgründung in Bologna im

89 Vgl. „Il piano regolatore del centro di Roma“, in: Annuario 1908, S. 13-18; „Relazione sul piano regolatore della città di Roma“, in: Annuario 1910, S. 19-35. 90 Vgl. Sitte 1889; Stübben 1890; Buls 1893; Howard 1902. Vgl. auch Magnago Lampugnani, Frey, Perotti 2008; sowie Anm. 211. 91 Vgl. Ruskin 1849; Viollet-le-Duc 1854-1868; Viollet-le-Duc 1863-1872; Choisy 1899. 92 Vgl. z.B. Galassi 1902, S. 9-14; Cannizzaro 1924, S. 383-384. 93 Vgl. Giovannoni 1913 (1), S. 449-472; Giovannoni 1913 (2), S. 53-76. 94 Giovannoni selbst sprach nur von „ambiente“,„ambientamento“,„ambientare“. Erst������������������������������������������ nachträglich wurde seine städtebauli- che Lehre gesamthaft unter dem Begriff ambientismo (als „Ismus“) zusammengefasst. 95 Sitte, auf den sich Giovannoni stark berief, war laut Kemp „der erste, der sich gegen die Objektfixierung seiner Kollegen, gegen das Isolieren und ‚Herausschälen‘ von historischen und zeitgenössischen Bauten stemmte und für ein ‚Hineinkom- ponieren in die Umgebung‘ plädierte.“ (Kemp 2009, S. 374.) Vgl. entsprechend Sitte 2002, S. 35 und 37. 96 Vgl. Anm. 93 und weiterführend Kapitel 1.3.1. 97 Vgl. die Briefe vom 3. und 16.1.1918 von Giovannoni an Mazzoni, in: Forti 1990, S. 89-90. 98 Vgl. Brief vom 3.1.1918 in: Forti 1990, S. 89; Mazzoni 1922 (1), S. 8. Die Stelle wird in Kapitel 1.3.1.2, S. 78 zitiert. 40 Theoretischer Kontext 1.2 gleichen Jahr liessen sich die städtebaulichen Ideen von Giovannoni schliesslich auch in Mazzonis eigenen Worten wiederfinden: „Lo studio dei monumenti considerati isolati l’uno dall’altro (...) è opera degnissima, ma il considerare questi monumenti come parte integrale del complesso e sano organismo che è la città è cosa non meno degna. Alcuna volta un monumento lo si rispetta nel suo organismo, ma con grave danno, gli si toglie l’ambiente con mal studia- te sistemazioni edilizie. E qui si affaccia (...) la necessità di studiare con amore la sistemazione del vecchio nucleo cittadino, conciliando guidati dai sani criteri d’arte, le necessità di nuove arterie più atte al transito, con il rispetto non solo all’opere d’arte, ma all’ambiente in cui sono sorte.“99 Der hohe Stellenwert des ambiente blieb in Mazzonis Schriften und, wie noch zu sehen sein wird, in seiner Entwurfsarbeit fortan eine wiederkehrende Konstante.

1.2.1.2 Interessenskonflikte und persönliche Beziehungen Die Bemühungen der Associazione Artistica beschränkten sich nicht nur auf die städtebauliche Di- mension der Architektur, sondern sie mischte sich ebenso gezielt in die konkrete Umsetzung der einzelnen Bauvorhaben ein.100 Dabei gab es für sie drei strittige Punkte, gegen die sie jahrzehntelang ankämpfte: Ihre Kritik richtete sich zum einen gegen das spekulative Gebaren privater Bauherren, die rücksichtslos ihre wirtschaftlichen Interessen verfolgten,101 zum anderen warf sie den öffentlichen Behörden vor, sie würden eigenmächtig unqualifizierten Mitarbeitern der technisch-administrativen Büros die Ausführung von wichtigen öffentlichen Bauten überlassen.102 Und schliesslich griff sie auch wiederholt die Kategorie der Ingenieure an, die sich immer weiter in das Aufgabengebiet­ der Archi- tekten vordrängen würden.103 Diese letzten beiden Kritikpunkte sind im Hinblick auf die berufliche Laufbahn Mazzonis bedeutsam. Nach dem Eintritt in den staatlichen Dienst zu Beginn der 20er Jahre gehörte er selbst einem jener uffici tecnici an, die in den Augen der Associazione Artistica als Syno- nym für die inkompetente und bürokratische Bautätigkeit der öffentlichen Hand galten. Man konnte ihn zwar nicht wegen mangelnden Qualifikationen angehen, denn er hatte sich dank seiner dualen Ausbildung gute Voraussetzungen geschaffen, um sachverständig urteilen und handeln zu können und auch, um nicht vom Kompetenzenkonflikt zwischen Ingenieuren undArchitekten vereinnahmt zu werden. Brisanter dagegen war die Art, wie die staatlichen und kommunalen Administrationen die Vergabe von Bauaufträgen praktizierten. Deren Planung und Ausführung übernahmen meistens die internen Baubüros, wodurch eine konkurrenzlose Situation entstand, die für freiberuflicheArchi - tekten schwierig zu durchbrechen war. Überdies konnten sich die Projekte auf diese Weise oftmals

99 („La relazione Mazzoni“, in: Il Resto del Carlino, 23. Mai 1922, o. S.) 100 Während den ersten Jahren engagierte sich die Associazione Artistica z.B. für die Bebauung der Hügelkette des Giani- colo, die Bebauung des Tiberufers nach der Errichtung des Hochwasserschutzes, die Planung des ersten ausserhalb der antiken Stadtmauer liegenden Quartiers Prati und die Neuordnung der Piazza Venezia, vgl. weiterführend die Annuarii. 101 Vgl. z.B. den Protest der Associazione Artistica gegen den Abriss der Stadtmauer und -tore in Bologna oder gegen die Zerstörung von Dekorationselementen im römischen Justizpalast, in: Annuario 1904, S. 4. Die Vereinigung versuchte den Missständen entgegenzutreten, indem sie die Schaffung neuer Gesetze veranlasste, demnach sollte ein verbindliches Baureglement das Baugeschehen disziplinieren und die Spekulation eindämmen, ein weiteres Gesetz sollte den Kulturgü- terschutz regeln. Vgl. Annuario 1893, S. 18; Annuario 1901, S. 27; Fraticelli 1982, S. 27. 102 „(...) e si permise che incarichi importanti fossero affidati direttamente a beneplacito di sindaci e di ministri. Così abbiamo veduto edifici pubblici di indole eminentemente architettonica affidati a persone sprovviste di coltura artistica e vediamo sorgere innumerevoli edifici scolastici coi tipi e sotto la direzione di impiegati contabili elevati, per economia, al grado di architetti governativi.“ (Giovenale 1891, S. 20-21.) 103 „Di ingegneri laureati le scuole di applicazione ne produssero una quantità; e questi non trovando ponti o ferrovie da costruire, né officine meccaniche da impiantare, si adattarono a far progetti per case, chiese e palazzi.“(Ebenda, S. 20.) Wegen des Zerwürfnisses zwischen Architekten und Ingenieuren nahm������������������������������������������������������ sich die Associazione Artistica speziell auch di- daktischer Fragen an und verlangte die Reformierung des Ausbildungswesens. Vgl. weiterführend Kapitel 1.2.3. 1.2 Der architektonische Diskurs in Rom zu Beginn des 20. Jahrhunderts 41 einer unabhängigen Qualitätskontrolle entziehen. Öffentliche Bauaufträge waren aber insgesamt (und besonders in der Zwischenkriegszeit) nicht nur sehr zahl- und umfangreich, sondern aufgrund ihrer repräsentativen Funktion ebenso prestigeträchtig wie begehrt. Mazzoni und seine Mitarbeiter zogen aus der privilegierten Stellung der uffici tecnici einen erheb- lichen Vorteil, da die Arbeiten der staatlichen Eisenbahnen, namentlich der Bau von Bahnhofs- und Postbauten, ihnen direkt übertragen wurden. Vom Ruf nach mehr Wettbewerb bei der Vergabe von öffentlichen Bauaufträgen waren sie entsprechend stark betroffen. Auch die Associazione Artistica hatte die ungenügende Wettbewerbslage stets beanstandet. Um eine Chancengleichheit herzustellen, und um den angeblich drohenden Verlust architektonischer Qualität bei öffentlichen Bauvorhaben zu verhindern, wollte die Vereinigung ein glaubwürdiges Wettbewerbswesen etablieren, das möglichst vielen freiberuflichen Konkurrenten das Feld eröffnete und die Bewertung der vorgelegten Projekte einem kundigen Preisgericht übertrug. Die Prozesse sollten transparent und die gefällten Entscheidun- gen für alle nachvollziehbar werden. Die Associazione Artistica war unaufhörlich darum bemüht, an die Behörden heranzutreten, sie von der Wichtigkeit öffentlicher Verfahren zu überzeugen und ihnen wenn nötig bei deren Auslobung zu assistieren. Zuweilen ergriff sie auch selbst die Initiative, indem sie exemplarisch Wettbewerbe veranstaltete, die besten Projekte auszeichnete und einen detaillierten Jurybericht veröffentlichte.104 Trotz der gesteigerten Wettbewerbstätigkeit, die in der Zwischenkriegszeit zu verzeichnen war, ver- siegte die Kritik am eigenmächtigen Vorgehen der uffici tecnici nicht. Dies musste Mazzoni im Zu- sammenhang mit der Planung der Bahnhöfe in Florenz, Venedig und Rom, den grössten Projekten, die ihm von staatlicher Seite her überantwortet worden waren, gleich mehrmals bitter erfahren. In allen drei Fällen wurden ihm nach einer eingehenden Projektierungsphase und anschliessendem Baubeginn die Aufträge entzogen, weil öffentlich ausgetragene, langwierige Kontroversen um die Projekte zur Ausschreibung von Wettbewerben geführt hatten, die letztlich zu seinen Ungunsten über die Aus- führung der Bauten entschieden.105 Allerdings hatte sich Mazzoni 1922 im Zug seines Engagements für die Associazione Amatori e Cultori in Bologna noch selbst an einem solchen Protest beteiligt, als die Vereinigung ein klares Votum gegen den geplanten Neubau des Bahnhofs von Bologna aufgrund fehlenden Wettbewerbs beschlossen hatte.106 Immerhin war er damals bereits für die staatlichen Eisen- bahnen tätig. Die zuvor angetönten Verbindungen zwischen Mazzoni, Vaccaro, Giovannoni und Piacentini haben erahnen lassen, dass Mazzonis Kontakte zu einigen einflussreichen Mitgliedern derAssociazione Artistica eng und generationenübergreifend waren. Für Giovannoni war die Vereinigung gleichsam

104 1907 fand ein erster, intern organisierter Wettbewerb unter den soci studenti statt. Sie waren eingeladen, ein fiktives Pro- jekt kleineren Umfangs zu entwerfen. Die Mustergültigkeit, mit der er ausgetragen und dokumentiert wurde, sowie die Zielgruppe, die damit angesprochen wurde, machen diesen Wettbewerb erwähnenswert. Der Nachwuchs sollte möglichst früh in die architektonischen Diskussionen eingebunden werden. Vgl. „Relazione della commissione giudicatrice del concorso fra i soci studenti“, in: Annuario 1908, S. 49-55; „Concorsi dei Soci“, in: Annuario 1916, S. 127-128; „Concorsi sociali“, in: Annuario 1925, S. 33-37. Ein allgemeines Postulat der Associazione Artistica zum Thema Wettbewerb findet sich in: Architettura e Arti Decorative, Feb. 1924, S. 286-287. 105 Im Fall des Bahnhofs Santa Maria Novella in Florenz wurde 1932 ein Wettbewerb ausgeschrieben, den der Gruppo Tosca- no gewann und umsetzen konnte (1933-1935). Im Fall des Bahnhofs Santa Lucia in Venedig kam es 1934 zur Auslobung eines Wettbewerbs, den Virgilio Vallot für sich entschied. Er führte danach die Planung in Zusammenarbeit mit Mazzoni weiter, der Bahnhof wurde aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg fertiggestellt. Im Fall des Bahnhofs Roma Termini wur- de 1937 der Entwurf von Mazzoni zur Ausführung auserkoren, dieser löste heftige Kontroversen aus, die zu gravierenden Projektänderungen führten. Nach dem Krieg wurde 1946 für den noch nicht ausgeführten Kopfbau des Bahnhofs ein Wettbewerb ausgeschrieben. Vgl. Severati 1973 (1); Severati 1973 (2); Severati 1973 (3). 106 Vgl. Architettura e Arti Decorative, Mai/Sept. 1922, S. 48; Architettura e Arti Decorative, Mai 1923, S. 365-367. 42 Theoretischer Kontext 1.2 eine persönliche Berufung geworden; 1903 war er ihr als Dreissigjähriger beigetreten, hatte drei Jahre später schon als Vizepräsident geamtet und 1910 erstmals das Präsidium übernommen. Unter seiner Leitung gewann die Zusammenführung von Städtebau, Denkmalpflege und neuen Bauvorhaben stetig an Bedeutung, und er prägte wie kein anderer während den folgenden zwanzig Jahren mit seiner Ar- beit und seiner Gelehrtheit Geschick und Geschichte der Vereinigung.107 Marcello Piacentini, dessen Vater Pio zu den Gründungsmitgliedern zählte, hatte zwei Jahre vor Giovannoni als Zwanzigjähriger mit einem Vortrag über die Baukunst des 19. Jahrhunderts seinen Einstand vor der versammelten Ge- sellschaft gegeben, er trat der Associazione Artistica aber erst per Ende 1905 bei. Gleichzeitig schloss sich ihr auch der damalige Student Vincenzo Fasolo an, den Mazzoni knapp zehn Jahre später an der Scuola d’Applicazione per Ingegneri di Roma als Assistenten kennen lernte. Und auch Giovanni Bat- tista Milani, der wie Giovannoni an jener Schule Architektur unterrichtete, zählte zu den langjährigen Mitgliedern der Vereinigung.108 Sein tatkräftiges Engagement für die neue Schwestervereinigung brachte Mazzoni nach dem Studium mit den lokalen Persönlichkeiten von Bologna in Kontakt. Als Mitinitiator wurde er in den Beirat gewählt, dessen Vorsitz Edoardo Collamarini (1863-1928) leitete. Collamarini galt nach der Jahrhun- dertwende als der grösste Architekt der Emilia Romagna,109 er war Direktor der Accademia di Belle Arti di Bologna, an der Mazzoni 1922 sein Diplom als professore di disegno architettonico erlangte,110 und sein Hauptwerk, die Kirche Sacro Cuore in Bologna (1901-1912), lag nur wenige Meter vom Bauplatz entfernt, wo Mazzoni 1922-1923 sein erstes Projekt, die Eisenbahnerhäuser, realisierte. Collamarini zeichnete sich ferner für die umstrittenen, zwischen 1919 und 1925 durchgeführten Re- staurationen im Kirchenkomplex Santo Stefano in Bologna verantwortlich, die 1922 in der Tageszei- tung L’Avvenire d’Italia eine kurze, aber heftige Kontroverse auslösten; Monsignore Giulio Belvederi zweifelte in polemischer Weise die Kompetenz Giovannonis an, der sich als Mitglied des Consiglio Superiore delle Belle Arti, dem Obersten Rat für Denkmalpflege, nach einer Besichtigung über das Ergebnis der Restaurierung kritisch geäussert hatte. In einem offenen Brief wies er die Vorwürfe indes zurück.111 Auch Mazzoni beteiligte sich damals mit mehreren Zeitungsartikeln an den Diskussionen um die Gestaltung des Kirchenensembles.112 Seine publizistischen Absichten wurden von Giovannoni stets unterstützt. In seinen Briefen forderte er Mazzoni wiederholt auf, ihm über alle interessanten Ereignisse aus Bologna und der Region zu berichten, um sie mittels Architettura e Arti Decorative, der 1921 als Sprachrohr der Associazione Artistica gegründeten Zeitschrift, weiter verbreiten zu kön- nen.113

107 Nachdem die Associazione Artistica 1927 im Sindacato Fascista Architetti aufgegangen war, wurde sie 1939 von Gio- vannoni als Centro di Studi per la Storia dell’Architettura neu gegründet. Diese Einrichtung besteht bis heute, sie hütet sowohl den Bestand (u.a. die Bibliothek) der Vereinigung als auch das persönliche Archiv Giovannonis. 108 Vgl. Annuario 1901, S. 49-50; Lupano 1991, S. 7. Milani war seit 1901 Mitglied, vgl. Annuario 1901, S. 76. 109 Zu Biografie und Werk von Collamarini vgl. Capelli 1975, S. 49-58;Solmi, Dezzi Bardeschi 1981, S. 245-247; Miano 1982, S. 788-793. 110 Vgl. FAM, MAZ S/23, 1.21. 111 Vgl. L’Avvenire, 2. Apr. 1922, S. 3; L’Avvenire, 18. Apr. 1922. Mazzoni hatte Giovannoni offenbar über den Angriff gegen ihn unterrichtet, was aus dem Brief vom 10.4.1922 hervorgeht, den Giovannoni an Mazzoni richtete, um ihm über den Streit mit Giulio Belvederi zu berichten, vgl. Forti 1990, S. 93. Zuvor, am 19. März 1922, hatte Belvederi übrigens drei Varianten zur Fertigstellung der Kuppel über der Kirche Santo Crocefisso des Komplexes von Santo Stefano publi- ziert, die Mazzoni entworfen hatte, vgl. L’Avvenire, 19. März 1922; FAM, MAZ B/1, fasc. 5, 2. Belvederi wurde Ende der 30er Jahre im Lauf des Ausführungsprojekts für den Bahnhof Roma Termini ausserdem als Berater für den Bau der unterirdischen Bahnhofskirche beigezogen. Vgl. FAM, MAZ B/18, fasc. 1, o. S. 112 Vgl. Mazzoni 1922 (4); Mazzoni 1923 (1); Mazzoni 1923 (4). 113 Vgl. Briefe an Mazzoni vom 17.11.1921 bis 13.12.1923, in: Forti 1990, S. 92-96. 1.2 Der architektonische Diskurs in Rom zu Beginn des 20. Jahrhunderts 43

Im Beirat der Regionalvereinigung sass ausserdem Attilio Muggia, Professor der Scuola d’Applica- zione per Ingegneri di Bologna, mit dem Mazzoni bereits seit seinem ersten Aufenthalt in Bologna bekannt war. Giuseppe Vaccaro hatte 1920 seine Diplomarbeit bei Muggia eingereicht und wurde nachher an dessen Lehrstuhl als Assistent tätig; Mazzoni arbeitete zu jener Zeit in Rom im Architek- turbüro von Marcello Piacentini. Als er Ende 1921 nach Bologna zurückkehrte, um die Stelle bei den staatlichen Eisenbahnen anzutreten, wollte ihn Muggia als Assistenten zu sich an die Schule holen – möglicherweise als Ersatz für Vaccaro, denn dieser war inzwischen dem Ruf Piacentinis gefolgt und hatte in dessen Büro eine Anstellung angenommen. Die Rochade kam aber aus den bereits erwähnten Gründen nicht vollständig zustande.114 Wie die eben dargestellten Beziehungen veranschaulichen, war das Netzwerk zwischen den Genera- tionen, den Regionen und den Künstlervereinigungen eng gewoben und dynamisch. Für junge Archi- tekten, die wie Mazzoni am Anfang ihrer beruflichen Laufbahn standen, waren derartige Freundschaf- ten und Verbindungen zweifellos fundamental für die Entwicklung der eigenen Architekturauffassung.

114 Vgl. Kapitel 1.1, S. 24 und Anm. 48. Zur Ausbildung Vaccaros vgl. Mulazzani 2002, S. 254-255. Attilio Muggia war 1927 ausserdem Jurymitglied des internationalen Wettbewerbs für den Völkerbundpalast in Genf, an dem Mazzoni gemeinsam mit Marcello Piacentini und Gaetano Rapisardi teilnahm. 44

17 Santa Bibiana an der Südwestflanke des Bahnhofviadukts Roma Termini 18 Fenster und Brunnen des Palazzo Sacchetti an der Via Giulia (Antonio da (Gian Lorenzo Bernini, 1625, Freskenzyklus im Hauptschiff von Pietro da Sangallo, ab 1542) Cortona)

19 Freitreppe an der Via degli Zingari 20 Balkon an der Ecke des Palazzo Muti an der Piazza Aracoeli

17-20 Dokumentierte Bauten und Bauteile der Stadt Rom aus der Publikation Architettura minore in Italia. Roma, Band I und II, 1926/1927. 45

21-22 Santa Maria in Cosmedin in Rom vor und nach der von der Associazione Artistica ab 1890 geleiteten Restaurierung

23 Abbrucharbeiten für die Öffnung des Corso Vittorio Emanuele II in der Nähe des Oratorio dei Filippini, ab 1884

24 Befestigung des Tiberlaufs, 1876-1926. 1888/89 wurden am Ufer des Tibers am Ende des Gartens des Palazzo Spada 637 Fragmente des antiken Stadtplans „Forma Urbis“ ausgegraben. 46

25 Trient, Palazzo a Prato, Ansicht Via S. Trinità (Pläne von 1820-1825) 28 A. Mazzoni, Postgebäude von Trient, 1928-1934, Ansicht Via S. Trinità

26 Schnitt durch den Hof des Palazzo a Prato 29 Innenhof des Dopolavoro mit Fragmenten des Palazzo a Prato

27 Grundriss des Palazzo a Prato, der zu Beginn des 16. Jahrhunderts 30 Grundriss des Bauprojekts von Mazzoni: im Südenosten die Überreste des errichtet und Mitte des 19. Jahrhunderts durch einen Brand stark Palazzo a Prato, auf der Nordseite die Strukturen des österreichisch-unga- zerstört wurde. rischen Postgebäudes

31 Postgebäude von Friedrich Setz (1889), Ansicht Piazza Vittoria um 1920 32 Dieselbe Ansicht des Postgebäudes nach dem Umbau/Neubau, um 1934 47

33 Die Stadt Rom im Jahr 1900

34 Alessandro Viviani, piano regolatore von Rom, 1883 35 Edmondo Sanjust de Teulada, piano regolatore von Rom, 1909 48 1.2 Der architektonische Diskurs in Rom zu Beginn des 20. Jahrhunderts 49

1.2.2 rückgriff und Erneuerung

Der Widerstreit zwischen Tradition und Avantgarde, der dem Schaffen der italienischen Architekten nach der Jahrhundertwende inhärent war, trug massgeblich zur Entwicklung der modernen Kunst und Architektur in Italien bei. Das Verhältnis zum bauhistorischen Erbe, von der Idee des restauro getra- gen, und die Reflexion der eigenen architektonischen Wurzeln spielten auf der Suche nach neuer Iden- tität und neuen Möglichkeiten der Architektur eine zentrale Rolle. Im Werk Mazzonis wird das Inter- esse für den historischen Kontext exemplarisch ersichtlich. Im Lauf der Projektausarbeitung knüpfte er auf vielschichtige Weise an die konkrete Geschichte des jeweiligen Ortes an, beispielsweise, indem er bestehende Vorgängerbauten oder einzelne Fragmente in seine Projekte integrierte, indem er anti- ken Überresten, archäologischen Funden oder schützenswerten Baudenkmälern, die auf dem Bauplatz versammelt waren, Raum zugestand, oder indem er mit formalen, dekorativen und städtebaulichen Gestaltungsmassnahmen an die besondere Geschichte und Gestalt des Ortes erinnerte. Doch obwohl sein Augenmerk auf die reiche Tradition der italienischen Baukunst gerichtet war, in deren Fortgang er seine eigene Tätigkeit situierte, suchte er in seiner Entwurfsarbeit nicht nach rückwärtsgewand- ten, historisierenden Lösungen, sondern nach der Erneuerung der Architektur im Geist der eigenen gegenwärtigen Zeit. Der Gedanke der Kontinuität verknüpft mit dem Anspruch, Neues zu schaffen, entsprang einem differenzierten Geschichtsbewusstseins, das Mazzonis Umgang mit historischer Bau- substanz und seine Vorstellung von moderner Architektur wesentlich beeinflusste.

1.2.2.1 Das Verhältnis zum baulichen Erbe: die Leitgedanken des restauro Aus den Inhalten und den vielschichtigen Aktivitäten der Associazione Artistica geht hervor, dass die Tätigkeit vieler italienischer Architekten an der Schwelle zur Moderne von einem augenfälligen Dualismus gekennzeichnet war, der seinen Ursprung im Versuch eines integralen Architekturverständ- nisses hatte. Um Strategien für das städtische Wachstum zu erarbeiten, bei denen der respektvolle Umgang mit antiken Monumenten und historischen Strukturen im Einklang mit den Erwartungen stand, die mit neuen Wohnstandards und modernen Verkehrssystemen gesetzt wurden, mussten sich die Bemühungen fortwährend nach zwei divergierenden Richtungen orientieren: zum einen sollte die Modernisierung der Architektur nach den neusten Erkenntnissen der Städteplanung, der Technik, der Hygiene und gemäss den aktuellen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Kriterien erfolgen. Zum anderen wurden ein höheres Bewusstsein für die historischen Kulturgüter und ein besserer Schutz der- selben angestrebt. Der Blick auf die Vergangenheit erschien ebenso wichtig wie derjenige in die Zu- kunft; gleichzeitig sollte Altes erhalten und Neues geschaffen werden, ohne das eine zu Gunsten des anderen preiszugeben. Nicht nur in Bezug auf die Frage nach „alt“ oder „neu“ manifestierte sich ein Dualismus, sondern auch im Hinblick auf die Beziehung zwischen Kunst, Wissenschaft und Technik, wie auch dort, wo theoretische Denkweisen und Praxis kollidierten, die akademische Lehre und die berufliche Wirklichkeit einander gegenüberstanden oder fremde Impulse mit der Besinnung auf lokale und nationale Werte zu vereinen waren. In den Leitgedanken des restauro, wie er zu Beginn des 20. Jahrhunderts besonders von Giovannoni definiert wurde, lassen sich die Grundzüge dieser komplexen Problematik und die in Italien in jenen Jahren verbreitete Architekturauffassung nachvollziehen.115

115 Der damalige italienische Begriff „restauro“ bedeutete nicht „Restaurierung“ im engeren Sinn. Françoise Choay bemerkt hierzu: „Wenn man den Zusammenhang dieser beiden Begriffe [Denkmalpflege und Restaurierung], die Ruskin und Mor- 50 Theoretischer Kontext 1.2

Giovannonis Interpretation des restauro baute weitgehend auf den Grundsätzen auf, die Camillo Boito (1836-1914) im Rahmen des 4. Architekten- und Ingenieurkongresses in Rom von 1883 erstmals for- muliert hatte.116 Boito, eine Generation älter als Giovannoni und eine jünger als Viollet-le-Duc (1814- 1879) und Ruskin (1819-1900), war in Kunst, Architektur, Geschichte und Mathematik ausgebildet, arbeitete als Restaurator, Theoretiker und Literat, prägte nach 1860 als Professor die Ausbildung der Architekten an der Accademia di Brera und am Politecnico in Mailand und befasste sich ausgiebig mit didaktischen Fragen und Gesetzesvorlagen für den Denkmalschutz.117 Als nach 1800 in Europa das Interesse an der Antike und zunehmend auch an den Kunsterzeugnissen anderer Epochen neu aufblühte, begann sich allmählich die Beziehung zum baulichen Erbe zu verändern.118 In denkmalpfle- gerischer Hinsicht entwickelte sich in Italien, wo eine einzigartige Fülle und Dichte an historischen Kulturgütern vorlag, unter der Federführung Boitos eine eigenständige Position, die sich gegenüber den beiden dominierenden Theorien von Viollet-le-Duc und Ruskin abzugrenzen versuchte.119 1893 veröffentlichte Boito in Questioni pratiche di Belle Arti seine Auslegung des restauro, aufgezeichnet als Gespräch zwischen zwei Kunstgelehrten in Dialogform. Als einer der beiden Protagonisten­ ver- trat er die Meinung, dass es grundsätzlich besser sei, ein Bauwerk ausschliesslich zu erhalten als es zu restaurieren. Damit kritisierte er vor allem die restauratorische Vorgehensweise Viollet-le-Ducs, die eine stilistische, d.h. nicht philologisch genaue Rekonstruktion eines Baudenkmals als zulässig befand, umgekehrt lehnte er aber auch die Vorstellung ab, dass ein Bauwerk möglichst unangetastet seinem Schicksal und damit dem allfälligen Zerfall überlassen werde, wie dies Ruskin postulierte.120 Boito wählte zwischen diesen beiden konträren Positionen den Mittelweg: Er erachtete den restauro als notwendige Massnahme, unterschied jedoch verschiedene Kategorien und verknüpfte damit Richt- linien, die jeweils den konkreten Umständen entsprechend zu befolgen waren.121 Gemäss Boito sollte demnach ein restauratorischer Eingriff gegenüber dem Originalbestand­ stets einwandfrei erkennbar sein und anhand von Inschriften und Dokumentationen mühelos nachvollziehbar bleiben.122 Giovannoni nannte Boitos Votum die „Magna Charta dei restauri moderni in Italia“, denn durch sie werde die systematische Anwendung einer neuen Denkweise kodifiziert.123 In seinen eigenen Ausfüh- rungen zum restauro nahm er Boitos Argumentation wie auch viele seiner Beispiele und Analogien weitgehend auf, präzisierte und führte sie weiter aus.124 Giovannoni stellte zweierlei Klassifizierungs- kriterien der Baudenkmäler vor: Einerseits gliederte er sie nach ihrem Ursprung, ihrem Zustand und

ris als unvereinbar ansahen und die für Viollet-le-Duc Synonyme waren, hervorhebt, dann gelangt man zu einer komple- xen Auffassung der Restaurierung.“ (Choay 1997, S. 123.) 116 Vgl. Boito 1893, S. 27-30. 117 Zu Boito vgl. Crippa 1989, S. XX-XXVIII; Maderna 1995; Zucconi 1997 (2); Castellani, Zucconi 2000; Zucconi, Serena 2002. 118 Zur Geschichte und zur Bedeutung des Baudenkmals vgl. Choay 1997; Giovannoni 1929 (1), S. 89-113. 119 „In der Konfrontation mit zwei gegensätzlichen Lehrmeinungen nimmt Boito von beiden das Beste und verbindet sie in seinen Schriften zu einer subtilen Synthese“ (Choay 1997, S. 122.) Vgl. auch Anm. 93. 120 „Conservare, non restaurare“ (Boito 1893, S. 8.) Vgl. ebenda, S. 11-12; Choay 1997, S. 122-124. 121 Er unterschied den restauro nach drei Kriterien: der archäologischen Bedeutung, der pittoresken Erscheinung und der ar- chitektonischen Schönheit, und leitete daraus drei Kategorien ab: „Perciò è lecito distinguere l’arte del restauro in: Restauro archeologico (Antichità), Restauro pittoresco (Medio evo), Restauro architettonico (Rinascimento ecc.)“ (Boito 1893, S. 15.) 122 Die 8 Modi Boitos lauteten: „1. differenza di stile fra il nuovo e il vecchio; 2. differenza di materiali da fabbrica; 3. sop- pressione di sagome o di ornati; 4. mostra dei vecchi pezzi rimossi, aperta accanto al monumento; 5. incisione in ciascun pezzo rinnovato della data del restauro o di un segno convenzionale; 6. epigrafe descrittiva incisa sul monumento; 7. de- scrizione e fotografie dei diversi periodi del lavoro, deposte nell’edificio o in luogo prossimo ad esso, oppure descrizione pubblicata per le stampe; 8. notorietà.“ (Ebenda, S. 24.) 123 (Giovannoni 1929 (1), S. 125.) Die von Boito und Giovannoni aufgestellten Kriterien und Richtlinien legten die kritische Grundlage für die Restaurierung als Disziplin und sind bis heute im Wesentlichen gültig, vgl. Choay 1997, S. 124. 124 Vgl. die Kapitel „Restauri dei monumenti“ und „L’ambiente dei monumenti“, in: Giovannoni 1929 (1), S. 85-212. Er���- steres beruhte auf einem Vortrag, den Giovannoni 1912 an einer Konferenz in Rom gehalten hatte und zuvor in La tutela 1.2 Der architektonische Diskurs in Rom zu Beginn des 20. Jahrhunderts 51 ihrer Erhaltung („origine“, „stato“, „conservazione“) und leitete daraus die Unterscheidung zwischen den toten und den lebendigen Bauwerken ab.125 Erstere verfügten über keinen Verwendungszweck mehr, sondern bestanden nur noch als Erinnerung an vergangene Zivilisationen weiter, wie etwa die meisten antiken Überreste und die mittelalterlichen Burgruinen. Ihnen kam eine rein historische Be- deutung zu. Die lebendigen Bauwerke dagegen waren mit der Gegenwart noch immer in unterschied- licher Art verbunden, unabhängig davon, ob sie in Gebrauch waren oder allenfalls das Potential dazu hatten; ihre Präsenz übte deshalb noch eine vitale Funktion aus. Auf der anderen Seite klassifizierte Giovannoni die Baudenkmäler nach ihrer Bedeutung und ihrer Wesensart („importanza“, „carattere“). Innerhalb dieser Ordnung unterschied er zwischen den bedeutenden und den unbedeutenden Bauwer- ken.126 Ihr Wert konnte sich aus ihnen innewohnenden Eigenschaften ergeben, etwa wegen besonderer künstlerischer, historischer oder archäologischer Qualitäten, oder er konnte durch äussere Umstände bedingt sein, die auf sie einwirkten, wie etwa räumliche Bezüge zur städtischen oder landschaftlichen Umgebung. Das Monument an sich definierte Giovannoni folgendermassen: „Monumento nella concezione moderna non è più soltanto l’opera architettonica grandiosa che segna un capo- saldo nella Storia dell’architettura e della civiltà (...) ma è qualunque costruzione del passato, anche modesta, appartenente o allo Stato, o a pubblici enti, o a privati, che abbia valore d’arte e di storica testimonianza. Ed il carattere di monumento è non soltanto intrinseco, ma anche estrinseco; investe cioè le condizioni esterne costitu- enti l’ambiente e talvolta giunge all’insieme urbanistico di una via, di una piazza, di un quartiere“.127 Für die restauratorischen Massnahmen schliesslich formulierte er fünf Optionen, die das Ausmass und den Schweregrad eines Eingriffes regulieren sollten: Konsolidierung, Wiederaufbau, Freilegung, Ergänzung und Instandsetzung, sowie Erneuerung eines Bauwerkes.128 Indessen ging Giovannoni gleichsam wie Boito von der Losung „sostenere, non rinnovare“ aus,129 für ihn stand in jedem Fall die Bewahrung der Authentizität und der Integrität des betroffenen Bauwerks, Bauteils oder Bauensemb- les im Vordergrund, dem mit grösstmöglichem Respekt und Demut begegnet werden sollte. Dass dies alles blosse Theorie sei und sich in der praktischen Ausführung viel komplexer ausnähme, dessen war sich Giovannoni stets bewusst. Er stellte darum die berechtigten Fragen, die sich zwangs- läufig aufdrängten, gleich selber: Wo waren bei einer Restaurierung die Grenzen zu ziehen, wer war befugt zu entscheiden, wie konnte „Bedeutung“ ermessen werden?130 Er war sich darüber im Klaren, dass es nicht möglich war, pauschale Anleitungen für den „richtigen“ restauro aufzustellen, seine Antworten bestanden deshalb im Versuch, die Beteiligten anhand zahlloser aktueller Beispiele für die Problematik zu sensibilisieren. Sowohl im Grossen wie im Kleinen war letztlich alles eine Frage der Interpretation, von Fall zu Fall waren die Bedingungen anders und verlangten nach individuellen und nicht immer eindeutigen Lösungen: „Così complessi sono i monumenti nel tempo, nel pensiero, nell’opera che li ha prodotti, che la loro anatomia riserba sempre nuove sorprese e presenta quesiti inattesi.“131 Die Interpretation machte Giovannoni in erster Linie vom Wissen und der Kompetenz des

delle opere d’arte in Italia, Rom, 1913, publiziert worden war; letzteres gründete auf einem Referat, das er 1918 vor der Associazione Artistica vorgetragen hatte. Bereits 1903 äusserte er sich erstmals zum Thema, vgl. Giovannoni 1903. 125 „Monumenti morti“ und „monumenti vivi“, vgl. Giovannoni 1929 (1), S. 127-131. 126 „Monumenti insigni“ und „monumenti minori“, vgl. ebenda, S. 131-133. 127 (Giovannoni 1945, S. 5.) 128 1.„consolidamento“, 2.„ricomposizione“ 3.„liberazione“ 4.„completamento e ripristino“ 5.„innovazione“, vgl. Giovanno- ni 1929 (1), S. 133-175. Vgl. auch seine vorgeschlagene Klassifikation in: Giovannoni 1903, S. 97-98; vgl. ausserdem die heutigen Kategorien der Denkmalpflege, etwa nach Georg Mörsch, in: Mörsch 1980, S. 70-96. 129 Vgl. Giovannoni 1903, S. 98. 130 Vgl. Giovannoni 1929 (1), S. 116, 119, 130, 166. 131 (Ebenda, S. 178.) 52 Theoretischer Kontext 1.2

Restaurators abhängig: dessen Fähigkeiten sollten in künstlerischen Belangen ebenso gross sein wie in technischen, er müsse über genaue historische Kenntnisse verfügen und in höchstem Mass metho- disch vorgehen, nur so könne er dem gesamten Umfang seiner Aufgabe gerecht werden.132 Den Erläuterungen Giovannonis zufolge wird deutlich, dass er nicht nur die Komplexität und die Tragweite der Aufgabe des restauro erkannt hatte, sondern sich durchaus auch der Zwiespältigkeit bewusst war, womit der Restaurator konfrontiert war. Dies widerspiegelt sich vor allem in den beiden Klassifizierungen, die Giovannoni vorschlägt. Indem er zwischen lebendigen und toten Bauwerken unterscheidet, gesteht er ihnen nebst einem rein historischen Stellenwert grundsätzlich auch eine ak- tive Funktion in der Gegenwart zu.133 Das Bauwerk steht demnach im Spannungsfeld­ zwischen der zurückliegenden Geschichte („storia“) und dem vorwärtsstrebenden Leben („vita“).134 Es ist Erinne- rungsträger, das die Erfahrungen vergangener Ereignisse und Kulturen in sich bewahrt und als Ge- schichtsdokument fungiert sowie dem wissenschaftlichen Studium dient. Demgegenüber fordert die gegenwärtige Zeit (das tatsächliche Leben) im Zeichen des Fortschritts und infolge sich verändernder Bedürfnisse eine ständige Erneuerung und kritische Hinterfragung der materiellen und immateriellen Güter. Bei den damit verbundenen, notwendigen Eingriffen in das Bestehende wird eine künstlerische Auseinandersetzung unabdingbar, denn solange die Kunst als schöpferische Kraft sinnstiftend wirkt, ist sie nicht Geschichte, sondern bleibt mit der Gegenwart eng verbunden. Den lebendigen Bauwerken kommt deshalb eine für den entwerfenden Architekten und für die Weiterentwicklung der Architek- tur wesentliche künstlerische Bedeutung zu, da sie das architektonische Wissen sammeln, aus dem heraus Neues geschaffen werden kann: Das Gefühl der geistigen Kontinuität, so meinte Giovannoni, sei der wahre Grund, weshalb überhaupt Bauwerke errichtet würden und weshalb wir uns für ihr Fort- bestehen einsetzten.135 Im Interesse der Geschichte muss die Erhaltung des Überlieferten erfolgen, die Kenntnis der Geschichte aber bildet die Voraussetzung, um eine Kontinuität geistiger Leistungen sicherzustellen, auf welcher Kultur und Tradition gründen. In den Grundgedanken des restauro sind die beiden Gegenpole „Bewahren“ und „Erschaffen“ unlösbar miteinander verbunden.136 Die Art und Weise, wie mit baulichem Erbe umgegangen wird, nimmt daher für Giovannoni in der Architektur und im Städtebau der Gegenwart eine tragende Rolle ein. In seinem zweiten Ansatz, der die Bauwerke nach ihrer Bedeutung ordnet, spricht sich Giovannoni für eine gleichwertige Berücksichtigung der inneren und der äusseren Eigenschaften, die ein Bauwerk charakterisieren, aus. Im Unterschied zu den inneren Merkmalen konstituieren sich die äusseren aus den räumlichen, visuellen und formalen Bezügen eines Objekts zu seiner nahen und fernen Umge-

132 „Certo le difficoltà del restauro, specialmente ove sia di rinnovamento, sono talvolta enormi. L’architetto restauratore deve essere insieme uno storico, un costruttore e un artista; deve conoscere i minimi elementi dell’insieme esistente; deve vagliarli con la maggior cura per trarre fedelmente da essi gli elementi della costruzione nuova; deve infine rendersi conto di tutte le molteplici condizioni d’ambiente, di tutte le cause permanenti od occasionali da cui l’opera è risultata, ed a quell’ambiente, a quelle cause deve riannodare la sua opera, quasi che egli vivesse in quel tempo e nella sua mente si trasfondesse l’idea creatrice.“ (Giovannoni 1903, S. 100.) 133 Vergleichbar etwa mit Riegls Definition der „Erinnerungswerte“, die sich nach der Geschichte richten, und der „Gegen- wartswerte“, die mit der Gegenwart verbunden sind und zu denen der „Kunstwert“ und der „Gebrauchswert“ gehören, vgl. Riegl 1903, S. 1-21. Bei Boito finden sich bereits ähnliche Überlegungen zur Bewertung eines Baudenkmals, vgl. Boito 1893, S. 22. 134 Schon im Titel seines Buches Questioni di Architettura nella storia e nella vita brachte Giovannoni diese Dualität zum Ausdruck. Vgl. Giovannoni 1929 (1). 135 Vgl. ebenda, S. 88. 136 So wies Giovannoni bereits in seinen frühen Schriften auf den Dualismus zwischen „storia-conservazione“ und „arte- creazione“ hin, der dem restauro innewohnt, vgl. Anm. 132. „In lui è quindi già la consapevolezza della coincidenza, nel restauro, dell’atto critico e allo stesso tempo creativo“ (Del Bufalo 1982, S. 118.) 1.2 Der architektonische Diskurs in Rom zu Beginn des 20. Jahrhunderts 53 bung: „Ora si comincia ad intendere che ambiente e spazi e luce valgono quanto, e talvolta più, dello stretto disegno architettonico o decorativo.“137 Der Kontext, in den ein Bauwerk eingebettet ist, ent- scheidet folglich gleichermassen über dessen Wert, wie rein objektbezogene Kriterien, er impliziert ausserdem nicht nur die physische Umgebung von Bauten und Landschaft, sondern auch situative Aspekte wie Ausblicke oder Lichtverhältnisse. Mit der Verlagerung des Gewichts auf die kontextuel- len Bezüge, die Giovannoni als „ambiente“ bezeichnet, weitet er den Begriff des Bauwerks auf dessen gesamte Umgebung aus. Das einzelne Bauwerk versteht er nicht mehr als isoliertes Objekt, vielmehr betrachtet er es als Teil einer baulichen und landschaftlichen Anordnung, die genauso wie ein ein- zelnes Bauwerk spezifische stilistische, farbliche und dekorative Bedingungen aufweist. Bei einem Eingriff in ein solches grossräumiges Gefüge verhält es sich demnach ähnlich wie bei ergänzenden oder erneuernden Restaurationsmassnahmen: „L’associazione di vari elementi che o costituiscono una completa scena a sè, o formano ambiente ad un monu- mento rappresenta una entità analoga a quella che l’edilizia è in rapporto all’opera architettonica: è un’architettura di spazi le cui pietre sono le singole case, la cui gemma è il monumento centrale.“138 Die Idee der „Stadt als Kunstwerk“, die von Aldo Rossi in den 60er Jahren wieder aufgegriffen wur- de, findet also in den Theorien von Giovannoni einen wichtigen Vorläufer.139 Ebenso klingt in ihr die auf den Architekturtraktat Leon Battista Albertis zurückgehende Vorstellung an, wonach die Stadt als Haus und das Haus als Stadt verstanden werden kann. Wenn Alberti in diesem Zusammenhang ver- merkt, dass „wie beim Lebewesen Glied zu Glied, so auch beim Bauwerk Teil zu Teil passen“140 solle, so stellt er das Haus – und reziprok die Stadt – als organisches Gefüge dar, wobei er dessen Funktio- nen aber nicht nur zweckmässige, sondern ebenso ästhetische Qualitäten zuschreibt.141 Im Zusammenhang mit der Architektur Mazzonis werden die Überlegungen zum restauro, zum Bau- werk und seinem ambiente bedeutsam. Der Denkweise Giovannonis folgend müsste man Mazzoni auch als „architetto restauratore“ bezeichnen, der mit seinen Neubauten die historischen Stadtzentren neu interpretierte. Der Grossteil der Bauaufträge, mit denen er sich befasste, lag an städtebaulich sen- siblen Orten, die Postbauten jeweils an zentralen Plätzen am Rand oder mitten im historischen Kern und die Bahnhofsgebäude an Schnittstellen strategisch wichtiger Verbindungswege. Die Bauten der Verkehrs- und Kommunikationsmittel repräsentierten die zukunftsweisenden und modernsten Errun- genschaften der industrialisierten Gesellschaft und wurden aufgrund ihrer Nutzungsbestimmung zu Knotenpunkten des öffentlichen Lebens. Demnach war Mazzoni stets mit der Frage konfrontiert, wie sich sein Eingriff in den historischen Bestand einfügen und zugleich klar von ihm abgrenzen konnte. Giovannoni hatte ihm diesbezüglich einst erklärt: „‚Falsa‘ è ogni costruzione nuova che si eleva senza denotare che è nuova; ‚arbitrario‘ è ogni elemento nuovo che si introduce tra i vecchi per completarli senza che ce ne sia una dimostrazione precisa.“142

137 (Giovannoni 1929 (1), S. 201.) 138 (Ebenda, S. 205.) 139 Vgl. Giovannoni 1913 (1), S. 456; Rossi, A. 1973, S. 21-26. Giovannoni wiederum hatte sich bei der Entwicklung seiner Theorien stark auf die Schriften von Camillo Sitte, Charles Buls und anderen Verfechtern der Städtebaukunst berufen und diese wiederholt als Quellen angegeben. Vgl. Giovannoni 1913 (1), S. 456-457; und weiterführend Kapitel 1.3.1.1. 140 (Buch I, Kapitel 9 in: Alberti, L. B. 1991, S. 48) 141 Giovannoni zitierte Alberti (Buch IV, Kap. 5), um die Vorzüge der krummen gegenüber der geraden Strasse in der Stadt zu begründen, analog zu Alberti machte er dafür hygienische wie auch ästhetische Gründe geltend. Vgl. Giovannoni 1913 (2), S. 53-54. Dass Mazzoni seinerseits Alberti im Zusammenhang mit der Anlegung von Strassen nannte, geht vermutlich auf dieses Zitat bei Giovannoni zurück, vgl. Mazzoni 1922 (1), S. 13, sowie Anm. 202. 142 (Brief an Mazzoni vom 10.4.1922 in: Forti 1990, S. 93.) 54 Theoretischer Kontext 1.2

1.2.2.2 Die Bedeutung der architettura minore und antiker Bauformen Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gewann die in Italien verbreitet als architettura minore bezeichnete anonyme Architektur nicht mehr nur für Denkmalpfleger und Restauratoren, sondern ebenso für die entwerfenden Architekten zunehmend an Bedeutung. Ihr Einfluss auf das Baugeschehen erlangte in Rom vor allem in den frühen 20er Jahren einen Höhepunkt. Die Skizzen Schinkels von Landhäusern in Sizilien und Capri, angefertigt während seiner ersten Italienreise (1803-1804), nehmen das spätere Interesse der Fachwelt für eine Architektur, die im Einklang mit den natürlichen Gegebenheiten und lokalen Bautraditionen errichtet wurde, bereits vorweg.143 Auch ein Grossteil der Zeichnungen, die Josef Hoffmann knapp hundert Jahre später von seinem Stipendienaufenthalt in Rom nach Wien zu- rückbrachte, zeigen nicht die klassischen Monumente der aus allen Epochen überreich ausgestatteten Stadt, sondern erzählen von seinen Studien der Stadträume und seinen Exkursionen in die ländliche Umgebung und in die kleinen Städte auf dem Weg nach Sizilien.144 Überfordert vom Anblick der unzähligen Baudenkmäler berührte ihn „die simple, aber besonders eigenartige italienische Bauwei- se, wie sie überwiegend auf dem Lande und jenseits der offiziellen grossenArchitektur üblich war, tiefer, indem sie unserem Bestreben, dem Zweck und Material gerecht zu formen, viel mehr zu sagen hatte.“145 Wie Hoffmann und viele andere seiner Zeitgenossen griffen nach der Jahrhundertwende auch die italienischen Architekten zunehmend auf die bislang wenig beachtete architettura minore als Quelle der Inspiration zurück. Allerdings war damit nicht nur die anonyme Volksarchitektur bäuerlich ländlicher Gegenden gemeint, sondern ebenso die zahlreichen, einfachen städtischen Bauwerke aus der Zeit vom Mittelalter bis zum 18. Jahrhundert, die ohne monumentalen Anspruch von meist unbe- kannten Baumeistern errichtet worden waren.146 Es war hauptsächlich das Verdienst Boitos, dass die mittelalterliche Architektur, die dank den Schrif- ten und der Restaurationstätigkeit Viollet-le-Ducs in Frankreich Aufmerksamkeit erhalten hatte, nach 1850 auch in Italien eine Wiederentdeckung erfuhr. Boito war zur Erkenntnis gelangt, dass sich die Architektur allgemein und besonders in Italien in einem Zustand befände, den es so noch nie gegeben habe. Seit Beginn des 19. Jahrhunderts sei keine eigene Kunst mehr hervorgebracht worden, wie dies in allen vorhergehenden Epochen stets der Fall gewesen sei: „(...) tutti i popoli in tutte le età ebbe- ro un’arte loro propria, che ne serviva, come s’è visto, più o meno bene i bisogni della mente e del corpo.“ 147��� Heute, meinte Boito, gäbe es Gebäude und Architekten, aber keine Architektur.148 Dafür machte er in erster Linie das Fehlen eines eigenen architektonischen Stils verantwortlich.149 Da dieser aber unabdingbare Voraussetzung war, um Kunst zu schaffen, musste ein neuer Stil gefunden werden, aus dem heraus die neue (postunitäre) italienische Architektur entstehen konnte. Seine Überlegungen

143 Vgl. Fidone 2003, insbes. S. 33-35, 94-101 und 134-138. 144 Hoffmann war u.a. auch in Capri, wovon ihm bereits Joseph Maria Olbrich begeistert berichtet hatte. Vgl. Sekler 1986, S. 16-24, 479; Hoffmann, J. 2009, S. 20. Zu Capri und den Einfluss seiner Bauten auf die Architeken vgl. auch Mangone 2003, S. 131-143; Sabatino 2010, S. 92-127. 145 (Hoffmann, J. 2009, S. 21.) 146 Vgl. weiterführend Etlin 1991, S. 129-161; Sabatino 2010. 147 (Boito 1880, S. XXI.) 148 „Ora ci sono edificii e architetti, non architettura. Ora l’architettura è, salvo rari casi, un trastullo della fantasia, una inge- nosetta combinazione di forme, uno sbizzarrimento di matite, di compassi, di righe e di squadre. L’organismo architettoni- co esiste tuttavia, anzi in questi ultimi anni s’è migliorato; ma il simbolismo è sconclusionato e matto, con qualche lucido intervallo.“ (Ebenda, S. XXII.) 149 Boito zergliederte den architektonischen Stil in zwei Teile: den organischen, der die statischen und distributiven Aspekte enthielt, und den symbolischen, der die kulturellen und ästhetischen, darunter die geometrischen und ornamentalen, As- pekte umfasste. Idealerweise sollten sich die beiden Seiten im Gleichgewicht halten, normalerweise dominiere die eine oder die andere, allerdings sollte keine unterliegen. Vgl. ebenda, S. IX-XI. 1.2 Der architektonische Diskurs in Rom zu Beginn des 20. Jahrhunderts 55 liessen ihn folgende Bedingungen dafür aufstellen:150 die neue Architektur müsse eine Einheit bilden, aber dennoch abwechslungsreich und biegsam sein, um den Bedürfnissen, dem Klima und dem Cha- rakter der verschiedenen Provinzen Italiens Genüge zu tun; sie müsse der verfeinerten Zivilisation und den fortgeschrittenen Wissenschaften würdig und vorwiegend „organisch“151 sein; sie sollte weder dem Kopf eines einzelnen Architekten entspringen noch eine Neuerfindung sein, sie dürfe auch nicht aus mehreren vergangen Stilen zusammengesetzt werden oder einen davon nachahmen, sondern mit einem Stil der Vergangenheit so verknüpft werden, dass dieser seinen archäologischen Charakter ver- löre; und sie müsse national sein. Boito sah diese Voraussetzungen in der lombardischen Architektur des 12. und 13. und in der Munizipalarchitektur­ des 14. Jahrhunderts erfüllt, die sich wegen ihrer weiträumigen Verbreitung als einzige wahrhaft italienisch nennen konnten.152 Entgegen dieser Meinung wurde in römischen Archi- tektenkreisen die Bezugnahme zur barocken Architektur des 16. und 17. Jahrhunderts bevorzugt und in der bereits erwähnten Publikation Architettura minore in Italia der Associazione Artistica statuiert: „L’ambiente Romano (...) in modo speciale è costituito dagli innumerevoli esemplari di architettura minore dell’epoca detta barocca: opera quasi sempre di maestri modesti e ignoti, ricca di fogge, variata nei dettagli, in- gegnosa nelle soluzioni e soprattutto largamente e intensamente borghese, e alla quale perciò i tempi nostri e i gusti contemporanei ci fanno sensibili quanto forse a nessuna altra delle forme di architettura passata.“153 Die architettura minore, ob lombardisch-romanisch oder römisch-barock, vereinigte Eigenschaften, die geeignet schienen, die zeitgenössische Architektur in Abgrenzung zum gegenwärtigen Bauge- schehen, besonders zum vorherrschenden und vielkritisierten Eklektizismus, neu zu überdenken und möglicherweise einen Wandel in der Baugesinnung herbeizuführen: Zum einen verkörperte die architettura minore ein Gegenmodell zur klassisch orientierten Denkweise, zu der sowohl die akade- misch-historistische Architektursprache, die sich im Kopieren alter Stile erschöpft zu haben schien, als auch der von der Archäologie stark beförderte Antikenkult zu zählen sind. Mit einem neuen Blick auf die mittelalterliche und barocke Baukultur wurde der klassischen Vorstellung, die in aller Regel nach stilistischer Einheit strebte, die Konzeption einer heterogenen, zusammengefügten und frag- mentierten Bauweise entgegengehalten, die nicht etwa zufällig, sondern einem ebenso künstlerischen Bewusstsein entsprungen war.154 Offenbar bemühte sich Mazzoni seit seiner Studienzeit, sich dieses Bewusstsein anzueignen. Ein erster, eigenständig erarbeiteter Entwurf, den er 1923 Giovannoni zur Begutachtung geschickt hatte, erhielt zwar noch nicht die erhoffte Zustimmung, liess aber gleichwohl die Absichten erkennen, wie der vorsichtigen Antwort Giovannonis zu entnehmen ist: er fand zwar lobende Worte, kritisierte allerdings die übermässig vielgestaltige Erscheinung des Projekts;155 noch schien es diesem an Einheit zu fehlen, in der Varietät und dem Nebeneinander vermeintlich unver- einbarer Elemente hatte Mazzoni jedoch eine Kraft entdeckt, die er fortan in all seinen Projekten zu nutzen suchte.

150 Vgl. ebenda, S. XXIII, XXV, XXVII-XXVIII. 151 Organisch gemäss seiner Definition, vgl. Anm. 149. 152 „L’essenza di una lingua così fatta si può trovare (...) nell’architettura lombarda o nelle maniere municipali del Trecento, poichè gli altri stili (...) non possono considerarsi compiutamente italiani.“ (Ebenda, S. XXVIII-XXX.) Mit „lombardo“ wurde damals die romanische Architektur Italiens bezeichnet. 153 (Architettura minore in Italia 1926, S. III.) 154 Vgl. hierzu Brenk 1996, S. 49-77. Am Beispiel antiker Spolien legt Brenk den Paradigmenwechsel in der Baugesinnung der Spätantike dar und erläutert die Positionen der varietas gegenüber denen der unitas. 155 Vgl. Brief vom 6.8.1923, in: Forti 1990, S. 96. Über das Projekt ist nur wenig bekannt, im Nachlass Mazzonis findet sich einzig die Zeichnung eines Details, vgl. FAM, MAZ G/8, S. 21/III. Vgl. weiterführend Kapitel 2.3.1.2, S. 168-169. 56 Theoretischer Kontext 1.2

Zusätzlich weckte die architettura minore die Hoffnung, dass sie zu einer Art Renaissance der Bau- kunst beitragen könne, denn nebst ihrer als reizvoll wahrgenommenen, vielgestaltigen äusseren Erscheinung wirkte sie auch wegen ihrer moralisch-emotionalen Implikationen inspirierend:156 Die architettura minore zeichnete sich allgemein durch einfache, bescheidene, vom Gebrauch bestimmte und häufig spontan entstandene Strukturen aus. Sie vermittelte zudem das Bild einer der natürlichen Umgebung und den Lebensgewohnheiten ihrer Bewohner optimal angepassten, zeitlosen und daher idealen Architektur. Ihre sparsame, bedürfnisorientierte Beschaffenheit offenbarte den italienischen Architekten eine authentische Material- und Formensprache und führte sie gewissermassen zu den Wurzeln der eigenen Disziplin zurück, aus denen sie Erkenntnisse für eine Neuausrichtung der Archi- tektur ableiten wollten. Diese Art der Bezugnahme erinnert etwa an Gottfried Sempers Entdeckung des Ursprungs der Architektur in der karibischen Hütte an der Londoner Weltausstellung von 1851. Er hatte in jener Urhütte nicht nur ein Zeugnis menschlicher Bautätigkeit erkannt, das womöglich Türen in eine ferne Vergangenheit öffnete, sondern vor allem die exemplarische Anwendung architektoni- scher Grundprinzipien bezüglich Konstruktionsweise, Materialisierung und Ausschmückung, die für ihn von grundsätzlicher Bedeutung für die Architektur waren.157 Dass auch Mazzoni die Auffassung teilte, wonach die architettura minore zur Erneuerung der Architektur beitragen könne, geht aus dem Zeitungsartikel hervor, den er 1923 über das Primat der italienischen Architektur verfasste. Nach ei- nem chronologischen Abriss über die grossartigen Leistungen italienischer Architekten römischer Zeit bis zur Gegenwart schrieb er: „Noi Bolognesi (...) abbiamo una architettura rustica, ed un’arte minore cittadina piena di buon gusto, di ‚garbo‘, di semplicità e finezza da che possiamo e dobbiamo determinare la formazione di nuove espressioni d’arte, per cui Bologna si ornerà di costruzioni modeste aventi sicuri caratteri d’Arte e di Bellezza.“ Und in zeittypischer, nationalistisch geprägter Tonart, für Mazzonis Ausdrucksweise sonst eher unüb- lich, schloss er seinen Bericht: „L’architettura è gloria della razza nostra e deve nella sapienza e signorilità latina conservata attraverso i secoli, attraverso il variar degli stili, rimanere una delle caratteristiche essenziali della razza.“ 158 In der Auseinandersetzung mit der architettura minore verbanden sich zwei Ideen, die sich auf den ersten Blick zu widersprechen scheinen: die Berücksichtigung lokaler, autochthoner Eigenheiten auf der einen Seite und die Ermittlung universaler Gesetzmässigkeiten auf der anderen. Beide standen in direktem Zusammenhang mit dem Bestreben, in Italien ein neues künstlerisches Bewusstsein zu schaffen, aus dem heraus der so genannte „stile nazionale“ hervorgehen konnte, so wie Boito und drei Jahrzehnte nach ihm auch Giovannoni es gefordert hatten.159 Für Giovannoni musste der neue Stil aus einer „unità di criteri e di espressioni che risponda alle nostre esigenze, ai nostri mezzi, ai nostri sentimenti“160 entstehen, das heisst, er musste idealerweise den Bedürfnissen, Mitteln und Empfindun- gen einer aufgeklärten, industrialisierten und national geeinten Gesellschaft entsprechen. Das, was er „unser“ („nostro“) nannte, war seines Erachtens in der Fortsetzung der regionalen Traditionen und des ortsüblichen Charakters zu suchen, denn auf diese Weise konnte Architektur am spezifischen Ort ver-

156 Vgl. Sekler 1986, S. 21 und 23. 157 Vgl. „§.143 Gräkoitalische Tektonik b) Holzarchitektur. Die Urhütte“, in: Semper 1863, S. 275-276; Forster 2010, S. XIII-XX. 158 (Mazzoni 1923 (2), o. S.) 159 Zur zeitgenössischen Diskussion über den „stile nazionale“ vgl. weiterführend Boito 1880, S. V-XLVI; Giovannoni 1929 (1), S. 9-39. Zur Rezeption dieser Diskussion vgl. Nicoloso 1999, S. 40-45. 160 (Giovannoni 1929, S. 203.) 1.2 Der architektonische Diskurs in Rom zu Beginn des 20. Jahrhunderts 57 ankert sein und identitätsstiftend wirken. Stil als Ausdruck eines übergeordneten Prinzips war demzu- folge nur in Verbindung mit dem Erhalt lokaler, ortstypischer Merkmale möglich. Unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg erreichte die Beschäftigung mit der architettura minore in Italien und vor allem auch in Rom einen Höhepunkt. Allen voran tat sich die Associazione Artistica mit ihren Aktivitäten hervor: die langjährige Arbeit an der Inventarisierung Roms und an den Publi- kationen über die architettura minore in Rom und Latium, Ausstellungen wie jene über die architet- tura rustica anlässlich der ersten Biennale in Rom 1921, von den Mitgliedern Giovannoni, Piacentini und Vittorio Morpurgo zusammengestellt,161 die vielen Artikel in der Zeitschrift Architettura e Arti Decorative,162 sowie zahlreiche Initiativen im Bereich des Wettbewerbswesens­ verdeutlichen das grosse Interesse an dieser Architektur, und zwar nicht aus einem geschichtlichen oder ethnographi- schen, sondern vielmehr aus einem künstlerischen Standpunkt, der sich in der Entwurfsarbeit und den konkreten Projekten der jungen römischen Architekten sichtbar niederschlug. Mit den Untersuchun- gen der einfachen, ländlichen Wohnbauten im Golf von Neapel und in der Gegend von Viterbo – in den Fussstapfen Schinkels, Olbrichs und Hoffmanns sozusagen –, richtete sich das Augenmerk der italienischen Architekten auf die mediterrane Architektur, deren Bedeutung indessen über eine rein ästhetische oder bautechnische weit hinaus ging.163 Aus den konstruktiven, materiellen und formalen Eigenschaften liessen sich nicht nur Prinzipien ableiten, die für die moderne Architektur, insbesondere im Bereich des Wohnungsbaus, als wegweisend erachtet wurden, sondern die mediterrane Architek- tur, die auf original italienische Wurzeln zurückgeführt werden konnte, erfüllte eine ebenso wichtige kulturpolitische Funktion. Sie schien prädestiniert, im gesamten geographischen Raum des Mittel- meers eine stilbildende Führungsrolle zu übernehmen. Diese architektonischen Ambitionen kamen der Expansionspolitik, die das faschistische Regime im Mittelmeerraum unter Berufung auf die einstige Grösse des römischen Reiches verfolgte, sehr entgegen. Herausragendes Beispiel für den unmittelbaren Einfluss, den diearchitettura minore auf die Entwurfs- arbeit der Architekten ausübte, ist die Gartenstadt Garbatella, die ab 1920 im Süden von Rom reali- siert wurde.164 1917 verfassten Giovannoni und Piacentini im Auftrag der Stadtverwaltung erstmals Pläne für eine neue Siedlung bei San Paolo fuori le mura. Diese war ursprünglich als Arbeiterquar- tier für die nahe Industriezone gedacht, die parallel zum Bau des an der Küste von Ostia geplanten Handelshafens entstehen sollte. Nach dem Krieg überarbeitete Giovannoni zusammen mit Massimo Piacentini das städtebauliche Projekt, dessen Ausführung dem Istituto per le Case Popolari (ICP) oblag.165 Die Anordnung der Bauten und Grünflächen richtete sich nach dem topographisch angeleg- ten Verlauf des Strassennetzes und folgte den Grundsätzen des pittoresken Städtebaus, wie sie Sitte

161 Vgl. Maraini 1921, S. 379-385. 162 Vgl. ebenda; Ceas 1926; Capponi 1927; Gerola 1929; Marconi, Pl. 1929 (2). 163 Hervorzuheben sind hierbei die Studien und Publikationen von Plinio Marconi, Giuseppe Capponi und Virgilio Marchi zur Architektur in Capri, Ischia, Amalfi, Positano, Campi Flegrei und im Umland von Viterbo (Barbarano, Vitorchiano, Tuscia) während der 20er Jahre, vgl. Marconi, Pa. 1996, S. 42-49; Anm. 144 und 162. Vgl. auch Pane 1936. 164 Die Bezeichnung città giardino verdankte Garbatella vor allem der äusseren Erscheinung, da sie mit dem englischen Mo- dell der Garden City, das im Wesentlichen soziale und ökonomische Reformen anstrebte, nur wenig gemein hatte, vgl. Kiess 1991, S. 427-451. Parallel zu Garbatella wurde im Norden Roms unter quasi gleichen Voraussetzungen und Absich- ten die Città Giardino Aniene (Montesacro) geplant und ausgeführt. Vgl. Fraticelli 1982, S. 191-229; Bodenschatz 2011, S. 81-87. Weiterführend zu Garbatella: Costantini, I. 1922; Giuseppe Nicolosi, „Proposte per il riordino del Piano Regolatore della Borgata Giardino Garbatella“, 28. Mai 1934, in: ASFSR, B. 4865 B, fasc. II 9(5), 280-295; Prisco 1996, S. 39-49, 151- 153; Strappa, Mercurio 1996, S. 148-156; Rossi, P. O. 1996, S. 41-59; Stabile 2001; Sinatra 2006. Vgl. auch Kapitel 3.1.1.1. 165 Die Umsetzung des Hafenprojekts wurde 1922 sistiert. Vgl. Sinatra 2006, S. 13-26. Das ICP, das Amt für sozialen Woh- nungsbau, wurde 1903 zur Förderung von günstigem und gesundem Wohnungsbau gegründet. Massimo Piacentini war Ingenieur und Generalsekretär des ICP. 58 Theoretischer Kontext 1.2 formuliert hatte. Der Grossteil der zwischen 1920 und 1932 erstellten Häuser entstand aufgrund der Entwürfe junger Architekten, die für das ICP arbeiteten: Innocenzo Sabbatini, Plinio Marconi, Felice Nori, Carlo Palmerini und Gian Battista Trotta. Die Bebauung einer der Parzellen wurde ausserdem 1929 an aussenstehende, aber ebenfalls junge Architekten vergeben, namentlich Pietro Aschieri, Gino Cancellotti, Mario De Renzi, Mario Marchi und Luigi Vietti.166 Wenngleich die einzelnen Bauten auf wenige Typen zurückgehen, treten sie nach aussen in einer gewollt programmatischen Vielfältigkeit in Erscheinung, die sich vor allem in der Gliederung, Materialisierung und Ausschmückung der Baukör- per zeigt. Konstruktive Bauteile wie Treppen, Balkone, Konsolen, Dachabschlüsse, Säulen, Pilaster, Türme, Erker und Fenster, applizierte Fassadenelemente wie Schriftbänder, Aedikulen, Epitaphe, Re- liefs, Skulpturen und Masken sowie stoffliche Eigenschaften der Gebäudehüllen wieT exturen, Farben und Materialien übernehmen die Funktion von Dekorationselementen, die nahezu exzessiv Verwen- dung finden. Gleich Zitaten verweisen sie auf das reiche architektonische Erbe Italiens (das städtische wie das ländliche), was etwa im Motiv einer Serliana, eines Thermenfensters oder eines an Burgen ge- mahnenden Rustikasockels ersichtlich wird, allerdings sind die Elemente nicht einem spezifischen Stil verpflichtet, sondern nunmehr als Versatzstücke appliziert und scheinen so wie Auszüge aus der Erin- nerung an die Vergangenheit zusammengetragen worden zu sein. Indem die Architekten mit solchen Anspielungen ihr Bezugsfeld offenlegten, manifestierten sie ihre Verbundenheit mit der eigenen Ar- chitekturgeschichte und deren lokalen Ausprägungen. Gleichzeitig stellten sie sowohl die künstlichen Stilimitationen des Historismus wie auch die als modisch empfundenen Projekte der internationalen Avantgardebewegung der Jahrhundertwende in Abrede. Der experimentelle Charakter Garbatellas ist in dem Sinn als Aufforderung zu lesen, einen neuen Umgang mit dem überlieferten architektonischen Formenrepertoire zu suchen, der seiner Zeit vollumfänglich gerecht werden kann. Dass Mazzoni gänzlich in diesen Diskurs einbezogen war, lässt sein erstes, im Auftrag der staatlichen Eisenbahnen ausgeführtes Projekt erkennen. Zwischen 1922 und 1923 realisierte er entlang der Via Jacopo della Quercia und der Via Domenico Zampieri nordöstlich des Bahnhofs von Bologna zwei Wohnbauten für Angestellte der Eisenbahn. Die beiden viergeschossigen Häuserzeilen bestehen aus je vier unabhängigen Einheiten, die über eigene Zugänge jeweils acht Wohnungen erschliessen. Die Grundrisse sind einfach strukturiert und entsprechen den damals gängigen Typen, wie sie etwa in Handbüchern für gemeinnützigen Wohnungsbau zu finden waren.167 Dagegen ist die äussere Erschei- nungsform der Baukörper alles andere als konventionell. Mittels dekorativen Variationen und der abwechselnden Verwendung von Backstein und Putz in unterschiedlichen Farben und Texturen sind die einzelnen Haussegmente so akzentuiert, dass der Eindruck entsteht, als bestünden die Häuserzei- len aus je vier aneinandergereihten, individuellen Bauten. Indem Mazzoni für die Dekoration und die Gliederung der Aussenhaut Stilelemente vergangener Epochen als Zitate verwendete, konzipierte er die beiden Baukörper gewissermassen als architektonische Zeitmaschine. So können etwa das Ein- gangsportal und die explizit in den gewölbten Dachrand eingeschnittenen Fenster der Wohneinheit an der Südostecke der Parzelle als Renaissancemotive gelesen werden, die Ädikula des benachbarten Eingangs als Zitat einer borrominesken Architektur, der auf dicken Konsolen ruhende Balkon und die aussenliegenden Kamine einer gänzlich in Backstein ausgeführten Einheit in der nördlichen Häuser- zeile als Allusion an mittelalterliche Stadthäuser, oder das kannelierte, feingliedrige Rahmenwerk der

166 Vgl. Architettura e Arti Decorative, Jan./Feb. 1930. 167 Vgl. z.B. Casali 1928; Abitazioni per il personale 1929. 1.2 Der architektonische Diskurs in Rom zu Beginn des 20. Jahrhunderts 59 angrenzenden Wohneinheit als Verweis auf Bauten von Josef Hoffmann. Andere Dekorationselemen- te, wie beispielsweise die sporadisch eingesetzten Terrakottafiguren und -reliefs oder die plastische Gestaltung der aussen geführten Kamine nehmen lokale Merkmale traditioneller städtischer und länd- licher Architektur Bolognas auf. Ähnlich wie die Architekten von Garbatella versuchte Mazzoni mit bescheidenen Mitteln, das architekturhistorische Erbe in Erinnerung zu rufen. Trotzdem erscheinen die Häuser dank der Verfremdung und neuartigen Anordnung der dekorativen Elemente und den viel- fältigen Materialkombinationen modern. Bezeichnenderweise war 1924 in der Rezension der Bauten über Mazzoni zu lesen: „un giovane che è sensibile così alle correnti artistiche contemporanee come alle nostre più belle tradizioni“.168 Die architettura minore schien vor allem dem Wohnungsbau eine naheliegende Vorlage zu bieten, für öffentliche Bauaufgaben jedoch, die eine ausgeprägte repräsentative Funktion zu erfüllen hatten, kam sie weniger zum Tragen. Diesbezüglich stellen die Postbauten Mazzonis wie jene in den historischen Zentren von Trient und Ferrara oder auch jene im Agro Pontino gewiss eine Ausnahme dar. Bei erste- ren strebte Mazzoni nicht eine klare, klassische Ordnung an, sondern stattete die Postämter mit einer ausgesprochen vielgestaltigen, heterogenen Fassadenabwicklung und unterschiedlich konnotierten, dekorativen Bauelementen aus; für die Bauten in Littoria, Sabaudia und Pontinia suchte er eine neue Typologie zu entwickeln, die, basierend auf der Formensprache der ländlichen Bautypen Latiums, den öffentlichen Gebäuden der Gründungsstädte eine eigene, zeitgemässe Identität verleihen sollten.169 1936, als das Ringen der progressiven und konservativen Kräfte Italiens um den angemessenen Aus- druck der modernen Architektur bereits weit fortgeschritten war, bestärkten Giuseppe Pagano und Guarniero Daniel in der Einleitung zu ihrer Publikation Architettura rurale italiana, erschienen an- lässlich der Ausstellung über ländliche Architektur an der sechsten Mailänder Triennale, erneut die Bedeutung der architettura minore für die Architekten der Gegenwart: „La conoscenza delle leggi di funzionalità e il rispetto artistico del nostro imponente e poco conosciuto patrimo- nio di architettura rurale sana ed onesta, ci preserverà forse dalle ricadute accademiche, ci immunizzerà contro la rettorica ampollosa e sopratutto ci darà l’orgoglio di conoscere la vera tradizione autoctona dell’architettura italia- na: chiara, logica, lineare, moralmente ed anche formalmente vicinissima al gusto contemporaneo.“170 Im Unterschied zur Associazione Artistica, die sich in erster Linie den bürgerlich (klein-) städtischen Bauwerken zugewendet hatte,171 konzentrierten sich die Betrachtungen Paganos und Daniels auf die regionale Vielfalt der bäuerlichen ländlichen Bauten. Diese wie jene drohten infolge der Zerstörun- gen nach dem Ersten Weltkrieg und mehr noch infolge der tiefgreifenden technischen und sozialen Veränderungen allmählich unterzugehen, entsprechend waren die Fragen nach adäquaten Schutzmass- nahmen analog zu denjenigen, die sich für historische Baudenkmäler stellten und im Zusammenhang mit dem restauro angeführt wurden.172 Im Hinblick auf seine Arbeit ortete der entwerfende Architekt allerdings – im Gegensatz zu Historikern, Ethnographen, Denkmalpflegern oderArchäologen, für welche die historische Bedeutung der Bauwerke (Tempel wie Bauernhaus) im Vordergrund stand – den Wert der architektonischen Artefakte vor allen Dingen in ihrer gestalterischen Qualität.

168 (Architettura e Arti Decorative, Jan. 1924, S.233.) 169 Vgl. weiterführend Kapitel 3.1.2. 170 (Daniel, Pagano 1936, S. 6.) 171 Zur Differenzierung vgl. Piacentini, M. 1920, S. 3. 172 Mit der „Circolare N° 13, Raccolta di elementi decorativi italiani di arte paesana“, publiziert in: Bollettino Ufficiale del Ministero dell’Istruzione Pubblica, Feb. 1920, rief Arduino Colasanti dazu auf, ländliche Kunsterzeugnisse zu sammeln, bevor sie für immer verloren seien, vgl. Sabatino 2010, S. 54, 77, 89. 60 Theoretischer Kontext 1.2

Im Nachlass Mazzonis finden sich mehrere Zeichnungen, die seine Beschäftigung mit derarchitettura minore dokumentieren. Sie entstanden grösstenteils in den Jahren 1916 bis 1920 zur Zeit seiner Aus- bildung und zeigen Bauten und Einzelheiten aus Mazzonis unmittelbaren Umgebung: ein Ausschnitt aus dem Stadtraum, eine Häuserzeile, Fensterdetails, Häuserschmuck in Bologna, Balkonkonsolen, Hauseingänge und Kamine ländlicher Bauten in Crespellano, Burgen in Südtirol, Kirchen und kleine Parkszenerien in Rom.173 Die Zeichnungen wurden jeweils von geschickter Hand mit dem Zeichen- stift gefertigt. Jene „dal vero“, nach der Natur verfasst, wie etwa die Brunnen und Gefässe im Garten der Villa Borghese oder Kapitelle, Kuppeln und architektonische Ecklösungen römischer Kirchen, sind im Detail nur soweit ausgearbeitet, wie es der Gegenstand erforderte, und beschränken sich skiz- zenhaft auf die notwendigsten Konturen und Schattierungen. Andere Zeichnungen sind stellenweise mit Aquarell überarbeitet; sie sind sorgfältig und vollständiger ausgeführt und lassen häufig offen, inwieweit es sich um Abbildungen realer Gegebenheiten handelt oder um fiktive Entwurfsskizzen. Auf einer dieser Zeichnungen in Hochformat ist in der unteren Bildhälfte ein zweigeschossiges Haus zu sehen, das an einer Geländekante steht.174 Der Blick fällt übereck, so dass die unregelmässige Vo- lumetrie des Baukörpers und zwei Fassaden gut sichtbar sind. Die Seitenfassade liegt im Schatten, sie zeigt die asymmetrische Schnittform des Gebäudes mit Giebeldach und wird durch zwei überein- anderliegende, schmale Fenster und die markante Vertikalität eines aussenliegenden, abgestuften Ka- mins gegliedert. Eine mit wenigen Strichen angedeutete breite Treppe führt der Fassade entlang zum Eingang, der sich oben durch eine freistehende Säule ankündigt. Die andere, talwärts ausgerichtete Seite des Hauses ist in der Höhe gestaffelt. Eine Terrasse im unteren sowie eine Aussentreppe und ein Balkon im oberen Geschoss, deren horizontalen Brüstungen sich seitlich mit vertikalen Mauerelemen- ten zu einer zusammenhängenden Fläche verbinden, sind der Fassade als Körper vorgelagert. Mazzo- ni akzentuierte diese Fläche und die nach derselben Himmelsrichtung orientierten Mauerflächen mit weisser Gouache, wodurch sie in hellem Sonnenlicht erscheinen und sich gegenüber dem dunklen Blau des aquarellierten Himmels, der die ganze obere Bildhälfte einnimmt, abheben. Das Licht macht die Gliederung des architektonischen Körpers und seine der architettura minore entlehnten Motive erst richtig sichtbar. Mazzonis eigenen Aussagen zufolge wird klar, dass er die Anfertigung solcher Zeichnungen stets als Teil eines Entwurfsprozesses verstand: als Werkzeug zur Analyse von Stadt- räumen, zur Untersuchung von Formzusammenhängen, Lichtverhältnissen und Perspektiven, sowie zur Ergründung von Ausdruck und Wirkung in der Architektur. Eine andere, im Nachlass Mazzonis aufbewahrte Zeichnung dokumentiert dieses Vorgehen mustergültig. Sie zeigt einen Ausschnitt einer dreigeschossigen Häuserzeile in Bologna, deren Hauptmerkmal die aussenliegenden Kamine sind, welche die lange Fassade rhythmisieren; oben durchstossen sie den Dachüberstand, unten werden sie über dem Erdgeschoss von Konsolen aufgefangen. Mazzoni beschrieb diese Häuserreihe in seiner Städtebaustudie, um die Qualitäten der einfachen Bauten Bolognas und die Aktualität ihrer Typologie als „Reihenhäuser“ hervorzuheben: „Ricordo nella via Capo di Lucca una schiera di casette: basse porte arcuate nude, finestre ornate di cornici sem- plici piene di grazia, camini uscenti dal muro e salienti - appoggiandovisi - verso il cielo forando l’ampia gronda sporgente: sono casette a schiera del XV secolo.“175 Seine Skizze legte er den Erläuterungen aber nicht bei.

173 Vgl. Disegni personali, FAM, MAZ G/8, S. 3-21, 26-30, 161-162. 174 Datiert 1920, vgl. FAM, MAZ G/8, S. 9/VI. 175 Vgl. Mazzoni 1922 (1), S. 9. 1.2 Der architektonische Diskurs in Rom zu Beginn des 20. Jahrhunderts 61

Nebst der architettura minore spielte auch die Archäologie eine wichtige Rolle bei der Klärung der Fragen, die nach der Einigung Italiens 1861 bezüglich des neuen architektonischen Stils in Verbin- dung mit regionaler und nationaler Identität in den Mittelpunkt der Debatten gerückt waren. Seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert war das Interesse am Altertum neu aufgeblüht und manifestierte sich in den häufigen Bildungsreisen europäischer Gelehrter und deren zunehmend professionalisiertenAn - tikenforschung; Ausgrabungsstätten wie jene von Pompeji und Herculaneum gaben dem Phänomen zusätzlichen Auftrieb. Die Archäologie förderte die Entwicklung einer wissenschaftlichen Arbeitsme- thode, deren objektivierender Blick auf die Geschichte auch den Grundstein für die Theorien des res- tauro gelegt hatte. In Rom wurde später die Forschung vor allem durch die Grabungen beflügelt, die im Forum Romanum ab 1898 unter der Leitung von Giacomo Boni und in Ostia Antica ab 1907 von Dante Vaglieri und seinen Mitarbeitern Guido Calza und Italo Gismondi angegangen wurden.176 Ihr systematisches Vorgehen führte zu neuen Erkenntnissen in der römischen Kunst- und Architekturge- schichte, die eine Wiederherstellung verloren gegangener Zusammenhänge ermöglichten und so einen neuartigen Zugang zur Vergangenheit eröffneten. Die Archäologie diente aber nicht ausschliesslich dem wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn, sondern kam im Zusammenhang mit der Entwicklung des nationalen Bewusstseins vermehrt auch politischen Zwecken zugute. Sie förderte die Rekonstruktion einer kollektiven Vergangenheit, die für den jungen Nationalstaat, trotz den beträchtlichen kulturellen, geographischen und wirtschaftlichen Differenzen seiner Regionen, einen gemeinsamen Nenner darstellte. Wenn vor dem Faschismus die Stärkung des nationalen Selbstgefühls schon als politisches Hauptmotiv diente, so instrumentalisierte Mussolini nach seiner Machtübernahme die Archäologie gezielt zu Gunsten des neuen faschistischen Systems, das in der romanità und der Berufung auf die imperiale Grösse des antiken römischen Reiches seine Legitimation suchte. Weil sich der Faschismus als Wiedergeburt und zugleich als Vollendung des italienischen Geistes verstand (der seinen Ursprung in der Antike hatte), wurde auf dessen Errungen- schaften ein Universalitätsanspruch erhoben, der die italienische Kultur ihrer Vergänglichkeit enthob und sie somit als eine zeitlose Grösse von ewiger Gültigkeit definierte.177 Die Archäologie leistete in diesem Bestreben einen wesentlichen Beitrag. Unter dem Mantel der Wissenschaft lieferte sie ein willkommenes und auch lenkbares Werkzeug, um Geschichte willentlich zu konstruieren und Macht- ansprüche zu legitimieren. Ergebnisse liessen sich überdies einfach und anschaulich vermitteln. Die einseitige Fokussierung auf die römische Antike und die oftmals rücksichtslose Beschleunigung der Grabungen auf italienischem Staatsgebiet in den 20er und 30er Jahren, wie auch die archäologischen Aktivitäten, die damals in den italienischen Kolonien des Mittelmeerraums forciert wurden, verdeutli- chen den Vorrang, den Mussolini den politischen und ideologischen Interessen vor den wissenschaftli- chen einräumte.178

176 Vgl. Olivanti 2002, S. 271-289. Vgl. auch Kapitel 3.1.1.3. 177 Ein anschauliches Beispiel hierfür findet sich an der Kanzel auf der Piazza Vittoria in Brescia: Ein Steinrelief erzählt die Stadtgeschichte von der Antike bis in die Gegenwart des Faschismus als zeitlich geschlossener Kreislauf, in der Kanzelec- ke, wo die beiden Epochen aufeinander treffen, steht ein Liktorenbündel, das von einem römischen Legionär auf der einen und von einem faschistischen Arbeiter auf der anderen Seite gehalten wird. Aus der Antike übernommene Symbole wie das Rutenbündel mit Axt wurden während dem Faschismus zu wichtigen Bedeutungsträgern. Zur Ahistorizität, welche die Beziehung des Faschismus zur Antike charakterisierte vgl. Estermann-Juchler 1982, S. 18-26, 31-32. 178 Zur Beziehung zwischen Antike, Archäologie und Faschismus vgl. Estermann-Juchler 1982, S. 50-58; Petricioli 1990; Scobie 1990; Näf 2001; Galaty, Watkinson 2004; D’Angelo, Moretti 2004; Trümpler 2008; Pergher 2009, S. 287-308. Speziell zu Rom vgl. Scriba 1995; Insolera 2001; Cederna 2006. 62 Theoretischer Kontext 1.2

Über Dokumentationen, Publikationen und Ausgrabungsarbeiten drangen die archäologischen Befun- de in das Bewusstsein der entwerfenden Architekten ein, die sich ihrer nicht erst seit dem Faschismus als eine Quelle der Inspiration bedienten. Dies lässt sich wiederum deutlich an der Wohnanlage Gar- batella, insbesondere in den Projekten Innocenzo Sabbatinis, nachvollziehen: Das Bäderhaus an der Piazza Romano (1926-1928) lehnt sich in seiner Volumetrie und mit den auskragenden, an der Un- terseite gewölbten Balkonen, die den öffentlichen Bereich der Bäder im Sockelgeschoss von den da- rüberliegenden Wohn- und Ateliergeschossen trennen, unverkennbar an die Typologie der römischen Insulae an, wie sie damals in Publikationen Verbreitung fand. Dieser Typus städtischer Wohnbauten, bei Grabungen in Ostia Antica entdeckt, war 1916 von Guido Calza beschrieben und von Italo Gis- mondi zeichnerisch nachgebildet worden. Später erschienen weitere Artikel dazu, so 1923 ein zweitei- liger, von neuem und umfangreichem Bildmaterial begleiteter Bericht in der Zeitschrift Architettura e Arti Decorative.179 Für die römischen Architekten stellten die Insulae in doppelter Weise eine wertvol- le Entdeckung dar: einerseits galt die Insula im Gegensatz zum bisher bekannten Atriumhaus (Domus) als genuin römisch (genauer: latinisch), andererseits verkörperte sie den modernen städtischen Woh- nungsbau schlechthin und erfüllte aufgrund ihrer dichten Struktur, der mehrgeschossigen Anordnung und vielseitigen Nutzungsmöglichkeiten städtebauliche Bedürfnisse ebenso wie gesellschaftliche. Die Miethäuser aus der Kaiserzeit eigneten sich deshalb in mehrfacher Hinsicht als passendes Modell zur Bewältigung der gegenwärtig dringlichen Aufgabe des Wohnungsbaus in Rom.180 Sabbatini liess sich von den zeichnerischen Rekonstruktionen Gismondis, die ihrerseits schon eine Interpretation der ori- ginalen archäologischen Funde darstellten, zweifellos anregen, als er die zahlreichen Wohnbauten für Garbatella und weitere römische Quartiere im Auftrag des ICP entwarf, und ebenfalls andere Bauten wie jene von De Renzi an der Via Andrea Doria (1927-1931) oder von Morpurgo an der Via Sannio (1929?) geben ihre Referenz ganz offensichtlich preis. Die Bauten beziehen sich nicht allein von der Typologie her auf die Urform der Insula, auch einzelne Elemente wie die Gestaltung der Balkone sind direkt auf Zeichnungen von Gismondi zurückzuführen und wären ohne die konkreten Forschungser- gebnisse aus Ostia Antica in dieser Ausführung kaum denkbar gewesen. Allerdings lassen sich längst nicht alle Bauten, die auf antike Architektur anspielen, so konkret mit einem archäologischen Befund verbinden – genauso wenig, wie sich solche Anspielungen, in den meisten Fällen, nicht bloss von einer einzigen Quelle oder von einem einzigen Beweggrund herleiten lassen. Das Geflecht der kul- turellen und historischen Bezugnahmen ist im römischen Kontext besonders dicht, nicht nur was die Antike betrifft. Desgleichen sind die Aussagen, die damit verknüpft sind, fast immer mehrdeutig les- bar, selbst dann noch, wenn die kulturpolitischen Absichten des Faschismus vorrangig mitspielten. In Rom blieb die römische Antike tatsächlich immer doppelt kodiert: als politisch-ideologisches Leitbild und als Referenz an den regionalen Kontext im Sinne eines Genius Loci.

179 Vgl. Calza, G. 1916 (1), S. 541-608; Calza, G. 1916 (2), S. 151-165; Calza, G. 1923, S. 3-18; Calza, G., Gismondi 1923, S. 49-63. 180 Vgl. Kockel 2001, S. 66-73. Zum römischen Wohnungsbau vgl. Accasto, Fraticelli, Nicolini 1971, S. 271-395; Angeletti, Ciancarelli, Ricci, Vallifuoco 1994; Gaddo 2001. 63

36 37

39 Kategorien des restauro: 37 Ergänzung (completamento), 36 Freilegung (liberazione) 39 Konsolidierung und Wiederaufbau 38 Wiederaufbau (ricomposizione) (consolidamento e ricomposizione) 38

40 Bauwerke und ihr ambiente 41

36-41 Beispiele aus Gustavo Giovannonis Publikation Questioni di architettura nella storia e nella vita, 1929 64

42

43

42 Karl Friedrich Schinkel, Landhaus in Anacapri, 1803 43 Josef Hoffmann, Haus in Pozzuoli mit Entwurfsskizze, 1896 44 Giuseppe Capponi, Strassenecke in Ischia, 1927

45 Vincenzo Fasolo, Projekt für ein kleines Landhaus bei Rom, um 1921 46 Marcello Piacentini, Palazzina an der Viale Liegi, 1920-1922 47 Marcello Piacentini, Projekt Villa Ambron in Rom, 1920

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46 47 65

48 52

Città giardino Garbatella südlich von Rom, ab 1920, Haustypen und Details: 48 Innocenzo Sabbatini, Wohnhaus mit öffentl. Bädern und Ateliers, 1926-1928 49 Plinio Marconi, Wohnhaus Piazza B. Romano, 1923-1926 50 Mario De Renzi, Musterwohnhaus Via delle Sette Chiese, 1929 51 ICP, Wohnhaus Piazza Masdea („casa rapida per sfrattati“), 1925-1926 53

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60 A. Mazzoni, Wohnhäuser für Eisenbahnarbeiter in Bologna, 1922-1923: 56 Häuserzeile an der Via D. Zampieri 57-60 Häuserzeile an der Via J. della Quercia 61 61 Grundrisse der Bauten 67

63

62 A. Mazzoni, Haus an einer Geländekante, aquarelliert, 1920 63 A. Mazzoni, Skizze, Detail einer Kirche in Rom, o. D. 64 A. Mazzoni, Skizze, Häuser an der Via Capo di Lucca, Bologna, o. D. (um 1921) 65 Via Capo di Lucca in Bologna (Zustand heute) 62

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66 Insula Diana in Ostia Antica, Ausgrabung und Rekonstruktion ab 1907 67 Zeichnerische Rekonstruktion einer Insula von Italo Gismondi, 1923 68 Insula-Modell an der Mostra Augustea in Rom, 1937-1938 69 Kanzel auf der Piazza Vittoria in Brescia, 1932 70 Innocenzo Sabbatini, öffentliches Bäderhaus in Garbatella, 1926-1928 71 Mario De Renzi, Wohnhaus an der Via A. Doria in Rom, 1927-1931 72 Vittorio Morpurgo, Wohnhaus an der Via Sannio in Rom, 1929 72 1.2 Der architektonische Diskurs in Rom zu Beginn des 20. Jahrhunderts 69

1.2.3 Ingenieur, Künstler, architetto integrale: die Ausbildung der architekten um 1915

Als sich Mazzoni 1914 an der Scuola d’Applicazione per Ingegneri in Rom zum Studium anmeldete, verfügten angehende Architekten weder über eine autonome Ausbildungsstätte noch konnten sie einen eigenen, dem Ingenieur gleichgestellten Titel erwerben. Architektur wurde damals entweder an den Kunstakademien gelehrt oder an den Ingenieurschulen in Mailand, Turin, Rom und Palermo.181 In ersteren lag der Schwerpunkt des Unterrichts ausschliesslich auf der Entwicklung der künstlerischen Fähigkeiten, die Diplomanden erhielten die Auszeichnung professore di disegno architettonico. Weil sie zu geringe technische und wissenschaftliche Kenntnisse vorweisen konnten, waren sie aber nicht zur praktischen Berufstätigkeit befugt, sondern nur zur Lehrtätigkeit im Rahmen des architektoni- schen Entwurfs, dennoch führten viele von ihnen irregulär einen beträchtlichen Teil der Bauaufträge aus. Die Ingenieurschulen dagegen legten das Gewicht der Ausbildung vornehmlich auf naturwis- senschaftliche, technische, statische und konstruktive Aspekte und verliehen nach Studienabschluss entweder den Titel ingegnere civile oder architetto civile. Doch auch der architetto civile war dem Ingenieur gegenüber im Nachteil, zumal ihm von Gesetzes wegen weit weniger Verantwortlichkeiten bezüglich Bearbeitung und Ausführung von Bauaufträgen eingeräumt wurden.182 Sein Titel war ent- sprechend wenig erstrebenswert, was den geringen Zulauf an den Architektursektionen der Ingenieur- schulen erklärt.183 Aufgrund der massiven Einschränkungen lagen viele öffentliche Bauprojekte in den Händen von Ingenieuren. Es sei aber zum grossen Schaden der Kunst, warnte etwa die Associazione Artistica, wenn fähige Architekten aus dem Baubetrieb ausgeschlossen würden, nur weil sie das fal- sche Diplom in den Händen hielten, und warf den Ingenieuren vor, sie würden die künstlerischen Aspekte der Architektur zu sehr vernachlässigen.184 Dieser ungeregelte und unbefriedigende Zustand verlangte zwingend nach einer Reformierung der Lehre und der Berufsbedingungen. Nach der Eini- gung Italiens und der Einführung der „Legge Casati“ (1859) war sie immer stärker ins Zentrum der Diskussionen gerückt, erst zu Beginn der 20er Jahre konnten die Reformen aber tatsächlich umgesetzt werden.185 Kernpunkt war die Entflechtung der Kompetenzen der verschiedenen Berufsgattungen, angestrebt wurden die Einrichtung einer unabhängigen Schule für Architekten einerseits und die rechtliche Gleichstellung der Berufstitel für Architekten und Ingenieure andererseits.186 Infolgedessen stellte sich

181 1914 gab es in Italien insgesamt sieben Ingenieurschulen/Politechniken, ausser den genannten auch in Bologna, Padua und Neapel, vier führten eine Sektion für Architektur und vergaben den Titel „architetto civile“ oder „ingegnere architet- to“ wie in Rom. Hinzu kamen acht Kunstakademien/-institute in Mailand, Turin, Venedig, Bologna, Florenz, Rom, Neapel und Palermo (Stand 1918), vgl. Nicoloso 1999, S. 17. Zur Geschichte der Ingenieurschule in Rom (1817-1970) vgl. De Polis, Ravaglioli 1971, S. 317-330. 182 Bei öffentlichen Bauvorhaben waren nur Ingenieure unterschriftsberechtigt, die private Bautätigkeit wurde in vielen städ- tischen Verwaltungen mit der Führung von Berufslisten geregelt, wo nur Ingenieure eingetragen waren. Diese waren­ für Konstruktion, Kostenrechnung und Bauleitung zuständig, die Arbeit der Architekten beschränkte sich auf Fassadengestal- tung und Dekoration, vgl. Giovannoni 1916 (1), S. 26-27. 183 Vgl. Giovannoni 1916 (1), S. 29-30. Weiterführend zur Ausbildungslage der Architekten allgemein vgl. Compagnin, Maz- zola 1996, S. 194-196; Nicoloso 1999, S. 23-74; zur Lage vor 1920 vgl. Giovannoni 1916 (1), S. 24-37; Berta 2008. 184 Vgl. Giovenale 1894, S. 17. 185 Mit der Regia Scuola di Architettura di Roma wurde im Januar 1921 die erste Architekturschule eröffnet, vgl. Architettura e Arti Decorative, Mai/Jun. 1921, S. 91-92; Venturi 1924, S. 107-125; Giovannoni 1924, S. 138-139, 143. Das Gesetz „Tutela del titolo e dell’esercizio professionale degli ingegneri e degli architetti“ trat 1923 in Kraft, es regelte die Vergabe eines gleichwertigen Titels für Architekten und Ingenieure, vgl. Architettura e Arti Decorative, Aug. 1923, S. 510-512. 186 Zur Entwicklung des Architektenberufs nach 1920 vgl. Calabi 1996, S. 337-375. 70 Theoretischer Kontext 1.2 die Frage, wie das künftige Berufsbild des Architekten aussehen sollte: welche Aufgaben grenzten sein Arbeitsgebiet ab, welche Fertigkeiten konnten von ihm verlangt werden, war seine Disziplin im Bereich der Wissenschaft zu verorten oder in jenem der Kunst, war er Techniker oder Künstler?187 Giovannoni zufolge war die Lösung in der Schaffung der Figur des architetto integrale, des „vollstän- digen“ Architekten, zu finden. 1916 erläuterte er in der SchriftGli architetti e gli studi di architettura in Italia seine Vorstellungen über den Architekten der Zukunft: Er war eine Synthese aus Künstler und Ingenieur, Theoretiker und Praktiker, und stand dem humanistischen Architektenbild der Re- naissance nahe.188 Sein Rüstzeug bestand aus fünf Komponenten: aus einer breiten und vielseitigen Allgemeinbildung, einer umfassenden künstlerischen und einer ebenso gründlichen wissenschaftlich- technischen Ausbildung, guten Kenntnissen der Architektur- und Kunstgeschichte und praktischer Erfahrung.189 Seine Tätigkeitsfelder beinhalteten nebst baukünstlerischen Aufgaben im engeren Sinn auch das Bauwesen allgemein („edilizia“), die Denkmalpflege („restauro dei monumenti“) und die In- nenausstattung („decorazione interna“).190 Eine wahrlich „titanische Figur“,191 so könnte man meinen, gleichwohl gab sich Giovannoni mit seinen Ideen realistisch, wenn er grundsätzlich davon ausging, dass die gegenwärtig grösste Herausforderung der Architekten weniger in der Projektierung epochaler Bauwerke, als vielmehr in der Städteplanung und im Entwurf gewöhnlicher Bauten wie Wohnhäu- sern, Schulen und öffentlichen Gebäuden lag.192 Die Bildung der Architekten hielt er dabei für einen wesentlichen Baustein des architektonischen Prozesses, weil deren Fähigkeiten und Haltung erheblich über die Qualität eines Projektes entschieden. Wie die älteren Kollegen und die Architekten seiner Generation konnte Mazzoni eine solch vielseitige Ausbildung noch nicht in einem Lehrgang absolvieren, sondern musste sie sich nach eigenem Ermes- sen zusammenstellen.193 Dem Anschein nach war sein Weg hin zur Architektur nicht von Anfang an klar vorgezeichnet. Der Entscheid, nach dem Ingenieurstudium noch die Kunstakademie zu besuchen, führte Mazzoni auf den Zuspruch von Giovannoni, Milani und Fasolo zurück, die ihm an der Scuola d’Applicazione geraten hatten, sich stärker der Architektur zuzuwenden, vermutlich hatten sie in den entwerferischen Fähigkeiten ihres Schülers die nötigen Voraussetzungen erkannt. Mazzonis Interessen waren sehr vielseitig. Sie galten ingenieurtechnischen und mathematischen Belangen ebenso wie der Kunst; literarischen und bildnerischen Werken, besonders der Poesie und der Bühnenbildgestaltung, war er seit seiner Jugendzeit zugetan, und während der Ausbildung ergriff er die Gelegenheit, sein Bewusstsein für architekturspezifische technische und kunsthistorische Fragen zu schärfen. Der Be- stand seiner persönlichen Bibliothek widerspiegelt diese breite Orientierung.194 Nebst einigen damals verbreiteten Lehr- und Handbüchern über Kunst- und Architekturgeschichte, etwa jenen von Luigi

187 Bereits Boito war die Reform der Architektenausbildung ein grosses Anliegen gewesen, er hatte angesichts der domi- nierenden Position der Ingenieure die Ansicht vertreten, der Architekt müsse sich wieder der Kunst zuwenden und alles Technisch-Wissenschaftliche auf das Notwendige beschränken, vgl. Boito 1890, S. 466. 188 Vgl. Giovannoni 1929 (2), S. 19-20. 189 Giovannoni meinte, bei Bildungsdefiziten auf dem einen oder anderen Gebiet sollte entsprechend der Beruf des Ingeni- eurs bzw. Künstlers anstatt jener des Architekten ausgeübt werden, vgl. Giovannoni 1916 (1), S. 13. 190 Vgl. ebenda, S. 10-12, 16. Unter edilizia verstand Giovannoni die kompositorischen Aspekte der Architektur, die auch städtebauliche Kriterien umfassten. Edilizia cittadina und sistemazione edilizia waren bis in die 20er Jahre üblich als Bezeichnung für Städtebau oder -planung, später setzte sich der Begriff urbanistica durch, vgl. Zucconi 1997 (1), S. 40. 191 „In che modo formare questa titanica figura che comprende le prerogative dell’umanista, dell’artista e dell’edile?“ (Eben- da, S. 56.) 192 Vgl. Giovannoni 1916 (1), S. 17. 193 Architekten mit ähnlichem Bildungsweg waren etwa Giuseppe Vaccaro (geb. 1896), Vincenzo Fasolo (geb. 1885), Arnal- do Foschini (geb. 1884), Marcello Piacentini (geb. 1881) und Gustavo Giovannoni (geb. 1973). 194 Der Bestand wird in Mazzonis Archiv in Rovereto aufbewahrt, vgl. weiterführend den Bibliothekskatalog des MART. 1.2 Der architektonische Diskurs in Rom zu Beginn des 20. Jahrhunderts 71

Archinti, Alfredo Melani, Anton Springer oder Camillo Boito, gibt es dort eine Auswahl von Büchern, Denkschriften und Artikeln zu spezifischen Themen der Architektur, des Städtebaus sowie der bilden- den und dekorativen Kunst, darunter beispielsweise die französische Übersetzung von Camillo Sittes Der Städtebau, diverse Schriften von Giovannoni, Piacentini, Milani und der Associazione Artistica, einige italienische und deutschsprachige Fachjournale und Berichte über aktuelle Ereignisse, so etwa über restauratorische Eingriffe in Bologna, den Bebauungsplan von Rom und anderen Städten, über anonyme Architektur oder Ausgrabungsergebnisse von Pompeji und Ostia Antica. Des Weiteren fin- den sich mehrere Publikationen zu konstruktiven und materialbezogenen Fragen, etwa dem Bauen in Eisenbeton, zu eisenbahntechnischen Bauaufgaben, zur Gartengestaltung und Szenographie. Zahl- reich vertreten sind ausserdem die Gedichtbände Giosuè Carduccis, sowie Erzählungen und Romane anderer italienischer Schriftsteller der Jahrhundertwende und wenige klassische Werke der Weltlite- ratur.195 Es fällt auf, dass sich Mazzoni später in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg viele Mono- graphien über die „alten Meister“ der Kunst und Architektur anschaffte und sich offenbar auch mit politisch-philosophischen Schriften auseinandersetzte.196 Ausser den theoretischen Beiträgen gab der überaus vielfältige historische Baubestand in Rom und Bologna eine Quelle erster Güte und eines der wichtigsten Lehrmittel für Mazzoni her. Der Reichtum und die allgegenwärtige Präsenz einzigartiger Bau- und Kunstwerke prägten nicht nur seinen Alltag, sondern ermöglichten ihm, die künstlerischen Höchstleistungen vergangener Epochen und stadträum- liche Qualitäten zu erkunden und aufgrund eigener Anschauung zu studieren. Die Skizzen, die Maz- zoni vom Petersdom, von Sant’Ignazio und anderen Kirchen Roms anfertigte, oder seine wiederholt zum Ausdruck gebrachte Bewunderung für das Können seiner architektonischen Vorfahren zeugen von einer solchen Auseinandersetzung.197 Überdies nutzten die Professoren der Scuola d’Applicazione das grosse Angebot vor Ort für ihren Unterricht. Milani etwa führte Baustellenbesichtigungen durch und untersuchte den Herstellungsprozess von Baustoffen.198 Giovannoni pflegte mit den Studenten verschiedene Bauwerke aus der Zeit der römischen Antike und der Renaissance,199 aber auch Zeitge- nössisches, wie die Brauerei Peroni, das Theater Costanzi oder Wohnhäuser für Staatsangestellte,200 zu besichtigen, um wohl, wie er im Hinblick auf die architekturhistorische Bildung der Architekten ge- meint hatte, den Geist und die Bedeutung der historischen Bauten mehr noch als nur ihre Formen zu studieren: „Conoscere, più che le forme, lo spirito stesso ed il significato dei periodi d’Arte“.201

195 Zum Beispiel Werke von Edmondo De Amicis, Giovanni Cena, Ofelia Mazzoni, Luigi Capuana, Olindo Guerrini, Gabrie- le D’Annunzio, Giovanni Boccaccio, Dante Alighieri, Friedrich Schiller, Johann Wolfgang Goethe. 196 Zu erwähnen sind zum Beispiel die Bücher aus der Reihe „I diamanti dell’arte“, die in den 60er Jahren bei Sadea/Sansoni erschien. Mit Umberto Boccioni, Le Corbusier und Frank Lloyd Wright etwa kommen einige wenige Vertreter der Moder- ne hinzu. Als politische Literatur sind Werke von Benedetto Croce, Palmiro Togliatti, Antonio Gramsci, Karl Marx, John F. Kennedy, und Mao Tse-tung zu verzeichnen. 197 Zu den besonders geschätzten alten Meistern gehörten etwa Brunelleschi, Michelangelo, Borromini, Canova, Piranesi, vgl. Mazzoni 1923 (2); Mazzoni 1933 (3). 198 Während des Schuljahrs 1912/13 besuchte er mit den Studenten die Baustelle der Parlamentserweiterung (Palazzo Monte- citorio) von Ernesto Basile und ein Ziegelwerk in Tor di Quinto. Vgl. Scuola d’applicazione 1913, S. 151-152. 199 Zum Beispiel Santa Maria Maggiore, Minerva Medica, Porta Maggiore, Kolosseum, kaiserliche Foren und Triumphbö- gen, Palazzi Vidoni, Massimi, Della Valle und della Cancelleria, Villa Giulia. Wie vielschichtig die Ausflüge vor Ort quer durch die historischen Epochen sein konnten, erhellt folgender Bericht: „Prima di giungervi [a Villa Giulia] fu brevemente visitata la chiesa quattrocentesca di Santa Maria del Popolo e vennero illustrate le opere monumentali che essa contiene; e fu veduta altresì la interessante scala a tenaglia con un grande arco rampante, costruita dal Valadier nell’edificio di fronte (...). Nella Villa Giulia all’illustrazione dell’edificio bellissimo, delle loggie e dei ninfei che l’adornano, si unì, quella dell’importante museo Falisco“ (Ebenda, S. 147-148.) Zu den Ausflügen des Jahres 1913/1914 und jenen während der Kriegsjahre 1915-1918 vgl. Scuola d’applicazione 1914, S. 139-154; Scuola d’applicazione 1921, S. 76-78. 200 Vgl. ebenda, S. 148-149. Architekt der Brauerei Peroni war Giovannoni selbst. 201 (Giovannoni 1916 (1), S. 12.) 72 1.3 Städtebauliche Grundlagen: ambiente als stadträumlicher und landschaftlicher Bezugsrahmen der Architektur

Das ausgeprägte Interesse an städtebaulichen Vorhaben und Ereignissen erweiterte Mazzonis Ausei- nandersetzung mit dem historischen Kontext. Im Unterschied zur Beschäftigung mit dem restauro, der architettura minore oder der Architektur der Antike rückten bei städtebaulichen Fragen weniger retrospektive Aspekte in den Vordergrund, als vielmehr Überlegungen zur zukünftigen Stadtentwick- lung. Die Theorien der Stadtplanung und des Städtebaus, die sich um die Jahrhundertwende im euro- päischen Raum verbreitet hatten und in Italien etwa im Kreis der Associazione Artistica rege disku- tiert wurden, spielten für Mazzoni angesichts der Bauaufgaben, mit denen er sich nach dem Studium befasste, eine wesentliche Rolle. Die Lage der Bahnhöfe und der Postgebäude im städtischen Raum, ihre Anbindung an Verkehrswege, Plätze und bestehende bauliche Strukturen, sowie der Bezug zu den umgebenden Gebäuden und zur Landschaft erforderten im Zusammenhang mit dem öffentlichen Charakter und den Funktionen dieser Einrichtungen eine weitsichtige, entschiedene und sorgfältige Planung, zumal für die beiden verhältnismässig jungen Bauaufgaben, denen rasant sich weiterent- wickelnde technische Errungenschaften zugrunde lagen, erst auf wenige erprobte Erfahrungswerte zurückgegriffen werden konnte. Die städtebaulichen Einsichten, die Mazzoni während der Studienzeit und den ersten Arbeitsjahren gewann, legten den Grundstein für die Entwicklung seines städtebauli- chen Verständnisses.

1.3.1 Gustavo Giovannonis Lehren über die Stadtbaukunst

Das Beziehungsnetz Mazzonis zeigt deutlich, dass er sowohl in Rom wie auch in Bologna zu einem sehr vielseitigen Diskurs Zugang hatte und nach Möglichkeit aktuelle nationale wie internationale Pu- blikationen und Zeitschriften las. Im Vorwort zu seiner 1922 veröffentlichten städtebaulichen Studie beschreibt er sein geistiges Bezugsfeld: neben Giovannoni, auf dessen Theorien er sich am stärksten berufen habe, und den Lehren Marcello Piacentinis, erwies er den ausländischen Städtebautheoreti- kern seine Reverenz, allerdings ohne Namen zu nennen.202 Mazzonis Auffassung, dass Städtebau vor- wiegend eine künstlerische Aufgabe und weniger ein technisch-funktionales Problem sei, korrespon- diert tatsächlich mit den Ideen, die dank der Veröffentlichung des städtebaulichen Schlüsselwerks von Camillo Sitte seit der Jahrhundertwende unter dem Begriff der „Stadtbaukunst“ auf internationaler Ebene eingehend diskutiert wurden.203 Sie fanden zu Beginn der 10er Jahre vor allem infolge der An- strengungen Giovannonis Eingang in die italienischen Städtebaudebatten und dadurch auch direkt in die Rezeption seiner Schüler. Trotz des engen Bezugs auf dessen Lehren wird deutlich, dass Mazzoni die Gedanken Sittes nicht nur vermittels Giovannoni aus zweiter Hand, sondern ebenso aus eigener

202 „Svolsi (...) il piano regolatore di Bologna attenendomi a quegli insegnamenti che mi venivano dai grandi maestri stranieri sulla sistemazione e tracciamento delle città; unitamente e principalemente a quelli di Gustavo Giovannoni che in simile disciplina come nella storica e nella architettonica in genere, mi fu largo di consigli e di cure.“ (Mazzoni 1922 (1), S. 5.) Ausserdem berief sich Mazzoni auf Piacentinis Antrittsvorlesung an der Architekturschule in Rom im November 1921, der dort Städtebau und Gartenkunst („edilizia cittadina ed arte dei giardini“) unterrichtete, vgl. Architettura e Arti Decora- tive, Mai/Jun. 1921, S. 91-92; Piacentini, M. 1922 (2); Annuario della R. Scuola di Architettura in Roma 1926, S. 199. 203 Vgl. Kiess 1991, S. 393-426; und weiterführend das Kapitel „Stadtbaukunst“ von Wolfgang Sonne in: Magnago Lampug- nani,, Frey, Perotti 1914. 74 Städtebauliche Grundlagen 1.3

Lektüre gekannt haben muss, obwohl er sich weder in seinen Schriften noch in archivierten Notizen ausdrücklich dazu äusserte. Abgesehen davon, dass die französische Ausgabe von 1918 in seiner per- sönlichen Büchersammlung zu finden ist,204 weisen mehrere Anmerkungen in seinen Zeitungsartikeln auf eine direkte Auseinandersetzung mit dem Gedankengut Sittes hin, für den der Städtebau, wie er bereits in der Einleitung seines Traktats konstatiert hatte, „nicht bloss eine technische Frage, sondern im eigentlichsten und höchsten Sinne eine Kunstfrage“205 war.

1.3.1.1 Neue Tendenzen: Giovannonis Rezeption der europäischen Städtebautheorien 1913 nahm Giovannoni in der Zeitschrift Nuova Antologia in zwei zusammenhängenden Artikeln erstmals explizit und umfassend Stellung zur städtebaulichen Problematik und den möglichen Vorge- hensweisen.206 Er versuchte damit Antworten auf zwei übergeordnete Fragen zu formulieren, die sich ihm zufolge dringend stellten: In seinem ersten Aufsatz „Vecchie città ed edilizia nuova“ befasste er sich mit der Entwicklung von neuen Quartieren unter Berücksichtigung der bestehenden historischen Stadtstrukturen und mit den entsprechenden Massnahmen, die zu ergreifen wären; im nachfolgenden Beitrag „Il diradamento edilizio dei vecchi centri“ stellte er die Frage ins Zentrum, mit welchen Mit- teln und nach welchen Kriterien die alten Stadtkerne in die moderne Zeit überzuführen seien.207 Die Überlegungen Giovannonis gingen von einer grundsätzlichen Neubewertung der Stadt nach äs- thetischen Paradigmen aus, die am Ende des 19. Jahrhunderts durch verschiedene Städtebautheorien artikuliert worden waren. 1889 hatte der Wiener Architekt und Theoretiker Camillo Sitte (1843-1903) die erste Ausgabe seines wegweisenden Traktats Der Städtebau nach seinen künstlerischen Grundsät- zen veröffentlicht, der 1902 in einer französischen Übersetzung herauskam und 1907 auch die Vorlage für die freie italienische Fassung Note sull’arte di costruire le città von Ugo Monneret de Villard lieferte.208 1890 publizierte der Kölner Stadtbaumeister Josef Stübben (1845-1936) im vierten Teil des enzyklopädischen Werkes Handbuch der Architektur den Band „Der Städtebau“,209 in Deutscher Sprache zwar, jedoch begleitet von einer Fülle an instruktivem Bild- und Planmaterial, das andere Autoren nach ihm wiederholt für eigene Publikationen übernahmen.210 Nur drei Jahre später erschien die Schrift Esthétique des villes des Brüsseler Bürgermeisters Charles Buls (1837-1914), die dank der Initiative der Associazione Artistica 1903 auf Italienisch herausgegeben wurde und besonders im Kreis der römischen Architekten – allen voran Giovannoni und der junge Piacentini – grosse Be- achtung fand.211 Rund zehn Jahre nach der Veröffentlichung dieser drei Werke kam aus England ein

204 Vgl. Sitte 1918. 205 (Sitte 2002, S. 2.) 206 Explizit insofern, als dass die Ausführungen Giovannonis zum Thema Städtebau inhaltlich viele Berührungspunkte mit jenen zum restauro aufwiesen und daher schon in früheren Schriften ansatzweise zur Sprache gekommen waren. 207 Vgl. Giovannoni 1913 (1) bzw. Giovannoni 1913 (2); sowie Zucconi 1989, S. 93-131; Etlin 1991, S. 107-128; Zucconi 1997 (1), S. 48-54. 208 Vgl. Sitte 1889; Sitte 1902; Monneret de Villard 1907. Die französische Übersetzung von Camille Martin wird wegen den vertauschten Abbildungen und der inhaltlichen Umarbeitung insgesamt als problematisch erachtet; sie erhielt 1918 eine 2. Auflage, die in Italien verbreitet war, vgl. Sitte 1918. Zur Rezeption der französischen Übersetzung vgl. Semsroth, Mön- ninger, Collins 2010, S. 56-64. 209 Vgl. Stübben 1890. Stübben schrieb in den frühen 20er Jahren für die Zeitschrift Architettura e Arti Decorative ausserdem mehrere Artikel zum Thema Städtebau in Europa. Vgl. Stübben 1922; Stübben 1923; Stübben 1924; Stübben 1925. 210 So etwa Aristide Caccia für seine italienische Kompilation nach der Vorlage Stübbens, vgl. Caccia 1915. 211 Vgl. Buls 1893; Buls 1903. Buls hielt 1902 in Rom einen Vortrag über die Stadtbaukunst mit besonderem Augenmerk auf der Entwicklung Roms, der Inhalt wurde in der erwähnten Publikation der Associazione Artistica wiedergegeben, vgl. auch Galassi 1902, S. 9-14; Smets 1999, S. 311-327. „Questo opuscolo del Buls romano è il primo testo che divulga in lingua italiana le categorie dell’arte pubblica, ed è rivolto ad amministratori, architetti, ingegneri impegnati nella trasformazione delle città, anzi costituisce una piattaforma d’intesa fra i vari approcci alla città espressi dal dibattito italiano, e, in partico- 1.3 Ambiente als stadträumlicher und landschaftlicher Bezugsrahmen 75 weiteres wichtiges hinzu, als Ebenezer Howard (1850-1928), Begründer der Garden City Association, sein vielbeachtetes Werk Garden cities of to-morrow 1902 in einer zweiten Auflage herausgab.212 Im Unterschied zu Sitte und Buls, die den Städtebau primär von seiner formal-ästhetischen Seite her be- trachteten und ihn als Kunstfrage diskutierten, oder zu Stübben, der zusätzlich auf die regulierenden und typologischen Aspekte, baurechtlichen Fragen und hygienischen Bedingungen fokussierte, strebte Howard mit der Gartenstadtbewegung und dem Entwurf einer neuen Stadttypologie vor allem die Reformierung sozialer und ökonomischer Verhältnisse an. Diese in Italien vielfach rezipierten Schriften beinhalteten das, was Giovannoni die „nuova tendenza“ des Städtebaus nannte. Er zitierte wiederholt aus diesen Quellen und baute seine eigene Theorie auf deren Erkenntnissen auf. „Queste [nuove teorie estetiche] hanno avuto inizio una ventina d’anni fa per l’opera di due ‚eroi‘, il Sitte ed il Buls (...) [che] vi si accostarono non solo artisti come il Fierens- Gevaert e l’Henrici, ma anche tecnici ed amministratori, come lo Stübben, il Goecke, l’Adickes, anche igienisti come il Nussbaum.“213 Allen voran waren es demnach die neuartigen Sichtweisen von Sitte und Buls, die Giovannonis Auffassung von Stadtbaukunst beeinflusst hatten,214 wenngleich auch andere Denkweisen seine Zustimmung fanden. In seinem ersten Aufsatz, den er allgemeinen Überle- gungen zur Planung neuer Quartiere ausserhalb der historischen Stadtkerne widmete, hebt er die lange vernachlässigte Bedeutung des Künstlerischen für den Städtebau hervor und übt entschieden Kritik an der planerischen Vorgehensweise des 19. Jahrhunderts, die sich zu einer am Reissbrett erarbeite- ten, von oberflächlichen Geometrien geprägten Bauplanung, ohne Bezug zur baulichen und topogra- phischen Wirklichkeit vor Ort und den Bedürfnissen der Stadtbewohner, gewandelt habe.215 In der Einführung der Kategorie des Pittoresken, der Vermeidung gerader Strassenführungen, der Schaffung geschlossener Plätze und der Bewahrung des ortstypischen Charakters identifiziert er die wesentlichen Gegenmassnahmen, um der bisherigen Fehlentwicklung entgegenzuwirken.216 Dass damit aber weder romantische Intentionen noch persönliche formale Vorlieben oder absolute Direktiven gemeint sein konnten, gibt er wie folgt zu verstehen: „ La [nuova tendenza], del resto, in quanto ricerca una vera ed alta forma d’arte, non potrebbe giungere a formule precise e determinate per la materializzazione dei principi generali, senza ricadere nella rettorica e senza decam-

lare, avanza un orientamento metodologico per formulare il nuovo Piano Regolatore di Roma.“ (Lupano 1991, S. 9.) Von der Sichtweise Buls’ wurde auch Marcello Piacentini stark geprägt, vgl. ebenda, S. 8-12. Buls hatte 1895 ausserdem den Vortrag „La construction des Villes“, den Stübben 1893 an der Weltausstellung in Chicago gehalten hatte, ins Französische übersetzt und so den Austausch zwischen den deutsch- und lateinischsprachigen Ländern gefördert. Vgl. Smets 1999, S. 26. 212 Vgl. Howard 1902. Die erste Ausgabe erschien 1898 unter dem Titel „To-morrow. A peaceful path to real reform“. Nach- dem Howard 1899 die Gartenstadtbewegung gegründet hatte, wurde die Schrift in einer überarbeiteten zweiten Auflage herausgegeben. Zur Gartenstadtbewegung vgl. weiterführend Kiess 1991, S. 427-451. 213 (Giovannoni 1913 (1), S. 457.) Vgl. Fierens-Gevaert 1901; Henrici 1904; Goecke 1906. Franz Adickes (1846-1915) präg- te als Oberbürgermeister von Frankfurt a. M. (1890-1912) die dortige Stadtentwicklung. Die Schrift Ueber die Forderung zweckmässiger Strassenorientierung bei Stadterweiterungen (1886) von Gesundheitsingenieur Hans Christian Nussbaum gab auch Stübben in seinem Buch als Literaturhinweis an, vgl. Stübben 1980, S. 50. Weitere wichtige Werke in der Re- zeption Giovannonis zum Thema Städtebau waren jene von Cornelius Gurlitt, Raymond Unwin und Hendrik P. Berlage, vgl. Gurlitt 1904; Berlage 1908; Unwin 1909; Gurlitt 1920. 214 Parallelen zwischen den Schriften von Buls und Giovannoni zeigt etwa Guido Zucconi auf, vgl. Zucconi 1997 (1), S. 49. 215 Vgl. Giovannoni 1913 (1), S. 452, 455. 216 „Introdurre un senso pittoresco nelle nuove città, sia valendosi delle visuali naturali e monumentali, sia studiando le linee di circolazione e gli spazi aperti non come linee e figure geometriche ma come aggruppamenti variati e vivi; limitare l’adozione del rettifilo per le vie ai casi necessari (...); ritornare per le piazze principali al carattere racchiuso di quelle dei nostri antichi; e sopratutto serbare nella concezione generale e speciale il carattere individualistico alla città od al quartie- re: ecco i canoni fondamentali della nuova tendenza.“ (Ebenda, S. 457.) 76 Städtebauliche Grundlagen 1.3

pare al suo criterio dell’applicazione caso per caso, secondo l’ispirazione subbiettiva dell’artista e secondo le condizioni obbiettive degli elementi concreti di arte locale, che costituiscono l’ambiente.“217 Seine Grundsätze begründet Giovannoni mit vielen, aus seiner Sicht gelungenen Beispielen des euro- päischen Städtebaus der jüngsten Zeit. Er verweist dabei immer wieder auf die Schriften Sittes, Buls oder Stübbens und ergänzt seine Aussagen mit den wegweisenden Beschlüssen, die an internationalen Kongressen nach der Jahrhundertwende gefasst worden waren, um das unkontrollierte Wachstum der Städte zu zügeln. Diese Voten sahen unter anderem eine Klassifizierung der Strassen gemäss Ver- kehrsstärke und die entsprechende Angleichung ihrer Querschnitte vor, wie auch die Anpassung der Strassenverläufe an die Bedingungen des Geländes und an die lokalen Strukturen der Stadt.218 Die Strasse ist auch bei Giovannoni das dominierende städtebauliche Element, das nicht nur die Anord- nung und Bebauung einer Stadt bestimmt, sondern ebenso die Entwicklung des Eisenbahn-, Tram- und Automobilverkehrs ermöglicht. Die neuen Kommunikationsmittel würden zu einer Revolution im Städtebau führen, weil sie die Ausdehnung der Städte und damit die Entlastung der Kernzonen sowie die Dezentralisierung, etwa nach dem Vorbild der englischen Gartenstädte, begünstigten.219 Mit solchen Worten und im Bewusstsein ihrer Konsequenzen wies er unmissverständlich darauf hin, dass nur mit Blick in die Zukunft an alten Traditionen festgehalten werden dürfe und Städtebau allein unter Einbezug aller Parameter erfolgreich sein könne. Ebenso dezidiert, wie Giovannoni bei der Beurteilung von städtebaulichen Fragen um ein Gleich- gewicht zwischen den künstlerischen, historischen, praktischen und hygienischen Faktoren ringt, so setzt er sich mit der Diskrepanz zwischen „alt“ und „neu“ („storia“ und „vita“) auseinander, wie der Titel seines ersten Aufsatzes deutlich zu verstehen gibt.220 Er versucht darin zu ermitteln, inwieweit alte Städte und neue Baumassnahmen zu vereinbaren seien, und ist überzeugt, dass sich ein Mittelweg zwischen den Positionen der „conservatori“ und jenen der „novatori“ finden liesse: „Da uno studio fatto con ampiezza di vedute, con esatta cognizione delle reali esigenze dell’edilizia e dei mezzi a sua disposizione, con affetto sincero verso l’arte e le memorie cittadine, non solo è quasi sempre possibile trovare una transazione tra i due ordini di criteri col dare a ciascuno razionalmente il suo campo di azione; ma non di rado anche si giunge a far sì che dalle difficoltà stesse balzi fuori la soluzione logica e viva, meditata e geniale.“221 Inhaltlich sind die Ausführungen Giovannonis zum Thema Städtebau kaum gegenüber jenen abzu- grenzen, die anlässlich des restauro bereits erörtert worden sind; unabhängig davon, ob es um die Klassifizierung von Strassen oder historischen Bauwerken geht, ob ein ganzes Stadtquartier oder ein einzelnes Haus Gegenstand der Untersuchungen ist – die Leitgedanken, die Komplexität der Auf- gabenstellungen und die hohen Anforderungen an die Städteplaner beziehungsweise Restauratoren bleiben analog und sind weder eine Frage des Massstabs noch eine des Stils. Dogmatische Botschaf- ten lehnt Giovannoni ab, vielmehr fordert er die Differenzierung der architektonischen Probleme entsprechend leitenden Prinzipien. Lösungen dürfen kein willkürliches Ergebnis darstellen, sondern müssen „caso per caso“, von Fall zu Fall und aufgrund schlüssiger Argumentation gefunden werden.

217 (Ebenda, S. 457.) 218 Vgl. ebenda, S. 458-469. 219 Vgl. ebenda, S. 456; sowie Kapitel 2.2.1.2, S. 140-141. 220 Unter dem Titel „Vecchie città ed edilizia nuova“ veröffentlichte Giovannoni 1931 auch ein als Traktat konzipiertes Buch, vgl. Giovannoni 1931; sowie Zucconi 2002, S. 57-69. Das Buch war ursprünglich als Band einer fünfteiligen Reihe zu städtebaulichen Themen geplant, die unter anderem noch eine italienische Version von Sittes Städtebau, von Giuseppe De Finetti herausgegeben, und eine Schrift von Marcello Piacentini mit dem Titel Corso di edilizia hätten umfassen sollen. Die anderen vier Bände wurden aber wegen der Wirtschaftskrise abgesetzt. Vgl. Zucconi 1997 (1), S. 50, 52. 221 (Giovannoni 1913 (1), S. 451.) 1.3 Ambiente als stadträumlicher und landschaftlicher Bezugsrahmen 77

Seine Konzepte lassen sich daher weder generalisieren noch pauschal anwenden. Die drei Disziplinen Architekturgeschichte, Denkmalpflege und Städtebau bilden der Theorie Giovannonis zufolge eine untrennbare Einheit und stehen in stetiger Wechselwirkung zueinander, so dass sie losgelöst von den anderen nicht ausreichend ergründet werden können. Sie sind als integrale Teile der übergeordneten architektonischen Aufgabe zu verstehen, deren höchster Anspruch und Verpflichtung wiederum der Kunst gelten. Entsprechend anspruchsvoll sind Giovannonis Forderungen an die beteiligten Fachleute und speziell an die Architekten, von denen er nebst technischen Fähigkeiten gerade auch künstlerische Kompetenz erwartet. Im Zentrum seiner Denkweise stehe, so schreibt Guido Zucconi und spricht damit den wesentlichen Kern an, „la nozione di ambiente, la quale non solo occupa uno snodo fon- damentale nella teoria di Giovannoni, ma si colloca anche a cavaliere tra ambiti distinti d’esperienza (tra conoscenza e azione, tra studio analitico e progetto architettonico).“222 Giovannonis Vorstellung von ambiente ist komplex; sie geht über den physischen, das heisst baulichen und landschaftlichen Kontext der Architektur weit hinaus und umfasst ebenfalls die gesamten geistigen wie ausführungs- technischen und arbeitsbedingten Zusammenhänge. Insofern positioniert sich seine unter dem Begriff des ambientismo bekannt gewordene Lehre wie jene Sittes als Antithese zur Objektfixierung und zur bezugslosen Rhetorik des ausgehenden 19. Jahrhunderts, gleichzeitig nimmt sie gewissermassen auch schon die Kritik an der Programmatik des modernen, funktionalen Städtebaus vorweg, wie ihn etwa die Internationalen Kongresse Moderner Architektur (CIAM) rund 20 Jahre später postulieren wer- den.223 Der ambientismo, im Sinne einer Kontextualisierung, sieht sich klar der Kontinuität verpflich- tet, ohne sich dem Fortschritt verschliessen zu wollen, oder umgekehrt, bekennt sich zum Fortschritt, ohne mit der Vergangenheit brechen zu müssen.

1.3.1.2 Diradamento: städtebauliches Konzept und konkrete Massnahmen Die Aussagen bezüglich städtebaulicher Problematiken und Methoden, zu denen Mazzoni in seinen eigenen Schriften gelangte, waren alles in allem eine Wiederholung der diradamento-Theorie, wie sie Giovannoni in seinem zweiten Aufsatz von 1913 formuliert hatte. Obgleich Mazzoni die Original- schriften, die ihm zur Vertiefung des Themas als Lektüre empfohlen worden waren, bestimmt gelesen hatte, ist aus seinem gewählten Wortlaut zu folgern, dass er sich in erster Linie an Giovannonis zu- sammenfassenden Erläuterungen aus dem gemeinsamen Briefwechsel orientierte. Um seinen Schüler hinsichtlich der Studien für die Neuordnung des Zentrums von Bologna zu beraten, legte ihm Giovan- noni in den Briefen vom 3. und 16. Januar 1918 seine eigene Städtebautheorie dar: Im ersten erörterte er die Vorgehensweise der modernen Planung nach den Prinzipien des diradamento („Auslichtung“), im zweiten stellte er die wichtigsten Grundsätze klar, die dabei eingehalten werden sollten. Beide Briefe lesen sich wie eine Summa von Giovannonis Ideen und sind in dem Sinn ein beachtenswertes Dokument seiner systematischen Lehre und städtebaulichen Grundhaltung.224 Zu Beginn seiner kurzen Ausführungen schickt Giovannoni voraus, dass er wegen mangelnder Kennt- nisse des Gebietes, das Mazzoni bearbeitete, keine spezifischen Angaben machen könne: „solo può

222 (Zucconi 1997, S. 54.) 223 Vgl. hierzu die Bemerkungen von Wolfgang Sonne am Schluss des Kapitels „Stadtbaukunst“, vgl. Anm. 203. 224 Vgl. Forti 1990, S. 89-90. Wie aus einem der Briefe von Giovannoni hervorgeht, besprachen sie sich bei Gelegenheit auch mündlich: „Son passato (...) due volte dalla stazione di Bologna, ma ambedue nel colmo della notte, sicché non ho potuto scriverLe di trovarcisi, per modo da poter conversare un quarto d’ora insieme, cosa ben più efficace della corrispondenza per lettera.“ (Ebenda, S. 89.) 78 Städtebauliche Grundlagen 1.3 risultare da uno studio particolareggiato, casa per casa, angolo per angolo, dei luoghi“.225 Danach spricht er von den allgemeingültigen Konzepten, die als Ordnungsstrategie für die komplexen städ- tebaulichen Anforderungen herangezogen werden können. Zuerst müsse man die übergeordnete Ver- kehrslage („grande viabilità“) überprüfen und anpassen; falls durch das Gebiet Hauptverkehrsadern führten, seien diese soweit wie möglich in die Peripherie hinaus zu leiten und mit dem weiträumigen Verkehrsnetz zu verbinden; anstatt enge, bestehende Gassen zu erweitern, seien wenn nötig neue Strassen vorzugsweise mitten durch grosse Baublöcke zu führen. Dabei sei von einem abstrakt- geometrischen, gradlinigen Streckenverlauf und perfekten Symmetrien abzusehen. In einem nächsten Schritt müsse das Gebiet kleinräumig in seinem Innern geordnet werden („sistemazione interna“), wobei hygienische Kriterien auf der einen und künstlerische, historische sowie umgebungsbezogene Argumente auf der anderen Seite zu bedenken seien. Hier komme nun die Theorie des diradamento zum Tragen: „Non mutare lo schema edilizio sostituendo strade larghe a strade strette, ma allargare lo spazio punto per punto, demolendo qua e là qualche casa o qualche isolato e sostituendovi piazze e giardini, scantonando e limitando sporgenze ingombranti, magari anche abbassando di qualche piano aggiunto l’altezza di qualche edificio. In altre parole: criterio fondamentale d’Arte non il geometrico, ma il pittorico, secondo il quale verrebbero ad associarsi in gruppi nuovi gli elementi vecchi nel loro vecchio ambiente; criterio fondamentale d’igiene la creazione di polmoni di aereazione nelle zone più dense dell’antico abitato.“226 Sobald die städtebaulichen Fragen geklärt seien, könne man die restauratorischen der einzelnen Bauten angehen („questioni architettoniche dei restauri“), und zwar wiederum von zwei Warten aus- gehend: von einer künstlerischen, die den authentischen Ausdruck und die Würde eines Bauwerks beachte, und einer zweckmässigen, welche die alten Bauwerke an die Bedürfnisse der Gegenwart an- passe. Auch in dieser Grössenordnung könne nach den Prinzipien des diradamento vorgegangen wer- den. Um Mazzoni die Komplexität der Aufgabe vor Augen zu führen, zieht Giovannoni eine Analogie heran: „Come fare a dare norme precise per dipingere un quadro? Come imporre tassativamente le direttive ed i limiti ad una pagina di storia? Ed un vecchio quartiere è insieme un quadro ed una pagina di storia.“227 Im zweiten Brief reagiert Giovannoni auf projektbezogene Äusserungen Mazzonis. Erneut kann er ihnen keine konkreten Antworten, sondern nur einige allgemeine Richtlinien entgegenhalten, die beim Städtebau zu beachten seien: so müsse die Planung vor Ort studiert und diskutiert werden, weil ohne direkte Kenntnisse der vorhandenen baulichen Strukturen und der anstehenden Probleme die Anwendung theoretischer Prinzipien eine wertlose, akademische Übung sei. Giovannoni entschuldigt damit seine generalisierenden Bemerkungen und appelliert zugleich an das Verantwortungsbewusst- sein des Planenden. Des Weiteren glaubt er, sollen die städtebaulichen Eingriffe auf das Notwendigste beschränkt werden, sowohl im Hinblick auf das ambiente, als auch aus wirtschaftlichen und hygie- nischen Gründen; aus künstlerischer Sicht seien sie, das heisst er, Giovannoni, und die Architekten der gegenwärtigen Zeit, momentan kaum in der Lage, die alten Häuser mit neuen zu ersetzen, die den Empfindungen und dem lokalen Charakter einer historischen Stadt gerecht würden. Die jüngsten Massnahmen hätten zudem gezeigt, dass durch monumentale Interventionen eher Probleme geschaf-

225 (Ebenda, S. 89.) 226 (Ebenda, S. 89.) Diese Passage zitierte Mazzoni in seiner Studie, vgl. Mazzoni 1922 (1), S. 8; sowie Kapitel 1.2.1.1, S. 39-40. 227 (Forti 1990, S. 89.) 1.3 Ambiente als stadträumlicher und landschaftlicher Bezugsrahmen 79 fen als gelöst würden. Es sei deshalb sinnvoll, die alten Städte an ihrer Peripherie, wo es genügend Raum, Luft, Licht und Freiheit gebe, weiterzuentwickeln und das Zentrum nach und nach in ein Wohnquartier mit einer angemessenen Infrastruktur zu verwandeln, und zwar gemäss den Kriterien des diradamento. Beim Auslichten solle man sich aber nicht nur um die bestehenden, repräsentativen Bauwerke oder um Plätze und Gärten kümmern, sondern ebenso an öffentliche Bauten wie Schulen, Märkte oder Bäder denken, die es neu zu errichten gäbe. Wie bereits erwähnt, sind die beiden Briefe Giovannonis ein Résumé der wesentlichen Punkte, die er fünf Jahre zuvor in seinem zweiten Aufsatz ausführlich dargelegt hatte. Dort analysiert er einleitend, bevor er auf die konkreten Konzepte zu sprechen kommt, die städtebauliche Ausgangslage, da ihre Bedingungen, das heisst die Struktur und der Baubestand einer historischen Stadt, die Bezugsgrössen für die weitere Planung bilden. Zum einen unterscheidet er zwei grundsätzlich verschiedene bauliche Strukturen („schemi edilizi“): die eine folge mit geraden, breiten Strassen und perspektivisch insze- nierten Blickpunkten einer geometrischen Ordnung, die andere („tipo medioevale“) sei in Italien häufiger anzutreffen und zeichne sich durch eine gewollte Unregelmässigkeit des Strassensystems und der Häuser aus, durch enge, gewundene Gassen, geschlossene Plätze und ausgedehnte Baumassen; die Vielfalt, die überraschenden Kontraste, das Wechselspiel von Licht und Schatten würden diesem Stadttypus einen pittoresken Charakter und jeder Strasse und jedem Gebäude ein individuelles Er- scheinungsbild verleihen. Überdies seien die hygienischen Bedingungen dort trotz enger Verhältnisse vorteilhaft, weil die kalten Winde nicht ungehindert in die Stadt eindringen könnten, Innenhöfe und Gärten im Innern der Baublöcke für Licht und Luft sorgten und jedes Haus mindestens einen vorteil- haft orientierten Raum habe.228 Diese ästhetischen und hygienischen Argumente zugunsten der Varie- tät untermauert Giovannoni mit dem Verweis auf die theoretischen Schriften von Sitte, Andrea Palla- dio und Leon Battista Alberti.229 Das ist insofern bemerkenswert, als dass die genannten Referenzen seine Bemühungen verdeutlichen, die Geschichte des Städtebaus nicht allein mit jüngst gewonnenen Erkenntnissen zu verbinden, sondern ebenso ihre weiter zurückliegenden (zudem authentisch italieni- schen) Wurzeln einzubeziehen. Zum andern unterscheidet Giovannoni zwei verschiedene Arten von Bauwerken („classe di monumenti“): solche in engen Raumsituationen, wie etwa die gotischen Kathe- dralen oder viele sekundäre Bauten, Häusergruppen, Türme und Brunnen, die ihre visuelle Wirkung vor allem von einem nahen Betrachterstandpunkt aus entfalten und ohne ihren Kontext den künstle- rischen Wert einbüssen würden, und solche in weiten Räumen, wie viele der römisch-antiken Bauten und solche aus dem 16. und 17. Jahrhundert, die aufgrund grosser Baumassen ihre Wirkung erzielen und auch als Einzelobjekte wahrgenommen würden.230 Hier stützt Giovannoni seine Aussagen auf die theoretischen Schriften von Sitte und Auguste Choisy.231 Nach diesen grundsätzlichen Äusserungen stellt Giovannoni seine konkrete städtebauliche Strategie vor, die sich inhaltlich mit den Erläuterungen der Briefe an Mazzoni deckt: 1. Ausarbeitung der gross- räumigen Verkehrslage, 2. innere Neuordnung der Stadtgebiete nach den Prinzipien des diradamento, 3. Lösung restauratorischer Aufgaben. Giovannoni begründet die einzelnen Punkte eingehend und unterlegt sie mit zahlreichen positiven wie negativen Beispielen aus der Praxis. Das unterbreitete Vor-

228 Vgl. Giovannoni 1913 (2), S. 53-54. 229 Giovannoni verweist auf Der Städtebau nach seinen künstlerischen Grundsätzen von Sitte (Ausgabe 1889), Il terzo libro dell’architettura, Kapitel II, von Palladio und De re aedificatoria, lib. IV, Kapitel 5, von Alberti. 230 Vgl. Giovannoni 1913 (2), S. 56-57. 231 Giovannoni nennt die in Anm. 229 erwähnte Schrift von Sitte, sowie Histoire de l’architecture, Bd. II, von Auguste Choi- sy, ausserdem erwähnt er die Verdienste von Charles Buls und dessen Wirken in Brüssel. 80 Städtebauliche Grundlagen 1.3 gehen versteht er als Gegenmodell zu den in den vergangenen Jahrzehnten praktizierten sventramenti („Abrisse“), die sowohl in künstlerischer und historischer, wie auch in wirtschaftlicher, finanzieller und gesellschaftlicher Hinsicht vollkommen misslungen seien.232 Erstaunlicherweise bedient sich Gio- vannoni, als er auf das eigentliche Thema des diradamento zu sprechen kommt, beinahe ausschliess- lich der Worte Alfonso Rubbianis (1848-1913). Rubbiani hatte sich als Restaurator und Initiator des Comitato per Bologna storica e artistica, einer 1899 gegründeten Kommission für denkmalpflegeri- sche Angelegenheiten, über die Grenzen Bolognas hinaus einen Namen gemacht. Er war für zahlrei- che (teilweise umstrittene) Restaurationen verantwortlich, etwa jener der Palazzi Re Enzo und Notai, der Kirche San Francesco und der dort aufgerichteten Grabmäler der glossatori,233 kämpfte nach der Ratifizierung des Bebauungsplans von Bologna von 1889 gegen den Abriss der alten Stadtmauer und sprach sich mithilfe eines eigenen Projekts für die Bewahrung der Geschlechtertürme und gegen den vorgesehenen Durchbruch der neuen Via Rizzoli aus.234 Giovannoni zitiert Rubbiani wie folgt: „Acconciare le città vecchie all’accrescimento di vita moderna senza snaturare la fisonomia storica (...) può ot- tenersi studiando le riforme della viabilità non sulle piante e le carte delle città ma nelle vie medesime, angolo per angolo, casa per casa, crocicchio per crocicchio. Migliorare la viabilità col minimo delle demolizioni e col massimo degli espedienti e persuadersi che più le contrade sono varie per altezze di edifizi, per movenze che sembrino impensate, per piccole fughe e prospettive che richiamino e divertano l’occhio, e meglio è; credere che l’alternarsi del pittoresco al monumentale, della vecchia torre e dell’umile casetta coll’edificio moderno è una delle precipue ragioni di cui è fatta la bellezza delle città italiane e delle antiche città più celebrate: tutto questo è osservazione e pensiero che devono trasformarsi in arte sottile per riformare le vecchie strade o crearne di nuove. Facciamo delle strade comode ma che sembri abbiano sempre esistito, per l’affacciarsi lungo il loro studiato svi- luppo di quanto ricorda la vita stessa degli avi, facciamo delle strade in cui si rispecchi la vita sociale qual’è, cioè una varietà di fortune, la folla umana qual’è, cioè non un reggimento di granatieri al presentat arm, e ricordi(no) un poco l’adorabile modo di disporsi delle cose nel paesaggio naturale, dove tutto è sinfonia senza uniformità, tutto è armonia in una vittoria dell’asimmetrico, dove tutto è bellezza in un continuo predominio di curve, di flessioni, di angoli sopra la monotonia del parallelismo.“235 Giovannoni fügt an, dass umfassende Kenntnisse der Planungsverantwortlichen die wichtigste Grund- lage für die Anwendung der diradamento-Theorie seien, und präsentiert anhand seines Projektes für die Neuordnung der innerstädtischen Quartiere Ponte und Parione in Rom sogleich eine mustergültige Planung; perspektivische Ansichten verschiedener Strassen- und Platzräume, Fotografien des Zustan- des vor dem Eingriff, Aufrisse einzelner Häuser getreu ihres Originalzustandes und ein Lageplan, auf dem alle bedeutenden Bauwerke und die Standorte der Ansichten mit Legende eingetragen sind,

232 Beispiele misslungener sventramenti im 19. Jahrhunderts sind für Giovannoni die Piazza della Repubblica in Florenz und die Altstadtsanierung in Neapel; sie seien vor allem aus baurhetorischen („rettorica edilizia“) und spekulativen Gründen in Mode gekommen, vgl. Giovannoni 1913 (2), S. 55 sowie Giovannoni 1913 (1), S. 452. 233 Die Bologneser glossatori waren Rechtsgelehrte aus dem 11.-13. Jahrhundert, die die Rechtswissenschaft neu begrün- deten, indem sie die wiederentdeckten justinianischen Digesten (römisches Zivilrecht) mit Kommentaren, so genannten „Glossen“, versahen, vgl. weiterführend Lange 1997. In Bologna existieren heute fünf Grabmäler der glossatori, jene von Accursio, Odofredo und Rolandino De Romanzi bei der Apsis von San Francesco, jene von Egidio Foscherari und Rolan- dino Passeggieri auf der Piazza San Domenico. Vgl. hierzu Zucchini 1914, S. 38; Solmi, Dezzi Bardeschi 1981, S. 54-57, 81-83, 231-232; Mazzei 1987, S. 65-73. 234 Vgl. Rubbiani 1877; Rubbiani 1902; Rubbiani 1906; Rubbiani, Pontoni 1909. Zum Thema der Stadtmauer vgl. Varni 2005, S. 13-225. Zur Rezension des Werkes von Rubbiani vgl. Solmi, Dezzi Bardeschi 1981. Besonders in Bologna be- einflusste Rubbiani die nachkommende Architektengeneration, etwa Achille Casanova (1861-1948), Edoardo Collamarini (1863-1928), Gualtiero Pontoni (1875-1941), Guido Zucchini (1882-1957), vgl. ebenda, S. 381-401. 235 (Giovannoni 1913 (2), S. 63-64.) Vgl. die entsprechende Stelle in Rubbiani, Pontoni 1909, S. 11-12. 1.3 Ambiente als stadträumlicher und landschaftlicher Bezugsrahmen 81 begleiten den ausführlichen Projektbeschrieb und dokumentieren zugleich die Arbeitsinstrumente und die Methodik Giovannonis.236 Zusammenfassend bedeutet diradare oder „auslichten“, Freiräume im dichten Gewebe der alten Stadt- zentren zu schaffen, um sie gemäss praktischen Kriterien an die modernen Bedürfnisse anzupassen, ohne deswegen das historische und künstlerische Gefüge, welches als Erinnerungsträger, als geistiger Bezugspunkt oder als Ausdruck malerischer Schönheit eine wichtige Funktion erfüllt, zu zerstören. Die neuen Freiräume sollen eine bessere Belüftung und Belichtung der Häuser ermöglichen, zur Sen- kung der Bevölkerungsdichte im Zentrum und zur Lebensqualität beitragen, sowie vorteilhafte Bedin- gungen für die Verkehrsführung, insbesondere für die neuen Verkehrsmittel wie Tram und Automobil, schaffen. Diradamento ist demnach keine radikale Massnahme, sondern eine, bei der – wie Giovan- noni und Rubbiani behauptet hatten und Mazzoni später wiederholt – Haus um Haus und Winkel um Winkel bedacht werden müssen; jedes involvierte Element ist im Detail zu studieren, sowohl einzeln wie auch im Kontext zu bewerten und in Bezug auf das Gesamte zu planen. Wie stark sich Mazzoni von diesen Ideen anleiten liess, bekundet seine städtebauliche Studie für Bologna hinreichend; mit den unterschiedlich gesetzten Schwerpunkten der drei von ihm bearbeiteten Gebiete demonstriert er eine beispielhafte Interpretation der konkreten Strategie, zu der ihn Giovannoni angeregt und angelei- tet hatte.237

236 Vgl. Giovannoni 1913 (2), S. 65-76. Giovannoni setzte schon früh die Fotografie bewusst als Arbeitsinstrument ein, vgl. Costantini, P. 1990, S. 75-77. 237 Trotz Vorbehalten fand Giovannoni am Ende lobende Worte für Mazzonis Arbeit: „Ne abbiamo a lungo discorso, e Lei sa che non sono in tutto concorde per taluni sventramenti non necessari. Ma ciò non toglie che lo studio sia fatto con vera genialità e con bel senso d’Arte.“ (Brief vom 16.11.1922 in: Forti 1990, S. 95.) 82

73 Florenz, „Risanamento del centro“, 1865-1895, Stadtzentrum und Piazza Vittorio Emanuele (heute della Repubblica) vor und nach dem umstrittenen Umbau, publiziert von Josef Stübben in Der Städtebau (2. Aufl. 1907): „Eine etwas künstlerischere Gestaltung wäre für die alte Kunststadt wohl erwünscht gewesen.“

74

74 Rom, Planung der Stadterweiterung Piazza d’Armi: Quartier gemäss des piano regol- tore von Sanjust de Teulada, 1909 (oben), und Gegenvorschlag von Josef Stübben, 1911 (unten), publiziert von Gustavo Giovannoni in Nuova Antologia, Nr. 249, 1913 75 Drei Gegenvorschläge von Gustavo Giovannoni (unten) und Marcello Piacentini (mitte und oben), publiziert von der Associazione Artistica in Annuario 1911-1915, 1916 75 83

76 Ebenezer Howard, Diagramm für die Anlage einer Gartenstadt, publiziert in Garden cities of to-morrow, 1902

77 Rom, Planung der Stadterweiterung Appio: Quartier gemäss des piano regolatore von 78 Otto Bünz, „Städtebaukünstlerische Beziehungen der Sanjust de Teulada, 1909 (oben), und Gegenvorschlag von Otto Bünz, 1914 (unten), Kirchen San Giovanni in Laterano und Santa Croce in publiziert in Deutsche Bauzeitung, Nr. 83, 1914 Gerusalemme“, Deutsche Bauzeitung, Nr. 83, 1914 84

79- 86 Mustergültige Neugestaltung der römischen Quartiere Ponte und Parione gemäss der diradamento-Theorie, publiziert von Gustavo Giovannoni in Nuova Antologia, Nr. 250, 1913, mit Lageplan und Legende (oben), sowie Aufrissen, Rekonstruktionszeichnungen, perspektivische Ansichten und Fotografien (unten)

80 Perspektive B 81 Perspektive C 82 Perspektive D

83 Vic. del Governo Vecchio (20) 84 Via Coronari 157 (13) 85 Via Coronari 148 (14) 86 Ädikula von A. da Sangallo, Via Coronari (15) 1.3 Ambiente als stadträumlicher und landschaftlicher Bezugsrahmen 85

1.3.2 Der städtebau-theoretische Ansatz in den Schriften Mazzonis

Die städtebaulichen Ansichten Mazzonis fanden 1922 in der Untersuchung Studio di sistemazione edi- lizia di tre zone di Bologna und in den Artikeln, die er im Lauf seiner journalistischen Tätigkeit in den frühen 20er Jahren verfasste, einen unmittelbaren theoretischen Ausdruck. Seine Schriften sind indes zu bescheiden und zu wenig analytisch, um als eigentliches theoretisches Werk gelten zu können, die formulierten Gedankengänge bleiben weitgehend episodisch und verarbeiten zunächst bekannte Posi- tionen. Trotzdem kommt ihnen als schriftliches Zeugnis im Zusammenhang mit den konkreten archi- tektonischen Projekten eine wichtige Bedeutung zu, da sie die Grundzüge der Denkweise vermitteln, die Mazzoni seiner Entwurfsarbeit zugrunde legte, und somit Aufschluss über seinen konzeptionellen Ansatz bei der Lösung städtebaulicher Fragen geben.

1.3.2.1 Die städtebaulichen Untersuchungen zu Bologna (1917-1922) Nach dem zweiten Studienjahr an der Scuola d’Applicazione in Rom zog Mazzoni 1917 nach Bolo- gna, wo er während des Ersten Weltkriegs Militärdienst leistete. Aus dem damals eröffneten Brief- wechsel mit Giovannoni geht hervor, dass er sich schon bald nach seinem Umzug intensiv mit den städtebaulichen und denkmalpflegerischen Problemen der Stadt auseinanderzusetzen begann und die öffentlich geführten Diskussionen genau verfolgte. Zu jener Zeit nahm er auch seine städtebaulichen Untersuchungen zu Bologna in Angriff, die er zu Beginn teilweise gemeinsam mit Giuseppe Vaccaro erarbeitete und 1922 veröffentlichte.238 Der Publikationstext datiert vom November 1919, zur gleichen Zeit also, als Mazzoni sein Diplom als Ingenieur erhielt; das Vorwort fügte er im Sommer 1922 kurz vor seinem Abschluss an der Accademia di Belle Arti hinzu, und die Zeichnungen und Pläne, sofern mit Datum versehen, fertigte er überwiegend in den Jahren 1919 und 1920 an.239 Die Publikation wird mit einigen grundsätzlichen Worten zur Entwicklung der historischen Städte und deren Anpassung an die Bedürfnisse der modernen Gesellschaft eingeleitet. Im Mittelpunkt steht die Erhaltung des Charakters der alten Stadtkerne und der Schönheit ihrer Kunstwerke, die Mazzoni in enger Verbindung mit der Bewahrung des ambiente, der kontextuellen Einbettung, sieht. Um ein- schneidende, verlustreiche Eingriffe zu vermeiden, spricht er sich für die Schaffung neuer politischer, administrativer und wirtschaftlicher Zentren ausserhalb des historischen Kerns, an der Peripherie, aus, die Innenstadt solle dagegen mittels umsichtiger und moderater baulichen und verkehrstechni- schen Massnahmen in ein ruhiges, vornehmes Quartier umgewandelt werden. In den folgenden zwei Kapiteln geht Mazzoni kurz auf den spezifischen Zustand Bolognas ein. Er kritisiert diesventramenti infolge der Stadtumbauten der vergangenen 50 Jahre und fordert eine Änderung der Vorgehensweise: neue Verkehrsadern seien nach angemessenen Kriterien anzulegen, ohne dass architektur- oder ge- schichtsrelevante Werke zerstört würden, bescheidene Bauwerke sollten mit Rücksicht bedacht und die Schönheit charakteristischer Baugruppen, Plätze und Gässchen gewahrt oder wiederhergestellt werden, und letztlich müsse auch die Entwicklung der neuen Quartiere verbindlich geregelt werden. Obwohl es nicht mehr möglich sei, nach dem Prinzip des diradamento zu verfahren, versucht Maz- zoni anschliessend bei der Projektausarbeitung im Hauptteil der Arbeit trotzdem jenen Grundsätzen

238 Vgl. Mazzoni 1922 (1). Bezüglich der Zusammenarbeit mit Vaccaro vgl. Anm. 48. Mazzoni präsentierte seine Studien überdies an einer ausserordentlichen Sitzung der Associazione Artistica in Rom, vgl. FAM, MAZ B/1, fasc. 2, 1. 239 Vgl. FAM, MAZ G/8, S. 39-43; ebenda, D/3, S. 151-154. 86 Städtebauliche Grundlagen 1.3 zu folgen, die ihm Giovannoni in seinen Briefen dargelegt hatte. Anhand von Grundrissplänen, pers- pektivischen Ansichten und kurzen Begleittexten stellt Mazzoni drei konkrete städtebauliche Projekte für Bologna vor. Sie behandeln auf unterschiedlichen massstäblichen Ebenen gewissermassen exem- plarisch drei verschiedene Fragestellungen: Lageplan A zeigt die Neuordnung eines dicht bebauten Stadtgevierts nördlich der Via Rizzoli. Mit einem Durchbruch zwischen der Piazza Ravegnana und der Via delle Moline sowie dem Ausbau zweier bestehenden Strassen zwischen der Via Rizzoli und der Via Repubblicana (heute Via Augusto Righi) schlägt er zwei neue Verbindungswege vor, die das Zentrum besser an den Bahnhof und das periphere Strassennetz anschliessen sollen. Die Massnahmen sehen nicht nur den Durchschlag beziehungsweise die Verbreiterung der Strassen vor, sondern dienen überdies der Inszenierung bedeutender Bauwerke, wie etwa der mittelalterlichen Geschlechtertürme, einzelner Kirchenbauten und herrschaftlicher Palazzi, allenfalls deren Instandsetzung, sowie der Ein- richtung von Plätzen mit Brunnen und neuen Laubengängen für Märkte.240 In Lageplan B bearbeitet Mazzoni ein weiträumigeres, seinerzeit erst spärlich bebautes Gebiet im nordwestlichen Teil der Stadt zwischen der Porta San Felice, dem Flusslauf des Reno, der Via dei Mille und der Porta Lame, wo er neue Verkehrswege in Ergänzung zu den wenigen bestehenden einführt. Seine Wahl der Strassenfüh- rung wird durch schützenswerte Bauwerke, wie einige Kirchen und die Stadttore des äusseren Befesti- gungsring, bedingt, die entweder umfahren werden oder als Zielpunkte von Strassenachsen fungieren sollen. Beim ehemaligen Hafen will Mazzoni ausserdem einen Park einrichten, um dort zugleich eini- ge Bauten aus dem 17. Jahrhundert zu schützen: „nel loro insieme paesistico e nella loro interessante manifestazione di uno stile (...) che pur oggi dà spunto di creazione di belle cose moderne.“241 Der Lageplan C behandelt die städtebauliche Neuordnung rund um ein einzelnes Bauwerk, namentlich die romanische Kirche San Domenico.242 Ausgehend von den ungenügenden Transitmöglichkeiten, die Mazzoni in dieser Umgebung eruiert, plant er zwischen der Piazza San Domenico und der Via Vascel- li eine neue Verbindungsstrasse, die um die Ostseite der Kirche führen und den Blick auf die Apsiden freigeben soll. An der Südflanke entwirft er ein locker bebautes Villenquartier, dem er die Funktion ei- nes polmone, einer innerstädtischen „Lunge“, zuweist. Auf 14 Parzellen sollen Ein-, Zwei- und Mehr- familienhäuser mit Gärten entstehen, wofür Mazzoni bereits konkrete Grundrisse und Perspektiven, teils mit Varianten, präsentiert. Die Formensprache und der Ausdruck dieser Häuser wie auch deren graphische Darstellungsweise bekunden den Einfluss, den die Architektur der Wagnerschule und die architettura minore auf seine Entwurfsarbeit ausgeübt hatten. Die drei Projekte nehmen sich wie Lehrstücke dessen aus, was Mazzoni unter dem Thema Städtebau subsumierte. Beispielgebend bearbeitet er im Kontext einer historischen Stadt drei städtebauliche Grössenordnungen: den Strassenraum, den er mittels diradamento an die Anforderungen der moder- nen Zeit anzupassen sucht, die Stadterweiterung, an deren Anfang er die Ordnung des Strassennetzes setzt, und den Baukörper, der entweder als Monument oder als neugebaute Architektur den Charakter des Stadtraumes prägen soll. Oberste Priorität kommt dabei den Strassen und Plätzen zu, deren An-

240 Einer der Blickpunkte im Strassenraum ist zum Beispiel die Casa Grassi mit ihrem traditionellen Portico aus Holz. Maz- zoni wählte für die Beschreibung dieses Hauses ein Zitat von Giosuè Carducci, vgl. Mazzoni 1922 (1), S. 14. 241 (Ebenda, S. 17.) 242 Die im frühen 13. Jahrhundert errichtete Kirche San Domenico war 1728-1732 von Carlo Francesco Dotti umgebaut und mit einer Säulenvorhalle erweitert worden, die das Stadtbauamt 1874 wieder abreissen liess. 1909-1910 restaurierte Rub- biani die ursprünglich romanische Kirchenfassade mit ihrer charakteristischen Dachform und der Rosette nach den Plänen von Raffaele Faccioli aus dem Jahr 1894. Vgl. Sighinolfi 1910; Ricci, Zucchini 1968, S. 27, 28-33; Solmi, Dezzi Barde- schi 1981, S. 45, 159-160. 1.3 Ambiente als stadträumlicher und landschaftlicher Bezugsrahmen 87 ordnung einerseits die Bebauung determiniert und andererseits bestehende Strukturen und Bauwerke schützt. „La bellezza e il rapido sviluppo di una città dipendono da razionale disposizione dei centri di vita e da buona distribuzione della rete stradale.“243 �����������������������������������������������Mazzoni hebt die kluge Verteilung der Verkehrs- wege aber nicht allein aus zweckmässigen Gründen hervor, sondern misst ihr mehr noch aus histori- scher, künstlerischer und ästhetischer Sicht eine vorrangige Bedeutung zu, weil dadurch Erinnerungen an die Vergangenheit, Kunstwerte und die Schönheit eines über Jahrhunderte entstandenen ambiente bewahrt werden können.244 Den Strassenraum bewertet er vorwiegend bezüglich der visuellen Er- lebnisse, welche dieser zu bieten hat; die herausragenden Bauwerke, die Blickpunkte generieren und Orte definieren, bezeichnet er dabei als „Ornamente“ der Strassen und Plätze.245 Sie dienen, wie seine Bemerkung über die Bauten am alten Hafen (Lageplan B) verdeutlicht, gegebenenfalls auch als Aus- gangspunkte für das gegenwärtige Architekturschaffen. Die Sichtweise Mazzonis knüpft hierin un- verkennbar an jene an, die sich seit den Schriften von Sitte oder Buls unter dem Thema der Stadtbau- kunst etablieren konnte. Die beiden hatten mit ihrem Versuch, die ästhetische Wirkung der Stadtbilder zu analysieren und die Gründe für deren so genannte malerische Schönheit zu ermitteln, die visuellen Erfahrungen, die sich beim Anblick von Bauten, Monumenten, Figuren, Plätzen oder Strassenzügen einstellten, in den Mittelpunkt gerückt. Dies kommt besonders bei Sitte deutlich zum Ausdruck, wenn er die Bedeutung der „Visurrichtung“ hervorhebt und sie der „Verkehrsrichtung“ gleichstellt und da- durch die Qualität der Stadträume genauso an der sinnlichen Wahrnehmung misst wie an ihrem prak- tischen Nutzen.246 Wie erwähnt, nannte Mazzoni die nicht-italienischen Städtebauer, die ihn beim Verfassen seiner Arbeit inspiriert hatten, nicht mit Namen – bis auf Otto Bünz, der diesbezüglich eine Ausnahme dar- stellt.247 Bünz, ein inzwischen in Vergessenheit geratener Berliner Architekt, hatte sich aus Sorge vor der Zerstörung Roms anlässlich des neuen Bebauungsplans von 1909 in die nachfolgenden Diskussio- nen eingemischt, indem er einen detaillierten Gegenvorschlag zeichnete, den er 1914 als so genannter „Alarmruf“ in der Zeitschrift Deutsche Bauzeitung auszugsweise publizierte; unter dem vielsagenden Titel „Rom, eine Werbearbeit für die Bedeutung der Städtebaukunst“ kündete er gleichzeitig eine Buchausgabe seiner Arbeit an, die aber nie erschien.248 In den 20er Jahren unternahm er weitere An- strengungen in der Hoffnung, sich nach dem Machtwechsel in Italien mit seiner Planung mehr Gehör verschaffen zu können, allerdings blieben auch diese weitgehend erfolglos, wie er in den frühen 40er Jahren feststellen musste.249 Durch die direkte Gegenüberstellung der eigenen Pläne mit jenen Teula- das gab Bünz zu erkennen, dass er sich in erster Linie von den Prinzipien der sittesken Stadtbaukunst leiten liess: die Strassen hierarchisierte er nach Verkehrsstärke, sie folgten nicht geometrischen Ge- sichtspunkten und wurden sparsam angelegt, so dass sie eine sinnvolle innere Ordnung der Stadt-

243 (Mazzoni 1922 (1), S. 7.) 244 „(...) ma tutto questo senza falsi feticismi o irragionevoli iconoclastie.“ (Ebenda, S. 7). 245 So etwa die Porta Piella: „Ornamento del tratto ultimo della strada è la vecchia porta della vecchia cinta.“ (Ebenda, S. 14). 246 Vgl. zum Beispiel Sitte 2002, S. 28-29. 247 „Questa e tutte le sistemazioni urbanistiche di zone di Bologna ebbero origine dallo studio di sistemazioni di città antiche pubblicate in riviste austriache e tedesche. Fra queste sistemazioni ricordasi quelle per Roma dell’architetto berlinese Otto Buenz pubblicate nella Deutsche Bauzeitung del 17 ottobre 1914 (...).“ (FAM, MAZ B/1, fasc. 1, f.) 248 Vgl. Bünz 1914, S. 723-726. Bünz erarbeitete nach eigenen Angaben für Rom zwei Generalpläne im Massstab 1:5000, etwa 200 Naturskizzen, Entwürfe, Sonderpläne und Text, vgl. FAM, MAZ, q-Maz 337,­ XXVI/a, S. 2. 249 Vgl. Bünz 1928 (1). Die Artikel von 1914 und 1928 mit persönlicher Widmung des Autors finden sich in Mazzonis Bi- bliothek, zusammen mit einem 10-seitigen, wahrscheinlich anfangs der 40er Jahre von Bünz verfassten Durchschlag, in dem er seine Planung und die unternommenen Anstrengungen erläutert. Vgl. FAM, MAZ, q-Maz 337, ­XXVI/a, S. 1-10. 1928 veröffentlichte Bünz ausserdem ein an den Praktiker gerichtetes Handbuch, vgl. Bünz 1928 (2). 88 Städtebauliche Grundlagen 1.3 quartiere mit langgestreckten, gut bebaubaren Parzellen, grossen, zusammenhängenden Grünflächen, geschlossenen Plätzen, besonderen Blickpunkten und vielfältigen Strassenzügen schafften und einen respektvollen Umgang mit der historischen Bausubstanz ermöglichten. Die vier massgebenden Krite- rien, wonach er die Stadtplanung beurteilte, waren die wirtschaftlichen Werte, der Verkehr, die Grün- flächen und die ästhetische Wirkung. Dass Mazzoni in den konkreten und pragmatischen Vorschlägen von Bünz eine brauchbare Referenz gefunden haben mag, ist durchaus denkbar, zumal sie von densel- ben Grundgedanken ausgingen, die auch Giovannoni, Piacentini, Buls, Sitte und andere Verfechter der Stadtbaukunst vertraten. Im Vorwort zu seiner Studie gab Mazzoni nicht nur sein Bezugsfeld an, sondern verwies ebenso auf Ähnlichkeiten mit den kurze Zeit später veröffentlichten Städtebauprojekten von Attilio Evangelisti und Achille Casanova. Im Rahmen der geplanten Ausarbeitung eines neuen Bebauungsplanes für Bo- logna unterbreiteten die beiden 1923 mehrere Gestaltungsvorschläge, wovon einer eine neue Strasse zwischen der Piazza Ravegnana und dem Bahnhof vorsah und sich diesbezüglich mit dem Entwurf Mazzonis deckte.250 Zudem lobte er Guido Zucchinis jüngste Restaurationen der Apsiden von San Domenico. Die Kirche und das umliegende Gebiet erhielten in jenen Jahren viel Aufmerksamkeit, da 1921 die Siebenhundertjahrfeier ihrer Gründung stattfand. Sie wurde partiell instandgesetzt und das Festkomitee schlug im Gedenkjahr überdies vor, in Verlängerung der Via Rubbiani eine durchgehende Strasse um die Kirche herum anzulegen.251 Mit der Freilegung der Apsiden hatte Mazzoni in seiner Studie also eine Idee aufgenommen, die damals ein Brennpunkt der städtebaulichen Debatten Bolog- nas darstellte. Er führte sie sogar noch einen Schritt weiter, indem er sie mit einem noch älteren Pro- jekt Rubbianis in Verbindung brachte. Rubbiani, den Mazzoni in seinen Zeitungsartikeln wiederholt mit respektvollen Worten bedachte, hatte 1904 eine Strasse geplant, um die Giardini Margherita, den öffentlichen Stadtpark im Süden ausserhalb der mittlerweile abgerissenen Befestigungsmauer, ange- messen an das Stadtinnere anzubinden. Die neue, von einer Baumallee gesäumte Verbindungsstrasse Viale XII Giugno sollte demnach von der Porta Castiglione in einer leichten Wegkrümmung direkt bis zur Piazza dei Tribunali bei San Domenico führen; zu Beginn der 20er Jahre war die Strasse immer noch in Ausführung.252 Mit den Verweisen auf die Arbeiten von Evangelisti, Casanova und Zucchi- ni unterstrich Mazzoni die Aktualität und die Bedeutung seiner eigenen Publikation und ordnete sie gleichzeitig in das dichte Geflecht der lokalen Ereignisse ein.253

1.3.2.2 Die Gestaltung des Gefallenendenkmals und des Bebauungsplans von Bologna Dass Städtebau für Mazzoni keine autonome Disziplin, sondern ebenso wie die Denkmalpflege254 ein integraler Bestandteil der architektonischen Aufgabe (und letztlich eine Kunstfrage) war, geht auch aus den Artikeln hervor, die er in den Jahren 1922/23 für die Tageszeitungen Il Resto del Carlino und L’Avvenire d’Italia und für die Architekturzeitschrift Architettura e Arti Decorative verfasste. Nach

250 Vgl. Casanova, Evangelisti 1923, S. 17-23. Mazzoni schrieb, er habe zur Zeit seiner Studie keine Kenntnis von diesem Projekt gehabt, dessen Strassenverlauf auch nicht mit jenem von Mazzoni übereinstimmt, vgl. Mazzoni 1922 (1), S. 5. 251 Vgl. Zucchini 1919; Zucchini 1921; Mazzoni 1922 (1), S. 5; Mazzoni 1923 (3), o. S. 252 Vgl. Solmi, Dezzi Bardeschi 1981, S. 63, 182-183. 1888 waren die Giardini Margherita und der nahe gelegene Hügel von San Michele in Bosco anlässlich des 800-jährigen Bestehens der Universität Bolognas Schauplatz der „Esposizione di Bologna“, die eine regionale Industrie- und Landwirtschaftsausstellung, nationale Kunstausstellung und internationale Musikausstellung umfasste. Vgl. Tega 1987, S. 121-184. Zu den Giardini Margherita vgl. Cuttin, Agrillo 2008. 253 Die Planungen Mazzonis wurden auch in der Zeitung Il Resto del Carlino diskutiert, vgl. Il Resto del Carlino, 19. Okt. 1922. 254 Im Unterschied zu Giovannoni sprach Mazzoni in seinen Schriften nicht von restauro, sondern von ripristino (Instandset- zung). 1.3 Ambiente als stadträumlicher und landschaftlicher Bezugsrahmen 89 ersten Beiträgen über den Kirchenkomplex Santo Stefano und über das Primat der italienischen Ar- chitektur erhielt er im Frühjahr 1923 die Gelegenheit, für die Lokalzeitung Il Resto del Carlino in einer Serie von Artikeln über die baulichen und verkehrstechnischen Probleme der Stadt Bologna zu schreiben, um Bevölkerung, Künstler, Planer und Behörden in einen gemeinsamen Diskurs einzu- binden. Unter dem Titel „Piazze e Vie di Bologna“ wurde die Reihe eingeleitet. Mazzoni analysierte kurz und knapp einzelne stadträumliche Situationen, wie beispielsweise die Plätze bei San Domeni- co und San Giovanni in Monte oder die Strassenverläufe der Via Santo Stefano und der Via Farini, dabei wies er auf den besonderen und schützenswerten Charakter jener Orte hin, den er vor allem in der gelungenen Anordnung der Baumassen und der Farbgebung verwirklicht sah.255 Ohne weiter in die Tiefe zu dringen, suchte er das Interesse der Leser an den einmaligen Schönheiten ihrer Stadt zu wecken und sie für städtebauliche Eingriffe und den Schutz von Kulturgütern zu sensibilisieren. Er war bestrebt, sich weniger einer fachkundigen Terminologie zu bedienen, als vielmehr die poetischen und sinnlichen Aspekte der Architektur hervorzuheben, und verwendete oft Begriffe wie Schönheit, Liebe, Demut, Weisheit oder Vornehmheit, um die Anliegen der Kunst zu verteidigen. Selbstkritisch notierte er rückblickend über seine journalistische Tätigkeit: „Scrissi articoli non profondi e meditati ma redatti in modo [che] (...) potessero le mie parole essere da tutti comprese.“256 Obwohl die Texte auf den ersten Blick impulsiv und wenig systematisch erscheinen, fallen bei genauer Betrachtung die vielen Parallelen zu den stadträumlichen Untersuchungen Sittes auf, der Bologna als Beispiel aber nie herangezogen hatte.257 Wenn Mazzoni folglich über das Freihalten der Mitte, das Aufstellen von Mo- numenten, die Geschlossenheit der Plätze, das Einmünden von Strassen, die irregulären Platzformen und -gruppen oder den Unterschied zwischen Breiten- und Tiefenplätzen in der Stadt berichtete, dann ist das kaum dem Zufall zuzuschreiben. Er schien damit bewusst eine Lücke füllen und die Verfah- rensweise Sittes auf die konkrete Situation Bolognas anwenden zu wollen. So gesehen lesen sich auch die einführenden Worte beinahe programmatisch: „L’estetica delle città si è formata nell’esame comparativo delle città antiche. Tutti i maestri di questa difficilis- sima arte, nella maggioranza stranieri, hanno particolarmente studiate le città italiane, ma hanno dimenticato, o quasi, Bologna. La nostra Bologna ricca di colori e di forme, piena di carattere proprio, presenta nelle sue piazze e nelle sue vie esempi tali da trarne ammaestramento.“258 Nutzen und Ziel der publizistischen Betätigung Mazzonis lagen indes auch darin, konkrete Projekt- vorschläge in die Artikel einzuflechten, um womöglich direkten Einfluss auf aktuelle Planungen zu nehmen. Eine seit 1920 lebhaft diskutierte, aber noch ungelöste Frage war damals die Errichtung eines Denkmals für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs, wie sie in jenen Jahren in fast allen klei- nen und grossen italienischen Städten geplant oder bereits erbaut worden waren. Im ersten Artikel seiner Serie unterbrach Mazzoni die städtebauliche Analyse der Piazza San Domenico schon nach wenigen Worten, um danach seine persönlichen Vorstellungen zu Standort und Ausführung eines solchen Ehrenmals anzubringen.259 Tatsächlich wurden seine Überlegungen in der Folge von anderen

255 Vgl. Mazzoni 1923 (3); Mazzoni 1923 (4). 256 (FAM, MAZ S/24, S. 13.) „(...) infarcita di patriottiche frasi ogni mia prosa“ (Ebenda, S. 13.) Diese Randnotizen Mazzo- nis datieren vermutlich aus dem Jahr 1965. 257 Sitte erwähnt Bologna einmal kurz im Zusammenhang mit dem Portikus bei Santa Maria dei Servi, vgl. Sitte 2002, S. 47. 258 (Mazzoni 1923 [3], o. S.) Vgl. weiterführend auch Mazzoni (4); Mazzoni (5); Mazzoni (6); Mazzoni (10). 259 Vgl. Mazzoni 1923 (3), o. S. Er schlug vor, hinter der Kirche San Domenico (wo er ursprünglich ein Villenquartier ge- plant hatte) einen Park der Erinnerung einzurichten, in dem jeder Baum für einen Gefallenen gestanden hätte, vor dem Palazzo Baciocchi (Palazzo di Giustizia) wollte er ein Denkmal errichten, ausserdem sollten doppelte und einfache Baum- reihen den Park mit der ausserhalb Bolognas gelegenen Kirche San Michele in Bosco verbinden. 90 Städtebauliche Grundlagen 1.3

Lesern aufgegriffen, kommentiert, kritisiert und durch zusätzliche, teilweise sehr unterschiedliche Projektvorschläge erweitert.260 Wie beabsichtigt entspann sich eine rege öffentliche Diskussion, die letzten Endes, nachdem sich eine Expertenkommission im August 1923 über den definitiven Ort für ein Denkmal an der Westseite der Palazzi Re Enzo und Podestà geeinigt hatte, im Beschluss mündete, einen nationalen Wettbewerb auszuschreiben. Die Wettbewerbsbeiträge mussten am 31. März 1924 eingereicht werden. Die zehn besten Projekte wurden zusammen mit dem Jurybericht im Mai und alle anderen Beiträge schliesslich im Juni publiziert und ausgestellt.261 Nach einem Wettbewerb 2. Grades stand am Ende des Jahres der Entwurf von Giuseppe Vaccaro und dem Bildhauer Giovanni Prini als Siegerprojekt fest, der aber nie zur Ausführung kam.262 Mazzoni reichte seinerzeit kein Projekt ein, obwohl er sich bereits früher im Zusammenhang mit seinen städtebaulichen Studien dem Thema des Gefallenendenkmals gewidmet hatte.263 Wie aus Notizen und Zeichnungen hervorgeht, hätte er es an- fänglich bei der Kirche San Domenico errichtet. Eine andere Skizze (datiert 1922/23), die im Januar 1924 zusammen mit den eben fertig gestellten Eisenbahnerhäusern beim Bologneser Bahnhof in Ar- chitettura e Arti Decorative veröffentlicht wurde, zeigte seinen Entwurf dann beim Palazzo Re Enzo an der Via Rizzoli, jedoch nicht an dem Ort, der für den Wettbewerb auserkoren worden war.264 Ungeachtet der genauen Umstände lassen sich über Mazzonis Entwurf Beobachtungen anstellen, die zum einen seine Bemühung darlegen, lokale Architekturtradition und moderne Ausdrucksformen mit- einander in Einklang zu bringen, zum anderen veranschaulichen sie beispielhaft die Migrationen und Wandlungen architektonischer Motive in einem weit greifenden Kontext. Er konzipierte das Denkmal als freistehendes Ziborium, dessen pyramidenförmiges Dach von insgesamt zwölf schmalen, lang- gestreckten Pfeilern, die horizontal durch einen Architrav verbunden sind, getragen wird. Zwischen Architrav und Dachansatz sind über den Interkolumnien jeweils dreieckige Öffnungen ausgespart. Sowohl formal wie auch inhaltlich bezieht sich der Entwurf sichtlich auf die Grabmäler, die im 13. Jahrhundert bei San Domenico und San Francesco für die glossatori aufgestellt worden waren und ein unverkennbares Moment der Geschichte Bolognas repräsentieren. Zu Recht wurde daher über seine Skizze geschrieben, „che s’ispira alle bolognesi tombe dei glossatori.“265 In den Notizen Mazzonis findet sich aber noch ein Hinweis auf einen ganz anderen Kontext: „È evidente che il Mazzoni – co- scientemente – nel concepirlo aveva nella mente il ricordo del Palazzo del Municipio di Ortelsburg,

260 Vgl. Mazzoni 1923 (5); Mazzoni 1923 (7); Filippini 1923 (1); Mazzoni 1923 (8); Filippini 1923 (2); Mazzoni 1923 (9). Der Bologneser Kunstkritiker und -historiker Francesco Filippini (1874-1951) favorisierte etwa die Idee, statt eines neuen Denkmals die Fassade von San Petronio zu vollenden. Der Vorschlag, den Mazzoni ablehnte, war alles andere als neu, erst 1887 hatte der letzte Wettbewerb stattgefunden, allerdings ergebnislos. Rubbiani, Collamarini und Casanova hatten damals gemeinsam einen Entwurf ausser Konkurrenz vorgelegt, demgemäss die Fassade ohne Rücksicht auf Bestehendes erneuert werden sollte. Der Wettbewerb löste eine Polemik aus, zu den Gegnern der Initiative gehörten etwa Giosuè Car- ducci, Corrado Ricci und Giuseppe Sacconi. Vgl. Zucchini 1933; Solmi, Dezzi Bardeschi 1981, S. 59, 125; Miano 1982, S. 788-789. 1933/1934 fand erneut ein Wettbewerb statt, vgl. Mazzoni 1933 (6); Mazzoni 1934 (10); Piacentini, M. 1934; Piacentini, M. 1935. Zum Streit um San Petronio vgl. auch Germann 1980, S. 142-153. 261 Vgl. Bollettino del Comune di Bologna, Mai 1924, S. 224-236; ebenda, Jun. 1924, S. 297-308; Albini 1924, S. 558-574. Die Jury setzte sich unter anderem aus Leonardo Bistolfi, Marcello Piacentini und Giulio UlisseArata zusammen, sie hat- ten zuvor die für die Errichtung des Denkmals zuständige Kommission bei der Wahl des Standorts beraten, vgl. Il Resto del Carlino, 5. Sept. 1923. Präsident jener Kommission war übrigens Umberto Puppini, vgl. hierzu Kapitel 2.2.2.2, S. 148. 262 Vgl. Bollettino del Comune di Bologna, Dez. 1924, S. 689-697; Architettura e Arti Decorative, Apr. 1925, S. 376-379; Casciato, Gresleri 2006, S. 124-141. Giovanni Prini (1877-1958) war ab 1921 an der Architekturschule in Rom Professor für „plastica ornamentale“. 263 In den Briefen von Giovannoni an Mazzoni vom 4. und 22. März 1922 ist von einem Wettbewerb für ein Gefallenendenk- mal die Rede, es wird aber nicht präzisiert, um welchen es sich dabei handelte (jedenfalls nicht um jenen von 1923/24), vgl. Forti 1990, S. 92-92. 264 Vgl. Architettura e Arti Decorative, Jan. 1924, S. 236. 265 (Architettura e Arti Decorative, Jan. 1924, S. 233.) 1.3 Ambiente als stadträumlicher und landschaftlicher Bezugsrahmen 91 opera di Josef Hoffmann.“266 In der Tat ist eine formale Analogie mit den dreieckigen Zinnen und Fenstern und vor allem mit dem filigranen Turm, den Hoffmann an der Schmalseite des Rathauses von Ortelsburg (1916-1918) über dem Eingang geplant hatte, augenscheinlich.267 Eine Ausgabe der Zeitschrift Der Architekt, die auch in der Bibliothek Mazzonis enthalten ist, stellte das Projekt 1920 anhand ausgiebigen Planmaterials vor und interpretierte es in Bezug auf den Einfluss, den die italie- nische Architektur auf die Arbeit des Wiener Architekten ausgeübt hatte, wie folgt: „Dieser südliche Charakter (...) tritt uns besonders klar entgegen in seinem Entwurf für das Rathaus von Ortelsburg, in dem der Gedanke des Dogenpalastes wieder auflebt, nicht aus der Nachahmung, sondern aus einer Neuschöpfung hervorgegangen.“268 Eines der sechs preisgekrönten Projekte des Wettbewerbs sieht dem Entwurf Mazzonis auffallend ähnlich und referiert ebenso auf die Grabstätten der glossatori: ein freistehendes Ziborium mit Py- ramidendach und zickzackförmigen Öffnungen über den Interkolumnien. Allerdings ist es massiver gedacht, sollte auf einem hohen Sockel stehen und durch einen auskragenden Baukörper mit Reiter- standbild noch ergänzt werden. Das Projekt stammte von Pietro Aschieri (1889-1952) aus Rom, den Mazzoni persönlich kannte. Aschieri arbeitete als Architekt, Bühnenbildner und Urbanist, er hatte wenige Jahre vor Mazzoni die Scuola d’Applicazione als Ingenieur abgeschlossen und war dann eini- ge Jahre dort als Assistent tätig.269 Da sich alle anderen Wettbewerbseingaben typologisch sehr stark von jener Aschieris unterscheiden, darf vermutet werden, dass es sich bei der Übereinstimmung der beiden Ziborien-Entwürfe möglicherweise um einen bewussten Konsens oder sogar Austausch von Ideen gehandelt haben mag. Der Entwurf Mazzonis lässt sich letztlich auch als städtebauliche Stellungnahme deuten. So weist er in einem Artikel vom 13. Mai 1923 bezüglich der neu entstandenen Situation beim Palazzo Re Enzo, der sich zusammen mit dem Palazzo del Podestà wegen dem erfolgten Durchbruch der Via Rizzoli zu einem freistehenden Gebäudekomplex gewandelt hatte, auf den „angolo morto“, den toten Winkel, an dessen Nordostecke hin. Er erinnert zuerst daran, dass Gualtiero Pontoni, der mit dem Palazzo Ron- zani (1914) nebenan die erste Bauetappe entlang der neuen Strasse ausgeführt hatte, dort ursprünglich einen Bau aus der Renaissance erhalten wollte; dann führt er Marcello Piacentini an, der sich eben- falls mit dem Umbau des Zentrums von Bologna auseinandergesetzt hatte: „vorebbe costruita in ques- ta area una casa“, und stellt abschliessend fest, dass „gli antichi vi avrebbero edificata una fontana.“270 Mazzoni selbst hätte, um diesem zufällig entstandenen, undefinierten Freiraum im totenWinkel des Bauwerks eine Bedeutung im städtischen Kontext zu geben, anstatt eines Brunnens das Gefallenen- denkmal aufgestellt, so jedenfalls dokumentiert es seine oben erwähnte Skizze. Damit folgte er un- mittelbar den Lehren Sittes, der die „Aufstellung von Brunnen oder Monumenten, wie sie die Alten durchgeführt haben“,271 in seinem Traktat analysiert hatte. Den öffentlichen Brunnen als Treffpunkte der Menschen, wo sie Wasser holten und ihre Tiere tränkten, hatte Sitte nebst der rein praktischen

266 (FAM, MAZ B/1, fasc. 4, 5.) Zuweilen sprach Mazzoni in seinen Notizen von sich nicht in der ersten, sondern dritten Person. 267 „Die Hauptstrasse teilt sich (...) in zwei Arme (...); an diese Strassengabelung setzt Hoffmann eine städtebauliche Domi- nante in Gestalt eines Glockenturms.“ (Sekler 1986, S. 378.) 268 (Frey 1920 (2), S. 71.) 269 Zu Leben und Werk von Aschieri vgl. Pietro Aschieri 1977. Mazzoni unterbreitete gelegentlich Kollegen, etwa Vittorio Morpurgo oder Pietro Aschieri, die wie Mazzoni um 1920/1921 als Assistenten an der Ingenieurschule in Rom tätig wa- ren, seine Projekte zur Ansicht, vgl. FAM, MAZ B/1, fasc. 4, 2; Scuola d’applicazione 1921, S. 32-33. 270 (Mazzoni 1923 (6), o. S.) Vgl. Mazzonis Aussage mit dem Projektvorschlag Piacentinis, Piacentini 1917, S. 7, 19-25. 271 (Sitte 2002, S. 24.) 92 Städtebauliche Grundlagen 1.3 auch eine wichtige soziale Funktion im öffentlichen Leben einer Stadt beigemessen und ihnen (wie auch den Monumenten) auf den Plätzen abseits der Verkehrswege eine genau definierte Stelle zuge- wiesen.272 Schliesslich macht Mazzoni in der Fortsetzung seines Artikels noch weitere Bemerkungen über die Aufstellung von Monumenten, die eine direkte Auseinandersetzung mit Sittes Schrift nahe- legen. Er kritisiert beispielsweise den unvorteilhaften Hintergrund der Brunnenfiguren Giambolognas auf der Piazza del Nettuno sowie die Platzierung des Reiterstandbildes von Vittorio Emanuele II in der Mitte der angrenzenden Piazza Maggiore. Diesem Hauptplatz Bolognas schreibt er die Rolle des antiken Forums zu, wo die Monumente aber, wie Sitte festgehalten hatte, nicht in der Platzmitte, son- dern immer nur den Rändern entlang gesetzt worden waren.273 Als Gegenbeispiele gut situierter Denk- mäler zieht Mazzoni unter anderem den David in Florenz beziehungsweise den Gattamelata in Padua heran – beides Beispiele, die schon Sitte im gleichen Zusammenhang besprochen hatte.274 Obwohl die knappen Aussagen Mazzonis mehr Andeutung bleiben als wirklich aufklärend wirken, zeigen sie doch seine Bemühung, das theoretische Gedankengut der Stadtbaukunst auf reale Bedingungen zu übertra- gen und mit den konkreten städtischen Situationen Bolognas zu verknüpfen. Sein Interesse an theore- tischen Grundlagen stand offensichtlich stets in enger Beziehung zur architektonischen Wirklichkeit und den Aufgaben, die sich ihm in der Praxis tatsächlich stellten.

Ein anderes Ziel seiner journalistischen Tätigkeit sah Mazzoni darin, zur längst fälligen Ausarbeitung eines neuen piano regolatore für Bologna anzuregen. Noch immer war dort der Bebauungsplan von 1889 in Kraft, auf dessen Grundlage unter anderem die viel kritisierte Erweiterung der Via Rizzoli und der damit verbundene Abbruch dreier Geschlechtertürme bei der Piazza Mercanzia durchgeführt worden waren. Wie viele lokale und auch auswärtige Persönlichkeiten aus Kunst- und Architektur- kreisen hatte sich Mazzoni damals, um 1917, stark für deren Erhaltung eingesetzt; die Türme wur- den 1919 aber trotz all ihrer Bemühungen abgerissen.275 Im Artikel vom 13. Mai 1923 äusserte sich Mazzoni nach einer kurzen Analyse der Stadtentwicklung zu den erfolgten Umbaumassnahmen. Er meinte, die übergeordnete Struktur der Stadt habe sich ihretwegen zwar nicht wesentlich verändert, sie seien aber aus ästhetischen Gründen problematisch, da die neuen Baumassen ein Ungleichgewicht zu den alten Bauwerken erzeugen würden. Das Auge werde sich jedoch, wie dies schon in früheren Zeiten immer wieder geschehen sei, an solche Missverhältnisse gewöhnen.276 Seine Einwände rich- teten sich demnach nicht grundsätzlich gegen die neugeschaffene städtebauliche Situation, obwohl er überzeugt war, dass die Geschlechtertürme hätten erhalten werden können, wie es beispielsweise

272 Und zwar auf den vom Verkehr unberührten Flecken zwischen den Kommunikationslinien, wo im Winter die „Schnee- männer“ stehen würden, vgl. ebenda, S. 25-28, 116. 273 Vgl. ebenda, S. 6-10; 23. 274 Vgl. ebenda, S. 21-23, 28-29. Das Reiterdenkmal von Vittorio Emanuele II wurde 1888 in der Platzmitte vor San Petronio aufgestellt und 1944 in die Giardini Margherita versetzt. 275 Der Bebauungsplan von 1889 sah auch den Abriss der alten Stadtmauer vor, vgl. Varni 2005, S. 13-225. Zu Bologna und der städtischen Entwicklung allgemein vgl. Zucchini 1914; Ricci, C. 1924, S. 317-318, 330-349; Ricci, Zucchini 1968; Bologna Centro Storico 1970, S. 21-45; Ricci, G. 1976; Scannavini, Palmieri, Marchesini 1988; Norma e arbitrio 2001, S. 144-161. Über die Planung und die verschiedenen Projekte zur Gestaltung der Piazze Ravegnana und Mercanzia vgl. Salviati 1924 (1), S. 565-571; Salviati 1924 (2), S. 639-644; Salviati 1925 (1), S. 8-14; Salviati 1925 (2), S. 154-164; Masetti-Zannini 1926, S. 93-96. Zum Kampf um die Erhaltung der Geschlechtertürme vgl. Del Vecchio 1917; Masetti- Zannini 1918; Rivani 1966, S. 127-135; Roversi 1989, S. 316-317. Giovannoni hatte 1917 dem damaligen Bürgermeister Francesco Zanardi im Namen des Obersten Rats für Denkmalpflege einen eindringlichen Brief zum Schutz derTürme geschrieben, vgl. Zucconi 1997 (1), S. 108-110. Zum Engagement Mazzonis vgl. Forti 1990, S. 88-89. Noch 1971, „quan- do la mia vista era rovinata“, fertigte Mazzoni eine Skizze an, um die Situation der Plätze mit den Türmen zu erklären, vgl. FAM, MAZ G/8, S. 164. 276 Vgl. Mazzoni 1923 (6). 1.3 Ambiente als stadträumlicher und landschaftlicher Bezugsrahmen 93 das Projekt, das Rubbiani und Pontoni 1909 kurz vor Beginn der ersten Abbrucharbeiten entlang der Via Rizzoli präsentiert hatten, oder jenes von Piacentini aus dem Jahr 1917, als zwei der drei neuen Baublöcke bereits vollendet waren, vorgesehen hätten.277 Was während Mazzonis erstem Aufenthalt in Bologna noch zur Diskussion gestanden hatte, war 1923 aber bereits Wirklichkeit geworden und konnte höchstens noch als mahnendes Lehrstück für kommende Planungsaufgaben dienen. Einen der grössten Missstände jener Jahre ortete Mazzoni nicht im Zentrum, sondern in der planlos fortschreitenden Bebauung der Hügel im Süden, ausserhalb der alten Stadtmauer. Mit dem Hinweis auf deren landschaftliche und visuell-ästhetische Bedeutung für die Lage und Integrität der Stadt be- antragte er deshalb mehrmals die Ausarbeitung eines Bebauungsplans, der die Entwicklung der Hügel verbindlich regulieren sollte, und schlug die Ausschreibung eines Wettbewerbes vor.278 Um ähnlichen, das heisst irreversiblen Schaden an der Bausubstanz oder am Stadtgefüge Bolognas, wie er mit dem Abbruch der Geschlechtertürme geschehen war, künftig zu vermeiden, wünschte sich Mazzoni einen Gesinnungswandel im planerischen Vorgehen: „bisogna modificare, non distruggere.“279 In seinem Artikel vom 1. Juli 1923, dem letzten der Serie und bezüglich städtebaulicher Programmatik der aus- sagekräftigste von allen, erläutert er seine wichtigsten Grundsätze: „Per regolarizzare un vecchio nucleo cittadino è necessario studiare la città casa per casa, angolo per angolo, con religione e con amore, ponderando le modifiche e le sovrapposizioni stilistiche dei diversi secoli stabilendo quelle che han veramente carattere artistico e paesistico. E allora con sapienza senza nulla abbattere di bello - a qual- siasi stile o manifestazione d’arte appartenga – dove è possibile aprire larghi, rendere maggiormente praticabili le vie; demolire più all’interno che all’esterno, ritornare alcune case alle primitive proporzioni d’altezza - molte volte minori delle presenti. Quindi non ripristino nel senso comune di questa parola, non ricerca del più vecchio, ma studio per giungere ad una sistemazione il più possibile perfetta dal lato estetico e dal lato igienico. Guida a questo lavoro deve essere il senso del pittoresco, tenendo conto dei dati storici, senza però fare della dannosa archeologia.“ Daraus zieht er folgenden Schluss: „Si dovrebbero conservare con amore tutte le più umili manifestazioni degli stili del passato nella loro caratteristi- ca sovrapposizione, ma qua e là demolire qualche piano rialzato senza garbo che toglie bellezza alla casa e fa buia e malsana la strada sulla quale l’edificio è stato eretto; ma qua e là abbattere qualche lurida casetta ingombrante sorta su un largo antico, rimettere in luce qualche vecchia artistica chiesetta e abbattere qualche edificio inutile e senza bellezza alcuna per dare una luce maggiore alla strada o per permettere una bella vista scenografica.“280 Es ist evident, dass die städtebauliche und auch denkmalpflegerische Haltung Mazzonis, die in diesen Zitaten und in seinen schriftlichen Dokumenten allgemein zum Ausdruck kommt, unmittelbar auf dem Gedankengut von Giovannoni aufbaute, der sich wiederum vorwiegend an jenem von Sitte und Buls orientiert hatte. Mazzonis eigene Auslegung von Städtebau stand ihren Ideen sehr nahe, was sich letztendlich in seiner Betrachtungsweise der Stadt widerspiegelt: die Stadt ist für ihn eine Einheit von Strassen, Plätzen, Monumenten und bescheidenen Bauten, die sich in erster Linie durch das Verhältnis ihrer Massen und durch ihre Farben auszeichnet und dadurch auch von anderen Städten unterscheidet. Diese Einheit bildet zusammen mit der umgebenden Landschaft das ambiente, in das jedes einzelne

277 Vgl. Rubbiani, Pontoni 1909; Piacentini, M. 1917. Beide Publikationen hatte Mazzoni eingehend studiert. Gualtiero Pon- toni unterrichtete in jenen Jahren an der Accademia di Belle Arti in Bologna Szenographie. 278 Vgl. Mazzoni 1922 (1); Mazzoni 1923 (5); Mazzoni 1923 (9). 279 (Mazzoni 1923 (10), o. S.) 280 (Ebenda, o. S.) Der Artikel ist bisher in den Bibliographien der Schriften Mazzonis nicht erschienen. Bis auf einen Ab- schnitt über Wolkenkratzer ist er identisch mit seinem fünf Tage später publizierten Artikel, vgl. Mazzoni 1923 (11). 94 Städtebauliche Grundlagen 1.3

Element eingegliedert ist.281 Werden Teile davon zerstört, oder unangemessen verändert, wird nicht nur das ambiente beeinträchtigt, sondern es verlieren auch die einzelnen Bauten, Bauensembles, Stra- ssen- oder Platzräume an Schönheit.282 Indem er auf die künstlerischen Erfahrungen der Vergangen- heit verweist, wehrt sich Mazzoni indes entschieden dagegen, dass zum Schutz des Alten nichts Neues mehr entstehen dürfe: „Non fare cosa nuova per non turbare l’ambiente (...) è un vecchio pregiudizio dannoso all’Arte, nemico del bello, che impedisce lo sviluppo e lo svolgimento progressivo dello spirito creativo (...). Mai nei secoli aurei dell’Arte in Italia si è similmente ragionato.“283 Mazzoni zufolge dürfen historische Tatbestände nicht Gegenstand der Archäologie werden – „monu- menti morti“, wie Giovannoni gesagt hätte –, sofern sie ihre Bedeutung für die Gegenwart und beson- ders für das gegenwärtige Kunstschaffen behalten sollen, weil die Geschichte und ihre Erzeugnisse nur lebendig bleiben, solange sie für den Künstler respektive den Architekten einen gültigen Refe- renzpunkt bilden und weitergedacht und -geformt werden. Für Mazzoni steht zudem fest, dass Kunst keine Frage des Stils oder der Epochenzugehörigkeit ist und Kunst auch in sehr bescheidenen Formen in Erscheinung treten kann. Bei der Stadtplanung mahnt er deshalb wiederholt zu Vorsicht, wenn es um die Einschätzung des künstlerischen Wertes eines Bauwerkes geht, und unterstreicht die maleri- sche Schönheit städtischer Räume, die durch stilistische Überlagerungen im Lauf der Zeit entstanden ist und nicht unbedacht zerstört werden sollte. Ein kurzer Artikel, den Mazzoni im Frühjahr 1922 für Architettura e Arti Decorative verfasste, doku- mentiert seine persönliche Sichtweise bei der Bewertung städtischer Räume und belegt zugleich, wie nah beieinander für ihn die städtebaulichen und denkmalpflegerischen Fragen lagen. Im Zusammen- hang mit den Restaurierungsarbeiten an der Nordseite der Kirche San Domenico wollte man damals offenbar aus stilistischen Gründen ein spätbarockes Seitenportal abreissen, das Mazzoni jedoch als erhaltenswert erachtete: das Portal vervollständige trotz seiner bescheidenen, aber dennoch künstleri- schen Gestaltung die Harmonie des gesamten Kirchenensembles, das eine meisterhafte Akkumulation baulicher Elemente aus vielen verschiedenen Epochen sei; überdies liege es in der Achse der Via Ro- landino, wo das Haus der Familie Carracci stünde, und bilde einen wichtigen Blickpunkt am Ende der kurzen Strasse, „fondale di effetto scenografico non trascurabile“.284 Mit der Wahrung der Integrität des Bauwerks einerseits und der städtebaulichen Ordnung andererseits führte er somit zwei wesent- liche Funktionen an, welche die Architektur des Portals erfüllte. Es gebe daher keinen Grund, es im Namen der Kunst zu zerstören, beschloss er seine Argumentation. Fünf Jahre später, als Mazzoni bereits erste Projekte für die staatlichen Eisenbahnen in Ausführung hatte und nicht mehr journalistisch tätig war, erschien in derselben Zeitschrift nochmals ein Artikel von ihm, in dem er seine architektonische Haltung ausdrückte. Der Beitrag unter dem Titel „Archi- tettura ferroviaria“ nimmt fast die ganze Ausgabe in Anspruch und präsentiert anhand von 124 Ab- bildungen in Form von Plänen und Fotografien eine breite Auswahl ausländischer Bahnhofsbauten in den Vereinigten Staaten, England, der Schweiz, Frankreich, Norwegen, Kanada, Schweden, Finnland und Deutschland, als einzige italienische Beispiele werden die Kopfbahnhöfe der Linie Rom-Ostia

281 „(...) le caratteristiche di ambiente formate dalle proporzioni di masse e di colori, puramente locali e che per ciò differen- ziano Bologna dalle altre città“ (Ebenda, o. S.) 282 Vgl. ebenda, o. S.; Mazzoni 1922 (1), S. 7. 283 (Mazzoni 1923 (8), o. S.) 284 (Mazzoni 1922 (2), S. 583.) Mazzoni selbst wohnte bis zu seinem zehnten Lebensjahr gegenüber des Hauses der Carracci, vgl. FAM, MAZ S/24, Verzeichnis S. III, Legende zu Bild Nr. 90 auf S. 44. 1.3 Ambiente als stadträumlicher und landschaftlicher Bezugsrahmen 95

Lido von Piacentini und ein Grundriss des Bahnhofs von Bologna berücksichtigt.285 Einführend äu- ssert sich Mazzoni zuerst allgemein zur Bahnhofsanlage als Bauaufgabe, um nachher auf das Bahn- hofsgebäude („fabbricato viaggiatori“) im Speziellen und zuletzt auf dessen Gestaltung einzugehen. Im ersten Teil formuliert er vier Leitgedanken über den Ausdruck, die Gestaltung, die Typologie und die Hierarchiesierung der Bauten: erstens umfasse die Bahnhofsarchitektur alle Arten moderner Kon- struktionen – was mit anderen Worten bedeutet, dass er sie nicht stilistisch eingrenzen, sondern einzig gegenüber dem modernen Geist der Gegenwart verpflichten wollte. Zweitens müsse jedes einzelne Gebäude in seiner Form, Farbe und Material nach Aussen hin harmonisch zu den anderen Bauten der Bahnhofsanlage, zur landschaftlichen Umgebung und zum übergeordneten architektonischen Kontext sein; im Innern solle es unter Berücksichtigung der funktionalen und ästhetischen Bedürfnisse nicht nur im Dekor, sondern auch in der Ausstattung in Einklang mit der äusseren Bauweise stehen; alles solle demselben architektonischen Gesetz folgen. Hiermit bekennt sich Mazzoni klar zur Kontextua- lisierung und zur Bedeutung des ambiente für die Architektur. Wohl wissend, dass konkrete Aussagen über Form, Farbe und Material nicht möglich wären und höchstens zu Missverständnissen führten, beschränkt er sich auf die Verwendung offener und vager Begriffe wie „armonia“ oder „eleganza“.286 Drittens gelte es, für die unterschiedlich genutzten Bauten der Anlage jeweils auch unterschiedlichen typologischen Aspekten Rechnung zu tragen, je nach dem, ob ihre Bestimmung gänzlich, teilweise oder gar nicht eisenbahnspezifisch sei. Und viertens sei der wichtigste Bau der gesamtenAnlage das öffentliche Bahnhofsgebäude, wo die Reisenden verkehrten. Aus dem Grund konzentriert Mazzoni seine weiteren Erläuterungen auf diese Bauaufgabe. Er kommt zunächst auf verschiedene Typologien und funktionale Beziehungen, die Massstäblichkeit der Bauten, die Anordnung der Räumlichkeiten und die innere wie äussere Erschliessung zu sprechen, danach widmet er sich der Gestaltung. Dabei unterscheidet er zwei wichtige Bedeutungen der Eisenbahnar- chitektur, zum einen die politische, weil sich der Bahnhof den Fremden bei ihrer Ankunft als erster künstlerischer Ausdruck und Zeichen der Stärke und Genialität eines Volkes zeige, und zum anderen die ästhetische, die er als „rispondenza fra l’edificio e l’ambiente architettonico e paesistico“287 be- zeichnet. In einem Bahnhof müssten sehr unterschiedliche Bauten zusammengefügt werden, dem Ar- chitekten stelle sich daher das eigentliche Hauptproblem der Architektur: „trovare un modulo estetico perchè questo complesso di edifici abbia un’unità di espressione, costituisca un insieme armonico.“288 Das Zusammenfügen einzelner Bauteile zu einer Einheit und die sorgfältige Einbettung der Archi- tektur in ihre natürliche Umgebung stellen für Mazzoni demzufolge die grosse künstlerische Heraus- forderung dar. Was er für die gesamte Anlage gelten lässt, betrifft auch jedes Element innerhalb des einzelnen Bauwerks, das mit der übergeordneten architektonischen Konzeption in Einklang gebracht werden müsse. Hinzu komme schliesslich noch die grosse Schwierigkeit, die Ablesbarkeit der Nut- zung im Ausdruck des Gebäudes zu verwirklichen, das heisst im Fall Mazzonis, einen Bahnhof als Bahnhof erkennbar zu gestalten. Die präzisen Antworten darauf, wie dies alles konkret zu bewerk- stelligen sei und was Einklang, Harmonie und Schönheit genau zu bedeuten haben, liefert er aber erst mittels seiner gebauten Werke.

285 Vgl. Mazzoni 1927, S. 193-279. 286 Vgl. ebenda, S. 193. 287 (Ebenda, S. 195.) 288 (Ebenda, S. 195.) 96 Städtebauliche Grundlagen 1.3

Den Artikel schliesst Mazzoni rhetorisch mit einem Zitat Mussolinis: „... il secolo attuale deve es- sere il secolo della nostra potenza. Potenza in tutti i campi: da quello della materia a quello dello spirito.“289 – Stärke in allen Bereichen, von der Materie bis hin zum Geist – ein Ausspruch, der als Anbiederung an das politische Regime zu werten ist, den sich der Architekt im Rahmen seiner berufli- chen Aufgabe aber durchaus zu Herzen genommen haben mag.

289 (Ebenda, S. 196.) 97

87 Piano regolatore von Bologna, 1889, mit den geplanten Eingriffen für die Umgestaltung des historischen Zentrums

88 A. Mazzoni, Planung der Verbindungsstrassen im historischen Stadtzentrum von Bologna, Entwurf o. D. (um 1919/1920) 98

91 Palazzo Bocchi an der Via Goito, um 1914

89 92 Casa Grassi an der Via Marsala, um 1914

A. Mazzoni, Studio di sistemazione edilizia di tre zone di Bologna, 1922: 89 Lageplan A: Neuordnung des Stadtgevierts nördlich der Via Rizzoli mit Durchbruch zwischen der Piazza Ravegnana und der Via delle Moline, diradamento zwischen der Via Rizzoli und der Via Repubblicana, Instandsetzung und Inszenierung bedeutender Bauwerke, Einrichtung neuer Plätze 90 Lageplan B: Stadterweiterung nordwestlich des Zentrums zwischen der Porta San Felice, dem Flusslauf Reno, der Via dei Mille und dem alten Hafen

93 Der Hafen auf einem Plan von 1756

90 99

12

97

94 Lageplan C: Anlage einer neuen Verbindungsstrasse um die Ostseite der Kirche San Domenico, Freilegung der Apsiden, Planung eines locker bebauten Quartiers mit Ein-, Zwei- und Mehrfamilienhäusern mit Gärten (vgl. Abb. 1) 95-99 Grundrisse und Ansichten der Häuser mit Varianten, 1919/1920

95 98

96 99 Marcello Piacentini, Wohnhaus in Rom, Via Germanico, Ansicht 1920 100

101

100-101 Attilio Evangelisti und Achille Casanova, Studien zur Anlage einer Verbindungsstrasse von der Piazza Ravegnana zur Via delle Belle Arti und zum Bahnhof, 1923 102 Alfonso Rubbiani, Projekt zur Anlage der Viale XII Giugno, die von der Piazza dei Tribunali und der Kirche San Domenico (unten rechts) zur Porta Castiglione und den Gardini Margherita (oben links) führt, 1904 100

102

103 104 103 A. Mazzoni, „Proposta per sistemazione a Parco della Rimembranza della zona intorno alle absidi ed al chiostro di S. Domenico e collocazione in esso del monumento ai Caduti. dal Parco gli alberi in duplice filare del viale XII Giugno e in semplice fila per la salita da porta Castiglione a S. Michele in Bosco congiungerebbero il Sacrario del Ricordo al Luogo del Dolore“, publiziert in Il Resto del Carlino, 20. April 1923 (Skizze nachgez. KA) 104 A. Mazzoni, Vorschlag zur Aufstellung des Gefallenendenkmals bei der Kirche San Domenico, 1919 101

105 105 Piazza und Kirche San Domenico mit dem Glossatorengrabmal von Rolandino de Passaggeri (2010) 106 Josef Hoffmann, Entwurf für das Rathaus von Ortelsburg, 1918-1920, publiziert in Der Architekt, 1920

107 A. Mazzoni, Entwurf für ein Gefallen- denkmal beim Palazzo Re Enzo an der Via Rizzoli, 1922/23 108 Pietro Aschieri, Wettbewerbsbeitrag für das Gefallenendenkmal von Bologna, 1924 109 Alfonso Rubbiani und Edoardo Collama- rini, Projekt für die Rekonstruktion des Grabmals von Rolandino de Romanzi bei der Kirche San Francesco, 1887 106

107 108 109 102

110 Der Ort an der Westseite der Palazzi Re Enzo und Podestà, an dem das 111 Giuseppe Vaccaro und Giovanni Prini, Wettbewerbsbeitrag ersten Gra- Gefallenendenkmal errichtet werden sollte des für das Gefallenendenkmal von Bologna, März 1924

112 Nordseite des Palazzo Re Enzo an der Via Rizzoli mit dem „angolo 113 Camillo Sitte, „Das Freihalten der Mitte“ in Der Städtebau nach seinen morto“ (2011) künstlerischen Grundsätzen, 1889: Ort des Brunnens in Rothenburg

114 Alfonso Rubbiani und Gualtiero Pontoni, Vorschlag zur Gestaltung des 115 Marcello Piacentini, Vorschlag zur Errichtung eines Gebäudes an der Platzes vor dem Palazzo Re Enzo, 1909 (vgl. Ansicht 1, Abb. 118) Ecke des Palazzo Re Enzo, 1917 (vgl. Ansicht d, Abb. 119)

116 Marcello Piacentini, Ansicht der Bauten entlang der Via Rizzoli zwischen der Piazza Ravegnana und dem Palazzo Re Enzo, 1917 (vgl. Abb. 119) 103

117 Plan für die Enteignung der Grundstücke zwischen dem Palazzo Re Enzo und den Plätzen Ravegnana und della Mercanzia, 1910, gezeichnet von der öffentlichen Verwaltung auf der Grundlage des piano regolatore von 1889

118 Alfonso Rubbiani und Gualtiero Pontoni, Progetto di una via fra le piazze centrali e le due torri, 1909: Gegenvorschlag zum piano regolatore von 1889 für die Gestaltung des Zentrums von Bologna zwischen den Plätzen Vittorio Emanuele/Nettuno und Ravegnana/della Mercanzia

119 Marcello Piacentini, Per la restaurazione del centro di Bologna, 1917: Gegenvorschlag, nachdem zwei Grundstücke („lotto primo“/„secondo“) bereits bebaut waren (Bau eines vierten Häuserblocks vor dem Palazzo Re Enzo, Erhaltung der Geschlechtertürme Riccadonna und Artenisi) 104

Piazza Ravegnana

via Rizzoli 121

Piazza della Mercanzia

120 Rekonstruktion des Häuserblocks am Ende der Via Rizzoli zwischen den Plätzen Ravegnana und della Mercanzia, in den die Türme Artenisi (A), Riccadonna (B) und Guidozagni (C) eingebaut waren. Zwischen 1915 und 1919 wurden sie freigelegt und ungeachtet der Proteste abgebrochen.

121 Grundstück mit den drei freigelegten Türmen von der Via Capraria aus gesehen, um 1915 122 122 Alfonso Rubbiani und Gualtiero Pontoni, Vorschlag der Platzgestaltung mit den freigelegten Türmen Artenisi, Riccadonna, Asinelli und Garisenda, 1909 (vgl. Ansicht 2, Abb. 118) 123 Marcello Piacentini, Vorschlag der Platzgestaltung, 1917 (vgl. Abb. 119)

123

124 Via Rolandino mit der Casa dei Carracci (rechts) und dem spätbarocken 125 Errichtung des Reiterdenkmals im Zentrum der Piazza Vittorio Seitenportal der Kirche San Domenico am Ende der Strasse (2011) Emanuele II, vor der Kirche San Petronio, 1888 1.3 Ambiente als stadträumlicher und landschaftlicher Bezugsrahmen 105

1.3.3 „Sapienza prospettica e tradizione scenografica“290

1915 schrieb Corrado Ricci291 in seinem Buch über die bolognesische Künstlerfamilie Galli-Bibiena von den vergangenen ruhmvollen Blütezeiten der Szenographie, die sich, wie er meinte, mit der Er- findung der Eisenbahn in ein transportierbares Gut verwandelt und so als Kunstform weitgehend an Bedeutung verloren habe. Trotzdem hielt er die Szenographie für mustergültig, weil ihre Geschichte auch jene aller anderen Künste, der Architektur, der Malerei, der Bildhauerei, der Kostümbildung, der Musik und der Poesie, mit einbezog und sich in der Szenographie die Vereinigung aller Künste erfüll- te.292 Wie die Forderungen der Associazione Artistica und die Schriften Giovannonis und Mazzonis gezeigt haben, wurde dieser umfassende Anspruch damals auch für die Baukunst erhoben; die ver- schiedenen Kunstgattungen sollten wieder stärker als Teil der architektonischen Komposition verstan- den und Architektur nicht nur im engeren Sinn als Objekt, sondern ihrerseits als Teil eines komplexen ambiente behandelt werden. In der szenographischen Wahrnehmung des Stadtraums, die das architek- tonische Einzelwerk als Fragment einer aus vielen Elementen zusammengesetzten, übergeordneten Einheit und den Stadtkörper als wandlungsfähiges, vom Standpunkt des Betrachters abhängiges Gefü- ge interpretierte, kam das Bewusstsein für das tatsächlich erfahrbare ambiente zum Ausdruck.293

1.3.3.1 Das Pittoreske: ästhetische Kategorie und Ordnungsprinzip Das Pittoreske, das „Malerische“, wie Sitte sagte, „pittoresco“ oder „pittorico“, wie Giovannoni und auch Mazzoni in ihren Schriften zuweilen notierten, ist einer der zentralen Begriffe, der in den Dis- kussionen über die Stadtbaukunst immer wieder aufscheint. So wie er in Italien zu Beginn des 20. Jahrhunderts bezogen auf die Architektur und den Städtebau verwendet wurde, beschrieb er im We- sentlichen eine Seherfahrung, die das Schaffen der Architekten und Theoretiker teilweise stark prägte. Die wechselhafte Bedeutung des Begriffs im Lauf der Zeit und in verschiedenen Regionen bedarf allerdings einer näheren Betrachtung und Eingrenzung, um seiner Komplexität Rechnung zu tragen und pittoresk nicht lediglich als „Reichtum kleiner ungebändigter Motive“ zu begreifen.294 Ausgehend von der Bedeutung, die sich im Zusammenhang mit der Landschaftsmalerei und dem Landschaftsgarten während der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in England parallel zur Philo- sophie und Literatur etabliert hatte, bezeichnete das Pittoreske („picturesque“) neben dem Schönen, Erhabenen und Tragischen zunächst eine neue ästhetische Kategorie.295 Als Ausdruck einer umfassen- den sinnlichen Wahrnehmung widerspiegelte es das neugewonnene Bewusstsein und die veränderte Verhaltensweise des aufgeklärten Menschen gegenüber seiner natürlichen Umgebung, dessen Le- bensraum infolge der natur- und geisteswissenschaftlichen Erkenntnisse selbst zum Gegenstand der Betrachtung geworden war, an dem sich auch alle künstlerischen Leistungen massen. Laut William

290 (Mazzoni 1923 [4], o. S. ) 291 Corrado Ricci (1858-1934) stammte aus Ravenna, studierte in Bologna Recht, Literatur und Kunst, war Schüler Giosuè Carduccis und arbeitete später als Museumsdirektor, Kunsthistoriker und Archäologe. Von 1906 bis 1919 war er General- direktor der Altertümer und Schönen Künste in Rom, unter seiner Aufsicht fanden einige der wichtigsten Grabungen statt. 292 Vgl. Ricci, C. 1915, S. 5, 7. 293 „Der szenographische Raum ist (...) räumlich unterbrochen. Seine Einheit ist weniger bestimmt durch Körperlichkeit als durch die Art der Perzeption. (...) Die ephemere Qualität des szenographischen Raums ist das Ergebnis einer Reflexion, wenn das Bewusstsein ein logisches Ganzes aus unterschiedlichen Bestandteilen konstruiert, die auf einer Ebene versam- melt sind.“ (Constant 1988, S. 9.) 294 Vgl. Kemp 2009, S. 378. 295 Zur Entwicklung des Begriffs des Pittoresken vgl. Mosser 1990, S. 2733-2734. Vgl. zudem Barbier 1963, S. 98-147; Dubbini 1994, S. 109-139. 106 Städtebauliche Grundlagen 1.3

Gilpin wurde dabei nicht der Reiz des Besonderen oder Einmaligen als pittoresk empfunden, sondern die Schönheit des Gewöhnlichen, das sich als „bildwürdig“ (d.h. malenswert) erwies.296 Diese Art der Schönheit, die im Unterschied zum Schönen („beauty“) rein subjektiv war, definierte sich anstatt durch Einzelheiten durch die Beziehungen der Dinge, Formen und Farben zueinander und offenbarte sich vor allem im Typischen, Charaktervollen und in der harmonischen Wirkung auf den Betrachter. Sinnlichkeit und Subjektivität, zwei Eigenschaften, die jener Begriffsauslegung inhärent waren, lie- ssen das Pittoreske in der Folge zu einem bevorzugten Leitmotiv der romantischen Geisteshaltung werden und einen grundlegenden Bedeutungswandel erfahren. Wenngleich Sitte rund hundert Jahre nach Gilpin noch immer vom Malerischen sprach, dann mass er dem Ausdruck eine Bedeutung bei, die weder mit den Vorstellungen der Aufklärungszeit noch jenen der Romantik übereinstimmte. Mit Malerisch bezeichnete Sitte die „Schönheiten des Stadtbaues“,297 die den modernen Stadtanlagen aufgrund ihrer geometrischen Anordnung, Motivarmut und mono- tonen Wirkung weitgehend abhanden gekommen sei. Genau genommen meinte er damit die visuell erfassbare, künstlerische Qualität der städtischen Räume, die er in seiner Schrift analytisch ergründet hatte. Mit einer „gefühlsseligen“ Verklärung der Vergangenheit, die ihm später etwa von Le Corbusier zur Last gelegt wurde,298 hatten seine Ideen nichts gemein, obwohl Sittes Klagen über den Verlust der Kunst zuweilen von Wehmut begleitet sein mochten. Er hielt fest, dass der Erfolg malerischer Stadtanlagen kein bleibender sein konnte, wenn diese nicht den Verhältnissen des modernen Lebens entsprächen,299 insofern akzeptierte er nicht nur die veränderten Bedingungen seiner Zeit, sondern erhob sie zur unabdingbaren Voraussetzung städtebaulicher Planung. Aus diesem Grund könne das Malerische niemals Selbstzweck sein, was Sitte etwa den angewendeten geometrischen Schemen vorhielt,300 denn was malerisch wirke, müsse stets auch noch weitere Funktionen erfüllen, respektive tiefer begründet sein. Am Beispiel der öffentlichen Brunnen zeigt sich, wie dies verstanden werden kann: Weil die Brunnen im modernen Stadtgefüge durch den Verlust ihrer praktischen und sozialen Aufgaben obsolet geworden waren, kam ihnen „nur mehr dekorativer Wert“ zu,301 was in den Au- gen Sittes aber langfristig nicht genügte. Der Bedeutungsverlust müsse deshalb fortan durch andere Sinngehalte geistiger oder emotionaler Natur wettgemacht werden; die Einlösung dieser Forderung schrieb er in erster Linie der Kunst zu. Das Gleiche lässt sich auch auf die postulierte Unregelmässig- keit übertragen, deren Vorzüge und Mängel Sitte am Beispiel alter und neuer Plätze erörterte.302 In der Eigenschaft des Unregelmässigen erkannte er ein grosses städtebauliches Potenzial, das jedoch nur auszuschöpfen war, wenn damit räumliche und künstlerische oder auch zweckdienliche Qualitäten verbunden waren; Unregelmässigkeit aus Prinzip, Zufall oder gar Unvermögen lehnte er ebenso ab, wie Dekoration ohne künstlerischen Wert.

296 Auf diese Weise grenzte William Gilpin, Pfarrer und Reisender, das Pittoreske vom Erhabenen und Schönen ab, die Ed- mund Burke zuvor in seiner wegweisenden philosophischen Schrift (1757) untersucht hatte, vgl. Gilpin 1792, S. 1-33, 42-44; Burke 1989. In seiner Einleitung über Boullée fasste Adolf Max Vogt ausserdem einige bezüglich Ästhetik, Archi- tektur und Naturbezug wichtige Grundgedanken der Aufklärungszeit zusammen, vgl. Boullée 1987, S. 9-41. Georg Ger- mann meinte, im „Zeitalter, da Landschaft und Architektur mit Maleraugen betrachtet wurden, konnte es für Landschaft und Architektur keinen höheren Ruhm geben, als malenswert zu sein.“ (Germann 1980, S. 216-219.) 297 (Sitte 2002, S. 118.) 298 Vgl. Le Corbusier 1929, S. X. Zu Le Corbusiers Abkehr von Sitte vgl. Semsroth, Mönninger, Collins 2010, S. 65-69. 299 Vgl. Sitte 2002, S. 116-120. 300 Vgl. ebenda, S. 90. 301 (Ebenda, S. 116.) Vgl. auch Müller 1990, S. 48-49 302 Vgl. Sitte 2002, S. 58-64, 97-100. Sitte machte dasselbe auch für Gebäudegrundrisse, Bauparzellen und Strassen geltend. 1.3 Ambiente als stadträumlicher und landschaftlicher Bezugsrahmen 107

Diese Auslegung des Malerischen führt zu dem, was Richard Etlin in seinem Buch über die itali- enische Architektur der Moderne „the reasoned picturesque“ nennt.303 Er führt das „begründete“ Pittoreske auf die Lehren von Eugène Emmanuel Viollet-le-Duc (1814-1879) und Auguste Choisy (1841-1909) aus den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts zurück. Auf der Grundlage jüngster For- schungserkenntnisse hatten sich beide eingehend mit der Proportionslehre der Griechen und deren Verständnis für Optik, Symmetrie und Ordnung beschäftigt und anhand der asymmetrischen Setzung der griechischen Monumentalbauten das Pittoreske als ein künstlerisches Ordnungsprinzip definiert.304 Etlin schreibt Viollet-le-Duc diesbezüglich den grössten Einfluss zu. Das Studium der Geschichte habe diesem bestätigt, dass in der Architektur alles eine vernünftige Begründung („reason“)305 haben müsse; dies würde nicht nur die strukturelle Logik, materiellen Eigenschaften und programmatischen Anforderungen betreffen, sondern ebenso die feinfühlige Anordnung eines Gebäudes in der Land- schaft sowie die Wirkung von Licht und Schatten auf die architektonischen Formen.306 Die Unter- suchungen der griechischen Architektur hatten Viollet-le-Duc gezeigt, dass die Anwendung banaler Geometrie- und Symmetrieregeln eine angemessene Reaktion auf die Besonderheiten eines Ortes und eines Programms verhinderte und die Fragen der Kunst nicht befriedigend zu beantworten vermochte. „Lorsqu’on parcoure les ruines des cités grecques, on voit avec quel scrupule les architectes de la belle époque ont profité de la situation des lieux pour faire valoir leurs monuments. Ils aiment l’architecture en tant qu’art, mais ils sont aussi les amants de la nature, de la lumière; (...) ils évitent la monotonie, redoutent l’ennui! (...) L’architecte grec ne nivelle pas le rocher qui servira de base à son édifice, il le décore, il profite de ses aspérités, il le tranche avec goût et en connaisseur profond de l’effet.“307 Zur gleichen Zeit, als Viollet-le-Duc seine Erkenntnisse in den drei Bänden Entretiens sur l’architec- ture veröffentlichte, äusserte sich Choisy erstmals in einem Vortrag (dem auch Jakob Ignaz Hittorff beiwohnte) zu seinen Beobachtungen über die Bauten der Akropolis in Athen. Es gelang ihm vor allem später in seinem 1899 erschienenen, zweibändigen Werk Histoire de l’architecture, das Pitto- reske der griechischen Baukunst einprägsam darzustellen.308 Mithilfe präzis gewählter Perspektiven, entsprechender Grundrisse und Erläuterungen demonstrierte er, wie die Griechen trotz der unregelmä- ssigen Topographie des Grundstücks und ungleichen, nicht axial angelegten Baukörpern eine einheit- liche architektonische Wirkung erreichten, indem sie ein optisches Gleichgewicht zwischen den Bau- massen und den einzelnen, in sich symmetrischen Architekturmotiven herstellten („pondération des masses“) und das Gesehene szenisch kontrollierten. Sowohl Choisy als auch Viollet-le-Duc hatten bei ihrer Betrachtung der Tempelanlage also Ordnungsprinzipien entdeckt, die auf beabsichtigter Asym- metrie und Irregularität aufgebaut waren. Die Beziehungen zwischen den einzelnen Bauten und deren Bezüge zur natürlichen Umgebung waren für die Bildung eines ausgewogenen Ganzen verantwortlich und erzeugten gleichzeitig eine grosse Vielfalt. Die perspektivischen Zeichnungen von Choisy, die eine Abfolge bewusst konzipierter Ansichten zeigen, führten vor Augen, dass das Pittoreske Ausdruck

303 Vgl. Etlin 1991, S. 101-107. Wolfgang Kemp spricht diesbezüglich vom „heroisch Pittoresken“, vgl. Kemp 2009, S. 378. 304 Vgl. Viollet-le-Duc 1863-1872, Bd. 1, S. 56-59; Choisy 1865; Choisy 1899, Bd. 1, S. 384-422. 305 Die Begriffe „raison“, „raisonnement“ nahmen in der Architekturbetrachtung von Viollet-le-Duc einen zentralen Stellen- wert ein und lassen sich etwa im Sinn von Grund, Begründung, Vernunft, Berechtigung, Argument, Denken übersetzen, sie bilden einen Gegenpol zum „sentiment“ („Qu’est-ce donc que le sentiment en fait d’art? Ne serait-ce pas simplement une action involontaire de la raison, exercée par l’éducation sur l’instinct?“ [Viollet-le-Duc 1863-1872, Bd. 1, S. 80.])Vgl. Viollet-le-Duc 1863-1872, Bd. 1, S. 52-59, 78-79. 306 Vgl. Etlin 1991, S. 103. 307 (Viollet-le-Duc 1863-1872, Bd. 1, S. 256.) Vgl. auch ebenda, S. 101. 308 Vgl. das Kapitel „Le pittoresque dans l’art grec: partis dissymétriques, pondération des masses“, in : Choisy 1899, Bd. 1, S. 409-422; Kemp 2009, S. 287-292. 108 Städtebauliche Grundlagen 1.3 eines hoch entwickelten Kunstverständnisses war, das nicht auf abstrakten mathematischen oder tech- nischen, sondern auf optischen Gesetzmässigkeiten beruhte, in dessen Mittelpunkt die visuellen Er- fahrungen des Betrachters standen. „L’ensemble est soumis aux seules lois d’équilibre dont le mot de pondération contient à la fois l’expression physique et l’image.“309 Es kann davon ausgegangen werden, dass die italienische Architektengeneration des ausgehenden 19. Jahrhunderts mit den Schriften von Choisy und Viollet-le-Duc genauso vertraut war, wie mit jenen der Städtebautheoretiker. Auch für die Entwicklung des Architekturverständnisses von Giovannoni spielten ihre Werke eine Schlüsselrolle, wie die zahlreichen Bezugnahmen in seinen eigenen Texten bekunden. Überdies prüfte er während der Restaurierung des römischen Herkulestempels in Cori den Bau hinsichtlich seiner Kurvaturen und führte damit eine Arbeit weiter, die seinen Vorgängern ur- sprünglich den Anstoss für die Erkenntnisse über das Pittoreske der griechischen Architektur gegeben hatte.310 Wie Choisy kam Giovannoni aus dem Bereich des Ingenieurwesens, er rezensierte zwei sei- ner Bücher und führte mit ihm in den Jahren 1905-1909 sogar persönlich Korrespondenz.311 An dessen Geschichtsschreibung schätzte er insbesondere den an der konstruktiven Wirklichkeit orientierten An- satz. Ebenso werden Choisys Ausführungen über die pittoreske Anordnung der klassischen Architek- tur Giovannoni überzeugt und seine Vorstellungen über das ambiente massgebend geprägt haben.312

1.3.3.2 Die szenographische Sichtweise Mazzonis Um stadträumliche Situationen zu beschreiben, sprach Mazzoni in seinen Schriften nicht nur vom Pittoresken, sondern verwendete stattdessen wiederholt den Ausdruck „szenographisch“. So schrieb er beispielsweise über die Platzgruppe bei der Kirche San Domenico in Bologna: „L’insieme delle due piazze è uno degli ambienti più pittoreschi d’Italia. Le tombe, le colonne, le cappelle del fianco e la fronte della chiesa creano un insieme ove la bellezza è data dall’armonica coesistenza e fusione di tutti gli stili dal gotico al settecento. Il togliere una parte a questo aggruppamento pittoresco sarebbe mutilare una delle più belle e scenografiche visioni d’Italia.“313 Oder notierte über den Kirchenkomplex Santo Stefano: „(...) nelle varie unioni e reunioni di forme dissimili è squisitamente scenografico.“314 Szenographisch und pittoresk waren für Mazzoni in etwa gleichbedeutende Begriffe, mit dem Unter- schied, dass Ersterer aussagekräftiger erscheint, weil er ihn vermutlich bewusster wählte. Mit der sze- nographischen Sichtweise verband sich ein stadträumliches Erlebnis, aufgrund dessen das theoretisch

309 (Choisy 1899, Bd. 1, S. 419.) 310 Vgl. Giovannoni 1908 (2), S. 109-130. 311 Vgl. Zucconi 1997 (1), S. 25-30. Choisys Schriften fanden in Italien auch indirekt Verbreitung durch die um 1900 von Lu- igi Archinti und Alfredo Melani publizierten Bände L’architettura nella storia e nella pratica, die sich in der Bibliothek Mazzonis finden. Vgl. Archinti 1900; sowie Etlin 1991, S. 105-106. 312 1923 integrierte Le Corbusier, der seine Projekte vorzugsweise in Form der so genannten „promenade architecturale“ darstellte, die Perspektivenfolge Choisys in seiner programmatischen Schrift Vers une architecture. Im Kapitel „les tra- cés régulateurs“ verwertete er auch die Proportionsstudien mittels Dreiecken und Kreisen, wie sie Viollet-le-Duc und Choisy gezeichnet hatten. Vgl. Le Corbusier 1963, S. 47-53, 61-73, 133-148; Viollet-le-Duc 1863-1872, Bd. 1, S. 396- 404; Choisy 1899, Bd. 2, S. 403-407; Oechslin 2010, S. 204-225. Überdies hatte Sergei Eisenstein in den 1930er Jahren die Perspektiven Choisys aus der Sicht des Filmemachers studiert. Er verglich sie mit den Sequenzen eines Storyboards und benützte diesen Leseschlüssel, um die unterschiedliche Gestaltung der Postamente des Baldachins von St. Peter zu erklären: „In themselves, the pictures, the phases, the elements of the whole are innocent and indecipherable. The blow is struck only when the elements are juxtaposed into a sequential image.“ (Eisenstein 1989, S. 128.) Für diesen Hinweis danke ich Marcel Bächtiger. 313 (Mazzoni 1923 [3], o. S.) Vgl. auch S. 94, Anm. 284. 314 (Mazzoni 1923 [1], o. S.) 1.3 Ambiente als stadträumlicher und landschaftlicher Bezugsrahmen 109 erfasste Gefüge des ambiente in seiner gesamten Komplexität tatsächlich sichtbar und erfahrbar wur- de. Mazzoni erkannte szenographische Qualitäten vorwiegend in Stadträumen und architektonischen Ensembles, die sich durch eine explizite Vielfalt auszeichneten: Vielfalt bedingt durch unterschiedli- che Formen, Stilmerkmale, Massstäblichkeit, Detaillierungsgrade, Materialisierung oder Farbgebung der zusammengestellten Bauten, Bauteile und Gegenstände, durch verschiedenartige räumliche Kon- stellationen, durch wechselnde Verhältnisse von Licht und Schatten auf den Oberflächen, Körpern und in Zwischenräumen, durch nah- und fernsichtige Dispositionen der einzelnen baulichen und land- schaftlichen Elemente sowie durch wandelbare Ausblicke und Perspektiven. Varietät erachtete er nicht als Mangel, sondern im Gegenteil als Ausdruck von Bedeutungsreichtum und Sinngehalt, selbst wenn die akkumulierten Elemente scheinbar diskrepant waren. „Tutte le forme d’arte - sia pure immensa la loro differenza - armonizzano e creano armonie eternamente incantatrici.“315 Die Kunst bildete in seinen Augen das übergeordnete, alles vereinende Moment, das sinnstiftend wirkte und über die Kraft verfügte, ungleiche Einzelteile in Einklang zu bringen. Die Bereitschaft Mazzonis, historisch Gewachsenes als gegebene Bedingung zu akzeptieren, ohne den Zwang, dessen Ambivalenz bereini- gen zu müssen, zeugte von seinem Respekt gegenüber allen zeitgeschichtlichen Epochen und ihren Kunsterzeugnissen, denen er sein eigenes Werk hinzuzufügen gedachte. Der bestehende Kontext, das Nebeneinander und die Überlagerung verschiedener Stilrichtungen setzten für ihn offenbar neue künstlerische Synergien frei, anstatt einschränkend zu wirken. Wie bereits gesehen, galt das Kriterium der Vielfalt in der architettura minore in besonders hohem Mass als eingelöst, auf sie träfe auch Gil- pins Definition des Pittoresken als Schönheit der gewöhnlichen Dinge zu. Seit denAufzeichnungen Choisys und Viollet-le-Ducs war aber ebenfalls klar geworden, dass die Varietät der klassischen, anti- ken Architektur, dank wohl bedachter Asymmetrie und Irregularität, genauso inhärent war. Wenn Mazzoni Perspektiven, die sich ihm im Stadtraum eröffnen, szenographisch nennt, so bedient er sich einer dem Theater entlehnten Terminologie und setzt die Strassenzüge und Plätze gewisser- massen einem Bühnenraum gleich, wo das Schauspiel des wirklichen Lebens vor den Kulissen der Häuserfronten und Bauensembles unaufhaltsam aufgeführt wird. Eine vergleichbare Vorstellung, die sich in der Architektur sichtbar niederschlug, hatte schon die humanistische und dann vor allem die barocke Weltanschauung entwickelt und auf grossartigen Treppenanlagen oder in gestaffelten, viel- schichtigen Raumfolgen den Menschen den Auftritt auf der Bühne des täglichen Lebens ermöglicht. Dass die Analogie des Stadtraums mit einem Theater zu Beginn des 20. Jahrhunderts gängig war, lässt sich wiederum aus der städtebaulichen Schrift Sittes herauslesen. Mehrfach versucht er, seine Aus- führungen zu stützen, indem er die öffentlichen städtischen Räume direkt der Situation eines Theaters gleichsetzt. Die Eignung solcher Vergleiche sei im Wesentlichen auf die perspektivische Wirkung, die durch die geschickte Anordnung der Plätze, Gebäude, Kolonnaden, Monumente und Brunnen her- vorgerufen werde und besonders den barocken Anlagen eigen sei, in Verbindung mit der Bewegung des Betrachters zurückzuführen: „die erfolgreiche Hervorrufung von Perspektiveffekten, für welche ein Raum zum Zurücktreten, ein Platz von ähnlicher Bildung, wie am Theater die Bühne, erforderlich ist.“316 Im Mittelpunkt dieser Sichtweise steht das Verhältnis zwischen dem inszenierten Raum – „une mise en scène“ der Kunstwerke, wie sich Viollet-le-Duc ausgedrückt hatte –,317 und demjenigen, der

315 (FAM, MAZ S/25, S. 153.) Während der Ordnung seiner Habe in den 60er Jahren notierte Mazzoni diese Bemerkung unter einer Fotografie, die das Eingangsportal der Cappella del Crocifisso im Dom von Monreale zeigt. 316 (Sitte 2002, S. 33.) Vgl. ebenda, S. 84, 90. 317Vgl. Viollet-le-Duc 1863-1872, Bd. 1, S. 101. 110 Städtebauliche Grundlagen 1.3 den Raum betrachtet. In der Architektur des Theaters wird diese Beziehung in der räumlichen Einheit des Bühnen- und Zuschauerraums manifest, in der Stadt dagegen lösen sich die Grenzen auf, der ein- zelne Mensch agiert in seiner realen Umgebung gleichzeitig als „Zuschauer“ und „Schauspieler“. Schon in der Einleitung fragt Sitte, was ein Forum anderes sei, als eine Art Theater, um anschliessend den Stellenwert des Forums in der Stadt mit jenem des Atriums oder reich möblierten Hauptsaals eines einzelnen Hauses zu vergleichen.318 Letztere Aussage spielt auf zwei räumliche Eigenschaften an, die im Zusammenhang mit der Bedeutung des ambiente bereits angesprochen worden sind: zum einen, dass die Kernfragen der Architektur, vor allem was die künstlerischen Aspekte betrifft, keine Frage des Massstabs sind, sondern sich unabhängig von Grösse, Umfang und Ausdehnung stellen, und zum anderen, dass Aussenräume ähnliche Qualitäten und Funktionen aufweisen wie Innenräume (und umgekehrt) und somit mehrfach lesbar sind: „Das Räumliche in der Architektur besteht nicht in einem inneren Hohlraum und einem äusseren Körper, sondern in einem inneren und äusseren Hohlraum. Die Strasse, der Platz und der Landschaftsraum unterliegen grundsätz- lich den gleichen Gesetzen wie der Innenraum.“319 Entsprechend dieser Erklärung, die Herman Sörgel um 1920 formulierte (und etwa Francesco Borro- mini in seinen Architekturprojekten ganz direkt umgesetzt hatte320), werden landschaftliche Faktoren wie Bäume, Wasser, Hügel und Gestein ebenso wie die Plätze, Strassen, Gärten, Bauten, Brunnen und Bildwerke der Stadt und die Höfe, Treppen, Zimmer und Möblierung der Häuser als gleichwertige raumdefinierende Gestaltungselemente der Architektur betrachtet. Die räumliche Mehrdeutigkeit ist sowohl im geschlossenen Theaterraum, wo ein Teil der Aussenwelt als fiktiver Handlungsort künstlich inszeniert wird, als auch im szenographisch wahrgenommenen Stadtraum ein zentraler Aspekt. Die Stadt Bologna, wo die „sapienza prospettica“ und die „antica tradizione scenografica“321 histo- risch verankert sind, war mit der Szenographie besonders eng verbunden. So hatte Sebastiano Serlio „bolognese“ (1475-1554) mit den drei zentralperspektivischen Bühnenbildentwürfen, die den Gat- tungen der antiken Theaterprospekte gemäss Vitruv entsprachen, im zweiten Buch seines Traktats die Bühnentypen der Renaissance beispielgebend kodifiziert: die „Scena Comica“ stellte einen innerstäd- tischen Strassenzug mit mittelalterlichen Privathäusern dar, die „Scena Tragica“ eine Strasse gesäumt von repräsentativen Bauwerken all’antica, die „Scena Satirica“ schliesslich einen Naturweg flankiert von Bäumen und Hütten.322 Das gewöhnliche Haus, das herausragende Monument und die gefügte Landschaft bildeten somit die Hauptmotive der Szenen. Später im 17. und 18. Jahrhundert führte die bolognesische Künstlerfamilie Galli-Bibiena, deren Familienmitglieder über mehrere Generationen als Maler, Architekten, Dekorateure, Bühnenbildner und Theateringenieure in Italien und an den grossen Königshöfen Europas tätig waren, die europäische Theaterkunst erneut zur Blüte. Mit unzäh- ligen Bühnenentwürfen, deren Perspektiven nunmehr übereck und auf mehrere Fluchtpunkte gerichtet waren, so dass vielschichtige, dynamische Raumgefüge mit starker Höhen- und Tiefenwirkung ent-

318 Vgl. Sitte 2002, S. 8 und 10. Herman Sörgel nahm 1921 im Kapitel „Wesen der Architektur als raummässige Kunst“ sei- nes Bandes Architektur-Ästhetik im Zusammenhang mit der Stadtbaukunst die Gedanken Sittes wieder auf, vgl. Sörgel 1921, S. 212-218. 319 (Sörgel 1921, S. 243.) 320 Zum Beispiel die Kirche San Carlino alle Quattro Fontane in Rom, vgl. hierzu Raspe 1994, 109-126. Borromini ist inso- fern erwähnenswert, als dass er für Mazzoni als einer der bedeutendsten Architekten Italiens galt: „Il settecento, erede del genio del Borromini, è stile italiano, ed è degli stili nostri quel che più puramente ha dominato tutta la produzione artistica mondiale del secolo.“ (Mazzoni 1923 (2), o. S.) 321 (Mazzoni 1923 (4), o. S.) 322 Vgl. Serlio 1545, o. S.; Vitruv 2009, S. 247. Vgl. auch Beyer 2009, S. 15-27; Damisch 2010, S. 203-237. 1.3 Ambiente als stadträumlicher und landschaftlicher Bezugsrahmen 111 standen, prägten sie die Theaterkunst des Barocks. In Bologna baute Antonio Galli-Bibiena, der Sohn Ferdinandos und der Bruder Giuseppes, 1756 ausserdem das Teatro Comunale.323 Dass die szenographische Tradition Bolognas aber nicht nur historisch begründet war, sondern ganz direkt mit der äusseren Gestalt der Stadt selbst zusammenhing, darüber waren sich die Bologneser wohl einig. In seinem Werk über die Bibiena schrieb Ricci deshalb: „Quando si farà una storia ampia della scenografia si troverà essere stata Bologna la città che, da Sebastiano Ser- lio a Domenico Ferri, ha dato al Teatro il maggior numero d’architetti e di grandi scenografi. Ma noi pensiamo che a ciò abbia contribuito un fatto esteriore: l’aspetto, cioè, della loro città. (...) Le grandi nevicate, alle quali Bologna, esposta a tramontana, e addossata all’Apennino, proprio all’orlo dell’immensa valle del Po, va soggetta, le hanno valso appunto un singolare carattere architettonico. Tutte, o quasi tutte, le sue vie sono fiancheggiate di portici. Sorretti i più antichi, dugenteschi, da altissime travi di legno (...) assumendo forme sempre più ricche, più belle e più grandiose; le colonne di legno s’alternano perciò a quelle di mattoni o di macigno, i capitelli sem- plici o rozzi, a quelli leggiadri o ricchi, e gli archi di tutto sesto a quelli scemi, i gotici agli architravi. E su tutto si svolge una vivace fioritura di terrecotte ornate, che corona il fastigio delle case e dei palazzi, ne inghirlanda i portici, le finestre e le porte. E tante colonne e travi e volti ed archi, ora allineati ai fianchi di strade che paiono navate di basiliche, ora curvantisi come filari di alberi sulle rive dei canali, ora cupi di contro a piazze inondate di luce, ora soleggiati dinanzi a vaporose lontananze o a scuri angiporti, tra il sorgere delle chiese dagli agili contraf- forti, e alle torri sottili e brune, creano ad ogni passo tanti ricorsi e contrasti di linee e giuochi di luce e varietà di prospettive, che non possono essere stati piccolo incentivo allo sviluppo della grande e tre volte secolare scuola scenografica di Bologna.“324 Ricci zeichnete ein ganzheitliches Bild des Stadtraums Bolognas, dessen Eigenschaften sich auf an- dere Raumsituationen übertragen liessen. Seine Beschreibung umfasste nicht nur den sichtbaren Zu- stand der Architektur und der Landschaft, sondern auch die vergänglichen, immateriellen, poetischen Aspekte, die etwa durch die Bedingungen des Lichts, die Bewegungen des Betrachters im Raum oder den Wandel der Ansichten zustande kamen. Die Stadt diente den Bühnenbildnern ebenso als Vorlage für ihre Inszenierungen, wie den Architekten als Lehrstück zur Klärung ihrer Aufgaben.325 Das gebaute Werk Mazzonis und die Dokumente seines Nachlasses verdeutlichen, wie stark er seine unmittelbare Umgebung als Lehrmittel und zugleich Quelle der Inspiration benutzte. In seinem Archiv liegen unter der Bezeichnung „monumenti italiani e opere d’arte“ vier dicke Alben, die vorwiegend grossformatige, schwarzweisse Fotografien – meist Abzüge aus den Fotostudios Andersen und Alinari aus den frühen 30er Jahren – enthalten, aber auch Ansichtskarten, Bilder und kurze Berichte aus Zeitungen, Zeitschriften sowie kleine persönliche fo- tografische Aufnahmen.326 Die Bilder sind nach visuellen Kriterien thematisch geordnet und zeigen Kunstwerke aller Art: Bauten, Skulpturen, Gemälde, Grabstätten, Mosaiken, Reliefs, Altäre, Heili- genbilder, Brunnen, Portale, Kirchen, Kirchenräume, Stadttore, Strassenzüge, einfache Stadthäuser, Villen, Gartentore, Ziborien, Tabernakel, Taufbecken, Kanzeln, Kandelaber, Katakombenfresken, Chorgestühl, Reiterstandbilder, Loggien, Arkaden, Fassadenornamente und Konsolen, eines der vier Alben enthält ausserdem nur Nahaufnahmen von Kapitellen. Zu jedem der Bilder ist den Bänden je-

323 Vgl. Ricci, C. 1915; Ricci, C. 1924, S. 346-349; Oechslin 1997. 324 (Ricci, C. 1915, S. 7.) 325 Vgl. S. 89, Anm. 258. Giovannoni erachtete den Stadtraum als die beste Schule für Architekten, wie er am Beispiel von Florenz erklärte: „Firenze, ove la Scuola comincia prima che nelle modeste aule e nell’opera assidua degli insegnanti, nella meraviglia dei monumenti che costituiscono l’ambiente, nella tradizione gloriosa della città (...)“ (Giovannoni 1929 (2), S. 25.) Vgl. weiterführend auch Schumann, Stühlinger, Tanner, Unser 2009, S. 9-39, 94-115. 326 Vgl. FAM, MAZ S/24, S/25, S/26 und S/27. 112 Städtebauliche Grundlagen 1.3 weils eine maschinengeschriebene Legende als Verzeichnis vorangestellt, selten finden sich auf den Bildseiten auch handgeschriebene Bemerkungen, meistens datiert von Ende der 60er Jahre. Es ist an- zunehmen, dass Mazzoni die Abbildungen über Jahre hinweg gesammelt und aufbewahrt hatte, bevor er sie nach dem Zweiten Weltkrieg schliesslich ordnete, einklebte und mit Legende versah. Die Alben sind eindrückliche Dokumente, die das Werk Mazzonis und seine Arbeitsweise in einem differenzier- ten Licht erscheinen lassen. Sie sind gewissermassen eine Motivsammlung, die er sich selbst als Ar- beitsinstrument für den Entwurf zusammengestellt hatte. Die Chronologie der Ordnung, die Wahl der abgebildeten Motive und die überaus grosse inhaltliche Spannweite widerspiegeln seine Denk- und Vorgehensweise und geben preis, wie reich der Fundus, aus dem er schöpfte, beschaffen war. Die Fotobände veranschaulichen, wie Mazzoni auf Strassen, Plätzen und in Bauwerken auf unbe- schränkt viele, brauchbare und höchst anregende Motive, Formen, Bezüge und Typologien traf, die sich in umgewandelter, überarbeiteter, zusammengefasster und neu interpretierter Form in seinen Bau- ten, Zeichnungen und Notizen tatsächlich wiederfinden. Woher seine Ideen aber wirklich kamen und welche Wege sie im Kopf des Architekten während des Entwurfsprozesses genau durchliefen, bleibt trotz allem meist offen. Wie komplex und vernetzt solche Gedankengänge sein konnten, dokumentiert ein auf den ersten Blick unscheinbares Detail im so genannten „chiostrino“ des Bahnhofs Roma Ter- mini, einem von Säulen umstellten, runden Innenhof im Obergeschoss des südwestlichen Bahnhofflü- gels: Wegen seiner strategischen Bedeutung gehörte der römische Bahnhof zu den wenigen öffentli- chen Bauten Italiens, auf dessen Baustelle noch nach Kriegseintritt bis 1943 weitergearbeitet wurde, er war zugleich das letzte Bauprojekt, das Mazzoni in Italien realisierte. Im schmalen Marmorarchit- rav über dem Säulenumgang des kleinen Hofes, den er erst in einer späten Entwurfsphase (nach 1939) einplante,327 ist viermal nach allen Himmelsrichtungen eingemeisselt: NIL NISI DIVINUM STABILE CAETERA FUMUS, „ricordando che le opere dell’uomo sono fumo e quelle di Dio eterne“,328 wie Mazzoni den Ausspruch mit seinen eigenen Worten übersetzte. Er hatte ihn, wie er angab, einem Bild Andrea Mantegnas entnommen, das wahrscheinlich in dessen Todesjahr 1506 entstanden war. Dieses stellt den Heiligen Sebastian dar, der von Pfeilen durchbohrt aus einer marmornen Ädikula heraustritt; in der unteren Bildecke rechts im Vordergrund steht eine dünne, fast erloschene Kerze, um die sich ein Schriftband mit den eben zitierten lateinischen Worten schlingt. Es ist durchaus denkbar, dass sich Mazzoni um 1940, in Vorahnung des bevorstehenden politischen und persönlichen Wendepunkts, wie der alte Mantegna am Ende seines Lebens an die Vergänglichkeit des eigenen Daseins erinnerte. Der Aphorismus steht aber noch in einem weiteren Kontext, denn die im Innenhof verwendeten Lettern, alles Grossbuchstaben einer klassischen Typographie, gehen laut Mazzoni zurück auf jene des Schrift- bandes, das den Palazzo Piella in Bologna unterhalb des Sockelgesimses auf Augenhöhe in hebräi- schen und lateinischen Schriftzeichen umspannt.329 Der Entwurf des Renaissancepalazzo, ursprünglich Palazzo Bocchi genannt, wird Vignola zugeschrieben, könnte aber auch von Sebastiano Serlio oder Giulio Romano beeinflusst worden sein, die alle mit dem Bauherrn und humanistischen Gelehrten Achille Bocchi bekannt gewesen waren.330 Mazzoni hatte sich um 1920 im Zug seiner städtebaulichen Untersuchungen mit dem damals bereits baufälligen Palazzo beschäftigt, weil er einen Blickpunkt in einer der beiden in seiner Studie vorgeschlagenen Verbindungsstrassen bilden und als schützenswertes

327 Vgl. Piacentini, M. 1939, Grundrisse des ersten und zweiten Obergeschosses, o. S. 328 (FAM, MAZ S/24, Verzeichnis S. III, Legende zu Bild Nr. 102 auf S. 52.) 329 Die Typographien sind laut Mazzoni möglicherweise noch heute im Archiv der staatlichen Eisenbahnen aufbewahrt. 330 Vgl. Roversi 1986, S. 54-56. 1.3 Ambiente als stadträumlicher und landschaftlicher Bezugsrahmen 113

Monument erhalten werden sollte. Abgesehen von der inhaltlichen Bedeutung des Sinnspruchs las- sen sich aus dem marginalen Detail zwei wesentliche Einsichten gewinnen: einerseits hatte Mazzoni während der Ausbildungszeit in den Strassen Bolognas nicht nur sein Bewusstsein geschärft, indem er seine Umgebung genau studierte, sondern erachtete auch noch fünfundzwanzig Jahre später diesel- ben Motive und Inhalte als brauchbare Grundlage für die eigene Entwurfstätigkeit. Zusätzlich zeigt sich, wie weit er seinen Horizont öffnete, denn der Bezugsrahmen seiner Architekturprojekte bildete nicht nur die Architektur im engeren Sinn, sondern die Fragen der Kunst ganz allgemein. Sein tief empfundenes Kunstverständnis weist darauf hin, dass für ihn die Kunst der Alten, in diesem Fall die Modernität Mantegnas und Vignolas, existentiell war und das solide Fundament bildete, worauf er die eigene, an die Gegenwart gebundene Arbeit baute. 114

126 Auguste Choisy, Histoire de l’architecture, 1899 129 Sebastiano Serlio, „Scena tragica“, Il secondo libro di prospettiva, 1545

130 Sebastiano Serlio, „Scena comica“, Il secondo libro di prospettiva, 1545

127 Camillo Sitte, Grundriss des Forums von Pompeji, publiziert in Der Städtebau nach seinen künstlerischen Grundsätzen (3. Aufl. 1901)

128 Piazza della Signoria in Florenz, publiziert in Camillo Sitte, Der Städte- 131 Sebastiano Serlio, „Scena satirica“, Il secondo libro di prospettiva, 1545 bau nach seinen künstlerischen Grundsätzen (3. Aufl. 1901) 115

132

132 Giuseppe Galli Bibiena (1696-1757), „Forum“, publiziert von Corrado Ricci in I Bibiena, 1915 133 Alessandro Galli Bibiena (1687-1768), Zeichnungen aus dem Innsbrucker Skizzenheft 1716-1718 134 Giuseppe Galli Bibiena (1696-1757), „Atrium“, publiziert von Corrado Ricci in I Bibiena, 1915 133

134 116

135 A. Mazzoni, runder Innenhof im Obergeschoss des Bahnhofs Roma Termini, ausgeführt um 1942 (2009)

136 Palazzo Bocchi in Bologna, Kupferstich von Giulio Bonasone, 1545 (vgl. Abb. 91) 137 Andrea Mantegna, Heiliger Sebastian, Ca’d’Oro Venedig, 1506 (?) 2 Istituzione e lavoro – der berufliche Kontext

2.1 Biographische Notizen 1924-1979: architetto-ingegnere im Dienst der italienischen Eisenbahnen und die Nachkriegs- jahre in Kolumbien und Rom

Im März 1924 zog Mazzoni mit seiner Familie nach Rom, wo er am Hauptsitz der Ferrovie dello Stato im so genannten Ufficio 5°, dem Baubüro der Abteilung Lavori e Costruzioni, eine neue Stel- le antrat. Der Wechsel koinzidierte mit zwei kardinalen äusseren Ereignissen: mit dem Beginn der Konsolidierung des totalitären faschistischen Regimes, unter dessen Weisung die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse nach und nach markant verändert wurden, und mit der grundlegenden Neuordnung des Ministero delle Comunicazioni, einer der grössten und gewichtigsten Verwaltungen des Staates, in der die Administrationen der Eisenbahn, der Telekommunikation und die Inspektorate der Handelsmarine und der konzessionierten Verkehrsmittel zusammengefasst worden waren und an deren Spitze der frisch ernannte Minister ehrgeizige Pläne zu verwirklichen gedachte. Im Zug tiefgreifender Reformen, welche die nationale Infrastruktur des Landes erneuern sollten, sah sich Mazzoni in der Rolle eines leitenden Architekten und Ingenieurs im Beamtenstatus mit dem Ent- wurf eines zahlenmässig wie inhaltlich aussergewöhnlichen Bauprogramms konfrontiert. In Rom hatte er, wie er nachträglich notierte, das Glück, auf einen direkten Vorgesetzten, Ingenieur Ferruccio Businari, Vorsteher des Ufficio 5°, zu treffen, auf dessen Beistand er von Anfang an zählen konnte.331 Zusammen mit dem sieben Jahre älteren Arbeitskollegen Roberto Narducci (1887-1979), der schon seit 1909 bei den Ferrovie dello Stato in verschiedenen Abteilungen zuerst als Zeichner, später als Architekt, tätig gewesen war,332 wurde Mazzoni in die hierarchisch organisierte Verwal- tungsstruktur eingebunden und mit der Projektierung architektonisch bedeutsamer Hochbauten der Eisenbahn, insbesondere Bahnhöfe und deren Nebengebäude, betraut. Als 1925 die Bauaufgaben der Telekommunikation an die Eisenbahnadministration übertragen wurden, gelangten auch die Gebäude der Post und Telegrafie in die Obliegenheit der beiden Architekten. Ihr Auftragsgebiet reichte von ur- banen Grossprojekten bis hin zu kleinmassstäblichen Planungen in der Provinz und dehnte sich räum- lich über sehr unterschiedliche geographische und kulturhistorische Regionen, von der nördlichen Grenze Italiens bis an die Südspitze, nach Sizilien und Sardinien, aus. Zu den ersten Bauvorhaben, mit denen Mazzoni beauftragt wurde, gehörten mehrere Projekte im Trentino-Südtirol; wie Görz, Triest und Istrien zählten die Provinzen des italienisch gesinnten Tren- tino und des österreichisch ausgerichteten, deutschsprachigen Südtirols seit 1919 zu den neuen Terri- torien Italiens, deren Angliederung besonderes politisches Interesse zugestanden wurde. 1925 begann Mazzoni mit der ersten Restrukturierungsphase des Brennerbahnhofs, der in einen Grenzbahnhof um- funktioniert und an die technischen Bedingungen der 1929 elektrifizierten Eisenbahnlinie angepasst werden musste. Den 1930 eingeweihten Bahnhof erweiterte er drei Jahre später mit einer Perronanla- ge im Gleisbereich. Zwischen 1927 und 1928 wurden seine Pläne für den Umbau und die Erweiterung des Bahnhofs Bozen umgesetzt (Eröffnung am 24. Mai 1928), gleichzeitig entstanden in nahezu allen

331 Vgl. „Appunti autobiografici“, FAM, MAZ S/21, S. 2. 332 Zur Biographie Narduccis vgl. Giacomelli 2004. 118 Biographische Notizen 2.1

Ortschaften der drei Südtiroler Haupttäler Eisacktal, Pustertal und Vinschgau mehr als 60 Wohnhäu- ser für Eisenbahnangestellte, die ein weitläufiges Netz entlang der Bahnlinien bildeten.Auch in Rom wurden in jenen Jahren zwei grosse Parzellen an der Via Bari nach seinen Plänen bebaut, auf der einen wurden 90 Personalwohnungen errichtet (fertiggestellt am 28. September 1929, erweitert mit 31 Einheiten am 15. Juni 1932),333 auf der anderen der Hauptsitz des „dopolavoro ferroviario“, einer Freizeiteinrichtung für die Eisenbahnarbeiter mit einem Theater, Veranstaltungssälen, Turnhallen, Büroräumen und einer Herberge mit zugehörigem Restaurant (eingeweiht am 1. Juni 1930).334 Parallel zu diesen Ausführungsplanungen beschäftigte sich Mazzoni seit den ersten Arbeitsjahren zudem mit umfassenden städtebaulichen Studien für die Bahnhofsanlagen in Rom, Venedig, Florenz, Reggio Ca- labria und wahrscheinlich auch Messina.335 Im Januar 1926 wurde er Mitglied der faschistischen Partei und im März darauf zum Cavaliere dell’Ordine della Corona d’Italia, einem königlichen Orden im Gedenken an die italienische Einheit, ernannt.336 Nachdem sich Mussolini im Lauf des Jahres 1924 an der Spitze der Regierung definitiv durchgesetzt und in seiner Rede vor dem Parlament am 3. Januar 1925 den Einparteienstaat prokla- miert hatte, schritt der Aufbau der neuen organisatorischen, institutionellen und ideologischen Struk- turen des Faschismus zur Festigung des Regimes schnell voran.337 In den Jahren 1925 und 1926 wur- den nebst der sukzessiven Einordnung der verschiedenen Berufsverbände in ein staatlich gelenktes Korporationssystem auch zahlreiche staatliche Institutionen gegründet, etwa die Opera Nazionale del Dopolavoro (OND), die sich der Freizeitgestaltung der Arbeiterschaft annahm, die Opera Nazionale Maternità e Infanzia (ONMI), die sich um Schutz und Betreuung von Müttern und Kindern kümmerte, die Opera Nazionale Balilla (ONB), welche Jugendliche und Kinder in Jugendverbänden organisierte, und die Reale Accademia d’Italia, in deren Reihen sich als geistige Elite des Landes all jene versam- melten, die sich um die italienische Kultur und Wissenschaft besondere Verdienste erworben hatten.338 Auf diese Weise sollte es gelingen, alle Bevölkerungsschichten und Interessengruppen in das faschis- tische System einzubinden und sie zugleich der politischen und sozialen Kontrolle zu unterziehen. Im Dezember 1926 wurde per Gesetzesverordnung das Rutenbündel („fascio littorio“) mit der Axt offiziell vom Parteizeichen zum Staatsemblem erhoben und der faschistische Kalender, demgemäss die Zeitrechnung mit der Machtübernahme des Faschismus am 28. Oktober 1922 neu begonnen hatte, eingeführt. Rutenbündel und Jahreszahl wurden fortan zu fest integrierten Zeichen der öffentlichen Architektur.339 Aus den neu erschaffenen Einrichtungen und Organisationsformen erwuchsen entspre- chend neue Bauaufgaben, die nebst den gewohnten öffentlichen Bauvorhaben eine beispiellose Bau-

333 Vgl. ASFSR, B. 5229, B0(15) fasc. XXV, „Case economiche per i ferrovieri. Rapporto Riassuntivo“, 962, 1042. 334 Mazzoni entwarf auch Wohnhäuser für Eisenbahnangestellte in Cagliari (1928 fertiggestellt) und Brescia (um 1929), deren weitere Planung und Ausführung wurde allerdings den lokalen Bauabteilungen übertragen. 335 Im Fall von Messina gibt es ein Projekt aus dem Jahr 1925, das angeblich aus der Hand Mazzonis stammen könnte, vgl. Brandino 2007, S. 63-64. Bei verschiedenen Projekten ist der tatsächliche Planungsbeginn nicht genau eruierbar, eine Präzisierung liesse sich möglicherweise mit der weiteren Auswertung noch ungesichteter Dokumente vornehmen. 336 Im Oktober 1930 wurde er zum Ufficiale und im Januar 1932 zum Commendatore des Ordens befördert. Ausserdem er- hielt er vom Ordine dei Santi Maurizio e Lazzaro die Auszeichnung zum Cavaliere (1936) und Ufficiale (1942). 337 Bezüglich Entwicklung und Struktur des Faschismus vgl. Gentile 2007 (1); Gentile 2007 (2); Gentile 2008. 338 Mit der Legge Rocco vom 3. April 1926 wurde das Korporationssystem eingeführt, noch im gleichen Jahr folgte die Einrichtung des Korporationsministeriums („Ministero delle Corporazioni“). Die Gründung der OND, ONMI, ONB und der Reale Accademia d’Italia erfolgte zwischen Mai 1925 und April 1926. Die ONB wurde ab 1937 als Dachorganisation der faschistischen Jugendverbände unter dem Namen GIL („Gioventù Italiana del Littorio“) weitergeführt. Überdies war 1917, in vorfaschistischer Zeit, zur Wiedereingliederung ehemaliger, mittelloser Frontkämpfer die Opera Nazionale dei Combattenti (ONC) gegründet worden. 339 Vgl. „Dichiarazione il Fascio Littorio emblema dello Stato“, D.L. vom 12. Dez. 1926, Nr. 2061, und L. vom 9. Juni 1927, Nr. 928; „L’uso del Fascio Littorio da parte dei Comuni, delle Provincie, delle Congregazioni di carità e degli Enti paras- 2.1 1924 - 1979 119 tätigkeit im ganzen Land auslösten. Geplant und gebaut wurden Bahnhöfe, Postbauten, Energiewerke, Sportanlagen, Schulen, Theater- und Kinosäle, Jugendanstalten, Verwaltungs- und Parteigebäude, private und staatliche Wohnungen; zahlreiche Restaurierungsmassnahmen und Ausstellungen wurden eingeleitet und realisiert.340 Nachdem die Bauaufträge der Postadministration 1925 in den Kompetenzbereich des Ufficio 5° über- gegangen waren, steigerte sich angesichts der Reformbestrebungen bezüglich des Postwesens und des dringenden Bedarfs an neuen Postgebäuden das Arbeitsvolumen Mazzonis erheblich. Bald wurde er mit dem Entwurf der Postämter in Ferrara (1926-1930), Ragusa (1926-1935), Nuoro (1927) und der Sendestationen in Fiumicino und Golfo Aranci für den Funkverkehr zwischen dem Festland und Sardinien („stazioni radiotelefoniche“, fertiggestellt im August 1930) betraut. 1925 oder 1926 erhielt er den Auftrag zur Planung der Ferienkolonie Rosa Maltoni Mussonlini in Calambrone, die 1930- 1933 an der Küste des Tyrrhenischen Meeres für die Kinder von Eisenbahn- und Postangestellten errichtet und 1934-1935 nochmals erweitert wurde. Gemeinsam mit Marcello Piacentini und Gaetano Rapisardi nahm Mazzoni 1927 ausserdem am international ausgelobten Wettbewerb für den Völker- bundpalast in Genf teil, an dem ihr Projekt mit einem der neun dritten Ränge („deuxième mentions ex aequo“) ausgezeichnet wurde. Etwa zeitgleich begann die Arbeit an den Postbauten in Palermo (1926?/1928-1934), Bergamo (1928-1932), Görz (1929-1932) und an der casa del fascio, dem Partei- gebäude, in Passirano (1928), einer ländlichen Gemeinde nahe Brescia.341 Als Italien in der Folge der Weltwirtschaftskrise von 1929 mit hoher Arbeitslosigkeit zu kämpfen hat- te, wurde die öffentliche Bautätigkeit landesweit als Massnahme zur Arbeitsbeschaffung propagiert und im Sommer 1930 offiziell ein umfassendes Programm beschlossen. Ende Juli liess Mussolini an unzählige Präfekturen Telegramme verschicken, dass in ihren Provinzen ab September mit dem Bau von Postämtern oder Wohnungen für Eisenbahn- oder Postangestellte begonnen werde.342 In insge- samt neunzehn Städten sollten Postämter errichtet werden, neun davon wurden an private Architekten vergeben oder von den lokalen Baubüros der Eisenbahn bearbeitet, die restlichen zehn Projekte fielen in den Aufgabenbereich von Mazzoni und Narducci. Sie mussten in kürzester Zeit baureife Entwürfe ausarbeiten, so dass die Pläne einschliesslich der Gipsmodelle im Massstab 1:50 bereits Ende August präsentiert und anschliessend an die betroffenen Provinzverwaltungen weitergeleitet werden konnten. Mazzonis Aufträge umfassten damals die Post von La Spezia (1928-1933), Trient (1928-1934), Ag- rigent (1928-1935), Grosseto (1929-1932), Varese (1929-1933), Massa (1930-1933) und jene im ist- rischen Pula (1930-1935).343 Im Fall der ersten fünf Bauten relativieren jedoch Archivdokumente die Darstellung eines übereilten Planungsprozesses infolge des Arbeitsbeschaffungsprogramms, denn, wie die Planungsdaten erkennen lassen, war Mazzoni schon früher mit den Projekten beauftragt worden.344

tatali“, R.D. vom 14. Juni 1928, Nr. 1430. Die faschistische Zeitrechnung wurde üblicherweise mit dem Voraussetzen der Buchstaben EF („Era Fascista“) oder A („Anno“) und der jeweiligen Jahreszahl in römischen Ziffern angegeben. 340 Vgl. Ciucci, Muratore 2004, S. 74-323, 346-441; Nicoloso 2008; Mattioli, Steinacher 2009; Spiegel 2010; Bodenschatz 2011. 341 Die casa del fascio in Passirano, Sitz des faschistischen Kampfbundes „Enea Guarneri“, entspricht einer Ausnahme im Werk Mazzonis, der den Auftrag angeblich von seinem Abteilungsleiter erhalten hatte. Den Aussagen Mazzonis zufolge hätte er auch in Crespellano ein Parteigebäude planen sollen, lehnte den Auftrag aber ab. Privat war Mazzoni unterdessen mit seiner Familie an die Via Crati am damaligen Stadtrand im Nordosten Roms gezogen, wo sie in einem zu Beginn der 20er Jahre errichteten Haus mit Garten wohnten; 1927 wurde das zweite Kind, der Sohn Marcello, geboren. 342 Vgl. ASFSR, B. 5230, B0(15), fasc. XL. 343 Vgl. ASFSR, B. 5230, B0(15), fasc. XL, 327, 331; Businari 1931 (2), S. 2-3. Narducci bearbeitete die Projekte in den Städten Savona, Vicenza und Bari. 344 Vgl. hierzu den Planungsprozess des Postamtes von Varese in Kapitel 2.3.4. 120 Biographische Notizen 2.1

Im Lauf der 20er Jahre veränderte sich in Italien nicht nur das politische, sondern auch das kulturelle Gefüge fundamental. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs hatten die Umwälzungen der sozialen, wirtschaftlichen, technologischen und politischen Strukturen einen wesentlichen Wandel in allen Le- bensbereichen nach sich gezogen. An diesem Erneuerungsprozess waren die Architekten und Künstler mit ihren Werken, Manifesten, Positionen, Debatten und Polemiken massgebend beteiligt. Grundsätz- lich beschritten sie dabei zwei unterschiedliche Wege: der eine wandte sich mit dem Aufruf „ritorno all’ordine“ ebenso von der kurzlebigen, als konfus, haltlos und teilweise bizarr wahrgenommenen Entwicklung der modernen Kunst, wie von den eklektizistischen und exotischen künstlerischen Ver- suchen der Jahrhundertwende ab, und strebte stattdessen die Besinnung auf eigene, in der Tradition verwurzelte Grundwerte und Ideale sowie die Wiederherstellung der verloren geglaubten klassischen Ordnung an.345 Die Scuola Metafisica um die Maler Giorgio De Chirico, Carlo Carrà und Giorgio Mo- randi, die Bewegung des Novecento, die sich nach 1922 in Mailand auf Initiative der Kunstkritikerin Margherita Sarfatti formierte und Künstler wie Architekten vereinigte, und der bisweilen als Scuola Romana bezeichnete Architektenkreis um Piacentini und Giovannoni in Rom, der mehr eine lose Gesinnungsgemeinschaft denn eine eigentliche Gruppierung war,346 galten als Hauptvertreter dieser Position. Die andere dagegen suchte den Weg der modernen Entwicklung fortzusetzen, indem sie die Errungenschaften von Technik und Wissenschaft kompromisslos bejahte und diese zur Bedingung für die Gestaltung der Zukunft erhob. Jener Haltung zufolge, die sich weitgehend an den Prämissen der internationalen Avantgarde orientierte, würden neue Materialien, Techniken, Produktionsverfahren, Konstruktionssysteme, hygienische Standards, Nutzungs- und Funktionszusammenhänge unweiger- lich zu einer neuen Ausdrucksweise, Formensprache und letztlich auch zu einem neuen Lebensge- fühl führen. Zu den wichtigsten Verfechtern zählten zum einen die Futuristen der Nachkriegszeit, denen sich Mazzoni in den 30er Jahren für kurze Zeit anschloss, und zum anderen der Gruppo 7, der sich 1926 in Mailand formierte und aus dem 1930 der national vernetzte Movimento Italiano per l’Architettura Razionale (MIAR) hervorging, womit der razionalismo italiano begründet wurde. Eine klare Trennung der verschiedenen Gruppierungen erweist sich im Nachhinein aufgrund der Gemein- samkeiten ihrer teilweise diffusen Programme, der wechselhaften Zugehörigkeit ihrer Anhänger und deren Verfolgung von Eigeninteressen allerdings als sehr schwierig.347 Kunst, Architektur und Städtebau, denen der italienische Faschismus eine wichtige propagandistische Mission anvertraut hatte, gerieten zunehmend ins Zentrum der kulturpolitischen Debatte, die ihren Höhepunkt in den Jahren zwischen 1929 und 1936 erreichte. Da das Regime keine der künstlerischen Positionen a priori ausschloss und weder verbindliche Richtlinien entwickelte noch bestimmte formal- stilistische Tendenzen untersagte, waren alle Gruppierungen aufgefordert, sich aktiv am Aufbau und an der Gestaltung des faschistischen Staates zu beteiligen.348 Durch Äusserungen, Stellungnahmen,

345 Vgl. z.B. Muzio 1921, S. 253, 258; Patetta 1972, S. 14-24, 61-115. 346 Mazzoni sprach in seinem Zeitungsartikel über das Primat der italienischen Architektur von einem „aggruppamento di giovani“ in Rom, „cui si può dare il nome di Giovine Scuola Romana“ (Mazzoni 1923 (2), o. S.). 347 Weiterführend zu den verschiedenen Bewegungen und Gruppierungen vgl. Crispolti 1969; Patetta 1972; Cennamo 1973; Cennamo 1976; Bossaglia 1979; Falkenhausen 1979; Godoli 1983; Annitrenta 1983; Harten, Poetter 1988, S. 14-52; Ca- ramel, Crispolti, Loers 1990; Pfammatter 1990; Burg 1992; Danesi, Patetta 1996. 348 Die Strategie, alle Seiten in den Aufbau des faschistischen Staates einzubeziehen, führte zu einer unklaren, unterschied- lich interpretierbaren Programmatik; sie war kennzeichnend für Mussolinis Vorgehensweise und äusserte sich nicht nur in seiner Kulturpolitik, sondern auch in seiner innerparteilichen Personalpolitik, in der Wirtschafts- und der Aussenpolitik. Nebst einem strategischen Vorsatz widerspiegelte sich in dieser Ambivalenz, die keineswegs als realpolitische Schwäche misszuverstehen ist, letztlich der Widerspruch des Faschismus, der sich zugleich in Tradition und Moderne, in Revolution und Auferstehung der Antike zu verwirklichen versuchte. 2.1 1924 - 1979 121

Direktvergaben von Aufträgen und Wettbewerbsauslobungen förderte der Staat die Anbindung der Künstler und Gruppen an die ideologischen Ziele des Faschismus, diese wiederum nutzten im gegen- seitigen Wettstreit die Tagespresse, Fachzeitschriften, Ausstellungen und öffentlichen Wettbewerbe als Plattform, um ihre Positionen zu artikulieren und ihren Anspruch zu bekunden, im Zeichen der neuen politischen Ära eine künstlerisch konstitutive Rolle zu übernehmen.349 Der Architektur kam die Funktion eines äusserst wirksamen, suggestiven politischen Instruments zu, anhand dessen sich der faschistische Konsens erzielen und hervorragend demonstrieren liess.350 Wenn Mazzoni in seinen autobiographischen Notizen schrieb, dass sein Leben „una esplosione di fu- ochi di artificio, ora belli ora detestabili“ gewesen sei,351 so traf diese Bemerkung zweifellos in beson- derem Mass auf die Jahre und die sich überstürzenden Ereignisse zu, die ihn ab 1929 erwarteten. Zu den zahlreichen Aufträgen der Post kamen nun vermehrt konkrete Ausführungsplanungen für Bahn- hofsanlagen hinzu. Dem Umfang der Aufgabe entsprechend gestalteten sich deren Planung und Rea- lisierung komplexer und langwieriger, als etwa die Ausführung von solitären Postgebäuden. Ab 1929 intensivierten sich die Arbeiten am Bahnhofsprojekt für Santa Maria Novella in Florenz, mit dem der unmittelbar hinter der gleichnamigen Kirche gelegene, alte Bahnhof ersetzt werden sollte. Nachdem Mazzoni mehrere Entwürfe ausgearbeitet hatte, fiel im Dezember 1931 offiziell der Entscheid zuguns- ten einer Variante, die einen Bau mit umlaufenden Arkadenbögen und einem asymmetrisch gesetzten, markanten Uhrturm zeigte. Die Publikation des Entwurfs löste unter Fachleuten, Künstlern, Politikern und den florentinischen Stadtbürgern eine solch heftige und anhaltende Polemik aus, dass im August 1932 ohne vorgängige Rücksprache mit Mazzoni ein öffentlicher Wettbewerb für den Kopfbau ausge- schrieben wurde, obwohl ein Teil der Gesamtanlage bereits in Bau war. Den Wettbewerb gewann im Frühjahr 1933 der Gruppo Toscano, Mazzoni, der mit drei Projekten auch daran teilgenommen hatte, musste sich mit einem der vier zweiten Ränge ex aequo begnügen.352 Im Anschluss an die Bekanntga- be der Resultate entbrannte erneut eine öffentliche Polemik, in der das als Durchbruch der modernen Architektur gefeierte Siegerprojekt und das Zweitplatzierte von Mazzoni gegeneinander ausgespielt wurden. Nach der Intervention des Architektengewerkschaftsführers Alberto Calza Bini zugunsten der Wahrung der Wettbewerbshoheit verfügte Minister Ciano schliesslich den Bau des Projektes des Gruppo Toscano und die unverzügliche Aufnahme der Ausführungsarbeiten.353 Trotz dieser für Maz-

349 1928 kamen erstmals die beiden Architekturzeitschriften Casabella und Domus heraus. Ab 1930 wurde die Zeitschrift Ar- chitettura e Arti Decorative unter dem Namen Architettura und der Leitung Piacentinis weitergeführt. 1926 und 1929 fand in Mailand die erste bzw. zweite Ausstellung des Novecento italiano statt, 1928 wurden in Turin die erste Ausstellung der architettura futurista, 1928 und 1931 die erste bzw. zweite Ausstellung der architettura razionale in Rom gezeigt, 1932 fand dort die Ausstellung der Rivoluzione Fascista statt, an der alle Gruppierungen teilnahmen. Daneben wurden zyklisch die Biennale in Monza (später Triennale in Mailand) und viele andere thematische Ausstellungen durchgeführt. 350 Die kulturpolitischen Auseinandersetzungen in Italien zur Zeit des Faschismus sind gut erforscht und werden hier nicht weiter ausgeführt, stattdessen verweise ich auf eine Auswahl der zahlreich erschienenen Schriften: Silva 1975; Falken- hausen 1979; Carli 1980; Estermann-Juchler 1982; De Seta 1983; Frank 1985; Cresti 1986; Die Axt hat geblüht 1987, S. 185-254; Doordan 1988; Ciucci 1989; Mariani 1989; Zucconi 1989; Etlin 1991, S. 165-597; Kunst und Diktatur 1994, S. 611-754; Thoenes 1996, S. 69-77; Brunetti, Fa. 1998; vgl. auch Anm. 340, 347. 351 („Appunti autobiografici“, FAM, MAZ S/21, S. 3.) 352 Der Gruppo Toscano setzte sich aus den Architekten Giovanni Michelucci, Nello Baroni, Pier Niccolò Berardi, Italo Gamberini, Sarre Guarnieri und Leonardo Lusanna �������������������������������������������������������������������zusammen.���������������������������������������������������������� ��������������������������������������������������������Die anderen zweitplatzierten Projekte stammten von Etto- re Sottsass, Bruno Ferrati und Cesare Pascoletti, insgesamt wurden 102 Teilnehmer registriert. In der Jury waren Cesare Oddone (Präsidium, bis 1931 Direktor der Ferrovie dello Stato), Marcello Piacentini, Cesare Bazzani, Armando Brasini, Romano Romanelli, Ugo Ojetti und Filippo Tommaso Marinetti. Der Juryentscheid wurde offiziell am 14. März 1933 kommuniziert. Vgl. Architettura, Apr. 1933 (1); Architettura, Apr. 1933 (2); Pagano 1933 (1); Pagano 1933 (2). 353 Der Bahnhof wurde nach zweijähriger Bauzeit am 30. Oktober 1935 eingeweiht. Weiterführend zum realisierten Bau und den Projekten Mazzonis vgl. Ministero delle Comunicazioni 1935; Angiolo Mazzoni 1984, S. 169-175; Savi, Berti 1993; Giacomelli 2003; Conforti, Dulio, Marandola 2006, S. 132-145; Briner 2009; FAM, MAZ G/2, S. 16-23; ebenda, D/4, S. 122 Biographische Notizen 2.1 zoni schmerzhaften Niederlage wurde ab 1932 ein Grossteil der weniger prestigeträchtigen Bauten der Bahnhofsanlage, wie die Perrondächer, die Postdienststelle an der westlichen Bahnhofsflanke, die Dienstgebäude entlang der Via Alamanni, die Räumlichkeiten des Dopolavoro, die Unterführung Um- berto an der Viale Filippo Strozzi, das zentrale Stell- und Heizwerk, die Wassertürme und das Gebäu- de der Squadra Rialzo nach seinen Plänen realisiert.354 Ein ganz ähnlicher Projektverlauf war kurz darauf dem Bahnhof Santa Lucia in Venedig beschieden, für den Mazzoni bis 1928 mindestens fünf Entwürfe ausgearbeitet hatte. Er verfolgte zunächst je eine moderne und traditionalistische Variante weiter, die von den höheren Stellen der Administration und den lokalen Behörden und Künstlervereinigungen Venedigs lange diskutiert wurden, bis sich Musso- lini 1934 höchstpersönlich für die Ausführung des modernen Projekts aussprach und Mitte des Jahres die Bauarbeiten aufgenommen wurden. Die anschliessend auf regionaler Ebene ausgetragenen Kont- roversen führten aber im Herbst ungeachtet des gewichtigen Befürworters erneut zur Auslobung eines Wettbewerbs für den Kopfbau. Mazzoni selbst nahm wiederum teil – mit nicht weniger als sechs Pro- jekten (!) – und wieder entschied ein lokaler Architekt, namentlich Virgilio Vallot, den Wettbewerb für sich.355 Dieses Mal suchte man jedoch nach einem Kompromiss, indem für die weitere Planung eine Zusammenarbeit zwischen Vallot und Mazzoni vereinbart wurde. Der Bahnhof konnte bis Kriegsbe- ginn nicht mehr fertiggestellt werden, die Arbeiten wurden unterbrochen und nach 1947 unter verän- derten Bedingungen neu aufgenommen. Dennoch beruhten am Ende viele der Nebenbauten wie das Stellwerk, die Heizzentrale mit den Eisenbahnerwohnungen, der Palazzo Compartimentale am Canal Grande, die Perrondächer und Seitenhallen auf Entwürfen Mazzonis. Was seine Arbeitsbelastung anbelangte, so stellten die frühen 30er Jahre einen eigentlichen Höhe- punkt dar. Nach der erfolgreichen Trockenlegung und Urbarmachung der Sümpfe im Agro Pontino südlich von Rom wurde ab 1932 vor dem Hintergrund des Deurbanisierungsprogramms mit dem Neubau von Städten („città nuove“, auch „città agricole“ genannt) begonnen.356 Mazzoni erhielt den Auftrag, in Littoria (heute Latina) das Postamt und den ausserhalb des neugegründeten Zentrums ge- legene Bahnhof zu bauen (beide 1932 geplant, fertiggestellt und 1934-1935, nach der Ernennung Lit- torias zur Hauptstadt der Provinz, erweitert). In Sabaudia konnte am 15. April 1934 nach nur achtmo- natiger Planungs- und Bauzeit das Postamt eingeweiht werden, und aus dem folgenden Jahr stammten die nie ausgeführten Pläne für die Post in Pontinia. Mittlerweile arbeitete Mazzoni zudem an seinen letzten Postbauprojekten in Ostia Lido (ca. 1932-1934), Pistoia (1932-1936?) und Abetone (1933- 1934), parallel dazu konzipierte er die Bahnhöfe in Siena (1931-1936), Reggio Emilia (1933-1935), Trient (1933-1936) und Montecatini-Monsummano (1933-1937); in den Jahren 1932 und 1933 hatte er zusammengerechnet also bisweilen über zwanzig Projekte gleichzeitig in Arbeit. Um das immense Bauprogramm besser bewältigen zu können, war im Ufficio 5° deshalb seit 1930 nach und nach mehr

61-127. Die Literatur zu den erwähnten Polemiken ist zu zahlreich, um hier aufzuführen, ich verweise stellvertretend nur auf die Artikel von Alfredo Forti und Carlo Severati, der die Ereignisse erstmals zusammenfasste, vgl. Severati 1973 (2); Forti 1978, S. 51-67. 354 Vgl. „Appunti autobiografici“, FAM, MAZ S/21, S. 12; und weiterführend Cozzi, Nuti 2004. 355 Mazzoni wurde für sein Projekt „D“ mit dem 4. Rang ausgezeichnet. Die Jury setzte sich aus Luigi Cozza (Präsidium), Filippo Brancucci, Mario Alverà, Vittorio Fantucci, Pietro Aschieri, Giuseppe Vaccaro und Enrico del Debbio zusammen, insgesamt wurden 48 Teilnehmer registriert. Vgl. Ministero delle Comunicazioni 1934; Paniconi 1935; Architettura Italia- na 1936; Rassegna di Architettura 1936; Severati 1973 (3); Angiolo Mazzoni 1984, S. 179-186; Domenichini 2003; FAM, MAZ G/7; Kapitel 2.3.2.2. 356 Zur Urbarmachung des Agro Pontino vgl. Spiegel 2010, S. 17-60. Am 22. Nov 1928 erschien in der Zeitung Il Popolo d’Italia ein Artikel Mussolinis, in dem er mit der Parole „sfollare le città“ die Deurbanisierung propagierte, die deutsche Übersetzung findet sich in: Bodenschatz 2011, S. 466-467. Vgl. auch Ciucci 1989, S. 25-29. Vgl. auch Kapitel 3.1.2. 2.1 1924 - 1979 123

Personal eingestellt worden, Ende der 30er Jahre zählte Mazzonis Gruppe rund fünfzig Mitarbeiter, darunter vor allem Zeichner, einige Architekten, Ingenieure und Geometer. Die anstehenden Arbeiten reichten von der Besichtigung der Bauplätze, der Erarbeitung von Projektvarianten, dem Entwerfen und Zeichnen der Ausführungs- und Detailpläne, den technischen Berechnungen bis zur Betreuung des Modellbaus, der Suche, Prüfung und Bemusterung der Baumaterialien, der Leitung und Beauf- sichtigung der Baustellen sowie der Erledigung der Korrespondenz, des administrativen Aufwands und der Kommunikation mit den Behörden und den ausführenden Lokalsektionen. Durch die Ereignisse, die 1932 zum Wettbewerb des Florentiner Bahnhofs geführt hatten, war Maz- zoni unvermittelt in die öffentlichen Architekturdebatten verstrickt worden. Im Zentrum stand dabei zum einen die Architektur selbst und die Frage ihres dem Faschismus angemessenen Ausdrucks, nach dem die Architektur gleichzeitig modern und der italienischen Tradition verpflichtet sein sollte. Maz- zonis Beiträge wurden in dieser Hinsicht ebenso kontrovers diskutiert wie alle anderen. Zum andern bescherte ihm seine Stellung als Beamter im Dienst einer öffentlichen Verwaltung die Rolle des um- strittenen Professionisten, der grösstenteils konkurrenzlos Aufträge für angesehene öffentliche Bauten zugesprochen bekam, die sich freischaffende Architekten, besonders die jüngeren, mühsam erkämpfen mussten. Ihre Auflehnung gegen die Macht der Bürokratie und gegen solchermassen privilegierte Po- sitionen war bisweilen erfolgreich, wie die Bahnhofswettbewerbe für Florenz und Venedig erkennen lassen. Bereits einige Jahre zuvor hatte es das Ministero delle Comunicazione als notwendig erachtet, für die Hauptpost von Neapel die Architekten in einem nationalen Wettbewerb (1. Runde 1928, 2. Runde 1929) gegeneinander antreten zu lassen, und es ist diesbezüglich auch kein Zufall, dass 1933 die Auftragsvergabe für vier neue Hauptpostämter in Rom nicht direkt erfolgte, sondern anhand von vier gleichzeitig durchgeführten, nationalen Wettbewerben entschieden wurde.357 Im Mai 1933, inmitten der zweiten Polemik um den Florentiner Bahnhof kurz nach der Verkündung des Juryentscheids, gab Mazzoni in der Zeitschrift Futurismo offiziell seinen Beitritt zur futuris- tischen Bewegung bekannt.358 Zu diesem Schritt hatte ihn laut eigenen Angaben die Begeisterung Marinettis bewogen, der am Tag nach der Einweihung der beiden Bauten in Littoria in der Gazzetta del Popolo einen Artikel publizierte, in dem er die Architektur Mazzonis über alles lobte und sie als wahrhaft „futuristisch“ bezeichnete.359 Während der folgenden zwei Jahre schrieb Mazzoni für die von Mino (Stanislao) Somenzi (1899-1948) herausgegebenen Zeitschrift Futurismo,360 wo auch die meisten seiner fertiggestellten Bauten mit reichhaltigem Bildmaterial dokumentiert wurden, zahlrei- che Beiträge über moderne Architektur. Anfangs 1934 unterzeichnete er gemeinsam mit Marinetti und Somenzi den „Manifesto futurista dell’architettura aerea“361 und übernahm mit Letzterem die Direktion der Zeitschrift. Die futuristische Bewegung erlebte in jenen Jahren trotz den bestehenden, zum Teil grossen Differenzen zwischen den lokalen Gruppierungen, einen wesentlichen Aufschwung.

357 Vgl. weiterführend Kapitel 2.3.2.2. 358 Vgl. Mazzoni 1933 (1); Mazzoni, Marinetti 1933. Die zwischen 1926 und 1944 wiederbelebte Bewegung, die stark von der politischen Propaganda vereinnahmt war, wird seit den 50er Jahren in Abgrenzung zum „heroischen“ Futurismus er- ster Stunde auch als „Zweiter Futurismus“ bezeichnet. Der Begriff wurde entscheidend von Enrico Crispolti geprägt. Vgl. Crispolti 1969; Falkenhausen 1979; Bartsch, Scudiero 2002. 359 Vgl. Marinetti 1932. Die Einweihung fand am 18. Dez. 1932 in Anwesenheit von Marinetti, Mussolini und Mazzoni statt. Im Wettbewerb für den Florentiner Bahnhof hatte sich Marinetti aber gegen das Projekt Mazzonis ausgesprochen. 360 Die Zeitschrift kam erstmals 1932 heraus und erschien ab November 1933 unter den wechselnden Titeln Futurismo, Sant’Elia und Artecrazia, vgl. hierzu Forti 1978, S. 31-32; Godoli 1983, S. 90-92, 107-109, 117-108. 361 Das Manifest wurde am 27. Jan. 1934 in der Gazzetta del Popolo publiziert und anschliessend im Februar in den futuristi- schen Zeitschriften Sant’Elia und La Città Nuova sowie in weiteren Zeitungen. Vgl. Marinetti, Mazzoni, Somenzi 1934. 124 Biographische Notizen 2.1

1933 konnten sich ihre Anhänger an einer nationalen Ausstellung in Rom prominent präsentieren, und auch bei öffentlichen Aufträgen wurden futuristische Künstler, etwa Fortunato Depero, Fillia (Luigi Colombo), Benedetta Marinetti, Enrico Prampolini, Bruna Somenzi oder Tato (Guglielmo Sansoni), vermehrt berücksichtigt.362 Mit seinem Beitritt zum Futurismus stiess Mazzoni längst nicht bei allen auf wohlwollende Reaktio- nen. Über seinen plötzlichen Gesinnungswandel spottete nicht nur Giuseppe Pagano, der zu den enga- giertesten Befürwortern des modernen Bahnhofprojektes des Gruppo Toscano gehört und sich dabei vergeblich um die Unterstützung Mazzonis bemüht hatte,363 sondern auch der Kunstkritiker Ugo Ojetti meldete sich 1934 in der Zeitschrift Pan im Zusammenhang mit dem damals eben vorgestellten Pro- jekt Mazzonis für den neuen Bahnhof in Siena mit einer sarkastischen Notiz zu Wort: „Autore del progetto è l’architetto futurista Angiolo Mazzoni, del Ministero delle Comunicazioni: futurismo ufficiale ma recente, ché l’architetto Mazzoni è futurista da pochi mesi e solo due anni addietro aveva disegnato un progetto anche ufficiale, molto semplice e ‚conservatore‘, per la nuova stazione di Firenze, (...) Il Mazzoni in pochi mesi ha superato con un balzo felino anche i vincitori del concorso fiorentino. Il progetto del Ministero per la stazione di Siena è soltanto una lunga scatola rettangolare su palafitte. Nemmeno nella Germania prima di Hitler s’era veduto una semplicità, come adesso si suol dire, tanto mediterranea. (…) Aspettiamo con fiducia. Può darsi che in questi due anni l’architetto Mazzoni ritorni a classicheggiare.“364 Enthusiastisch reagierten dagegen Marinetti, Somenzi, Fillia und all jene Futuristen, die sich von einer engeren Zusammenarbeit mit Mazzoni und der öffentlichen Administration in seinem Rücken einen vorteilhaften Impuls für die Anliegen des Futurismus erhofften. Trotzdem demissionierte Mazzoni zu Beginn des Jahres 1935 bereits wieder. Inwieweit er von seinen Vorgesetzten dazu gedrängt wurde, oder ob er sich aus eigenem Wunsch zurückzog, geht aus seinen Aufzeichnungen nicht eindeutig her- vor. Es ist aber klar, dass er sich angesichts seiner sonst so undogmatischen Haltung verhältnismässig stark durch Zugehörigkeit verpflichtet und damit in der Öffentlichkeit exponiert hatte. Mitten in der Arbeitsfülle und den bewegenden Ereignissen war 1934 überdies sein langjähriger Vorgesetzter Businari gestorben, mit dem Mazzoni stets ein freundschaftliches und erfolgreiches Ar- beitsverhältnis gepflegt hatte. Die Arbeit ging indes unvermindert weiter, etliche Bauten waren bereits fertiggestellt und fanden national wie international Beachtung, ebenso viele waren noch in Bau und weitere neu in Planung, so etwa die Bahnhöfe Messina Centrale e Marittima (1934-1939), Reggio Calabria (1936-1940), Milano Porta Volta (ca. ab 1937, nicht realisiert), Trieste Centrale (ab 1936, nicht realisiert), Genova Brignole und Genova Piazza Principe (ab 1939/1940, nicht realisiert), Torino Porta Nuova (ca. ab 1940, nicht realisiert), zudem eine Schule für Töchtern von Postangestellten in Garbatella (1935-1936, Erweiterungsstudie 1942) und eine Fabrikanlage in Bari zum Raffinieren von Rohöl aus Albanien (ab 1938 in Betrieb), allerdings keine weiteren Postbauten mehr. Inzwischen hatte sich die aussenpolitische Lage spürbar verändert. Der 1935 begonnene Krieg gegen das Kaiserreich Abessinien, der mit der Ausrufung des neuen faschistischen Imperiums am 9. Mai des folgenden Jahres endete, hatte wirtschaftliche Sanktionen der internationalen Gemeinschaft gegen Italien zur

362 Zur futuristischen Bewegung der 30er Jahre im architektonischen Kontext vgl. Godoli 1983, S. 68-120; Carmel, Crispolti, Loers 1990, S. 200-239. 363 Pagano griff in der von ihm geleiteten Zeitschrift Casabella den „neuen futuristischen Architekten“ mehrmals persönlich an, vgl. Pagano 1933 (3); Pagano 1933 (4); Pagano 1940. Dass Mazzoni, nachdem er sich in die erste Polemik um sein Projekt für den Bahnhof von Florenz nicht hatte einmischen dürfen und ihm durch die Ausschreibung des Wettbewerbs der Auftrag entzogen worden war, in der anschliessenden zweiten Polemik nicht Partei für das gegnerische Projekt ergrei- fen wollte/durfte, erstaunt allerdings wenig. Vgl. Giacomelli 2003. 364 (Ojetti 1934, S. 791.) 2.1 1924 - 1979 125

Folge. Die Isolation führte 1936 zur Lancierung eines umfassenden Autarkieprogramms mit dem Ziel, in kürzester Zeit eine grösstmögliche wirtschaftliche Unabhängigkeit des Landes zu erreichen,365 gleichzeitig förderte sie die Annäherung an das nationalsozialistische Deutschland, die als „Ach- se Berlin-Rom“ 1939 schliesslich im so genannten Stahlpakt der beiden Bündnispartner mündete. Die zunehmende Fokussierung des Regimes auf die Aussenpolitik in den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg (dazu gehörte etwa auch die Intervention Italiens im spanischen Bürgerkrieg auf Seite des Generals Francisco Franco) wirkte sich zusehends auf die Tätigkeit Mazzonis und das Baugeschehen insgesamt aus. Repräsentative und propagandistische Interessen rückten vermehrt in den Vordergrund, ausserdem erhielten strategisch und politisch bedeutsame Projekte höchste Priorität; dazu gehörten die Infrastrukturbauten der Eisenbahn, denn diese bildete das zentrale „Nervensystem“ des Landes, das eine effiziente Verteilung von Rohstoffen, Gütern und Personen ermöglichte. Nach dem Kriegseintritt Italiens im Juni 1940 wurden mit Ausnahme einiger wenigen privilegierten Projekte – darunter auch der Hauptbahnhof in Rom –, alle öffentlichen Bauvorhaben eingestellt.366 Nach unzähligen städtebaulichen und typologischen Vorstudien begann Mazzoni 1936 mit der Ausar- beitung des definitiven Bauprojekts für den Kopfbahnhof Roma Termini. Es war in jeder Hinsicht sein umfangreichster und bedeutendster Auftrag: „Nella moderna architettura l’edilizia ferroviaria è certo una delle manifestazioni più importanti (...) principalmente perché è la prima espressione dell’Arte e l’indice della potenza e della genialità di un popolo che si rivelano allo straniero.“367 Was er 1927 im bereits zitierten Artikel über Eisenbahnarchitektur postuliert hatte, musste der Bahnhof der imperialen Hauptstadt, der 1942 die Besucher der geplanten Weltausstellung E’42 empfangen sollte, in höchstem Mass bewahrheiten. Am 16. Februar 1937 legte Mazzoni einer Kommission bestehend aus Kunst- und Architekturexperten, Ingenieuren, Inspektoren der Verkehrs- und Bildungsministerien sowie Vertre- tern der Regierung Roms vier Projektvarianten vor. Der auserwählte und von Mussolini gutgeheissene Entwurf sah vor, in zwei langen, zweigeschossigen Bauten beidseitig des Gleisfeldes die Ankunfts- bzw. Abfahrtshallen mit all ihren Haupt- und Nebennutzungen unterzubringen; am Gleiskopf zum Platz hin, wo die Reisenden in den Stadtraum eintraten, sollte ein über 200 Meter langer, eingeschos- siger, grossflächig verglaster Baukörper die beiden Seitengebäude verbinden. Dieser hätte 4,50 Meter über dem Boden auf Säulenpaaren geruht und den ungehinderten Durchgang im Erdgeschoss wie auch den freien Blick darüber hinweg zu den Colli Albani ermöglicht. In einem Brief, den Mazzoni im Dezember 1974 an Benedetta, die Witwe Marinettis, schrieb, schwärmte er von der Kühnheit sei- nes damaligen Entwurfs, der die „linea retta“ verkörpert habe, wie sie von Marinetti im Manifest „La nuova religione-morale della velocità“ einst verherrlicht worden sei.368 Obwohl Mussolini am Tag der Projektbewilligung bereits den Pickel in die Hand nahm und mit dem Abbruch des alten Termi- ni begann, musste Mazzoni sein visionäres Projekt, auf dessen perfekte Funktionalität er besonders stolz war, bald archivieren: „per essere giudicato ‚non‘ in armonia con l’ambiente architettonico romano“;369 in den Augen vieler Mitspracheberechtigter war es zu wenig klassisch und zu modernis-

365 Zum Autarkieprogramm vgl. Autarchia 1938; Petrignani 1940; sowie die Jahrbücher (relazioni) der Eisenbahnverwaltung. 366 Zu den Projekten, auf deren Baustellen nach Kriegseintritt noch weitergearbeitet wurde, zählten die Via della Conciliazio- ne und das Ausstellungsgelände E’42 in Rom, die Piazza del Duomo in Mailand, die Piazza della Vittoria in Bozen und die Piazza della Foce in Genua. 367 (Mazzoni 1927, S. 195.) Vgl. auch Kapitel 1.3.2.2, S. 95; 3.2.2.2. 368 Vgl. FAM, MAZ D/1, S. 71. Marinetti publizierte sein Manifest am 11. Mai 1916, vgl. Marinetti 1916. Vgl. auch FAM, MAZ D/1, S. 114; ebenda, S/16, [S. 0.1]. 369 (Cozzi, Godoli, Pettenella 2003, S. 350.) 126 Biographische Notizen 2.1 tisch. Er entwarf daher drei weitere Varianten, um der Forderung nach mehr Klassizität Rechnung zu tragen. Im definitiven Projekt, mit dessen Umsetzung im Lauf des Jahres 1938 schliesslich begonnen wurde, war der Baukörper zwischen dem Gleiskopf und dem Bahnhofsplatz nicht mehr als flacher, gläserner Balken ausgebildet, sondern als monumentale, 27 Meter hohe Halle, deren Dach von 26 Säulenpaaren getragen wurde. Die Schäfte allein wiesen eine Höhe von 17,50 Meter auf und sollten von gewaltigen, bildhauerisch bearbeiteten Kapitellen bekrönt werden.370 Zur gleichen Zeit entwickel- te Mazzoni das Projekt für den im Westen der Stadt gelegenen Bahnhof Tiburtina, dessen moderner Ausdruck offenbar keine vergleichbaren Kontroversen auslöste, so dass seine Ausführung im Schatten Terminis ohne Verzögerung angegangen, bis Kriegsbeginn allerdings nicht mehr fertiggestellt werden konnte. In einem in den 70er Jahren gewährten Interview erinnerte er sich mit Genugtuung daran, wie Mussolini ihm während einer Baustellenbesichtigung die Hand auf die Schulter gelegt und gesagt habe: „Bravo perché con la stazione Tiburtina si vendica del classico che la hanno costretta a fare nel- la stazione di Roma Termini.“371 Die Bauarbeiten am Hauptbahnhof wurden während des Krieges fortgesetzt und erst unterbrochen, als Mussolini 1943 nach der Landung der Alliierten in Sizilien gestürzt wurde. Zu jenem Zeitpunkt waren die beiden langen Seitenflügel, die unter anderem die Dormitorien der Fernarbeiter, die Heizzentrale, die Unterführungen Santa Bibiana und Cappellini, die zwei Wassertürme, das Stellwerk, den Neben- bahnhof für den Lokalverkehr, die Postdienststelle und alle reiserelevanten Einrichtungen umfassten, sowie Teile des Innenausbaus weitgehend fertiggestellt, der Kopfbau und die seitlich angegliederte, ebenfalls monumentale Empfangshalle („sala dell’autorità“), fehlten dagegen noch vollständig. Ab 1943 hatte Mazzoni keinen Einfluss mehr auf den weiteren Projektverlauf.Während der Deutschen Besatzung Roms wurde er vorübergehend in eine andere Abteilung versetzt, um einer Verlegung mit der Generaldirektion der Eisenbahn nach Verona zu entgehen. Als die Alliierten im Juni 1944 in Rom einzogen, übernahm Giovanni Di Raimondo die Leitung der Eisenbahnverwaltung; im Dezember wurde das Ministero delle Comunicazioni offiziell aufgelöst und in einT ransport- und ein Postminis- terium aufgeteilt. Di Raimondo zeigte Mazzoni anfangs Januar 1945 bei der Säuberungskommission an, die ein Verfahren gegen ihn eröffnete, worauf er vom Dienst suspendiert wurde. Für die ausste- henden Bauten von Roma Termini schrieb die Verwaltung 1946 einen nationalen Wettbewerb aus.372 Als der Bahnhof 1950 eingeweiht wurde, präsentierte sich der Kopfbau als langer, hoher, schlanker Baukörper mit schmalen, horizontalen Fensterbändern, der sich leicht abgesetzt, wie eine riesige Wand, vor den bestehenden Seitenflügeln positionierte und auf fünf Geschossen Platz für Büroräume bot. Der ausgedehnten Gebäudescheibe waren ein niedriger Restaurantbau und ein Atrium mit einem ausladenden, geschwungenen Vordach vorgelagert. So, wie der Bahnhof einst mit einer mächtigen Kolonnade dem faschistischen Geist des imperialen Roms hätte Ausdruck verleihen sollen, so wurde er nun in der Nachkriegszeit national wie international als Symbol für die Überwindung des Faschis-

370 Mazzoni fasste seine Projekte zu Roma Termini in einem eigenen Album zusammen, vgl. FAM, MAZ G/5; vgl. auch Piacentini, M. 1939; Mazzoni 1947; Severati 1973 (1); Angiolo Mazzoni 1984, S. 81-94; Altarelli, Cao, Chiarini 1990, S. 115-131; Godoli 2004. 371 Zit. nach Cozzi, Godoli, Pettenella 2003, S. 350. Vgl. auch Forti 1978, S. 47. 372 Die Gruppe Leo Calini und Eugenio Montuori gewannen gemeinsam mit jener von Massimo Castellazzi, Vasco Fadigati, Achille Pintonello und Annibale Vitellozzi den Wettbewerb. In der Jury waren unter anderen Giovanni Di Raimondo und Roberto Narducci vertreten. Vgl. Fasolo 1947; Pantheon, Nov. 1947; Piccinato 1947; Taccetta 1947 (1); Taccetta 1947 (2); Silvestri, G. 1948; Lenzi 1949 (1); Lenzi 1949 (2); Silvestri, G. 1949; Montuori 1951; Roma Termini 1951. 2.1 1924 - 1979 127 mus gefeiert und „zu den modernsten Bauten in Europa und gleichzeitig wohl zu den besten unter ihnen“373 gezählt.

Die Auslieferung an die Säuberungskommission stellte für Mazzoni in beruflicher wie persönlicher Hinsicht ein überaus schwerwiegender Schlag dar; nach seiner rund 22-jährigen Tätigkeit bei den Fer- rovie dello Stato, während der er mit über fünfundvierzig landesweit realisierten Bauten374 nicht nur die öffentliche Architektur, sondern auch den städtischen Raum neu definiert und wesentlich geprägt hatte, sah er sich infolge des Zusammenbruchs des Faschismus unerwartet mit gravierenden Anschul- digungen und Unterstellungen konfrontiert, die seiner bis anhin beispiellosen Karriere ein jähes Ende bereiteten. In der Anklage hiess es, Mazzoni habe willkürlich über seine Mitarbeiter verfügt, die dem despotischen Verhalten ihres Vorgesetzten schutzlos ausgeliefert gewesen seien, ferner habe er gewis- se Unternehmen gezielt bevorzugt und protegiert, private Projekte auf Kosten des Staates ausführen lassen, sich dank seiner privilegierten Stellung persönlich bereichert und sich politisch opportunistisch verhalten; seine megalomanen Projekte – womit vorab der Bahnhof Roma Termini gemeint war – hätten aufgrund teurer Materialien und aufwendiger Verarbeitung unverhältnismässig hohe Ausgaben verursacht, dabei seien auch funktionale und technische Mängel bewusst in Kauf genommen worden. Der Vorwurf, der ihn aber am härtesten traf und seinen Stolz und seine Ehre zutiefst verletzte, lautete „incapacità“: Unfähigkeit.375 Gegen das Verfahren erhob er Einspruch, holte schriftliche Zeugenaus- sagen zu seiner Entlastung ein und erstattete ausserdem Anzeige gegen mehrere Personen, darunter einige seiner ehemaligen Mitarbeiter, die er der Verleumdung bezichtigte. Die Anklageschrift kom- mentierte er minuziös, indem er sie Punkt für Punkt mit Hintergrundinformationen und Beispielen zu entkräften versuchte.376 Die Ermittlungen gegen seine Person führten zu keinem Ergebnis, so dass man sie 1948 einstellte und die Anklage mangels Beweise fallen liess. Da Mazzonis Entlassung des- halb formell für ungültig erklärt werden musste, konnte er 1951, nach 30 Dienstjahren, ordnungsge- mäss in Pension gehen, was für ihn von grosser Bedeutung war, weil er andernfalls keinen Anspruch auf eine Rente gehabt hätte. Die aus heutiger Sicht zweifellos absurde Beschuldigung der Unfähigkeit verdeutlicht, dass Mazzoni in der unmittelbaren Nachkriegszeit vor allem aus politisch und persönlich motivierten Gründen sei- nes Amtes enthoben wurde. Er war zwar in seiner Funktion als leitender Angestellter einer staatlichen Behörde im Gegensatz zu den freischaffenden Kollegen und den untergebenen Mitarbeitern dem öf- fentlichen Säuberungsprozess besonders ausgesetzt,377 die Argumentationsweise des in das Verfahren involvierten Personenkreises lässt aber erkennen, dass die Integrität Mazzonis vorsätzlich und ex- emplarisch geopfert wurde. Während der Grossteil der Architekten, die zur Zeit des Faschismus dem

373 (Henning 1951, S. 52.) 374 Zusätzlich zeichnete er sich für mindestens 25 weitere geplante, aber nicht ausgeführte Projekte verantwortlich. 375 Vgl. „Appunti autobiografici“, FAM, MAZ S/21, S. 36. 376 Zu den Anklagepunkten und Kommentaren Mazzonis vgl. FAM, MAZ D/9, S. 25-56. In einem der zahlreichen Entlas- tungsschreiben, die Mazzoni im Album D/9 sammelte, schrieb etwa Arnaldo Foschini: „A proposito dell’addebito fatto al Mazzoni di rappresentare la tendenza artistica fascista, ho asserito che non vi è stata una vera e propria architettura fascis- ta, poiché la denominazione di architettura mussoliniana è stata affibbiata nel ventennio atutte le tendenze architettoni- che; anche quando queste erano fra loro decisamente contrastanti. A proposito dell’addebito che alcune opere del Mazzoni sono state criticate, ho fatto notare che le critiche, in materia artistica non rappresentano una eccezione, ma la normalità. Sono esenti da critiche soltanto le costruzioni piatte e banali ideate da tecnici privi di qualsiasi personalità. (...) Non si può negare a questo architetto riconoscimento di una notevole e solida preparazione, di una spiccata personalità e di un cosci- enzioso sentimento di responsabilità nell’assistere l’esecuzione delle sue opere.“ (Brief vom 3. 9. 1945, ebenda, S. 59.) 377 Zu den Säuberungsverfahren im öffentlichen Dienst nach dem Zusammenbruch des Faschismus vgl. Woller 1996, S. 57, 86-88, 140-141, 146-162. 128 Biographische Notizen 2.1

Regime gedient hatten, ihre Arbeit kurz nach dem Krieg weitgehend unbeschadet wieder aufnehmen konnte, war Mazzoni beruflich und persönlich kompromittiert. Auch innerhalb der Eisenbahnverwal- tung erfolgten bis auf die Absetzung des Ministers und der Direktionsmitglieder keine grundlegenden personellen Veränderungen. Di Raimondo etwa, der ab 1940 die Funktion eines vom Kriegsminis- terium delegierten Verwaltungsratmitglieds besetzt hatte, wusste seine Chance nach der Absetzung Mussolinis zu nutzen und stieg im Juli 1944 zum Direktor der Eisenbahn der Regierung des Südens auf, dadurch kam er hierarchisch über Mazzoni zu stehen. Nach dem Krieg war Di Raimondo als Mit- initiator des Wettbewerbs und Präsident der Wettbewerbskommission für den Umbau des Bahnhofs Roma Termini verantwortlich, obwohl er wenige Jahre zuvor noch massgebend am Entscheidungs- prozess des ursprünglichen Bauprojekts mitgewirkt hatte, also an jenem Projekt, das laut Bruno Zevi die monumentalistischen Ambitionen des Faschismus hätte befriedigen sollen.378 Narducci wiederum hatte sich gerade noch rechtzeitig vom Regime distanziert, als er sich im Dezember 1943 nicht intern versetzen, sondern pensionieren liess, um einem Umzug mit der Regierung des Nordens nach Verona zu entgehen. Er konnte im Oktober 1944, als die Eisenbahnverwaltung des Südens unter alliierter Aufsicht nach Rom zurückkehrte, deshalb wieder neu an seinem alten Posten, dem inzwischen in „Gruppo Architettura“ umbenannten Ufficio 5°, eingegliedert werden und später sogar dessen Lei- tung antreten.379 Mazzoni zweifelte nie daran, dass einige der langjährigen Eisenbahnfunktionäre sein Verbleiben in ihren Reihen als hinderlich oder störend erachtet hatten und seine Entfernung aus dem Dienst daher begrüssten, wenn nicht, wie Di Raimondo, gar veranlassten – sei es aus eigennützigem Interesse, sei es zur Absicherung oder Ausweitung der eigenen Position, oder sei es aus Angst, wegen der eigenen faschistischen Vergangenheit selbst unter Verdacht zu geraten. Noch vor dem Abschluss der laufenden Untersuchungen fasste Mazzoni den Entschluss, einem Ruf an die nationale Universität von Bogotá zu folgen und mit seiner Familie nach Kolumbien zu emigrieren. Von Gustavo Santos, einem Bruder des ehemaligen kolumbianischen Präsidenten Eduardo Santos Montejo, war ihm dort ein Lehrstuhl für Architektur und Städtebau angeboten worden. Mazzoni hatte sich bisher nur innerhalb der Grenzen Italiens bewegt und war, abgesehen etwa von Familienferien in Trentino, beinahe ausschliesslich um seiner Projekte wegen gereist. Am 15. März 1948 traf er mit sei- nem Sohn Marcello in Bogotá ein; nur drei Wochen später, am 9. April, wurde ein Anschlag auf den liberalen Politiker Jorge Eliécer Gaitán, den Hoffnungsträger der bevorstehenden Präsidentschafts- wahlen, verübt. Seine Ermordung löste in der Hauptstadt eine Welle der Gewalt und Zerstörung aus

378 „Per appagare le velleità monumentalistiche del fascismo.“ (FFM, B. IV, 33, Brief von Bruno Zevi an Mazzoni, 3.2.1974.) Vgl. auch Mazzonis Kommentar zu diesem Vorwurf in FAM, MAZ D/3, S. 17-18. Mazzoni vermutete ausserdem, dass Di Raimondo von Eugenio Montuori (1907-1982), der ab 1943 gemeinsam mit dem Ingenieur Leo Calini ein Büro führte, beeinflusst worden sein könnte. Tatsächlich war Di Raimondo mit Calinis Vater, der im Rang eines Generals für die Mo- bilmachung bei den Ferrovie dello Stato zuständig gewesen war, befreundet. Der Sohn Leo, der zuerst als Angestellter der Montecatini mit Giuseppe Togni, einem weiteren Nutzniesser der Säuberungsprozesse, gearbeitet hatte, lernte Montuori während des Baus von Carbonia (Sardinien) kennen, und die Tochter Costanza Calini heiratete Montuori 1937. Mazzoni ging davon aus, dass für Montuori, der 1932 bereits ein Projekt für den neuen Bahnhof in Rom als Diplomarbeit an der römischen Architekturschule vorgelegt hatte, nach dem Krieg mit der Verwirklichung des Bahnhofs Roma Termini ein lange gehegter Wunsch in Erfüllung ging. Vgl. FAM, MAZ D/9, S. 33, 98-99; ebenda S/21, S. 13; zur Biographie Montu- oris vgl. Capanna 2009. 379 Vgl. Giacomelli 2004, S. 112-113. Vgl. auch Kapitel 2.2.2.2, S. 149; 2.3.1.1, S. 164. Mazzoni wollte sich offenbar in sei- nen Erinnerungen bewusst nicht dazu hinreissen lassen, schlecht über seinen ehemaligen Kollegen Narducci zu sprechen, wenngleich er sich einige meist versteckte, kritische Bemerkungen nicht verkneifen konnte und angesichts Narduccis nahtlosem Anschluss im Ufficio 5° nach dem Krieg, dessen fragwürdigen Wiederaufbaumassnahmen für die Bahnhöfe von Siena und Reggio Emilia und der Tatsache, dass er als Jurymitglied direkt in den Wettbewerb für Roma Termini involviert war, genügend Anlass dazu gehabt hätte. Zu Siena etwa schrieb Mazzoni: „I ricostruttori tolsero a questa mia opera tutto il suo spirito futurista – la sua essenza funzionale e la sua poesia.“ (FAM, MAZ G/8, S. 49.) 2.1 1924 - 1979 129 und markierte den Beginn der „violencia“, des bis 1958 anhaltenden, gewaltsamen Konflikts zwischen den liberalen und konservativen Kräften des Landes. Als am 18. April 1948 auch Mazzonis Frau Ma- ria zusammen mit der Tochter Elisa in Bogotá ankam, war die Familie wieder vereinigt und versuchte sich trotz der unsicheren Lage im neuen Umfeld zurechtzufinden. Im Januar 1949 heiratete Elisa, zwei Monate später starb der erst knapp 22-jährige Marcello, nachdem er von einem Auto angefahren worden war. Der Tod des Sohnes, dem Mazzoni sehr zugetan war und für den er eine hoffnungsvolle künstlerische Zukunft als Schauspieler oder Architekt vorausgesehen hatte, bedeutete für ihn und Ma- ria einen äusserst schmerzvollen Verlust. Kurz nach der Ankunft begann Mazzoni, an der Universität zu unterrichten, er zog sich indes nach knapp zwei Jahren aus nicht bekannten Gründen wieder zurück. Ebenso nahm er die architektoni- sche Tätigkeit erneut auf. Als Experte für Eisenbahnarchitektur sowie Berater des Ministeriums für öffentliche Bauten („Ministerio de Obras Publicas“) und des Baubüros der nationalen Telekommuni- kationsgesellschaft agierte er zeitweise, wie zuvor in Italien, zu Diensten staatlicher und öffentlicher Institutionen, nun allerdings als selbständiger Architekt. Die Kirche wurde neben dem Staat zu seiner zweiten wichtigen Auftraggeberin, ausserdem arbeitete er mehrere Projekte für Private aus. Die Auf- träge, die ihm überantwortet wurden, umfassten grossräumige städtebauliche Gestaltungspläne städti- scher Zentren, Bahnhofsanlagen, Plätze, zahlreiche Monumente und Gedenkstätten wie auch private und öffentliche Bauten, etwa Postämter, Verwaltungsgebäude, Polizeistationen, Bürohäuser, Fabrik- gebäude, Wohnbauten, Einfamilienhäuser, viele Kirchen und deren Innenausstattung. Die überaus zahlreichen Projekte hätten in weiten Teilen des Landes verwirklicht werden sollen, die meisten ka- men jedoch nie zur Ausführung: „In Colombia poco realizzai del moltissimo che disegnai.“380 Anders als in Italien, wo seine Projekte trotz der teilweise langwierig erscheinenden Diskussionen in kurzer Zeit und zielstrebig realisiert worden waren, hinterliess Mazzoni nach seinem 15-jährigen Aufenthalt in Kolumbien kaum ein gebautes Werk, obwohl er, wie aus der Projektfülle zu schliessen ist, sicher nicht weniger intensiv gearbeitet hatte als zuvor und auch mit vielen Persönlichkeiten, die politische Schlüsselpositionen besetzten, bekannt war. Er schrieb dieses Scheitern zum einen seiner freiberuf- lichen Unerfahrenheit zu, etwa im Umgang mit Auftraggebern, konkurrierenden Berufskollegen und Vertragswerken, zum anderen machte er dafür auch die äusseren Umstände mitverantwortlich, zumal der bürgerkriegsähnliche Zustand, in dem sich das Land seit seiner Ankunft befand, die instabile po- litische Lage während der Regierungszeit von Laureano Gómez (1950-1953) und der anschliessende Militärputsch, durch den Gustavo Rojas Pinilla an die Macht kam (1953-1957), zu häufigenW echseln der für die Projekte zuständigen Behörden und Personen führten und ein beständiges Arbeiten behin- derten.381 Trotzdem erlangte Mazzoni Del Grande, wie er sich in Kolumbien den Sitten des Landes entsprechend nannte, mit der Zeit Bekanntheit, knüpfte Freundschaften und war durch seine Wortmel- dungen in Zeitschriften, an Konferenzen und durch Publikationen seiner Projekte in der Öffentlichkeit präsent. In Kolumbien begann Mazzoni mit der Ordnung seiner Materialsammlung, die ihm von seiner architektonischen Tätigkeit und seinem Leben in Italien geblieben war. 1958 nahm er erstmals mit

380 („Appunti autobiografici“autobiografi ci“,,������������ FAM, FAM, MAZMAZ S/21,S������������������������������� S. 26.) Es wird mit über 100����������������������������������������������� Projekten gerechnet, die Mazzoni in Kolumbi- en geplant haben soll, vgl. ebenda, S. 26-34; Angiolo Mazzoni 1984, S. 55-60. 381 Vgl. FAM, MAZ S/16, S. 0.2. „In Colombia molte (tante da poterle dire quasi tutte) mie concezioni non furono portate alla fase esecutiva o a termine per il cambiamento dell’ente che me le aveva ordinate o per avvenimenti politici ma soprat- tutto per la mia inesperienza delle lotte professionali e per non avere fatto precedere il mio lavoro da contratti ben redatti.“ (Ebenda, S/21, S. 35.) 130 Biographische Notizen 2.1

Bruno Zevi (1918-2000) brieflich Kontakt auf, um sich bezüglich des Monumentalentwurfs für den Bahnhof Roma Termini zu rechtfertigen. Das Projekt blieb während der folgenden, rund 16 Jahre anhaltenden Korrespondenz ein Dauerthema, was kein Zufall war, da Zevi mit seinem 1950 publizierten, vernichtenden Verdikt über den römischen Bahnhof nicht nur den Entwurf, sondern auch die Rolle Mazzonis abqualifiziert und damit wesentlich zur geringschätzigen Rezeption seines Werks und seiner Person beigetragen hatte. Zevis Urteil belastete Mazzoni sehr, denn immerhin hatte er sich fast zwanzig Jahre lang dem Eisenbahnnetz Roms und dessen Bahnhöfen gewidmet; nach den bitteren Erfahrungen, die er im Zusammenhang mit den Planungen in Florenz und Venedig gemacht hatte, war er zweifellos zu Konzessionen bereit gewesen, als die Ausführung des Bahnhofs von Rom Ende der 30er Jahre bevorstand, und wollte sich diesen an Grösse und Wirkung kaum mehr zu überbietenden Auftrag nicht ein weiteres Mal nehmen lassen –­ was letztlich trotzdem geschah. Der Monumentalentwurf bildete im Säuberungsverfahren ausserdem die Hauptgrundlage der gegen ihn vorgebrachten Anschuldigungen und blieb zusammen mit dem gescheiterten Vorprojekt für den Florentiner Bahnhof während Jahrzehnten das Einzige, das man mit Mazzoni assoziierte. Auch nach jahrelangem Briefwechsel und wortreichen Erklärungen bekundete Zevi grosse Mühe, für Mazzonis Denkweise Verständnis aufzubringen, und warf ihm immer wieder vor, sich willensschwach verhalten und so dem Faschismus auf verantwortungslose Weise gedient zu haben: „Lei sa i miei sentimenti verso di Lei, ed anche il mio giudizio sulla Sua opera. Giudizio del tutto positivo per quanto attiene alle Sue capacità creative e alla Sua probità professionale; ma pieno di riserve per ciò che riguarda il suo aderire (...) alle richieste di cambiare il progetto per appagare le velleità monumentalistiche del fascismo. (...) Gli artisti devono saper dire ‚No‘, al momento opportuno, senza cercare di ‚salvare il salvabile‘ a qualsiasi costo.“382 Mazzoni entgegnete, er hätte damals, Ende der 30er Jahre, gewiss allem den Rücken kehren können, aber mit 44 Jahren, zwei halbwüchsigen Kindern und ohne Vermögen hätten solch drastische Ent- scheidungen unabsehbare Konsequenzen gehabt – eine Antwort, die sehr opportunistisch klingt, aller- dings auch vordergründig erscheint, zumal eine solche Massnahme einer Resignation vor dem Auftrag gleichgekommen wäre und seiner künstlerischen Haltung mit Sicherheit widersprochen hätte.383 Im März 1963 wurde in Kolumbien im Nationalmuseum von Bogotá eine Ausstellung über das Werk Mazzonis und jenes des ebenfalls emigrierten italienischen Bildhauers Giulio Corsini veranstaltet.384 Nur wenige Wochen später, Ende Mai 1963, kehrten Mazzoni und Maria wieder nach Italien zurück. Die Gründe für ihre Rückkehr waren vermutlich vielfältig, so hatte etwa das Höhenklima Bogotás der Gesundheit Marias zunehmend zugesetzt, die Tochter war inzwischen mit ihrer Familie weggezogen und der Sohn seit längerem gestorben, ausserdem hatten die Arbeitsbedingungen Mazzonis sich als schwierig erwiesen und die Ausführung seiner Projekt war weitgehend ausgeblieben. In seinen letzten sechzehn Lebensjahren wohnten Mazzoni und seine Frau zurückgezogen an der via Savoia in Rom. Er setzte in erster Linie die Ordnung seines Nachlasses fort, die nebst der Sicherung relevanter Dokumente für die Nachwelt zugleich der persönlichen Vergangenheitsbewältigung, der Rechtfertigung seiner künstlerischen Absichten und der Rehabilitierung seines Werks diente. Dass er sich dabei gründlich und auch selbstkritisch mit seiner faschistischen Vergangenheit auseinan- dersetzte, ist durchaus bemerkenswert und angesichts des Wandels, den viele seiner Berufskollegen

382 (FFM, B. IV, 33, Kopie des Briefes von Bruno Zevi an Mazzoni, 3.2.1974.) Vgl. auch Zevi, B. 1950, S. 265. 383 Vgl. FFM, B. IV, 33, Kopie des Briefes von Mazzoni an Bruno Zevi, 10.2.1974. 384 Vgl. Dos artistas italianos 1963. 2.1 1924 - 1979 131 nach dem Krieg und dem politischen Umbruch vollzogen hatten, keineswegs selbstverständlich. Wie Fotografien aus dem Familienalbum zeigen, identifizierte er sich nach wie vor stark mit seinemWerk: so wie er einst in seinem Büro in Rom die Pläne und Perspektiven des ersten, visionären Entwurfs für den Bahnhof Roma Termini aufgehängt hatte, so umgab er sich in Kolumbien an seinem Arbeitstisch mit grossformatigen, gerahmten Fotografien seiner Bauten in Italien: dem Portikus von Ostia Lido, der Post von Littoria, dem Stellwerk von Florenz, dem Brunnen von La Spezia, dem Wasserturm von Calambrone, dem Perrondach von Montecatini, dem Lichtturm und den Bäumen im Atrium von Sie- na; in der Wohnung in Rom dann waren es die mit kräftigen Farben ausgeführten Ansichten seiner nie realisierten kolumbianischen Projekte, welche die Wände des Wohnzimmers zierten.385 1967 erreichte Mazzoni, dass die Eisenbahnadministration in einem in verschiedenen italienischen und ausländischen Zeitungen und Zeitschriften veröffentlichten Communiqué einige Fakten im Zusammenhang mit der Planung des Bahnhofs Roma Termini klarstellte: „Aveva per me valore trascendentale.“386 Die Hoffnung, dass seine Architektur eines Tages neu bewertet und gewürdigt würde, widerspiegelte auch das Bewusstsein Mazzonis für die historische Bedeutung seines Werks und seiner Person, dem er mit der akribischen Sammlung, Systematisierung und Kommentierung al- ler verfügbaren, seine Tätigkeit dokumentierenden Planunterlagen, Fotografien, Zeitungsausschnitte, Briefe, Telegramme und Schriftstücke mehr als deutlich Ausdruck verlieh: „Penso, alcuna volta, a tutto il materiale riguardante le mie opere (...). Sono testimonianze di un periodo artistico italiano olt- re che del mio lavoro. Ho la certezza che andrà perduto dopo la mia morte.“387 Mit zunehmendem Al- ter befürchtete er, seine Bemühungen könnten trotz allem vergebens gewesen sein, und stellte sich die Frage, wem er seine Hinterlassenschaft übergeben sollte; in der Galleria Museo Fortunato Depero in Rovereto fand er schliesslich den geeigneten Ort. Damit gliederte er sein Werk bewusst an jenes des futuristischen Künstlers an und wünschte sich, dass sich aus dieser Konstellation dereinst ein Archiv und Museum des Futurismus entwickeln könnte.388 Am 29. September 1979 starb Mazzoni in Rom im Alter von 85 Jahren.

385 Vgl. Centenario delle ferrovie italiane 1940 (1), S. 186; „Ricordi di famiglia“, FAM, MAZ S/13, S. 44, III, S. 47, 54. 386 (FFM, B. IV, 33, Kopie des Briefes von Mazzoni an Bruno Zevi, 6.3.1974.) Mit dem Communiqué sollten falsche und unvollständige Angaben in Publikationen der Eisenbahnverwaltung berichtigt werden, vgl. Communication 1967. 387 (Brief von Mazzoni an Bruno Zevi, 1.9.1968, zit. nach Pettenella 2003, S. 386.) 388 Vgl. Pettenella 2003, S. 386-388. 132

138 Angiolo Mazzoni 1934, in einer Aufnahme der ungarischen Fotografin Ghitta Carell

139-141 Mazzoni (l.) mit Mino Somenzi (r.) auf dem Weg nach Agrigent (1934); mit Marinetti (o. D.); mit seiner Familie im Garten des Hauses (1940) 133

142 Mazzoni am Arbeitstisch in Rom (ca. 1938), im Hintergrund Zeichnungen und Pläne von Roma Termini

143 Mazzoni am Arbeitstisch in Kolumbien (um 1954), im Hintergrund Fotografien seiner Projekte in Italien

144 Maria und Angiolo in ihrer Wohnung in Rom (um 1975), im Hintergrund Ansichten der kolumbianischen Projekte 134

145 A. Mazzoni, Stadttore und Eingänge zwischen zwei Türmen, Zeichnung für den Unterricht an der Universität von Bogotá, um 1950 2.2 verkehr und Kommunikation in Italien zu Beginn des 20. Jahrhunderts

Im Anschluss an den Ersten Weltkrieg stellten die existentielle Notlage weiter Teile der Bevölkerung, die gravierenden Zerstörungen an Bauten und Infrastruktur und die zerrüttete Volkswirtschaft den ita- lienischen Staat vor grosse Herausforderungen. Seine Handlungsfähigkeit war aufgrund der instabilen politischen Verhältnisse, sozialen Unruhen und fehlenden finanziellen Mittel zusätzlich beschränkt; die unmittelbare Nachkriegszeit war von heftigen innenpolitischen Zerwürfnissen innerhalb der sozialistisch-kommunistischen und bürgerlich-katholischen Parteien geprägt und liess die Gegensätze zwischen der Arbeiterschaft und dem (Gross-)bürgertum, den Agrariern und Industriellen, dem Süden und Norden, der Land- und Stadtbevölkerung aufbrechen. Unter der Führung Mussolinis konnten sich die Faschisten mithilfe gewalttätiger Aktionen ihrer squadristischen Verbände als neue Kraft durch- setzen und mit dem so genannten Marsch auf Rom am 28. Oktober 1922 ihren Anspruch auf die Re- gierungsgewalt besiegeln. Während des „ventennio fascista“, ihrer zwanzigjährigen Herrschaft, wurde dem Wiederaufbau und der systematischen Modernisierung der technischen und sozialen Infrastruktur des Landes, das heisst der öffentlichen Einrichtungen für Verkehr, Kommunikation, Energie- und Wasserversorgung, wie auch für Bildung, Gesundheit, Kultur, Sicherheit und Verwaltung, einen hohen Stellenwert beigemessen. Das neue Regime erkannte, dass das Fundament einer ausgebauten, funktio- nierenden Infrastruktur nicht allein zweckdienlich war, sondern auch zu innenpolitischer und sozialer Stabilität beitrug, Konsens schaffte und folglich die eigene Macht und Leistungsfähigkeit festigen und gleichzeitig überzeugend repräsentieren konnte. Eine intakte Infrastruktur, von welcher Bauten wie Bahnhöfe, Post- und Telegrafenämter, Schulen, Ferienkolonien, Kliniken, Vereinshäuser, Stadien, Sportplätze, Theater- und Kinosäle sichtbar Zeugnis ablegten, sollte vorab dem Gemeinwohl dienen, liess sich aber genauso als Instrument für Kontroll- und Propagandazwecke einsetzen und eignete sich bestenfalls sogar zur moralischen Erziehung der Gesellschaft.389 Die Tätigkeit des Ministero delle Comunicazioni zur Zeit des Faschismus war gleichermassen ex- emplarisch wie einzigartig. Die Behörde verfolgte das ehrgeizige Ziel, die Modernisierung der Inf- rastruktur durch ein rasches, effizientes und ingeniöses Vorgehen voranzutreiben, um möglichst bald substantielle Erfolge vorweisen zu können. Sie verwaltete das Transport- und Kommunikationswesen insgesamt, vor allem den Eisenbahnverkehr, die Post-, Telefon- und Telegrafiedienste, bewirtschaftete die Land-, Wasser- und Luftwege, gebot über den Grossteil der Personen-, Güter- und Informations- ströme – trug, wie Costanzo Ciano, der erste Vorsteher des neuen Ministeriums, zu sagen pflegte, von der Briefmarke über den Ozeandampfer bis zur Lokomotive die ganze Last der Verantwortung390 – und beschäftigte überdies eine grosse, heterogene Arbeiterschaft. Eine ebenso beispielhafte wie au- ssergewöhnliche Bedeutung kam innerhalb des Minstero delle Comunicazioni den Aufträgen zu, mit denen Mazzoni betraut wurde. Obwohl seine Bauten letztlich einen kleinen Anteil am gesamten Bau-

389 „Il settore dei trasporti e delle counicazioni fu posto al centro delle strategie che il nuovo regime adottò per il consolida- mento del consenso (...) I servizi pubblici, sopratutto ferrovie e poste, furono così il settore nel quale maggiormente si esercitò l’azione autoritaria e repressiva del regime, preoccupato di dare, in tempi brevi, segnali rassicuranti all’opinione pubblica moderata che ne aveva sostenuto l’ascesa.“ (Petrucci 2007, S. 162.) Technik und Infrastrukturprojekte waren auch aussenpolitisch äusserst bedeutsam, zumal sie als Gradmesser des weltpolitischen Status galten, um den Italien da- mals rang. 390 Vgl. Santomassimo, 1981, S. 187. 136 Verkehr und Kommunikation 2.2 geschehen und Entwicklungsprozess des Ministeriums hatten, nahmen sie von ihrer Bedeutung und Wirkung her eine Schlüsselrolle ein, denn ihr Bauprogramm, ihre Gestaltung, Ausstattung und städte- bauliche Setzung waren nicht nur Abbild der technischen Errungenschaften und deren Auswirkungen auf das wirtschaftliche und soziale Gefüge, sondern spiegelten auch die Hoffnungen und Erwartun- gen, die an die moderne Gesellschaft und an das verantwortliche politische System gestellt wurden.

2.2.1 Die Bedeutung der modernen Verkehrs- und Kommunikationsmittel

2.2.1.1 Von den Pionierleistungen zur Massentauglichkeit Die epochalen Pionierleistungen auf den Gebieten der Eisenbahn- und Fernmeldetechnik, die im We- sentlichen auf die Erfindung der Dampfmaschine bzw. auf die Einrichtung der ersten Telegrafie- und Fernsprechanlagen zurückgingen, schafften im 19. Jahrhundert die Grundlage für einen äusserst fol- genreichen Wandel der Verkehrs- und Kommunikationssysteme. Nur wenige Jahre nach der öffentli- chen Befahrung der ersten Eisenbahnstrecke in England wurde 1839 auch in Italien die erste, rund sie- ben Kilometer kurze Linie zwischen Neapel und Portici eingeweiht, zur Zeit der Staatsgründung rund zwanzig Jahre später war bereits ein Netz von mehr als 2’300 Kilometern Länge in Betrieb, das sich anfänglich insbesondere in den Regionen im Norden, wo die Industrie Fuss gefasst hatte, ausbreitete. Im gleichen Zeitraum beteiligten sich italienische Wissenschaftler an ersten Experimenten mit Telefo- nen, die sich bis Ende Jahrhundert zu einem nützlichen Medium der Sprachübermittlung entfalteten.391 Die Entwicklung der Verkehrs- und Kommunikationsmittel zog einschneidende Veränderungen der etablierten wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und topographischen Strukturen nach sich.392 Dank der Eisenbahn, die sich als äusserst effizient und anpassungsfähig erwies, war es möglich geworden, Menschen, Tiere und Waren in grossen Mengen und als schwere Lasten über Land zu befördern und immer weitere Distanzen in immer kürzerer Zeit zu überwinden; Telegrafie und Telefonie wiederum gestatteten eine schnelle, mühelose Verbreitung von Nachrichten und Informationen. Die erhöhte Mobilität und der erleichterte Austausch schafften eine örtliche Unabhängigkeit, die unweigerlich zu neuartigen Beziehungen und Verbindungen – „Kommunikation“ im eigentlichen Sinn des Wortes – führte. So entstanden etwa neue Handelsbeziehungen, indem sich bisher unerreichte Absatzmärkte erschliessen oder Rohstoffe in weit entfernte Verarbeitungsstätten liefern liessen. Dies begünstigte den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen und erlaubte der Industrie, den Standort ihrer Werke freier zu wählen, um sie dort zu betreiben, wo sich genügend Arbeitskräfte fanden, das heisst primär in den Einzugsgebieten der stetig wachsenden Städte. Der Ausbau des Schienennetzes definierte nicht nur den Gütertransport neu, sondern ebenso den Personenverkehr; er vereinfachte die Migration, bewirkte, dass sich Arbeits- und Wohnort stärker voneinander trennen liessen, eröffnete dem Frem- denverkehr und der Freizeitgestaltung neue Möglichkeiten und erhielt nicht zuletzt auch eine wichtige

391 Zur Entwicklung der Eisenbahn in Italien im 19. Jahrhundert vgl. Tajani 1939, S. 7-113; Centenario delle ferrovie italiane 1940 (2), S. 5-45; Berengo Gardin 1988, S. 34-119; Godoli, Cozzi 2004. Zur Verkehrsgeschichte in Europa allgemein vgl. Kiess 1991, S. 17-27; Schivelbusch 2007; Merki 2008; Sieferle 2008, S. 1-142; speziell zu Italien vgl. Maggi 2005. Zu den Anfängen der modernen Telekommunikation vgl. Giess 1931; De Polis, Ravaglioli 1971, S. 259-271; Tega 1987, S. 309-315; Wobring 2005, 179-186. 392 „Über die revolutionären Auswirkungen der Eisenbahn im gesamtwirtschaftlichen Rahmen kann es keinen Zweifel geben. (...) Auch mit Blick auf die Veränderungen der Städte und der Landschaft kann die Bedeutung der Eisenbahnen im 19. Jahrhundert kaum überschätzt werden.“ (Kiess 1991, S. 25.) 2.2 in Italien zu Beginn des 20. Jahrhunderts 137 militärstrategische Bedeutung, da sich Truppenverschiebungen schneller, weiter und umfangreicher durchführen liessen. Die flexibel nutzbaren Eisenbahntransporte trugen daher massgeblich bei, über- regionale Beziehungen herzustellen, die Effizienz und Produktivität der gesamtenVolkswirtschaft zu steigern und die Industrialisierung in Italien, die um die Jahrhundertwende verglichen mit Gross- britannien, Frankreich oder Deutschland wenig fortgeschritten war, zu beschleunigen. Dass diese Vorgänge mit erheblichen Folgen für die bauliche Entwicklung der Städte und die Gestaltung der Landschaft verbunden waren, sowie das soziokulturelle Gefüge tiefgreifend veränderten, liegt auf der Hand: „Tatsächlich bedeuteten die grossen Bewegungsmöglichkeiten und die Verkürzung der Reise- zeiten nicht nur für alle Volksklassen eine Lebensbereicherung, sie verschafften darüber hinaus dem Zeitbegriff eine neue Dimension und führten zu einem neuen Lebensrhythmus, einer neuen Lebens- ökonomie und, bis zu einem gewissen Grad, auch zu einem Abbau der sozialen Schranken.“393 Anfangs des 20. Jahrhunderts war das Eisenbahn- und Fernmeldewesen mit allen dazugehörigen bau- technischen Bestandteilen wie Gleisen, Tunnel, Brücken, Weichen, Signalen, Lokomotiven, Wagen, Bahnhöfen, Werkstätten bzw. Kabeln und Apparaten soweit ausgereift, dass die Dienste leistungsfähig waren und verbreitet Verwendung fanden. 1905, als Italien die bis anhin privaten Eisenbahngesell- schaften verstaatlichte, waren schon 90% des über 16’000 Kilometer langen Schienennetzes, wie es zu Beginn des Faschismus bestehen sollte, realisiert, in den Städten gehörten elektrische Trams zum alltäglichen Strassenbild und vereinzelt waren prototypische Motorfahrzeuge zu sehen. Trotz der bahnbrechenden Errungenschaften wiesen die Verkehrs- und Kommunikationsmittel aber weiterhin ein ausserordentliches Entwicklungspotential auf, das es in erster Linie durch technische, materielle und organisatorische Innovationen auszuschöpfen galt. Mit qualitativen und betrieblichen Verbesse- rungen sollten die Dienste ihre Kapazitäten steigern und massentauglich werden. Bezeichnenderweise kamen während der zwanzig Jahre Faschismus nur noch knapp tausend neue Kilometer zum beste- henden Schienennetz hinzu, investiert wurde dagegen in den Ausbau der vorhandenen Infrastruktur. In den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg, als Mazzoni seine Laufbahn im Baubüro der Ferrovie dello Stato aufnahm, erfolgten diesbezüglich wichtige Modernisierungsmassnahmen: so wurden in Norditalien die Bahnlinien systematisch elektrifiziert, in den Werken von Fiat und Lancia mit der se- rienmässigen Produktion von Personen- und Lastwagen begonnen und die erste Autostrasse zwischen Mailand und den oberitalienischen Seen für den motorisierten Verkehr eröffnet, überdies ging in den 20er Jahren aus der drahtlosen Funktechnik, die zunächst im Militär und in der Hochseeschifffahrt eingesetzt worden war, die Erfindung des Radios hervor; zusätzlich zu den telegrafischen Zeichen- und Tonübermittlungen gelangen die ersten kabellosen Bildübertragungen über weite Distanzen.394 Zur Zeit des Faschismus nahm das politische Interesse an den Verkehrs- und Kommunikationsmit- teln stark zu. Abgesehen von ihrem direkten Nutzen verkörperten sie den Fortschritt schlechthin und vermochten daher die Modernität, die Konkurrenzfähigkeit und die nationale Grösse Italiens hervor-

393 (Kiess 1991, S. 25.) „Vernichtung von Raum und Zeit (...) lautet der Topos, mit dem das frühe 19. Jahrhundert beschreibt, wie die Eisenbahn in den bis dahin unumschränkt herrschenden natürlichen Raum einbricht.“ (Schivelbusch 2007, S. 16.) 394 1923 wurde erstmals ein Bild drahtlos von Rom in die USA übermittelt, vgl. Ciano 1933, S. 45; Bruch 1969, S. 50-53; Kilger 1993, S. 171-183. 1924 wurde in Oberitalien das erste Teilstück der Autostrada dei Laghi eingeweiht, vgl. Roma- niello 1931; Vezzani 1931; Ministero dei Lavori Pubblici 1933, S. 68-73; Strassenbau 1937, S. 105-106. Im gleichen Jahr strahlte die staatlich konzessionierte Unione Radiofonica Italiana (1927 in Ente Italiano Audizioni Radiofoniche EIAR umgewandelt) ihre erste Rundfunksendung aus. Ab 1927 begann die systematische Elektrifizierung der Eisenbahn, vgl. auch Anm. 439. Nach der Jahrhundertwende etablierte sich ausserdem das Kino erfolgreich als neues Massenmedium und 1911, während des italienisch-türkischen Kriegs in Libyen, waren erstmals Flugzeuge für Luftangriffe zum Einsatz ge- kommen, vgl. Mattioli 2003. 138 Verkehr und Kommunikation 2.2 ragend unter Beweis zu stellen.395 Die gezielte Lancierung von Infrastrukturprojekten spielte deshalb eine wichtige Rolle, so beispielsweise, um während der Weltwirtschaftskrise von 1929 die Arbeitslo- sigkeit zu mindern und die Wirtschaft zu beleben, um die innere Kolonisation in den nach dem Ersten Weltkrieg neu angegliederten Territorien sowie die expansiven Absichten im Mittelmeerraum und in Ostafrika zu forcieren, um die propagierte Deurbanisierung Italiens zu fördern oder um nach der Aus- rufung des faschistischen Imperiums das Autarkieprogramm umzusetzen und das Land angesichts der schwelenden europäischen Konflikte strategisch günstig zu positionieren. Unabhängig davon, ob der Bau von Eisenbahnarbeiterwohnungen in Südtirol oder von Postämtern in den Provinzhauptstädten geplant war, ob mit dem neuen Bahnhof in Florenz ein Fanal der modernen, faschistischen Architek- tur oder mit jenem in Rom ein imposantes Tor in die Hauptstadt des Imperiums geschaffen werden sollte, ob die Grundversorgung in den pontinischen Neubaustädten gewährleistet werden musste oder ob durch den Bau einer Ölraffinerie in Bari die Energieversorgung sicherzustellen war, stets griffen bei der Planung und Umsetzung der Projekte der volkswirtschaftliche Nutzen, gesellschaftliche Über- legungen, politische Absichten und eine wirkungsvolle Selbstinszenierung des Staates eng ineinander.

2.2.1.2 Hoffnungen und Erwartungen 1849 hatte Ruskin in The seven lamps of architecture über den Einfluss der Eisenbahn geschrieben: „The very quietness of nature is gradually withdrawn from us; thousands who once in their necessarily prolonged travel were subjected to an influence, from the silent sky and slumbering fields (...), now bear with them even there the ceaseless fever of their life; and along the iron veins that traverse the frame of our country, beat and flow the fiery pulses of its exertion, hotter and faster every hour. All vitality is concentrated through those throbbing arteries into the central cities; the country is passed over like a green sea by narrow bridges, and we are thrown back in continually closer crowds upon the city gates.“396 Das neue Fortbewegungsmittel war der untrügliche Bote des eben angebrochenen industriellen Zeit- alters, das, wie Ruskin teils mit Bedauern, teils mit einer gewissen Nüchternheit feststellte, durch die erzeugte Rastlosigkeit mit unwiderruflichen Verlusten verbunden war, aber auch eine bislang unbe- kannte Vitalität entfalten liess. Ohne die Dinge beim Namen zu nennen, setzte er die Schienen, auf denen dampfende, hämmernde Lokomotiven kraftvoll und schnell zwischen den Städten verkehrten, „eisernen Adern“ gleich, die mit glühendem Puls das Land durchzogen, als ob es sich um lebendige Organismen handelte. Den Maschinen und der Geschwindigkeit, mit der sie sich bewegten, haftete von Anfang an der Reiz des Machtvollen und Revolutionären an, von dem zugleich etwas Unbere- chenbares, Bedrohliches ausging. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren es allen voran die Futuristen, die diesen Charakter der Maschine, deren Eigengesetzlichkeit und unkontrollierbare Lebendigkeit zum Leitmotiv ihrer Bewegung erhoben. Mit exzentrischen und emphatischen Worten priesen sie die Dynamik der modernen Welt und die Kraft der Technik, wie sie etwa die Elektrizität ausdrückte, „la bellezza della velocità“ und „l’amor del pericolo“.397 Die Vergangenheit und ihre „verkrusteten“ Tra- ditionen galt es zu bekämpfen und dem Aufbruch in die Moderne den Weg zu bahnen. Im Gründungs-

395 Als Adolf Hitler anfangs Mai 1938 mit dem Zug für einen mehrtägigen Staatbesuch nach Italien reiste, begrüssten ihn in Bologna die Pfiffe von 300 Lokomotiven, in Rom wurde er nachts im provisorisch errichteten, mit künstlicher Beleuch- tung inszenierten Bahnhof Ostiense (ausserhalb der Stadtmauern) empfangen, in Furbara nördlich von Rom wohnte er ei- ner aufwändigen Flugschau der nationalen Flugzeugflotte bei, und im Golf von Neapel verfolgte er das Manöver von rund 200 Kriegsschiffen der Marine. Vgl. Il viaggio del Führer 3.-9. Mai 1938 (Film); Hitler, Mussolini und ich 2012 (Film). 396 (Ruskin 1849, S. 182.) 397 Vgl. „Manifesto del futurismo“, 20.2.1909, in: Manifesti del futurismo 1914, S. 6. 2.2 in Italien zu Beginn des 20. Jahrhunderts 139 manifest, das am 20. Februar 1909 in der Pariser Zeitung Le Figaro erschien, beschwor Marinetti die Verheissungen der industrialisierten Gesellschaft und ihrer technischen Errungenschaften: „Canteremo il vibrante fervore notturno degli arsenali e dei cantieri incendiati da violente lune elettriche; le stazi- oni ingorde, divoratrici di serpi che fumano; le officine appese alle nuvole pei contorti fili dei loro fumi; i ponti -si mili a ginnasti giganti che scavalcano i fiumi, balenanti al sole con un luccichio di coltelli; i piroscafi avventurosi che fiutano l’orizzonte, le locomotive dall’ampio petto, che scalpitano sulle rotaie, come enormi cavalli d’acciaio imbrigliati di tubi, e il volo scivolante degli aeroplani, la cui elica garrisce al vento come una bandiera e sembra applaudire come una folla entusiasta.“398 Als die Maler Umberto Boccioni, Carlo Carrà und Luigi Russolo ein Jahr später das „Manifest der futuristischen Maler“ verfassten, begründeten sie die Notwendigkeit, einen fundamentalen Wandel in der Kunst herbeizuführen, mit dem „trionfante progresso delle scienze“:399 dem Fortschritt der Wis- senschaft, der für die Mechanisierung und Automatisierung des Alltags verantwortlich war. Sie griffen die evozierten Bilder Marinettis auf und erhofften sich von den Eisenbahnen, Dampfern, Flugzeugen, U-Booten und dem Treiben der Grossstädte – „i tangibili miracoli della vita contemporanea“ – neue Inspiration.400 Ihre Absichten beschrieb Eva Hesse in ihrem Buch Die Achse Avantgarde-Faschismus wie folgt: „Im Grossstadtleben verfliessen die Grenzen von Raum und Zeit (...).Alles ist Austausch, Vernetzung, Interak- tion zwischen den Dingen, dynamisches Kraftfeld. Die Futuristen erkannten darin die ungeheure Chance einer ‚Poetisierung des Alltags‘: die neuen Formen des menschlichen Verkehrs, die Instrumente und Maschinen sollten ästhetisch und spielerisch erfahrbar gemacht werden und die sich abzeichnende Herrschaft der Technik über den Menschen auf diese Weise abgewendet werden. Der moderne Mensch sollte seine grossstädtische und elektrische Umwelt schöpferisch bewältigen (...). Der Traum bestand darin, die menschlichen Fähigkeiten durch die neuen technischen Hilfsmittel zu multiplizieren, statt sie – wie es tatsächlich geschah – zu reduzieren.“401 Die Futuristen vertraten die Überzeugung, dass die Möglichkeiten der modernen Technik und der industriellen Produktion (eingeschlossen aller Konsequenzen) die neuen, einzig gültigen Prämissen bildeten, um das geistige und künstlerische Leben in Italien zu erneuern. In den modernen Verkehrs- und Kommunikationsmitteln, denen die Geschwindigkeit, die Dynamik, die Wandelbarkeit und das Zukünftige inhärent waren, fanden ihre Visionen einen treffenden Ausdruck.402 1914 übertrug Antonio Sant’Elia mit dem „Manifest der futuristischen Architektur“ diese Auffassung auf die Baukunst: „Sentiamo di non essere più gli uomini delle cattedrali, dei palazzi, degli arengari; ma dei grandi alberghi, delle stazioni ferroviarie, delle strade immense, dei porti colossali, dei mercati coperti, delle gallerie luminose, dei rettifili, degli sventramenti salutari.“403

398 (Ebenda, S. 7.) Das Manifest war anfangs Februar bereits in der Gazzetta dell’Emilia und weiteren italienischen Zeitun- gen veröffentlicht worden. Die deutsche Fassung der hier zitierten Manifeste findet sich in: Baumgarth 1966. 399 („Manifesto dei pittori futuristi“, 11.2.1910, in: Manifesti del futurismo 1914, S. 23.) Nebst Boccioni, Carrà und Russolo unterzeichneten zunächst auch Romolo Romani und Aroldo Bonzagni das Manifest, sie zogen ihre Unterschrift aber kurz darauf wieder zurück, an ihrer Stelle signierten Giacomo Balla und Gino Severini, vgl. Baumgarth 1966, S. 52. 400 (Manifesti del futurismo 1914, S. 24.) Die Eisenbahn beschrieben sie dabei als „ferrea rete di velocità che avvolge la Terra“ und knüpften so an die sprachliche Analogie Ruskins an. 401 (Hesse 1992, S. 54.) 402 „Il futurismo si fonda sul completo rinnovamento della sensibilità umana avvenuto per effetto delle grandi scoperte scien- tifiche. Coloro che usano oggi del telegrafo, del telefono e del grammofono, del treno, della bicicletta, della motocicletta, dell’automobile, del transatlantico, del dirigibile, dell’aeroplano, del cinematografo, del grande quotidiano (sintesi di una giornata del mondo) non pensano che queste diverse forme di comunicazione, di trasporto e d’informazione esercitano sulla loro psiche una decisiva influenza.“ („Distruzione della sintassi. Immaginazione senza fili. Parole in libertà.“,1. 1 5. 1913, in: Manifesti del futurismo 1914, S. 133.) Weiterführend zum Futurismus vgl. Baumgarth 1966; Crispolti 1969; Godoli 1983; Salaris 1985; Hesse 1992; Crispolti 2001; Bartsch, Scudiero 2002; Guerri 2009. 403 („L’architettura futurista. Manifesto“, 11.7.1914, in: Godoli 1983, S. 184.) 140 Verkehr und Kommunikation 2.2

Die modernen Bahnhöfe sollten demnach die Kathedralen der Vergangenheit ersetzen, freilich nicht in formaler Hinsicht, sondern ihrer Bedeutung wegen; davon war auch Boccioni überzeugt, der im sel- ben Jahr wie Sant’Elia ein Manifest der futuristischen Architektur formulierte: „Le navi le automobili le stazione ferroviarie tanto più hanno acquistato di espressione estetica quanto più hanno subordinato la loro costruzione architettonica alla necessità dei bisogni cui erano destinate. Alle grandi tettoie ferroviarie che erano lontanamente legate al grandioso della navata della cattedrale subentrano le pensiline suffi- cienti e necessarie al treno in arrivo e in partenza.“404 Wie es scheint, hatte Boccioni den typologischen Wandel der Bahnhofsbauten, der sich in den folgen- den zwanzig Jahren abzeichnen sollte, vorhergesagt. Zu Beginn der 30er Jahre verkörperte der eben fertig gestellte Mailänder Bahnhof mit seinem monumentalen, reich ornamentierten Empfangsgebäu- de und der fünfschiffigen, eisernen Halle in der Tat einen formalen Anachronismus neben den neuen, horizontal gegliederten, schmucklosen Bahnhöfen von Florenz, Siena oder Littoria, und liess deren Neuerungen umso deutlicher hervortreten. Das Manifest Boccionis blieb indes bis in die frühen 70er Jahre unveröffentlicht, und als es Mazzoni gegen Ende seines Lebens zum ersten Mal las, mutete ihn der futuristische Traum von damals wie eine Bestätigung seines eigenen Werks an, mit dem er die Worte Boccionis gewissermassen vorweggenommen hatte.405 Nach der Lektüre glaubte Mazzoni rück- blickend auch besser zu verstehen, was Marinetti gemeint haben könnte, als er seine Bahnhöfe mit den ausladenden, alles einfassenden Perrondächern eine „fusione delle moderne navi con gli aeroplani dalle lunghe ali“ genannt hatte. Dass die Bahnhöfe Mazzonis seinerzeit tatsächlich als „Kathedralen der Moderne“ interpretiert wurden, dokumentiert ein Artikel aus dem Jahr 1937: Im Zusammenhang mit dem frisch eingeweihten Bahnhof von Trient wurde Mazzoni in der Zeitschrift Rassegna di Ar- chitettura dafür gelobt, dass er architektonisch gut definierte Bauten schaffe, die in ihrer klaren und unwandelbaren Physiognomie deutlich erkennbar blieben, so wie es im klassischen Zeitalter einmal die Stadien, Theater, Tempel und Basiliken gewesen seien.406 Dieser Vergleich führt nicht nur die Tragweite der Bauaufgabe, sondern auch die Bedeutung der von Mazzoni realisierten Bahnhöfe vor Augen, denn offenbar war es ihm gelungen, eine neue Typologie zu artikulieren, welche die Bedürf- nisse, Erwartungen und Forderungen seiner Zeit vollumfänglich erfüllte. 1913 äusserte sich auch Giovannoni in seinem Aufsatz „Vecchie città ed edilizia nuova“ über das gro- sse Potential, das in den Verkehrsmitteln angelegt war. Im Gegensatz zur überschäumenden Rhetorik der Futuristen fielen seine Anmerkungen indes pragmatisch aus und betrafen ausschliesslich praxisbe- zogene städtebauliche Fragen. Wie schon erwähnt, bildete die Strasse in der Theorie Giovannonis das massgebende Element des Städtebaus, das einerseits direkt mit der Bebauungsstruktur in Beziehung stand, von dem andererseits die Entwicklung des Nah- und Fernverkehrs abhing. Für ihn stand fest, dass das „bewegliche Moment“, wie er die modernen Verkehrsmittel nannte (und zu denen er anschei- nend auch die Aufzüge zählte), zu wesentlichen morphologischen und strukturellen Veränderungen der Städte führen würde, deren Ausdehnung die Mobilität erheblich förderte: „Un nuovo elemento comincia ormai ad avere importanza essenziale nelle città, ed a portare una rivoluzione nei sistemi edilizi: l’elemento cinematico. I rapidi mezzi di comunicazione moderni, ferrovie, trams, automobili,

404 (Umberto Boccioni, „Architettura futurista. Manifesto“, undatiert, in: Godoli 1983, S. 185.) 405 (Mazzoni 1975, S. 787.) Boccioni hatte das Manifest wahrscheinlich in den ersten Monaten des Jahres 1914 verfasst, 1972 wurde es erstmals veröffentlicht, vgl. Birolli 1972; Godoli 1983, S. 185-187. 1974 besprach es Bruno Zevi im Vor- wort seiner Zeitschrift L’architettura. Cronache e storia unter dem Titel „La profezia di Umberto Boccioni“, auf das sich Mazzoni bezog. Vgl. Zevi, B. 1974, S. 704-705; Mazzoni 1975, S. 786-787. 406 Vgl. Rassegna di Architettura, Mai 1937, S. 177. Vgl. hierzu auch Anm. 456. 2.2 in Italien zu Beginn des 20. Jahrhunderts 141

permettono ormai alla vita cittadina di estendersi ben lontano dalle vecchie cerchie, alla nuova fabbricazione di decentrarsi su spazi vastissimi e svilupparsi in superficie anziché in altezza.“407 Giovannoni erhoffte sich von den Möglichkeiten der neuen Verkehrsmittel eine Dezentralisierung der Siedlungsgebiete und eine Entlastung der historischen Zentren – anders, als noch von Ruskin befürch- tet, sollten die eisernen Adern der Eisenbahn somit die Vitalität nicht mehr geballt den Städten zufüh- ren, sondern weiträumig verteilen. Angesichts des rasanten technischen Fortschritts und der schnell wachsenden Bevölkerung in den Städten Italiens erschien schon seit der Jahrhundertwende eine weitsichtige, koordinierte Planung der städtischen und regionalen Erschliessung unabdingbar.408 Die Zunahme des Eisenbahnverkehrs und der fortschreitende Streckenausbau hatten mittlerweile viele der im ausgehenden 19. Jahrhundert errichteten Anlagen an die Grenzen ihrer Kapazität gebracht und den Bau von zusätzlichen Zwi- schenstationen sowie Standorten für den Güterumschlag und den Fahrzeugunterhalt nötig gemacht. Überdies waren die Eisenbahnareale, die ursprünglich am Stadtrand gelegen hatten, im Lauf der Jahre vom expandierenden Stadtkörper absorbiert worden und stellten dort, an nunmehr zentralen Lagen, oftmals ein Hindernis für die weitere Stadtentwicklung dar. Von dieser Problematik betroffen waren auch die beiden ersten Bahnhöfe Roms, der zwischen 1867 und 1874 von Salvatore Bianchi realisierte Bahnhof Termini, der sich nach und nach in einen Hauptverkehrsknoten transformiert hatte, und die 1890 eröffnete Station Trastevere, welche die Verbindung zur Nordküste herstellte. Letztere ersetzte man 1911 bereits durch einen neuen, südlicher gelegenen, grösseren Durchgangsbahnhof und richtete auf dem alten Areal einen Güterbahnhof und die Versuchsanstalt der Eisenbahngesellschaft („istituto sperimentale“) ein. In eben diesem Zusammenhang schrieb Giovannoni 1925 einen Brief an Mazzoni, der damals seit einem Jahr in Rom am Zentralsitz der Ferrovie dello Stato arbeitete. Er bat ihn, auf ein laufendes Projekt Einfluss zu nehmen, das vorsah, in Trastevere neue Häuser für Eisenbahnangestellte zu errichten; Mazzoni sollte die Verantwortlichen dazu bewegen, die Häuser auf dem ausrangierten Eisenbahngelände zu planen und den Baugrund gratis von der Administration zu übernehmen, an- statt anderes Land zu beanspruchen. Giovannoni formulierte deutlich, was sein Ziel war: „mandar via man mano gli impianti ferroviari e far diventare tutta la zona un quartiere di abitazione.“409 Das Eisenbahnareal war inzwischen zu einem Fremdkörper mitten im Stadtgefüge geworden, den Giovan- noni wieder an die Peripherie zurückdrängen wollte. Die systematische Planung eines grossräumigen Verkehrsnetzes für Rom hatte damals eben erst begonnen, und während den folgenden beiden Jahr- zehnten bis zum definitiven Bauprojekt Mazzonis für den Bahnhof Termini standen noch zahlreiche, grundverschiedene Varianten der Verkehrsführung zur Debatte.410

407 (Giovannoni 1913 (1), S. 456.) Vgl. auch Kapitel 1.3.1.1. 408 In Rom war die Einwohnerzahl um 1916 auf rund 600’000 angestiegen und hatte sich folglich seit dem Anschluss an das vereinte Italien verdreifacht, 1932 zählte die Stadt bereits über eine Million Einwohner 409 (Brief vom 19.3.1925 in: Forti 1990, S. 96.) Zur Geschichte der römischen Bahnhöfe vgl. Collenza 1996, S. 17-23. 410 Vgl. weiterführend Kapitel 3.2.2.2. 142

147 146 Virgilio Marchi, „Città fantastica“, ca. 1919/1920 146 147 Tato, „Aeroplani e metropoli“, 1930

148 Pionierzeit der Eisenbahn: Göltzschtal-Viadukt bei Plauen, 1846-1851, 149 Moderne Technik: automatische Signalisation, Automobil und Dampflo- publiziert von Gustav Adolf Platz in Baukunst der neuesten Zeit, 1927 komotive an einem Bahnübergang in Italien um 1930

150 Das Streckennetz der italienischen Eisenbahnen Ende 1860 151 Das Streckennetz der italienischen Eisenbahnen Ende 1939, schwarz hervorgehoben die zwischen 1923 und 1939 eröffneten neuen Linien 143

153 152 Der 1928 eingeweihte zivile Flughafen Aeroporto del Littorio nördlich von Rom 153 Das neuste, von Fiat um 1928 entwickelte Modell eines sechsrädri- 152 gen Autobusses für den Stadtverkehr

154 Die 1923 bzw. 1928 von Italien für die Telekommunikation verlegten Kabel 155 Telegrafieleitung bei der Tomba di Cicerone (Formia) an derdiret - im internationalen Vergleich tissima Rom-Neapel vor der Elektrifizierung der Strecke, um 1928

156 Das staatlich betriebene Telefonnetz Italiens, 1928 157 Die unterseeisch und -irdisch verlegten Kabel des Unternehmens Italcable zur Verbindung Italiens mit Europa und Amerika, 1928 144

158 Antonio Sant’Elia, Skizze für den neuen Bahnhof von Mailand, 1913/1914

159 Ulisse Stacchini, Bahnhofplatz und Empfangsgebäude des 1931 eingeweihten Bahnhofs von Mailand, 1931

160 A. Mazzoni, Bahnhofplatz, Empfangs- und Nebengebäude des ab 1931 errichteten Bahnhofs von Siena, 1936 2.2 in Italien zu Beginn des 20. Jahrhunderts 145

2.2.2 Eisenbahn, Post und Telegrafie zur Zeit des Faschismus

2.2.2.1 Konstitution und Kompetenzen des Ministero delle Comunicazioni Ende April 1924 wurde das Ministero delle Comunicazioni per königliche Verfügung und Gesetz gegründet. Es konstituierte sich zunächst aus drei unabhängigen Institutionen: der grossen Admi- nistration der Ferrovie dello Stato, die zuvor dem Ministerium für öffentliche Arbeiten („Ministero dei Lavori Pubblici“) unterstellt gewesen war, der Administration der Post, Telegrafie, Telefonie und Radiokommunikation, die ursprünglich ein eigenes Ministerium gebildet hatte („Ministero delle Poste e Telegrafi“), und der aus dem Marineministerium ausgegliederten Handelsmarine („Marina Mercantile“); drei Jahre später kam aus dem Ministero dei Lavori Pubblici noch das Generalinspek- torat für die konzessionierten Verkehrsmittel hinzu („Ispettorato Generale delle Ferrovie Secondarie, Tranvie e Automobili“). Während die letzten beiden Behörden nur Aufsichts-, Planungs-, Koordina- tions- und Kontrollfunktionen zu erfüllen hatten, verfügten die Eisenbahn- und Telekommunikations- gesellschaften über einen autonomen Status und waren in administrativer wie finanzieller Hinsicht selbstverwaltend. Unter der Aufsicht eines Verwaltungsrates leiteten jeweils ein Generaldirektor und zwei Vizedirektoren die beiden Institutionen. Bei der Gründung des neuen Ministeriums wurden ihre bislang bestehenden organisatorischen Strukturen weitgehend übernommen. Die folgenreichste Ände- rung ergab sich dadurch, dass dem Direktorium neu der Minister als oberste Instanz vorstand und der Einfluss des Verwaltungsrats wesentlich eingeschränkt wurde, da er keine verbindliche Funktion mehr ausübte, sondern nur noch eine beratende. Damit erfolgte bewusst eine Verlagerung der Machtbefug- nisse zugunsten des Ministers, der fortan schnell und (rechtlich) ohne Rücksprache mit dem gesamten Gremium sowohl administrative wie politische Entscheidungen treffen konnte.411 Die Dienste der Eisenbahn, Telekommunikation und Handelsmarine befanden sich in der unmittel- baren Nachkriegszeit in einem beklagenswerten Zustand: die Einrichtungen und das Material waren zerstört oder veraltet, Mittel für deren Aufbau, Ausbesserung und für Neuanschaffungen fehlten, und die zahlenmässig überdimensionierte Belegschaft belastete zusammen mit teuren Rohstoffpreisen (vor allem für Kohle) die durchwegs defizitären Bilanzen. Mit Streiks und Demonstrationen sorgte sie zusätzlich für Unruhe, was den Verkehrsbetrieb erheblich beeinträchtigte. Während der von der sozialistischen Agitation geprägten Jahre zwischen 1919 und 1920 (dem „biennio rosso“) trat die Gewerkschaft der Eisenbahner besonders stark und geeint in Erscheinung und befeuerte landesweit den Klassenkampf; sie forderte mehr Rechte, geregelte Arbeitszeiten (zum Beispiel die Einführung des 8-Stunden Arbeitstages) sowie bessere Lebensbedingungen für die Arbeiterschaft und hatte es in der Hand, mit ihren Aktivitäten das Alltagsleben empfindlich zu stören. Es war daher kein Zufall, dass die faschistischen Kampfbünde in der Folge ihre gewalttätigen Aktionen konzentriert gegen die Eisenbahnergewerkschaft richteten und mit der Gründung eigener faschistischer Eisenbahnergruppen („ferrovieri fascisti“) versuchten, die Organisation von innen her zu unterwandern. Der Wendepunkt der Konfrontationen war im Juli 1922 erreicht, als der zweitägige, national ausgerufene Generalstreik

411 Zur Organisation und Geschichte des Ministero delle Comunicazioni vgl. Tosti 1931; Ciano 1933; Benni 1938; Ciano 1939, S. 3-6; Centenario delle ferrovie italiane 1940 (2), S. 203-208; Columba 1984; Coletti 1985, S. 85-101; Masiello 2004. Die Organisation blieb nach dem Zweiten Weltkrieg ohne wesentliche Änderung bestehen, vgl. Ferri 1952, S. 3-4. Der hierarchische Aufbau des Ministeriums lässt sich mit jenem des Ministero dei Lavori Pubblici vergleichen, vgl. Mi- nistero dei Lavori Pubblici 1933, S. 16-17. 146 Verkehr und Kommunikation 2.2 scheiterte, die Faschisten Oberhand gewannen und im Oktober schliesslich die Macht übernahmen.412 Ende Dezember desselben Jahres löste die neue Regierung den Verwaltungsrat der Eisenbahngesell- schaft auf und unterstellte sie der Aufsicht des Sonderbeauftragten Edoardo Torre, der die anspruchs- volle Aufgabe erhielt, sofort wirksame Reformen einzuleiten und Ordnung herzustellen. Hierzu sollten Dienststellen gekürzt und dezentralisiert werden, noch wichtiger war allerdings der rigorose Abbau von Personal in allen Dienstbereichen, denn durch die Reduktion des aufgeblähten Staatsappa- rates liessen sich nicht nur beträchtliche Kosten einsparen, sondern auch auf bequeme Weise all jene Personen entfernen, die als aufwieglerisch und faschismusfeindlich galten.413 Binnen zweier Jahre gelang es, die Zahl der Angestellten um 50’000 von 221’171 (Betriebsjahr 1922/1923) auf 171’716 (Betriebsjahr 1924/1925) zu senken und im selben Zeitraum das Defizit von einer Milliarde Lire in einen Überschuss von rund 170 Millionen Lire umzuwandeln.414 Im April 1924 übernahm Costanzo Ciano als Erster die Leitung des neuen Ministeriums. Obwohl er sich rückblickend gerne als derjenige präsentierte, dem die Erneuerung der Eisenbahngesellschaft und die grossen reformerischen Leistungen zu verdanken waren, nahm er hauptsächlich den Kurs auf, den bereits sein Vorgänger Torre eingeschlagen hatte. Im Zentrum seiner Anstrengungen standen die fi- nanzielle Sanierung und die Reorganisation des Betriebes, „che permette di concretare, con piena cog- nizione di causa, il programma tecnico da svolgere soprattutto nell’interesse della Nazione“.415 Dieses technische Programm, das heisst die Modernisierung der Transportmittel, Kraftantriebe, Infrastruktur und Dienstleistungen, konnte gemäss Ciano indes nicht allein aufgrund materieller Verbesserungen verwirklicht werden, sondern setzte vielmehr die moralische Sanierung des Unternehmens voraus, deren Ziel es war, die Ordnung und Disziplin unter den Arbeitern wiederherzustellen und den Betrieb gänzlich in den Dienst des Faschismus zu stellen. Für Letzteres musste die Arbeiterschaft auch bereit sein, Repressionen zu ertragen und Opfer zu bringen, etwa in Form längerer Arbeitszeiten, tieferer Löhne oder erhöhter Arbeitsbelastung.416 Der Minister setzte den Stellenabbau kontinuierlich fort, so dass im Betriebsjahr 1931/1932 die Anzahl Beschäftigter wieder auf den Stand der Vorkriegsjahre (ca. 145’000 Angestellte) zurückging,417 und dies bei einer gleichzeitigen Zunahme des Personen- und Güterverkehrs. Um weitere Kosten zu sparen, sollten überdies der Kohleverbrauch reduziert, Schäden an Material und Gütern verhindert und die Tarife angepasst werden.418 Vergleichbare Verhältnisse hatte Ciano bei Amtsantritt auch in der Handelsmarine und der Verwaltung der Post und Telegrafie angetroffen. Letztere bestand zunächst aus drei getrennten Direktionen, die

412 Zur Rolle des sindacato ferrovieri und der ferrovieri fascisti und den Ereignissen nach dem Ersten Weltkrieg vgl. Petrucci 2008, S. 149-160; Berengo Gardin 1988, S. 160-165. 413 1923 geriet auch Mazzoni laut seiner Darstellung ins Visier der Säuberungskommission der Eisenbahnadministration; der verantwortliche Ingenieur der Sezione Lavori von Mailand habe ihn bis nach Bologna verfolgt, Mazzoni habe sich dann aber mit seiner Versetzung nach Rom der Beobachtung entziehen können. Vgl. FAM, MAZ G/1, S. 8. 414 Vgl. die zeichnerischen Darstellungen zur Redimensionierung des Personals (1922-1927) in Relazione 1926-27, 1927, o. S.; sowie die Tabelle über den Personalbestand (1905-1943) in Relazione 1941-42, 1943, S. 41. Zu den Jahresbilanzen vgl. den zeichnerischen Vergleich der Betriebsjahre 1913/1914, 1921/1922 und 1924/1925 in Relazione 1924-25, 1925, o. S.; Ciano 1933, S. 12-16; Tajani 1939, S. 242-243; sowie ausführlicher die einzelnen Jahresberichte („Relazioni“). Im Be- triebsjahr 1921/1922 waren Personalbestand und Defizit mit 240‘915 Angestellte bzw. 1‘432 Millionen Lire am höchsten. 415 (Ciano 1933, S. 13.) 416 „Perché in nessuna industria, come in quella dei pubblici trasporti, è condizione assoluta e necessaria che ‚l’ordine tecni- co‘ della organizzazione sia accompagnato e sostenuto dall’‚ordine morale‘ della disciplina del personale.“ (Ciano 1933, S. 36.) Über die Repressalien, die die Eisenbahnarbeiter zu ertragen hatten, vgl. Petrucci 2008, S. 156-157, 163-164. 417 Vgl. Relazione 1931-32, 1932, S. XXX. Der Tiefststand war 1936/1937 in der Amtszeit des Ministers Antonio Stefano Benni mit 133’142 Angestellten erreicht, vgl. Relazione 1938-39, 1940, S. XIX; sowie Petrucci 2008, S. 162-163. 418 Weiterführend zur Situation der Eisenbahnadministration vor und nach dem Ersten Weltkrieg vgl. Ferrovie nel primo decennio fascista 1932; Ciano 1939; Columba 1984; Giuntini 1994; Giuntini 2003; Guadagno 2005, S. 27-106. 2.2 in Italien zu Beginn des 20. Jahrhunderts 147 für die Post, die Spareinlagen und die elektronischen Dienste der Telegrafie und Telefonie zuständig waren und im April 1925 zu einer einzigen Direktion vereint wurden. Nebst der Zentralisierung und Vereinfachung der organisatorischen Strukturen erhielten auch hier die Disziplinierung des Personals, die Reduktion der Ausgaben und die technische Entwicklung höchste Priorität,419 angestrebt wurde des Weiteren eine engere Zusammenarbeit mit den Abteilungen der Eisenbahn. Aus diesem Grund erfolgte 1926 beispielsweise die Zusammenlegung der beiden Versuchsanstalten, die sich der Materi- alerforschung und technischen Experimenten widmeten und in den 30er Jahren insbesondere wegen dem staatlich verordneten Autarkieprogramm an Bedeutung gewannen. Für die Tätigkeit Mazzonis war diesbezüglich jedoch entscheidend, dass im August 1925 die Aufträge für den Bau und Unterhalt von Postgebäuden und Personalwohnungen, die bislang vom Ministero dei Lavori Pubblici erledigt worden waren, an die Ferrovie dello Stato übergingen, da die Postverwaltung im Gegensatz zu jener der Eisenbahn keine eigene Bauabteilung führte.420

2.2.2.2 Die Leitung und die Institutionen des Ministeriums Als Costanzo Ciano (1876-1939) sein neues Amt antrat, war er mit den ihm überantworteten Diens- ten mehrheitlich vertraut. Der gebürtige Livorneser hatte die Marineakademie absolviert und an- schliessend in La Spezia die Signalgast- und Telegrafenschule der Marine geleitet, bevor er sich im libyschen Krieg und im Ersten Weltkrieg als Kommandant der maritimen Streitkräfte ehrenvolle Verdienste erworben hatte. Nach dem Krieg war er freiwillig aus dem Militärdienst geschieden, um sich der Politik und privaten Geschäften zu widmen. Er hatte sich früh der faschistischen Gefolgschaft Mussolinis angeschlossen und erhielt bei dessen Regierungsübernahme das Kommissariat der Han- delsmarine zugewiesen. Nach der Demission des Linkspolitikers Giovanni Antonio Colonna di Cesarò vom Ministerposten der Post und Telegrafie wurde Ciano anfangs Februar 1924 zu dessen Nachfolger ernannt, kurz darauf fand die Neuordnung der Ministerien statt. Innerhalb der faschistischen Be- wegung nahm Ciano eine gemässigte, konservative, königstreue Haltung ein, er war nationalistisch gesinnt und autoritär, unterhielt seit jeher enge Beziehungen zu Schifffahrts- und Industriekreisen und galt als Inbegriff des „nuovo tipo di ‚pescecane‘“, der sich kraft seiner politischen Machtposition schamlos ein Vermögen anhäufte.421 Darüber hinaus war er, was für die Auftragslage Mazzonis nicht unwesentlich war, mit Guglielmo Marconi, dem Pionier der drahtlosen Kommunikation, der um 1930 auch die Funkverbindung zwischen Sardinien und dem Festland einrichtete, persönlich befreundet und hielt Aktien bedeutender Unternehmen, etwa solche der Firma ANIC, die in der von Mazzoni geplanten Raffinerie in Bari ab 1938 albanisches Rohöl verarbeitete.422

419 1932 gab Ciano einen Personalabbau von 7’800 Angestellten (21%) innerhalb von sieben Jahren an, was einer Reduktion von 37’150 auf 29’350 Angestellten der Post- und Telegrafieadministration gleichkommt. Im gleichen Zeitraum habe er das Defizit von 338 Millionen Lire durch konstante Mehreinnahmen (insgesamt 1’080 Millionen Lire) wettgemacht.Vgl. Ciano 1933, S. 39, 47, 49. 420 „È stato disposto con il R. decreto-legge 7 agosto 1925, n. 1574, che l’Amministrazione ferroviaria dovrà d’ora inan- zi provvedere, a mezzo dei propri uffici tecnici, alla compilazione dei progetti per la costruzione o l’adattamento o il restauro degli edifici postali e telegrafici. L’Amministrazione stessa provvederà inoltre alla esecuzione dei detti lavori, all’espropriazione dei beni stabili occorrenti, ed eseguirà inoltre, su richiesta dell’Amministrazione delle Poste e Telegrafi, tutti quei lavori di manutenzione e di riparazione degli edifici postali e telegrafici che richiedano particolare preparazione e vigilanza tecnica.“ (Relazione 1925-26, 1926, S. 7.) Vgl. auch Businari 1931 (2), S. 1; Ciano 1933, S. 47. Zur Versuchs- anstalt der Eisenbahn vgl. Ceradini 1931. 421 (Santomassimo 1981, S. 189) 422 Offenbar nützte Ciano seine öffentliche Stellung stark aus, um sich und seine Familie privat zu bereichern: „Gran parte delle attività della famiglia Ciano si accentrava infatti su ditte che avevano nello stesso ministero delle Comunicazioni il 148 Verkehr und Kommunikation 2.2

Ciano führte das Ministerium genau zehn Jahre lang. Trotz seiner konservativen Einstellung zeigte er sich den modernen Verkehrs- und Kommunikationsmitteln gegenüber sehr aufgeschlossen, vor allem erfasste er früh deren kommerzielle und propagandistische Bedeutung und versuchte während seiner Amtszeit, die neuen Medien gezielt den Massen zugänglich zu machen.423 Als er in die Abgeordne- tenkammer wechselte, übergab er die Geschäfte seinem Nachfolger Umberto Puppini (1884-1946). Puppini stammte aus Bologna, hatte sich dort an der Scuola d’applicazione zum Wasserbauingenieur ausbilden lassen, war dann als Professor tätig und amtete von 1923 bis 1926 als Bürgermeister seiner Stadt, anschliessend übernahm er die Leitung der Ingenieurschule von Bologna. Seine Kenntnisse von der Wassertechnik kamen besonders der Trockenlegung versumpfter Gebiete wie jenen im Agro Pontino zugute, persönlich fürchtete man ihn dagegen wegen seiner Unnachgiebigkeit und morali- schen Strenge.424 Am 30. April 1934 wurde er in das Ministero delle Comunicazioni berufen. Obwohl er nicht einmal ein Jahr auf seinem Posten blieb, übte er einen beträchtlichen Einfluss aus, jedenfalls gemäss den Darstellungen Mazzonis, der damals mit der Planung der Post in Pistoia, dem Bahn- hofsprojekt in Venedig und den Erweiterungen der Post und des Bahnhofs in Littoria entscheidende Phasen durchlief und rückblickend wiederholt den mangelhaften Sinn Puppinis für seine modernen Projekte kritisierte.425 Zu Mazzonis Erleichterung löste Antonio Stefano Benni (1880-1945) am 24. Ja- nuar 1935 Puppini ab. Benni kam aus der Mailänder Privatwirtschaft, wo er die Elektrotechnik-Firma Marelli geführt hatte. Als langjähriger Präsident der Arbeitgeberorganisation Confindustria war er eng mit der Industrie verbunden und vertrat in der Politik vorwiegend deren Interessen.426 Während seiner fünfjährigen Tätigkeit im Ministerium setzte er die Modernisierung der Bahn- und Postbetriebe weiter fort, als seinen grössten Verdienst wurde ihm dabei der Fortschritt in der Elektrifizierung des Schie- nennetzes angerechnet, das sich in seiner Amtszeit von 2’483 auf 4’856 Kilometer (28% des gesamten Netzes) verdoppelte.427 Am 31. Oktober 1939 übernahm Giovanni Host Venturi (1892-1980) den Ministerposten. Als ehe- maliges Sturmtruppenmitglied der Arditi war er 1919 zusammen mit Gabriele D’Annunzio massge- bend an der Besetzung seiner Heimatstadt Fiume beteiligt gewesen und hatte sich anschliessend für die Italianisierung der neuangegliederten Territorien im Osten Italiens eingesetzt. In der Absicht, am Vorabend des Zweiten Weltkrieges den Technokraten Benni mit einem ranghohen Parteigänger zu ersetzen, war die Wahl zum neuen Minister auf Host Venturi gefallen. Er hatte zuvor bereits das Se- kretariat der Handelmarine unter sich gehabt und führte das Ministerium durch die schwierigen Jahre des Krieges.428 Als er nur fünf Monate vor dem Zusammenbruch des Faschismus am 5. Februar 1943

principale acquirente o il responsabile degli appalti.“ (Santomassimo 1981, S. 189.) Zu Ciano vgl. Ciano 1939, S. IX-IL; Santomassimo 1981, S. 185-190. Zur Funkverbindung nach Sardinien und zur Firma ANIC vgl. Kapitel 2.3.1.3. 423 Bezeichnend sind etwa Cianos Bemühungen, zum Auftakt des italienischen Rundfunks im März 1924 eine Rede Musso- linis zu übertragen; obwohl der Versuch missglückte und Mussolinis Argwohn dem Medium gegenüber hervorrief, liess sich Ciano nicht von der Förderung des neuen Kommunikationsmittels abbringen, vgl. Santomassimo 1981, S. 187. 424 Puppini war der Onkel von Giuseppe Vaccaro, der dank der familiären Verbindung nicht nur den Auftrag zum Bau der neuen Ingenieurfakultät der Universität Bolognas (1931-1935) erhielt, sondern auch jenen für die Ferienkolonie in Ces- enatico (1936-1938) der Erdölgesellschaft AGIP („Azienda Generale Italiana Petroli“), die Puppini 1936 präsidierte. Zu Puppini vgl. Casciato, Gresleri 2006, S. 111-121. Vgl. auch Anm. 48 und 261. 425 Vgl. FAM, MAZ S/21, S. 7, 9, 10, 22. In der Amtszeit Puppinis wurde beispielsweise der Wettbewerb für den Bahnhof von Venedig ausgelobt. Vgl. auch Angiolo Mazzoni 1984, S. 41; sowie Kapitel 2.3.2.2., Anm. 544. 426 Benni arbeitete beispielsweise eng mit Giovanni Agnelli (FIAT) und Gino Olivetti zusammen. Benni zog sich nach seinem Abgang aus dem Ministerium aus der Politik zurück und nahm das Präsidium der Firma Marelli, in die er als 14- jähriger Lehrling eingetreten war, wieder ein, sowie jenes der ANIC und anderer Firmen. Zu Benni vgl. Melograni 1966. 427 Vgl. Benni 1938, S. 21-22; Relazione 1940-41, 1941, S. 20. 428 Obwohl Host Venturi Nationalist und revolutionärer Faschist erster Stunde war, lehnte er das Bündnis mit Deutschland ab. Zu Host Venturi vgl. Canali, M. 2004. 2.2 in Italien zu Beginn des 20. Jahrhunderts 149 abberufen wurde, trat der venezianische Unternehmer Vittorio Cini (1885-1977), der seit 1936 dem Generalkomitee der E’42 vorstand, bis im Juli 1943 die Leitung des Ministeriums an.429 Nach der Ge- fangennahme Mussolinis, der Besetzung Roms und der Flucht des Königs mit seiner Regierung nach Brindisi wurde das Verwaltungsgebiet des Ministero delle Comunicazioni entlang der Kampflinie zweigeteilt: der Süden wurde unter Aufsicht der Alliierten zuerst von Brindisi und dann Salerno aus kontrolliert und im Juni 1944, nach dem Einzug der Alliierten in Rom, wieder in die Hauptstadt trans- feriert; die Verwaltung des Nordens im Dienst der Repubblica Sociale Italiana erfolgte dagegen zuerst von Rom aus und siedelte im Januar 1944 nordwärts nach Verona um, wo sie im Lauf des Jahres im- mer mehr in Bedrängnis geriet.430 Noch vor Kriegsende wurde das Ministerium am 12. Dezember 1944 aufgelöst und in ein Transport- ministerium und ein Post- und Telekommunikationsministerium aufgeteilt. Der schnelle und erfolg- reiche Wiederaufbau der stark zerstörten Eisenbahninfrastruktur nach dem Zweiten Weltkrieg wurde vorwiegend den Massnahmen des neuen Ministers Guido Corbellini (1888-1976) zugeschrieben, der 1914 seine Karriere als Ingenieur bei den Ferrovie dello Stato begonnen hatte und von 1947 bis 1950 mit Giovanni Di Raimondo, dem Generaldirektor der Eisenbahn, an der Seite das Transportministeri- um führte. Dass langjährige Funktionäre wie Corbellini, Di Raimondo oder Giuseppe Togni trotz ihrer Vergangenheit in der Nachkriegszeit weiterhin zu Amt und Würde kamen, verbitterte Mazzoni sehr; Togni, den er als „fascistissimo“ bezeichnete, sei noch harmlos gewesen im Vergleich zum „supercol- laborazionista Corbellini“, den er vor allem für den funktionalen Umbau des Bahnhofs Roma Termini, aber auch für den respektlosen Wiederaufbau seiner vom Krieg zerstörten Bahnhöfe in Siena, Reggio Emilia und Trient verantwortlich machte.431

Wenn man den Aufbau des Ministero delle Comunicazioni und dessen Tätigkeitsbereiche genauer betrachtet, ist zu erkennen, dass sein Gefüge im kleineren Rahmen auf denselben organisatorischen, institutionellen und ideologischen Pfeilern gründete, wie das faschistische System im grossen: So verfügte der Minister über ausgedehnte politische Rechte und Befugnisse, anhand deren er sich gege- benenfalls über Beschlüsse des Verwaltungsrates und des Direktoriums eigenmächtig hinwegsetzen konnte. Für die Wahrung der Sicherheit und Ordnung innerhalb der streng hierarchisch strukturier- ten Eisenbahngesellschaft war im Mai 1923 als Ersatz für die Bahnpolizei die „milizia ferroviaria“, eine bewaffnete, paramilitärische Einheit bestehend aus Schwarzhemden, geschaffen worden, die dafür sorgte, dass der Betrieb sicher und störungsfrei funktionieren konnte, keine Einrichtungen zu Schaden kamen und die Disziplin unter den Arbeitern sowie deren Treue gegenüber dem Faschismus

429 Zu Cini vgl. Reberschak 1981. 430 Bis zur Besetzung Roms im September 1943 übte Federico Amoroso das Ministeramt aus. Die Minister des Governo Sud waren dann Tommaso Siciliani (bis Mai 1944), Francesco Cerabona (bis Juni 1945) und Ugo La Malfa. Nach der Aufnah- me der Regierungsgeschäfte am 16. November 1943 amtete Giovanni Di Raimondo zuerst als Staatsekretär und ab Juli 1944 als Generaldirektor der Eisenbahn (bis 1956). Vgl. Relazione 1944-45, 1953, S. 21. Die Minister des Governo Nord waren Giuseppe Peverelli (ab September 1943) und Augusto Liverani (ab November 1943), die Verwaltung tagte bis Ende Dezember 1943 in Rom und ab April 1944 in Verona. Bis zum Umzug der Regierung blieb Luigi Velani Generaldirektor der Eisenbahn, danach folgte Bartolomeo Nobili. Vgl. Relazione 1943-44, 1948, S. 25-28. Die Ereignisse von 1943 bis 1945 fasste Di Raimondo in den Jahresberichten zusammen, vgl. ebenda, S. XIII-XVII; Relazione 1944-45, 1953, S. XI- XII; sowie Fratesi 2007, S. 185-189. Vgl. auch Woller 1996, S. 9-21, 45-51, 145-146, 257-264. 431 Vgl. FAM, MAZ D/13, S. 136; ebenda S/21, S. 13. Zu Corbellini vgl. Sircana, Stagni 1988. Der Politiker Giuseppe Togni (1903-1981) war im Steinhandel tätig und im Auftrag des Unternehmens Montecatini für die Steinverkäufe für den Bau von Roma Termini zuständig, 1943 wurde er Mitglied der Partei Democrazia Cristiana und bekleidete ab 1947 mehrmals Ministerämter. Vgl. Kapitel 2.1, Anm. 378. 150 Verkehr und Kommunikation 2.2 eingehalten wurden.432 Wie alle übrigen Berufssyndikate wurde im April 1925 infolge des neuen fa- schistischen Korporationssystems auch die Eisenbahnergewerkschaft aufgehoben, an ihrer Stelle tat sich die der Partei untergeordnete Associazione dei Ferrovieri Fascisti hervor. Die Führung der Arbei- terschaft folgte grundsätzlich dem Konzept der „Bestrafung und Belohnung“, denn im Gegenzug zu den Repressalien, die sie hinnehmen musste, wartete das Ministerium mit umfassenden Sozial- und Fürsorgeeinrichtungen auf. Sie sollten allerdings nicht allein dem Wohl der Arbeiter dienen, sondern genauso eine Kontroll- und Lenkungsfunktion ausüben, propagandistische Zwecke erfüllen und letzt- lich auch die Identifikation mit der eigenen Arbeit und den Ferrovie dello Stato stärken. Im Oktober 1925 konstituierte sich der Dopolavoro ferroviario, dessen Zielsetzung klar formuliert war: „promuo- vere il sano e proficuo impiego, da parte degli agenti ferroviari, delle ore libere dal servizio, con istituzioni atte a svilupparne le capacità fisiche, intellettuali e morali.“433 Den Eisenbahnarbeitern und ihren Familienangehörigen wurden verschiedenste Aktivitäten und Hilfeleistungen angeboten: ihre Mitwirkung war beispielsweise in der Landwirtschaft gefragt, mit der Zucht von Geflügel, Kaninchen, Bienen oder Seidenraupen, mit Gemüseanbau oder der Kultivierung von Obst- und Maulbeerbäumen auf den Freiflächen der Bahnareale; die Allgemein- und berufliche Weiterbildung sollte mittels Biblio- theken, Radiosendungen, Kinovorführungen und Kursen (etwa in Elektrotechnik, Telegrafie, Geomet- rie, Zeichnen, Sprachen, Schneidern oder Kochen) gefördert und gelenkt werden; in sportlicher und kultureller Hinsicht konnten die Mitglieder in Laientheatern, Orchestern und Chören mitwirken, an Exkursionen teilnehmen oder sich einer der zahlreichen Sportgruppen anschliessen; und für das Leben zu Hause erhielten sie ausgiebige hygienische und erzieherische Ratschläge, die der physischen und moralischen Gesundheit aller Familienangehörigen nützen sollten.434 Entsprechend den Aktivitäten gestaltete sich das bauliche Programm des Dopolavoro, das von Versammlungs- und Aufenthaltsräu- men, Turnhallen, Theater- und Musiksälen bis zu Räumlichkeiten für die Kinderbetreuung, Tages- schulen, sanitären Anlagen, Bädern, Kantinen und Herbergen reichte. Neben dem Dopolavoro gab es mehrere Fürsorgeeinrichtungen („Opere di Previdenza“), die sich spe- ziell um pensionierte, kranke, invalide oder verarmte Mitarbeiter und ihre Familien kümmerten. Die 1924 gegründete Institution „La Provvida“ sorgte ferner dafür, dass sämtliche Angestellten preiswerte Lebensmitteln einkaufen konnten, und die beiden Stiftungen Elena di Savoia und Vittorio Emanuele III nahmen sich der Ausbildung und Erholung der Eisenbahnerkinder an, indem sie ihnen Stipendien bezahlten beziehungsweise den Aufenthalt in Ferienkolonien in den Bergen oder am Meer ermög- lichten.435 Nicht zu unterschätzen sind letztlich auch die Anstrengungen der Eisenbahngesellschaft im

432 Zur „milizia ferroviaria“ vgl. Relazione 1931-32, 1932, S. 8; Tecnica Professionale, Mai 1934, S. 131-134; Tecnica Professionale, Apr. 1935, S. 97-102; Centenario delle ferrovie italiane 1940 (2), S. 212-216; Petrucci 2008, S. 163-164, 166-167. Nach dem Erlass einer neuen Personalverordnung im April 1925, mussten alle festangestellten Mitarbeiter der Ferrovie dello Stato ihre Treue gegenüber dem König und ihrer Arbeit vertraglich beeiden, vgl. Mazzonis „Verbale di Giuramento“ vom 20. Mai 1925 in: FAM, MAZ S/23, 1.22; sowie Petrucci 2008, S. 163. 433 (Relazione 1925-26, 1926, S. 8.) Die institutionalisierte, zweckgebundene Freizeitgestaltung der Arbeiter ging auf eine ursprünglich sozialistische Idee zurück, die vor allem in der Sowjetunion Verbreitung fand und dort durch die Volkshäuser repräsentiert wurde. In Italien wurde der nationale Dopolavoro OND am 1. Mai 1925 gegründet. Vgl. weiterführend eben- da, S. 236-239; Fasciolo 1931; Ferrovie nel primo decennio fascista 1932, S. 157-167; Ciano 1939, S. 105-106. 434 Für den Dopolavoro wurden auch Radioempfänger und Filmprojektoren angeschafft, Geräte, deren Verbreitung in den 20er Jahren erst spärlich war. Mit Wettbewerben und Auszeichnungen, beispielsweise für die schönsten und gesündesten Kinder der Eisenbahnarbeiter oder für den am schönsten gepflegten Bahnhof, wollte man besondereAnreize schaffen. Vgl. hierzu Relazione 1926-27, 1927, S. 275-280; Ferrovie nel primo decennio fascista 1932, S. 81-83, 121-123, 168-171; speziell zu den Wettbewerben für den schönsten Bahnhof vgl. Brunetti, Fe. 2004. 435 Eine Übersicht über die Fürsorgeleistungen und Sozialeinrichtungen der Eisenbahn findet sich in Viola 1931; Centenario delle ferrovie italiane 1940 (2), S. 208-210; Petrucci 2008, S. 164-171. Speziell zu „La Provvida“ vgl. Picenna 1931. 2.2 in Italien zu Beginn des 20. Jahrhunderts 151

Wohnungsbau. Seit ihrer Verstaatlichung 1905 führte sie ein umfangreiches Bauprogramm, um ihren Angestellten ordentlichen und günstigen Wohnraum anzubieten. Für Stationsvorsteher, Strecken- wärter, Weichensteller, Rangierer, Wartungsarbeiter und alle, die auf die unmittelbare Nähe zu ihrem Arbeitsplatz angewiesen waren, wurden Wohnungen direkt auf den Bahnhofsarealen und entlang der Schienenwege gebaut, zusätzlich entstanden insbesondere an jenen Orten, die abgeschieden lagen, oder wo das konventionelle Wohnungsangebot unzureichend war, neue Häuser oder kleine Quartiere. Für Lokführer, Maschinisten und das übrige fahrende Zugpersonal hielt man überdies an zahlreichen Orten Schlafstätten, Zimmer mit Ruhebetten, Aufenthalts- und Speiseräume bereit. 1930 verzeichnete die Eisenbahnverwaltung insgesamt 43’500 Wohnungen à 3 bis 4 Zimmern durchschnittlich, was ei- nem Anteil von 27% der Angestellten, die in Eisenbahnerhäusern wohnten, gleichkam.436 Was hier knapp, aber exemplarisch anhand der Eisenbahngesellschaft aufgezeigt worden ist, gilt ana- log auch für die Administration der Post und Telegrafie, die zwar weniger gross, jedoch vergleichbar organisiert war und mit einem eigenen Wohnungsbauprogramm für Angestellte, dem Dopolavoro postelegrafonico und der Milizia postelegrafonica auch gleiche Institutionen unterhielt.437 Die Erläu- terungen sind insofern bemerkenswert, als dass sie Einblick in die umfangreichen Aufgabenbereiche eines typischen Staatsapparates aus der Zeit des Faschismus geben, sie erklären aber auch das breite Spektrum der Aufträge, mit denen Mazzoni im Baubüro der Ferrovie dello Stato beschäftigt war.

2.2.2.3 Bedingungen und Impulse In der ersten Hälfte der 20er Jahre steigerte sich der Eisenbahnverkehr markant. Die Zunahme war zum einen auf ausserordentliche Ereignisse zurückzuführen, etwa auf das Heilige Jahr 1925 oder das Staatsbegräbnis der im Januar 1926 verstorbenen Königinmutter Margherita, andererseits lag es dar- an, dass sich der Bahnbetrieb allmählich wieder normalisiert hatte; die Arbeiterproteste waren gebro- chen, der Haushaltsüberschuss hatte Investitionen in die Verbesserung der Infrastruktur, des Rollma- terials, der technischen Einrichtungen und der Bahnhofsanlagen zugelassen und neue Bahnlinien, wie die Direktverbindung („direttissima“) von Bologna nach Verona oder jene von Rom nach Neapel, die 1924 bzw. 1927 eröffnet wurden, trugen wesentlich zum Ausbau des Angebots und zur Leistungsstei- gerung des Verkehrs bei. Um das Verkehrsaufkommen zu bewältigen und die Effizienz des Betriebs zu erhöhen, wurde die konsequente Trennung der Personen- und Gütertransporte angestrebt. Je nach Wichtigkeit des Bahnhofes führte dies zur Anordnung von separaten Warenumschlagsplätzen, Güter- und Rangierbahnhöfen, Fahrzeugdepots und Magazinen, sowie zur Konzentration spezialisierter Ein- richtungen für den Unterhalt und die Versorgung der Fahrzeuge.438 Mit der systematischen Elektrifizierung der Eisenbahn vollzog sich nach dem ErstenWeltkrieg ein bedeutender Entwicklungsschritt. Nachdem in Italien seit der Jahrhundertwende unterschiedliche Mechanismen getestet und benutzt worden waren, einigte man sich 1927 auf die Verwendung eines einheitlichen Systems, das mit Gleichstrom und Oberleitung betrieben wurde und sowohl in den

436 Vgl. Abitazioni per il personale 1929, S. 8; und weiterführend Kapitel 2.3.1.3. 437 Vgl. weiterführend Benni 1938, S. 55-56. 438 Dazu gehörten die „squadre rialzo“, Werkstätten, wo die Fahrzeuge repariert und gewartet wurden, die „depositi loco- motive“, Depots, wo die Lokomotiven abgestellt und gereinigt wurden, Wasserspeicher zur Versorgung der Dampfloko- motiven, oder die „centrali termiche“, Heizzentralen, wo Kohle gelagert und die Dampfkessel gewaschen und aufgefüllt wurden. Vgl. Centenario delle ferrovie italiane 1940 (2), S. 87-119. Wichtig waren auch sanitäre Einrichtungen, Kranken- stationen, Speise- und Schlafsäle, die den Arbeitern an Ort zur Verfügung standen. Einen ausgezeichneten Eindruck von den Arbeitsstätten der Eisenbahnarbeiter geben die beiden reich bebilderten Publikationen Ferrovie nel primo decennio fascista 1932, S. 73-326; Centenario delle ferrovie italiane 1940 (1). 152 Verkehr und Kommunikation 2.2

Bergen als auch der Ebene einwandfrei funktionierte. Die elektrifizierte Bahn bot die entscheidenden Vorzüge, dass sie den Einsatz leichter Fahrzeuge gestattete und nicht auf den Verbrauch von Kohle angewiesen war, dadurch konnte schneller und energieeffizienter gefahren werden, was vor allem in den gebirgigen Gegenden von Vorteil war, wo die Stromgewinnung überdies durch die Nutzung von Wasserkraftwerken, also die autarke Energieversorgung, begünstigt wurde. Wie Ciano verdeutlichte, bedeutete die erhöhte Unabhängigkeit von Kohle in erster Linie die Wahrung politischer und wirt- schaftlicher Souveränität.439 Trotzdem war der Güter- und Personenverkehr ab 1927 wieder leicht rückläufig. Den Grund dafür ermittelte man nicht nur in der sich verschlechternden Wirtschaftslage, sondern vorab in der „concor- renza automobilistica“, der Konkurrenz des Strassenverkehrs.440 Obwohl die Anzahl Kraftfahrzeuge in Italien im Verhältnis zu anderen Industrieländern damals noch sehr gering war, stellten sie für die Eisenbahn bereits eine ernsthafte Bedrohung dar, die sich in den folgenden Jahren zusehends ver- schärfte. Gefragt waren deshalb wirksame Gegenmassnahmen, um Anreize und Annehmlichkeiten zu schaffen und so die Verluste einzudämmen. Im Personenverkehr setzte man nebst der Förderung des Tourismus vorwiegend auf den Ausbau des Angebots im Komfortbereich, etwa indem die Zugkompo- sitionen mit bequemen Schlaf-, Salon- und Speisewagen ausgestattet wurden. Im Sommer 1931 ka- men zudem erstmals „treni popolari“, Volkszüge, zum Einsatz, die den weniger wohlhabenden Leuten Reisen und Ausflüge zu reduzierten Preisen ermöglichten, „un svago istruttivo, facendo loro conos- cere le bellezze del nostro Paese“.441 Desgleichen wurde im Rahmen des Güterverkehrs versucht, mit Expressfrachten, Spezialwagons, Vergünstigungen und einem einfachen organisatorischen Ablauf auf die besonderen Bedürfnisse der Industrie und Landwirtschaft einzugehen. Die Eisenbahn sollte primär mittels hoher Fahrfrequenzen, hoher Geschwindigkeiten und tiefer Tarife an Attraktivität gewinnen, dementsprechend mussten die Züge pünktlich, zuverlässig und regelmässig fahren. Einen wertvollen Beitrag leisteten hierzu die elektrifizierten Linien und die 1934 eröffnete direttissima von Bologna nach Florenz, welche die Reisezeit zwischen dem Norden und dem Süden massgebend verkürzte,442 aber auch die Verdopplung bislang einspurig geführter Strecken, die Verstärkung von Brücken und Schienen, der Bau von Tunnels, die Verbesserung der Weichen und Signalanlagen und das Experi- mentieren mit neuen Kraftantrieben trugen das ihre bei. Ab 1932 verkehrten auf kürzeren, häufig be- fahrenen Strecken erstmals so genannten „automotrici“, eine Art Autobus auf Schienen. Dieser neue, von den Unternehmen Fiat, Breda und OM entwickelte, mit einem Verbrennungsmotor ausgestattete Fahrzeugtyp orientierte sich an den Vorzügen der Strassenfahrzeuge und zeichnete sich durch kurze Kompositionen, leichte Fahrwerke und hohe Fahrgeschwindigkeiten aus. Ende 1932 reiste Mussolini mit einer Delegation in einer automotrice von Rom nach Littoria, wo er sich in Begleitung von Maz-

439 Vgl. Ciano 1933, S. 29. 1933 lancierte Ciano ein umfangreiches Elektrifizierungsprogramm, demgemäss bis 1945 9’000 Kilometer des Schienennetzes (53%) elektrifiziert sein sollten. Im Betriebsjahr 1938/1939 waren das elektrische und das dampfbetriebene Verkehrsvolumen etwa ausgeglichen (ca. 40% bzw. 42%), wobei die Gesamtlänge der elektrifizierten Linien nur knapp einen Drittel ausmachte, vgl. Relazione 1938-39, 1940, S. XVII, 11. Zur Elektrifizierung der Eisenbahn in Italien vgl. Ciocia 1935, S. 249-271; Centenario delle ferrovie italiane 1940 (2), S. 121-136; Tajani 1939, S. 175-187; Berengo Gardin 1988, S. 188-202; sowie Anm. 427. 440 Vgl. Relazione 1927-28, 1928, S. XXXV-XXXVI; Acquaviva 1933; Ciano 1933, S. 17-23. 441 (Ciano 1933, S. 21.) Vgl. auch Relazione 1931-32, 1932, S. 123-124; sowie den zeitgenössischen Film „Treno popolare“ (1933) von Raffaello Matarazzo. 442 Vgl. De Martino 1934, S. 373-409; Giuntini 1984; Hardmeier, Schneider 1989, S. 20-45. Die direttissima Bologna-Flo- renz wurde zwar zur Zeit des Faschismus eröffnet, ihr Planungsbeginn lag aber, wie bei den anderen beiden direttissime, rund 50 Jahre zurück. 2.2 in Italien zu Beginn des 20. Jahrhunderts 153 zoni den eben fertiggestellten Bahnhof zeigen liess.443 Die erwähnten Massnahmen zur Kostensen- kung und Förderung des Bahnbetriebs fielen angesichts der Weltwirtschaftskrise, die nach 1929 die angespannte Lage der Eisenbahn zusätzlich belastete, umso stärker ins Gewicht. Ab 1930 wurde das öffentliche Bauprogramm des Ministero delle Comunicazioni, insbesondere der Bau neuer Arbeiterwohnungen und Postgebäude, zum staatlich gelenkten Arbeitsbeschaffungspro- gramm deklariert. In der Administration der Post und Telegrafie hatte man allerdings schon in der Vorkriegszeit den dringenden Bedarf an neuen Postbauten konstatiert, zumal viele der bestehenden Einrichtungen in Provisorien oder ungeeigneten Mietobjekten untergebracht waren, häufig über un- zureichende Platzverhältnisse verfügten und weder in technischer noch betrieblicher Hinsicht die Ansprüche an einen modernen Dienstleistungsbetrieb erfüllten.444 Die Missstände sollten nach der Gründung des neuen Ministeriums unverzüglich behoben werden, höchste Priorität erhielten dabei die Provinzhauptstädte und Neubaustädte, wo die Nachfrage am ausgeprägtesten war. 1932 lobte Ciano die erzielte Postbautätigkeit, die effizient zur technischen Perfektionierung derT elekommunikations- dienste beigetragen habe: „In quasi tutti i capiluoghi di provincia sono sorti ampi, degni ed igienici edifici, dove – con grande soddisfazione del pubblico e del personale – i servizi han trovato e trovano conveniente sistemazione.“445 Die Bauten wurden nach den neusten technischen und funktionalen Erkenntnissen ausgestattet, moderne Einrichtungen, wie mechanische Systeme für die Buchhaltung, Rohrpostanlagen, Spezialfahrzeuge, Wagen und Aufzüge für den Transport, sowie sanitäre Anlagen, Umkleide- und Aufenthaltsräume für die Angestellten, erleichterten die internen Dienstprozesse und steigerten die Effizienz des Betriebs. Zusätzlich zur Erweiterung des Kundenangebots, etwa durch die Einführung der Postbank für Spareinlagen, wurden landesweit die Telefon-, Telegrafie- und Ra- dionetze verbessert, entlegene ländliche Gebiete und Dörfer erschlossen und fehlende Verbindungen mit dem nahen und fernen Ausland und mit den Seeleuten eingerichtet. Besondere Beachtung fand hierbei die erzieherische und propagandistische Funktion des Radios, das sich seit der Gründung der italienischen Rundfunkanstalt EIAR im Jahr 1927 schnell verbreitete. Ab 1925 erlebte der Postbau seine eigentliche Blütezeit, deren Höhepunkt und zugleich Ende mit der Einweihung der vier Postpa- lazzi in Rom (1935) und jenem in Neapel (1936) erreicht war.446 Nach der Ausrufung des Imperiums versiegten die finanziellen Mittel des Staates für politisch und strategisch weniger bedeutsame öffent- liche Bauten weitgehend. Die Planung und Ausführung neuer Postämter wurde daher meistens den betroffenen Gemeinden oder interessierten Körperschaften überlassen, was teilweise erklärt, weshalb Mazzoni und Narducci ab 1935 für die Postadministration keine neuen Aufträge mehr ausarbeiteten. Die beschränkten Ressourcen der Gemeinden führten auch dazu, dass viele Projekte nach diesem Zeitpunkt nicht mehr über die Planungsphase hinaus kamen.

443 Die automotrice habe wegen besagter Reise Mussolinis, der in einer ALb 48 von Fiat eine der ersten Fahrten mit diesem Zugtyp nach Littoria unternommen hatte, den Beinamen „Littorina“ erhalten. Zu den automotrici vgl. Relazione 1932- 33, 1933, 107-109; Alberti, R. 1934, S. 300-303; Centenario delle ferrovie italiane 1940 (2), S. 167-173; Berengo Gardin 1988, S. 228-235. Die Bahnhofsbesichtigung am 26. November 1932, kurz vor der Einweihung der Stadt am 18. Dezem- ber, dokumentieren Fotografien, vgl. FAM, MAZ S/14; Tecnica Professionale, Jan. 1933 (Titelseite); Vittori, Muratore 2000, S. 69; Palumbo 2008, S. 33; sowie die Wochenschau des Istituto LUCE vom 2. Dezember 1932. 444 Vgl. Businari 1931 (2), S. 1; Neudecker 2004, S. 49-55. 445 (Ciano 1933, S. 40; Benni 1938, S. 46) 446 Allein Mazzoni und Narducci hatten in dieser Zeitspanne im Auftrag des Ministeriums 18 bzw. 10 Postbauten errichtet. 154

161 Personalbestand, Kohleverbrauch und Finanzen der Eisenbahn in den Betriebsjahren 1913-14, 1921-22 und 1924-25 im Verhältnis zu den gefahrenen Achskilometern bzw. dem gezogenen Gewicht, publiziert im Jahresbericht der Eisenbahnverwaltung 1925

162 Versuchsanstalt der Eisenbahn im alten Bahnhof von Trastevere in Rom 164 Anzahl der eingeschriebenen Eisenbahner bei der Milizia Ferroviaria

163 Elektrotechnisches Labor in der Versuchsanstalt 165 Eisenbahnmiliz auf Patrouille auf dem Areal des Bahnhofs von Florenz 155

166 Verbreitung des Dopolavoro Ferroviario: im Juni 1930 zählte die Insti- tution insgesamt 264 Sitze und 157’427 Angehörige bei einem Personal- bestand von 160’700 Angestellten

167 Ausflug desdopolavoro von Verona auf den Pistoieser Apennin, um die 169 Verschiedene Radfahrereinheiten treffen sich vor einem Rennen im Hof Neubaustrecke direttissima Bologna-Florenz zu besichtigen des Sitzes der Generaldirektion in Rom

168 Gesundheitsdienst am Sitz der Generaldirektion in Rom 170 Dopolavoro von Florenz beim Dreschen von Weizen 156

171

172 175

173

174 176

171 Stazioni fiorite: der ausgiebig mit Blumen und Pflanzen geschmückte Bahnhof von Belgirate 172 Stazioni fiorite: Gartenanlage im Lokomotivendepot von Livorno 175 Werbung für die 1934 eröffnete, elektrifizierte Neubaustreckedirettissima 173 Treno popolare: vor der Abfahrt eines Spezialzuges nach Viareggio Bologna-Florenz 174 Treno popolare: Ausflug mit dem treno della neve in die Abruzzen 176 Fahrzeiten der Personenzüge auf einigen der Hauptstrecken im Vergleich zum Skifahren der Jahre 1922 und 1932 157

179

177 180

181

178 182

177 Steinerne Galerie-Brücke an der Linie Neapel-Potenza, um 1932 eröffnet 178 Gleisarbeiten für die Wartung der Strecken, die Verstärkung der Schie- nen, die Verdoppelung eingleisig geführter Spuren 179 Neues Depot für Dampflokomotiven in Mailand (um 1932) 180 Reinigung der Wagen in der Squadra Rialzo in Mailand 181 Kohlelager und Versorgungsanlage der Dampflokomotiven in Mailand 182 Remise und Reparaturwerkstatt für Elektrolokomotiven in Bologna 183 Wasserspeicher, Sandbehälter und Anlage zur Wasseraufbereitung für die Versorgung der Dampflokomotiven in Foggia 183 158

184 Italiens elektrifizierte Eisenbahnstrecken im April 1937

185 Elektrisches Stellwerk mit Leuchttafel für die Verkehrssteuerung im Bahnhof von Florenz 186 Titelblatt der Eisenbahnerzeitschrift, Jahrgang 1938

193 159

187 Fortschritt der Elektrifizierung von 1901 bis 1941 bzw. 1911 bis 1930

189 Wasserkraftwerk „Sagittario“ bei Sulmona, 1927

188 Anteil der verschiedenen Antriebsysteme am Eisenbahnbetrieb von 1922 bis 1939 190 Elektrifizierungsarbeiten auf der Strecke, um 1932 160

191 Mussolini begleitet von Mazzoni, Ciano und weiteren Delegierten am Bahnhof von Littoria nach der Fahrt in der automotrice ALb 48 von Fiat, 26. 11. 1932 2.3 Mazzoni als leitender Architekt und Ingenieur im Ufficio 5° der Ferrovie dello Stato

Das Spektrum der Projekte, mit denen Mazzoni im Ufficio 5° beauftragt wurde, erstreckte sich von der weiträumigen, urbanen Bahnhofsanlage der Hauptstadt Rom bis zur abgeschiedenen Zollstation Brenner an der neuen Grenze zu Österreich, vom Postpalazzo der Generaldirektion Siziliens in Paler- mo bis hin zum einfachen, kompakten Postamt in Abetone auf dem Apennin. 1943, nach 22-jähriger Tätigkeit bei den Ferrovie dello Stato, zählte sein Hauptwerk achtzehn ausgeführte Postbauten, zwei Bahnhofsumbauten, sieben vollständig und fünf teilweise ausgeführte, neue Bahnhofsanlagen, zum weniger bekannten Teil gehörten die vielen Wohnhäuser und einzelnen Bauten zu Diensten der Bahn- und Postangestellten, einige externe Planungen, sowie zahlreiche nicht realisierte Post- und Bahnhofs- projekte. Angesichts der bemerkenswerten Anzahl Baustellen im Kompetenzbereich Mazzonis, der meist kurzen Entstehungszeit der Anlagen und der Tatsache, dass sie von der städtebaulichen Anord- nung bis in die Feinheiten der konstruktiven Details, der Ausstattungsgegenstände, der Farben, Mate- rialien und Fügungsmuster vom Architekten bedacht und kontrolliert wurden, stellt sich zu Recht die Frage, wie es ihm möglich war, in so kurzer Zeit ein Werk von solcher Dichte, Qualität und Komple- xität, von solchem Umfang und in solch detaillierter Ausarbeitung zu schaffen.447 Die Untersuchung der Auftragslage, der Entwurfs- und Ausführungsprozesse, der Zusammenarbeit im Büro und der Ent- wurfsstrategien soll daher Aufschluss über die berufliche Wirklichkeit und die dem Werk Mazzonis zugrunde liegenden Bedingungen geben.

2.3.1 Die Bauaufgaben des Ufficio 5°

2.3.1.1 Die Organisation der Ferrovie dello Stato und der Abteilung Lavori e Costruzioni Die Eisenbahngesellschaft organisierte sich in zwei verschiedenen Verwaltungsgruppen: zum einen in die zentralen Dienststellen, die ihren Sitz im Hauptgebäude der Ferrovie dello Stato auf dem Grund- stück der ehemaligen Villa Patrizi in Rom hatten, zum anderen in die peripheren Verwaltungsorgane, die regional auf 14 Bezirke, so genannte „Compartimenti“, aufgeteilt waren. Der Gesellschaft stand ein Generaldirektor, zwei Vizedirektoren und ein 12-köpfiger Verwaltungsrat, bestehend aus Beamten der Eisenbahnadministration, Politikern und aussenstehenden Privatpersonen, vor, die vom Minister und seinem Stellvertreter, dem Staatssekretär, präsidiert wurden. Wie das nachfolgende Organigramm zeigt, setzte sich die Zentralstelle im Betriebsjahr 1929/1930 aus sechs Abteilungen („Servizi“) zu- sammen, drei davon dienten administrativen Zwecken, das heisst dem Personalwesen/allgemeinen Angelegenheiten, dem Rechnungswesen und der Versorgung, die anderen drei waren Betriebsabtei- lungen und für die Bereiche Verkehr, Material/Antrieb und Bauarbeiten verantwortlich. Die Abteilun- gen bestanden aus mehreren Büros („Uffici“), die sich nochmals in einzelne Sektionen („Sezioni“)

447 Vgl. Dal Co 2004, S. 82. Im Gegensatz zu Francesco Dal Co lässt Ezio Godoli keinen Zweifel daran, dass Mazzoni sein ausserordentliches Werk in vollem Umfang selbst verantwortete: „Azzardata è l’ipotesi critica proposta dallo stesso Auto- re [Dal Co] con l’interrogativo: ,le opere di Mazzoni sono di Mazzoni?‘ Le ricerche d’archivio accumulatesi negli ultimi anni non solo hanno esaurientemente accertato l’autografia dei progetti di Mazzoni, ma hanno anche dimostrato una cura nel cantiere d’ogni minimo dettaglio che sembra appartenere ad un’altra epoca, per la sua ostinazione di esercitare un con- trollo totale su ogni elemento accessorio dell’edificio, dalla segnaletica agli arredi fissi o mobili.“ (Godoli 2004, S. 315.) Organisation der Ferrovie dello Stato im Juni 1930 Compartimenti Sezioni Riparti (Bezirke) (Sektionen) (Einheiten) MINISTRO DELLE COMUNICAZIONI UFFICI ALLA PERIFERIA (Minister des Kommunikationsministeriums) UFFICI AL CENTRO 1) Torino Pinerolo Saluzzo Ministero Torino Sud Carrù Cuneo Savona Bra (Ministerium) 2) Avigliana Aosta Montiglio Bardonecchia Torino Torino Nord Santhia Novara Domodossola Sottosegretario di Stato 2) Nizza Acqui Alessandria (Staatssekretär, Stellv. des Ministers) Alessandria Casale Mortara

ne Milano Ovest 1) Milano Gallarate Luino Direzione Generale Consiglio d’Amm. FS Pavia Voghera Domodossola (Verwaltungsrat) 2) Como Treviglio Bergamo (Generaldirektion) Milano Milano Est Valtellina Codogno Cremona 2) Cremona Crema Direttore Generale FS S. Zeno

2 Vice Direttori Generali 1) Venezia Casarsa V. Mestre Motta di Liv. (Generaldirektor, 2 Vizedirektoren) Venezia Primolano Padova Montebell. Belluno 2) Trento Bolzano Merano Venezia Bolzano Brennero Brunico 2) Brescia Verona Verona Vicenza Rovereto

Servizio Servizi Centrali Servizi dell‘Esercizio Trieste 1) Trieste Fiume S. Pietro del Carso (Abteilung) (zentrale Abteilungen) (Betriebsabteilungen) Pola Parenzo Erpelle Cosina Trieste 2) Udine Monfalc. Spilimbergo Udine Pontebbe Gorizia Montes.

1) Novi Ronco Genova Chiavari Genova Genova Genova S. Ovada Ventimiglia Personale e Affari Approvvi- Movimento e Materiale e Lavori e Ragioneria 1) Bologna Piacenza Rimini Bagni d.Torr. Generali gionamenti Traffico Trazione Costruzioni Bologna Ostiglia Mantova Borgolare (Personalwesen und all- (Rechnungswesen) (Transport und (Material und (Bauarbeiten und Bologna Ferrara Rovigo Legnago (Versorgung) 2) gem. Angelegenheiten) Verkehr) Antrieb) Bauwerke) Ferrara Lavezzola Ravenna

1) Arezzo Firenze Borgo S. Lor. Firenze Empoli Siena M. Amiata Pontassieve 4 Uffici 2 Uffici 3 Uffici 5 Uffici 4 Uffici 9 Uffici Firenze 2) Grosseto Cecina Pisa Pisa Spezia Lucca

(direkt dem Generaldirektorium unterstellt, administrativ der Personalabteilung angegliedert) 1) Ancona Porto Civi. Ancona Fabriano Urbino 2) Foligno Perugia Ancona Foligno Rieti Uff. Centrale Sanitario Istituto Sperimentale Dopolavoro Ferroviario (Gesundheitsdienst) (Versuchsanstalt) 2) Pescara S.Benedetto Pescara Termoli Chieti

Roma Sud 1) Roma T. Palestrina Velletri Ufficio Cassino Fondi Tivoli 2) Palo Orte Civitavecchia (Büro) Roma Roma Nord Orvieto Viterbo 2) Aquila Pescina Ufficio 1° Ufficio 2° Ufficio 3° Ufficio 4° Ufficio 5° Ufficio 6° Ufficio 7° Ufficio 8° Ufficio 8°Bis Sulmona Castel d.S. Isernia „Costruzioni stradali ed edilizie“ 1) Formia Villa Liter. Tor. Annun. Capua (Strassenbau und Napoli Napoli Benevento Campobas. Larino Ariano Bauwerke) Napoli 2) Salerno Potenza Lagonegro Salerno Avellino S.Angelo d. Lomb. Sezione 1a Segreteria 4a Contratti e 7a Studi del ma- 11a 12a Stralcio 13a Corpo strada- 16a Ponti (metal- 18a Studi e nuovi 21a Apparati 24a Piani di 1) Barletta Monopoli (Sektion) ed Affari capitolati teriale fisso ex Ufficio le e gallerie lici) imp. elettrif. centrali e di stazione Bari Lecce Taranto Bari Generali d’appalto e dell’arma- Costruzioni blocco Bari 14a Opere in 17a Opere 19a Esercizio Foggia 2) Foggia Cerignola Melfi mamento passato al Spinazzola Potenza 2a Personale e 5a Contro- cemento ar- diverse elettrifica- 22a Telegrafi, Ministero competenze versie con 8a Materiale mato e ponti (metalliche) zione telefoni, dei Lavori 1) Vibo Valen. Reggio accessorie appaltatori fisso, arma- in muratura orologi, pesi Reggio Cal. Catanzaro Crotone Roccella Pubblici 20a Studio e Reggio Cal. mento e ab 1932: e misure 2) Trebisacce Rossano Paola 3a Contabilità, 6a Espropria- 15a Fabbricati costruzione Cosenza Sapri Agropoli Cosenza sorverg. linea controllo, zioni 17a Opere impianti 23a Illuminazi- a (Gebäude) 1) Palermo Roccapal. Cefalù Castell. dei G. spese e 9 Serv. d’acqua, mec- diverse idraulici e one treni Palermo Castelvetr. Corleone Magazzola liquidazioni canismi ed altrezzi p. (depositi, termoelettri- e stazioni, Milazzo Messina Taormina Giardini Catania 2) lavori in genere officine, ci, fabbricati meccanismi Palermo Catania Valsavoia Siracusa squadre 2) S.Caterina P.Empedo. 10a Fabbisogno, collaudi ab 1938: per elettrifi- elettrici Caltanissetta Liceta Vittoria rialzo e e distribuz.ne materiale cazione ne magazzini) 1) Cagliari Macomer Off. di Pontassieve Cagliari Cagliari Chilivani Sassari ed Off.ne Cant.ri mobili ni per iniez. legnami Bis Die Sektionen haben folgende Büros: Ufficio 5° Ufficio °5 1) 1° Lavori 2) 1° Lavori „studio e 2° Armamento - materiale 2° Armamento - materiale fisso e sorveglianza linea fisso e sorgeglianza linea progetti nuovi 3° Personale e contabilità 3° Personale e contabilità fabbricati“ 4° Patrimoniale Quelle: Relazione 1929-30, 1930. 5° Speciale 2.3 im Ufficio 5° der Ferrovie dello Stato 163 unterteilten.448 Mit dem Gesundheitsdienst, der Versuchsanstalt und dem Dopolavoro kamen nochmals drei weitere Spezialeinrichtungen hinzu. Während die zentralen Dienststellen in Rom primär leitende Funktionen ausübten, übernahmen die peripheren Organe der Compartimenti Turin, Mailand, Vene- dig, Triest, Genua, Bologna, Florenz, Ancona, Rom, Neapel, Bari, Reggio Calabria, Palermo und Cag- liari vorwiegend die Ausführung der Arbeiten vor Ort. Hierfür waren in untergeordneten Sektionen lokale Büros eingerichtet, die jeweils auch den entsprechenden Zentralabteilungen unterstanden.449 Mazzoni arbeitete zusammen mit Narducci in der Sezione 15a des von Businari geleiteten Ufficio 5°, das wiederum Teil der Abteilung Lavori e Costruzioni der Generaldirektion war. Im Unterschied zu den anderen beiden Betriebsabteilungen, welche die Disposition der Fahrzeuge, die Fahrpläne, Tarife, Personen-, Fracht- und Militärtransporte regelten, beziehungsweise den Fahrzeugpark, die Betriebs- anlagen, Werkstätten und das Rollmaterial unterhielten, war die Abteilung Lavori e Costruzioni für alle baulichen Belange zuständig, dazu gehörten Hoch- und Tiefbauten gleichermassen, insbesondere der Strassenkörper, die gesamte technische Ausstattung, Tunnels, Brücken, Armierungen, Stellwerke, Elektroanlagen, Werkstätten, Depots, Wasserspeicher, Heizzentralen, Bahnhöfe, Dienstbauten und, nach 1925, auch Postgebäude; eine wichtige Position nahmen überdies die Enteignungsprozesse und die Regelung der Vertrags- und Vergabemodalitäten mit Bauunternehmen und anderen externen Be- teiligten ein. In die Kompetenz des Ufficio 5° fielen die Verkehrswege, Tunnels, Betonbauwerke, Brü- cken aus Mauerwerk und Gebäude, Letztere in jene der Sezione 15a. Im Lauf der 20er und 30er Jahre ergaben sich in der Abteilung einige Veränderungen. So ging 1925 der Bau (nicht aber die Planung und Bauleitung) neuer Eisenbahnlinien an das Ministero dei Lavori Pubblici zurück. Davon waren allerdings nur wenige Strecken betroffen, etwa die direttissime Rom- Neapel und Bologna-Florenz, denn das Schienennetz hatte seine maximale Ausbreitung grundsätzlich erreicht.450 Der Abteilung Lavori e Corstruzioni blieben fortan die Beaufsichtigung, Instandhaltung und der Ausbau der bestehenden Linien. Ihr Augenmerk galt hauptsächlich der Elektrifizierung, der Energiebelieferung, der Anpassung der Gebäude an die gesteigerten Bedürfnisse des Verkehrs, der Verstärkung der Trassees, der Modernisierung der Signal- und Sicherungsanlagen sowie dem Bau von Dienstwohnungen.451 Im Betriebsjahr 1932/1933 wurde die Sektion „corpo stradale e gallerie“ (13a) aus dem Ufficio 5° ausgelagert, ein Jahr später auch jene der „opere in cemento armato e ponti in muratura“ (14a), an ihrer Stelle gliederte man die Sektion, die sich um Werkstätten, Depots und Lagerhallen kümmerte (17a), ein. Somit waren in der Abteilung die Bauaufgaben soweit entflochten, dass der Grossteil der Bahnhofsgebäude erstmals in ein- und demselben Büro, dem Ufficio 5°, einem eigentlichen Büro für Architektur, bearbeitet wurde; ausgenommen blieben einzig die Stellwerke, die elektrischen Anlagen und die technische Ausstattung. Aus dieser Konstellation, die zu einer Zeit geschaffen wurde, als das Auftragsvolumen für Mazzoni und sein Umfeld einen Höhepunkt erreichte,

448 Einem Servizio standen ein Capo Servizio Principale und weitere Capi Servizio vor, ein Ufficio wurde von einem Ispetto- re Capo Superiore geleitet und eine Sezione von einem Ispettore Capo, vgl. Ferri 1952, S. 21 sowie Tosti 1931. 449 Die Compartimenti waren in Sektionen („Sezioni“) und weitere Untereinheiten („Riparti“) gegliedert. Von den 160‘700 Angestellten, die 1930 für die Eisenbahn arbeiteten, waren rund 15‘500 im Büro tätig, davon 9‘100 in den Compartimenti und 6‘400 in der Direzione Generale. Vgl. Relazione 1929-30, 1930, S. 240-241. 450 Zu den Leistungen des Ministero dei Lavori Pubblici für die Eisenbahn vgl. Ministry of Labour and Public Works 1931; Ministero dei Lavori Pubblici 1933, S. 75-111. 451 Vgl. Ferri 1952, S. 4-8. „The service of maintenance and construction provides for the conservation of all the plants of the system operated by the State, for the surveillance along the lines, intended to guarantee the regular and safe movement of trains, and in agreement by the increase of traffic, and by damage pour force majeure and of all other exigencies of the service. Upon him devolves, moreover, the setting up and maintenance of the apparatus for telegraphic and telephonic com- munication, for the lighting of stations and of trains, and the execution of plans for electric traction.“ (Tosti 1931, S. 168.) 164 Mazzoni als leitender Architekt und Ingenieur 2.3 ging im Mai 1938 dann die Einrichtung eines neuen Büros hervor, des Ufficio 5°bis, „studio e pro- getti nuovi fabbricati“. Es war auf besondere architektonische Aufgaben spezialisiert und wurde der Leitung Mazzonis anvertraut. Als im Juli 1944 Giovanni Di Raimondo zum neuen Generaldirektor der Ferrovie dello Stato gewählt und Mazzoni in eine andere Abteilung versetzt wurde, löste man das Ufficio 5°bis wieder auf und richtete stattdessen die Sektion „Gruppo Architettura“ ein, die zuerst von Roberto Narducci, später in den 50er und 60er Jahren von Paolo Perilli, einem ehemaligen Mitarbeiter Mazzonis, geführt wurde.452 Die seit jeher streng hierarchische Organisation der Eisenbahngesellschaft, vom Faschismus weitge- hend übernommen und nach dem Zweiten Weltkrieg ohne wesentliche Änderungen weitergeführt, spiegelte auch die personelle Hierarchie. Die Ausbildung zum Ingenieur gereichte in der technisch orientierten Verwaltung zweifellos zum Vorteil, da die Qualifikation ermöglichte, in der Rangordnung von Anfang an eine hohe Position zu besetzen und leitende Funktionen zu übernehmen. Aus diesem Grund begann Mazzoni seine Laufbahn in Rom eine Kategorie (A) und einige Dienstgrade höher als sein Kollege Narducci, der zwar schon länger bei der Eisenbahn tätig war, als Architekt und Absol- vent einer Kunstakademie jedoch tiefer eingestuft worden war. Narducci hatte zuerst als „disegnatore“ gearbeitet und stieg 1924, nach der Weiterbildung an der neuen Architekturschule in Rom und dem Erlangen des Titels „architetto civile“, zum „segretario tecnico principale“ auf (Kategorie B). Mit dem Inkrafttreten des neuen Personalgesetzes der Eisenbahn am 1. März 1924 wurde der bislang üb- liche Titel „ingegnere“ automatisch in „ispettore di 1a classe“ umgewandelt, um die Unterscheidung zwischen Ingenieuren und Architekten abzuschaffen.453 Diese Stufe erreichte Narducci erst 1930, als er seiner guten Leistungen wegen befördert wurde; eine Gesetzesanpassung im selben Jahr hätte ihm aber ohnehin erlaubt, sich als architetto civile neu auch in das Berufsverzeichnis der Ingenieure einzu- tragen.454 Mazzoni selbst war inzwischen schon weiter zum „ispettore principale“ aufgestiegen (1926) und avancierte 1932 zum „ispettore capo“. Im Januar 1938 erhielt er schliesslich die Beförderung zum „ispettore capo superiore“, die ihn zur Führung eines Ufficio befähigte.455 Diese Fakten zeigen, wie die beiden Architekten die Karriereleiter Schritt für Schritt erklommen, gemäss der Gesetzesvorgaben, ihrer individuellen Voraussetzungen und mithilfe erfolgreicher Arbeit. Mazzonis Stellung innerhalb der Ferrovie dello Stato ging dabei nie über seine Aufgaben als entwerfender Architekt und Ingenieur hinaus.

2.3.1.2 Bahnhöfe und Postbauten In seinem Artikel über den Eisenbahnbau aus dem Jahr 1927 verwies Mazzoni auf die drei wesentli- chen Dimensionen der Bahnhofsarchitektur: die städtebauliche, welche die Beziehung des gesamten Eisenbahnkomplexes zur städtischen und landschaftlichen Umgebung formulierte, die gebäudespezifi- sche, welche die Verhältnisse innerhalb der Bahnhofsanlage gemäss eisenbahnlogischen Kriterien de- finierte, und die konstruktive, welche die einzelnen Räume, Ausstattungsgegenstände, Materialien und

452 Vgl. Relazione 1929-30, 1930, Tav. 4-8; Relazione 1932-33, 1933, Tav. 8; Relazione 1933-34, 1934, Tav. 11; Ferri 1952, S. 24; Angiolo Mazzoni 1984, S. 233; Columba 1984, S. 80; Giacomelli 2004, S. 112; Masiello 2004. 453 Diese Massnahme erfolgte nach der Gleichstellung der Titel für Ingenieure und Architekten, vgl. hierzu Kapitel 1.2.3. Zu Personalgesetz, Rangordnung und den entsprechenden Berufskategorien vgl. Bollettino Ufficiale 1925, S. 89-94.Weiter - führend zur Organisation und Leitung der Eisenbahnadministration vgl. Guadagno 2005, S. 27-106. 454 Vgl. hierzu die Gesetze R.D., 23. Okt. 1925, Nr. 2537, Art. 51-56; R.D.L., 3. Aug. 1930, Nr. 1296, Art. 2-3. 455 Narducci avancierte anfangs 1935 zum „ispettore principale“ und Ende 1939 zum „ispettore capo“. Zu den Qualifikatio- nen Mazzonis und Narduccis vgl. FAM, MAZ D/9, S. 81; ebenda S/23, 1.23, 1.44; Giacomelli 2004, S. 106, 108, 112. 2.3 im Ufficio 5° der Ferrovie dello Stato 165

Farben in Bezug zum einzelnen Menschen setzte. Im Gegensatz zu anderen öffentlichen Einrichtun- gen, etwa einem Theater, einer Bank, einer Börse, einem Hotel oder einer Post, war der Bahnhof kein isoliertes Gebäude, sondern ein Komplex bestehend aus verschiedenen Bauten und Plätzen, die sehr unterschiedliche Funktionen erfüllten.456 Er war eng an das Schienennetz und die Fahrzeuge gebunden und gehörte, verknüpft mit anderen Bahnhöfen, zu einem territorial weitverzweigten, an die lokalen, überregionalen und internationalen Verkehrsnetze angeschlossenen System. Das Empfangsgebäude war ungeachtet seiner Bedeutung nur eine unter mehreren Komponenten, die bei der Planung einer Bahnhofsanlage, die zunächst von der Disposition des Schienennetzes, dessen Lage im Verhältnis zur Ordnung der Stadt sowie den Ansprüchen der Fahrzeuge abhängig war, ins Gewicht fielen. Gleichwohl nahm das Empfangsgebäude innerhalb des Eisenbahnkomplexes eine Schlüsselrolle ein.457 Es konzentrierte und verteilte die Passagierströme und fungierte als Vermittler zwischen dem öffentlichen Raum und dem internen Bereich des geschlossenen Eisenbahnareals. Die der Stadt zu- gewandte Hauptfassade und die publikumsintensiven Räumlichkeiten erhielten bei der Ausgestaltung besondere Aufmerksamkeit, da sie, wie Mussolini zitiert wurde, den ersten Eindruck der Fremden prägen würden und oftmals die einzigen Zeugnisse eines Ortes seien, die ihnen nach der Durchreise in Erinnerung blieben.458 Durch das Empfangsgebäude traten die Reisenden ein und aus, um von den Zügen in die Stadt oder von der Stadt zu den Zügen und in die Ferne zu gelangen, sie hielten sich auf, wenn sie umsteigen oder auf ihre Abfahrt warten mussten. Die Bewegung war demnach das bestim- mende Moment der gesamten Bahnhofsanlage, und die Bewegungsabläufe determinierten sowohl die Wegführung wie auch die Anordnung der Hallen, Räume, Treppen und Plätze: „La stazione non deve essere principalmente considerata come edificio, concepito come qualche cosa di statico, ma anzitutto come un complesso essenzialmente dinamico di passaggi, percorsi, gallerie che guidino con chia- rezza e con la minima perdita di tempo e col minimo disagio il viaggiatore dai mezzi di trasporto urbano ai binari della ferrovia o viceversa.“459 Das Empfangsgebäude nahm ausserdem die Funktion eines Filters ein. Einerseits trennte es die an- kommenden von den abfahrenden Passagieren und leitete ihr Reisegepäck auf gesonderte Wege um, andererseits separierte es die Reisenden von den nicht Reisenden, indem nur jene, die im Besitz eines Billettes waren, zu den Wartesälen und Zügen vorgelassen wurden, was einer in Italien gängigen Pra- xis entsprach. Gewisse Einrichtungen wie das Restaurant oder die Bar waren deshalb zweiseitig nach dem Bahnsteig und dem Bahnhofsplatz hin orientiert.460 Das damals übliche Raumprogramm, das je- weils an das Verkehrsvolumen und die Bedürfnisse der Orte angepasst wurde, sah eine Abfahrts- und Ankunftshalle vor, die über ein gedecktes Vordach zu erreichen oder verlassen war. In einem vom Durchgangsverkehr abgeschiedenen Bereich sollten die Reisenden ihre Koffer holen respektive abge- ben können, bevor sie am Schalter in der Halle ihre Fahrkarten besorgten. Dort waren auch ein Tabak- und Zeitungsladen, Informationsbüro, Telegraf und Schalter für die Aufbewahrung des Handgepäcks angeordnet. Anschliessend gelangte man entweder direkt zu den Perrons, allenfalls durch eine Un-

456 „Le stazioni di una grande città prendono posto fra i templi laici, se questo nome prestigioso di tempio si può dare a edifi- zi ove la civiltà (...) raccoglie le folle: il Teatro, la Banca, la Borsa, l’Albergo, la Posta.“ (Tajani 1939, S. 189-190.) 457 Dies kommt auch im Handbuch der Architektur zum Ausdruck, in dem nur die Empfangsgebäude und Bahnsteigüber- dachungen behandelt, aber„andere den Bahnhöfen angehörige Hochbauten, wie Lokomotivschuppen, Wagenschuppen, Güterschuppen, Abort- und Nebengebäude und dergl. nicht vorgeführt werden“, und auch nicht die „auf der freien Strecke vorkommenden Bauwerke, wie Bahnwärter- und Bahnmeisterhäuser, Wasserstationen usw.“ (Schmitt, E. 1911, S. 2.). 458 Vgl. Centenario delle ferrovie italiane 1940 (2), S. 85. 459 (Funaro 1935 (2), S. 533.) Vgl. auch Funaro 1935 (1). 460 Vgl. Businari 1931 (3), S. 106. 166 Mazzoni als leitender Architekt und Ingenieur 2.3 terführung, oder begab sich zu den Wartesälen oder zum Restaurant, die nach drei Klassen getrennt betrieben wurden, wobei die ersten beiden Klassen oftmals zusammengefasst waren. Die Klassifizie- rung spiegelte sich entsprechend in der Möblierung und der Ausstattung der Räume. Auf den Perrons konnten die Reisenden teilweise in geschlossenen Warteräumen verweilen. Je nach Bedeutung des Bahnhofs war im Empfangsgebäude eine „sala reale“ für den Besuch des Königs, des und ihre Begleiter eingerichtet. In Gleisnähe waren Räume für den Stationsvorstand, die Eisenbahnmiliz, die Post und den übrigen Bahnbetrieb vorgesehen, und etwas abseits, aber gut auffindbar standen öffentliche Toiletten zur Verfügung.461 Im Obergeschoss befanden sich häufig Dienstwohnungen, in grossen Bahnhöfen überdies Büros der Eisenbahnadministration.462 Die Ein- und Ausgänge, Schal- ter, Verkaufsstände, Aufenthaltsräume, Passagen, Türen und Treppen sollten so angelegt sein, dass Ankunft und Abfahrt, Personen und Gepäck getrennt abgewickelt werden konnten und sich wartende und gehende Menschen nicht gegenseitig störten. Daher wurden ab den 30er Jahren beispielsweise für die grossen Menschenmassen der treni popolari eigene Ausgänge geplant. Nebst der intelligenten Anordnung des Grundrisses verlangten die hohen Ansprüche an die Funktionalität des Empfangsge- bäudes auch einen sorgfältigen Umgang mit den bahnhofsspezifischen Ausstattungsgegenständen: den Sitzbänken, Gepäckablagen, Fahrplänen, Informations- und Werbetafeln, Uhren, Wegweisern und Aufschriften, ebenso mit der Beleuchtung, den Öffnungen und den konstruktiven Details, wie den Be- schlägen, Griffen und Handläufen. Trinkbrunnen sollten überdies die Reisenden mit frischem Wasser versorgen und Blumen und Grünes einen Beitrag zur Verschönerung der gesamten Anlage leisten. Wie der Artikel Mazzonis zeigt, studierte er die funktionalen Zusammenhänge, die Anordnung der Räume, die Dekorations- und Ausstattungselemente, den Ausdruck und das Verhältnis der Baumassen zur Umgebung akkurat anhand zahlreicher beispielgebenden Bahnhofsanlagen aus dem europäischen und nordamerikanischen Raum, besonders ausführlich die Pennsylvania Station in New York von McKim, Mead & White (1904-1910), den badischen Bahnhof in Basel von Karl Moser und Robert Curjel (1908-1913), sowie die Bahnhöfe in Lausanne der Architekturbüros Monod/Laverrière und Taillens/ Dubois (1908-1916) und Stuttgart von Paul Bonatz und Friedrich Scholer (1911-1928).463 Bis zur Jahrhundertwende war es in Italien gängig, den Gleisbereich wichtiger Bahnhöfe mit einem weitgehend stützenfreien Dach aus Stahl, Glas und Holz zu überwölben. Da sich die Bauform als auf- wendig, teuer, wartungsintensiv, düster und bald auch als zu wenig anpassungsfähig erwies, wurde sie zugunsten einfacher, flexibler Perronüberdachungen nach und nach aufgegeben. Trotzdem entschied man sich in den 20er Jahren, die Gleise des neuen Mailänder Hauptbahnhofs, der nach seiner Eröff- nung im Jahr 1931 als räumlich-funktionales Meisterwerk des Bahnhofbaus gefeiert wurde, mit einer fünffach gewölbten, basilikalen Stahl- und Glaskonstruktion zu überdachen, um die Breite der Perrons schmal halten und den Warenverkehr vollständig vom Personenverkehr trennen zu können; zur Stadt hin zeigte sich der Bahnhof als mächtiges, steinernes Bauwerk, dessen Fassade einem Königspalast nicht unwürdig gewesen wäre.464 Den Kontrapunkt zu Mailand setzte nur vier Jahre später der neue

461 Die sanitären Anlagen waren in Italien im internationalen Vergleich um 1910 offenbar ungenügend: „Einen auffälligen Mangel an Aborten haben die italienischen Bahnhöfe aufzuweisen. Selbst ganz grosse Stationen, wie z.B. diejenige zu Neapel, sind mit einer völlig unzureichenden Anzahl von Aborten ausgerüstet.“ (Schmitt, E. 1911, S. 103.) 462 Zum Raumprogramm und den Funktionszusammenhängen eines Bahnhofs vgl. Schmitt, E. 1911, S. 11; Vaccaro 1933, S. 31-36; Funaro 1935 (2); Tajani 1939, S. 191-197. Ab den 20er Jahren wurde es üblich, für die Wohnungen separate Ge- bäude zu errichten, vgl. Businari 1931 (3), S. 105. 463 Vgl. Mazzoni 1927. Vgl. weiterführend Kapitel 3.3.2.1-3.3.2.4. 464 Vgl. Onesti 1931. 1912 gewann Ulisse Stacchini den Wettbewerb für den neuen Mailänder Bahnhof, mit dessen Ausfüh- rung aber erst ab 1925, nach kriegsbedingtem Planungsunterbruch, begonnen wurde. Vgl. Godoli, Lima 2004, S. 45-84. 2.3 im Ufficio 5° der Ferrovie dello Stato 167

Bahnhof in Florenz. Hier kamen im Gleisbereich erstmals Perronüberdachungen aus armiertem Be- ton zur Anwendung, obschon diese Konstruktion 1929 noch als untauglich eingestuft worden war, sich bald darauf aber als Standard durchsetzte.465 Den traditionell dem Ingenieurwesen zugeordneten Stahlbau, den die Eisenbahntechniker bis anhin vor allem im Brücken- und Hallenbau verwendet hatten, setzten die Architekten des Florentiner Bahnhofs nicht nur auf der dem Gleisfeld zugewand- ten Rückseite über der Passage am Gleisende ein, sondern auch als zentrales Gestaltungsmittel des Empfangsgebäudes, indem sie im Bereich der Abfahrtshalle und der Vorfahrt ein 33 Meter breites, mit Stahlrippen unterteiltes Band aus Glas gleichsam einer zweistufigen Kaskade über den horizontal ge- lagerten, mit lokalem Naturstein verkleideten Kopfbau fliessen liessen. Es markierte die Schnittstelle, wo sich die Wege der Stadt und des Eisenbahnnetzes miteinander verwoben, zugleich schien es, als würden die Gleisstränge bis an die Aussenseite des Bahnhofs weitergezogen, wo sie von der Stadt her jederzeit sichtbar blieben.466 Nebst seiner Bedeutung als Verkehrsknoten und seiner hohen Funktionalität zur Bewältigung der Personen- und Güterströme zeichnete sich der Bahnhof vor allem durch den künstlerischen Anspruch und den repräsentativen Stellenwert, der während des Faschismus besonders hervorgehoben wurde, aus. Der Eisenbahnbau sei der erste künstlerische Ausdruck und Gradmesser der Macht und Geniali- tät eines Volkes, der sich einem Fremden offenbare, schrieb Mazzoni in seinem vorgängig erwähnten Artikel, eine Aussage, die Mussolini selbst verbreitet haben soll und die man nicht müde wurde zu wiederholen: die Eisenbahn als Spiegel der Entwicklung des Landes, der Bahnhof als neuzeitliches Tor in die Stadt.467 Damit wurde an eine international verbreitete Vorstellung angeknüpft, die seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert zum Selbstverständnis im Bahnhofsbau gehörte und 1911 im Handbuch der Architektur, im Band „Empfangsgebäude der Bahnhöfe und Bahnsteigüberdachungen“, wie folgt zur Sprache kam: „Als öffentliche Bauten im weitesten Sinne des Wortes gewähren die Eisenbahn-Empfangsgebäude, weil sie an völkerverbindenden Schienenstrassen stehen und über den Heimatsverkehr hinaus vom Weltverkehr berührt wer- den, täglich Hunderttausenden von Reisenden aus allen Ländern einen in die Augen fallenden Massstab für unser bauliches Können. Deshalb ist es wohlberechtigt, dass man in neuerer Zeit von verschiedenen Seiten, sogar staat- licherseits, bemüht ist, diesen Bauten zugleich mit dem Erfüllen aller Zweckmässigkeitsforderungen auch eine charakteristische Architektur zu geben, (...). Es ist deshalb auch nicht unberechtigt, wenn von manchen – ange- sichts des gewaltigen Verkehres, den die Eisenbahnen zu bewältigen haben – verlangt wird, dass das Empfangs- gebäude geradezu ein nationales Gepräge erhalten solle.“468 Anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der italienischen Eisenbahn im Jahr 1939 skizzierte Pietro Maria Bardi, Kunstkritiker und glühender Fürsprecher der modernen Architektur, die Entwicklung des italienischen Bahnhofbaus in einer Rückschau kurz nach. Dieser habe sich im 19. Jahrhundert vom ursprünglich reinen Zweckbau zum festlich geschmückten Stadtpalast gewandelt, bis er in den neuen Bahnhöfen von Florenz, Trient und Viareggio endlich seinen gegenwärtigen und wahrhaft rationalen Ausdruck, welcher der Modernität eines Elektrozuges ebenbürtig sei, gefunden habe. Dabei beton- te Bardi, dass die Eisenbahnarchitektur die Fahrzeuge genauso mitbedenken müsse wie die festen

465 Vgl. Onesti 1931, S. 210; Cozzi, Godoli, Pettenella 2003, S. 142-144. 1924 hatte Marcello Piacentini im Gleisbereich der beiden Kopfbahnhöfe der Linie Rom-Ostia Lido bereits Perrondächer aus armiertem Beton installiert. 466 Vgl. Conforti, Dulio, Marandola 2006, S. 137-141. Die Autoren beschreiben die Abfahrtshalle, den „atrio biglietteria“, als „solennemente tripartito in navate come una basilica“. (Ebenda, S. 137-138.) 467 Vgl. Kapitel 1.3.2.2, S. 95; 3.2.2.2; 3.3.2; sowie Mazzoni 1927; Ferrovie nel primo decennio fascista 1932, S. 5; Tajani 1939, S. 190; Centenario delle ferrovie italiane 1940 (2), S. 85; Mazzoni 1947, S. 28. 468 (Schmitt, E. 1911, S. 16-17.) 168 Mazzoni als leitender Architekt und Ingenieur 2.3

Bauten, da sie den Schienenverkehr und die dazugehörige Infrastruktur überhaupt erst bedingten.469 In der Tat ging der typologische Wandel der Bahnhöfe, der sich im Lauf der 20er und 30er Jahren abzeichnete, nicht primär auf einen baukünstlerischen Impuls zurück, sondern beruhte zunächst auf der technischen Weiterentwicklung der Fahrzeuge und Anlagen (etwa im Zuge der Elektrifizierung), auf der zunehmenden Geschwindigkeit und Komplexität des Verkehrs und dem Erfolg anderer Trans- portmittel. Dies generierte neue Anforderungen an die baulichen Strukturen und bewirkte zugleich ein Überdenken des künstlerischen Ausdrucks. Dadurch stellte sich auch die Frage, welches Abbild der Bahnhof grundsätzlich nach aussen hin vermitteln sollte und inwiefern seiner spezifischen Funktion, seiner öffentlich-repräsentativen Rolle und dem Anspruch, einen „Tempel der Moderne“ zu verkör- pern, angemessen Rechnung getragen werden konnte.470 Die Gegenüberstellung der frühen Bahnhofsbauten Mazzonis mit jenen der 30er Jahre veranschaulicht seinen persönlichen Beitrag zur Entwicklung einer neuen, wegweisenden Bahnhofstypologie. Wie er in seinem Artikel festhielt, umfasste die Eisenbahnarchitektur verschiedene Arten von Bauten, die sich in typologischer Hinsicht unterscheiden sollten, da sie unterschiedliche Aufgaben erfüllten: „Alcuni sono tipicamente caratteristici: fabbricati viaggiatori, depositi locomotive, case cantoniere, cabine di blocco; altri invece presentano soltanto in alcuni particolari forme speciali determinate dalle esigenze degli impia- nti cui sono adibiti, quali i magazzini a denti di sega; altri ancora conservano inalterate le particolarità che hanno nella architettura non ferroviaria, case di abitazione, fabbricati ad uso uffici, ecc.“471 Es scheint, als habe Mazzoni diese Feststellung in seinen ersten Eisenbahnprojekten ganz wörtlich umzusetzen versucht, sich aber zugleich auch dezidiert von der traditionellen Vorstellung des Bahn- hofs als fest umrissener, klassisch gegliederter, achsensymmetrischer Baukörper losgesagt.472 So präsentierte sich der Grenzbahnhof in Brenner (1925-1930) zur Strasse hin als eine lange Abfolge ungleicher, vor- und zurückspringender und in der Höhe gestufter Bauvolumen, die verschiedenartig akzentuiert waren: mit einem vorgelagerten, gedrungenen Portikus beim Haupteingang, individu- ell gestalteten Dienst- und Büroeingängen, einem als Risalit ausgebildeten Uhrturm, einem vertikal strukturierten Treppenhaus, einer Wölbung der Fassade im Bereich des Restaurants. Vergleichbar fragmentiert tritt der langgestreckte Bahnhof in Bozen (1927-1928) in Erscheinung, die Wirkung wird von der dominanten Kolossalordnung des Halbsäulenportikus, welcher der Haupthalle vorgeblendet ist, und vom markant aufstrebenden Uhrturm sogar noch überhöht.473 Dass die Südtiroler Entwürfe das Ergebnis einer bewussten, zielgerichteten Vorgehensweise waren, lässt das erste, nicht realisierte Bahnhofsprojekt von Mazzoni, eine Wettbewerbseingabe für den Bahnhofumbau in Ferrara aus dem Jahr 1923, vermuten. Heute sind davon nur noch vier skizzenhafte Grundrisse und Fotografien zweier Fassadenvarianten im Archiv von Giovannoni, dem Mazzoni die Unterlagen zur Ansicht geschickt hatte, erhalten.474 Variante „A“ zeigt ein symmetrisch gefügtes Gebäude, das durch einen aufragenden Mitteltrakt und zwei Seitenflügel, die je von einem schmalen Türmchen durchbrochen und von einem

469 Vgl. Bardi 1939, S. 61-63; sowie Angiolo Mazzoni 1984, S. 69-71. Den Bahnhof in Viareggio entwarf Narducci. 470 Zur Entwicklung der Bahnhofstypologie vgl. Meeks 1957; Pevsner 1976; Altarelli, Cao, Chiarini 1990, S. 41-91; Moran- dotti 1998, S. 7-56, 86-138; Thomsen 2010. 471 (Mazzoni 1927, S. 193.) 472 Wie es zum Beispiel die Bahnhöfe in Genua (Piazza Brignole, 1902-1905), Rom (Trastevere, 1907-1910), Livorno (1908- 1910), Verona (um 1914), Cagliari (1925-1926), Forlì (1925-1927), Belluno (1925-1928), Taormina (1926-1928) oder Sirakus (1929-1930) waren. Vgl. Businari 1931 (1), S. 7-10, Tav. II-IX; Ferrovie nel primo decennio fascista 1932, S. 278-298. 473 Vgl. Zoeggeler, Ippolito 1992, S. 130-134. 474 Vgl. FGG, G.G. 7.2, 37(22), B.50, fasc. 540; C.7.94; C.7.95. Der Entwurf wurde bisher weder erwähnt noch publiziert. 2.3 im Ufficio 5° der Ferrovie dello Stato 169

Risalit abgeschlossen werden, gegliedert ist. In der Variante „B“, die auf dem gleichen Grundriss aufbaut, hebt Mazzoni die Symmetrie der Grossform dagegen vollständig auf; er staffelt den Bau in der Höhe und stattet ihn mit übermässig vielen verschiedenen, gliedernden Bauteilen und dekorativen Elementen aus, mit Arkaden, Säulen, Pilastern, Gesimsen, Friesen, Nischen, Toren, Fenstern, Balko- nen, Brüstungen, Figuren und unterschiedlich behandelten Oberflächen, etwa Bossenwerk, Rillenputz, glatten Flächen, Modul- und Bruchsteinwerk. Die Reaktion Giovannonis auf den Entwurf verwundert daher kaum: „Non manca certo di pregi. Ma non è forse esagerata quella mancanza di unità che lo fa sembrare come costituito da tante case differenti?“475 Diese Gruppe von Projekten, die mit dem 1931 publizierten Entwurf für den Bahnhof Florenz zu er- gänzen wäre, bildete zwar die entwerferische Ausgangslage für die nachfolgenden Bahnhöfe in Siena, Littoria, Reggio Emilia, Trient, Montecatini, Messina, Reggio Calabria und Roma Tiburtina, unter- scheidet sich von ihnen jedoch ganz wesentlich. Während Erstere als zusammengesetzte, aber immer noch kompakte Baukörper auftreten und trotz ihrer heterogenen Bauweise die Umrisse traditioneller „Gebäude“ („case differenti“) nachzeichnen, lösen sich bei den späteren Projekten die klaren Kontu- ren förmlich auf; Mazzoni vereinte die verschieden genutzten Bahnhofsektoren (Halle, Restaurant, Wartesäle, Betriebsräume, Büros, Lager, Post, Wohnungen) nicht mehr zu einem Gesamtbau, sondern stellte sie lose nebeneinander, so dass sie in ihrer Gesamtheit nur noch als Struktur lesbar waren.476 Diese Massnahme, die beispielsweise in Siena mustergültig zum Ausdruck kommt, war in architek- tonischer Hinsicht äusserst folgenreich: Die lockere Anordnung der Einzelteile vereinfachte die von Mazzoni angestrebte typologische Differenzierung, zugleich förderte sie die lineare Ausdehnung der Anlage; mit dem Entwicklungsschritt von Gebäude zu Struktur wurde aber auch die traditionelle Hauptfassade infrage gestellt, respektive in einzelne Sequenzen aufgeschlüsselt. Anstelle einer ein- prägsamen Hauptfassade wurde das auskragende, alles einfassende Dach, das vor dem Bahnhof, in den Durchgängen und auf den Perrons Schutz bot, als horizontale, beinahe körperlose Schichtung neu zum bestimmenden Element des ganzen Komplexes.

Im Unterschied zu den Bahnhöfen, deren Lage wesentlich von der Anordnung der Schienen und der Beschaffenheit des Geländes abhängig war, nahmen die Postgebäude ihren Standort vorzugsweise mitten in der Stadt an einem belebten Platz ein, wo sie als autonom funktionierende, solitäre Bauten meistens zusammen mit anderen öffentlichen Einrichtungen das Zentrum prägten. Analog zu den Bahnhöfen repräsentierten die Poststellen die Knotenpunkte eines hierarchisch organisierten, territo- rial fein verästelten Netzwerkes, anhand dessen sich Informationen und Nachrichten via Äther, Kabel und Botendienste kommunizieren liessen. Im 1908 herausgegebenen Band „Gebäude für den Post-, Telegraphen- und Fernsprechdienst“ des Handbuches der Architektur wurden der bevorzugte Bauplatz eines Postgebäudes und sein Verhältnis zur Eisenbahn wie folgt beschrieben: „Die Post (...) gehört naturgemäss auch in den Mittelpunkt des Wohn- und Verkehrslebens, des lebhaftesten Ge- schäftsbetriebes eines Ortes. Das Postgebäude liegt daher in den meisten Städten am Hauptmarkte oder in seiner Nähe, wie des Rathauses und des Sitzes der Behörden, mitten in der Stadt. Diese Lage ist jedoch in den älteren Städten durch die Einführung des Eisenbahnwesens oder infolge dieses vielfach verändert worden; denn der Bahnhof, der (...) stets eines ausgedehnten Flächenraumes bedarf, konnte an den meisten Orten nur ausserhalb

475 (Brief an Mazzoni vom 6.8.1923, in: Forti 1990, S. 96.) Vgl. auch Kapitel 1.2.2.2 und Anm. 155. 476 „Man mano che aumenta l’importanza delle stazioni alcuni servizi vengono collocati in appositi edifici, fino a giungere per le grandi città e nei grandi nodi ferroviari a separare nettamente i vari servizi in diverse stazioni.“ (Mazzoni 1927, S. 194.) 170 Mazzoni als leitender Architekt und Ingenieur 2.3

der Stadt, wenn auch in ihrer nächsten Nähe angelegt werden. (...) An den zum Bahnhofe führenden, vielfach neuangelegten Strassen entwickelt sich dann überall eine meistens sehr rege Bautätigkeit für kaufmännischen und gewerblichen Betrieb, wie auch für Wohnungsanlagen, und daselbst findet sich dann in der Regel auch eine pas- sende Stelle für ein (...) Postgebäude.“477 Zwischen 1926 und 1934 konzentrierte man sich in Italien fast ausschliesslich auf den Bau neuer Postämter in den Provinzhauptstädten. Aus dem Bericht, den Businari 1929 am Weltkongress der Ingenieure in Tokio vortrug, lassen sich die Anforderungen an deren Raumprogramm ableiten: Im Mittelpunkt standen die Räume für die öffentlichen Dienstleistungen, das heisst den Empfang und die Zustellung von normalen und eingeschriebenen Briefen und Paketen, die Annahme von Telegram- men sowie die Ein- und Auszahlung von Bargeld, zusätzlich wurden Telefonkabinen, Schliessfächer, Schreibsäle und Schalter für den Versand nächtlicher Telegramme angeboten. Als Mittler zwischen der Öffentlichkeit und den internen Geschäftabläufen figurierten die Kundenschalter; auf der einen Seite galt es, den regen Kundenverkehr abzuwickeln, auf der anderen Seite mussten die Sortierung und Weiterleitung der entgegengenommenen Aufträge sowie deren An- und Auslieferung bewältigt werden. Bis auf die Räumlichkeiten der Postbank, die gelegentlich im Obergeschoss lagen, waren üblicherweise alle öffentlichen Dienste gut erreichbar im Erdgeschoss um eine zentrale Schalterhalle angeordnet. In den Obergeschossen befanden sich jeweils die Verwaltungs- und Personalräume, das Büro des Direktors mit Vorzimmer und Sekretariat, Archivräume, Sitzungszimmer, Büros für die Buchhaltung, sanitäre Einrichtungen, Umkleideräume und je nach Bedarf auch Räume für den Dopo- lavoro, ein Speisesaal sowie Wohnraum für den Direktor. Das oberste Geschoss bot vorwiegend der Telegrafie Platz, nicht fehlen durften dort ein grosser Saal für die Telegrafenapparate, Werkstätten für Reparaturen, Lagerräume sowie Räume für Generatoren, Speicher- und Reinigungsgeräte. Anlässlich des Wettbewerbs für die vier Postpalazzi in Rom im Jahr 1933 wurden zusammen mit den Unterlagen auch Raum- und Funktionsschemen an die teilnehmenden Architekten ausgehändigt. Sie waren wahr- scheinlich vom Ufficio 5° vorbereitet worden und erfassten grafisch das eben beschriebene Raumpro- gramm, die Verteilung der Räume und deren Verbindungen untereinander.478 Zu den besonderen Merkmalen, die ein Postgebäude damals als solches auszeichneten und es von an- deren öffentlichen Bauten unterschieden, gehörte seine explizit zweiseitige Ausrichtung; sie ging aus der räumlich-funktionalen Organisation des Postwesens hervor und äusserte sich nach aussen in der publikumsorientierten, dem öffentlichen Stadtraum zugewandten „Schauseite“ und in der für Fahrzeu- ge leicht zugänglichen, dem Anlieferungshof zugewandten Rückseite; den Raumeindruck im Innern dominierte eine grosszügige Schalterhalle. Des Weiteren verriet das Abbild des Heiligen Christo- phorus, als Schutzpatron aller Reisenden auch zum Hüter der Telekommunikationswege erkoren, die Bestimmung des Gebäudes. In Form einer Skulptur, einer Wandmalerei oder eines Mosaiks erhielt er zuweilen seinen festen Platz im baulichen Gefüge. Businari ergänzte diese Erkennungszeichen noch mit einem weiteren: „L’Amministrazione ferroviaria abbia sempre concepito i palazzi postali come palazzi pubblici destinati, oltre che a ricovero di servizi, anche a formare ornamento delle città in cui essi devono sorgere. Di qui il frequente uso delle torri che nella nostra architettura ha sempre civilmente contrassegnato i fabbricati del genere.“479

477 (Neumann, R. 1908, S. 15.) 478 Vgl. Businari 1931 (3), S. 119-120; Angiolo Mazzoni 1984, S. 61-68. Zu den Raum- und Funktionsschemen vgl. ASFSR, B. 4848, fasc. II 9(0), 2285-2288. Eines der beiden Funktionsschemen ist fast identisch mit jenem, das Giuseppe Vaccaro in seiner Publikation Schemi distributivi di architettura abbildete, vgl. Vaccaro 1933, S. 61-68. 479 (Businari 1931 (2), S. 3-4.) 2.3 im Ufficio 5° der Ferrovie dello Stato 171

Der Turm, der wie jener einer Kirche oder eines Rathauses den Blick fokussierte und einen markanten Bezugspunkt im öffentlichen Raum bildete, nobilitierte seines Erachtens die architektonische Form und war grundsätzlich den öffentlichen Bauten vorbehalten. Als freistehende oder in ein Gebäude integrierte, gedrungene oder hoch aufstrebende Vertikale überragte er seine unmittelbare Umgebung und hatte Signalwirkung, die häufig auch in die Ferne ausstrahlte. Zu Beginn der 30er Jahre entwi- ckelte sich der Turm in Funktion einer „torre littoria“ allerdings zu einem Merkmal der öffentlichen faschistischen Architektur schlechthin und prägte, wie die anderen Insignien des Faschismus (Likto- renbündel, Reichsadler, Jahreszahl gemäss des faschistischen Kalenders) die Typologie der Postbau- ten genauso wie jene von Parteigebäuden, Jugendhäusern, Schulen oder Ferienkolonien.480 Der Turm ist in nahezu allen Postbauten Mazzonis ein wiederkehrendes architektonisches Element. Häufig dient er als Uhrturm und inwendig als Treppenhaus, das die Stockwerke erschliesst und oben hinter dem Zifferblatt endet, nicht immer mit Aussicht auf die Umgebung, obwohl die Turmspitze je- weils, einer Laterne gleich, mit einem Fensterkranz versehen ist. Offenbar stand bei der Planung nicht die Nutzbarkeit des Turms im Vordergrund, sondern seine architektonische Wirkung im baulichen Kontext sowie der Hinweis auf die Bedeutung der öffentlichen Einrichtung, der er angehörte.481 Eben- so konsequent verwendete Mazzoni das Turmmotiv in der Bahnhofsarchitektur, als Wasserspeicher, Treppenhaus, Schornstein oder Uhrturm, und erklärte diesbezüglich: „L’alta torre-faro per l’orologio (...) dà alla stazione l’aspetto di porto cui convergono le vie del traffico.“482 Der Turm signalisierte folglich in erster Linie den Ort, wo die Kommunikationswege zusammenliefen, und sollte dem Post- wesen und der Eisenbahn genauso ein Orientierungspunkt sein, wie ein Leuchtturm den Schiffen. In diesem Sinn werden die beiden identischen Wassertürme, die Mazzoni in Roma Termini beidseitig des Schienenviadukts vor der Ausweitung des Gleisfelds wie die Pfeiler eines Stadttors positionierte, oder die Wasserspeicher, welche die Einfahrt in die Bahnhöfe von Florenz und Messina begleiten, zu unverkennbaren Bedeutungsträgern. Ebenso emblematisch sind in diesem Zusammenhang die Turm- uhren der Postbauten in Bergamo, La Spezia und Massa zu verstehen, deren Zifferblätter und Zeiger als Leuchtkörper ausgebildet sind – die leuchtende Uhr und das Licht, das bei Dunkelheit zusätzlich durch den Fensterkranz nach aussen dringt, verstärkt nicht nur die Fernwirkung und die Zeichenhaf- tigkeit des Turms, indem er auch nachts vortrefflich zur Geltung kommt, sondern muss auf die Men- schen damals, als die elektrische Glühlampe noch als Sinnbild des technischen Fortschritts gepriesen wurde, wie ein Fanal der modernen Zeit gewirkt haben. Mazzoni arbeitete den dualen Charakter der Postbauten in seinen städtischen Projekten deutlich her- aus. So kontrastiert die rückwärtige Anlieferungsseite in ihrer Ausgestaltung jeweils die Frontansicht wie bei einer Theaterbühne, wo auf der einen Seite die Abläufe koordiniert, die Szenen vorbereitet und die Technik bedient werden, auf der andern dagegen das Schauspiel stattfindet. Vor allem aber fällt auf, dass der Architekt auch bei den Postbauten stets versuchte, die Symmetrie des Baukörpers aufzubrechen. Zwar vermitteln die einzelnen Fassaden oder Fassadenausschnitte durchaus den Ein-

480 Beispielhaft für die Bedeutung des Turms ist die Anordnung der öffentlichen Gebäude in Sabaudia, die um einen langge- streckten Platz das Zentrum einfassen: das Ende der Hauptstrasse, die nach Sabaudia führt, markiert der schlanke, hohe, vom übrigen Gebäude abgesetzte Turm des Rathauses, schräg vis-à-vis ragt der wehrhafte Turm des Parteigebäudes auf, an der Schmalseite des Platzes im Norden steht frei neben der Kirche der Campanile und auf der gegenüberliegenden Seite erhebt sich die hochrechteckige Wandfläche des Kasernengebäudes. 481 Zur Post von Massa notierte Mazzoni: „Interessante la torre che si profila nel paesaggio. Naturalmente dal punto di vista funzionale inutile benché destinata a protare in evidenza l’orologio. („Appunti autobiografici“,FAM , MAZ S/21, S. 8.) 482 (Mazzoni 1927, S. 196.) Er bezog sich mit seiner Aussage konkret auf die Uhrtürme der in seinen Augen mustergültigen Bahnhöfe in Stuttgart und Helsinki. 172 Mazzoni als leitender Architekt und Ingenieur 2.3 druck eines klaren, symmetrischen Aufbaus, die gliedernden Elemente finden jedoch in den anschlie- ssenden Fassadensequenzen keine konsequente Fortsetzung oder Korrespondenz mehr, sondern wer- den durch andere Ordnungen und Formen abgelöst, so dass sie episodisch wirken und der Baukörper in seiner Gesamtheit polymorph, wandelbar und diskrepant anmutet. Besonders anschaulich wird diese eigenwillige Gestaltungsweise in Ferrara, wo die Ansicht des Haupteingangs, die Übereckper- spektiven der beiden Seitenflügel und der Prospekt zum Anlieferungshof hin nur mit Mühe auf ein und dasselbe Gebäude schliessen lassen. Diese demonstrative Suche nach unaufhörlicher formaler Verwandlung lässt sich einzig noch in gewissen Postbauten von Narducci, etwa jenen von Bari und Benevent, finden. Andere vergleichbare, zeitgleich ausgeführte Projekte, wie die Postbauten von Pi- acentini in Brescia, von Vaccaro in Neapel, von Cesare Bazzani in Forlì, Imperia, Pescara und Rieti, von Giuseppe Boni in Carrara, oder jene von Giuseppe Samonà, Adalberto Libera/Mario De Renzi, Armando Titta und Mario Ridolfi in Rom, erscheinen dagegen stets als einheitliche Baukörper, deren übergeordnete Gliederung alle Seiten gleichermassen, wenngleich differenziert, umfasst.483

2.3.1.3 Wohnungen für Eisenbahnangestellte und andere Bauaufträge Schon vor der Verstaatlichung im Jahr 1905 hatten die privaten Eisenbahngesellschaften für ihre Angestellten Wohnungen errichtet, die Ferrovie dello Stato führten diese Praxis planmässig in Form eines landesweiten Bauprogramms weiter. Der Wohnungsbau war in zwei Kategorien unterteilt. Die eine umfasste die Wohnungen und Dormitorien, die aus betrieblichen Gründen direkt am Bahnhof oder entlang der Eisenbahnlinien für bestimmte Berufsgruppen (Stationsvorsteher, Streckenwärter, Rangierer, Weichensteller, Zugführer, Maschinisten) erstellt wurden, sie gehörten zur üblichen, für den Bahnbetrieb unabdingbaren Infrastruktur und waren deshalb im ordentlichen Budget der Verwal- tung eingeschlossen. Im Gegensatz dazu fiel die andere Kategorie, das heisst dieW ohnungen für alle übrigen Berufsklassen, unter ein spezielles Förderprogramm. Sie wurden überall dort erstellt, wo die Bedürfnisse nicht durch das lokale Wohnungsangebot gedeckt werden konnten, mit dem Ziel, den Arbeitern und ihren Familien intakte, angenehme Wohnungen zur Verfügung zu stellen, die praktisch, bezahlbar und nahe am Arbeitsplatz gelegen waren. Sie mussten hygienischen Anforderungen genü- gen, also ausreichend belüftet, belichtet, gekühlt und beheizt werden können, so dass die Bewohner gesund blieben: „con vantaggio dell’Amministrazione ferroviaria, la quale, per essersi ridotte le possi- bilità di malattie e di infezioni causate dall’agglomeramento soverchio di famiglie in piccoli e malsani quartieri privati, può contare su una migliore utilizzazione del personale.“484 Zudem galt der staatlich unterstützte Wohnungsbau in der Zwischenkriegszeit als geeignetes Mittel, um die Arbeitslosigkeit und die Wirtschaftskrise zu überwinden und die vielerorts verbreiteten prekären Wohnverhältnisse zu verbessern.485 Die Eisenbahnerhäuser des Förderprogramms unterschieden sich durch drei Finanzierungsarten. Zum einen wurden sie mit Geldern aus der Staatskasse, die innerhalb von 30 bis 50 Jahre zurückzuerstat-

483 Vgl. Businari 1931 (2), Tav. I-XX; Ferrovie nel primo decennio fascista 1932, S. 306-320; Minnucci 1933; Foeldes 1936; Vaccaro 1936; Neudecker 2004, 2. Bd. 2, Abb. 44-66, 72-96. 484 (Abitazioni per il personale 1929, S. 8.) 485 1929, noch vor der offiziellen Lancierung des Arbeitsbeschaffungsprogramms im Juli 1930, gaben die Ferrovie dello Stato eine umfassende Publikation über ihre Wohnhäuser heraus, die anhand zahlreicher Fotos, schematischer Grundrisse, Situationspläne und Tabellen das Bauprogramm ausführlich dokumentiert. Vgl. Abitazioni per il personale 1929. Etliche Wohnhäuser wurden 1932 auch in einer Festschrift der Eisenbahn anlässlich des 10-jährigen Jubiläums des Faschismus publiziert, vgl. Ferrovie nel primo decennio fascista 1932, S. 299-305. 2.3 im Ufficio 5° der Ferrovie dello Stato 173 ten waren, bezahlt; aus diesem Fonds entstanden zwischen 1905 und 1930 etwa 9’240 Wohnungen (32’000 Zimmer), mit Schwerpunkten in den von Erdbeben zerstörten Gebieten bei Reggio Calabria, Messina und den Abruzzen und in den nach dem Ersten Weltkrieg neu angegliederten Territorien bei Triest, Udine und in Südtirol. Zum andern wurden die Häuser zu festgelegten Zinsen aus verwaltungs- internen Quellen, vor allem dem Überschuss aus der Pensionskasse, finanziert und autonom verwal- tet, wobei sie nach 50 Jahren automatisch in den Besitz der Eisenbahn übergingen; auf diese Weise addierten sich in besagtem Zeitraum nochmals rund 8’890 Wohnungen (28’600 Zimmer). Zusätzlich bestand die Möglichkeit der genossenschaftlichen Finanzierung. Anstatt den Wohnungsbau der Privat- wirtschaft zu überlassen, unterstützte der Staat allgemein die Bildung von Genossenschaften, die von Sonderkonditionen wie günstigen Krediten, Steuererleichterungen und reduzierten Grundstückpreisen profitieren konnten, um die Bau- und Mietkosten, die nach dem Krieg um einV ielfaches angestiegen waren, tief zu halten. Die Eisenbahnverwaltung gewährte ihren Kooperativen, denen ausschliesslich Eisenbahnarbeiter angehörten, noch zusätzliche Vorteile, indem sie vergünstigte Transporte durchfüh- ren und die interne Werkzeug- und Materialversorgung beanspruchen durften. Bis 1930 belief sich der genossenschaftliche Anteil auf circa 5’470 Wohnungen (38’000 Zimmer). Die Eisenbahnverwaltung verfügte damals über insgesamt 43’500 Arbeiterwohnungen (140’700 Zimmer), wovon 23’600 auf das Förderprogramm und knapp 20’000 auf das übrige Infrastrukturprogramm entfielen, sie beher- bergte demnach etwas mehr als einen Viertel ihrer rund 160’000-köpfigen Belegschaft.486 Entsprechend ihrer Ausnützung wurden die Häuser als intensiv genutzt (mindestens zwei Wohnungen auf je vier oder mehr Geschossen), semi-intensiv genutzt (maximal zwei Wohnungen auf höchstens drei Geschossen), als Reihenhäuser (zwei Wohnungen auf je einem Geschoss) oder Einzelhäuser (aneinandergefügt oder solitär) bezeichnet. Der Grossteil der Wohnungen wies drei oder vier Zimmer inklusive Küche auf, hinzu kamen solche mit nur zwei, wenige mit fünf oder mehr Zimmern.487 Die Anordnung der Räume, die gewöhnlich durch einen schmalen Raum für die Toilette ergänzt und über einen kleinen Vorraum erschlossen wurden, basierte stets auf einfachen Grundrisstypen, wie sie die Handbücher für gemeinnützigen Wohnungsbau damals wiedergaben. Je nach Örtlichkeit diente das Erdgeschoss gelegentlich als Dopolavoro oder als Aufenthalts-, Speise-, Wasch- und Umkleideräume für das fahrende Zugpersonal. In der zweiten Hälfte der 20er Jahre forderten staatliche Direktiven die für den Wohnungsbau verantwortlichen Behörden auf, wo es möglich war dicht, das heisst mindestens fünfgeschossig, zu bauen und hauptsächlich Drei- und Vierzimmerwohnungen, die primär den unteren Einkommensschichten vermietet werden sollten, anzubieten.488 Die Eisenbahnerhäuser befanden sich immer nahe der Arbeitsplätze, in grossen Zentren vorzugsweise in Reichweite der Werkstätten, Fahrzeugdepots, Rangier- und Güterbahnhöfe. In ländlichen Regionen nahmen sie zusammen mit den Bahnhöfen oder Haltestellen oftmals eine isolierte Lage am Rand oder ausserhalb der Siedlungsgebiete ein, da sich ihr Standort in erster Linie auf den Kontext der Eisen- bahn, die von der Streckenführung und der Geländebeschaffung abhängig war, bezog. So elementar

486 Vgl. Abitazioni per il personale 1929, S. 5-11; Relazione 1929-30, 1930, S. 45-50; Businari 1931 (1), S. 11-12; Gambino 1931. Bis 1940 kamen nochmals rund 7’000 Wohnungen hinzu, vgl. Ferrovie Italiane dello Stato 1952, S. 14. Verglichen etwa mit den rund 11’200 Wohnungen, die das Istituto Nazionale per le Case degli Impiegati dello Stato, ein 1924 gegrün- detes nationales Wohnungsbauinstitut für Staatsbedienstete, zwischen 1924 und 1939 landesweit baute, sind die Anstren- gungen der Eisenbahngesellschaft im Wohnungsbau durchaus bemerkenswert. Vgl. Fraticelli 1982, S. 258-261. 487 1929 wiesen von den 7’228 statistisch erfassten Wohnungen, die aus dem Fonds der Pensionskasse finanziert wurden, 25,5% zwei Zimmer, 42% drei Zimmer, 27% vier Zimmer, 4,5% fünf Zimmer und 1% mehr als fünf Zimmer auf, die Küche jeweils inbegriffen. Vgl. Abitazioni per il personale 1929, S. 44. Zu den Bau- und Grundrisstypen vgl. ebenda. 488 Vgl. ASFSR, B. 5230, B0(15) fasc. XXXIX, 553-554; ebenda, fasc. XXV, 1071. 174 Mazzoni als leitender Architekt und Ingenieur 2.3 und funktional die Grundrisse der Häuser angelegt waren, so einfach war auch ihre Bauweise. Offen- sichtlich wurden sie nach rationellen und dauerhaften Kriterien erstellt, was die Verwendung lokaler, widerstandsfähiger Materialien, die konventionelle, massive Konstruktionsweise und die Wahl ein- heitlicher Masse und sich wiederholender Raumaufteilungen erkennen lassen. Es waren aber nicht nur wirtschaftliche und praktische Gründe, welche die feste Bauart der Eisenbahnerhäuser bedingten, sondern auch die bautechnischen Anforderungen hinsichtlich Erdbebensicherheit. Die beiden verhee- renden Beben in der Strasse von Messina Ende 1908 und in den inneren Abruzzen anfangs 1915 hat- ten diesbezüglich zu neuen Erkenntnissen und zum Erlass neuer Bauvorschriften geführt,489 um deren Einhaltung die Eisenbahnverwaltung sehr bemüht war, wie der Bericht von Businari zeigt: „L’Amministrazione ferroviaria ha avuto per massima di non lasciarsi guidare nelle sue costruzioni da criteri di esagerata economia, ma di costruire solidamente in maniera da evitare nell’avvenire gravi spese di manutenzi- one straordinaria e ha dovuto a volte difendersi dalla taccia di costruire più caro che non i privati proprietari. I frequenti movimenti tellurici (...) consigliano e giustificano tale linea di condotta. (...) Così in tutti i fabbricati di nuova costruzione viene prescritto, quando non si adotti la completa ossatura a gabbia in cemento armato, che si eseguano le cinture in cemento armato all’altezza dei solai di ogni piano, architravi in cemento armato su ogni vano, coperture non spingenti, scale appoggiate su armature non spingenti e le canne di camino in riporto.“490 Die Eisenbahnerhäuser von Mazzoni in Südtirol bestätigen diese konstruktiven Angaben Businaris: in die gemauerten Aussenwände sind dort zwischen allen Geschossen horizontale Gurte aus Eisenbeton und, in Abständen von ungefähr einem Meter, nicht armierte Zementgurte eingefügt, so dass sie einen Rahmen bilden, der im Verband mit dem Mauerwerk Druck-, Zug- und Schubkräfte aufnehmen und folglich auch Erdstösse aushalten kann.491 In der Regel wurden die Eisenbahnerhäuser von den lokalen Baubüros entworfen und ausgeführt. Ihr äusseres Erscheinungsbild war schlicht und wurde zusammen mit den konstruktiven und dekorativen Details jeweils den Gepflogenheiten und klimatischen Bedingungen der Region angepasst: „Il carattere eminentemente economico degli edifici imponeva di dare ad essi una veste architettonica molto mo- desta. (...) sono stati eseguiti in genere dagli uffici locali i quali hanno cercato, con i mezzi che avevano, di adatta- re le nuove costruzioni al carattere delle città o della località in cui essi dovevano sorgere.“492 Die Variationen in der Fassadengestaltung legen nahe, dass den lokalen Büros im Rahmen ihrer be- schränkten Möglichkeiten eine relativ grosse gestalterische Freiheit gewährt wurde. Archivdokumente des Ufficio 5° lassen vermuten, dass die Zentralstelle in Rom die Projekte lediglich beaufsichtigte und höchstens typologische Richtlinien herausgab. So finden sich beispielsweise zwei verschiedene Planunterlagen aus dem Jahr 1927 für ein dreigeschossiges Wohnhaus mit sechs Einheiten à drei Zimmern, die vermasst, aber ohne spezifische Ortsangabe als Grundlage für konkrete Projekte ge- dient haben mögen; einer der sechs Haustypen, die Mazzoni in Südtirol verwendete, entspricht der einen Vorlage jedenfalls sehr genau, obwohl sein Entwurf von den Massangaben und den Ansichten des Schemas (geringfügig) abweicht.493 Aus den wenigen Dokumenten, die hierzu im Archiv in Rom

489 Vgl. Susinno 1931. 490 (Businari 1931 (1), S. 12.) 491 Die Bauweise bestätigte mir ein älterer Bewohner in Brenner, der an seinem Haus Umbauarbeiten durchgeführt hatte. 492 (Businari 1931 (1), S. 11.) 493 Vgl. ASFSR, B. 5229, B0(15) fasc. XXV, 1320-1324, 1449, 1450, 1459,1460; ebenda, fasc. XXV, 1071. Ende Juli 1930 schrieb das Zentralbüro an alle Lokalsektionen, die neue Häuser planen mussten: „Per la scelta della località dove cos- truire le case, codesta Sezione prenderà accordi con il Sig. Capo Compartimento e per il progetto dei fabbricati si dovrà possibilmente ricorrere ai tipi normali ed a tipi già adottati da codesta Sezione per le case precedentemente costruite, che abbiano quindi ottenuto il benestare degli uffici edilizi comunali.“ ASFSR,( B. 5230, B0(15) fasc. XL, 274.) 2.3 im Ufficio 5° der Ferrovie dello Stato 175 lagern, geht aber nicht hervor, inwieweit das Ufficio 5° die unzähligen Häuserentwürfe auch in ge- stalterischer Hinsicht kontrollierte. Es ist anzunehmen, dass nur einzelne Fälle zur Begutachtung und Bewilligung nach Rom geschickt wurden. Noch seltener kam es vor, dass Projekte im Ufficio 5° bis zur Ausführungsreife ausgearbeitet wurden, die Wohnhäuser in Südtirol und Rom, die, entgegen der allgemeinen Handhabung, von Mazzoni detailliert geplant wurden, stellten diesbezüglich gewiss eine Ausnahme dar.494 Würden alle Wohnungen, die er auf den Bahnhofsarealen (und in Postgebäuden) errichtete, mit jenen, die er explizit als Arbeiterwohnhäuser baute,495 zusammengezählt, so ergäbe dies eine stattliche Anzahl Wohnungen, für die Mazzoni letztlich landesweit verantwortlich war.496 Mit der Übernahme der Bauaufgaben der Post und Telegrafie gelangten im Dezember 1926 auch die Wohnhäuser für Postangestellte in die Kompetenz der Ferrovie dello Stato. In ihren Jahresberichten steht jeweils, an welchen Orten sie entstehen sollten, allerdings bleibt unklar, wie systematisch die Postverwaltung den Wohnungsbau für ihre Angestellten zuvor schon betrieben hatte. Sicher ist nur, dass der Bedarf schon aufgrund des geringeren Personalbestandes (1932 ca. 30’000 Angestellte) klei- ner gewesen sein muss als jener der Bahn, und dass der Wohnungsbau der Post vor allem wegen der Lancierung des Arbeitsbeschaffungsprogramms im Juli 1930 erheblichen Auftrieb erhielt.497

Wie das Beispiel der Eisenbahnerhäuser zeigt, wurde Mazzoni von seinen Vorgesetzten nicht nur mit der Planung von Bahnhöfen und Postgebäuden, den eigentlichen Kernaufgaben des Ufficio 5°, betraut, sondern auch mit Projekten, die das übrige Tätigkeitsfeld des Ministeriums anbelangten, da- runter mehrere Aufträge der verwaltungsinternen Fürsorgeeinrichtungen. Gemeinsam mit Ingenieur Efisio Vodret, dem Leiter des Ufficio 4°, entwarf er den Dopolavoro ferroviario „dell’Urbe“, der nach zweijähriger Planungs- und Bauzeit am 1. Juni 1930 eingeweiht wurde.498 Er liegt ein paar hundert Meter vom Hauptsitz der Ferrovie dello Stato entfernt an der Via Bari und bestand aus drei Bereichen, einem grossen Saal für festliche Anlässe, Theater-, Kino- und Musikvorführungen, einem Hotel mit einem Restaurant und über 100 Zimmern, sowie aus Gemeinschaftsräumen für sportliche, gesell- schaftliche und didaktische Tätigkeiten. Werke verschiedener Künstler statten den Bau innen wie aussen reich aus und widerspiegeln programmatisch seine Nutzung und ideologische Bestimmung: in Nischen über dem Haupteingang zum Saal repräsentieren fünf allegorische Skulpturengruppen von Attilio Selva das Theater, das Kino, die Kultur, die Politik und den Sport, über dem Nebeneingang an der Via Como verkörpern vier Einzelfiguren von Pietro Melandri das etruskische, römische, katholi- sche und faschistische Italien, zahlreiche Stein- und Stuckreliefs von Ulderigo Conti (Adler, Festons, Früchte und ein Kentaur) zieren die Fassade der Bibliothek sowie die Eingänge zu den Sporthallen

494 Im Archiv in Rom sind Pläne von Eisenbahnerhäusern in Venedig und Bozen und von Postangestelltenhäusern in Gar- batella aufbewahrt. Vgl. ASFSR, B. 5366, B0(15), fasc. X 13II und X 14; ebenda, B. 4865 A/B, fasc. II 9(5). Weitere Unterlagen wären vor allem in den Archiven der lokalen Compartimenti zu finden, wie das Beispiel der Häuser Mazzonis in Südtirol zeigt, deren Pläne im Eisenbahnarchiv in Bozen aufbewahrt sind. Auch Narducci entwarf mindestens ein Ei- senbahnerhaus in Bozen, vgl. Tecnica Professionale, Jul. 1933. 495 Dazu gehörten nebst den Wohnhäusern in Bologna, Südtirol und Rom auch jene in Cagliari und Brescia, deren Planung und Ausführung jedoch der zuständigen Lokalsektion übergeben wurden. 496 In Südtirol handelte es sich um mehr als 60 Häuser mit insgesamt rund 525 Wohnungen (rund 1’830 Zimmern), vgl. Kapi- tel 3.3.1 mit Tabelle. In Bologna waren es 64 Wohnungen, in Rom 121, in Brescia sollten es ca. 50 werden; allein auf dem Areal des Bahnhofs Roma Tiburtina wurden mindestens 80 Wohnungen, auf kleineren Bahnhofsarealen, etwa jenen von Trient, Reggio Emilia oder Littoria, jeweils zwischen vier und zwölf Einheiten gebaut. 497 Vgl. Relazione 1926-27, 1927, S. 85; Businari 1931 (1), S. 11; ASFSR, B. 4865 A/B, fasc. II 9(5); ebenda, B. 5230, B0(15), fasc. XL. 498 Vgl. Relazione 1929-30, 1930, S. 194-195; Businari 1931 (1), S. 12; Fasciolo 1931, S. 409-411, 421. Im Zusammenhang mit dem Dopolavoro ferroviario in Rom war in den zeitgenössischen Berichten immer vom „sede dell’Urbe“ die Rede. 176 Mazzoni als leitender Architekt und Ingenieur 2.3 und Bühnenräumen, und von Napoleone Martinuzzi finden sich eine Bronzefigur des Heiligen Chris- tophorus sowie Stuckreliefs und Skulpturen aus Glas in den Innenräumen.499 Der Gebäudekomplex galt als Vorzeigebau der faschistischen Freizeitorganisation OND und sollte landesweit ein Referenz- punkt für alle Eisenbahner sein.500 In Calambrone errichtete Mazzoni für die beiden Fürsorgeinstitute Previdenza per i Postelegrafonici und Previdenza delle Ferrovie dello Stato eine Ferienkolonie für Kinder. Seit 1926 förderte der Staat gezielt den Bau von Kolonien am Meer und in den Bergen, um die körperliche, geistige und morali- sche Entwicklung sozial benachteiligter Kinder zu stärken und sie in seinem Interesse zu beeinflussen. Zusammen mit sechs weiteren, staatlich finanzierten Kolonien und der neu geplanten StadtT irrenia (1933) sollte die Anstalt Mazzonis der Erschliessung und Bewirtschaftung des Küstenstreifens zwi- schen Livorno und Marina di Pisa dienen, ein Vorhaben, das der faschistischen Propaganda besonders zuträglich war und der Livornese Costanzo Ciano aktiv unterstützte. Im Sommer 1933 nahm Mazzo- nis Kolonie, benannt nach Mussolinis Mutter Rosa Maltoni Mussolini, ihren Betrieb auf. Die langge- streckte, annähernd achsensymmetrische Anlage war zweigeteilt und beherbergte auf der einen Seite die Kinder von Postangestellten, auf der anderen Seite jene von Eisenbahnarbeitern. Die Bauausfüh- rung war von Senator Roberto De Vito, dem langjährigen Präsidenten des Istituto Assicurazione e Previdenza per i Postelegrafonici, persönlich begleitet worden, er hatte Mazzoni bereits um 1926 di- rekt mit der Planung beauftragt und sich anschliessend dafür eingesetzt, dass dem Architekten sowohl die künstlerische, wie auch die technische und administrative Leitung übertragen werde.501 Ein drittes Projekt, das Mazzoni für die staatliche Fürsorge zwischen 1935 und 1936 plante, war die Internatsschule für Kunst und Gewerbe in Garbatella in Rom, die der Berufsausbildung von Töchtern von Postangestellten diente. Sie lag am östlichen Rand des neu entwickelten Siedlungsgebietes in ei- nem Park, der unmittelbar an das Grundstück der privaten Villa De Vitos und an die Parzelle, die im Auftrag der Postadministration zwischen 1930 und ca. 1934 mit 316 Wohnungen bebaut worden war, angrenzte. 1942 zeichnete Mazzoni mindestens zwei Varianten für eine Erweiterung der Schulanlage, die aber nicht mehr zur Ausführung kam.502 Zusätzliche Aufträge, die er im Rahmen der erweiterten Tätigkeiten des Ministeriums ausführte, be- trafen zum einen die beiden Sendestationen in Fiumicino und Golfo Aranci, die zum ersten Mal eine Funkverbindung zwischen dem Festland und Sardinien herstellten. Hierfür entwarf Mazzoni drei

499 Vgl. FAM, MAZ B/38, fasc. 7, e/I-II. 500 Interessanterweise baute zur gleichen Zeit in der Sowjetunion (in Charkow, Ukraine) der Architekt Alexander Dmitriew den so genannten Kulturpalast der Eisenbahner, der nicht nur von der Bauaufgabe, dem Raumprogramm und der Verwen- dung her Parallelen zum Dopolavoro Mazzonis aufweist, sondern mit seiner vorgewölbten, ondulierten Hauptfront, der in- nenräumlichen Anordnung des Eingangsbereichs und des Theatersaals auch in gestalterischer Hinsicht korrespondiert. Ob die Projekte damals in der UDSSR bzw. Italien publiziert wurden, konnte bislang nicht eruiert werden. Vgl. Pare 2007, S. 212-215. 501 1973 schrieb Mazzoni an Forti: „In un primo tempo la costruzione fu destinata solo a Collegio per le figlie dei postele- grafonici e dei ferrovieri ed era senza le 2 esedre che la chiudevano come fra 2 parentesi (definizione del Senatore avv. Roberto De Vito). Le 2 esedre furono da me progettate – per ordine del Senatore Roberto De Vito – quando fu deciso al Calambrone fossero ospitati durante l’estate figli di postelegrafonici e ferrovieri. La costruzione divenne così Colonia estiva e Collegio invernale. (...) Nei primi del 1932 la costruzione fu compiuta. Il ritardo fu dovuto al fatto che le opere rimasero sospese durante circa un anno e mezzo perché il Senatore De Vito chiese alle FF. S. che io assumessi oltre la direzione artistica anche quella tecnico-amministrativa e la Amministrazione ferroviaria tergiversò prima di permettere che io avessi la direzione completa della realizzazione dell’opera.“ (FFM, B. IV, 33, Brief vom 21.4.1973.) Zur Geschich- te und Architektur der Ferienkolonien zur Zeit des Faschismus vgl. Domus, März 1985; Anderle 1987; Cities of childhood 1988; Torkler 2001; speziell zu Mazzonis Kolonie vgl. De Vito 1933; Pediconi 1934; Angiolo Mazzoni 1984, S. 118-123; Torkler 2001, S. 32-35; Niglio 2006, S. 11-27, 109-123. 502 Zur „scuola industriale per figlie di postelegrafonici alla Garbatella“ vgl. FAM, MAZ B/17, fasc. 3. 2.3 im Ufficio 5° der Ferrovie dello Stato 177 einzelne, in einer Reihe positionierte, einfache Bauten: je eine Maschinenhalle für den Empfang und die Übermittlung von Nachrichten sowie eine Wohnung für den Stationsvorsteher. Die Baugruppe in Fiumicino liess er aus Backstein mauern, ihr Pendant auf der gegenüberliegenden Seite dagegen aus lokalem, vulkanischem Trachyt-Gestein. Im August 1930 waren die Gebäude nach nur dreimonatiger Bauzeit soweit fertiggestellt, dass die Installation der technischen Apparaturen beginnen konnte: „Il nostro grande Guglielmo Marconi ha personalmente sorvegliato i lavori, assicurando la pratica attua- zione della sua geniale scoperta tra la costa Sarda e quella Laziale.“503 Zum andern plante Mazzoni verschiedene Industrie- und Verwaltungsbauten zugunsten der Spezial- verwaltung zur Förderung von albanischem Rohöl, die der Abteilung für Versorgung angegliedert war. Nachdem der italienische Staat aufgrund der industriellen Entwicklung die Wichtigkeit von Erdölpro- dukten erkannt hatte, erhoffte er sich, durch die eigene Beteiligung an der Ölförderung aus der Abhän- gigkeit der mächtigen angelsächsischen Fördergruppen entrinnen zu können. Die Möglichkeiten lagen nah, denn schon seit dem Altertum vermutete man in der Erde Albaniens grössere Brennstoffvorräte, deren Existenz anfangs des 20. Jahrhundert durch die Untersuchungen italienischer Geologen vor Ort bestätigt wurde. Als Italien anschliessend an den Ersten Weltkrieg einen Teil Südalbaniens besetzt hielt, begann es unter der Leitung seiner Marine erstmals mit der Suche nach den Bodenschätzen, musste sie aber wegen der politischen Wende in Albanien nach zwei Jahren ergebnislos abbrechen. 1925 erhielten die Ferrovie dello Stato dank hartnäckiger Verhandlungen eine Konzession, die ihnen die Wiederaufnahme der Suche in drei Gebieten erlaubte.504 Zu diesem Zweck wurde die Azienda Ita- liana Petroli Albanesi (AIPA) gegründet, sie wurde von der Eisenbahngesellschaft kontrolliert und der Führung Oreste Jacobinis (1867-1956) anvertraut. Jacobini war als angesehener Eisenbahningenieur massgeblich an der Planung der direttissima Bologna-Florenz und der Elektrifizierung des italieni- schen Bahnnetzes beteiligt gewesen, bevor man ihn 1920 zuerst nach Ecuador, und fünf Jahre später nach Albanien schickte, um neue Rohstoffe für die Energieversorgung aufzuspüren.505 Im Betriebsjahr 1931/1932 verliefen die Bohrungen in der Talebene des Flusses Devoli tatsächlich erfolgreich, so dass in den folgenden beiden Jahren unverzüglich die benötigte Infrastruktur aufgebaut wurde; dazu ge- hörten Bohrschächte, Sammelanlagen, Tanks und Leitungen, um das Öl zu fördern und an den Hafen in Valona (Vlorë) weiterzuleiten, zudem Unterkünfte für Beamte und Arbeiter, Bauten für die Direk- tion und für Gäste, Werkstätten, Magazine, ein Heizkraftwerk und die Einrichtung von Zufahrts- und Verbindungsstrassen. Vermutlich wurde also Mazzonis Projekt für zwei Verwaltungsbauten zwischen 1932 und 1934 zusammen mit den übrigen Einrichtungen des Unternehmens errichtet. Die beiden Bauten kamen auf einer kleinen Anhöhe in der damals sumpfigen, malariaverseuchten Gegend, wo sich heute die Stadt Kuçovë befindet, zu stehen und wiesen ursprünglich ähnliche vergitterte Fenster auf, wie jene der 1932 erstellten Bahnhofsbauten in Littoria.506 Die Ausbeutung der Ölfelder und die Investitionen, die der italienische Staat deswegen tätigte, erhöh- ten den Einfluss auf die albanische Regierung, die dem Druck des mächtigen Nachbars nur wenig ent-

503 (Ripanti 1933, S. 463.) Vgl. auch Businari 1931 (2), S. 2; FAM, MAZ B/17, fasc. 5. Die Bauten wurden im Auftrag der Postadministration erstellt. Zu Guglielmo Marconi, dem Pionier der drahtlosen Kommunikation, der 1874 in Bologna geboren wurde, 1937 in Rom starb und mit Costanzo Ciano befreundet gewesen sein soll, vgl. Bologna, Jul. 1937. 504 Nach der Konzessionierung richtete das Ministerium in der Versorgungsabteilung der Eisenbahnverwaltung die beiden Spezialeinheiten „Gestione autonoma per lo sfruttamento dei terreni petroliferi di Albania“ und „Gestione autonoma per lo sfruttamento dei boschi di Albania“ ein. Vgl. Relazione 1925-26, 1926, S. 8; Borgogni 2007, S. 90. 505 Zu Oreste Jacobini und seiner Arbeit für die Ferrovie dello Stato in Albanien vgl. Soave 2007. 506 Vgl. Verani 1931; Relazione 1931-32, 1932, S. 160-161; Ferrovie nel primo decennio fascista 1932, S. 321-328; Relazio- ne 1933-34, 1934, S. 178-179; FAM, MAZ B/5, fasc. 1. 178 Mazzoni als leitender Architekt und Ingenieur 2.3 gegenzusetzen hatte. Ende 1936, als Italien bereits mit Wirtschaftssanktionen belegt war und sich auf sein Autarkieprogramm berief, nahm die Produktion in Albanien ihren Anfang. Vom Hafen in Valona aus transportierten Schiffe das schwefelhaltige, minderwertige Rohöl nach Bari, wo es ab Juni 1938 in der neuen Raffinerie der ANIC (Azienda Nazionale Idrogenazione Combustibili) zu Benzin, Schmier- mittel, Paraffin und Flüssiggas weiterverarbeitet wurde. Auch die Industrieanlage in Bari basierte auf einem Entwurf Mazzonis, über sein Projekt sind abgesehen von einigen Fotos jedoch keine Einzelhei- ten bekannt.507 Eng mit der ANIC verbunden waren ausserdem Ciano, der als Minister seinerzeit die Erschliessung der albanischen Ölfelder vorangetrieben hatte, nun Aktienanteile der Raffinerie hielt und dessen Sohn ab Juni 1936 in der Rolle des Aussenministers die Beziehungen zwischen Italien und Albanien mitbestimmte,508 wie auch Umberto Puppini, Präsident der AGIP, und Antonio Stefano Benni, der 1939 nach seinem Rücktritt als Minister das Präsidium der ANIC über- nahm; als Direktor waltete seit der Gründung der Firma im Jahr 1937 Jacobini, die Industrieanlage befand sich demnach fest in den Händen der Eisenbahnverwaltung. Es bleibt die Frage, weshalb diese Bauaufgaben nicht von den lokalen Baubüros bearbeitet wurden, wie es sonst üblich war, sondern in die Verantwortung der Zentralbehörde in Rom fielen, und warum ausgerechnet Mazzoni mit den Projekten betraut wurde. Verschiedene Gründe mögen dazu beigetra- gen haben: die aussergewöhnliche und vor allem auch politisch motivierte Aufmerksamkeit, die jedem dieser Aufträge entgegengebracht wurde; die persönlichen Interessen der Vorgesetzten (vor allem der Minister), die sich damit jeweils profilieren wollten; die dadurch erhöhtenAnsprüche an die Gestal- tung und Ausführung der Projekte; die Dringlichkeit ihrer Realisierung; die direkten Kontrollmöglich- keiten und schnellen Verfahrensweisen, die am Hauptsitz der Ferrovie gegeben waren; vielleicht auch die Grösse der Bauvorhaben, die teilweise beträchtlich war, wie die Eisenbahnerhäuser in Südtirol oder die Bauten für die Fürsorgeeinrichtungen zeigen. Offenbar traute man Mazzoni von Anfang an zu, dass er nicht nur die Kapazitäten, sondern auch die Fähigkeiten auswies, um nebst dem Entwurf von Post- und Bahnhofsbauten auch alle diese anderen Aufgaben erfolgreich zu bewältigen.

507 Vgl. FAM, MAZ G/1, S. 6-7bis. Nach dem Zweiten Weltkrieg ging die ANIC zur Hälfte an die Standard Oil Company und den ENI (früher AGIP) und blieb bis zur Schliessung im Jahr 1976 unter dem Namen Stanic in Betrieb. Der Werk- platz ist heute immer noch im Besitz des ENI und erlaubt keinen Zugang zum Gelände. Vgl. Nebbia 1987. 508 Mazzoni entwarf anfangs der 30er Jahre in Devoli auch eine Gedenkstätte für die vor Ort verunfallten Arbeiter in Form eines Ölförderturms, 1939 wurde sie in ein Denkmal für Costanzo Ciano verwandelt. Vgl. Angiolo Mazzoni 1984, S. 134. 179

192 Schema verschiedener Anordnungen des Bahnhofgebäudes in Bezug zu den Gleisen und der Verkehrsführung, 1935

193 Schema der Verkehrswege von Strassenfahrzeugen, Reisenden, Gepäckstücken und Postwaren in einem Bahnhofsgebäude

194 195 196

A. Mazzoni, Trinkbrunnen an den Pfeilern der Perronüberdachung für die Erfrischung der Reisenden: „Per bere senza bicchiere - per riempire recipienti“ 202 Skizze auf Plankopien des Bahnhofs von Venedig, o. D. (um 1934) 202-203 Trinkbrunnen auf einem Perron des Bahnhofs Roma Termini (2006) 180

197 Die fünffach überwölbte Halle aus Gusseisen des Bahnhofs von Mailand in einer Zeichnung von Oreste Betti, 1927

198 Das 1933 angefertigte Modell des Bahnhofs von Florenz mit der aus Metall und Glas ausgeführten Kaskade des Empfangsgebäude

199 A. Mazzoni, Bozen, Perrondachkonstruktion aus Gusseisen, 201 A. Mazzoni, Siena, Perrondächer aus armiertem Beton mit Dilatationsfugen zwi- Pfeiler mit Masken und Diamanten profiliert, 1927 schen den Doppelpfeilern, mit Naturstein und Keramikmosaik verkleidet, 1936

200 Konstruktionszeichnungen des Perrondachs des Bahnhofs von Bozen, präsentiert von Lino Onesti am Ingenieurkongress in Tokio 1929 181

202 A. Mazzoni, Fassadenentwürfe für den Bahnhof von Ferrara, Variante „A“ (oben) und Variante „B“ (unten), 1923 (nachgez. KA)

203 A. Mazzoni, Grundriss des Bahnhofs von Brenner, 1925-1930

204 A. Mazzoni, strassenseitige Ansicht des Bahnhofs von Brenner, 1925-1930 205 A. Mazzoni, Bahnhof von Bozen, Strassenseite, 1927-1928

206 A. Mazzoni, Gesamtansicht des Bahnhofs von Siena, 1931-1936 182

207 Funktionsschema und räumliche Beziehungen eines Postgebäudes

208 Raumverteilung Erdgeschoss 209 Raumverteilung 1. Obergeschoss 210 Raumverteilung 2. Obergeschoss 207-210 Die 1933 von der Eisenbahnadministration an die Teilnehmer des Wettbewerbs für vier Postämter in Rom ausgehändigte Schemen (vgl. Abb. 267-270)

212 Jószef Vágó, Rathaus von Montevideo, Wettbewerb 1923

211 A. Mazzoni, Post von Bergamo, 1928-1932, Uhrturm mit leuchtenden Zifferblättern, 213 A. Mazzoni, der für die erste Polemik verantwortliche Haupteingang übereck am Fuss des Turms, rechteckiges Brunnenbecken neben dem Entwurf für den Bahnhof von Florenz, publiziert 1932 Treppenaufgang von Monumentalsäulen und -figuren eingefasst 183

217

214

218

215 219

220

216

A. Mazzoni, drei Ansichten der Post von Ferrara, 1926-1930: 214 Hauptfassaden mit dem übereck angeordneten, öffentlichen Eingang 215 Seitenfassade entlang der Hauptachse Viale Cavour, die vom Castello Estense im Zentrum zum Bahnhof stadtauswärts führt 221 216 Rückfassade zum Hof und zur Anlieferung hin

Postbauten anderer Architekten: 217 Cesare Bazzani, Post von Rieti, Modell 1930, Ausführung 1931-1932 218 Marcello Piacentini, Post von Brescia, 1930-1932 219 Cesare Bazzani, Post von Taranto, Fassadenentwurf 1932, Ausführung 1932-1935 220 Roberto Narducci, Post von Bari, 1930-1934 221 Mario Ridolfi, Post im Quartier Nomentano (Piazza Bologna), Rom, 1933-1935 222 Adalberto Libera und Mario De Renzi, Post im Quartier Aventino (Via Marmorata), Rom, 1933-1935 222 184

223 Wohnhäuser für Eisenbahnangestellte in Reggio Calabria, erstellt nach dem verheerenden Erdbeben vom Dezember 1908, finanziert aus dem Staats- fonds, publiziert von der Eisenbahnadministration in Le abitazioni, 1929

225 Reggio Calabria, Eisenbahnerhäuser im Stadtviertel Garibaldi (7)

224 Reggio Calabria, Anordnung der Eisenbahnerhäuser in den Stadtvierteln 226 Reggio Calabria, Eisenbahnerhäuser im Stadtviertel Calopinace (8)

228 227 A. Mazzoni, Grundriss der Eisenbahnerhäuser in Rom, 1. Etappe 1927-1929 (90 Wohnungen), 2. Etappe 1930-1932 (31 Wohnungen) 227 228 Erste Bauetappe kurz vor der Fertigstellung 185

229 Eisenbahnerwohnhaus im Quartier Appio in Rom im Rohbau, 1934, Konstruktion aus einem festen Rahmenwerk aus Eisenbeton entsprechend den neuen Vorgaben zur Gewährleistung der Erdbeben- sicherheit

230 231 232

233 234 235 230-234 Vom Ufficio 5° herausgegebene Pläne eines Haustypus mit drei Geschossen und sechs Dreizim- 235 Vorzeichnungen für die Typengrundrisse merwohnungen für Eisenbahnangestellte, o. D. (1927) mit Korrekturen, o. D. 186

236 A. Mazzoni, Hauptsitz des dopolavoro ferroviario in Rom, 1928-1930, Entwurfszeichnung der Ansicht zur Via Bari (ca. 1928)

237 Grundriss des Erdgeschosses: im Zentrum der grosse Saal mit Bühne, links die Bibliothek und Sporthallen, rechts der Café- und Restaurantbereich (ca. 1928)

238 239 239 Alexander Dmitriew, Kul- turpalast der Eisenbahner in Charkow, Ukraine, 1927-1932

238 Haupteingang zum Foyer und Theatersaal an der Via Bari, mit fünf Skulpturengruppen von Attilio Selva (Zustand heute) 240 Bühneneingang an der Via Como mit vier Einzelfiguren von Pietro Melandri 241 Figur des Heiligen Chris- tophorus von Napoleone Martinuzzi neben dem Ein- gang zum Restaurant an der 240 241 Via Como 187

242 A. Mazzoni, Ferienkolonie Rosa Maltoni Mussolini in Calambrone, 1926-1933, Ansicht der Anlage von der Strassenseite her

243 Grundriss der Ferienkolonie um 1934, die kleinere Exedra auf der Nordseite Richtung Tirrenia ist noch nicht eingezeichnet

244 A. Mazzoni, einer der drei Bauten der Sendestation in Fiumi- 245 Sendestation in Golfo Aranci, 1930. Während die drei Bauten in Fiumicino aus cino für die kabellose Funkverbindung zwischen dem Festland Backstein gemauert sind, bestehen jene auf der Insel aus lokalem, vulkanischem und Sardinien, 1930 Trachyt-Stein. 188

247 Ansicht des Ölfördergebiets Devoli, um 1932

246 Die 1929 konzessionierten Gebiete in Albanien, wo die von der Eisenbahn 248 A. Mazzoni, Verwaltungsbauten auf dem Hügel oberhalb des Flus- kontrollierte Azienda Italiana Petroli Albanesi AIPA nach Öl suchen durfte, ses Devoli in der Nähe der Anlage Devoli Nr. 2 Devoli Nr. 2 befindet sich im Gebiet im Zentrum (in der Mitte rechts, IX)

251 A. Mazzoni, Ölraffinerie der ANIC bei Bari, um 1938 249 Die zwei Bauten Mazzonis in einer Filmaufnahme von LUCE, 1937

250 Eines der beiden Verwaltungsgebäude um 1932/1934. Die Fenster 252 Übriggebliebene Bauten der seit 1976 stillgelegten Raffinerie bei Bari (2007) bildete Mazzoni ähnlich aus wie jene der Bauten in Littoria 2.3 im Ufficio 5° der Ferrovie dello Stato 189

2.3.2 Die Vergabe von Post- und Bahnhofsaufträgen

2.3.2.1 Direktvergaben Mit der Neuordnung des Ministero delle Comunicazioni und der Übertragung der Bauaufträge der Post an die Eisenbahnverwaltung veränderte sich der Stellenwert des Ufficio 5° merklich. Die Kon- stellation, die sich ab 1924 durch die Mitarbeit der beiden Architekten Mazzoni und Narducci unter der Leitung Businaris im Baubüro ergab, stärkte die Position der Architektur innerhalb der Staats- verwaltung und betonte ein auktoriales Verständnis der Aufgabe, technisch-funktionale Infrastruk- turbauten zu planen, die bis dahin weniger als Verdienst einzelner Architekten, sondern vielmehr als Ergebnis kollektiver Büroarbeit betrachten worden waren. Im Ufficio 5° kamen all jene Projekte zur Ausarbeitung, die besonders anspruchsvoll oder von besonderer architektonischer Bedeutung waren. Die Ingenieure und Mitarbeiter der lokalen Büros der Eisenbahn, die von den zentralen Dienststellen beaufsichtigt wurden, planten alle übrigen Bauvorhaben und leiteten die Ausführungsarbeiten vor Ort. In gewissen Fällen zeichneten aber auch private Architekten für die Entwürfe verantwortlich. Bei den Postaufträgen handelte es sich einerseits um Bauten, die schon vor 1926 vom damals zuständi- gen Bauamt des Ministero dei Lavori Pubblici an Architekten vergeben worden waren und nach dem Zusammenschluss des Ministero delle Comunicazioni von denselben fertiggestellt wurden. Darunter fielen beispielsweise die Postämter von Verona, Cuneo, Lucca, Macerata, Ascoli Piceno, Foggia, Trapani, Catania und Syrakus.509 Andererseits bearbeitete das Ufficio 5° ab 1935, als die vorrangigen Projekte mehrheitlich realisiert oder bereits im Bau waren und die finanziellen Mittel für öffentliche Bauwerke allmählich eingeschränkt wurden, keine neuen Postaufträge mehr, stattdessen richtete es die Aufmerksamkeit auf die laufenden Bahnhofsprojekte und überliess den Postbau den kommunalen Bauämtern oder staatlichen Institutionen.510 Dabei ging es vor allem noch um kleine, sekundäre Pro- jekte, von denen ein Grossteil aufgrund des Krieges allerdings nicht mehr zur Ausführung kam.511 Die Änderung der Vergabemodalitäten war hauptsächlich auf die veränderte wirtschaftliche und po- litische Lage zurückzuführen, womöglich hatte aber auch die seit den frühen 30er Jahren vehement geführte Debatte über die Monopolstellung der staatlichen Bauämter zu den Anpassungen beigetra- gen. Beispielhaft für den Wandel ist die Planungsgeschichte der Post in Pontinia: im Dezember 1934 ordnete der damalige Minister an, das Projekt für ein kleines Postamt in der dritten der fünf Neustädte des Agro Pontino anzugehen.512 Nachdem Mazzoni, wie zuvor schon in Littoria und Sabaudia, mit der Planung beauftragt worden war, schickte er am 10. Januar 1935, noch ehe er den genauen Standort des Gebäudes kannte, einen ersten schematischen Plan zur Prüfung an die Postverwaltung, um Zeit zu gewinnen, wie es im Begleitschreiben hiess, da der Bau vor der angekündigten Einweihung der Stadt

509 Die Autoren der Projekte waren: Ettore Fagiuoli (Verona), Ernesto Mastrogiacomo (Cuneo), Luigi Crociani (Lucca, in Zusammenarbeit mit Narducci), Cesare Bazzani (Macerata, Ascoli Piceno), [?] Bellezza (Foggia), Francesco La Grassa (Trapani), Francesco Fichera (Catania, Syrakus). Vgl. Neudecker 2004, Bd. 2, S. 8-57. 510 „Per peculiari circostanze e sopratutto anche per ragioni di economia, viene convenuto di lasciare affidate ai Comuni od Enti interessati la compilazione ed esecuzione dei progetti di costruzioni di edifici p.t.“ („Risposta al rilievo della Corte dei Conti“, 24. Juni 1938, von Vito Saracista im Namen des Postdirektors anlässlich des Postbaus in Pontinia, ASFSR, B. 4871, fasc. II 9(15), 121-122.) 511 Zu den ab 1935 geplanten, aber nicht mehr ausgeführten Postämtern zählten jene von Bozen, Mestre, Reggio Emilia, Chieti, Frascati, Fiuggi, Frosinone, Molfetta, Catanzaro, Taormina, Marsala; gebaut wurden jene von Alessandria, San Remo, Rimini, Cattolica, Rom (EUR), Pomezia, Aprilia, Potenza, Augusta. Vgl. Neudecker 2004, Bd. 2, S. 8-57. 512 Die Postverwaltung hatte bereits im April 1934 dem Ufficio 5° das Raumprogramm für die Projektierung der Post ge- schickt, der definitive Standort der gesamten Stadt wurde aber nicht vorAugust bestimmt; am 20. Dezember fand deren Grundsteinlegung statt. Vgl. ASFSR, B. 4871, fasc. II 9(15), 226-233. 190 Mazzoni als leitender Architekt und Ingenieur 2.3 am 28. Oktober 1935 errichtet sein sollte. Erst am 17. Januar übermittelte ihm die für die Stadtpla- nung des Agro Pontino verantwortliche ONC den Bebauungsplan und die Angaben zum vorgesehenen Bauplatz, Ende Monat stimmte sie noch den von Mazzoni erwogenen, aber wieder verworfenen Än- derungen des Standorts zu, und am 22. Februar legte dieser schliesslich sein definitives Projekt vor. Der zwischenzeitlich überarbeitete Bebauungsplan vom 15. Februar und der zugehörige Bericht zei- gen jedoch auf, dass die ONC unterdessen das Grundstück gewechselt und die Planung der Post selbst in die Hand genommen hatte, offenbar ohne Wissen Mazzonis und der Eisenbahndirektion, die erst gegen Ende März informiert wurden. Die genauen Gründe, die zu dieser Entscheidung und Fehlkom- munikation geführt haben, bleiben offen, denn dass der Kostenvoranschlag für Mazzonis Projekt fast dreimal so hoch, nämlich 800’000 Lire statt der veranschlagten 300’000 Lire, ausfallen sollte, konn- ten die Postverwaltung und die ONC zum damaligen Zeitpunkt höchstens ahnen.513 Zwischen 1926 und 1934 lagen rund Zweidrittel der neuen Postaufträge in der Verantwortung des Uf- ficio 5°. Bis 1930 bewältigten Mazzoni und Narducci die Aufgaben praktisch im Alleingang, erst im Juli, als die Arbeitsmenge infolge des offiziell ausgerufenen Arbeitsbeschaffungsprogramms sprung- haft anstieg, ersuchte man ausnahmsweise auswärts um Hilfe.514 So wurden die Projekte für Forlì, Imperia, Pescara und Rieti direkt an den römischen Architekten Cesare Bazzani (1873-1939), der zu Beginn der 20er Jahre bereits die beiden Postgebäude in Ascoli Piceno und Macerata gebaut hatte, vergeben. Bazzani hatte sich vor und während des Faschismus landesweit mit zahllosen öffentlichen Bauten einen Namen gemacht, war mit einflussreichen Persönlichkeiten befreundet und in wichtigen Kommissionen vertreten (unter anderem als Jurymitglied des Bahnhofwettbewerbs in Florenz). Ver- mutlich hatte er die Direktaufträge seiner Erfahrenheit und seinen engen Beziehungen zum Ministero delle Comunicazioni und der führenden politischen Klasse zu verdanken; sie brachten ihm im Lauf der 30er Jahre weitere Postaufträge in Taranto, Viterbo, Terni, San Remo und Frascati ein.515 Eine Ausnahme stellten auch die Postbauten in Brescia, Belluno und Carrara dar. Jener in Brescia wurde an Marcello Piacentini, eine nicht minder bekannte und einflussreiche Persönlichkeit, vergeben, aus na- heliegenden Gründen, wie Businari meinte, da Piacentini dort bereits mit der Neuordnung des Stadt- zentrums und der Gestaltung der Piazza Vittoria beschäftigt sei, an deren Nordseite der Postpalazzo entstehen sollte.516 In seinen autobiographischen Aufzeichnungen notierte Mazzoni, dass die Aufträge für Brescia und Taranto zuerst in seinen Händen gelegen hätten; für Letzteren habe die lokale Behörde eine historisierende Angleichung des Gebäudes an die nahe Schlossanlage verlangt, doch als auf dem Bauplatz archäologische Überreste zum Vorschein gekommen seien und es daher an einem anderen

513 Vgl. weiterführend ASFSR, B. 4871, fasc. II 9(15), 206-237; Spiegel 2010, S. 156-173, Anm. 761. Daniela Spiegel zieht in Erwägung, dass Oriolo Frezzotti, der im Februar 1935 für die Stadtplanung Pontinias als künstlerischer Mitarbeiter hinzugezogen wurde und anschliessend die Gestaltung des definitiven Postgebäudes übernahm, denAuftragsentzug Maz- zonis beeinflusst haben könnte, Mazzoni selbst machte dafür aberVito Saracista, ein höherer Funktionär der Postverwal- tung, verantwortlich. Vgl. ebenda, S. 171-172; „Appunti autobiografici“, FAM, MAZ S/21, S. 22. 514 „Con tali poche forze [Mazzoni und Narducci], che non fu possibile aumentare, l’Ufficio (...) affrontava, nei primi mesi del 1926, il nuovo compito [la costruzione dei nuovi palazzi postali], senza trascurare (...) i problemi ferroviari.“ (Businari 1931 [2], S. 2.) 515 Insgesamt war Bazzani demnach für gleich viele Postprojekte verantwortlich wie Narducci, auf dessen Entwürfen die Postämter von Rovigo, Lucca (nur Raumorganisation und Innenausstattung), Cremona, Treviso, Salerno, Vicenza, Bari, Savona, Benevent, Novara, sowie der Umbau der Mailänder Postdirektion basieren. Zu Cesare Bazzani vgl. Giorgini, Tocchi 1988, S. 15-82. „La figura di Bazzani costituisce sicuramente un caso molto particolare (...) intessuta sulla trama di una vasta rete di collegamenti tra Casa Regnante, aristocrazia, alte gerachie ministeriali, Massoneria e centri di potere politico ed economico.“ (Ebenda, S. 15.) 516 Vgl. Businari 1931 (2), S. 3. Die Neugestaltung des Zentrums von Brescia nach den Plänen Piacentinis erfolgte von 1928 bis 1932, vgl. weiterführend Pacini 1932; Lupano 1991, S. 82-87. 2.3 im Ufficio 5° der Ferrovie dello Stato 191

Ort, aber in ähnlicher Form, weitergeplant werden sollte, sei das Projekt, „contrario ai miei principi artistici“, glücklicherweise an Bazzani übergegangen; für Brescia habe Mazzoni dagegen keine Vor- arbeit geleistet.517 Mit den Bauten in Carrara und Belluno wurden auf Druck der Architektengewerk- schaft und ihres Vorsitzenden Alberto Calza Bini die Architekten Giuseppe Boni bzw. Alberto Alpago Novello direkt beauftragt.518 Wie die Beispiele von Taranto, Pontinia und auch Novara519 zeigen, zog der Grundstückwechsel während der Planungsphase bisweilen einen Wechsel des Planungsbeauftrag- ten nach sich, oder führte, wie im Fall der Projekte von Pistoia und Ragusa, zu langwierigen Entwurf- sprozessen und unvorhergesehenen Verzögerungen in der Bauausführung. Da sich die Anforderungen an Postgebäude nicht wesentlich von jenen anderer öffentlichen Verwal- tungsbauten unterschieden, war es für die Bahnadministration zweifellos einfacher, die von der Post übernommenen Aufträge weiterzugeben, anstatt solche, die ihre Kernkompetenzen betrafen und ei- senbahnspezifisches Fachwissen voraussetzten. Das Ministerium handelte daher bei der Übertragung von Bahnprojekten an private Architekten äusserst restriktiv, denn angesichts der komplexen techni- schen Rahmenbedingungen war der entwerfende Architekt stets auf die enge Zusammenarbeit mit den übrigen Eisenbahningenieuren angewiesen. Dies war auch der Grund, weshalb sich Businari nicht für die Auslagerung der Projekte, sondern für die Stärkung der Architektur und die Förderung der Archi- tekten innerhalb der Ferrovie dello Stato einsetzte. Zum einen sah er die architektonische Qualität der Bahnbauten gefährdet, falls in den technischen Büros keine Architekten mitarbeiten würden, zum an- dern befürchtete er, dass im Fall einer Fremdvergabe von Bahnhofsprojekten, die jeweils hauptsäch- lich auf das Empfangsgebäude reduziert wurden, weder der Aufgabe selbst noch den Erwartungen des zuständigen Architekten angemessen Rechnung getragen werden könnte: „All’architetto privato invece viene richiesto di dare veste artistica a un fabbricato quando questo, almeno nelle sue linee generali, ha già avuto forma invariabile e si trova così nelle difficili condizioni del poeta cui vengano imposte, per la sua poesia, rime obbligate, onde la sua opera risente inevitabilmente dei vincoli cui è stata costret- ta. Esso architetto si trova poi, in genere, per la prima volta alle prese con i problemi ferroviari e, non ostante la cultura teorica che possa avere, deve formarsi tutto un corredo di cognizioni pratiche e una mentalità speciale che sa non gli varrà più nell’avvenire.“520 Daher rühre letztlich die Tendenz, kritisierte Businari weiter, dass man sich nur oberflächlich mit der Erscheinungsform auseinandersetze, ohne zu bemerken, dass sich die Räume womöglich als unge- eignet oder bezüglich der Anforderungen der Eisenbahn als unverhältnismässig erwiesen. Um die befürchtete Loslösung der architektonischen von den technischen Fragen zu verhindern, versuchte er, der Architektur innerhalb der Bauabteilung mehr Gewicht zu verleihen, indem er die Planung von Bahnhöfen internen Architekten wie Mazzoni oder Narducci und nicht etwa technischen Beamten oder auswärtigen Architekten anvertrauen wollte. Da das nationale Streckennetz mit den entsprechenden Bahnhöfen zu Beginn der 20er Jahre weitge- hend eingerichtet war, konzentrierten sich die Bauaufgaben fortan vor allem auf den Aus-, Um- oder

517 Vgl. „Appunti autobiografici“, FAM, MAZ S/21, S. 23. 518 In einem Brief an Forti schrieb Mazzoni „che rinunciai di progettare [il Palazzo delle Poste di Belluno] perché fosse pas- sato all’Alpago Novello.“ (FFM, B. IV, 33, Brief vom 8.6.1973.) 519 Für die Post in Novara zeichnete Mazzoni zwischen 1926 und 1931 drei Projekte für zwei verschiedene Grundstücke, 1932 übernahm Narducci die Planung, im Oktober 1934 wurde die Post eröffnet, vgl. Businari 1931 (2), o. S.; Vaccaro 1932, S. 228-231; FAM, MAZ, B/17, fasc. 7-10. Hinsichtlich des Auftragsentzugs blieb Mazzoni in seinen Aussagen widersprüchlich, einmal notierte er, das Projekt sei seiner Bitte entsprechend an Narducci abgegeben worden, dann wie- derum beklagte er, es sei ihm ohne Vorwarnung entzogen worden, vgl. FAM, MAZ G/3; ebenda, B/17, fasc. 9, 15-22. 520 (Businari 1931 (1), S. 1-2.) 192 Mazzoni als leitender Architekt und Ingenieur 2.3

Neubau einzelner Bahnhöfe, deren Grösse und Ausstattung ungenügend und den veränderten Ver- kehrsbedingungen nicht mehr gewachsen waren. Welche Projekte dabei Priorität erhielten und daher dem Ufficio 5° überantwortet wurden, verdeutlicht die Aufzählung Bennis, als er 1938 die Leistungen des Ministero delle Comunicazioni zusammenfasste: zu den neu errichteten Bahnhöfen „degne di essere ricordate specialmente“ zählte er jene in Mailand, Florenz, Bozen, Reggio Emilia, Viareggio, Trient und Montecatini, zu den „importanti lavori in corso“ jene in Reggio Calabria, Messina, Vene- dig und Rom521 – für die genannten Projekte, ausgenommen die Bahnhöfe von Mailand und Viareg- gio, war Mazzoni verantwortlich oder, wie im Fall von Florenz und Venedig, zumindest massgebend beteiligt. Die Aufzählung widerspiegelt seine eindeutige Vorrangstellung im Baubüro der Eisenbahn, denn immerhin hatte zu jenem Zeitpunkt auch Narducci bereits fünfzehn fertige, jedoch mehrheitlich kleine und bei weitem nicht so bedeutsame Bahnhöfe vorzuweisen.522 Eine Sonderstellung nahmen schliesslich die Projekte ein, deren Vergabe im Wettbewerbsverfahren entschieden wurden, vorab die grossstädtischen Postpalazzi von Neapel und Rom, sowie die Kopf- bauten der Bahnhöfe von Florenz und Venedig.

2.3.2.2 Die Wettbewerbsverfahren des Ministero delle Comunicazioni Obwohl das Ministero delle Comunicazioni nicht dazu verpflichtet war, schrieb es am 28. April 1928 den ersten eines zweistufigen, anonym veranstalteten, nationalenWettbewerbs für das Hauptpost- amt in Neapel aus. Dieses sollte zusammen mit anderen öffentlichen Gebäuden im dicht besiedelten Quartier Carità, das im Zuge der faschistischen Altstadtsanierung abgebrochen und zu einem neuen Verwaltungszentrum umgebaut wurde, entstehen. In der Jury waren unter anderem Businari und Gio- vannoni, der auch den piano regolatore von Neapel leitete, vertreten, Mazzoni waltete als Sekretär und bereitete alle Planungsunterlagen vor.523 In einem persönlichen Brief regte ihn Giovannoni an, ein Schema des Raumprogramms zu verfassen, das die Bedürfnisse der verschiedenen Dienstleistungen sowie die Raumgruppen und deren Beziehungen zueinander analytisch aufzeige, er wolle so vermei- den, dass der Wettbewerb zu einer akademischen Übung verkomme oder nur dem Eruieren einer Fas- sade diene.524 In Form einer Tabellenübersicht fand diese praxisorientierte Empfehlung Eingang in die Wettbewerbsunterlagen. Im Vorfeld der Auslobung hatten Mazzoni und Carlo Laneri auf der Basis des Bebauungsplans je einen Vorschlag zur städtebaulichen Setzung des Projekts ausgearbeitet und der Kommission zur Prüfung vorgelegt. Die Situation Mazzonis, die anschliessend als Grundlage für den Wettbewerb weiterverwendet wurde, sah vor, den Neubau um die Südostseite des grossen Kreuzhofes des ehemaligen Klosters Monteoliveto anzuordnen. Seinen städtebaulichen und denkmalpflegerischen Überlegungen zufolge sollten der Hof, der im Lauf der Zeit mit Häusern umbaut worden war, in einen für Fussgänger von zwei Seiten her zugänglichen öffentlichen Platz umgewandelt werden und das Fragment einer gleichermassen eingebauten, dreigeschossigen Loggia aus der Renaissance erhalten

521 Vgl. Benni 1938, S. 20. 522 Narducci baute zur Zeit des Faschismus 20 Bahnhöfe neu oder um, die Mehrheit davon in Norditalien, insbesondere an der Linie Genua-Ventimiglia (Ventimiglia, Albenga, Loano, Pietra Ligure, Finale Ligure, Cogoleto, Genua Bolzaneto). Sein meistbeachtetes Werk ist der Bahnhof von Viareggio, ausserdem baute er jene von Cagliari, Belluno, Taormina, Bar- donecchia, Pesaro, Redipuglia, Santa Flavia Solunto, Villa San Giovanni, Piacenza, Battipaglia, Massa, Roma Ostiense und Alessandria. (in chronologischer Reihenfolge). Vgl. Giacomelli 2004. 523 Die weiteren Jurymitglieder waren Biagio Borriello (Präsident), Ettore Gambi, Vito Saracista und Umberto Leoni in Vertretung der Postverwaltung, Gino Chierici von der Denkmalpflege Kampaniens, Carlo Laneri von der Ingenieurschule Neapels, Mario Folinea von der Gemeinde Neapel, Giuseppe Boni als Vertreter der römischen Architektengewerkschaft. 524 Vgl. Brief von Giovannoni an Mazzoni vom 9. Januar 1928, in: Forti 1990, S. 97. 2.3 im Ufficio 5° der Ferrovie dello Stato 193 bleiben.525 1929 wurden für die zweite Wettbewerbsrunde nur noch fünf Projekte zugelassen, die Kommission vergab aber aufgrund der bei allen Projekten beanstandeten Funktionalität keinen ersten Preis, sondern zeichnete einzig den Entwurf von Vaccaro mit einem zweiten Rang aus.526 Der Perime- ter hatte sich wegen der grossen Höhenunterschiede und der unregelmässigen Grundform als schwie- rig erwiesen, im Nachhinein kritisierte Vaccaro denn auch die städtebauliche Anordnung des neuen Quartiers, die unglücklich sei und die Konkurrenten vor schier unlösbare Probleme gestellt habe: „Evidentemente si trattava di un piano regolatore a sole due dimensioni: la terza era trascurata.“527 Dafür lobte er die Zusammenarbeit mit den Angestellten des Ministero delle Comunicazioni und dem Bauleiter des lokalen Büros in Neapel, Domenico Senes, dank deren Unterstützung sich Korrekturen hätten erwirken lassen.528 Erst im August 1931, nach Abschluss eines komplizierten Enteignungs- prozesses, schloss das Ministerium mit Vaccaro und seinem Mitarbeiter Gino Franzi einen Vertrag ab, worauf sie sechs Monate Zeit erhielten, um das definitive Projekt auszuarbeiten. Nachdem sie das Modell der Post in Agrigent gesehen hätten, so erinnerte sich Mazzoni, sei er von ihnen gebeten worden, ihnen bei der Modernisierung ihres Entwurfs behilflich zu sein, obwohl Ciano für allfälli- ge Änderungen keine Verantwortung habe übernehmen wollen.529 Mazzoni führte nicht weiter aus, wie intensiv die Zusammenarbeit zwischen ihm, Vaccaro und Franzi tatsächlich gewesen sei und bei welchen Planänderungen er sie beraten hätte, im Vergleich zur Wettbewerbsabgabe veränderte sich der Ausdruck des Postgebäudes jedoch erheblich; insbesondere wurden die Fassadenflächen zusam- mengefasst, das dekorative Beiwerk weggelassen und die gliedernden Elemente vereinfacht und ab- strahiert. Vaccaro schrieb diesbezüglich, dass es trotz der inhärenten Monumentalität des Gebäudes kein überflüssiges Element und keine übertriebenen Dimensionen gebe, die dessen monumentalen Ausdruck rhetorisch wiedergegeben hätten: „Si è voluto invece affidare [l’espressione] unicamente alla composizione unitaria degli organi e quindi delle forme, e al valore espressivo dei rapporti.“530 Im Februar 1933 wurde den beiden Architekten der Auftrag zur Ausführung des Baus erteilt und die künstlerische Leitung übertragen, im Mai erfolgte der Baubeginn und im Juli 1935 betraute man sie auch mit dem Entwurf der Innenausstattung. Trotz dem Versprechen Mussolinis fand die Einweihung nicht wie vorgesehen am 24. Mai 1935, sondern erst ein Jahr später statt.531 Am 25. Februar 1933, als die Post noch nicht einmal im Bau war, schrieb das Ministerium erneut einen offenen, nationalen, aber nicht anonymen Wettbewerb aus. Im Januar war bereits angekün- digt worden, dass sich Ciano und Mussolini geeinigt hätten, in der Hauptstadt an geeigneten Orten

525 Vgl. FAM, MAZ, B/17, fasc. 4. Zu den städtebaulichen Vorschlägen Mazzonis und Laneris vgl. FGG, G.G., C.7.125bis. 526 In die zweite Runde kamen die Projekte von Pietro Aschieri/Giacomo Giobbe, Marcello Canino, Alessandro Limongelli, Armando Titta/Corrado Cappezuoli und Giuseppe Vaccaro/Gino Franzi, wobei Aschieri/Giobbe nicht mehr teilnahmen. Mazzoni hielt sich zugute, beim Juryentscheid eine wichtige Rolle gespielt zu haben: „L’architetto Boni (...) ed io dovem- mo richiamare l’attenzione di chi giudicavano che il loro progetto era l’unico che risolveva il problema dal punto di vista funzionale nonostante le sue forme strettamente tradizionaliste.“ (FAM, MAZ, G/1, S. 1-3.) Am Entwurf Vaccaro/Franzi kritisierte die Jury den unangemessenen Charakter der Hauptfassade, vgl. ASFSR, B. 4874, fasc. C II 10(1), 224. 527 (Vaccaro 1936, S. 353.) 528 „Fortunatamente, in sede di progetto esecutivo, ottenni dalle competenti autorità che venissero accolte alcune modifiche planimetriche ed altimetriche nelle immediate vicinanze dell’edificio postale. (...) Mediante il personale ed illuminato intervento dell’allora Ministro (...) furono raggiunti rapidamente i non facili accordi (...). “ (Ebenda, S. 353-354.) 529 Vgl. FAM, MAZ, G/1, S. 1-3. 530 (Vaccaro 1936, S. 355.) Mazzoni schrieb rückblickend in einer Notiz über Vaccaro: „Con il Franzi il Vaccaro si era av- vicinato al moderno abbandonando le forme neopalladiane della scuola tedesca di cui il maggiore esponente era Ludwig Hoffmann passando definitivamente dall’architettura culturalistica a quella del nostro tempo dopo avere avuto nel suo studio come collaboratore il Vitellozzi.“ (FAM, MAZ, D/3, S. 33.) 531 Vgl. ASFSR, B. 4873, fasc. C II 10(1). Zum Wettbewerb vgl. ASFSR, B. 4874, fasc. C II 10(1); Architettura e Arti Deco- rative, Sept. 1929; ebenda, Sept. 1930; zum Bauprojekt vgl. Piacentini, M. 1932, S. 513-524; Vaccaro 1936. 194 Mazzoni als leitender Architekt und Ingenieur 2.3 vier neue Postämter zu errichten, in den Quartieren Appio, Aventin, Milvio und Nomentano wurden daraufhin vier passende Bauplätze ermittelt. Die anfangs Jahr nominierte Wettbewerbskommission bestand vorwiegend aus Architekten und nur wenigen Beamten, namentlich aus Giuseppe Pession, Postdirektor und Jurypräsident, Carlo Broggi, Calza Bini, Enrico Del Debbio, Giovannoni, Giuseppe Pagano, Vaccaro, sowie den Sekretären Businari und Narducci. Den Konkurrenten war es freigestellt, für beliebig viele der vier Postämter einen Vorschlag einzureichen, Ende Mai mussten die Entwür- fe abgeben werden. Wie dringlich das Projekt eingestuft wurde, zeigt sich daran, dass in der Aus- schreibung bereits definiert war, welche Arbeiten die folgende Projektphase umfassen sollte, zudem beauftragte man die prämierten Architekten mit der Ausführungsplanung und begann mit den Aushu- barbeiten, noch bevor die Kommission am 31. August 1933 ihren Schlussbericht bestätigt hatte. Die Eröffnung der Postgebäude fand nach zweijähriger Bauzeit am 28. Oktober 1935 statt.532 Bemerkenswert ist nicht nur der überstürzte Planungsprozess, sondern auch die Tatsache, dass man sich erneut für ein kompetitives Verfahren entschieden hatte. Angesichts der kulturellen und politi- schen Situation Italiens, die sich in der Zeit zwischen 1928, der ersten Wettbewerbsrunde von Neapel, und 1933, der Auslobung des Wettbewerbs von Rom, stark verändert hatte, erstaunt dies jedoch nicht: mittlerweile war der faschistische Konsens gefestigt, und die öffentliche Bautätigkeit hatte ein noch nie da gewesenes Ausmass erreicht,533 zudem waren die Auseinandersetzungen um die faschistische Staatsarchitektur in eine entscheidende Phase getreten. Dank der jungen Architektengeneration, die im Lauf der 20er Jahre ihre Ausbildung an den ersten Architekturfakultäten in Rom, Venedig, Turin, Neapel oder Florenz abgeschlossen hatte und sich nun beruflich bewähren wollte, hatte sich die mo- derne Bewegung der Rationalisten als neue Kraft erfolgreich behauptet; unterstützt von der ebenfalls erstarkten Architektengewerkschaft markierte sie in den öffentlichen Debatten Präsenz, wehrte sich gegen die Dominanz der alteingesessenen Architekten, der technikorientierten Ingenieure und der öffentlichen Bauämter und verlangte mehr Wettbewerb bei der Vergabe von Projekten. 1933 waren so viele grosse Wettbewerbe zu verzeichnen, wie nie zuvor, nebst jenen für die römischen Postgebäude auch jene für die Via Roma in Turin (2. Teil), das Hafengebäude in Neapel, die Bebauungspläne von Como und Sabaudia sowie den Palazzo Littorio in Rom. Die offene Konkurrenz stellte nicht nur vom künstlerischen, sondern ebenso vom politischen Standpunkt her ein strategisch wichtiges Arbeits- instrument dar, das die Architekten wie auch der Staat als Auftraggeber gleichermassen für sich zu nutzen versuchten.534 Die Postbauten der Hauptstadt boten Letzterem eine günstige Gelegenheit, den geäusserten Forderungen Folge zu leisten und zugleich ein grosszügiges, prestigeträchtiges Projekt zu verwirklichen, zudem konnte er damit signalisieren, dass die Staatsverwaltung durchaus bereit für eine Öffnung wäre. Tatsächlich gelang es den jungen rationalistischen Architekten Giuseppe Samonà, Adalberto Libera und Mario Ridolfi, drei der vier Postwettbewerbe für sich zu entscheiden.Aus Sicht der Eisenbahn, die den Auftrag abtreten musste, kam der Verzicht bestimmt gelegen, denn unterdessen

532 Vgl. weiterführend ASFSR, B. 4848, fasc. C II 9(0); Architettura, Jan. 1933 (1); Architettura, Jan. 1933 (2); Rassegna delle Poste, März 1933; Architettura, Apr. 1933 (2); Minnucci 1933 (1); Architettura, Jan. 1934 (2); Poretti 1990. Für den Wettbewerb „A“ (Appio, via Taranto) wurden 22 Projekte eingereicht, für „B“ (Aventin, via Marmorata) 28 Projekte, für „C“ (Milvio, viale Mazzini) 44 Projekte, für „D“ (Nomentano, piazza Bologna) 42 Projekte, mit dem ersten Preis wurden jene von Giuseppe Samonà, Adalberto Libera, Armando Titta und Mario Ridolfi (in gleicher Reihenfolge) ausgezeichnet. 533 1932 feierte das Regime sein 10-jähriges Jubiläum im ganzen Land mit viel Aufwand, im selben Jahr entstand auch Litto- ria, die erste Stadt des Agro Pontino, trat das Gesetz für den neuen Bebauungsplan Roms in Kraft und entbrannte die erste Polemik um den Bahnhof Florenz; in der Hauptstadt wurden überdies die Via dell’Impero und das Foro Mussolini einge- weiht sowie die Mostra della Rivoluzione Fascista veranstaltet. 534 Zur Wettbewerbstätigkeit vgl. Casciato 2004; Ciucci 1989, S. 129-151. 2.3 im Ufficio 5° der Ferrovie dello Stato 195 waren einige der grossen Bahnhofsprojekte von der Phase der Vorstudie in die Planungs- und Aus- führungsphase übergegangen, so dass das Ufficio 5° vollständig mit Arbeit ausgelastet war; überdies stand das Ministerium wegen der Bahnhofsprojekte von Florenz und Venedig und seiner restriktiven Haltung bezüglich Fremdvergaben bereits hinreichend in der öffentlichen Kritik. Im Unterschied zu den Wettbewerben für die Postpalazzi wurden diejenigen für die Bahnhöfe von Florenz und Venedig erst auf erheblichen Druck der Öffentlichkeit hin einberufen; für Mazzoni, der seit mehreren Jahren intensiv mit den Projekten beschäftigt gewesen war, bedeuteten sie den Auf- tragsentzug. In beiden Fällen kamen dieselben Hauptargumente zum Tragen: zum einen, dass Maz- zoni, selbst wenn seine Arbeit weithin anerkannt war, letztlich den Staatsapparat repräsentierte, der das Monopol über die öffentlichen Bauaufträge hielt. Im März 1932 sprach Calza Bini in seiner Rede vor der Abgeordnetenkammer diesbezüglich den wunden Punkt deutlich an, als er die Missstände in der öffentlichen Bautätigkeit und die ungerechte Verteilung der Aufträge zum Nachteil der jungen Architekten anprangerte und zum wiederholten Male mehr Wettbewerb bei der Vergabe von Projekten sowie die Einbindung von Architekten in den staatlichen Bauämtern forderte: „Occorre perseverare, allargare gli esperimenti, togliere dai bandi di concorso formule che non sono che vecchi residui di mentalità sorpassate; e occorre (...) che siano finalmente immessi gliArchitetti nei pubblici uffici, e specialmente in quelli del Genio civile (...) E, si badi bene, non per accentrare in un ufficio tutta la progettazione delle opere da eseguire, come avviene in qualche altra Amministrazione, dove l’unico Architetto, pur egregio sotto ogni punto di vista, è sovraccaricato di lavoro per progettare e dirigere edifici per tutta la nazione.“535 Mit der „anderen Behörde“ und dem „einzigen Architekten“ hatte Calza Bini unmissverständlich von der Eisenbahnverwaltung und Mazzoni gesprochen. Zum andern kam für Mazzoni erschwerend hinzu, dass man ihm in Florenz und Venedig, wo er als auswärtiger Architekt wahrgenommen wurde, nicht die gebotene Sensibilität gegenüber dem Habitus und den lokalen Kunstformen zutraute und daher Fremdbestimmung und Identitätsverlust befürchtete; unausgesprochene protektionistische Überlegungen zugunsten der einheimischen Architekten und die allgemein schwierige Arbeitslage spielten bei diesem Argument zweifellos eine gleich wichtige Rolle, wie die bekundete Sorge um die Gestaltung der Stadt. Die in den Zeitungen ausgetragene Diskussion über den angemessenen Ausdruck des neuen Bahnhofs von Florenz, die im Juli 1932 ihren Höhepunkt erreichte und in der Ausschreibung des Wettbewerbs mündete,536 wie auch der Briefwechsel, der hinsichtlich des neuen Bahnhofs von Venedig ab 1929 auf höchster politischer Ebene geführt wurde, legen Zeugnis von der Beharrlichkeit der lokalen Institutionen und der Unnachgiebigkeit des Minis- tero delle Comunicazioni ab: Die Briefe zeigen etwa, wie einflussreiche venezianische Persönlich- keiten wiederholt den Kontakt zu Ciano und dem örtlichen Bezirksleiter der Eisenbahn suchten: der venezianische Bürgermeister Mario Alverà, die Senatoren Girolamo Marcello und Vittorio Umberto Fantucci ebenso wie , damals Präsident der Abgeordnetenkammer, und Edmondo Del Bufalo, wie Volpi Abgeordneter sowie Sekretär der nationalen Ingenieurgewerk- schaft – alles Venezianer und hohe Parteifunktionäre, die Ciano für eine Zusammenarbeit zwischen den Planern des Ministeriums (sprich Mazzoni) und lokalen Architekten gewinnen wollten.537 Einige

535 (Rede anlässlich der Bilanzpräsentation des Ministero dei Lavori Pubblici, 3. März 1932, zit. nach Mariani 1976, S. 277.) 536 Vgl. zum Beispiel die in der Zeitung La Nazione geführte Debatte: Del Massa 1932; Giachetti 1932 (1); Giachetti 1932 (2); Nazione, 20. Feb. 1932; Nazione, 12. Jul. 1932; Nazione, 13. Jul. 1932; Nazione, 14. Jul. 1932; Nazione, 17.-18. Jul. 1932; Nazione, 20. Jul. 1932; Nazione, 23. Jul. 1932; Romanelli 1932 (1); Romanelli 1932 (2); Romanelli 1932 (3). 537 Vgl. ASFSR, B. 2812, fasc. C IV 82(45), 7-37. Fantucci, der sich ab 1928 mit den Verkehrsverbindungen der Lagunen- stadt befasste und eine neue Strassenbrücke parallel zur Bestehenden der Eisenbahn plante, und Alverà wurden später in 196 Mazzoni als leitender Architekt und Ingenieur 2.3 unter ihnen empfahlen konkret die beiden venezianischen Architekten Giuseppe Berti und Giulio Lo- renzetti, die, nachdem der Bebauungsplan für das Bahnhofsareal im Juli 1930 genehmigt worden war, ohne offiziellen Auftrag, also rein taktisch, bereits Zeichnungen für die Bahnhofsfassade anfertigten. Das Ministerium wies jedoch alle Vorstösse entschieden zurück und meinte, es sei voreilig, bereits Fassadenstudien in Auftrag zu geben, wenn noch nicht einmal die Untersuchungen des Baugrundes abgeschlossen seien, ausserdem bevorzuge man, den Auftrag intern auszuarbeiten, wie Ciano an Volpi schreiben liess: „Intendo che tale studio venga compiuto nel seno dell’Amministrazione Ferroviaria dai nostri funzionari.- Una collaborazione di un architetto estraneo in un problema di indole così spiccatamente tecnica oltre che architet- tonica può riuscire dannosa per il sollecito compimento del progetto in questione. (...) Io ritengo che il progetto dell’Amministrazione Ferroviaria, compilato in un ambiente nel quale sono già predisposti altri progetti di opere generalmente apprezzate per il rispetto all’ambiente e all’arte, potrà, non ostante le ardue difficoltà del tema, riuscire di gradimento degli Enti artistici locali e nazionali.“538 Darüber hinaus war man bemüht, den eigenen Projektleiter Mazzoni zu verteidigen: „L’architetto incaricato dello studio del F.V. [fabbricato viaggiatori] di Venezia ha già dato prove di avere il senso dell’ambiente molto sviluppato, si può citare a tale proposito il palazzo postale di Nuoro che ha riscosso generali approvazioni. Egli ha inoltre una personalità propria bene spiccata, da tempo studia, con anima di artista e di italiano, il problema del quale non si nasconde le grandi difficoltà, che spera degnamente superare.“539 Noch bevor sich die Polemik hinsichtlich des Bahnhofprojekts von Florenz zuspitzte und es im August 1932 zur Ausschreibung eines Wettbewerbs kam, hatte sich das Projekt Mazzonis für das Empfangsgebäude von Venedig konkretisiert, und man beschloss, die Meinung einiger auserwählten, lokalen Persönlichkeiten zu einer traditionalistischen und einer modernen Variante einzuholen,540 ähn- lich wie es Ende 1931 bereits für Florenz geschehen war. Wenngleich die Zustimmung vorwiegend dem traditionalistischen Projekt galt, blieb der Widerstand gegen ein Diktat Roms weiterhin bestehen und entschärfte sich auch keineswegs, als Mussolini nach einer Unterredung mit Minister Puppini, Generaldirektor Luigi Velani, Abteilungsleiter Enrico Ponticelli und Büroleiter Businari die Aus- führung des modernen Projekts anordnete. Dieser Beschluss musste im Mai oder anfangs Juni 1934 gefällt worden sein, denn am 16. Juni wurde ein höchst ambitionierter Zeitplan aufgestellt, demge- mäss das definitive Projekt bis am 31. Juli ausgearbeitet, das Submissionsverfahren bis am 1. Oktober abgeschlossen und der Bahnhof dann innert 380 Tagen gebaut werden sollte, so dass er vor dem 30. September 1935 fertig gewesen wäre.541 Dies ist insofern bedeutsam, als dass der Entscheid demnach auf dem Kulminationspunkt kulturpolitischer Kontroversen getroffen wurde: am 26. Mai 1934 hatte das Parlament nämlich über ein Gesetz zum Bau des Palazzo Littorio in Rom, für den damals ein Wettbewerb im Gange war, zu befinden; während einer Rede Calza Binis erhitzten sich die Gemüter

die Wettbewerbskommission berufen, vgl. auch Kapitel 2.1, Anm. 355. 538 (Brief von Ciano an Volpi vom 28. Juli 1931, ebenda, 36-37.) 539 („Promemoria per il Sig. Direttore Generale“ des Abteilungsleiters Enrico Ponticelli, 23. Juli 1931, ebenda, 10.) 540 Zu den Auserwählten gehörten Nino Barbantini, künstlerischer Berater der Stadt Venedig, Luigi Marangoni von der Kir- chenfabrik San Marco, Gino Fogolari, Vorsteher der mittelalterlichen und modernen venezianischen Kunst, der Architekt Ferdinando Forlati, Guido Costante Sullam von der Architekturschule Venedigs, sowie Ugo Ojetti. Vgl. ebenda, 30-33. Für die Präsentation, die im Juni oder Juli in Rom stattfand, waren im März 1932 drei Modelle vorbereitet worden, wovon offenbar nur zwei gezeigt wurden. Vgl. ebenda, 24-25. 541 Vgl. ASFSR, B. 2813, fasc. C IV 82(45), 25-31. Falls Puppini an der Besprechung anwesend war, wie Mazzoni schrieb, so musste diese nach dem 30. April 1934, nach seiner Einsetzung als Minister, stattgefunden haben. Vgl. „Appunti������������� auto- biografici“, FAM, MAZ S/21, S. 7. Forti machte Schwierigkeiten geltend bei der genauen Datierung der Ereignisse, da Mazzoni, der besagte Sitzung mehrmals auf Dezember 1934 datierte, rückblickend oftmals widersprüchlich gewesen sei, sich geirrt oder möglicherweise auch Vor- und Rückdatierungen vorgenommen habe, vgl. Angiolo Mazzoni 1984, S. 181. 2.3 im Ufficio 5° der Ferrovie dello Stato 197 der Abgeordneten so sehr, dass sie mit Ausrufen wie: „È finita per il novecento!“,„ Non vogliamo la stazione di Firenze in via dell’Impero“, „Ne abbiamo abbastanza di Sabaudia!“, die��������������� moderne Ar- chitektur beschimpften.542 Als provozierende Reaktion auf diese denkwürdige Debatte, der vier Tage später eine zweite folgte, lud Mussolini am 10. Juni die Architekten der beiden geschmähten Projekte von Florenz und Sabaudia, den Gruppo Toscano bzw. Gino Cancellotti, Eugenio Montuori und Luigi Piccinato, zu sich in den Palazzo Venezia ein, um sie seiner persönlichen Anerkennung und Unter- stützung ihrer Werke zu versichern. Die anschliessend allseits gehegte Hoffnung, dass der modernen Architektur endlich der lang ersehnte Durchbruch gelungen sei, wurde allerdings bald enttäuscht, denn die Ereignisse hatten vielmehr deren offene Ablehnung und die tiefe Spaltung der verschiede- nen Lager zu Tage gefördert. Ausdruck dieser enttäuschten Hoffnung war auch der weitere Verlauf des venezianischen Bahnhofprojekts: am 2. August setzte sich die Baukommission Venedigs über die Order Mussolinis hinweg und blockierte die Planung, indem sie den modernen Entwurf Mazzonis unwiderruflich zurückwies: „per le sue qualità intrinseche e perché lo giudica contrastante con le ca- ratteristiche dell’ambiente veneziano“, wie Puppini an Mussolini berichtete.543 Anscheinend übten zu jener Zeit auch die Gewerkschaften der Architekten und Ingenieure Druck auf den Minister aus, um ihn, wie zuvor in Florenz, zur Auslobung eines öffentlichen Wettbewerbs zu bewegen, was letztlich am 27. Oktober 1934 geschah.544 Anders als bei den Postwettbewerben waren Mazzoni und Narducci nicht in die Wettbewerbskommis- sionen eingebunden, sondern wurden von der Eisenbahnverwaltung angehalten, selbst daran teilzu- nehmen.545 Sie mussten zwar auf allfällige Preisgelder verzichten, durften sich dafür aber der perso- nellen und materiellen Ressourcen ihres Büros bedienen, was angesichts der stattlichen Mittel, über die sie somit im Unterschied zu den freischaffenden Architekten verfügten, von den Gewerkschafts- vertretern als privilegiert und daher nicht wirklich wettbewerbskonform beurteilt wurde.546 Mazzoni reizte sein Anrecht gänzlich aus, schon für den Bahnhof von Florenz hatte er drei Projekte eingereicht, für Venedig nun aber präsentierte er nicht weniger als sechs Projekte mit zusätzlich zwei Varianten: „Comprensibilmente irritato e deciso ad adottare un atteggiamento polemico, recupera tutto quanto è stato da lui elaborato nei dieci anni precedenti.“547 Es war zwar gestattet, mehrere Entwürfe abzu- geben, doch nebst Mazzoni taten dies nur Narducci mit drei und Virgilio Vallot mit zwei Projekten, wahrscheinlich konnte es sich ein freischaffender Architekt weder finanziell noch vom Aufwand her leisten, mehr als einen Vorschlag einzureichen. Der im Juli 1935 kommunizierte Wettbewerbsausgang

542 (Italia Letteraria, Jun. 1934.) Zur Parlamentsdebatte vgl. Etlin 1991, S. 428-430; Spiegel 2010, S. 79-81. 543 (Nachricht von Puppini an Mussolini vom 16. August 1934, zit. nach Domenichini 2003, S. 191.) 544 Mazzoni führte wiederholt an, Puppini habe die Wettbewerbsausschreibung veranlasst, nachdem Mussolini angeordnet hatte, die Mückengitter bei der Post in Littoria zu entfernen: „Avvengono due fatti. La qualificazione di antifasciste delle reti antimalariche della Ricevitoria postelegrafonica di Littoria, qualificazione che per essere venuta dal Capo del Governo impressiona il Ministro Puppini. La autorità veneziane risentite fanno scoppiare una protesta generale per la costruzione di edifici moderni lungo il Canal Grande. Da questi due fatti ha origine la sospensione e poi abbandono dei lavori iniziati e il Concorso per la parte frontale della stazione.“ („Appunti autobiografici“, FAM, MAZ S/21, S. 7.) Teile des Bahnhofs gleisseitig waren ab 1930 bereits in Ausführung, vgl. Trasporti e lavori pubblici, Nov. 1936, S. 347-348. 545 Für den Wettbewerb von Florenz reichte auch Paolo Perilli ein Projekt ein, und an jenem von Venedig nahmen Narducci mit drei Projekten und Dario Martini mit einem Projekt teil, vgl. ASFSR, B. 2818, fasc. C IV 82(45), 430-432. 546 Vgl. ASFSR, B. 2818, fasc. C IV 82(45), 379. Die Kosten für die zwei Präsentationsmodelle für den Bahnhof von Ve- nedig, die zwischen dem 17. Februar und 15. März 1934 in Triest von der Holzwerkstatt Sbocchelli hergestellt wurden, geben einen Hinweis über die Verhältnisse: für die ca. 7.50 x 2.00 Meter grossen Modelle bezahlte die Verwaltung 30’000 bzw. 20’000 Lire, was im Mittel dem Jahressalär eines gut ausgebildeten Beamten entsprach, Mazzoni verdiente damals 22’000-23’000 Lire. Vgl. ASFSR, B. 2812, fasc. C IV 82(45), 40; FAM, MAZ S/23, 1.44. Die von Mazzoni gewünschten Wettbewerbsmodelle für Venedig wurden mit je 10’000 Lire veranschlagt, vgl. ASFSR, B. 2813, fasc. C IV 82(45), 1001. 547 (Domenichini 2003, S. 192.) 198 Mazzoni als leitender Architekt und Ingenieur 2.3 fiel unbefriedigend aus, da sich während der Beurteilung drei der sieben Jurymitglieder aus Uneinig- keit abgespalten hatten und einen eigenen Schlussbericht verfassten. Obwohl das Ministerium den Mehrheitsbeschluss und die Rangierung der restlichen vier Juroren, die Vallot zum Gewinner erkoren hatten, akzeptierte, befand es das Ergebnis als zu knapp und wollte den Auftrag nicht vergeben, statt- dessen behielt es sich eine erneute Wettbewerbsausschreibung vor, unternahm jedoch weiter nichts.548 Erst zu Beginn des Jahres 1937, nachdem der Bürgermeister mehrmals auf der Weiterplanung des Bahnhofs insistiert hatte, bot es Vallot die Ausführung des Empfangsgebäudes in Zusammenarbeit mit Mazzoni und dem Ufficio 5° an.549 Durch die beiden Bahnhofswettbewerbe war Mazzoni persönlich der öffentlichen Kritik ausgesetzt und bekam die Kehrseite seiner privilegierten Position als Architekt im Staatsdienst deutlich zu spü- ren. Das strategische Vorgehen des Baubüros und des Ministeriums hatte sich weder in Florenz noch in Venedig ausbezahlt: statt des traditionalistischen Projektes war in Florenz ein Bahnhof entstanden, der als Triumph der modernen faschistischen Architektur gepriesen und als Wendepunkt in der öffent- lichen Bautätigkeit angesehen wurde,550 in Venedig indessen hatten sich die lokalen Behörden und Institutionen einem modernen Entwurf verweigert und langwierige Entscheidungsprozesse provoziert. Mazzoni empfand die Angriffe gegen sich und seine Projekte, die er stets dem Geist der Gegenwart, der „linguaggio moderno dell’architettura“,551 verpflichtet wissen wollte, als ungerechtfertigt.552 Rück- blickend sah er sich bisweilen als doppeltes Opfer, das den Launen seiner Vorgesetzten ausgeliefert gewesen und dessen Arbeit missverstanden worden sei; er war der Ansicht, man habe ihn aufgrund seiner Beamtenposition ausgenutzt, und nannte die Anschuldigungen, sich bereichert und das Mono- pol für Hunderte von Millionen Lire besessen zu haben, eine Lüge: „Io non cercavo incarichi. La amministrazione delle FF.S. me li affidava e me li toglieva a suo piacimento. Inoltre mi compensava – nonostante il mio lavoro fosse continuo ed estenuante – con gli identici emolumenti corrisposti ai miei parigrado. Fui – conseguentemente – non un accaparratore, ma uno sfruttato.“553 Vor dem Hintergrund dieser beiden für Mazzoni zweifellos belastenden Ereignisse erscheint seine kompromissbereite Haltung, die er Ende der 30er Jahre bezüglich des Bahnhofprojekts von Roma Termini einnahm, in einem etwas differenzierteren Licht. Sie kostete ihn letztlich aber nicht nur den Auftrag, den er nach dem politischen Umbruch und seinem Ausscheiden aus der Eisenbahnverwal- tung abtreten musste, sondern auch seinen Ruf als Architekt.

548 40 Teilnehmer reichten insgesamt 48 Projekte ein. Die Rangierung war: 1. Virgilio Vallot (Projekt „B“), 2. Massimo Cas- tellazzi/Cesare Pascoletti/Annibale Vitellozzi, 3. Franco Petrucci, 4. Mazzoni (Projekt „D“), 5. Del Giudice/Errera/ Folin, 6. Allegra/Witting, 7. Narducci (Projekt „A“), 8. Amendola, 9. Giovanni Sicher. Pietro Aschieri, Enrico del Debbio und Vaccaro opponierten gegen die übrigen Jurymitgliedern (Luigi Cozza, Filippo Brancucci, Mario Alverà, Vittorio Fantucci) und wollten den ersten Preis an die Gruppe Castellazzi/ Pascoletti/ Vitellozzi, den zweiten an Petrucci und den dritten an Vallot vergeben. Vgl. ASFSR, B. 2818, fasc. C IV 82(45), 377-390, 413-437; Kapitel 2.1, Anm. 355. 549 Vgl. ASFSR, B. 2818, fasc. C IV 82(45), 336-337, 388, 438-439, 450-451. 550 Mazzoni: „Il Gruppo Toscano fu ricevuto dal Capo del Governo che fece pubblicare in un comunicato (...) il suo plauso ai giovani che rinnovano le arti rappresentando il secolo fascista.“ („Appunti autobiografici“, FAM, MAZ S/21, S. 12.) Obwohl Mazzoni den Auftragsentzug bekämpfte und im Nachhinein die Ereignisse, die zum Wettbewerb geführt hatten, beklagte, richtete sich seine Kritik nicht gegen das Projekt des Gruppo Toscano, für das er wiederholt lobende Worte fand, sondern vor allem gegen die Fehlkommunikation des Ministeriums und die Verfahrensweise allgemein. Zu den Polemi- ken, in die er sich angeblich auf Geheiss seiner Vorgesetzten nicht einmischen durfte, nahm er keine Stellung, was ihm als Schwäche angelastet wurde und ihn als Opportunist erscheinen liess. Vgl. Anm. 363, 577. 551 Vgl. „Appunti autobiografici“, FAM, MAZ S/21, S. 1. 552 Während der ersten Polemik über den Bahnhof von Florenz schrieb Mazzoni beispielsweise an Ugo Ojetti: „Quel che mi addolora è che manca il rispetto verso il funzionario e contro di lui ci si scaglia perché inerte e non può neanche difendersi con le unghie.“ (Brief vom 19. Juli 1932, zit. nach Giacomelli 2003, S. 164.) 553 (FAM, MAZ D/1, S. 19.) Vgl. auch ebenda, B/16, S. 0[2]. 199

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257 253 Neapel, Altstadtsanierung: Abbruch des dicht besiedelten Quartiers Carità und Schaffung eines neuen Verwaltungszentrums (dunkel eingezeichnet das Grundstück der Post), Erarbeitung des piano regolatore in den 20er Jahren, Umsetzung der Planung ab 1931/1932 254 Perimeter der Post gemäss Vorschlag Mazzo- nis, Plan von 1931 mit eingezeichneten Höhen- koten und Geländeneigungen: der ehemalige Kreuzhof des Klosters Monteoliveto sollte in einen öffentlich zugängigen Platz umgewandelt und die dreigeschossige Renaissance-Loggia (A-B) erhalten werden. 255 Kreuzhof 1928 (Beilage Wettbewerb) 256 Renaissance-Loggia 1928 (Beilage Wettbewerb) 254 257 Loggia und Zugang zum Kreuzhof heute (2006) 200

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261 Giuseppe Vaccarro und Gino Franzi, Post von Neapel, 1928-1936:

258 Hauptansicht der Post, Projekt der zweiten Wettbewerbsrunde, 1929 259 Überarbeitete Hauptansicht, Projektstand ca. 1931 260 Überarbeitete Hauptansicht, Projektstand 1932, publiziert in Architettura 261 Hauptansicht der Post nach Abschluss der Bauarbeiten, 1936 262 Die von den Architekten sorgfältig geplante, durch eine subtile Lichtführung und Materialisierung erzeugte Wirkung der Post bei Nacht, 1936

263 Grundriss des Hauptgeschosses des realisierten Projekts 264 Schnitt durch den Eingangsbereich, die Schalterhalle der Post- 262 bank, die Büros und den Kreuzhof 201

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Venedig, Bahnhof Santa Lucia, ausgehändigte Planungsgrundlagen für den Wettbewerb des Empfangsgebäudes, 1934:

265 Lageplan des Bahnhofareals mit dem Gleisfeld, den bestehenden, bereits geplanten oder ausgeführten Bauten (schraffiert) und dem vermassten, für das Empfangsgebäude vorgesehenen Perimeter des Empfangsgebäudes am Canal Grande 266 Perrondachkonstruktion und Perronmöblierung, für die Mazzoni zusammen mit der Lokalsektion Venedig bereits Pläne ausgearbeitet hatte (vgl. Abb. 276) 202

Pläne der vier Grundstücke, die für den Bau neuer Postämter in Rom ausge- wählt und von der Eisenbahnadministration für die Ausschreibung des Wettbe- werbs vorbereitet wurden, o. D. (ca. Dezember 1932):

267 Lageplan für das Quartier Appio/Via Taranto (Wettbewerb „A“): Perime- ter A-B-C-D-E-F 268 Lageplan für das Quartier Aventin/Via Marmorata (Wettbewerb „B“): Perimeter A-B-C-D-E-F-G, die bestehenden Gebäude 1, 2 und 3 sollten abgerissen werden 269 Lageplan für das Quartier Milvio/Viale Mazzini (Wettbewerb „C“): Perimeter A-B-C-D-E 270 Lageplan für das Quartier Nomentano/Piazza Bologna (Wettbewerb „D“): Perimeter A-B-C-D-E-F

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269 2.3 im Ufficio 5° der Ferrovie dello Stato 203

2.3.3 Die Arbeitsprozesse des Ufficio 5°

2.3.3.1 Mitarbeiter, Arbeitsverteilung und Projektablauf Dass Businari mit seiner Aussage, Mazzoni und Narducci hätten die Entwurfsaufgaben bis 1930 al- leine bewältigt, nicht unbedingt übertrieben hatte, bekräftigt sein Schreiben, mit dem er sich am 21. Juli 1930 an seinen Vorgesetzten wandte, um temporäre Hilfskräfte für die erwartete Arbeitsflut in seinem Büro anzufordern.554 Mitte August sollten unzählige, von den lokalen Sektionen ausgearbeitete Projekte für Eisenbahner- und Postangestelltenhäuser aus allen Bezirken in der zentralen Bauabtei- lung in Rom eintreffen, für welche die Uffici 2° und 4° anschliessend die Ausschreibungsverfahren einleiten und die Verträge für die Auftragsvergaben aufsetzen sollten, so dass im September mit der Bauausführung begonnen werden konnte. Auch das Ufficio 5° hatte zu diesem Zeitpunkt insgesamt zehn neue Postgebäude in Planung, jene für Grosseto, Massa, La Spezia, Varese, Trient, Bari, Savona und Vicenza wurden dem Minister Ende Oktober zusammen mit den Entwürfen von Bazzani und Pi- acentini für Rieti, Imperia, Pescara und Brescia präsentiert, einzig das Projekt für Agrigent verzögerte sich noch.555 In seinem Schreiben verlangte Businari einen grossen Raum für die Zeichner und die Befugnis, ausserhalb der normalen Arbeitszeit zusätzliche Administrations- und Kopierarbeiten im Akkordlohn anordnen zu dürfen, ausserdem ersuchte er um personelle Unterstützung für die anstehen- de Zeichnungsarbeit. Namentlich wollte er Remo Chellini, der offenbar zuvor schon in seinem Büro als Zeichner tätig gewesen und für den Bau des Dopolavoro in Rom vorübergehend in das Ufficio 4° entsendet worden war, sowie Mitarbeiter aus lokalen Baubüros zeitweilig kommen lassen, etwa Ettore Romagnoli aus Ferrara, der dort möglicherweise an der Ausführung der Post beteiligt gewesen war, Giovanni Guidotti aus Bologna, wo auch Mazzoni einmal angestellt war, und Mario Gröbner aus Tri- ent, der bereits am Bau des Bahnhofs von Bozen als Assistent des Bauleiters mitgewirkt hatte.556 Da sich die Zusammensetzung des Ufficio 5° vor 1930 nicht rekonstruieren lässt und auch für die fol- genden Jahre nur Namen einzelner Mitarbeiter bekannt sind, können wenig gesicherte Angaben über die Angestellten des Büros und die Aufgabenverteilung gemacht werden. Selbstverständlich waren die architektonischen Projekte nie Einzelleistungen, sondern das Ergebnis gemeinsamer, spezialisierter Arbeit, für welche die Architekten die künstlerische Verantwortung trugen. So weit die Fähigkeiten Mazzonis als qualifizierter Ingenieur und Architekt auch reichten, für die Vorstudien, die räumlichen Anordnungen, die genauen statischen Berechnungen, die Wahl der Konstruktionsweise und Bau- materialien, die Einhaltung der Vorschriften, die Erstellung der Kostenvoranschläge und die Aus- schreibe- und Vergabepraxis war er stets auf die Zusammenarbeit mit seinen Vorgesetzten sowie den Ingenieuren, Fachplanern und Spezialisten der anderen Büros und Abteilungen angewiesen.557 In der Anfangszeit verrichteten Mazzoni und Narducci den Grossteil der Zeichnungsarbeit vermutlich selbst, mit der Unterstützung von wenigen Zeichnern, die Kopien und Reinzeichnungen anfertigten. Als die Arbeit 1930 infolge des forcierten Bauprogramms jäh zunahm, versuchte die Bauabteilung zuerst, die fehlenden Arbeitskräfte mittels personeller Umverteilung intern zu kompensieren. Die Verwaltung sei, wie Mazzoni schrieb, bei den Neueinstellungen sehr zurückhaltend vorgegangen, sie habe die Leute

554 Vgl. ASFSR, B. 5230, B0(15) fasc. XL, 361, 364. 555 Vgl. ebenda, 330-331, 336-338, 356; ASFSR, B. 4761, CII 2(9), 265-266; Businari (2), S. 3; Kapitel 3.2.1.1. 556 Businari meinte bestimmt nicht Ettore Romagnoli, den damals bekannten Literaten, sondern Luigi, der in den 30er Jahren auch am Bahnhof von Siena und am Wettbewerb von Venedig mitarbeitete. Zu Mario Gröbner vgl. Antonini 1928, S. 39. 557 Mazzoni entwickelte beispielsweise die charakteristischen Perrondächer aus Beton zusammen mit dem Ingenieur Giovan- ni Polsoni, der die Konstruktion berechnete. Vgl. FAM, MAZ S/21, S. 12; Cozzi, Godoli, Pettenella 2003, S. 142-144. 204 Mazzoni als leitender Architekt und Ingenieur 2.3 jeweils für konkrete Projekte verpflichtet und anschliessend je nach Bedarf in andereAbteilungen oder Lokalsektionen versetzt.558 Da sich die Arbeitsmenge nach diesem ersten Höhepunkt aber nicht verringerte, sondern im Gegenteil weiter anstieg und zunehmend komplex wurde, je mehr Bahnhofs- projekte die Ausführungsphase erreichten, konnte das Ufficio 5° seine Zeichner nicht mehr entbehren, und die Verwaltung musste sich auch extern nach neuen Mitarbeitern umsehen. In den frühen 30er Jahren wurden mit Paolo Perilli und Vasco Fadigati erstmals zwei ausgebildete Ar- chitekten zu gleichen Bedingungen wie die Ingenieure angestellt. Perilli wurde ab 1936 auch mit eige- nen kleineren Projekten betraut, etwa den Bahnhöfen von Roma Prenestina, Aprilia und Roma Tusco- lano; nach dem Krieg war er weiter im Dienst der Ferrovie dello Stato tätig und an der Fertigstellung des Bahnhofs von Venedig und, wie Narducci, am Wiederaufbau zahlreicher Bahnhöfe beteiligt, in den 50er Jahren übernahm er dann die Leitung des „Gruppo Architettura“ der Eisenbahn.559 Fadigati wirkte vor allem an der Planung und Ausführung des Bahnhofs von Siena mit; in der Nachkriegszeit gehörte er zusammen mit Massimo Castellazzi, Achille Pintonello, Annibale Vitellozzi und der Grup- pe Leo Calini und Eugenio Montuori zu den Gewinnern des Bahnhofwettbewerbs Roma Termini. Wie es scheint, schätzte Mazzoni Fadigati als Mitarbeiter: „Non era curioso ed era amareggiato di essere considerato meno di Paolo Perilli, nonostante valesse molto di più di quest’ultimo.“560 Die Teilnahme Mazzonis und Narduccis an den beiden Bahnhofswettbewerben im Herbst 1932 und im Frühjahr 1935 bedeutete für das Ufficio 5° eine grosse zusätzliche Belastung und bildete wahr- scheinlich den Anlass, neue Leute einzustellen. Aus zwei Memoranden, die Mazzoni im Dezember 1934 und Januar 1935 an den Abteilungsleiter Enrico Ponticelli richtete, um den finanziellen und personellen Mehraufwand anzumelden, lässt sich die damalige Zusammensetzung und Arbeitsvertei- lung der bereits eingespielten Gruppe um Mazzoni, dessen Führungskompetenzen mittlerweile dank der Beförderung zum Ispettore Capo ausgedehnt worden waren, ablesen: Perilli, Fadigati und der Zeichner Luigi Romagnoli, der sonst wie Fadigati mit den Detailplänen für den Bahnhof von Siena beschäftigt gewesen wäre, sollten mithilfe von fünf zusätzlich angeforderten Zeichnern und zwei Hilfszeichnern innerhalb dreier Monate insgesamt 75 Pläne, Aussen- und Innenperspektiven für den Wettbewerb von Venedig anfertigen (Mazzoni rechnete derzeit freilich erst mit der Abgabe von zwei Projekten und zwei Varianten), der Chefzeichner Chellini, der damals den Bau der Post in Pula leitete, sollte die Ausführung der Modelle überwachen und Luigi Adami und der Geometer Giuseppe Basile die Projektgutachten, Berichte und Berechnungen verfassen; diese Personen fehlten entsprechend für die normale Büroarbeit. Übrig blieben noch die Zeichner Armando Sabatini, der die Postangestellten- häusern und die Erweiterung des Bahnhofs von Littoria sowie die Post von Pontinia bearbeitete, und Luigi Pizzuti, der bereits den Postbau in Varese geleitet sowie Teile der Innenausstattung der Post in La Spezia entworfen hatte und nun mit Siena beschäftigt war – wie Gröbner, der offensichtlich noch immer in Rom war, wegen dem Bahnhofsprojekt von Trient aber das Büro demnächst wieder verlas- sen sollte. Mazzoni beantragte deshalb, dass ihm für die Bahnhöfe von Siena und Reggio Emilia die Chefzeichner Enrico Miniati von der Sektion Florenz bzw. Guidotti von der Sektion Bologna zur Ver- fügung gestellt würden; Letzterer sei ihm bis anhin eine wertvolle Stütze gewesen und halte sich wö-

558 Vgl. FAM, MAZ D/9, S. 32; ASFSR, B. 5230, B0(15) fasc. XL, 355-356. Trotz der hohen Arbeitslosigkeit setzte die Verwaltung den Personalabbau bis 1937 stetig fort, in den Büros der zentralen Bauabteilung war aber zwischen 1931 und 1941 ein kontinuierlicher Anstieg von 481 auf 622 Angestellte zu verzeichnen. Vgl. die „Relazioni“ der Eisenbahn. 559 Perilli war für den Wiederaufbau der Bahnhöfe in Como, Foligno, Spoleto, Padua, Aprilia sowie den Umbau des Bahn- hofs Porta Nuova in Turin verantwortlich. Vgl. Masiello 2004, S. 102-103; sowie Kapitel 2.3.1.1, S. 164. 560 (FFM, B. IV, 33, Brief von Mazzoni an Forti vom 23.4.1973.) 2.3 im Ufficio 5° der Ferrovie dello Stato 205 chentlich in Rom auf, um den Stand der Arbeiten zu besprechen. Für die weiteren laufenden Projekte in Pistoia, Ragusa und Montecatini erhoffte sich Mazzoni einen Aufschub der Ausführungsarbeiten bis im Juni, nach der Wettbewerbsabgabe. Für die anderen dringenden Projekte, die Bahnhöfe von Reggio Calabria, Brenner und die Ausführung der Post von Pontinia, meinte er, würde die provisori- sche Einstellung eines fähigen, gewissenhaften Architekten, beispielsweise Annibale Vitellozzi, ein Mitarbeiter Vaccaros, ausreichen. Diesem konkreten Wunsch wollte man aber aus Gründen der Befan- genheit nicht Folge leisten, da Vaccaro Mitglied der Wettbewerbsjury war.561 In der zweiten Hälfte der 30er Jahre wurden weitere Architekten und Zeichner angestellt. Mazzoni notierte, für sein Büro (das ab Mai 1938 von ihm geführte Ufficio 5°bis) hätten zwei offizielle Stel- lenausschreibungen für Zeichnungsaushilfen stattgefunden, und der Abteilungsleiter habe an den Architekturfakultäten von Florenz und Venedig aktiv nach Schulabgängern gesucht, die fähig und willens gewesen wären, für die Eisenbahn zu arbeiten. Als Architekten kamen Francesco Diamanti, den Mazzoni später vor der Einberufung in den Kriegsdienst bewahrt haben will,562 und Croce Stella hinzu, sowie Altero Cantarelli und Cesare Boldrin, die etwa ab 1938 zusammen mit Enzo Rota, Gio- vanni Morassuti und den Zeichnern Lino Lonilli und Benedetto Giambanco am Ausführungsprojekt des Bahnhofs Venedig arbeiteten.563 Dort waren Vallot für das Empfangsgebäude und Mazzoni für den Palazzo Compartimentale und alle weiteren Nebengebäude zuständig. Die Aufgabenverteilung umschrieb er so: „Il lavoro fu diviso fra me ed il Vallot come segue: a me il progettare; ai disegna- tori del 5°bis disegnare in pulito quel che progettavo; agli architetti Boldrin e Cantarelli il disegno delle prospettive; a Bruno Ronca la direzione del gruppo disegnatori adetti a questa opera; a Virgilio Vallot il controllo di tutto questo lavoro, aiutandomi per perfezionarlo e coordinarlo.“564 Indem Val- lot vertraglich verpflichtet worden war, „di collaborare alla dipendenza dell’Ufficio bis5° (...) diretto dall’Architetto Dott. Ing. Angiolo Mazzoni“,565 gestand man ihm trotz des offiziell erteilten Gross- auftrags doch nur eine untergeordnete Hauptrolle im Entwurfs- und Ausführungsprozess zu. Dies ge- schah sicher nicht nur im Interesse der Eisenbahnverwaltung, sondern kam auch Mazzoni gelegen, der wohl kaum gewillt war, widerstandslos weitere Kürzungen seines Auftrags hinzunehmen, selbst wenn die beiden Architekten den Berichten zufolge eine gegenseitig respektvolle Zusammenarbeit pflegten. Dass Mazzoni die verantwortungsvollere Position innehatte als sein freischaffender Kollege, geht un- ter anderem aus den Honorarverhandlungen und -nachverhandlungen hervor, die die Bahnverwaltung während Jahren mit Vallot führte. So begründete sie etwa die beabsichtigten Abzüge an seinem Ho- norar mit dem reduzierten Leistungsumfang: „Infatti egli è esonerato dallo studio della parte costrut-

561 Vgl. ASFSR, B. 2813, fasc. C IV 82(45), 998-1006; FAM, MAZ D/9, S. 32. „L’ing. Luigi Velani mi fece respingere il Consiglio del Vaccaro [di assumere come aiuto l’architetto Vitellozzi] giudicando scorretto che io mi facessi aiutare da un architetto propostomi da uno dei membri della Commissione giudicatrice.“ („Appunti autobiografici“,FAM, MAZ S/21, S. 36.) Über die Grösse und die Zusammensetzung der Arbeitsgruppe von Narducci liegen leider keine Informationen vor. 562 Hierzu schrieb Mazzoni, er sei vom Besitzer des Albergo Impero in Rom, Fiore Chiani, für den Einbau zweier Kamine, einer Treppe und eines Vordachs in seinem Hotel damit entschädigt worden, dass dieser seine guten Verbindungen zum Kriegsministerium genutzt habe, um Diamanti vom Dienst zu befreien. Vgl. FAM, MAZ D/9, S. 33. 563 Vgl. ASFSR, B. 2818, fasc. C IV 82(45), 106. Mazzoni soll Stella und Giambanco empfohlen haben, Vallot die beiden Venezianer Cantarelli und Boldrin. Vgl. FAM, MAZ D/9, S. 32. Mit Giambanco, der nach dem Krieg bei der Sektion Palermo arbeitete, nahm Mazzoni in den 70er Jahren wieder Kontakt auf, um sich nach dem Zustand seiner vier Bauten in Sizilien zu erkundigen, und auch mit Boldrin, der 1967 starb, hatte Mazzoni nach seiner Rückkehr aus Kolumbien erneut Kontakt. Vgl. FAM, MAZ D/16, 1989; D/17, 2025, 2027; D/18, 2151, 2186, 2240, 2247; D/19, 2650, 2751, 2764, 2767, 2771. 564 (FAM, MAZ G/7, S. 420.) Vor der Zusammenarbeit mit Mazzoni wurde Vallot angewiesen, eine Rundreise von Venedig nach Trient, Mailand, Reggio Emilia, Montecatini, Viareggio, Siena und Florenz zu unternehmen, um dort die Bahnhöfe zu besichtigen. Vgl. Brief vom Generaldirektor Luigi Velani an den Leiter des Compartimento Venedig vom [18.?] Sep- tember 1937, ASFSR 2818, fasc. C IV 82(45), 316. 565 (ASFSR, B. 2818, fasc. C IV 82(45), 18.) 206 Mazzoni als leitender Architekt und Ingenieur 2.3 tiva del progetto e dai calcoli di stabilità, dalla compilazione dei computi metrici estimativi, dalla materiale compilazione dei disegni e degli altri elaborati occorrenti pel progetto e per la direzione dei lavori.“566 Zudem habe er keine Ausgaben für Personal, Büromaterial und Reproduktionen. Weitere Hinweise auf die Arbeitsprozesse des Ufficio 5°(bis) geben einige Dokumente aus dem Jahr 1941. Inzwischen befand sich das Land politisch und wirtschaftlich in einem Ausnahmezustand, Ita- lien war ein Jahr zuvor an der Seite Deutschlands in den Krieg eingetreten und richtete nun sämtliche personellen und materiellen Ressourcen auf das Kriegsgeschehen. Auf den wenigen noch funktionie- renden Baustellen fehlten Brenn- und Baumaterialien, insbesondere Metalle, aber auch Textilien oder etwa Leder für die Innenausstattung,567 überdies waren viele wehrfähige Männer in den Dienst einbe- rufen worden. Beim Bau des Bahnhofs von Venedig, der bislang von einem beschwerlichen, endlos scheinenden Planungsverlauf mit unzähligen Studien, Varianten und Änderungen gezeichnet war und dessen Bausumme innerhalb von drei Jahren von 25 auf 70 Millionen Lire angestiegen war, kam es im Mai 1941 offenbar zu Engpässen, die den lokalen Sektionsleiter veranlassten, dem Bauleiter Bruno Ronca und der Planungsgruppe des Ufficio 5°bis ungenügende Zeichnungsarbeit vorzuwerfen; gleichzeitig stand die Gestaltung des Palazzo Compartimentale in der Kritik, „passatistisch“ zu sein, weshalb sich Mazzoni genötigt fühlte, rundum Stellung zu beziehen: Für den Stand der Pläne seien weder Ronca noch seine Zeichner verantwortlich, die unermüdlich arbeiteten: „Questo la Sezione sa perfettamente, e quindi se pausa ne deriva, attribuirne la colpa al gruppo dei disegnatori del 5°bis e del dirigente di esso, è non solo ingiustizia grave, ma manifestazione di malafede, tendente a dare altrui colpa, che non può essere imputata nè alla Sezione, nè al 5°bis.“568 Mazzoni beklagte weiters, nicht genügend Mitarbeiter zur Verfügung zu haben, um einen guten Bauprozess zu gewährleisten. Ideal sei für ihn die Organisation der Grossbaustelle von Roma Termini, die seit 1937 eröffnet war. Dort habe er mit dem Bauleiter Chellini ständig einen Vertreter auf der Baustelle, der vor Ort von einem eigens eingerichteten Büro aus die Arbeiten beaufsichtigen und die Zusammenarbeit mit der für die Ausführung zuständigen Lokalsektion koordinieren könne; und im Hauptbüro arbeite eng an Mazzo- nis Seite der Chefzeichner Guido Toffanin, der das Zeichnerteam leite. In Venedig nahm die Rolle des Bauleiters Ronca ein, und in Genua, wo Mazzoni um 1940 mit der Planung der beiden Hauptbahnhöfe Brignole und Piazza Principe ein weiteres Grossprojekt begonnen hatte, war Pizzuti als Verbindungs- person stationiert. Für letztere beiden Projekte fehlten im Büro in Rom aber kompetente Leiter wie Toffanin, der nicht noch mehr belastet werden könne: „Come posso gravare il Toffanin dei disegni di Genova e di Venezia, lasciando a Genova il solo Pizzuti e a Venezia il solo Ronca? Il Toffanin sareb- be capace di dirigere tutto questo lavoro e di farlo procedere con velocità massima, ma in coscienza come posso disporre questo: come posso compensarlo, pur sapendo che io ne avrei grande utilità.“ Anfangs Juni 1941 rief der Abteilungsleiter Achille Pettenati mit einem an die beiden Sektionen in Venedig und Genua gerichteten Schreiben alle auswärts tätigen Mitarbeiter der Zentralabteilung (ausgenommen Pizzuti) nach Rom zurück.569 Damit wollte man der Personalknappheit am Hauptsitz entgegenwirken und die verbleibenden Arbeitskräfte auf wenige strategische Punkte, vor allem den Bahnhof Roma Termini, konzentrieren, für alle übrigen Projekte waren von da an kaum mehr ausrei-

566 („Appunto per il Sig. Capo del Servizio Lavori. Compenso all’Arch. Dott. Vallot“, 27. Oktober 1938, von Giuseppe Tron- coni, ASFSR, B. 2818, fasc. C IV 82(45), 5.) 567 Vgl. z.B. ASFSR, B. 2818, fasc. „Corrispondenza 1941“, 208-210. 568 (Dokument ohne Adressat, unterzeichnet Angiolo Mazzoni, o.D. [Mai 1941], ASFSR, B. 2818, fasc. „Corrispondenza 1941“, 303.) Vgl. auch den Brief an das Ufficio 2° von Mazzoni vom 22. Mai 1941, ebenda, 280-281. 569 Vgl. Brief vom 6. Juni 1941, ASFSR, B. 2818, fasc. „Corrispondenza 1941“, 241-242. 2.3 im Ufficio 5° der Ferrovie dello Stato 207 chende Mittel vorhanden. Nichtsdestotrotz listet ein Memorandum, das Mazzoni etwa im Juni 1942 für seinen langjährigen Mitarbeiter, den Ingenieur Giovanni Masserizzi, verfasste, noch 26 Projekte auf, die damals in Bearbeitung waren, darunter die erwähnten Bahnhofsanlagen in Venedig und Ge- nua, Studien für jene in Turin Porta Nuova und Mailand Porta Volta, neue Bahnhöfe in Brescia, Inni- chen und Triest, Umbaumassnahmen für jene in Bozen, Brenner und die Post in Varese, sowie zahlrei- che marginale Eingriffe in seinen bereits gebauten Bahn- und Postgebäuden.570 Ungefähr aus derselben Zeit stammt wahrscheinlich auch das einzige bekannte, im Nachlass Mazzonis aufbewahrte, von ihm als „ultimo elenco“ bezeichnete Personalverzeichnis des Ufficio 5°bis, das mit 52 registrierten Namen – darunter jene von Masserizzi, Chellini, Basile, Pizzuti, Adami, Toffanin, Diamanti, Stella und Saba- tini – die inzwischen erreichte beachtliche Grösse seiner Projektgruppe dokumentiert.571 Innerhalb weniger Jahre hatte sich das mit anfänglich zwei Chefarchitekten und einer überschaubaren Zahl von Zeichnern besetzte Ufficio 5° zu einem grossen, verzweigten Büro gewandelt. Ende der 30er Jahre betreute Mazzoni mehrere äusserst komplexe Baustellen riesigen Ausmasses, die er mithilfe einer produktiven Organisation, einer geordneten Aufgabenverteilung, klarer, hierarchischer Struktu- ren und zuverlässiger Mitarbeiter zu kontrollieren versuchte. Er verlangte von ihnen ein Höchstmass an Einsatz, dafür setzte er, wie etwa bei der Planung des Wettbewerbs von Venedig, alle verfügbaren Kräfte in Bewegung und reizte alle ihm gegebenen Mittel aus, um an das Ziel, die Ausführung seiner architektonischen Projekte, zu gelangen. Sich selber schien er dabei keineswegs geschont zu haben: „La mole del mio lavoro mi costringeva a far mettere in pulito i disegni dei miei progetti e dei particolari, nonché le prospettive, (...) il disbrigo di compiti e lavoro tecnici ed amministrativi non era possibile distogliere qualcuno dei miei collaboratori dalla esecuzione di quanto era necessario per soddisfare gli incarichi ricevuti e le esigenze del regolare andamento delle opere in corso per cui in luogo delle consuete ore di ufficio era necessario applicarsi al lavoro per lo meno 12 ore diarie anche durante tutti i giorni compresi quelli festivi, senza eccezioni.“572 Seine wenigen überlieferten Kommentare über den Bürobetrieb lassen erkennen, dass er sich der grossen Belastung, die er seinen Mitarbeitern zumutete, durchaus bewusst war und sich auch um die Anerkennung ihrer Leistungen und eine anständige Entlöhnung bemühte. Wie das Verteidigungs- schreiben zugunsten Roncas gezeigt hat, versuchte er sie (und damit auch sich selbst als Büroverant- wortlicher) wenn nötig vor ungerechtfertigter Kritik zu schützen, oder beantragte, wie etwa im Fall des oben erwähnten Wettbewerbs von Venedig, bei seinen Vorgesetzten eine Vergütung für die geleis- teten Extrastunden. Die Abteilungsleitung antwortete ihm damals freilich, seine Mitarbeiter sollen die Überstunden kompensieren, was Mazzoni ablehnte: „Cosa questa materialmente impossibile dato che debbo negare anche i congedi e costringere continuamente il mio personale a lavorare nelle ore oltre l’orario normale di ufficio.“ Sein wiederholtes Nachfragen deutet darauf hin, dass seine Bemühungen wahrscheinlich ergebnislos blieben, die Mitarbeiter also leer ausgingen: „Alla mia replica (...) chie- dente un compenso almeno, sia pure piccolo ma attestante il riconoscimento di questo super lavoro eseguito, non è stata mai data risposta.“573

570 Vgl. „Promemoria per l’Ing. Masserizzi“, o. D., ASFSR, B. 2818, fasc. „Corrispondenza 1941“, 142-148. 571 Vgl. „Personale dell’Ufficio5°bis “, FAM, MAZ D/13, S. 150. Mazzoni notierte dazu: „Alcuni erano partiti per la guerra.“ Ob Fadigati und Perilli, die auf der Liste fehlen, im Krieg oder im Ufficio 5° registriert waren, ist nicht zu verifizieren; später schrieb Mazzoni allerdings in einer Notiz: „Il Fadigati - il Narducci - ed il Perilli appartenevano alla Sezione 15a dell’Ufficio 5°. Io dirigevo l’Ufficio 5-bis.“ (Ebenda, D/3, S. 9.) Auf der Liste des Ufficio 5°bis fehlen auch Romagnoli, Ronca, Cantarelli, Boldrin. 572 (FAM, MAZ S/21, o. S.) An einer anderen Stelle notierte Mazzoni: „Preciso che io svolgevo (...) funzioni di ingegnere e di architetto e su me pesava la direzione di organismo a se stante del Servizio Lavori ed al Narducci competevano solo i compiti di architetto (progetti e direzione artistica della esecuzione dei progetti approvati)“ (Ebenda, D/9, S. 34.) 573 („Promemoria“, o. D. [Januar 1935], ASFSR, B. 2813, fasc. C IV 82(45), 1000.) 208 Mazzoni als leitender Architekt und Ingenieur 2.3

Mazzoni stellte letztlich den Dienst an der Architektur über alles und muss seine Angestellten dadurch einem enormen Arbeitsdruck und zwischenmenschlichen Spannungen ausgesetzt haben, ansonsten ist kaum zu erklären, weshalb einzelne Mitarbeiter wie Pizzuti, Perilli, Romagnoli und Diamanti im Zug des Säuberungsprozesses nach dem Krieg bereit waren, gegen ihren ehemaligen Chef auszusagen. Gegenstimmen bescheinigten Mazzoni aber auch Unbestechlichkeit, korrektes Verhalten gegenüber seinen Mitarbeitern und Vorgesetzten, eine bescheidene Lebensführung, und dass er immerfort hart gearbeitet habe.574 Auch Forti attestierte ihm in der Nachlese aussergewöhnliche organisatorische Fä- higkeiten und meinte, die zweifelhaften, von offensichtlich frustrierten Zeugen erhobenen Vorwürfe, wonach er ein aufgeblähtes Büro eingerichtet habe, in dem die Zeichner und Architekten aufgrund ihrer unsicheren Position widerstandslos seiner despotischen Macht ausgeliefert gewesen seien, sprä- chen angesichts der greifbaren, sowohl quantitativ wie qualitativ hochstehenden Resultate der Werke vielmehr für, als gegen Mazzoni.575 Sobald die Vorstudien abgeschlossen und auf lokaler Ebene die Rahmenbedingungen eines neuen Auftrags, das ungefähre Raumprogramm und der Perimeter festgelegt waren, erfolgte im Ufficio 5° die Ausarbeitung eines Bauprojekts im Massstab 1:100 oder 1:50, das, bevor es in die Ausführungs- phase gelangte, zwei wichtige Hürden zu überwinden hatte: zuerst benötigte es die verwaltungsinterne Zustimmung aller höheren Instanzen der Bahn- und gegebenenfalls der Postadministration, insbeson- dere des zuständigen Direktors und Verwaltungsrates sowie des Ministers. Nicht selten zogen diese während der Beurteilung der Projekte auch Drittpersonen heran, etwa Vorsteher anderer Ministerien, externe Experten oder, in besonders heiklen Fällen, den Regierungschef persönlich, um den Beschluss anschliessend auf ein möglichst festes Fundament stützen zu können. So lud beispielsweise Ciano im Oktober 1930 die Minister Araldo Di Crollalanza (Ministero dei Lavori Pubblici), (Ministero dell’Agricoltura e Foreste) und Antonio Mosconi (Ministero delle Finanze) zur Besich- tigung der zwölf Postmodelle ein, um ganz konkret ihre Unterstützung für die Projekte von Bari, Vicenza und Pescara, den Heimatstädten der drei Minister, zu gewinnen.576 Für den Bahnhof Florenz holte die Bauabteilung bereits während des Entwurfsprozesses den Rat eines lokalen Fachmannes, des Kunsthistorikers Roberto Papini, ein – eine „infelice idea“, wie Mazzoni nachträglich feststellte, da Papini die verhängnisvolle Empfehlung gegeben habe, aus Respekt gegenüber der Kirche Santa Maria Novella keine moderne, sondern eine traditionelle Variante weiterzuverfolgen.577 Ugo Ojetti, Piacentini und Giovannoni waren weitere wichtige Berater, um deren Meinung sich die Eisenbahn- verwaltung auch unabhängig von lokalen Präferenzen immer wieder bemühte; sie wurden etwa für die Bahnhofsprojekte von Venedig und Rom regelmässig vor richtungsweisenden Entscheidungen zur Konsultation ins Ministerium gebeten. War ein Projekt intern bestätigt, wurde es per ministerialem Dekret und den Unterschriften aller ver- antwortlichen Planer offiziell verabschiedet und an die betroffene Kommune gesendet. Dort galt es,

574 Vgl. Anm. 376. 575 Vgl. Angiolo Mazzoni 1984, S. 38. 576 Vgl. ASFSR, B. 4761, CII 2(9), 265-266. 577 Vgl. FAM, MAZ G/2, S. 27. Wer genau Roberto Papini als Berater hinzugezogen hatte, ist unklar. Mazzoni notierte an anderer Stelle auch, für die moderne Architektur in Italien sei es ein Glück gewesen, dass die Ferrovie dello Stato damals Giovanni Papini und Romano Romanelli vergessen hätten. Vgl. ebenda, D/3, S. 12. Die beiden Florentiner Persönlichkei- ten führten nach der offiziellen Billigung des traditionellen Projekts die erste Polemik an, sie verhinderte dieAusführung des Entwurfs von Mazzoni und ebnete den Weg für den Wettbewerb und das Projekt des Gruppo Toscano. Da sich Maz- zoni nicht in die Polemik einmischen durfte, tauschte er sich währenddessen in einem intensiv geführten Briefwechsel mit Ugo Ojetti aus, der sein Vorprojekt unterstützte. Vgl. Giacomelli 2003, S. 158-165. 2.3 im Ufficio 5° der Ferrovie dello Stato 209 die zweite Hürde zu nehmen, das heisst das Wohlwollen der lokalen Bevölkerung und die Geneh- migung der Behörden und mitspracheberechtigten Institutionen, etwa der Baukommission, Denk- malpflege, Schönheits- und Kunstkommissionen, zu erlangen. Die Ämter prüften das Bauvorhaben hinsichtlich der Gestaltung, des Raumangebots, des Standorts und seiner Einfügung in die Umgebung, und präsentierten es danach der Öffentlichkeit. Auf diese Projektphase, die eine unvorhergesehene Eigendynamik entwickeln konnte, hatten die Bauabteilung und das Ministerium nur noch beschränkt Einfluss, dies bekunden nicht nur die von der Stadtbevölkerung losgetretene Kontroverse um den neuen Bahnhof Florenz oder die Zurückweisung des modernen Bahnhofprojekts von Venedig durch die Baukommission, sondern auch die Postbauten in Ferrara, Pistoia oder Ragusa, deren Planungsge- schichten von jahrelangen Diskussionen der lokalen Behörden geprägt waren. Mazzoni war folglich stark auf die Unterstützung seiner direkten und höheren Vorgesetzten ange- wiesen. Er musste sich anpassen, in die hierarchischen Strukturen einordnen, den Vorschriften und Direktiven fügen, sowie Änderungswünsche hinnehmen können. Dass er trotzdem fähig war, durch seine fachliche Kompetenz zu überzeugen, eigenständig zu arbeiten und die Kontrolle über seine Projekte zu wahren, verdankte er zu einem grossen Teil der Loyalität des Büroleiters Businari, der Mazzoni besonders in den ersten Jahren seiner Tätigkeit gezielt förderte,578 zudem konnte er auf die Fürsprache des verantwortlichen Abteilungsleiters Filippo Brancucci zählen, und in den 30er Jahren gewann er auch das Vertrauen des neuen Generaldirektors Luigi Velani: „L’ingegner Velani comprese che l’architetto era il creatore di tutti i progetti che venivano a lui affidati“.579 Eine solche Einsicht war umso wichtiger, als dass manche Entwürfe Mazzonis bisweilen bereits am internen Widerstand zu scheitern drohten, bevor sie der nochmals ganz anders gearteten Bewertung der Ämter vor Ort ausgesetzt werden konnten. Oftmals waren die Gründe, die den Minister oder den Aufsichtsrat zur Ablehnung eines Projekts bewegten, auf rein persönlich oder politisch motivierte Gefallensfragen zurückzuführen, gegen deren Willkür kaum anzukommen war. Da Ciano etwa die runde Form der Post von Agrigent nicht gefiel, habe er sie abschätzig als „Nachttopf“ und „Klo für eine moderne Ka- serne“ betitelt und die Ausführung während längerer Zeit blockiert.580 Dass gerade bei der Beurteilung des architektonischen Ausdrucks vielfach unsachliche und diffuse Argumente vorgebracht wurden, dokumentieren auch die widersprüchlichen Aussagen im Zusammenhang mit den Bauten Mazzonis in Südtirol exemplarisch: so berichtete er, wie er Ende der 20er Jahre vom Minister und dem versammel- ten Rat vorgeladen worden sei, um ihm vorzuwerfen, dass die Bahnhöfe in Brenner, Bozen und die Wohnhäuser entlang der Eisenbahnlinien aufgrund ihrer „forme architettoniche tedesche“, „forme di oltralpe“ eine Beleidigung für die Heldentaten und Opfer der ehemaligen Frontkämpfer seien.581 Ugo Ojetti sah dieselben Bauten aber offenbar mit ganz anderen Augen:

578 Businari lobte 1931 das unbändige, mutige künstlerische Temperament Mazzonis, das, vielleicht wegen seiner Originali- tät, noch nicht angemessen gewürdigt worden sei: „nelle faville già sprizzate dalla sua fucina.“ (Businari 1931 (2), S. 2.) Als Businari 1932 zum Capo Servizio beförderte wurde, übernahm Giuseppe Tronconi, über den sich Mazzoni nicht wei- ter äusserte, die Leitung des Ufficio 5°. Zu Businari und seinenWerdegang finden sich leider keine Informationen. 579 (FFM, B. IV, 33, Brief vom 18.6.1973.) „Io seguitai a lavorare con l’appoggio dei miei superiori diretti e successivamen- te anche con quello dell’ing. Velani dopo essere stato nominato Direttore Generale delle Ferrovie dello Stato al posto di quell’ing. Oddone che (...) mi fu duramente avverso.“ (FAM, MAZ S/21, S. 4-5.) Im Mai 1931 löste Luigi Velani Cesare Oddone als Direktor der Eisenbahngesellschaft ab. Filippo Brancucci starb am 28. September 1937, vgl. Relazione 1936- 37, 1938, S. 1. In der Abteilungsleitung walteten zu jener Zeit ausserdem Enrico Ponticelli und Achille Pettenati. 580 Vgl. FAM, MAZ B/24, fasc. 2. 581 Vgl. FAM, MAZ B/14, fasc. 2; ebenda, S/21, S. 5. In einer Randnotiz hielt Mazzoni resigniert fest: „Tutti i dirigenti delle FF. S. erano e restano superlativamente ignoranti di tutto ciò che è arte in genere e di architettura in particolare specie se ferroviaria (l’ho – con sofferenza – dovuto constatare durante e dopo il fascismo).“ (Ebenda, D/3, S. 15.) 210 Mazzoni als leitender Architekt und Ingenieur 2.3

“Ugo Ojetti, rientrando in Italia dopo una lunga sosta in Germania, durante la sosta nella Stazione del Brennero scese dalla carrozza letti in pigiama per ammirare gli archi dell’allora edificio della Dogana e la semplicità di tutta la costruzione perché gli archi e detta semplicità gli diedero la certezza di essere giunto in Italia dove – commentò – tutto è armonia e purezza.“582 Die zeitgenössische Presse lobte dagegen vor allem die Modernität der neuen Bauten des Faschismus: “Una delle opere più belle dell’Italia Fascista a Bolzano è certamente la nuova Stazione Ferroviaria costruita con modernissimi criteri e con rapidi sistemi, voluti ed infusi dal Duce e da S. E. Ciano anche alle vecchie organiz- zazioni statali che ne risultano ringiovanite ed armonicamente intonate alla nuova èra. (...) La linea nuova (...) dà alla architettura dell’edificio un carattere di nuovo ed in qualche parte anche di azzardato, tanto da aver sapore di vero e proprio lancio che ha fatto dire essere lo stile moderno 900 + 1. Ad ogni modo è un moderno nel quale ci si vede e ci si sente una linea, un gusto nostro italico.“583 Businari wiederum betonte bezüglich des Bozner Bahnhofs primär die architektonischen Qualitäten: „È coraggiosamente ispirata a idee completamente innovatrici e rispondenti a criteri di semplicità e robustezza armonizzanti con lo spirito dell’epoca nostra“.584 Mazzoni stellte diesen Bau im Rückblick als dasjenige Werk dar, mit dem das bis dahin bürokratisch gehandhabte Entwurfsverfahren der Bahn- verwaltung durchbrochen worden sei – was für all jene schwierig zu verstehen sei, die Businari und Mazzoni „e la loro fatica titanica per fare trionfare l’architettura e portare a accettare il moderno“585 nicht kennen würden.

2.3.3.2 Entwurfsmethoden und Interessensgemeinschaften Was das bedeutet haben mag, geht ansatzweise aus dem 1931 publizierten Bericht von Businari her- vor. Wie sich zeigt, wünschte er sich, den Eisenbahn- und Postbau von Grund auf zu erneuern, das heisst die Wertschätzung der ihm anvertrauten Bauaufträge nicht mehr wie bis anhin von der Ausfüh- rungsgeschwindigkeit und wirtschaftlichen Kriterien abhängig zu machen, sondern von der architek- tonischen Qualität der Bauten, welche Kunst, Technik und Funktionalität zu einer unlösbaren Einheit fügten. Die Kunst war ihm ein persönliches Anliegen, genauso war er sich bewusst, dass die gegen- wärtige Zeit einem veränderten Kunstverständnis folgte und nach neuen Lösungen verlangte: „poiché nuovo era l’animo dell’artista, nuovi i mezzi tecnici disponibili, variato il costo dei materiali“, man könne sich somit nicht mehr mit der kühlen Nachahmung der glorreichen künstlerischen Vergangen- heit zufrieden geben.586 Für sein Büro suchte er deshalb gezielt Künstler,587 die fähig waren, diese deli- kate, doppelte Aufgabe anzugehen und womöglich zu erfüllen. Ein architektonisches Werk könne nur dann einen hohen Grad an Perfektion erreichen, wenn es in seiner Gesamtheit erfasst werde, der Ar- chitekt müsse daher seine Aufgabe vollständig beherrschen: „solo allora nel concepimento, le forme architettoniche delle facciate si svilupperanno in armonia alle forme imposte dalle necessità tecniche delle piante.“588 Businari war weitsichtig genug zu erkennen, dass hierfür auch eine Erneuerung der Arbeitsorganisation notwendig war: „che permettesse all’artista di conservare la indipendenza neces- saria perchè egli potesse assumere la personalità e responsabilità della sua opera, pur temperando tale

582 (FAM, MAZ D/3, S. 8.) Diese Anekdote überlieferte Mazzoni. 583 (Antonini 1928, S. 39-40.) Vgl. auch Capezzuoli 1928; Architettura e Arti Decorative, Okt./Nov. 1929. 584 (Businari 1931 (1), S. 10.) 585 (FAM, MAZ B/14, fasc. 2.) 586 (Businari 1931 (2), S. 1.) 587 „Occorreva trovare tra i funzionari della Amministrazione gli artisti (...)“ (Businari 1931 (2), S. 1.) Offensichtlich suchte Businari nicht explizit Architekten, sondern Mitarbeiter mit einem ausgeprägten künstlerischen Bewusstsein. 588 (Businari 1931 (1), S. 1.) 2.3 im Ufficio 5° der Ferrovie dello Stato 211 libertà con la dipendenza gerarchica inevitabile in una pubblica Amministrazione.“589 Da sein Hand- lungsspielraum zur Verwirklichung der anvisierten künstlerischen und strukturellen Reformen auf seine Funktion als Büroleiter beschränkt blieb, konzentrierte er sich darauf, die Arbeit der Architekten innerhalb seines Büros zu stärken, indem er ihre Position als eigenständige Autoren förderte und ihre Werke gegenüber Vorgesetzten und Dritten entsprechend vertrat; durch ein umsichtiges, planvolles Einführen von Neuerungen wollte er schliesslich nach und nach ein Umdenken innerhalb der traditi- onsbewussten, technikdominierten Eisenbahnadministration erwirken. Die Zusammenarbeit mit Businari und die günstigen Bedingungen bei seinem Stellenantritt in Rom waren für Mazzoni folglich ein Glücksfall: „Il Businari era eccellente calcolista, amava l’arte specie la musica e [era] desideroso di dare all’edilizia ferroviaria forme di arte“.590 Um die hochgesteckten Ziele zu erreichen und ihre Vorstellungen von moderner Architektur im Eisenbahn- und Postbau ent- wickeln und realisieren zu können, eigneten sie sich im Lauf der Jahre gemeinsam ein strategisches Vorgehen an, indem sie für die Aufträge jeweils mehrere Varianten ausarbeiteten und zur Diskussion stellten. Die Entwürfe konnten sich dabei in ihrem Ausdruck stark voneinander unterscheiden und wurden von Mazzoni meistens stilistisch grob vereinfacht als traditionalistisch (auch „culturalistico“) oder modern bezeichnet. Wenngleich diese Arbeitsweise eine spezifische Eigenart von Mazzoni gewe- sen sein mochte – Belege für seinen temperamentvollen und erfinderischen Umgang beim Entwerfen in scheinbar diametralen Varianten finden sich in der Studentenzeit ebenso wie in der Nachkriegszeit, beispielhaft sind etwa die unerschöpflichen Zeichnungen für die Cappella della Nunziatura in Kolum- bien, eine wahrhaftige „prova di potenza creativa“591 –, so diente sie ihm im Diskurs mit den höheren Vorgesetzten und lokalen Behörden vor allem als Instrument, um die Spannweite der Meinungen und die Möglichkeiten für einen Konsens auszuloten und abzuschätzen, welche Vorschläge sich mit wel- chen Mitteln durchsetzen liessen. An Orten, wo der Fokus nicht unmittelbar auf dem bauhistorischen Kontext lag, beispielsweise in den neuen Städten des Agro Pontino, an der Peripherie historischer Stadtkerne, in Gebieten neu geplanter Stadterweiterungen oder in wenig besiedelten Regionen, wie auch auf den weniger wirkungsvollen Seiten der Bauten und Anlagen selbst, etwa dem Gleisfeld, den Höfen, den rückwärtigen Bereichen oder in den Innenräumen, wurde Mazzoni tendenziell mehr Ge- staltungsfreiheit zugestanden als dort, wo der Wunsch nach einem klassisch-repräsentativen Ausdruck oder stilistische Vorlieben und persönliche Ambitionen von lokalen Politikern dominierten.592 Wohl wissend, dass sich die Ämter vor Ort hauptsächlich für die äussere Gestaltung der Bauten, deren wür- dige Erscheinung und Anpassung an örtliche Bautraditionen interessierten, erteilte Businari Mazzoni wiederholt den Rat, zuerst einen traditionellen, korrekt ausgearbeiteten, mehrheitsfähigen Entwurf zu präsentieren. Damit wollten sie das Vertrauen der Auftraggeber gewinnen, so dass Änderungen oder gar neue Vorschläge in der Folge einfacher akzeptiert würden: „Conquisterai grande autorità e dopo potrai imporre la tua volontà.“593 Mit dieser verhaltenen, defensiven Strategie signalisierten sie eine taktische Kompromissbereitschaft, die Mazzoni zwar Zugeständnisse abverlangte, aber zugleich gestatten sollte, die Projektentwicklung zu lenken und eigene Ideen zu verwirklichen. Diese Vorgehensweise erklärt beispielsweise, weshalb

589 (Businari 1931 (2), S. 1.) 590 („Appunti autobiografici“, FAM, MAZ S/21, S. 2.) 591 Vgl. hierzu FAM, MAZ S/16, S. 24. 592 „Potei costruire con forme di apparenza moderna i palazzi postali di Agrigento e di Pola portando il moderno nei cortili – negli interni e in alcune parti esterne dell’edificio.“ FAM,( MAZ S/15, S. 95.) 593 („Appunti autobiografici“, FAM, MAZ S/21, S. 1.) Vgl. auch Kapitel 1.1, S. 20. 212 Mazzoni als leitender Architekt und Ingenieur 2.3 für die Post von Ostia Lido ein frühes Projekt existiert, das mit dem realisierten Bau nicht die gerings- ten Gemeinsamkeiten aufweist. Forti bezeichnete den mit vielen Rundbogenfenstern ausgestatteten Entwurf „di tipo piacentiniano di un classicismo liscio“ als „progetto interlocutorio“, das zeige, wie Businari und Mazzoni mithilfe eines harmlosen, konventionellen Vorschlags versuchten, die Prü- fungskommission günstig zu stimmen.594 Was in Ostia Lido offensichtlich gelang, erwies sich in Pis- toia dagegen als wenig erfolgreich: dort sei sich Businari sicher gewesen, dass ein modernes Projekt sofort abgelehnt würde, und er habe ihm daher angeordnet, zusätzlich einen traditionellen Entwurf zu präsentieren, doch auch der sei ohne zu Zögern zurückgewiesen worden: „Mai immaginando che anche il tradizionalista fosse da dette autorità dichiarato eccessivamente moderno e conseguentemente non in armonia con l’ambiente architettonico di Pistoia. Nella speranza di una eventuale remi- niscenza il Businari mi fece disegnare vari progetti ultra tradizionalisti cioè, secondo il suo parere, atti a dimostra- re che il progetto moderno fosse tale da potere essere costruito.“595 Für den Widerstand gegen sein Pistoieser Projekt, das ab 1932 in Planung war, machte Mazzoni teil- weise die Kontroversen um den Bahnhof Florenz und seine Position als nicht-toskanischer Architekt verantwortlich. Mehrfach beklagte er sich aber auch über die mangelnde Unterstützung des Minis- ters Puppini; erst, nachdem dieser anfangs 1935 durch Benni ersetzt worden sei und die Post bereits im Bau war, habe Mazzoni wenigstens in den Innenräumen noch seine Vorstellungen von moderner Architektur ausführen können.596 Gelegentlich versuchte er sich auch einfach über Vereinbarungen hinwegzusetzen, wie in Ferrara etwa, wo er wiederum mit einer ausgeprägt lokalpatriotischen Bau- kommission konfrontiert war. Da diese von Anfang an bevorzugt hätte, den Postauftrag einem der einheimischen Architekten zu übertragen, prüfte sie Mazzonis Entwürfe, die sich am ferraresischen Baustil des 16. Jahrhunderts orientieren sollten, umso sorgsamer und verlangte zahlreiche Verbesse- rungen. Während des Bauprozesses ging dieser dann soweit, dass er eigenmächtig und ohne Mittei- lung zu erstatten Planänderungen vornahm: er korrigierte Höhenmasse, änderte Materialien, zeichnete Dekorationselemente neu, vereinfachte die Fenster, liess Skulpturen weg: „L’indispettito Mazzoni pare volersi vendicare delle ‚censure‘ con spiritosissime trovate, per diminuire o beffeggiare l’apporto dell’intellighenzia locale.“597 Als der Bauleiter Ermanno Tedeschi die Baukommission über das eigen- willige Tun des Architekten aufklärte, löste sich ein Sturm der Entrüstung, worauf er einige Änderun- gen rückgängig machen musste und fortan Businari an den Bausitzungen teilnahm.598 Als Teil ihrer berechnenden Methodik, die ihnen das Durchsetzen moderner Projekte erleichtern sollte, stellte Mazzoni wiederholt die Idee der „fasci monumentali“, der stilisierten, monumentalen Rutenbündel dar, die er 1932 erstmals für die Post von Littoria, kurz darauf auch für jene von Paler- mo, Pula, Ostia Lido und die Bahnhöfe von Montecatini und Siena entwarf. Als Sinnbild des antiken römischen Reichs, der faschistischen Revolution und des neuen Italiens hatte das Liktorenbündel kurz nach der Machtergreifung der Faschisten zuerst auf Münzen und Briefmarken Verbreitung gefunden

594 (Forti 1978, S. 44.) Vgl. Angiolo Mazzoni 1984, S. 187-188; Cozzi, Godoli, Pettenella 2003, o.S.; FAM, MAZ G/3, S. 33. 595 (FAM, MAZ S/21, S. 10.) Andernorts notierte Mazzoni: „Per riserva di salvamento il Businari fece progettare al Mazzoni anche un progetto tradizionalista. (...) Fu da dette autorità qualificato ‚moderno‘. (Ne furono fatti altri – feci del passatis- mo a cascate del niagara: Businari: per temporeggiare).“ (Ebenda, B/28, fasc. 3.) Vgl. auch Neudecker 2004, Bd. 2, S. 39. 596 Vgl. ebenda, D/3, S. 68-73; sowie Anm. 544. 597 (Scardino 2003, S. 209.) 598 Mazzoni projektierte die Post zwischen 1926 und 1927, gebaut wurde sie in den folgenden zwei Jahren und eröffnet am 1. Juni 1930. Der Neubau erhielt nur wenig öffentliche Anerkennung, bereits im April 1929 hatte ihn die ferraresische Tageszeitung Corriere Padano in einem bissigen Artikel als einen „am Strand Ferraras ausgetrockneten Wal“, als „haar- sträubendes Architekturmonster“ und „kolossalen Alptraum“ diskreditiert. Vgl. weiterführend Scardino 2003, S. 205-213. 2.3 im Ufficio 5° der Ferrovie dello Stato 213 und musste ab der zweiten Hälfte der 20er Jahre, nachdem es zum Staatsemblem erhoben worden war, laut Gesetz an allen staatlichen und staatlich finanzierten Gebäuden sichtbar angebracht wer- den.599 In der Architektur Mazzonis ist das Liktorenbündel in unterschiedlichster Form zu finden, als applizierte Reliefs, Leuchtkörper und Sockel für Fahnenstangen, aber auch als grossmassstäbliche räumliche, strukturelle und dekorative Elemente, etwa im Kontext eines Gefallenendenkmals, zei- chenhaft an Fassaden oder Türmen und als Türme selbst. In einem seiner Fotoalben notierte er, dass ihm und Narducci im Baubüro der Eisenbahn eine interessante Bildersammlung mit Fotografien von historischen Skulpturen, Malereien, Reliefs und Bauschmuck, die das Liktorenbündel abbildeten, als Nachschlagewerk zur Verfügung gestellt worden sei.600 Businari habe Mazzoni geraten, die propa- gandistische Funktion des Rutenbündels, welche die Herkunft und Zugehörigkeit des Bauwerks ver- mittelte, auszureizen und die Vorgesetzten mit der Steigerung des Emblems ins Monumentale zu be- eindrucken: „Uno o più fasci monumentali fanno trangugiare al consiglio di amministrazio[ne] forme architettoni[che] di oggi.“601 In Foggia, wo Mazzoni um 1932/1933 eine ausgedehnte Bahnhofsanlage plante, schien ihr Kalkül aber nicht aufzugehen, obwohl er in die Hauptachse, die vom Stadtzentrum zum weiträumigen Bahnhofsplatz hinunterführte, einen alles übertreffenden, funktionslosen Turm mit drei riesigen Liktorenbündeln setzte. „Credete di fregarmi con la torre littoria ma questa non salva simile porcheria“, soll Ciano zum Projekt, das sich durchaus mit der architektonischen Qualität des Bahnhofs von Siena hätte messen können, gesagt haben, als er es zum zweiten Mal begutachtete und erneut ablehnte.602 Bei der Post in Pula konnte Mazzoni dagegen die Zustimmung des Bürgermeisters für ein modernes Projekt noch nachträglich, als offiziell bereits ein historisierender Entwurf bewilligt worden war, erwirken, dank drei Stelen aus schwarzem Monzonit-Stein, die neben dem Haupteingang über einen fensterlosen, mit weissem Marmor verkleideten Baukörper hinausragten: „Dato che si do- veva fare il fascio, [pensammo] diamogli un fascio architettonico, non un solito fascetto“,603 merkte Mazzoni hierzu an. Die Stilisierung und Monumentalisierung ermöglichten ihm, das Rutenbündel umzuformen und kon- struktiv in die Architektur einzugliedern. Je stärker er es verfremdete, desto mehrdeutiger, mehrfach lesbar wurde dessen formale Erscheinung. So lässt sich beispielsweise bei den runden Treppentürmen am Eingang zur Ferienkolonie in Calambrone und am Bahnhof von Siena, die aus eng nebeneinander gestellten, mit Glas ausgefachten steinernen Lisenen bestehen und in der Nacht als riesenhafte Licht- körper erstrahlen, keine Grenze zwischen architektonischer Massnahme und politischer Symbolik mehr ziehen. Die Türme erinnern ebenso an Bildmotive metaphysischer Malerei wie an die Insignien

599 Vgl. Gentile 2007 (2), S. 74-81. 600 Vgl. FAM, MAZ S/24, S. V. 601 (FAM, MAZ S/24, S. 67.) Wegweisend für die Typologie der fasci monumentali waren die vier 25 Meter hohen, aus Kup- fer gefertigten Stelen mit Beil, die Adalberto Libera und Mario De Renzi 1932 für die Mostra della Rivoluzione Fascista an der Hauptfassade des Palazzo dell’Esposizione in Rom aufstellen liessen: „La stilizzazione del fascio, rendendolo simile ad una futuristica ciminiera industriale o al fumaiolo di una nave, conferiva all’antico simbolo romano dell’autorità nuovi significati, e collegava il mito della romanità al modernismo rivoluzionario fascista.“ (Gentile 2007 [2], S. 194.) Vgl. auch Etlin 1991, S. 403-417. 602 (FAM, MAZ B/17, fasc. 1.) Über das Bahnhofsprojekt von Foggia, das städtebaulich auf die gesamte Umgebung des Bahnhofplatzes ausgeweitet war, sind nur einige Modellfotos bekannt. Mazzoni schrieb, er habe den Auftrag dank Gaeta- no Postiglione (1892-1935) erhalten; Postiglione kam aus Foggia, präsidierte den Ente Autonomo per l’Acquedotto Pugliese, war von 1932 bis 1935 Staatsekretär des Ministero delle Comunicazioni und hatte einen Cousin, der im Büro von Mazzoni als Zeichner tätig war. Vgl. Severati 1975 (1), S. 596-597; Angiolo Mazzoni 1984, S. 142; FAM, MAZ G/2. 603 �����������������������������������������������������������������������������������������������������������������������(Zit. nach Anselmi 2003, S. 349.) „Con l’aiuto dell’ing. Businari e dell’Ammiraglio Pession [Direktor der Postadminist- ration] costruii un’opera moderna in luogo di come era progettata nel progetto approvato in cui le sue forme ricordavano le cosidette venete o addirittura veneziane.“ (FAM, MAZ S/15, S. 65.) Vgl. auch Forti 1978, S. 42-43; Canali, F. 2001; Canali, F. 2003. 214 Mazzoni als leitender Architekt und Ingenieur 2.3 der Machthaber; ihre suggestive Kraft vermag dadurch weit über den Zeitgeist, in den sie eingebettet wurden, hinauszuweisen und lässt sie als architektonische Formen und historische Zeugnisse zugleich fortbestehen.604 Als Businari kurz nachdem Ciano das Ministerium an seinen Nachfolger Puppini abgegeben hatte im Frühjahr 1934 inmitten einer höchst betriebsamen Zeit starb, verlor Mazzoni einen wertvollen Verbündeten, obschon er seine Position durch die bereits zahlreich realisierten Werke, gewonnenen Erfahrungswerte und beruflichen Beförderungen mittlerweile gefestigt und sich alsArchitekt ins öf- fentliche Bewusstsein eingeschrieben hatte, wie die vielen im In- und Ausland publizierten Artikel über seine Architektur oder die vorgängig erwähnte Rede Calza Binis vor der Abgeordnetenkammer dokumentieren. Im Mai 1933 hatte sich Mazzoni in Futurismo mit einem offenen Brief an Marinetti zur futuristischen Bewegung605 bekannt und war zusammen mit Mino Somenzi seit Januar 1934 Mit- herausgeber jener Zeitschrift. In den 70er Jahren erklärte er rückblickend, dass ihm der Wettbewerb für den Bahnhof Florenz damals die Illusion einer gewissen künstlerischen Freiheit und Unabhän- gigkeit genommen habe, der er sich anfänglich aufgrund der gutgemeinten Anerkennung Businaris hingegeben habe: „Capii di colpo che l’uomo solo è alla mercè della coalizione.“606 Tatsächlich waren das Bündnis zwischen Mazzoni und den Futuristen und ihr gemeinsamer Kampf für die Modernisie- rung der Architektur vorwiegend politischer Natur – nicht zuletzt schon deshalb, weil sich der „Zwei- te Futurismus“ gänzlich in den Dienst von Politik und Propaganda stellte – auch wenn Mazzoni dies von sich zu weisen versuchte: „I miei articoli sui periodici del Somenzi ebbero solo il fine di impedire le conseguenze negative della avversione al moderno del Consiglio di Amministrazione delle FF. S. e che per averli troncati nel marzo 1935 (...) persi l’unico appoggio utile (appoggio artistico e non poli- tico): quello di F.T. Marinetti.“607 In Marinetti fand er vorübergehend einen neuen Befürworter seiner Arbeit,608 dennoch verfolgten beide Seiten ihre eigenen Interessen; während sich die Futuristen von der offenbar mit Velani abge- sprochenen Zusammenarbeit mit dem überbeschäftigten Architekten der Eisenbahngesellschaft nicht nur bedeutende Aufträge und Publizität, sondern vor allem mehr direkten Einfluss auf die öffentliche Bautätigkeit erhofften, versprach sich Mazzoni vom Rückhalt des prominenten Begründers des Fu- turismus (und engen Vertrauten Mussolinis) mehr Durchsetzungskraft für seine persönlichen künst- lerischen Anliegen. Im Unterschied zu anderen Künstlerbewegungen und -gruppierungen verkündete der Futurismus weder ein ästhetisches Programm, noch legte er stilistische, formale oder materielle Grenzen fest, im Grunde genommen funktionierte er bereits als reine Behauptung, die sich stets an dehn- und interpretierbaren Begriffen orientierte, etwa der Propagierung der Dynamik und der Ge- schwindigkeit, den Errungenschaften des modernen, technischen Zeitalters, dem Bruch mit dem Konformismus, dem Lyrismus. Möglicherweise erklärt dies ansatzweise, weshalb sich Mazzoni aus- gerechnet jener Bewegung zuwandte, denn die Unbestimmtheit, Unschärfe und Bewegungsfreiheit, die er im Futurismus zu erkennen glaubte, entsprachen zweifellos seiner eigenen undogmatischen

604 Forti meinte: „I���������������������������������������������������������������������������������������������������������������� suoi fasci sono giganteschi, ma soprattutto belli, e gli servono per decorare una facciata, non per irraggia- re a distanza urbanistica il loro messaggio ideologico.“ (Angiolo Mazzoni 1984, S. 39.) 605 Vgl. Anm. 358. 606 (FFM, B. IV, 33, Brief an Bruno Zevi, 10.2.1974.) 607 (FFM, B. IV, 33, Brief an Alfredo Forti, 26.3.1974.) 608 „Vi domina e brilla Angiolo Mazzoni che va diventando ogni giorno l’architetto più novatore e quindi più rappresentativo dell’Italia rinnovata; questi nel dirigere con Mino Somenzi il giornale Sant’Elia guida la bella campagna di rinnovamento edilizio nell’orbita di S. E. Ciano che dona all’Italia stazioni ferroviarie e palazzi postali pratici e belli degni delle nuove grandi velocità fasciste.“ (Marinetti 1934, S. 3.) 2.3 im Ufficio 5° der Ferrovie dello Stato 215

Sichtweise. Diese äusserte sich beispielsweise in dem etwas grotesk anmutenden Artikel „Commento al Manifesto di Sant’Elia“,609 in dem er Punkt für Punkt des 1914 verfassten Manifestes der futuristi- schen Architektur kommentierte; obwohl Mazzoni Antonio Sant’Elia als unbestrittenen Helden und Vorreiter der modernen Architektur verehrte, widersprach er ihm fortwährend, oder versuchte zumin- dest, die Radikalität von dessen kämpferischen Ansagen abzuschwächen oder zu relativieren.610 Dass für Mazzoni der Futurismus primär eine Frage der Gesinnung und keine Doktrin war, brachte er auch in seinem im Juli 1934 erschienenen Artikel „Arte mussoliniana“ zum Ausdruck: „Il futurismo non è nè una scuola, nè una società, nè una uniforme: il futurismo è idea, è entusiasmo, è ottimismo artistico, è sopratutto fede: forse, soltanto fede. Ridicolo, quindi, il parlare di uno stile futurista. Sono termini in contrasto: lo stile è, infatti, la conclusione definitiva di un’epoca artistica: si riferisce, quindi, ad un passato più o meno recente: comunque, è un’espressione di staticità. Il futurismo è invece espressione dinamica per eccellenza: nel futuro è la mèta sempre rinnovellantesi.“611 Seine Haltung war grundsätzlich von einem tiefen Misstrauen gegenüber den unreflektiert übernom- menen Konventionen der Traditionalisten geprägt, genauso lehnte er aber auch die formalistischen Tendenzen und propagandistischen Absichten der Avantgardebewegungen ab, was wiederum erklä- ren mag, warum er im Frühling 1935, so kurz nach seinem Beitritt, der Bewegung bereits wieder den Rücken kehrte. Seine Äusserungen diesbezüglich blieben widersprüchlich, einmal sagte er aus, die Vorgesetzten hätten ihm die Auflösung der Verbindung zu den Futuristen nahegelegt, dann wie- derum stellte er seinen Austritt als eine rein persönliche Entscheidung dar: „Proprio perché avevo sete d’indipendenza e appartenere a un Gruppo significa molte volte accettarne le direttive, incassa- re gli attacchi senza potere rispondere direttamente per essere appartenente a una Amministrazione statale.“612 Es ist durchaus vorstellbar, dass ihn die Zugehörigkeit zum Futurismus nebst jener zur Ei- senbahngesellschaft zu stark belastete, weil sie ihn einem erhöhten Druck sowie gesteigerten Erwar- tungen aussetzte und auf diese Weise zusätzlich einschränkte; seine kontradiktorischen Angaben sind daher vermutlich Ausdruck dafür, dass er die Trennung vom Futurismus und die Abkehr von Marinetti zwar bedauerte, seiner künstlerischen Freiheit zuliebe aber einen Austritt bevorzugte. Bezüglich Letz- terer hatte Mazzoni bereits 1933 geschrieben: „Si riconquisti ora [il primato] dell’Arte: è questione di volontà e di fierezza. E si cominci intanto col battere in breccia i preconcetti e i punti fissi del programma razionalista e del funzionalismo; il primo si imborghesisce nella sterile faciloneria dei mediocri, il secondo tende ad uccidere lo spirito. Si deve vincere la moda. (...) In arte e specie in archittura, la moda è cosa miserevole. L’Arte sia sempre e soltanto Arte e viva e si muti solo per lo spasimo di creazione dell’artista. (...) Il lirismo in architettura non dev’essere nè scuola nè legge ma solo una qualità insita in ogni singola opera. (...) Non dunque capricci di mode o regole fisse che tendono a fare dell’espressione artistica una continua copia stereotipata di un discutibile modello: ma libertà, ma poesia, ma sete di sole, e di azzurro, desi- derio vivo di gloria per la nostra patria debbono essere le basi fondamentali della moderna architettura italiana.“613

609 Vgl. Mazzoni 1933 (11). 610 „Credo che sarebbe utile anche spiegare il valore e la portata esatta dei manifesti di architettura. I più, li prendono alla lettera non comprendendo che essi sono liriche interpretazioni di stati d’animo, che portano all’eccesso alcune enunciazio- ni perchè dall’ecceso scaturisca quel tanto di realtà necessaria alla creazione del nuovo, che segnano irraggiungibili limiti ideali per riuscire ad ottenere quel minimo di bellezza necessario alla nostra vita spirituale.“ (Mazzoni 1934 (1).) 611 (Mazzoni 1934 [12].) 612 (FFM, B. IV, 33, Kopie des Briefes an Bruno Zevi, 10.2.1974.) 613 (Mazzoni 1933 [3].) Als Ausdruck des Konflikts, dem sich Mazzoni durch seine Zugehörigkeit zum Futurismus ausgesetzt sah, ist auch sein 1933 erschienener Artikel über den Wettbewerb zur Vollendung der Fassade von San Petronio in Bolog- na zu verstehen; darin befürwortete er auf einmal (wenig glaubwürdig) ein derartiges Projekt, das er zehn Jahre zuvor aus künstlerischer Überzeugung noch grundsätzlich abgelehnt hatte. Vgl. Mazzoni 1933 (6); sowie Kapitel 1.3.2.2, Anm. 260. 216

271

272

Arbeitsräume der Bauab- teilung am Sitz der Gene- raldirektion in Rom:

271 Raum für die Aus- stellung von Modellen und Fotografien, 1932: zu erkennen sind das Modell des Bahnhofs von Florenz (vgl. Abb. 213) und links an der Wand Fotografien des Bahnhofs von Brenner (erste Etappe) 272 Werkstatt für die Anfertigung von Gipsmo- dellen, 1932 273 Raum der Zeichner 1938: zu erkennen sind hinten an der Wand Zeichnungen für das Bahnhofsprojekt Roma Termini (Aufstellung des Moses-Brunnens und des Sixtus-Bogens) 273 217

274

275

274-276 Venedig, Grossbaustelle des Bahnhofs Santa Lucia, o. D. (Ende der 30er Jahre) 276 218

279

A. Mazzoni, diametrale Entwürfe für das Postamt von Ostia Lido, 1932-1934 277-278 Grundriss und Ansicht eines ersten schematischen Entwurfs wahrscheinlich für einen Bauplatz an der Piazza Grande im Zentrum, o. D. (ca. Mitte 1932) 279-280 Grundriss und Ansicht des Projekts nach der Wahl des definitiven Bauplatzes an der 277 Kreuzung Via Ostiense/Corso Duca di Genova, o. D.

278 280

281

Fasci dei Littori: 281 Adalberto Libera und Mario De Renzi, fasci monumentali an der Hauptfassade des Palazzo dell’Esposizione in Rom anlässlich der Mostra della Rivoluzione Fascista, 1932 (vgl. Abb. 536) 282 Relief einer Gruppe Liktorenbündel, San Paolo fuori le mura. Die Aufnahme des Fotostudios Anderson war Teil der Bildersammlung, die den Architekten in der Eisenbahnverwaltung zur Verfügung stand. 282 219

283 Fasci monumentali mit metallenen Äxten am Postgebäude von 284 Fasci monumentali mit Äxten aus Stein am Postgebäude von Ostia Lido, 1934 Littoria, 1932

285 Modell des Bahnhofs von Foggia mit einem fascio monumentale im Zentrum des Bahnhofvorplatzes und der Strassenachse, ca. 1932/1933

286 Fasci monumentali und Gefallenendenkmal am Postgebäude von Pula, 1935 220

287 Rutenbündel und Treppentürme neben dem Hauptzugang zur Ferienkolonie in Calambrone

288 Lichtturm (torre luminosa) an der Ecke des Wohn- und Dienstgebäudes des Bahnhofs von Siena 2.3 im Ufficio 5° der Ferrovie dello Stato 221

2.3.4 Das neue Postamt von Varese: ein beispielhafter Planungsprozess

In jeder Hinsicht exemplarisch spielte sich der Planungsprozess für das Hauptpostamt der Provinz Varese ab:614 Im Dezember 1927, nachdem in Übereinstimmung mit den lokalen Behörden für den dringend benötigten Neubau eine passende Parzelle, ein Eckgrundstück gegenüber dem Bahnhof Varese Nord an der Einmündung der Via Como in die Viale Milano, gefunden war, beauftragte die Postverwaltung den Servizio Lavori e Costruzioni, sofort Massnahmen für das Enteignungsverfahren zu ergreifen und die Vermessungen vor Ort sowie die Planung des Gebäudes anzugehen. In mehreren Schreiben forderte sie nachdrücklich dazu auf, die gleichen Grundrisse, die bereits für die Post in Görz studiert worden seien, zu verwenden, da das Grundstück und das Raumprogramm vergleich- bar seien und der Prozess somit beschleunigt werden könne – ein wahrlich bürokratischer Rat, den Mazzoni aber sichtlich ignorierte.615 Obwohl es anfangs zu eilen schien, vergingen zweieinhalb Jahre, bis das Vorhaben endlich vorankam. Offenbar hatten die Mittel gefehlt, denn als sich der Präfekt von Varese im Oktober 1929 wieder einmal nach dem Fortschritt der Arbeiten erkundigte, antwortete die Bauabteilung, diese wären zwar auf gutem Weg, der Kauf des Grundstücks sei seit längerem abge- schlossen und der Postverwaltung habe man im Februar die Pläne zur Prüfung der räumlichen Anord- nung geschickt, doch warte man noch immer auf deren Rückmeldung, die bereitgestellten Haushalts- mittel der Post würden aber ohnehin nicht genügen, um nun ein Ausführungsprojekt einzureichen und mit dem Bau zu beginnen. Die Wende kam erst Ende Juli 1930, als Mussolini für die Realisierung des ankündigten Bauprogramms zur Minderung der Arbeitslosigkeit neue Gelder für öffentliche Bauten versprach. Nun drängte alles, am 2. August legte das Ufficio 5° bereits die Pläne des Vorprojekts vor, für deren Umsetzung das Ministerium am 8. August ein Budget von 1,5 Millionen Lire genehmigte. Die Grundrisse des dreigeschossigen Gebäudes waren L-förmig angelegt: im leicht erhöhten Erdge- schoss ordnete Mazzoni die über eine Vorhalle erreichbaren öffentlichen Räume für den Empfang und die Ausgabe von Korrespondenz, Paketen und Telegrammen, die dazugehörigen Diensträume und die Anlieferung an, im ersten Geschoss plante er die Räumlichkeiten für die Postbank, die Direktion und die Verwaltung und im obersten Geschoss jene der Telegrafie. Nach einer erneuten Prüfung der Grundrisse und des Raumprogramms durch die Postverwaltung arbeitete er das definitive Projekt mit zwei Varianten der Hauptfassadengestaltung aus. Während der Besichtigung der im Massstab 1:50 ausgeführten Gipsmodelle am 30. Oktober beschloss Minister Ciano, beide Varianten nach Varese zu schicken und die Entscheidung den dortigen Behörden zu überlassen. Der Bürgermeister teilte im Dezember mit, dass beide Entwürfe vortrefflich seien, man aber den zweiten bevorzuge, da er dem lokalen Charakter besser entspreche, und dass man die mit dem Architekten beschlossenen Änderun- gen begrüsse – dieser hatte unterdessen nämlich eine weitere Variante, eine Abwandlung des zweiten Entwurfs, angefertigt und mit der Baukommission von Varese auch schon besprochen. Der Projektbericht beschrieb die Fassadenvarianten wie folgt: „Uno di essi era concepito semplice ed austero nel suo insieme e decorato della fronte principale da quattro co- lonne con sovrastante trabeazione; l’altro, invece, di linea più snella, era decorato pure da quattro colonne isolate sormontate da gruppi allegorici.“616

614 Vgl. ASFSR, B. 4761, CII 2(9). Die Post von Varese wurde kaum publiziert, weder zur Zeit noch nach dem Faschismus. 615 Vgl. die Schreiben der Postdirektion vom 26. 11. 1927, 12. 9. 1928 und 24. 6. 1929 in: ebenda, 328-329, 321, 313. 616 („Proposta per la costruzione di und edificio ad uso degli uffici centrali e dei servizi costituenti la Direzione Provinciale delle Poste e dei Telegrafi di Varese. Relazione“, o. D. [16. Mai 1931], ebenda, 46.) 222 Mazzoni als leitender Architekt und Ingenieur 2.3

Die erste Variante bezeichnete Mazzoni als „neoclassico“.617 Sie weist an der zur Viale Milano ausge- richteten Hauptfassade einen über mehrere Stufen erreichbaren, vorgeblendeten, kolossalen Portikus auf, der sich aus vier freistehenden Säulen und einem durchgehenden Architrav mit Zahnschnitt zu- sammensetzt und von einem mit der hinteren Dachfläche verbundenen Schrägdach überdeckt wird. Die zurückgesetzte, fünfachsige Fassade ist durch eine ebenfalls kolossale Pfeilerordnung, Rundbo- genfenster und -türen im Erdgeschoss sowie kleinere Fenster in den Obergeschossen gegliedert und setzt sich an der Seitenfassade in gleichem Rhythmus fort. Im Unterschied zu diesem ungeschwächt konventionellen, gleichförmigen Aufbau hebt Mazzoni in der zweiten, von ihm „barocco“ genannten Variante die Symmetrie der Hauptfront auf, indem er den Gebäudeteil in der freien Ecke des Grund- stücks höher als jenen auf der linken Seite des Portikus ausbildet und ihn zusätzlich im obersten Ge- schoss mit hohen Rundbogenfenstern akzentuiert. Der Portikus besteht aus vier Dreiviertel-Säulen, die stilisierte ionische Kapitelle, wie sie auch in den Postbauten von Bergamo, Grosseto und Ferrara vorkommen, bekrönen. Aussergewöhnlich nimmt sich der Architrav aus, der mit der hinteren Fassade- nebene soweit in der Tiefe verkröpft ist, dass er durchbrochen erscheint und zwischen den Säulen im ersten, gegenüber dem Erdgeschoss leicht zurückspringenden Obergeschoss drei Nischen mit schma- len Balkonen entstehen; ausserdem wird der Architrav eng an den beiden seitlichen Säulen als mächti- ge Pfeiler bis zum Boden geführt und würde so, wäre er nicht in der Horizontalen fragmentiert, einen festen, durchgehenden Rahmen um die Säulen bilden – auch dies eine ungewöhnliche Lösung, die bei der Post in Palermo sowie dem Entwurf für den Völkerbundpalast wiederzufinden ist und an die einzigartige Gliederung der Loggia des Ospedale degli Innocenti von Filippo Brunelleschi in Florenz erinnert. Über den mittleren Säulen und den Säulen-Pfeiler-Paaren stehen jeweils überlebensgrosse Figuren bzw. Figurengruppen. Die dritte, zur Ausführung bestimmte Variante, laut Mazzoni „cauta- mente moderno“, unterscheidet sich von der zweiten lediglich in der Materialisierung und Gliederung des Sockelgeschosses, das nicht nur an der Ecke, sondern durchgängig mit Naturstein, die Oberge- schosse dagegen mit Ziegelstein verkleidet werden sollten. Die Entwürfe widerspiegeln die mit Busi- nari abgesprochene Vorgehensweise Mazzonis deutlich. Allein die Tatsache, dass er eine der beiden Varianten sorgfältiger ausarbeitete, lässt auf seine eigenen Präferenzen schliessen. Die erste Variante, die zwar solid, aber äusserst harmlos ist und ohne jegliche Merkmale des für Mazzoni typischen spie- lerischen und erfinderischen Umgangs mit dem Reichtum architektonischer Formen auskommt, diente gewissermassen dazu, an den Fähigkeiten des Architekten keine Zweifel zu lassen und Gesprächsbe- reitschaft zu demonstrieren; die Mittelmässigkeit des einen sollte aber auch die Aufmerksamkeit der Behörden auf die Qualitäten des anderen, kühneren Entwurfs lenken und so die Entscheidung beein- flussen. Seit 1927 schrieb ein Gesetz den staatlichen Behörden und Institutionen im Rahmen des Autarkie- programms vor, bei Anschaffungen und Arbeiten aller Art dem nationalen Gewerbe den Vorrang zu geben und so die italienische Produktion und Arbeitskraft zu fördern, eine Obliegenheit, so hiess es, die besonders in wirtschaftlich aussergewöhnlichen Zeiten zu einer moralischen Pflicht werde.618 Der lokale faschistische Parteibund von Varese setzte sich dafür ein, dass beim Bau der Post nicht irgend ein italienischer Stein, sondern einer aus der Gegend zur Anwendung komme. Seine Bitte gelangte über den nationalen Parteisekretär an das Ministero dei Lavori Pubblici, wurde von dort aus an die

617 Vgl. FAM, MAZ S/21, S. 5. 618 Vgl. Brief vom ehemaligen Wirtschaftsminister Giuseppe Belluzzo, o. D., ASFSR, B. 4861, CII 2(9), 569. 2.3 im Ufficio 5° der Ferrovie dello Stato 223

Postadministration und weiter an Mazzoni geleitet. Zur Diskussion standen zwei Kalksteine aus den Brüchen von Viggiù oder Saltrio nordöstlich von Varese unmittelbar an der Grenze zur Schweiz, die er nach einer Besichtigung im Januar 1931 als gleichwertig und angemessen befand. Die Ausführung der Aussenhülle mit Natur- und Ziegelstein erwies sich in der Ausschreibung aber als zu teuer, so dass Mazzoni die Materialisierung der Fassade überdenken musste und nach Absprache mit dem Bauleiter eine billigere Variante präsentierte, in welcher alle aus Stein geplanten Teile, also das Sockelgeschoss, der Portikus und die Gesimse, aus Ziegeln gefertigt werden sollten, alle übrigen, bislang aus Ziegeln vorgesehenen Flächen hingegen aus Putz. Trotzdem musste im Mai 1931, als das Projekt zusammen mit jenen von Grosseto, Massa, La Spezia, Trient und Bari erneut eingereicht wurde, ein Nachtrag von 350’000 Lire gestellt werden, begründet durch den weichen Baugrund und den Mehraufwand bei der Erstellung der Fundamente. Auch die Kosten für die Post von Trient, Grosseto und Bari (von Nar- ducci) fielen damals höher als geplant aus, die Einsparungen in La Spezia konnten jedoch angeblich die zusätzlichen Ausgaben für Grosseto und Varese wieder ausgleichen.619 Im Januar 1932 wurde die Frage der Materialisierung der Aussenfassade nochmals neu diskutiert, die vorgesehene Variante mit Ziegel und Putz erhielt aber wiederum aus wirtschaftlichen Gründen den Vorzug gegenüber den ande- ren beiden Vorschlägen mit Naturstein. Eine weitere wichtige Frage stellte sich im Frühjahr 1931 hinsichtlich der Ausführung der vier Figu- ren respektive Figurengruppen. Einem Schreiben der Bauabteilung ist zu entnehmen, dass die Wahl Mazzonis ursprünglich auf den hochangesehenen Mailänder Bildhauer Adolfo Wildt gefallen war. Da der Künstler aber im Mai verstarb, musste ein Ersatz gesucht werden. Auf der Rückseite einer Offer- te des jungen Bildhauers Alcide Ticò finden sich sechs höchstwahrscheinlich von Mazzoni notierte Nachnamen von Künstlern, die vermutlich von der Eisenbahndirektion eingeladen wurden, ein Ange- bot einzureichen. Aufgelistet sind neben dem damals 20-jährigen Ticò aus Rovereto, einem Schüler von Wildt, der später für die Post von Trient ein kleines Relief ausführte und für den Bahnhof Venedig eines der 26 Kapitelle gestalten sollte, auch Francesco Nagni aus Viterbo, der 1940 das überlebensgro- sse Relief des Pegasus und Bellerophon für den Bahnhof Ostiense von Narducci schuf, der Florentiner Corrado Vigni, auf den die Diana-Skulptur im Sitzungszimmer der Post von Palermo und die neun Travertinskulpturen der Post von La Spezia (später in Ragusa platziert) zurückgehen, der Bergamaske Francesco Minotti, der für die Post von Bergamo die Figur des Heiligen Christophorus entwarf, sowie Ulderigo Conti aus Bologna, der bereits für den Dopolavoro in Rom mehrere Reliefs geliefert hatte, und Domenico Ponzi aus Ravenna.620 Es lässt sich nicht beantworten, inwieweit die Vorschläge und die endgültige Auswahl der Künstler Mazzonis eigenen Wünschen entsprachen, was erwähnte Notiz glauben liesse, oder ob sie womöglich durch (verbindliche) Empfehlungen von höherer Stelle beein- flusst worden waren, wie Mazzoni rückblickend zu verstehen gab: „La scelta degli artisti per opere di scultura e pittura era influenzata dalle raccomandazioni. Raramente riuscivo a ottenere l’incarico fosse affidato ad artisti da me proposti.“621 Für letztere Version spricht im Fall von Varese ein Brief, mit dem sich der Postdirektor Giuseppe Pession an den Abteilungsleiter Brancucci wandte: er sei vom Minister beauftragt worden, ihm eine Nachricht „pervenutagli da autorevole persona meritevole di speciale riguardo“ zu übermitteln; das Schreiben der Person, deren Name man offensichtlich nicht preisgeben

619 Vgl. Kopie des Briefes des Abteilungsleiters (ohne Unterschrift), 6. Oktober 1931, ASFSR, B. 4761, CII 2(9), 135. 620 Vgl. ebenda, 175-176, 134. 621 (Zit. nach Angiolo Mazzoni 1984, S. 103-104) 224 Mazzoni als leitender Architekt und Ingenieur 2.3 wollte, empfahl den in Rom wohnhaften Bildhauer Ponzi, der dann tatsächlich nicht nur einen Teil des Auftrags erhalten sollte, sondern etwa zur gleichen Zeit auch mit den Gefallenendenkmälern der Postämter von Görz, Palermo, Pula und der Mutter-Kind-Figur in der Post von Grosseto betraut wur- de. Brancucci antwortete dem Postdirektor, der Architekt habe seine Wahl – Conti und Ponzi – bereits getroffen, und man bereite nun die Verträge vor.622 Für die vier Skulpturen von Wildt war ein Budget von 135’000 Lire – immerhin mehr als 7% der gesamten Bausumme – vorgesehen worden, allerdings rechnete Mazzoni im Bewusstsein, dass die neu nominierten Künstler nicht annähernd an den Ruf und die Grösse eines Wildt herankamen, mit geringeren Kosten, der restliche Betrag sollte dann für allfällige andere künstlerische Arbeiten (etwa ein Gefallenendenkmal) zurückgestellt werden. Wie hoch die Schlussrechnung ausfiel, geht aus den Dokumenten nicht hervor, die Offerte Ticòs zeigt jedoch, dass die Summe mit Sicherheit ausgeschöpft werden musste, da letztlich beschlossen wurde, die Figuren nicht aus Stein oder Terrakotta herzustel- len, sondern aus Bronze, der teuersten der drei Optionen.623 Je eine Einzelfigur und eine Figurengrup- pe, welche die Kommunikation der Luft, des Wassers und des Landes symbolisieren, gehen auf die Entwürfe von Ulderigo Conti und Domenico Ponzi zurück.624 Die Bauabteilung in Rom war allem Anschein nach mit dem Projektverlauf sehr zufrieden und lobte die für Varese zuständige lokale Bausektion Milano Ovest und den Leiter [?] Voghera für ihre gute Arbeit: „Colgo l’occasione per esprimere il mio compiacimento con codesta Sede e particolarmente con la dirigenza dei lavori per la collaborazione intelligente e pronta dimostrata fin dall’inizio dei lavori.“625 Als direkte Vertreter Mazzonis wurden bisweilen der Geometer Giuseppe Basile, der das Projekt wahrscheinlich von Anfang an begleitete, und Luigi Pizzuti nach Varese geschickt, wobei sich Pizzuti vor allem während der Ausführungsphase öfters auf der Baustelle aufgehalten und im Mai- länder Baubüro an den Detailplänen gearbeitet haben muss.626 Er schien das Vertrauen Mazzonis zu haben, denn für die Ausstattung gewisser Innenräume, etwa des Schreibsaals, zeichnete sich Pizzuti persönlich für den Entwurf verantwortlich.627 Obschon die Stadtverwaltung im Lauf des Jahres 1932 mehrmals ungeduldig der Eisenbahnadministration meldete, dass die Arbeiten nicht oder zu langsam vorankämen, konnte die Post am 24. Mai 1933, noch einige Monate vor dem am 28. Oktober vorgese- henen Termin, eröffnet werden.628 Im Vergleich zum präsentierten Modell erfuhr der realisierte Bau keine wesentlichen Änderungen. Der Sockel, das erhöhte Erdgeschoss zur Viale Milano und um die Ecke zur Via Como hin, der Por- tikus sowie die Gurt- und Kranzgesimse wurden aus handgemachten geraden und gerundeten Ziegel-

622 Vgl. Brief von Giuseppe Pession an Filippo Brancucci und dessen Antwort vom 3. bzw. 13. Juli 1931, ASFSR, B. 4761, CII 2(9), 66-68. 623 Vgl. Offerte von Alcide Ticò vom 5. Oktober 1931 für die Ausführung der Skulpturen in Stein oder Terrakotta und der Nachtrag zur Offerte vom 8. Oktober 1931 für die Ausführung in Bronze, ASFSR, B. 4761, CII 2(9), 133, 132. 624 Vgl. ebenda, 127, 175-176; Case d’oggi 1934, S. 180; FAM, MAZ B/38, fasc. 7, e/IV. 625 (Brief des Abteilungsleiters an die Sezione Lavori Milano Ovest, 24. Oktober 1930, ASFSR, B. 4761, CII 2(9), 269-270.) 626 Vgl. z. B. den handgeschriebenen Brief von Pizzuti aus Mailand an Mazzoni, 12. März 1933, ASFSR, B. 4761, CII 2(9), 18-20, 37. Pizzuti bat Mazzoni darin um sein rasches Einverständnis zu den beigelegten Detailplänen betreffend der Ausführung der Fahnenstange und der Beschriftung. Ausserdem gratulierte er ihm zu der hoffnungsvollen Wende, die das Bahnhofsprojekt in Florenz zu nehmen scheine, und erwähnte, dass man in Mailand etwas perplex gewesen sei über die Pressekampagne, die man nicht recht zu interpretieren wisse. 627 Vgl. Case d’oggi 1934, S. 182. Pizzuti entwarf auch in La Spezia mehrere Innenräume: „Non di Mazzoni, ma di Luigi Pizzuti, suo fedele collaboratore, erano la sala di scrittura, l’ufficio del direttore provinciale e le annesse anticamere: il progettista gliele aveva affidate in segno di grattitudine perché l’ottimo Pizzuti aveva fatto eseguire a perfezione i suoi disegni ‚combattendo con l’Ing. Magnati della Sezione Lavori di Pisa‘.“ (Ratti 2003, S. 287.) 628 Vgl. ASFSR, B. 4761, CII 2(9), 42-43, 53-55, 58. 2.3 im Ufficio 5° der Ferrovie dello Stato 225 steinen gemauert und die Fassadenflächen der oberen Geschosse mit weissemTerranova-Mörtel ver- putzt. Einzig für die Kapitelle der vier Säulen und die Ecksteine aller Gesimse kamen nicht, wie auf den Plänen vermerkt, gebrannte Spezialsteine zur Anwendung, sondern Hausteine (möglicherweise Veroneser Kalk), und auch die Auftritte der Aussentreppe sowie die Fenster- und Türgewände in den ziegelverkleideten Mauern bestehen aus Naturstein (Travertin). Die Akzentuierung der Ecksteine kann als Anlehnung an die lokale Bautradition gedeutet werden, für welche die Kirche Corpo di Cristo im nahegelegenen Castiglione Olona, in deren Kranzgesims aus Terrakotta ebenfalls Ecksteine aus Na- turstein eingelegt sind, eine mustergültige Referenz vorgegeben haben mag.629 Der L-förmige Baukörper der Post steht zwar frei auf seinem Grundstück, ist aber mit den Nach- barparzellen direkt verbunden, indem die Ziegelwand des Sockelgeschosses auf der Seite der Viale Milano als dünne Wandscheibe, in die eine hochrechteckige Öffnung für die Einfahrt in den Anliefe- rungshof eingelassen ist, weitergeführt wird; die Wand löst sich vom Gebäudevolumen los, schliesst, am Ende rechtwinklig abgeknickt, unvermittelt an das Nachbargebäude an und erscheint so als eine in den Stadtraum ausgreifende Geste, die gleichzeitig die Parzelle eingrenzt und die Massivität des So- ckelgeschosses aufhebt. Auf der Seite der Via Como war das Grundstück durch eine ähnliche Mass- nahme, eine geschosshohe Ziegelwand, die den Personaleingang markierte, später aber durch einen schmalen Anbau ersetzt wurde, gefasst. Hofseitig wirkte der heute veränderte Bau wie ein aus meh- reren, unterschiedlich hohen, breiten und tiefen Bauvolumen zusammengesetztes Gefüge, das durch einheitliche weisse Putzflächen und die kräftigen, ziegelroten Linien der Kranzgesimse zusammenge- halten wurde. Das Treppenhaus zeichnete sich als halbrund gewölbter, schmaler Körper, dessen Ver- tikalität mittels eines durchgehenden Fensters betont wurde, zum Hof hin ab, auf der anderen Fassa- denseite wölbte sich als horizontales Pendant dazu der eingeschossige Raum der Paketverteilung vor. Wie bei vielen Postbauten Mazzonis bildet auch in Varese die Schnörkellosigkeit und Einfachheit der sekundären Hofseite und die Gestaltung der Innenräume einen auffälligen Kontrast zur monumentalen Erscheinung der Hauptfront.630 In einem in den 70er Jahren mit Forti geführten Interview bezeichnete Mazzoni die Post als ein „sehr hässliches Gebäude, das im Innern einige interessante Dinge“ aufwei- se.631 Aufgrund der alles überragenden, im Verhältnis zum Bauvolumen riesenhaften Figuren setzte Forti die Post von Varese in Analogie zu der im 18. Jahrhundert von Alessandro Galilei errichteten Ostfas- sade der Basilika San Giovanni in Laterano, begründete jedoch nicht, weshalb er gerade diesen Bau und keinen anderen wählte, etwa den näher gelegenen Palazzo Chiericati von Palladio in Vicenza, dessen Skulpturen über den Säulen nicht minder herausragend und beispielgebend gewesen wären.632 Treffender scheint mir der Vergleich mit dem Innern der Lateransbasilika, wo Francesco Borromini, dessen Architektur (wie auch jene Brunelleschis) ein hochgeschätztes Vorbild für Mazzoni war, an den beiden Seitenaufrissen des Mittelschiffs eine bis dahin ebenfalls aussergewöhnliche Massnahme getroffen hatte: für die Gliederung verwendete Borromini eine Kolossalordnung gebildet aus Wand-

629 Die Kirche Corpo di Cristo (Chiesa di Villa), von deren Portal Mazzoni eine Fotografie in seinen Alben aufbewahrte, wurde in den 1430er Jahren errichtet und geht auf die Schule Brunelleschis zurück. Beidseitig des Eingangsportals stehen zwei überlebensgrosse Skulpturen der Heiligen Christophorus und Antonius. Vgl. Ricci, C. 1924, S. 160; FAM, MAZ, S/25, S. 171. 630 Carlo Severati brachte die Hoffassade mit der Architektur Josef Hoffmanns und die Gestaltung der Innenräume mit jener Adolf Loos’ in Bezug, was auf den ersten Blick zwar zutreffend erscheint, sich allerdings nur auf die Verwendung ähnli- cher Formen und Materialien bezieht. Vgl. Severati 1975 (1), S. 598. 631 Vgl. Anselmi 2003, S. 348. 632 Vgl. Angiolo Mazzoni 1984, S. 29. 226 Mazzoni als leitender Architekt und Ingenieur 2.3 pfeilern, die, in Anlehnung an das Triumphbogenmotiv, abwechslungsweise einen geschlossenen, mit einer Skulpturenädikula, einem Relief und einem Bildfeld strukturierten Wandabschnitt und ein of- fenes Wandsegment, in das eine hohe Arkade eingeschrieben ist, einfassen. Oberhalb der Rundbögen sind Fenster angeordnet, welche die Höhe des über den Pfeilern liegenden Architravs übersteigt. Die- ser tritt nur noch fragmentarisch in Erscheinung und bündelt die Pfeiler mit dem geschlossenen Wand- stück jeweils paarweise zusammen. Ob diese barocke Erfindung Borrominis für Mazzoni tatsächlich als Leitbild diente, lässt sich zwar nicht belegen, sicher ist aber, dass er mit einer ähnlichen Massnah- me – mit der Perforation des Architravs, welche die mittleren Säulen des Portikus wie freistehende Triumphsäulen wirken lässt – seinerseits eine einzigartige Anordnung geschaffen hat. Sie ist aus ei- nem stilistischen Zusammenhang heraus nicht zu erklären, zumal die mutmassliche Vorlage selbst ja schon als Musterbeispiel für den Bruch mit gängigen Konventionen gegolten hatte. Das Moderne der Vareser Post ist somit weder in der Auswahl der architektonischen Elemente zu finden noch auf kon- struktive oder materielle Neuerungen zurückzuführen, sondern auf die Art und Weise, wie Mazzoni mit traditionellen Mitteln die einzelnen architektonischen Elemente neu interpretierte, umformte und zusammenfügte und so ein an sich klassisches Formenrepertoire in die Architektursprache seiner ge- genwärtigen Zeit übersetzte. 227

289 Varese, Übersichtsplan der Stadt und ihrer Umgebung (eingekreist der Bauplatz der Post), ca. 1930

290 Für den Postbau ausgewähltes Grundstück gegenüber dem Bahnhofsa- 291 Von der Lokalsektion nach Rom gesendeter, vermasster Lageplan mit real Varese Nord, Plan November 1927, bewilligt im Februar 1928 Höhenkoten und Angaben zur Umgebung, Dezember 1928 228

292 Erdgeschossgrundriss eines ersten Entwurfs, im Februar 1929 der Post- 293 Erdgeschossgrundriss des überarbeiteten und am 7. August 1930 bewillig- verwaltung zur Begutachtung vorgelegt ten Projekts, Oktober 1930

294 Erdgeschossgrundriss des Ausführugsprojekts, o. D., publiziert von Businari in Relazioni techniche, 1931 229

295 Gipsmodell 1:50, Ansicht der Hauptfassade, Variante „neoclassico“, Oktober 1930

296 Gipsmodell 1:50, Ansicht der Hauptfassade, Variante „barocco“, Oktober 1930

297 Gipsmodell 1:50, Ansicht der Hauptfassade, Variante „cautamente moderno“ (Ausführungsprojekt), 1930 230

298 Aufriss der Hauptafassade, April 1932, Originalmassstab 1:50

299 Filippo Brunelleschi, Ospedale degli Innocenti, Florenz, 1419-1427, Fassadenansicht zur Piazza dell’Annunziata hin

300 A. Mazzoni, M. Piacentini, G. Rapisardi, Wettbewerb für den Völker- bundpalast in Genf, 1927

301 A. Mazzoni, Postgebäude von Palermo, 1926/28-1934 302 Gipsmodell 1:50, Detail der Eingangsfront 231

303 Francesco Borromini, S. Giovanni in Laterano, Aufrissentwurf für das Mittel- schiff (Ausführungsversion), 1648 303

304 Castiglione Olona, Kirche Corpo di Cristo (Chiesa di Villa), um 1430, Aufnahme publiziert von Corrado Ricci in Geschichte der Kunst in Norditalien, 1911 305 Detail des Kranzgesimses aus Terrakotta mit Ecksteinen aus Naturstein (2006) 304 305

306 Fassadendetail (Ausschnitt I) der Eingangsfront, April 1932, Originalmassstab 1:10, Kapitelle und Ecksteine aus gebranntem Ziegel geplant 232

307

308 Luigi Pizzuti, Entwurf für die Fahnenstange, den Sockel, die am Mast befestigte Beschriftung und das Liktorenbündel, am 12. März 1933 von Pizzuti in Mailand zu Mazzoni nach Rom zur Prüfung gesendet 307 Gipsmodell 1:50, Ansicht des Anlieferungshofs 309 Anlieferungshof nach der Bauvollendung 1933 309

310 Hauptansicht der Post von Varese (2006) 3 Das architektonische Werk

3.1 ort und Geschichte

Eine bislang kaum gewürdigte Qualität der Bauten Mazzonis besteht in ihren weit reichenden Bezü- gen zum historischen und topologischen Kontext, in den sie eingebettet sind. Die Auseinandersetzung mit dem Ort und seiner Geschichte – das Ergründen des genius loci, des dem Ort innewohnenden „Geistes“, der die räumlich-strukturellen Elemente und den Charakter von Topographie, Vegetation, Wasser, Klima und baulichen Zeugnissen gleichermassen einschliesst wie immaterielle Werte, die etwa durch kollektive und subjektive Erinnerungen oder emotionale Wahrnehmung gegeben sind –633 führte den Architekten jeweils zu städtebaulich und architektonisch sinnreichen, eigenständigen, teilweise aussergewöhnlichen formalen Lösungen. Sein ausgeprägtes Interesse für den spezifischen Kontext ermöglichte ihm nicht nur, auf die vorgefundenen Bedingungen adäquat zu reagieren und den Ausdruck seiner Bauten sowie deren Beziehungen zur Umgebung zu definieren, sondern diente ihm auch als Mittel, Bautypologien weiterzuentwickeln und formale Zusammenhänge in einen übergeord- neten Kontext zu stellen. Die Projekte in Ostia Lido und auf dem Agro Pontino, die ungefähr zur glei- chen Zeit unter vergleichbaren Bedingungen entstanden, veranschaulichen aufgrund ihrer Situierung in Neubaustädten besonders deutlich, wie und mit welchen formalen und städtebaulichen Massnah- men Mazzoni Bezug zur Geschichte und Gestalt der jeweiligen Orte nahm.

3.1.1 Die Entwicklung einer Bautypologie: der genius loci des Postamtes von Ostia Lido

3.1.1.1 Der Ort und das Gebäude Das Postamt in Ostia Lido ist ein herausragendes Beispiel für das dichte Netz von Beziehungen, wel- che die präzise Setzung des Gebäudes und seine innere räumliche Ordnung vermitteln, gleichzeitig lässt es die kreative Innovationskraft Mazzonis im Umgang mit überlieferten Formen und gegebenen Verhältnissen erkennen. Die Anfänge der Neustadt von Ostia gehen in die 80er Jahre des 19. Jahrhun- derts zurück, als das malariageplagte Sumpfland des Agro Romano südwestlich von Rom zwischen dem Tyrrhenischen Meer und der Hauptstadt trockengelegt wurde. Auf Initiative des Ingenieurs Paolo Orlando kam damals der Plan auf, an der Küste in Ostia, dem seit der Antike zum Hafenort bestimm- ten Mündungsgebiet des Tibers, einen neuen Handelshafen einzurichten. Er sollte durch einen tiefen, südlich des Tiberlaufs geführten Kanal und eine Anlegestelle in der Nähe der Basilika San Paolo fuori le Mura mit der Stadt verbunden werden, zugleich sollte die bestehende Via Ostiense bis zum Meer hin verlängert und eine neue Eisenbahnlinie angelegt werden. Zum einen wollte man damit die Entwicklung einer Industriezone vor den Toren Roms begünstigen und so ein wirtschaftliches Gegen- gewicht für die industriearme Stadt schaffen, die seit ihrer Ernennung zur Hauptstadt des vereinten Italiens ihre Ressourcen und Arbeitsplätze primär aus dem riesigen Verwaltungsapparat bezog; zum andern würde Rom dadurch wieder, wie einst zur Zeit des römischen Reiches, auf direktem Weg an

633 Vgl. Valena 1994, S. 28-67. 234 3.1 das Meer angeschlossen werden.634 Obwohl Orlandos Pläne auf Zustimmung stiessen, das Gebiet ent- lang der Via Ostiense 1909 als neuer Industriegürtel Eingang in den Bebauungsplan fand, das Hafen- projekt vom König persönlich unterstützt und 1916 offiziell genehmigt wurde, sowie erste konkrete Projekte für den Verkehr, für Arbeitersiedlungen an der Peripherie Roms (Garbatella) und für den neu- en Ort am Meer (Ostia Nuova635) ausgearbeitet und teilweise schon umgesetzt wurden, scheiterte das Vorhaben letztlich, als 1922 die Faschisten die Macht übernahmen und Sparmassnahmen einleiteten, so dass weder der Hafen noch der Kanal jemals zur Ausführung gelangten und auch die Bedeutung der Industrie weiterhin marginal blieb. Trotzdem wurde die Vorstellung „Roma al mare“, die Anbin- dung Roms an seine Küste, nicht aufgegeben, sondern erhielt unter Mussolini erneut hohe Priorität. Im Dezember 1925 verkündete er in seiner städtebaulich programmatischen Rede, dass sich das „Dritte Rom“ (das neue Rom des vereinten Italien) demnächst über die Hügel, entlang der Ufer des Flusses bis zu den Stränden des Tyrrhenischen Meeres ausweiten werde und eine gerade, breite Stra- sse die Fülle des „Mare Nostrum“ vom neu auferstandenen Ostia mitten in das Herz der Stadt bringen werde.636 Tatsächlich konnte sich der neue Lido in Ostia dank der 1924 in Betrieb genommenen Ei- senbahnlinie, der 1928 eröffneten Autostrasse Via Ostiense (Via del Mare) und der zwischen 1924 und 1927 nach den Plänen Giovanni Battista Milanis errichteten Badeanstalt „Roma“, deren Kuppel axial zur ebenfalls 1928 eingeweihten Kirche Regina Pacis gleichsam den Endpunkt im Meer bildete, auch ohne industriellen Anschluss rasch zu einem begehrten Bade-, Kur- und Ferienort der Römer entwi- ckeln.637 1915, als Mazzoni sein Studium an der Ingenieurschule begann, wurde die römische Associazione Artistica von der Stadt beauftragt, einen Bebauungsplan für Ostia Nuova zu verfassen. In der zustän- digen Kommission sassen unter anderem Giovannoni und Piacentini, die 1917 auch den Entwurf eines Industriequartiers an der Via Ostiense ausarbeiteten.638 Nach dem Krieg leitete Giovannoni überdies die Planung der ersten Baugruppe der Gartenstadt Garbatella, und Piacentini entwarf 1920, in der Zeit also, als Mazzoni für ihn als Zeichner tätig war, eine Industrieanlage an der Via Ostiense, sechs (nicht realisierte) Ferienhäuser am Meer und die beiden auf einem identischen Grundriss basierenden Kopf- bahnhöfe der neuen Eisenbahnstrecke Roma-Ostia Mare.639

634 Vgl. Orlando 1904; Orlando 1905; Ferraris 1907; Fraticelli 1982, S. 72-83; Sinatra 2006, S. 14-27. Paolo Orlando (1858- 1943) war auch Stadtrat, gründete 1904 das Komitee „Pro Roma marittima“ und präsidierte später den Ente autonomo per lo sviluppo marittimo e industriale di Roma (SMIR), der 1919 eingerichtet und 1923, nach der Sistierung des Hafenpro- jekts, wieder aufgelöst wurde. Vgl. Fraticelli 1982, S. 239-242; Coppola, Fausti, Romualdi 1997, S. 57-95. 635 Ostia Nuova, auch Ostia Mare genannt, wurde ab 1933 in Lido di Roma und nach dem Krieg in Lido di Ostia umbenannt. 636 Mussolini hielt seine denkwürdige Rede am 31. Dezember 1925 anlässlich der Amtseinführung von Filippo Cremonesi, des ersten „Governatore“ von Rom, vgl. Mussolini 1934, S. 243-245. Eine deutsche Übersetzung der Rede findet sich in: Bodenschatz 2011, S. 464-465. Vgl. weiterführend auch Fraticelli 1982, S. 357-362; Bodenschatz 2011, S. 47-48. 637 Vgl. Magi-Spinetti 1934; Bianchi 1937; Ostia stabilimenti balneari 1996; Bodenschatz 2011, S. 103-105, 150-154. Die von Anfang an als elektrische Eisenbahn geplante Strecke Roma-Ostia Mare wurde am 10. August 1924 von der privaten Società Elettroferroviaria Italiana in Betrieb genommen, aber erst ab 1925 elektrisch befahren, vgl. Ministero dei Lavori Pubblici 1933, S. 109. Dieselbe Gesellschaft hielt ab 1924 die nötigen Konzessionen für die Entwicklung des gesamten Küstengebietes und finanzierte unter anderem die Errichtung der Badeanstalt „Roma“; Giovannoni lobte den runden, aus Eisenbeton gefertigten Zentralbau Milanis wegen dessen Rekurs auf die antiken Thermen, vgl. Giovannoni 1927. Die 24 km lange, von Bäumen gesäumte Autostrasse Via del Mare war elektrisch beleuchtet und wurde innerstädtisch bis zum Palazzo Venezia mitten ins Zentrum geführt. 638 Das Komitee „Pro Roma marittima“ hatte 1910 einen ersten, noch sehr schematischen Bebauungsplan für Ostia Nuova präsentiert, für den 1916 veröffentlichten piano regolatore zeichneten Giovannoni, Piacentini, Tullio Passarelli und Vin- cenzo Fasolo, ein weiterer Lehrer Mazzonis, verantwortlich. Vgl. Orlando 1910; Giovannoni 1916 (2), S. 103; Coppola, Fausti, Romualdi 1997, S. 96-150; Stabile 2001, S. 113-122. 639 Vgl. auch Kapitel 1.2.2.2, S. 57, Anm. 165; 1.3.2.2, S. 94-94, Anm. 284. Zu den genannten Projekten Piacentinis vgl. De Rose 1995, S. 81-84,141, 143-145,154-155; Coppola, Fausti, Romualdi 1997, S. 162-183. 3.1 Ort und Geschichte 235

Die Projektverfasser des 1916 präsentierten Bebauungsplans legten Wert darauf, dass die landschaft- lichen Besonderheiten der Gegend, speziell die Terrainverhältnisse und die vorhandene Vegetation, respektiert würden und richteten die Linienführung der Verkehrswege und die Anordnung der Baupar- zellen dementsprechend aus. Auch kulturhistorische Wegmarken galten als schützenswert, so wurde die Verlängerung der Via Ostiense auf der Höhe des im späten 15. Jahrhundert errichteten Castello abgezweigt, um Ostia Antica herumgeführt und anschliessend auf direktem Weg annähernd recht- winklig zur Küste bis zum Meer geleitet. Die parallel zur Autostrasse verlaufende Eisenbahnlinie schwenkte dagegen kurz vor der Mündung in den Bahnhof leicht nach Süden ab und führte dadurch eine neue, diagonale Richtung zu jener der Küstenlinie und ihrer Senkrechten ein. Der vorgelagerte Bahnhofsplatz war über eine gekrümmte Strasse mit der Viale della Pineta verbunden, der inneren Hauptstrasse, die parallel zum Strand und zur Küstenstrasse verlief und ihren Namen den für die Ge- gend typischen Pinienwäldern zu verdanken hatte. Der Bahnhofsplatz markierte zusammen mit der angrenzenden Piazza Grande das Zentrum, um das herum sich die öffentlichen Einrichtungen, ein Markt, ein Polizei- und Gemeindeposten, ein Postbüro und einige Läden, gruppieren sollten. Etwas zurückversetzt waren auf einer leichten Anhöhe die Kirche und eine Schule angeordnet. In der Um- gebung des Bahnhofs sollte ein Quartier für Bade- und Feriengäste aus den niedrigen Einkommens- schichten und Sozialwohnungen entstehen, weiter südwärts war ein vornehmeres Villenquartier mit einer öffentlichen Parkanlage vorgesehen. Das Siedlungsgebiet wurde im Süden von Sporteinrichtun- gen, im Norden von einer Kuranstalt eingegrenzt.640 Der heutige Zustand von Ostia Lido lässt erken- nen, dass die 1916 festgelegten städtebaulichen Grundelemente, wie die Wegführung, die Plätze, die Lage der öffentlichen Einrichtungen und die Bebauungsstruktur, in den 20er und frühen 30er Jahren trotz neuer Bebauungspläne weitgehend beibehalten und umgesetzt wurden. Mit der Zerstörung des Bahnhofs und der Badeanstalt „Roma“ durch die deutschen Besatzer während des Zweiten Weltkriegs gingen jedoch zwei bedeutende Bezugspunkte im Zentrum verloren.641 Das Postamt wurde nicht, wie anfänglich vorgesehen, an der Piazza Grande errichtet, sondern auf ei- ner Eckparzelle an der Kreuzung der aus Rom kommenden Via Ostiense mit dem Corso Duca di Ge- nova, der direkt auf den Bahnhof zuführte. Da weder im Nachlass Mazzonis noch im Archiv der staat- lichen Eisenbahnen Dokumente vorliegen, die über die Planungsgeschichte Auskunft geben könnten, ist ungewiss, wann genau er den Auftrag erhielt und unter welchen Bedingungen dieser ausgeführt wurde, allerdings ist klar, dass das erste, zuvor erwähnte Projekt, von dem nur noch drei undatierte Perspektivezeichnungen und ein Grundriss ohne städtebauliche Angaben existieren,642 nicht für den finalen Bauplatz bestimmt gewesen wäre. Die Standortfrage war im September 1932 noch offen und wurde vermutlich kurz darauf entschieden, so dass die Post im September 1934 offiziell eröffnet wer- den konnte.643

640 Vgl. Giovannoni 1916 (2). 641 Für den Wiederaufbau des Bahnhofs verlegte man seinen Standort hinter die Kirche und verlängerte die Bahnstrecke der Küste entlang Richtung Süden bis zum Endpunkt der Via Cristoforo Colombo, die vom EUR aus den Lido erreicht. Eine Verlegung des Bahnhofs nordwärts an den Rand des Zentrums war allerdings bereits im Detailplan (piano particolareggi- ato) vom Juni 1936 vorgesehen. 642 Vgl. Anm. 594. Im Nachlass Mazzonis finden sich nur Fotos des fertigen Baus FAM, MAZ, B/18, fasc. 2. Im ASFSR sind keine Pläne und Korrespondenz mehr zu finden. Zum Zustand der Post in der Nachkriegszeit und den Restaurationsmass- nahmen in den 90er Jahren vgl. Fazzino 1995; Prisco 1996, 103-105. 643 Vgl. Coppola, Fausti, Romualdi 1997, S. 141.Warscheinlich war die Post schon rechtzeitig zum 10-jährigen Jubiläum der Neustadt am 10. August 1934 fertiggestellt. Vgl. weiterführend auch Giornale d’Italia, 31. Aug. 1934; Lavoro fascista, 31. Aug. 1934; Sant’Elia, 1. Jun. 1934; Sant’Elia, Sept. 1934; Vignoli 1934; Marmo, Mai/Juni 1941. 236 3.1

Das Gebäude Mazzonis fügt sich aus drei unterschiedlichen Baukörpern zusammen: Der für die Öf- fentlichkeit zugängliche Hauptbau basiert auf einem runden Grundriss, dessen Zentrum und eigent- liche Herzstück ein zum Himmel hin freies Brunnenbecken – ein nicht betretbarer Innenhof – bildet. Es wird von 20 Säulen mit steinernen Sitzbänken in den Interkolumnien sowie einem Tambour oben gefasst und von einem gedeckten, vom Gehsteig her über vier Stufen erreichbaren Säulenumgang umfangen. Parallel zur Via Ostiense ist das Volumen in seinem Durchmesser in eine geschlossene und eine offene, der Strasse zugewandten Hälfte geteilt. Ein weit ausladendes Dach, das am äusse- ren Radius des Umgangs von weiteren neun Säulen getragen wird, erweitert den offenen Portikus; die Rundung auf der gegenüberliegenden, geschlossenen Seite bildet eine glatte Wand mit partiellen Öffnungen, durch die man zu den für das Publikum bestimmten, strahlenförmig angelegten Räum- lichkeiten gelangt: zur Schalterhalle für Brief- und Paketsendungen, zum Schreibsaal sowie den Te- lefonen und Telegrafen. Auf deren Rückseite liegen verbunden mit der Anlieferung die Diensträume. Sie grenzen innenräumlich an die Schalterhalle und schmiegen sich anfänglich an die Rundung an, werden dann aber nordostseitig, in einem 45°-Winkel zur Via Ostiense, in einen rechteckigen Bau- körper umgelenkt. Dieser kubische Gebäudeteil ist zweigeschossig und führt aussen im Erdgeschoss sowohl die geschlossene Wandfläche des Umgangs als auch dessen auskragendes Dach (säulenlos) weiter, im oberen Geschoss befand sich eine Wohnung für den Direktor der Poststelle. Den Ab- schluss des geraden Baukörpers markiert als drittes Element und Gegengewicht zur dominierenden horizontalen Gliederung ein Turm. Er steht übereck wie eine Wegmarke an der Strassenflucht und erfüllt zweierlei Funktionen: in seinem Innern, dem halbrund gewölbten, fensterlosen Volumen, wird die Dienstwohnung mit einer Treppe, die Licht über eine grossflächig mit Glasbausteinen versehene Seitenfassade erhält, erschlossen, das Äussere dagegen inszeniert ein von weit her sichtbares, monu- mentales Liktorenbündel bestehend aus drei turmhohen, halbgerundeten Stelen mit Äxten.644 Durch das Durchschneiden des ringförmigen Volumens und das Ausscheren des einen Gebäudeflügels aus der Geometrie des Kreises wird das Gebäude nicht nur asymmetrisch, sondern erhält gesamthaft eine Orientierung, die einerseits die Richtung der Strasse Rom-Ostia aufnimmt, andererseits zur Mitte der Kreuzung hinweist und damit in etwa der Ausrichtung des alten Bahnhofs entspricht. Bemerkenswert ist zudem, dass weder zwischen den einzelnen Baukörpern noch den verschiedenen räumlichen Situ- ationen deutliche Trennungen auszumachen sind, vielmehr überlagern sie sich und greifen räumlich, konstruktiv und materiell ineinander. Die Tragstruktur des Postamtes wurde aus Eisenbeton gefertigt und mit rötlich-braunen, handge- machten Ziegeln im gotischen Verband verkleidet. Entlang des Säulenumgangs und des auskragenden Dachs sind sämtliche Wand-, Decken- und Gehflächen ebenso wie alle Dachabschlüsse, Fenster-, und Türleibungen sowie die Stelen des Liktorenbündels mit hellen, fast weissen, porösen Travertinplatten aus Tivoli gefasst. Das Bauvolumen erscheint dadurch wie aufgebrochen, als zeige es sein Inneres – eine Wirkung, die besonders durch das auskragende Dach, das seitlich jeweils bis zum Boden hinun- terführt, erzielt wird. Das Wasserbecken ist mit rechteckigen, ursprünglich kobaltblauen Fliesen aus Murano-Glaspaste belegt, was damals hinsichtlich der Verwendung von Baumaterialen einer Novität entsprach.645 Die Mitte des Brunnens zieren zwei kleine Sirenen aus getriebenem Kupfer, die je eine

644 Für das stilisierte Liktorenbündel erntete Mazzoni in der zeitgenössischen Presse Kritik, es sei zu rhetorisch und würde zu stark an jene des Eingangs zur Ausstellung der Rivoluzione Fascista erinnern, vgl. Sant’Elia, Sept. 1934; Vignoli 1934. 645 Vgl. Sant’Elia, Sept. 1934. 3.1 Ort und Geschichte 237

Schale über ihren Köpfen halten. Die Figurengruppe steht auf einem kurzen Säulenschaft und ist das Werk des venezianischen Künstlers Napoleone Martinuzzi, der auch für viele andere Projekte Mazzo- nis Glasobjekte, Leuchten, Bronzefiguren, Steinskulpturen und -reliefs entwarf.646 In den Innenräumen waren die Wände, Decken und Böden vollständig mit kleinformatigen, monochromen Keramikmosa- iksteinen besetzt: dunkelblau in der Schalterhalle, dunkelblau mit schwarzem Boden im Schreibsaal, hellgrau in der Passage zwischen dem Schreib- und Telefonsaal, grün und dunkelgrün im Telefonsaal. Bis auf wenige fest installierte Möbel bestand die übrige Einrichtung (Türen, Fenster, Leibungen, Ablagen, Uhren, Leuchten) aus Kupfer. Die Räume, so lobte damals Carlo Vignoli in einem Zeitungs- artikel, seien grosszügig, lichterfüllt, gut belüftet und modern ausgestattet, mit Radiatoren und auto- matisch ein- und ausschaltendem Licht in den Telefonkabinen.647

3.1.1.2 Landschaftliche und topologische Beziehungen Kraft seiner Lage und seiner formalen Gliederung funktioniert das Gebäude gewissermassen als Scharnier im Stadtraum; ausserdem fügt sich die eigenwillige Bautypologie – die, wie Carlo Severati in den 70er Jahren in einem kritischen Artikel schrieb, mit dem Portikus zwar die städtische Umge- bung aufnehme, sich ihr aber durch die strenge, selbstbezogene Geometrie gleichzeitig entziehe648 – ebenso beispielhaft wie differenziert in ihren landschaftlichen und kulturhistorischen Kontext ein. Der runde Säulenumgang mit dem Brunnen spielt hierbei die tragende Rolle. Seine offene Disposition schafft eine raffinierte Verknotung des städtischen Raums mit jenem der öffentlichen Einrichtung der Post: „appartiene alla città, nella misura in cui non c’è nessuna barriera, nessuna definizione funzio- nale per usarlo; ed è al tempo stesso strettamente legato al volume pieno.“649 Zugleich macht der Por- tikus vielschichtige räumliche Bezüge erfahrbar, indem das Verhältnis zwischen Innen- und Aussen- raum immer wieder alterniert: der Freiraum unter dem auskragenden Dach, der einseitig geschlossene Säulengang oder das vom Himmelsgewölbe gedeckte Brunnenbecken sind je nach dem, zu welchen anderen Räumen sie in Beziehung gesetzt werden, ebenso Innen- wie Aussenräume und bleiben daher stets ambivalent. Die Erfahrungen beschränken sich dabei nicht nur auf die Grössenordnung des Ge- bäudes und des städtischen Raums, sondern weiten sich zur umgebenden Landschaft aus und gehen weiter bis hin zu den raumdefinierenden Elementen der Natur, den Bäumen, der Sonne und dem Him- mel. Zwei Gestaltungsmittel, die Säulen und die Leuchtkörper des Innenhofs, verdeutlichen diese räumli- chen Bezüge exemplarisch. Die Säulen bestehen aus trapezförmigen, lageweise zueinander versetzt gemauerten Ziegelsteinen und wirken dadurch wie die rauhen Rinden von Bäumen, die eine Lichtung bilden. Zusammen mit dem auskragenden Dach erinnern sie an die Stämme der Pinien, die mit ihren ausladenden Kronen während der heissen Sommermonate willkommene Schattenspender in dieser Gegend sind:

646 Napoleone Martinuzzi (1892-1977) stammte aus einer traditionsreichen Glaserfamilie aus Murano, von 1925 bis 1932 war er künstlerischer Direktor der Firma Venini, die für viele Bauten Mazzonis Leuchtkörper lieferte. Weitere Kunstwerke Martinuzzis finden sich in der Post von Bergamo, Trient, Görz, Ferrara, La Spezia, Grosseto, Palermo und im Dopolavoro in Rom. Zu Martinuzzi und Venini vgl. Marconi, Pl. 1929 (1); Architettura, Mai 1933 (3); Barovier 2001; Silvestri, S. 2008. 647 Vgl. Vignoli 1934; Architettura, März 1935. 648 Vgl. Severati 1975 (2), S. 654. 649 (Ebenda, S. 654.) 238 3.1

„La folla estiva dei bagnanti (...) si riversa numerosa (...) all’ufficio postale. È necessario creare quindi un vastis- simo ambiente di attesa, ventilato, fresco, confortevole. Nulla di meglio d’un portico aperto, con grande pensilina, animato dal gaio gocciolìo dell’acqua nella capace vasca centrale.“650 Mit der Schaffung einer Lichtung – eine mit architektonischen Mitteln versinnbildlichte Gründungs- geste – nahm Mazzoni überdies die Idee der „Urbarmachung“ auf und rief so im Sinn des genius loci die Entstehungsgeschichte von Ostia, der Neustadt in den Pinienwäldern am Meer, in Erinnerung. Dieses Bewusstsein akzentuierte er zusätzlich mit der Farbgebung der radial um den Säulengang an- geordneten Innenräume; so fiel aus den vollständig grün und blau ausgekleideten Räumen der Post der Blick durch die Türen auf die „Stämme“ und das Licht im Portikus, und durch die grossflächigen Fenster auf der Rückseite war zugleich der mit Pinien, Oleander und Blumen bewachsene Garten zu sehen. Wenn sich Vignoli darüber hinaus eine Einfassung des rückwärtigen Aussenbereichs mit dunk- len, eleganten Zypressen wünschte, „a fare da sfondo e ad isolare il palazzo inquadrandolo in una cor- nice di verde“, so schien er die Konzeption Mazzonis treffend zu bestätigen.651 Die Leuchten, die an der Decke in der Mitte der Interkolumnien hängen, greifen ähnliche Inhalte auf. Sie setzen sich aus drei einfachen Elementen zusammen: aus einer vertikalen, an der Unterseite gerundeten Platte aus Kupfer, an der zwei zylinderförmige, unten ebenfalls gewölbte Glaskolben hän- gen – ein weisser Tropfen auf der Seite des hell ausgekleideten Säulengangs, ein blauer, etwas tiefer hängender zum Brunnen und offenen Himmel hin. So, wie sich das Gebäude als Modell der gesamten Stadt in den Pinienwäldern am Meer deuten lässt, so lassen sich auch die Leuchten als Modell des ge- samten Gebäudes verstehen, indem sie mit der Thematisierung von Innen und Aussen, Hell und Dun- kel, Offen und Geschlossen Mazzonis grundlegende Handhabung des öffentlichen Raums anzeigen, denn wiederum alternieren die räumlichen Verhältnisse, und der tagsüber schattenspendende Portikus wird bei Dunkelheit zu einem hell erleuchteten Raum, in dessen Mitte die Blautöne des Himmels, des Wassers und des Kunstlichts zusammenfinden. Die Leuchten erscheinen daher nicht bloss ornamental, sondern gemahnen in poetischer Weise an die Bedeutung von Licht und Schatten, Tages- und Nacht- zeiten. Marinetti sei von der Wirkung so begeistert gewesen, dass er die Post mehrfach am Tage und bei Nacht besuchen wollte, um ihren sich wandelnden Ausdruck zu bewundern, so notierte Mazzoni sichtlich geehrt.652

3.1.1.3 Historische und typologische Beziehungen Einer der wichtigsten und naheliegendsten historischen Faktoren, die den Entwurf des Postgebäudes beeinflusst haben mögen, gibt die knapp drei Kilometer entfernteAusgrabungsstätte Ostia Antica, die erste Militärkolonie Roms und einst blühende Handelsstadt des Kaiserreiches, vor. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatten dort der Archäologe Dante Vaglieri und seine Mitarbeiter Guido Calza und Italo Gismondi die bislang zaghaft erfolgten Grabungsarbeiten wieder aufgenommen und mit einer sorgfäl- tigen wissenschaftlichen Vorgehensweise eine neue Phase eingeläutet, die grundlegende Erkenntnisse

650 (Architettura, März 1935, S. 141, 149.) 651 (Vignoli 1934.) Um 1942 liess Mazzoni im Bahnhof Roma Termini angrenzend an die Bibliothek und den Konferenzsaal im Obergeschoss einen gleichen, runden, offenen Innenhof einrichten, der allerdings allseits umschlossen ist und dessen Säulen mit schmalen, aber ebenfalls versetzt gemauerten Travertinsteinen verkleidet sind, vgl. Kapitel 1.3.3.2, S. 112 und Abb. 135. Den Säulen von Ostia Lido sollen jene gemauerten der Post von Trient, die den Innenhof des Dopolavoro ab- schliessen und zwei Renaissance-Kapitelle des ehemaligen Palazzo a Prato tragen, vorausgegangen sein, vgl. FAM, MAZ, D/3, S. 58. 652 „Piaceva moltissimo al Marinetti, volle andare a vederla 2 volte di giorno 3 di notte (per certi effetti di luce).“ (FAM, MAZ, B/18, fasc. 2.) Vgl. auch ebenda, S/21, S. 21; FFM, B. IV, 33, Brief vom 26.4.1973. 3.1 Ort und Geschichte 239

über die Gestalt der antiken Stadt, ihre Ausdehnung und Geschichte zu Tage förderte. Nach dem Tod Vaglieris im Jahr 1913 führten Calza und Gismondi die Arbeiten weiter und publizierten regelmässig die Ergebnisse ihrer Forschung und die Fortschritte ihrer Grabungstätigkeit.653 Anfangs der 30er Jahre war das Siedlungsgebiet soweit freigelegt, dass die Strukturen der Stadt überschaubar waren und Hy- pothesen über ihre Entwicklung zuliessen.654 In republikanischer Zeit war das Castrum so angelegt worden, dass die auf geradem Weg aus Rom kommende Via Ostiense innerhalb der Mauern den Decumanus maximus bildete; das westliche Stadt- tor wurde dort gesetzt, wo die Hauptstrasse auf die ältere, diagonal verlaufende Via Laurentina, auch Via della Foce genannt, traf und dann nach Süden zum Meer hin abbog („bivio del Castrum“), das Südtor kam an der Kreuzung der Via Laurentina mit dem Cardo zu liegen. In Abweichung zum ortho- gonalen Raster des Castrum wurde die Stadt später vom Westtor aus entlang der beiden divergieren- den Strassen erweitert. Dieser Kreuzungspunkt war noch aus einem weiteren Grund bedeutend, denn an dem Ort befand sich eine Quelle mit Trinkwasser, an deren Stelle ein als Nischenbrunnen ausge- bildetes Nymphäum errichtet wurde und auf die man die Setzung des Herkulestempels zurückführt.655 Ostia Antica war offenbar reich mit öffentlichen und privaten Brunnenanlagen und Nymphäen aus- gestattet, die nicht nur der Wasserversorgung dienten, sondern auch der Erfrischung und der Verschö- nerung der Stadt und als Heiligtümer wichtige kultische Zwecke erfüllten. Einen ebenso kardinalen Punkt besetzte auf dem Forum ein rundes Becken mit sechs Nischen, möglicherweise ein Monopte- rosbrunnen, der – entsprechend den Lehren Camillo Sittes – die Kreuzung zweier Strassen, des De- cumanus mit dem Cardo, kennzeichnete: „potrebbe forse ricordare l’antico ‚Mundus‘ del Castrum, il pozzo sacro al centro dell’incrocio delle due vie (...) e venerato come una reliquia.“656 Diese antike städtebauliche Anordnung lässt sich programmatisch auf das Postamt Mazzonis in der Neustadt von Ostia übertragen: Wie die beiden erwähnten Nymphäen markiert es die Schnittstelle zweier Hauptachsen und verbindet durch seine Orientierung die Strassenkreuzung mit dem Zentrum der Stadt. Das Wasserbecken, das den Rotationspunkt seines Gebäudes darstellt, kann somit als Set- zung einer neuen „Quelle“, als Begründung eines Ortes, interpretiert werden – die Post verweist so auf Architektur in ihrer erhabensten Form: jener des Tempels. Inwieweit Mazzoni von den genauen Sachverhalten in Ostia Antica, das gleichermassen den wiederentdeckten Ur-Ort vorgab, tatsächlich unterrichtet war, lässt sich nicht verifizieren, man darf angesichts der damaligen Auseinandersetzung mit den archäologischen Forschungsergebnissen und Mazzonis städtebaulichen Interessen jedoch da- von ausgehen, dass er sich der Bedeutung seiner architektonischen Geste, mit der er an die Ursprünge der Architektur und die Identität des Ortes rührte, durchaus bewusst war. Die Präsenz und die Gestaltung des Brunnenbeckens ergeben nicht nur topographisch und historisch gesehen einen weitreichenden Sinn, sondern auch in einem übergeordneten typologischen Kontext.

653 Vgl. z.B. Calza, G. 1929; sowie Kapitel 1.2.2.2, Anm. 176, 179. In Mazzonis Bibliothek findet sich auch der um 1930 von Guido Calza publizierte Führer Gli scavi di Ostia. Itinerari per la visita delle rovine. 654 „Calza mise allo scoperto il primitivo Castrum e le mura della città del periodo repubblicano; (...) riportò alla luce una vasta zona di monumenti intorno al Foro e gran parte dell’antica rete stradale.“ (Magi-Spinetti 1934, S. 314.) 1938 war rund ein Drittel der Stadt freigelegt; während der folgenden vier Jahre fand dann eine überstürzte und schonungslose Ausgrabungstätigkeit statt, um Ostia Antica an der geplanten Weltausstellung E’42 gebührend präsentieren zu können. „L’urbanistica ostiense può interessarci anche come riflesso in scala ridotta di quella di Roma, giovandosi oltre della pre- senza del fiume e della visione dei Colli Albani anche dello sfondo del mare.“ (Calza, R., Nash 1959, S. 12-13.) 655 Vgl. Descoeudres 2001, S. 55; Zevi, F. 2001, S. 10-12. 656 (Calza, R., Nash 1959, S. 11.) Vgl. auch ebenda, S. 19; Schmölder 2001, S. 103-105; Bakker 2006; sowie Kapitel 1.3.2.2, S. 91-92. 240 3.1

Der Entwurf Mazzonis kann auf zwei Bautypen zurückgeführt werden: auf das römische Hofhaus und den Rundtempel, die beide das Wasser, beziehungsweise die Quelle, in den Mittelpunkt setzen. Im antiken Hofhaus (Domus), das mehr noch in Pompeji als in Ostia verbreitet war, repräsentierte das Atrium den zentralen Raum, um den sich die andern kleinen und grösseren Räume ordneten, zur Strasse hin die Werkstätten und Läden, auf der Rückseite die privaten Zimmer. Das zur Lichtöffnung des Atriums geneigte, bisweilen von Säulen getragene Dach fing das Regenwasser auf (Compluvi- um) und leitete es in ein Becken am Boden, dem Impluvium, ab. Aus einem Brunnen, der mit dem Sammelbecken unter dem Impluvium verbunden war, konnte dann Wasser geschöpft werden. Der Kreislauf des Wassers, dessen Vorhandensein und Nutzbarkeit seit jeher die wichtigste Voraussetzung für die Ansiedlung des Menschen gewesen ist, erhielt so in der profanen Architektur des Hofhauses einen unmittelbaren Ausdruck. Dass die Projektion dieses Bautyps auf die Form des Postgebäudes zur Zeit Mazzonis offensichtlich schien, gab Vignoli in seinem Artikel zu verstehen: „La vasca è come un compluvium di casa romana (...); in alto c’è l’impluvium aperto con lampade e riflettori, a luce chiara all’esterno e azzurra su la fontana.“657 Auch andere Architekten referierten damals explizit auf die Typologie des Hofhauses, so etwa Giovanni Battista Ceas mit seinem Jugendhaus in Arborea, das im Pavillon Kampaniens, den er 1933 mit Marcello Canino, Ferdinando Chiaromonte und Adalberto Sommariva an der fünften Triennale in Mailand präsentiert hatte, seinen Vorläufer fand.658 Den Typ des Rundtempels definierte Vitruv als kreisförmige Säulenhalle auf einem erhöhten Un- terbau, die entweder mit oder ohne Cella erbaut wurde.659 Letztere, auch als Monopteros bezeich- net, konnte ein blosser Säulenkreis mit Architrav, Fries und Gesims sein oder, gemäss der späteren zeichnerischen Interpretation Andrea Palladios, überkuppelt. In der Renaissance galt der Monopteros als Urform des Tempels und aufgrund des runden Grundrisses überdies als Sinnbild des Menschen, dessen Körper sich, wie schon Vitruv ausgeführt hatte, in einen Kreis einschreiben lasse und dessen Massverhältnisse auf den Tempelbau zu übersetzen seien.660 Die Idealform des Zentralbaus fand bei vielen frühchristlichen Bauten, insbesondere bei Mausoleen und Baptisterien, weiter Verwendung, da die symbolische Bedeutung der Raumform zur Vermittlung der christlichen Vorstellung von Tod, Auferstehung, Taufe und Wandlung besonders geeignet erschien.661 Beispielhaft ist hierfür die Bauge- schichte der Grabeskirche im Kirchenkomplex Santo Stefano in Bologna, einem der ältesten Baumo- numente der Stadt, das die Gründungsgeste der Architektur paradigmatisch veranschaulicht und für Mazzoni eine mögliche und naheliegende Referenz gewesen sein könnte.662 Die Ursprünge des En- sembles, wegen seiner vielen Kirchen auch „Sette Chiese“ genannt, sollen auf einen römischen Tem- pelbau mit Quellfassung zurückgehen, neben dem in frühchristlicher Zeit eine Nekropole angelegt worden war. Zu Ehren der beiden lokalen Märtyrer Vitale und Agricola, deren Gebeine dort begraben lagen, baute man im 5. Jahrhundert nördlich des heidnischen Tempels eine Basilika und nutzte den Tempel und seine Quellfassung fortan als Baptisterium. Im 12. Jahrhundert, als die gesamte Anlage eine Erneuerung erfuhr und das Taufbecken in die neue Kirche San Giovanni Battista nebenan verlegt

657 (Vignoli 1934.) Dass Vignoli das Impluvium mit dem Compluvium verwechselte, ändert nichts am Sinn seiner Aussage. 658 Vgl. Architettura 1933, S. 47-48; Capomolla, Mulazzani, Vittorini 2008, S. 178-179. Giovanni Battista Ceas baute 1934- 1935 in Arborea/Sardinien ein L-förmiges Jugendhaus, an dessen Gelenkstelle in der Ecke des Gebäudes ein nach oben offenes, rundes, von schlanken Pfeilern umringtes Wasserbecken angeordnet war; die Pfeiler liess er so aus Backstein mauern, dass sie einen ähnlichen Hell-Dunkel-Effekt erzeugten wie die Säulen der Post in Ostia. 659 Vgl. Buch IV, Kapitel VIII in: Vitruv 2009, S. 205. 660 Vgl. Barbaro 1556, S. 124; Buch III, Kapitel I in: Vitruv 2009, S. 131-135. 661 Vgl. Horsch, Raspe 2010, S. 12-13. 662 Vgl. Kapitel 1.2.1.2, S. 42; 1.3.2.2, S. 88-89; sowie FAM, MAZ, S/24, S. 53-55, 94-95. 3.1 Ort und Geschichte 241 wurde, wandelte man das Baptisterium in eine ungefähre Kopie der Grabeskirche von Jerusalem um. Im Innern des Säulenkreises, der von einem unregelmässigen Oktagon umschlossen und mit einer Empore ergänzt wurde, errichtete man das Kenotaph Christi, an jenem Ort also, wo einst eine Quel- le den Bau eines Tempels veranlasst hatte. Von den zwölf Säulen, die das Grab umringen, stammen sieben noch aus römischer Zeit, die restlichen fünf wurden während der Umbaumassnahmen neu aus Backstein gemauert, wie auch jene, die den sieben originalen Säulen zur Verstärkung beigestellt wur- den: „ein Kunstgriff, der wohl die ungebrochene Fortdauer der Tradition veranschaulichen sollte.“663 Für den Entwurf seiner Ringhalle in Ostia Lido verfügte Mazzoni nebst der Grabeskirche in Bologna über viele weitere Vorbilder in unmittelbarer Nähe, die der Typologie des Rundtempels entsprachen und damals im Fokus der Architekturforschung standen, so etwa die Herkules- und Vesta-Tempel in Rom und Tivoli, das Teatro Marittimo der Hadriansvilla, das Mausoleum der Santa Costanza, das Baptisterium des Lateran, die Kirche Santo Stefano Rotondo, der Tempietto Bramantes oder auch der Fragment gebliebene Hof der Villa Madama.664 Als gegenwärtige Werkbeispiele lassen sich das 1929 in Helsingborg erbaute und anfangs 1931 in Architettura e Arti Decorative publizierte Krematorium des schwedischen Architekten Ragnar Östberg oder der Krankenhauskomplex in Berlin-Buch des Berliner Stadtbaumeisters Ludwig Hoffmann, für dessen Architektur Mazzoni grosses Interesse zeig- te, hinzufügen. Hoffmann etwa hatte ins Zentrum seiner im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts ent- standenen Anlage einen einfachen Monopteros gesetzt, eine zum Kreis gefügte, aus Backsteinpfeilern und einem Architrav bestehende Pergola, die ein rundes Wasserbecken mit einer Puttenfigur in seiner Mitte umfasste.665 Dass das Postgebäude in Ostia Lido später in der Nachkriegszeit an ganz anderen Kriterien als den eben dargestellten gemessen wurde, verdeutlicht der Artikel Severatis aus dem Jahr 1975, den er unter dem Titel „Manierismo mazzoniano“ zu einer Zeit verfasste, als der Manierismus als kulturhistorische Stilepoche noch keineswegs positiv konnotiert war und auch die Architektur der Moderne wenig dif- ferenziert rezipiert wurde. Severati bezeichnete das Postamt zwar als „punto di stabilizzazione del lin- guaggio mazzoniano“,666 das insgesamt – abgesehen von den Fenstern der Wohnung, den Diensträu- men und dem Liktorenbündel, wie er meinte – ein korrektes Gebäude sei, im Grunde aber scheint es, als sei ihm die „Sprache Mazzonis“ ein Rätsel geblieben. So vertrat er in seiner Analyse die Meinung, dass der Bau trotz seiner Qualitäten letztlich die inkonsequente, gesamthaft unkritische architektoni- sche Haltung Mazzonis, der keinen der eingeschlagenen Wege je zu Ende gegangen sei, widerspiegle. Stilistische Mehrdeutigkeit und formal unerwartete Erscheinungen, die Severati beispielsweise im Übergang vom geraden Volumen zum Säulenportikus erkennen wollte, betrachtete er als objektive Mängel, die es verunmöglichten, dem Bau eine „pagina di storia maggiore del movimento moderno“ zuzugestehen: „Mazzoni castra le condizioni di sviluppo di ciascuna poetica proprio là dove comince- rebbe ad essere significativa, e nell’ipotesi migliore, non porta fino in fondo le numerose scoperte- invenzioni in cui s’imbatte.“667 Zusätzlich mass er Mazzoni unablässig an den Überzeugungen anderer Architekten, etwa jener von Frank Lloyd Wright, Le Corbusier, Joseph Maria Olbrich oder Erich

663 (Pieper 1989, S. 99.) Zu Santo Stefano und den Typus der Jerusalemkirchen vgl. Bocchi, F. 1987, S. 10-49; Pieper 1989. 664 Einer der bedeutendsten Architekturforscher, der sich mit den erwähnten Bauten befasste, war Giovannoni. Die Beispiele dienten auch als Grundlage der Lehrmittel der Scuola d’applicazione, vgl. Giovannoni 1920; Milani 1920. 665 Vgl. Stahl 1907, S. 93, 100; Fichera 1931, S. 236. 666 (Severati 1975 [2], S. 653.) 667 (Severati 1975 [2], S. 657.) 242 3.1

Mendelsohn, womit er ihm indirekt die Kompetenz und ein eigenes Bewusstsein in architektonischen Fragen absprach.668 Aus heutiger Sicht genügt ein derartiges, vornehmlich formalistisch begründetes Urteil nicht mehr, um dem Bau einen Eintrag unter den Besten seiner Zeit zu verweigern. Mit der Post in Ostia Lido zeigte Mazzoni einen klaren Weg, wie der Rekurs auf Tradition und Geschichte mit zeitgemässen architektonischen Mitteln, aber ohne getreue Nachahmung, stilistische oder formale Zwänge mög- lich war, indem er auf elementare Inhalte und Zusammenhänge vertraute, die er auf die Architektur übertrug und bildhaft zum Ausdruck brachte. Seine Suche galt dem Urbild der Architektur, dem Ar- chetypus, den er ebenso eng mit dem historischen und topographischen Kontext verband, wie mit den Bedingungen seiner eigenen Gegenwart. Insofern ist auch nicht entscheidend, ob sich die dargelegten Erkenntnisse aus der Lektüre des Postgebäudes mit den wirklichen Absichten und Gedankengängen Mazzonis decken, vielmehr liegt der Wert darin, dass sein Werk die Konstruktion solcher Bezüge überhaupt zulässt. 1923 schrieb Mazzoni: „Si ricerca non la forma, ma la vita interiore della forma, l’insieme più che il particolare: la massa, il colore, il chiaro-scuro, il rapporto fra il pieno ed il vuoto“, eine Überzeugung, die in der Architektur der Post von Ostia Lido exemplarisch Gestalt annimmt.669

668 Vgl. ebenda, S. 652-659. Trotzdem ist der vierteilige Bericht über Mazzoni, den Severati als Assistent von Bruno Zevi für dessen Zeitschrift verfasste, als sehr verdienstvoll zu erachten, wie auch seine zwei Jahre zuvor erschienen Artikel über die wechselvolle Geschichte der Bahnhöfe von Rom, Florenz und Venedig, die viele falsch überlieferten Darstellungen richtigstellten und zu den ersten Berichten gehörten, die über Mazzoni in der Nachkriegszeit veröffentlicht wurden. Seve- rati stand mehrere Jahre mit Mazzoni persönlich in Kontakt und recherchierte als einer der Ersten in dessen Nachlass. 669 (Mazzoni 1923 [2].) Mazzoni äusserte sich damals im Zusammenhang mit dem Studium historischer Bauformen. 243

311 Paolo Orlando, Projekt für einen Kanal von Ostia nach Rom, 1904 312 Paolo Orlando, Projekt für eine Anlegestelle bei S. Paolo fuori le mura, 1904

313 SMIR, Übersichtsplan der Verbindungen zwischen Ostia Nuova und Rom mit den geplanten Häfen, dem Kanal, der Eisenbahn und Industriezonen, 1919

314 Die durchgehend elektrisch beleuchtete Via del Mare in der Nähe von Ostia Antica um 1932

316 315 Marcello Piacentini, Grundriss der Bahnhöfe Roma San Paolo und Ostia Mare (1920-1922). Für die Konstruktion der Perrondächer wurde erst- mals in Italien Eisenbeton verwendet. 316 Perrons des Bahnhofs Roma San Paolo mit dem ausfahrenden Festzug 315 anlässlich des 10-jährigen Jubiläums von Ostia Lido, 10. August 1934 244

317 Comitato Pro Roma Marittima, piano regolatore von Ostia Nuova, 1910 318 „La Pineta“: der Pinienwald am Meer bei Ostia, 1916

319 Associazione Artistica (Gustavo Giovannoni, Vincenzo Fasolo, Tullio Passarelli, Marcello Piacentini), piano regolatore von Ostia Nuova, 1916

320 Flugaufnahme von Ostia Lido, August 1924. Auf dem Grundstück der Post (links an der Kreuzung) stand bereits ein Gebäude, das ca. 1933 für den Bau der Post und die Verbreiterung der Strasse enteignet und dann abgerissen wurde. 245

321 Enteignungsplan der Grundstücke für den Bau der Post, 1934 322 Frühe Skizze für das Postgebäude am definitiven Standort, o. D. (ca. 1933)

323 Grundriss des Ausführungsprojekts, 1934 (vgl. Abb. 277-280 für Grundrisse und Ansichten von früheren Planungsphasen)

324 Flugaufnahme des Zentrums von Ostia Lido, August 1934, mit der rückwärtigen Ansicht des Postgebäudes, der Tankstelle an der Via del Mare, dem Quar- tier der case popolari, dem Bahnhof und Bahnhofsplatz sowie dem Palazzo del Governatorato (Rathaus) 246

325 Das Postgebäude am 10. August 1934 kurz vor der offiziellen Eröffnung

326 Innere Seite des Säulenumgangs mit dem Zugang zum Schreibsaal 327 Brunnenbecken mit Sirenengruppe im Zentrum des Säulenumgangs (2013)

328 Telefonsaal (grün) mit Blick durch die Tür auf die Säulen des Portikus 329 Kupferleuchten mit Glastropfen zwischen den ziegelgefertigten Säulen 247

330 Plan von Ostia Antica (2. Jht n. Ch.), bis Mitte der 1930er Jahre war erst der Bereich nördlich des Decumanus bis zum bivio del Castrum freigelegt.

331-332 Lage des Castrum im Verhältnis zum bestehenden Kontext. Die Quelle an der Kreuzung der 333 Bivio del Castrum mit dem Herkulesheiligtum alten Via Laurentina und der neueren Via Ostiense wurde später zur Aqua Salvia des Herkulesheiligtums am westlichen Stadttor des Castrum

335 Schnitt und Grundriss eines Hofhauses in Pompeji

334 Leo von Klenze, Monopteros im Englischen Garten von München, 1832-1836 (aquarellierte Präsentationszeichnung von 1836), erster Ver- such Klenzes einer polychrom gefassten Architektur, das Motiv der mit Palmetten verzierten Stirnziegel aus Blech hatte er dem Diana-Tempel im Garten der Villa Borghese in Rom entlehnt 336 G. B. Ceas, Casa Balilla in Mussolinia (Arborea), 1934-1935 248

1 4

2 5

3 6 338 G. B. Milani, Seite über die Stabilität von kuppelüberwölbten Zentralbauten aus dem Lehrmittel „L’ossatura murale“, 1920 337 Rundtempel mit Säulenumgängen im Fokus der Architekturgeschichte: 1. Vesta-Tempel in Tivoli, 2. Teatro Marittimo der Hadriansvilla, 3. Bap- tisterium des Lateran, 4. Mausoleum der Santa Costanza, 5. Kirche Santo Stefano Rotondo, 6. Tempietto Bramantes

5 340 Bologna, Grabeskirche im Kirchenkomplex Santo Stefano

4

1 2

3

339 Kirchenkomplex Santo Stefano in Bologna: 1. Grabeskirche mit dem Kenotaph Christi, 2. Kirche Santi Vitale e Agricola, 3. Kirche San Giovanni 341 Ludwig Hoffmann, Brunnen im Zentrum des Krankenhaus- Battista, 4. Cortile di Pilato, 5. Kloster und Kreuzhof (vgl. Abb. 15) komplexes Berlin-Buch, 1907 3.1 Ort und Geschichte 249

3.1.2 Bauliche Keimzellen: die Postbauten und der Bahnhof in den Neustädten des Agro Pontino

3.1.2.1 Die Entstehung des Ortes Wie Ostia Lido wurden auch Littoria, Sabaudia und Pontinia, die Neustädte des Agro Pontino süd- östlich von Rom, auf weitgehend unbesiedeltem, während Jahrhunderten versumpftem und malaria- verseuchtem Grund gebaut, gleichwohl erwarteten Mazzoni dort ganz andere Voraussetzungen, als er mit der Planung der Postbauten und des Bahnhofs beauftragt wurde: nicht nur die enge Verbindung zur Hauptstadt, die Nähe zu einer historisch gleichermassen bedeutsamen antiken Stätte und der di- rekte Bezug zum Meer fehlten, sondern auch die den Siedlungsgebieten zugedachte wirtschaftliche Funktion und die politisch-kulturellen Ambitionen unterschieden sich wesentlich voneinander. Dank den Gemeinsamkeiten und Differenzen sowie der geringen räumlichen und zeitlichen Distanz zur Planungsstätte in Ostia Lido eignen sich die Projekte des Agro Pontino für einen direkten Vergleich und ermöglichen eine Präzisierung der Auseinandersetzung Mazzonis mit dem spezifischen Ort und dessen Geschichte. Das Gebiet der pontinischen Sümpfe, das sich vom Fuss der Lepiner und Ausoner Berge bis zur Küs- te des Tyrrhenischen Meeres erstreckt und im Nordwesten vom Agro Romano begrenzt wird, war in vorrömischer Zeit bereits von der Volksgruppe der Volsker trockengelegt worden, nach den siegrei- chen Kriegen der Römer ab dem 4. Jahrhundert v. Chr. aber allmählich der Versumpfung anheim- gefallen. Trotz neuer Pläne und Initiativen war es seither nicht mehr gelungen, die Ebene dauerhaft von Stau- und Schwemmwasser zu befreien und den Boden einträglich zu kultivieren, einzig die Via Appia, die das Gebiet in gerader Linie von Cisterna nach Terracina durchquert, vermochte man über lange Zeit instand zu halten. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts gewannen die Trockenlegung und Bewirtschaftung der Sümpfe erneut an Bedeutung, sie konnten jedoch erst durch die Anreize, die zur Zeit des Faschismus geschaffen wurden, tatsächlich erfolgreich umgesetzt werden.670 Mit ihrem gross- angelegten Projekt propagierte die Regierung vielfältige Ziele: so sollte die Erhöhung der landwirt- schaftlichen Produktion die Abhängigkeit von Agrarprodukten aus dem Ausland verringern und die Versorgung der Bevölkerung sicherstellen, zugleich sollten die Arbeiten an der Melioration und in der Landwirtschaft die Arbeitslosigkeit und Armut eindämmen und die Binnenmigration, insbesondere die Abwanderung aus den Städten, fördern, ebenso galt es, durch die Bekämpfung der weitverbreite- ten Malaria das Gebiet hygienisch zu sanieren, schliesslich diente das faschistische Vorzeigeprojekt aber auch der sozialen und politischen Kontrolle und liess sich im In- und Ausland eindrucksvoll für propagandistische Zwecke vermarkten.671 Als im Herbst 1931 die Urbarmachung der Opera Nazionale

670 Wirksam waren vor allem die Regierungszuschüsse und Enteignungen, die den Landeigentümern zugesichert bzw. an- gedroht wurden, sowie das Gesetz zur umfassenden Urbarmachung („legge della bonifica integrale“), das Ende 1928 in Kraft trat. Für die neuen Siedler bestanden die Anreize in der Aussicht auf Arbeit, Bodenbesitz, Ernteertrag, Tiere und Infrastruktur. Vgl. weiterführend Spiegel 2010, S. 26-32. 671 Im Zentrum der faschistischen Propaganda standen zum einen die Verklärung des Landlebens, das als produktives Ge- genmodell zum ungesunden Leben in den überbevölkerten Städten angepriesen wurde, zum anderen die Mitwirkung der ONC, der Vereinigung der ehemaligen Frontkämpfer, die das Gewehr gegen den Spaten eingetauscht hatten, um neues Land zu erobern, sowie die langersehnte Verwirklichung einer urrömischen Planung, deren Beginn man bei Julius Cäsar ansetzte und die dank Mussolini endlich vollbracht sei: „Alle drei ideologischen Bezugspunkte, der Ruralismus, der com- battentismo und der Antikenkult, [wurden] zu einem dichten Beziehungsgeflecht verwoben, das die Urbarmachung der pontinischen Sümpfe als ureigene Aufgabe des faschistischen Regimes erscheinen liess und jedes Opfer legitimierte, das zu ihrer Erfüllung notwendig war.“ (Spiegel 2010, S. 21-22.) 250 3.1

Combattenti (ONC) anvertraut wurde,672 beschleunigten sich die Prozesse erheblich: am 5. April 1932 beschlossen der Regierungskommissar der ONC, Valentino Orsolino Cencelli, und Mussolini den Bau der ersten Agrarkommune Littoria am Ort der bestehenden Siedlung Quadrato, die Grundsteinlegung fand am 30. Juni, die offizielle Einweihung am 18. Dezember desselben Jahres statt; kurz darauf wurden am 5. August 1933 und am 19. Dezember 1934 die Grundsteine für Sabaudia bzw. Pontinia gelegt, die ebenfalls nach kürzester Zeit, am 15. April 1934 bzw. 28. Oktober 1935, eingeweiht wur- den.673

3.1.2.2 Das Postamt von Littoria Am 17. April 1932 nahmen Mazzoni und Businari zusammen mit dem Postdirektor Giuseppe Pession, einem weiteren Postfunktionär und einem Ingenieur der ONC, Alfredo Pappalardo, eine Besichtigung vor Ort vor, um den Bauplatz für ein kleines Postamt im künftigen Littoria zu bestimmen.674 Der erste Bebauungsplan des neuen, zunächst für 10’000 Einwohner anberaumten Zentrums sah einen radial- konzentrischen, annähernd achteckigen Stadtgrundriss vor, in dessen Mitte sich die rechteckige Pi- azza Littorio befand; dezentral in Verlängerung der Platzachse nach Westen war die Piazza Quadrato und in jene nach Süden die Piazza Savoia angeordnet. Für den Standort der Post wählte die Gruppe das Grundstück gegenüber jenem der Kirche an der Ostseite der damals sechseckig geplanten Piazza Savoia. Als die ONC anfangs Mai den erst wenig bekannten römischen Architekten Oriolo Frezzotti (1888-1965) für die Planung aller übrigen städtischen Gebäude beizog, wurde der Bebauungsplan nochmals angepasst und die Post an die Westseite der Piazza Littorio hinter ein dreigeschossiges Wohnhaus der Kreditanstalt Monte dei Paschi di Siena verlegt.675 Mazzoni musste unverzüglich mit dem Entwurf beginnen, da die Zeit äusserst knapp bemessen war. Anfangs Juni präsentierte er sein Projekt, im November war es bereits fertiggestellt.676 Einem Schrei- ben der lokalen Bausektion von Rom an die zentrale Bauabteilung ist zu entnehmen, dass für den Bau zwar keine Schwierigkeiten bezüglich Materialbeschaffung, Transport und Anschlüsse für Elektrizität, Wasser und Abwasser erwartet wurden, dass aber die Preisvorgaben der ONC nur bescheidene, uni- forme Konstruktionen und eine beschränkte Materialauswahl zulassen würden.677 Ziegelsteine, Puzzo-

672 Für die wasserbautechnischen Arbeiten waren wie bisher private Konsortien zuständig, wogegen die ONC für alle übrigen Arbeiten (Rodung, Vorbereitung der Böden, Parzellierung der Felder, sekundäres Strassennetz, Kolonistenhäuser und Agrarzentren) die Verantwortung übernahm. Vgl. Spiegel 2010, S. 30-31, 46. 673 Die letzten beiden Städte des Projekts, Aprilia (1935-1937) und Pomezia (1937-1939), wurden im südlichen Teil des Agro Romano gebaut. Weiterführend zur Urbarmachung und Besiedlung des Agro Pontino und zur Entwicklung von Neustäd- ten zur Zeit des Faschismus vgl. die umfassende Publikation von Daniela Spiegel, Spiegel 2010. Vgl. auch Schmitt, M. 1934; Mariani 1976; Nuti, Martinelli 1981; Cefaly 1984; Muratore 1999; Metafisica costruita 2002. 674 Vgl. ASFSR, B. 4869, fasc. II, 29-31. 675 Der erste Bebauungsplan wurde offenbar von der ONC ausgearbeitet, bevor Frezzotti zur Mitarbeit beigezogen wurde, vgl. Briefe von Orsolino Cencelli an Mazzoni, 29. April und 7. Mai 1932, ASFSR, B. 4869, fasc. II, 431, 418; sowie den (undatierten) Plan, ebenda, B. 4870, fasc. II (9)11. Der überarbeitete Stadtgrundriss, den Daniela Spiegel der Zusammen- arbeit Carlo Savoias (ONC) und Frezzottis zuschreibt, veränderte sich formal nur wenig, vor allem wurden die Verteilung der öffentlichen Bauten und die Bestimmung der Plätze neu definiert: die Piazza Littorio mit Gemeindehaus, Miliz- und Polizeikaserne, Hotel, Kino, Sitz des Dopolavoro und Post (im 2. Glied) erklärte man zum politisch-administrativen Zen- trum, die Piazza Quadrato mit Agrardirektion, Markt, Lagerräumen und Wohnhäusern zum Landwirtschaftszentrum und die Piazza Savoia mit Kirche, Kindergarten, Sitz der ONB und ONC zum religiösen und erzieherischen Zentrum. Vgl. Architettura, Sept. 1933; Spiegel 2010, S. 94. Zur städtebaulich fragwürdigen Situierung der Post vgl. ebenda, S. 104. 676 Obwohl die Postadministration mit tieferen Kosten (650‘000-700‘000 Lire) gerechnet hatte, bewilligte sie das Projekt für 890‘000 Lire am 14. Juni 1932 ohne Einwände, vgl. ASFSR, B. 4869, fasc. II, 448-449. Die Einweihung Littorias und der Post war ursprünglich am 4. November, Jahrestag des Endes des Ersten Weltkriegs und der nationalen Einheit Italiens, geplant, wurde aber kurzfristig wegen der verspäteten Ankunft der Siedler auf den 18. Dezember verschoben, vgl. Pro- jektbericht 4.5.1932, ASFSR, B. 4869, fasc. II, 454; Spiegel 2010, S. 280, Anm. 272. 677 Vgl. Schreiben der Lokalsektion an die Abteilungsleitung, 18.5.1932, ASFSR, B. 4869, fasc. II, 412-415. 3.1 Ort und Geschichte 251 lanerde und Travertin waren jene Werkstoffe, die in der nahen Umgebung gewonnen, verarbeitet und günstig und schnell bezogen werden konnten und daher bei fast allen Gebäuden zur Anwendung ka- men; der Einsatz anderer, teurerer Baumaterialien, wie etwa der hochwertigen und neuartigen Alumi- niumlegierung Anticorodal, kostbare Kalksteine oder Eisenbeton, waren im Rahmen der Kosten- und Zeitplanung der Bauten nur ausnahmsweise vorgesehen. Mazzonis Projekt war ein kompakter, zweigeschossiger Baukörper mit flachgeneigtem Walmdach, der unten zwei Säle für den Publikumsverkehr mit zugehörigen Diensträumen und oben zwei Woh- nungen für die Postleitung auswies. Im Erdgeschoss erschlossen vier Zugänge, die über vorgelagerte, vierstufige Treppenpodeste erreichbar waren, von drei Seiten her die verschiedenen Räumlichkeiten. Während ein kantiger Uhrturm mit integriertem Wasserspeicher und ein halbrunder Treppenturm als geschlossene, aus der rechteckigen Geometrie des Grundrisses heraustretende, aufrechte Volumen die beiden nordseitigen Ecken des Gebäudes besetzten, war die Südseite von der Geste einer weit ausladenden Freitreppe, die das Obergeschoss bogenförmig mit dem Boden verband, eingenommen. Der Bau wies grosse Fensteröffnungen in tiefen Nischen auf, die jeweils durch Schotten voneinander getrennt waren und so die übereinanderliegenden Fenster paarweise gruppierten. Als wichtigstes Ele- ment traten die vor den Nischen angebrachten, nach aussen gewölbten Mückengitter aus horizontal strukturiertem, glänzendem Metall (Anticorodal) in Erscheinung, hinter denen dunkelgrün gestrichene Eisenrahmen mit feinmaschigen Netzen zur Abwehr der Malariamücken befestigt waren. Die Git- ter reichten Halbsäulen gleich vom Sockel bis unter den Dachvorstand und verliehen dem Gebäude eine betont vertikale Gliederung, die durch die schmalen Schotten und die sockellosen Ecktürme zusätzlich akzentuiert wurde. Gesamthaft zeigte sich die Post von aussen als ziegelverkleidete Kon- struktion, ausgewählte Elemente liess Mazzoni aber in Travertin ausführen, so etwa den Sockel, die Einfassungen der Eingänge, einzelne dekorative Elemente wie die drei Stelen des Liktorenbündels an der Schmalseite des Uhrturms und die Handläufe der Freitreppe, sowie die von den Mückengittern verdeckten Nischen, die das Licht im Zwischenraum vor den Fenstern einfingen.Auch die Gestaltung der öffentlichen Innenräume war von ziegelsichtigen Wänden, die im Bereich der Kundenschalter mit Bardiglio-Marmor veredelt waren, geprägt; die Decken waren verputzt, die Böden mit schwarzen Keramikfliesen belegt und die Räume mit steinernen Schreibtischen und den neustenW andleuchten der Firma Zecchin-Martinuzzi678 ausgestattet. Bemerkenswert ist, dass das Gebäude weder einen ausgewiesenen Haupteingang noch eine eindeutige Hauptfassade erkennen liess, sondern sich ohne ausdrücklichen Bezug zu den umliegenden Bauten und Strassen gleichwertig nach allen Seiten hin orientierte und sich so dem städtebaulichen Kontext seiner unmittelbaren Umgebung entzog. Als Mussolini die neue Kommune Littoria am 18. Dezember im Beisein von Ciano, Marinetti und Mazzoni öffentlichkeitswirksam einweihte, war die Post soweit eingerichtet, dass sogar das erste Telegramm versendet werden konnte, was angesichts der überstürzten Ausführung keineswegs selbst- verständlich war.679 Am Tag darauf äusserte sich Marinetti in seinem in der Gazzetta del Popolo veröf- fentlichten Artikel „Ritmo eroico“ höchst enthusiastisch über das gesamte Ereignis und insbesondere über die Architektur Mazzonis: „Le parole ‚velocità - acceleramento - sintesi volitiva - tenacia instancabile - violenza guerriera - eroismo asso- luto‘ venivano naturalmente alle labbra di tutti gli spettatori di questa tipica inaugurazione d’opere fasciste. Ad

678 Vgl. Brief vom 23.11.1934, ASFSR, B. 4870, fasc. II. Die Firma wurde 1932 von Napoleone Martinuzzi und Ingenieur Francesco Zecchin, die beide zuvor für Venini tätig gewesen waren, gegründet. 679 Vgl. Brief vom 10. Oktober 1932, ASFSR, B. 4869, fasc. II, 393. 252 3.1

un tratto prodigiosamente queste parole si caricarono del loro massimo significato, si unirono, si solidificarono, presero le forme di un edificio, diventarono l’architettura futurista del nuovissimo palazzo delle poste e dei te- legrafi, in cui entrava solennemente davanti a me il Duce, creatore delle bonifiche, seguito da Ciano regolatore geniale delle velocità italiane. Immediatamente questi spediva il primo telegramma di Littoria nascente, dettato dal Duce, a Sua Maestà Vittorio Emanuele III. Tra i valori artistici ideati dall’architetto Mazzoni in questo edificio noi ammiriamo specialmente le grandi alte grate semicilindriche di difesa contro le zanzare malariche. Si tratta di una di quelle bellezze sorprendenti originali che risultano da una trovata costruttiva a scopo funzionale.“ 680 Acht Monate später – mittlerweile hatte sich Mazzoni der futuristischen Bewegung angeschlossen – schrieb Marinetti wiederum begeistert und in bekannt futuristisch-kämpferischer Rhetorik: „Le grandi finestre del Palazzo Postelegrafonico difese da alte grate semicilindriche antimalariche, divenute per prodigio e proporzioni bellezze importanti dell’edificio, mi apparvero stranamente suggestive nella famosa matti- na in cui, sotto un sole guerriero, il Duce, sporgendosi al balcone del Municipio e additando tra gli edifici quello più originale dovuto al Mazzoni, annunciò al mondo che la sua guerra preferita consisteva nel costruire nuove città e sanare immense paludi, a condizione di non essere disturbato nel lavoro. Il Duce soggiunse: ,altrimenti porteremo in campi molto diversi la stessa tenacia e la stessa energia d’acciaio.‘ Nell’entrare poi col Duce e con S. E. Ciano nel Palazzo Postelegrafonico di Mazzoni sentii un’armonia perfetta tra la forza metallica ben costruita del discorso del Duce, l’irradiazione meccanica precisa di onde sonore, i locomotori, le rotaie, l’esplosione festo- sa di un prato pieno di dinamite, le mille motoaratrici impennacchiare di fumo bianco e le linee dell’edificio che sarebbe piaciuto ad Antonio Sant’Elia, creator della nuova architettura.“681 Wie sich zeigt, lässt das Gebäude Mazzonis verschiedene Lesarten zu, denn so, wie die Metallgitter für Marinetti Ausdruck des neuen, von Sant’Elia versinnbildlichten dynamisch-technischen Zeit- alters waren und er in ihrem hochwertigen Material das Rüstzeug für den vielseitigen Kampf des Faschismus erkannte, so können die vorgewölbten Fensterelemente auch an moderne Getreidesilos, wie sie seit den Schriften Walter Gropius’ und Le Corbusiers immer wieder in Fachblättern publiziert wurden,682 erinnern und diesbezüglich auf die Entstehungsgeschichte und die existentielle Grundlage Littorias anspielen; ebenso lassen sich die zu einem kräftigen, wehrhaften Bündel zusammenge- schnürten Gitter, die von fern statisch und imposant, aus der Nähe aber transparent und beinahe im- materiell wirkten, auch als architektonische Interpretation der Insignien des Faschismus und damit als Referenz an den Namen und den Ursprung der Stadt deuten.683 Das Postamt gehörte trotz seiner zurückversetzten Lage zu den im In- und Ausland meistbeachteten, -gelobten und -publizierten Bauten der Neustadt, deren wenig innovative städtebauliche Anordnung und Architektur ansonsten nur wenig Beachtung fanden.684 Ungeachtet der erstrangigen Stellung war ihm aber kein Glück beschieden: Nachdem Littoria im Dezember 1933 zur Hauptstadt der neuen, gleichnamigen Provinz erhoben worden war, erhielt Mazzoni im folgenden März den Auftrag, die Post in den Sitz der künftigen Provinzdirektion umzuwandeln. Obwohl er bereits damit gerechnet

680 (Marinetti 1932.) 681 (Marinetti 1933.) Vgl. auch Kapitel 2.1, S. 123-124. 682 Vgl. Gropius 1913; Minnucci 1926, S. 496; Architettura, Jul. 1933, S. 468; Le Corbusier 1963, S. 35-40. 683 „Quando nel 1932 si pose in istudio il progetto del palazzo postale di Littoria, si aveva il convincimento che il nuovo centro era destinato a rapido sviluppo e l’architetto diede all’edificio un carattere di imponenza e robustezza adeguato a tale convincimento.“ (Projektbericht vom 17.4.1934, ASFSR, B. 4870, fasc. II.) Vgl. auch Cefaly 1984, S. 92-93. 684 „Malgré l’effort des architectes pour créer une place monumentale, la place Littoria reste sans caractère défini parce que sans dominante; son architecture est hybride, ancienne par ses formes, nouvelle par ses détails; circulation difficile, centre vide, abords des édifices encombrés. (...) L’Hôtel de la Poste et la Gare, de l’architecte Angiolo Mazzoni, méritent d’être soulignés par leur caractère franchement moderne.“ (Lot 1933, S. 27.) Vgl. auch Tecnica Professionale, Jan. 1933; Marco- ni, Pl. 1933 (2); Schwarz 1933; Sant’Elia, 15. Jan. 1934; Thubert 1935; Angiolo Mazzoni 1980; Vittori, Muratore 2000, S. 36-61; Angiolo Mazzoni 2008, S. 31-44. 3.1 Ort und Geschichte 253 hatte, das obere Geschoss nur temporär für Wohnungen zu nutzen und bei Bedarf anderen Zwecken zuzuführen – was angesichts des provisorisch wirkenden Grundrisses durchaus plausibel erscheint –, waren die Ansprüche zu umfangreich, als dass ein Umbau allein genügt hätte. Ende April bewilligte das Ministerium seinen Vorschlag, an der Westseite parallel zum Ursprungsbau eine freistehende, zweistöckige Erweiterung, die südseitig im Obergeschoss über eine geschlossene Passerelle mit Ers- terem verbunden werden sollte, zu errichten. Der neue Baukörper, etwas länger und breiter als der bestehende, wies auf der nördlichen Schmalseite eine halbrund vorgewölbte Fassade auf und sollte analog zu seinem Vorgänger mit gebogenen Mückengittern gegliedert werden. Mit dieser Lösung wol- le man die Integrität des Ursprungsbaus bestmöglich wahren, hiess es im Begleitbericht: „Un ostacolo all’ampliamento del palazzo risiedeva nella importanza architettonica del palazzo stesso che, da tal punto di vista, è uno dei fabbricati più salienti del nuovo centro, tanto che esso venne riprodotto su riviste nazio- nali ed estere, sulle cartoline di Stato e sulle pubblicazioni della bonifica pontina. ’On.L Cencelli (...) si opponeva formalmente non solo a che venissero alterate le linee architettoniche del palazzo esistente ma anche che ne ve- nisse cambiata la destinazione.“685 Wenige Tage später teilte der Bürgermeister Littorias Mazzoni mit, dass die Baukommission, die sich inzwischen offenbar etabliert hatte, seinen Vorschlag aus städtebaulichen Überlegungen ablehne und stattdessen einen um 90° gedrehten Anbau in Richtung Piazza Quadrato wünsche; ausserdem sei sie nicht einverstanden mit dem Prinzip, dass Mückengitter ein dekoratives Element darstellen könnten, da es sich bei der Malariabekämpfung nur um eine vorübergehende Massnahme handle.686 Damit war der wunde Punkt angesprochen, denn obwohl Mazzoni versicherte, dass die Gitter nach der Entfer- nung der Mückennetze eine reine Schutzfunktion übernehmen würden, fiel anfangs Juli, nachdem Mazzoni bereits drei weitere Varianten ausgearbeitet hatte, der Entscheid, den Anbau ganz ohne Gitter auszuführen. Und als dann kurz darauf der Regierungschef die Malaria offiziell als besiegt erklärte, mussten sogar jene des Altbaus entfernt werden.687 Nicht einmal zwei Jahre nach der Eröffnung war somit eines der herausragendsten Werke Littorias aus propagandistischem Übermut und politischem Opportunismus seiner nicht nur von Marinetti bewunderten architektonischen „Erfindung“ und sug- gestiven Ausstrahlung wieder beraubt.688

3.1.2.3 Der Bahnhof von Littoria Gleichzeitig wie die Post wurde auch der neue Bahnhof von Littoria gebaut und später erweitert.689 Er liegt neun Kilometer entfernt weitab vom Stadtzentrum an der Linie der direttissima Rom-Neapel, die das Gebiet des Agro Pontino am Fuss der Berge streift, und bildete 1934 den Ausgangspunkt für den Bau des Dorfes Littoria Stazione (heute Latina Scalo). Der erste, noch komplett alleinstehende Bahnhof bestand aus einem zweistöckigen Gebäude mit Walmdach, in dessen Erdgeschoss eine kleine Bahnhofshalle mit Billetschalter, Gepäckaufgabe, Betriebsräumen sowie einem Restaurant und War- tesaal in einem eingeschossigen Seitenbau untergebracht waren, und einer separaten Toilettenanlage.

685 („Proposta per l’ampliamento del palazzo delle Poste e dei Telegrafi di Littoria“, 17.4.1934, ASFSR, B. 4870, fasc. II.) 686 Vgl. Brief des Podestà, 13.5.1934, ASFSR, B. 4870, fasc. II. In einem internen Schreiben hiess es beispielsweise: „Es- sendo l’architettura degli edifici in corso di costruzione a Littoria (...) basata quasi essenzialmente sulle reti antimalariche (...).“ (Schreiben des Abteilungsleiters an die Lokalsektion, 23.8.1932, ASFSR, B. 4869, fasc. II, 386.) 687 Vgl. „Proposta di 2° variante in linea tecnica“, o.D. [nach 27.8.1934], ASFSR, B. 4870, fasc. II. 688 Die Post von Littoria findet einen späten Widerhall in einem kolumbianischen Projekt, der Kirche San Fernando Rey in Cali, für die Mazzoni mehrere, sehr unterschiedliche Entwurfsskizzen verfasste. Vgl. FAM, MAZ D/1, S. 124. 689 Vgl. Marconi, Pl. 1933 (2), S. 284-285; Angiolo Mazzoni 1980; Vittori, Muratore 2000, S. 62-83; Angiolo Mazzoni 2008, S. 31-44. 254 3.1

Die Wohnung des Bahnhofvorstands im Obergeschoss war über eine dem Gebäude entlang geführte Aussentreppe erreichbar. Wegen der isolierten Lage wurde ostseitig zusätzlich ein zweigeschossi- ges Wohngebäude für das Bahnpersonal mit vier Wohnungen, die ebenfalls über eine Aussentreppe erschlossen wurden, und eine separate Backstube (später durch eine Waschküche ergänzt) errichtet. Die Bauten waren goldgelb verputzt und im Bereich der Sockel und Freitreppen mit Backstein ver- kleidet; die Sockelgesimse, Handläufe, horizontalen Teile der Fensterleibungen und Bänke waren aus Travertin, ebenso der halbrunde Vorbau des Haupteingangs, der dem Bahnhofsgebäude als eines der wenigen Elemente einen etwas öffentlichen Charakter verlieh. Vor den einzelnen, teilweise übereck liegenden Fenstern liess Mazzoni vorgewölbte Gitter gegen die Mückenplage analog zu jenen der Post anbringen, einzig die Schalterhalle wurde über zwei geschlossene, mit Glasbausteinen versehene Flächen belichtet. Die inoffizielle Einweihung des Bahnhofs fand bereits am 26. November 1932 statt, als Mussolini in der neusten automotrice von Fiat nach Littoria Stazione fuhr, um zusammen mit Cia- no, Mazzoni und etlichen weiteren Personen den neuen Bau zu besichtigen.690 Zwischen 1934 und 1936 wurde der einfache, ländliche Bahnhof der Agrarkommune umgebaut und der neuen Rolle Littorias als Provinzhauptstadt angepasst. Nebst der Erweiterung des Hauptgebäudes, dessen Aussentreppe abgerissen wurde und in dem nur noch das Restaurant, die Wartesäle und die Wohnung Platz fanden, kamen westseitig ein flacher Anbau für die Schalterhalle, die Gepäckaufbe- wahrung, die Betriebsräume und sanitären Anlagen, ostseitig ein offener Durchgang für die Ankunft sowie eine sala autorità für den Empfang ranghoher Persönlichkeiten hinzu. Innenräumlich entstand ein komplexes Raumgefüge bestehend aus Atrien, Passagen, Aufenthaltsräumen, halboffenen Innen- höfen, überdachten Aussenräumen, geschlossenen Volumen und durchlässigen Raumgrenzen, das die verschiedenen Bewegungsabläufe, räumlichen Beziehungen und funktionalen Anforderungen des Bahnhofs mustergültig nachzeichnete. Die Decke, die über den Perrons, vor der Zufahrt und über dem Ausgang zu frei hängenden Vordächern auskragt, hält als kontinuierliche, alles umgreifende, horizontale Fläche die Vielfalt der Räumlichkeiten zusammen. In die roh belassene Untersicht der Betondächer sind grüne Glasscherben eingelegt, die nachts im Widerschein des Lichts funkeln. Eine freistehende Lagerhalle für den neu eingerichteten Güterumschlagsplatz, ein weiteres Wohngebäude zwischen dem bestehenden und der sala autorità und ein Warendepot neben der Backstube verstärken die lineare Ausdehnung der Bahnhofsanlage entlang des Schienenstrangs. Einen vertikalen Akzent setzt dabei der neue Wohnbau, der auf drei Geschossen, die sich stufenweise und spiralförmig um ein zentrales Treppenhaus auftürmen und Terrassen bilden, sechs Wohnungen Platz bietet. Ein gleiches Wohnhaus errichtete Mazzoni später auch am Bahnhof von Reggio Emilia. Alle neuen und veränderten Bauten wurden nun nicht mehr verputzt, sondern mit Ziegeln und hori- zontalen Elementen aus Travertinplatten verkleidet. Vor den Fenstern waren wiederum Mückengitter angebracht, die aber kurz nach der Fertigstellung ebenfalls entfernt werden mussten. Im Innern und im Perronbereich kamen partiell grüner Cipollino-Marmor aus Elba, schwarzer Anzola-Diorit, Linole- um und Keramik sowie eigens entworfene Flächen-, Band- und Punktleuchten der Firma Venini zum Einsatz; im Aussenraum gleisseitig positionierte Mazzoni nebst Bänken auch zwei Brunnen mit run- den Becken am Boden, an denen sich die Leute vor ihrer Reise in die Stadt den Staub von Füssen und Körper waschen konnten.

690 Vgl. Anm. 443 und Abb. 191. 3.1 Ort und Geschichte 255

Das veränderte Raumangebot und der Material- und Formenwechsel spiegeln die gesteigerte Bedeu- tung des Bahnhofs und drücken den Wandel vom bescheidenen Kolonistenhaus zu einer modernen, vom Element der Bewegung determinierten Eisenbahnarchitektur aus. Die Dynamik und Wandlungs- fähigkeit, die Mazzoni mit seiner Architektur vermittelte, zeigt sich auch in konstruktiven Details, so beispielsweise in der Gestaltung des Eingangs: er wird von einem langen, auf der Seite zum Bahn- hofsplatz hin gerundeten, weit ausgreifenden Vordach, das wie ein nach hinten gestreckter Flügel wirkt, geschützt. Je nach Blickwinkel scheint das Vordach optisch von fünf in einer Reihe stehenden Backsteinsäulen asymmetrisch getragen zu werden, tatsächlich erweisen sich aber nur die ersten zwei Elemente als Säulen, die einen kleinen, halboffenen Innenhof schliessen; die folgenden zwei (ver- meintlichen) Säulen offenbaren sich bei genauer Betrachtung als gerundete Stirnseiten zweier Wand- scheiben, die den Windfang zur Schalterhalle bilden, und die letzte entpuppt sich als abgerundete Ecke des angrenzenden, geschlossenen Volumens. Anhand eines schlichten Details führt uns Mazzoni so einem subtilen Lehrstück gleich die Umformung architektonischer Elemente vor Augen und veran- schaulicht mit der Progression von der Säule, zur Wand, zum Körper die Grundprinzipien räumlicher Begrenzung.

3.1.2.4 Das Postamt von Sabaudia Im Gegensatz zum kritisch beurteilten Stadtplan Littorias löste jener Sabaudias, der im Frühjahr 1933 aus einem öffentlich ausgelobten Wettbewerb hervorgegangen war, grosse Resonanz aus und wurde gemeinhin als Meisterleistung rationalistischen Städtebaus gelobt.691 Für die Planung zeichneten die jungen, römischen Architekten Gino Cancellotti, Eugenio Montuori, Luigi Piccinato und Alfredo Scalpelli, die auch mit dem Entwurf der öffentlichen Gebäude im Stadtkern und der Wohnbauten be- traut wurden, verantwortlich. Die beiden zweitplatzierten Teilnehmer des Wettbewerbs, Frezzotti und Angelo Vicario, erhielten ihrerseits die Aufträge zur Ausführung der Schule, des ONB-Gebäudes, des Sportplatzes und des Wasserturms bzw. des Krankenhauses, des Gebäudes der ONMI, der Agrarver- waltung und des Friedhofs. Das einzige von einem externen Architekten erarbeitete Projekt war aber- mals das Postamt des Ministero delle Comunicazioni, mit dessen Entwurf der Postdirektor Mazzoni anfangs August 1933 beauftragte. Wie schon in Littoria und später auch Pontinia lag das zugeteilte Grundstück nicht an einem Hauptplatz, sondern etwas zurückversetzt, und wurde, wie in den andern beiden Fällen, im Lauf der Projektentwicklung trotz erheblichem Zeitdruck gewechselt. Ursprünglich sollte die Post am Corso Vittorio Emanuele III als Ausgangs- und Blickpunkt der Strassenachse des Corso Principe di Piemonte, der über den Lago di Paola zur Meeresküste hinführte, errichtet werden, wurde dann aber, als Mazzonis Projekt bereits vom Ministerium bewilligt war,692 aus der Achse weg- gerückt und auf die Nachbarparzelle gegenüber der Polizeistation verschoben. In der Folge arbeite die Lokalsektion den Entwurf um, das heisst er wurde gespiegelt und um 90° gedreht, so dass ohne Zeit- verlust mit dem Bau begonnen werden konnte.693 Die Gründe für diese Degradierung, durch die auch die städtebauliche Funktion einzelner Bauteile abgewertet wurden, bleiben unklar, möglicherweise waren aber die Verantwortlichen des Bebauungsplans an der Entscheidung nicht ganz unbeteiligt.694

691 Zu Sabaudia vgl. Architettura, Sept. 1934; Piccinato 1934; Vago 1934; Muratore 1999; Spiegel 2010, S. 123-155. 692 Das Projekt wurde am 4.9.1933 vorgelegt und am 14.9.1933 genehmigt, vgl. ASFSR, B. 4871, fasc. II, 316-321, 245-246. 693 Die überarbeiteten, aber undatierten Pläne tragen nicht mehr die Unterschriften Mazzonis und seiner Vorgesetzten, son- dern jene der lokalen Sektion, Vgl. ASFSR, B. 4871, fasc. II, 236-243. 694 Auf dem Grundstück wurde dann anstelle der Post ein Wohn- und Geschäftshaus der Gruppe Cancellotti/Montuori/Picci- nato/Scalpelli gebaut. Vgl. Spiegel 2010, S. 151-153. Zum Projekt Mazzonis vgl. Sant’Elia, 15. Apr. 1934; Marinetti 256 3.1

Die Post besteht aus einem eingeschossigen, annähernd L-förmigen Baukörper mit einem turmartigen Aufbau, der seitlich über eine ähnlich markante Freitreppe wie jene in Littoria erschlossen wird und die Wohnung des Postvorstehers beherbergte. Das Erdgeschoss war in eine rechteckige, geräumige Halle für den Publikumsverkehr und in einen Betriebsbereich unterteilt, dessen Aussenfassade plas- tisch stark moduliert ist. Der gesamte Bau und seine Aussenbereiche stehen auf einer gemeinsamen Sockelplatte, die sich aus hochkant gemauerten Ziegelsteinen und einem Travertinfries zusammen- setzt. Entlang der beiden Fassaden vor den zweiseitig angelegten Eingängen der Schalterhalle und vor dem Personaleingang und der Freitreppe weitet sich die Platte zu ausladenden, über sechs flache Stufen erreichbaren Treppenpodesten aus. Weit vorkragende Flachdächer aus Eisenbeton, deren Un- tersicht zusammen mit dem leicht nach innen gerückten Dachgesims verputzt und in einem hellen Strohgelb gestrichen war, überdecken die beiden Bauvolumen. Das höchste Dach bildet die heute aus- gewachsene Krone einer einzelnen Pinie, die einen kleinen, von der modulierten Seite des Baukörpers und dem Unterbau der freistehenden Treppe umschlossenen Aussenraum schützt. Wäre die Post auf ihrem angestammten Grundstück gebaut worden, hätte dieser eingezogene Aussenraum mit der Pinie und dem dahinterliegenden, turmartigen Aufbau den Blickpunkt besagter Strassenachse generiert, letztlich orientieren sie sich aber bezugslos zu einer unbedeutenden Querstrasse hin. Einzigartig ist die Wandverkleidung aus leuchtend blauem, kleinformatigem, fugenlos versetztem Ke- ramikmosaik, das den Bau- und Treppenkörper nahtlos wie eine Haut überzieht. Lange, übereck ge- führte Fensterbänder mit sehr tiefen Leibungen, die auf der Aussenseite mit rotem Marmor aus Altare eingefasst und von zinnoberrot gestrichenen Gittern zur Befestigung von Mückennetzen verschlossen sind, verleihen dem Baukörper im Unterschied zu jenem in Littoria eine ausgeprägt horizontale Glie- derung. Der Raum zwischen den Gittern und den innen liegenden Holzfenstern wurde mit hellrosa- farbenem Keramikmosaik ausgekleidet und sollte der Durchlüftung und dem Aufstellen von Pflanzen dienen. Paarweise angeordnete, zweiflüglige Türen aus Kupfer führten in die mit hellgrauem Kera- mikmosaik und Bandleuchten der Firma Venini ausgestattete Schalterhalle. Der grüne Pinienschirm wurde im Lauf der Jahre nicht nur zu einem wesentlichen räumlichen Faktor, sondern lässt sich auch als chromatische Vervollständigung des blauen Gebäudes und seinen rot gefütterten Öffnungen und gelben Dachuntersichten deuten: „Policromia di forza e di entusiasmo che invita al colore gli altri edi- fici di Sabaudia,“695 so rühmte Marinetti in seinem Artikel über Sabaudia die bestechende Farbigkeit der Post. Indem er dem Gebäude diesbezüglich einen Vorbildcharakter zuschrieb, verwies er indirekt auf die Sonderstellung, die es unter all den anderen, in Ocker-, Ziegel- und Weisstönen gehaltenen Bauten einnahm – eine Sonderstellung, die ihm, wie gesehen, ebenso in planerischer und städtebauli- cher Hinsicht beschieden war. Auch in Sabaudia entsteht somit der Eindruck, als negiere das Postamt absichtlich seinen unmittelbaren baulichen Kontext. Es lässt, wie jenes in Littoria, wiederum verschiedenartige Bezugnahmen zu: so wurde die auffällige, königsblaue Farbe der Aussenhülle als „blu-Savoia“696 bezeichnet und galt zusammen mit den roten Fensterleibungen und Gittern als Reminiszenz an die Farben des italienischen Königshauses (Haus Savoyen), das der Neustadt seinen Namen lieh. In Trient errichtete Mazzoni in jener Zeit ein weiteres Postgebäude, bei dem die Farbe Blau das Äussere dominierte und auf dem neugewonnenen Territo-

1934; Campanella 1941; Angiolo Mazzoni 1980; Mc Namara 1997; Vittori, Muratore 2000, S. 84-136; Marzi 2009. 695 (Marinetti 1934, S. 3.) 696 Vgl. ASFSR, B. 4871, fasc. II, 375. 3.1 Ort und Geschichte 257 rium als machtpolitische Demonstration zu verstehen war. Eine andere Deutung bringt die Farbwahl in Verbindung mit den ersten Kolonistenhäusern des Agro Pontino, die zu Beginn der Besiedlung einheitlich mit roten Ziegeldächern gedeckt und ultramarinblau verputzt wurden, da Blau angeblich mückenabweisend wirkte.697 Ein im ersten Moment etwas verwegen anmutender Bezug liesse sich überdies zum blauen Mantel, roten Kleid und gelben Schleier der hölzernen Marienfigur in der Kirche Santa Maria della Sorresca herstellen, die seit Jahrhunderten einmal jährlich während einer Prozessi- on von San Felice am Fuss des Monte Circeo in das Kirchlein auf der Landzunge am Lago di Paola getragen wird; das kleine Bauensemble bestehend aus einer Kirche mit Turm und einem separaten Wohn- und Wirtschaftsgebäude geht auf die Gründung einer benediktinischen Einsiedelei im frühen 6. Jahrhundert zurück und bildet in dem von Wald und Wasser bestimmten Umland als einziges bauhis- torisches Zeugnis gewissermassen den Ur-Ort Sabaudias. Dass der Wallfahrtsort mit seiner vermutlich aus dem späten Mittelalter stammenden Marienfigur bis zur Entstehung der Neustadt der einzige feste Bezugspunkt in dieser noch wilden Gegend darstellte, dokumentieren die Bilder des Artikels, den Lui- gi Piccinato im Januar 1934 in der Zeitschrift Urbanistica publizierte, hinreichend.698 Ausserdem mag das schlichte, rechteckige Wohn- und Wirtschaftsgebäude, dem an der Längsseite eine breite, massiv ausgebildete Treppe vorgelagert ist, Mazzoni eine ausgezeichnete Vorlage für das Motiv der freiste- henden Monumentaltreppe gewesen sein.

3.1.2.5 Das Postamt von Pontinia Wie die bereits skizzierte Planungsgeschichte der Post von Pontinia gezeigt hat, wurde auch in der Dritten der neuen Städte, deren Planung entgegen den Erwartungen nicht mehr auf einem Wettbe- werbsverfahren gründete, sondern vom ONC-Ingenieur Pappalardo in Zusammenarbeit mit Frezzotti bewerkstelligt wurde, das für die Post vorgesehene Grundstück geändert, zu einem Zeitpunkt je- doch, als Mazzoni der Auftrag bereits entzogen worden war; interessanterweise erfolgte der Wechsel diesmal umgekehrt von einem zweitrangigen Standort hinter dem Gemeindehaus nach vorne an den Hauptplatz.699 Mazzonis Projekt hatte einen kompakten, 22 x 27.5 x 10 Meter grossen, zweistöckigen, ziegelsichtigen Baukörper mit auskragendem Flachdach vorgesehen, in dem eine doppelgeschossige Schalterhalle mit eingeschossigen Neben- und Diensträumen und zwei Wohnungen im Obergeschoss angeordnet waren. Durch zwei übereck angelegte Eingänge, die über ein ausladendes, gerundetes Treppenpodest erreicht und oben von einem gleichermassen geformten Dach geschützt wurden, ge- langte man in die Haupthalle, während um die gegenüberliegende Ecke herum eine dem Gebäude entlang geführte Aussentreppe die beiden Wohnungen erschloss. Auch bei diesem Bau sollten Mü- ckengitter zum Einsatz kommen, allerdings unauffälligere und nur im Bereich der Schalterhalle vor tiefen Fensternischen sowie vor den Fenstern der Diensträume. Wie der erste Bahnhof von Littoria sollte sich die Post von Pontinia an die bescheidene, ländliche Erscheinungsform der Kolonistenhäu- ser anpassen, wobei einzelne Elemente, etwa der Haupteingang, die hohen Fenster der Halle, die von Glasbausteinen gedeckte Anlieferung und die einheitliche Ziegelverkleidung, die öffentliche Funktion des Gebäudes anzeigten.

697 Vgl. Spiegel 2010, S. 32, 151, 259, Anm. 138. 698 Vgl. Piccinato 1934, S. 12-15. 699 Vgl. Kapitel 2.3.2.1, S. 189-190. Zu Pontinia vgl. Spiegel 2010, S. 156-173. 258 3.1

3.1.2.6 Autonomie und Kontextualisierung der Projekte Mazzonis Trotz ihrer Verschiedenheit weisen die vier Bau- und zwei Umbauprojekte Mazzonis im Agro Pontino wesentliche Merkmale auf, die allen gemeinsam sind und ausserdem auf die grundsätzliche Haltung des Architekten im Umgang mit dem landschaftlichen, baulichen und historischen Kontext schliessen lassen. In planerischer Hinsicht fällt nicht nur auf, dass Mazzoni in allen drei Städten als einziger aus- wärtiger Architekt – das heisst weder der ONC unterstellt noch infolge einer Wettbewerbsteilnahme ermächtigt – ein Gebäude entwarf und (bis auf jenes in Pontinia) realisieren konnte, sondern auch, dass sich mitten im Planungsprozesses jeweils noch folgenreiche Grundstückwechsel ereigneten und seinen Bauten überdies nur wenig privilegierte Standorte zugeteilt wurden. Immerhin gehörten die öf- fentlichen Einrichtungen des Ministero delle Comunicazioni zu den Gründerbauten der Neustädte und hatten als Knotenpunkte der Kommunikationswege von Anfang an eine bedeutende Rolle im sozialen und politischen Alltag und der Entwicklung der Region zu erfüllen. Bezüglich ihrer städtebaulichen und architektonischen Gestaltung sind vor allem zwei Aspekte hervorzuheben: zum einen die diffe- renzierte Anpassung der Baumassen und des architektonischen Ausdrucks an die Massstäblichkeit und Bestimmung des jeweiligen Ortes, dessen Identität sich zuerst noch herausbilden musste, zum andern die Verwendung wiederkehrender, charakteristischer Gestaltungsmittel, die den Bauten gesamthaft zu einer eigenen bautypologischen Physiognomie verhalfen. Hierzu zählen in erster Linie die Mücken- gitter, die Mazzoni als zeichenhafte architektonische Elemente ausformulierte, um damit raumhaltige Strukturen zu schaffen und die Fassaden zu gliedern (laut Marinetti „una trovata costruttiva a scopo funzionale“), sowie die Aussentreppen, die er entweder als markante, freistehende Baukörper aus- führte oder zurückhaltender längs der Aussenfassaden sichtbar anordnete, wie es bei vielen ländlichen Bauten des Latium üblich war. Ein ebenso signifikantes Merkmal ergibt sich aus der Gestaltung der auskragenden Walm- und Flachdächer sowie der Gebäudesockel, die zusammen mit den Treppenstu- fen, Podesten und Grünflächen jeweils eine ausgedehnte, zusammenhängende Grundplatte definieren, auf der alle Innen- und Aussenräume versammelt sind. Hinsichtlich des Ausdrucks und des Bezugsrahmens ist schliesslich festzustellen, dass sich die Pro- jekte Mazzonis durch eine deutlich artikulierte Autonomie auszeichnen. Da sie aufgrund ihrer spezi- fischen Planungsgeschichte, ihrer Lage und eigenwilligen formalen, materiellen und chromatischen Ausführung eine Sonderstellung in ihrem baulichen Umfeld einnehmen, scheinen sie sich der direkten Umgebung weitgehend zu entziehen, sei es als Folge bewusst gefällter Entscheidungen des Architek- ten, oder sei es, weil Anordnungen von Aussen die Entwürfe diesbezüglich beeinflussten. Die Bauten geben sich deswegen als eigenständige, hauptsächlich auf sich selbst gestellte architektonische Körper zu erkennen, die tatsächlich aber, wie mehrfach angedeutet, eng mit dem Kontext verbunden sind. Angesichts der Planungsverläufe und der Rolle Mazzonis ist davon auszugehen, dass er weder über die Zeit noch die Mittel und auch nicht über die Macht verfügte, kurzfristig angekündigte Weisungen seiner Auftraggeber grundsätzlich in Frage zu stellen und langwierige Diskussionen zu provozieren; es lag daher vorwiegend in seinem Interesse, die Projekte so zu entwerfen, dass sie anpassungsfähig blieben, Lage- und Nutzungsänderungen aushielten und trotz städtebaulichen Defiziten oder unvorge- sehenen Änderungen des Kontextes, ausgelöst etwa durch einen allfälligen Grundstückwechsel, ihre Integrität, Ausdruckskraft und Funktionalität bewahren konnten. Um diesem Anspruch zu genügen, traf Mazzoni mehrerer Massnahmen; so richtete er die Postbauten stets allseitig aus, indem er die Zugänge zu den verschiedenen Räumlichkeiten gemäss funktionalen 3.1 Ort und Geschichte 259

Kriterien voneinander trennte und rund um das Gebäude verteilte: die öffentlichen Haupteingänge jeweils an einer exponierten Ecke, so dass die angrenzenden Schreib- und Schalterhallen von mindes- tens zwei Richtungen her zu erreichen waren, und die Eingänge für die Anlieferung, das Personal und die Wohnungen auf den anderen freien Seiten. Dies erleichterte beispielsweise die Drehung der Post von Sabaudia um 90° Grad, zudem führte es dazu, dass keine der Seiten eindeutig zur Hauptfassade erhoben wurde, womit sich überdies die plastische Wirkung der Baukörper steigerte. Obwohl die Bautypologie der isoliert stehenden Postgebäude mit jener linearen des Bahnhofs kaum vergleichbar ist, kann für Letzteren ein ähnliches Konzept geltend gemacht werden, d.h. die Trennung der ver- schiedenen Ein- respektive Ausgänge, deren gleichmässige, nutzungsabhängige Verteilung, sowie die Hervorhebung des öffentlichen Hauptzugangs. Als weitere Massnahme, die den Bahn- und Postbau- ten Mazzonis ein autonomes Gepräge verliehen, ist die zuvor erwähnte Ausbildung der Bodenplatte und des Daches zu werten. Die Bodenplatte, die eigentliche Standebene des Gebäudes, trägt sowohl den Bau selbst wie auch alle zugehörigen Aussenräume. Sie definiert die Grenzen des gesamten, von der Einrichtung eingenommenen architektonischen Raums und muss entsprechend explizit betreten werden. Während sie in Pontinia als einstufige Fläche ausgebildet ist, auf der sich das Gebäude, die Anlieferung, die vorgelagerten Treppenpodeste und der Fahnenmast versammeln, tritt sie in Sabaudia als Gebäudesockel in Erscheinung, wo mehrere Stufen zwischen dem umgebenden Gelände und der höheren, begehbaren Fläche vermitteln; als Pendant zur Bodenplatte bilden die Dächer den oberen räumlichen Abschluss. Diese Anordnung wird nicht nur bei den drei Postprojekten besonders an- schaulich, sondern auch beim Bahnhof: den Bahnhofsbereich schützt schienenseitig ein durchgehen- des, stützenfreies Dach, strassenseitig dagegen wird er von zwei Stufen, die das Hauptgebäude der ganzen Länge entlang begleiten, gefasst; vor den einzelnen Ein- und Ausgängen zum externen Bahn- hofsplatz hin müssen jeweils noch einmal zwei Stufen überwunden werden, auf diese Weise kommen das Pflanzenbeet mit den beiden Pinien, den Oleandersträuchern und die parallel dazu an der Haus- wand gesetzte Steinbank zwischen dem Ein- und dem Ausgang auf einer mittleren Ebene zu liegen. Der Bahnhofsbereich wird stirnseitig zum einen vom Baukörper der Toilettenanlage und zum andern von einer geschlossenen Wandfläche abgeschlossen. Durch die Definition einer Grundplatte und der primären horizontalen Elemente grenzen sich die Bauten ausdrücklich gegenüber ihrer Umgebung ab und werden dadurch zu autonomen Setzungen im Gelände, ähnlich wie die griechischen Tempel in der freien Landschaft.700 Nicht von ungefähr hiess es daher beispielsweise über die Post von Sabaudia in der zeitgenössischen Presse: „[I gradini], mentre ricordano in certo modo il basamento che gli anti- chi architetti greci e romani davano ai loro templi, conferiscono un senso di austerità appropriata per l’uso cui l’edificio è adibito.“701 Doch nicht nur der damaligen Bedeutung der modernen Kommunika- tionsmittel wegen wäre den öffentlichen Einrichtungen der Post und der Eisenbahn eine solch heraus- gehobene, mit einem Tempel zu vergleichende Position zuzugestehen, sondern auch, weil sie als erste Bauten des urbar gemachten, bislang kaum zivilisierten Gebietes – sozusagen auf einer Tabula rasa – die Gründungsgeste schlechthin verkörpern.

700 „Der Tempel ist ein durchaus selbstständiges, ‚autarkes‘, sich selbst genügendes Bauwerk. Er erhebt sich an dem einem Gotte geheiligten Ort. Durch die Ebenen seiner Stufen sondert er sich vom Boden, durch dichte Säulenreihen grenzt sich sein Körper klar von der Umgebung ab. Als Kunst-Werk, das das Gesetz seiner Vollkommenheit in sich trägt, bleibt er sich gleich, wo auch immer er erbaut wird: an Berghängen, in Sumpfniederungen, im enggedrängten Stadtgebiet, im offe- nen Hain, am Küstengestade. Wohl besteht eine andere Einheit mit der Landschaft: eine mythische.“ (Gruben 1986, S. 7.) 701 (Campanella 1941, S. 27.) 260 3.1

Der eigenständige Charakter der Projekte Mazzonis könnte daher als Antwort auf den noch fehlen- den städtebaulichen und architektonischen Kontext oder gar als dessen Negierung aufgefasst werden, genauso können die Bauten aber auch als Ausgangspunkte der neugegründeten Orte, sozusagen als bauliche „Keimzellen“ der neu zu entwickelnden Region, also nicht als Reaktion, sondern als konst- ruktiver Impuls, interpretiert werden. Denn wie sich gezeigt hat, sind sie keineswegs selbstbezogen, allerdings knüpfen sie mit ihrer Gestaltung anstatt an den geplanten Kontext an den gegebenen, über- geordneten, grossräumlichen Kontext an. Dazu gehören zum einen der lokale Landschaftsraum, der durch die Ebene der trockengelegten Sümpfe, den Monte Circeo, das Wasser, die Wälder, den Him- mel und die Sonne geprägt ist, die ruralen Bauformen des Latium, an deren Architektur sich auch die Kolonistenhäuser und viele andere Neubauten der Gründungsstädte orientierten, sowie die klerikalen Setzungen von Santa Maria della Sorresca und der ehemaligen Benediktinerklöster in Fossanova und Subiaco, die angesichts der wenigen damals bestehenden Bauten, etwa der vereinzelten Höfe, tempo- rär bewohnten Schilfhütten und mittelalterlichen Küstenwachtürme, als wichtigste Kulturträger der Region figurierten; ebenso spielen für die Gestaltung die wirtschaftlichen und politischen Zusammen- hänge eine zentrale Rolle, etwa die Urbarmachung, der Getreideanbau und die landwirtschaftliche Produktion, denen die neuen Siedler ihre Lebensgrundlage zu verdanken hatten, die Bekämpfung der Malariamücken, gegen die sich die Menschen in den Häusern schützen mussten, sowie die Topono- mastik der neu gegründeten Orte, die auf den Faschismus, das Königshaus und die geographische Re- gion rekurriert und identitätsstiftend wirken sollte. Der Ausdruck der Bauten Mazzonis oszilliert demnach zwischen bildhafter Kontextualisierung und demonstrativer Eigenständigkeit, zwei Wesenszüge, die sich eigentlich zu widersprechen scheinen. Diese Strategie ermöglichte ihm, die Architektur an ihrem Ort zu verankern, so dass sie ihre Sinn- fälligkeit auch dann noch behalten konnte, wenn sich das bauliche Umfeld – wie es zu erwarten war – verändern und weiterentwickeln sollte. Die öffentlichen Bauten des Ministero delle Comunicazioni werden somit zu Identifikationspunkten, die einerseits versuchen, in den „geschichtslosen“ Neustäd- ten eine Bautradition fortzusetzen, andererseits schaffen sie als autarke Setzungen eine Basis für deren Entwicklung. 261

342 Gebiet der pontinischen Sümpfe, 1922. Eingekreist sind die Orte der künftigen Siedlungen Littoria Stazione, Littoria, Pontinia und Sabaudia (v. ob. n. unt.)

343 Gebiet des Agro Pontino mit den bereits geplanten Orten Littoria Stazione, Littoria und Sabaudia sowie der künftigen Siedlung Pontinia, 1934 262

344 345 344 ONC, piano regolatore von Littoria mit dem an der Piazza Savoia vorge- sehenen Bauplatz der Post gegenüber der Kirche, April 1932 345 Oriolo Frezzotti, Notiz an Mazzoni und Skizze des Grundstückes der Post mit dem eingezeichneten Wohnhaus der Kreditanstalt Monte dei Paschi di Siena, o. D. (anfangs Mai 1932) 346 ONC (Oriolo Frezzotti, Carlo Sa- voia), piano regolatore von Littoria, publiziert in Architettura, Mai 1933

347 A. Mazzoni, Post von Littoria nach ihrer Eröffnung, um 1933 348 Bauunternehmen Wayss & Freytag, Maissilos in Sichtbeton, Barby an der Elbe, publiziert in Architettura 1933 349 A. Mazzoni, Ansicht eines von mehreren Wettbewerbsprojekten für die Kirche San Fernando Rey in Cali, 346 Kolumbien, 1952

348

347 349 263

350 Post von Littoria, Grundriss des Obergeschosses mit zwei Wohnungen, bewilligter Entwurf, Juni 1932

351 Grundriss des Erdgeschosses, publiziert in Architettura, Mai 1933

352 Ansicht der Freitreppe vor dem Eingang des Obergeschosses, 1933 353 Querschnitt durch den Eingang, die Schalterhalle (sala per il pubblico), die Diensträume der Telegrafie (trasmissioni telegrafiche) und die Wohnräume im Obergeschoss, bewilligter Entwurf, Juni 1932 264

Post von Littoria, Erweiterungsprojekt, März - Dezember 1934 (Baubeginn Ende Mai, ursprünglich vorgesehener Termin für die Einweihung 8. Oktober 1934): 354 Skizze, die verschiedene Ideen zur Erweiterung des Postge- bäudes andeutet, o. D. (März 1934) 355 Ansicht des Projekts zur Erweiterung des bestehenden Postgebäudes mit einem parallel angeordneten, über eine Passerelle verbundenen Baukörper, April 1934 356 Lageplan des im April 1934 offiziell bewilligten Erweite- rungsprojekts

354

355 356

357

359

357 Erweiterungsprojekt mit Anbau rechtwinklig zum bestehen- den Gebäude, Variante Ende Mai von der Baukommission Littorias gutgeheissen (im August 1934 offiziell bewilligt) 358 Gestaltung des Erweiterungsbaus nach dem Entscheid, keine Malariagitter mehr anzubringen, präsentiert im Juli 1934 als eine von drei Varianten 359 Lageplan der Post mit geplantem Erweiterungsbau und Anpassung der Umgebung, o. D. (Juni 1934) 358 265

360 Bahnhof von Littoria, Ansicht der Strassenseite, 1932 361 Ansicht des Bahnhofs gleisseitig (vgl. auch Abb. 191)

362 Grundriss des Bahnhofs von Littoria, publiziert in Architettura 1933

363 Gesamtansicht des Bahnhofs im Dezember 1936 nach dessen Erweiterung (1934-1936) , v.l.n.r.: Güterschuppen, Toilettenanlage, Empfangsgebäude mit Eingang zur Schalterhalle, „Altbau“ mit Restaurant, Wartesälen und zwei Wohnungen, Ausgang und sala autorità, Wohnbau mit sechs Einheiten, Wohnbau mit vier Einheiten, Backstube (ohne Waschküche). Die in der Aufnahme noch sichtbaren Mückengitter wurden im darauffolgenden Jahr entfernt.

364 Grundriss des Empfangsgebäudes (Erweiterungsprojekt) mit eingezeichneter Ausstattung und Begrünung, o. D. (1934) 266

365 367

366 368 Bahnhof von Littoria (2005-2009): 365 Vordach über der Vorfahrt vor dem Eingang zur Schalterhalle und dem halb- offenen Hof 366 Seitlicher Durchgang zu den Gleisen, rechts die Eingänge zur ehemaligen Gepäckaufbewahrung, hinten die gewölbte Rückwand des Stellwerks 367 Gestuftes Wohnhaus mit sechs Wohnungen und zentralem Treppenturm 368 Erdgeschossgrundriss des Wohnhauses, o. D. (1934) 369 Grundriss und Ansicht des gleichen Wohnhaustyps in Reggio Emilia, 1935, im Erdgeschoss waren Diensträume und die Eisenbahnmiliz angeordnet. 370 Perronanlage mit Brunnen und einer Ecke des Wohnhauses im Vordergrund 369

370 267

1 Comune 17 2 Chiesa, Battisterio, Canonica, Casa 16 delle Suore, Asilo 3 Casa del Fascio, Dopolavoro, 18 Sindacati 4 Cinema Teatro 5 Albergo 19 6 Caserma RR.CC. 7 Poste e Telegrafo 8 Caserma M.V.S.N. 9 Associazioni Combattentistiche 10 Scuole e O.N.B. 15 11 Direzione Aziendale O.N.C. 11 12 Ospedale 10 13 Opera Maternità e Infanzia 14 Caffé Ristorante 14 7 15 Circolo Impiegati 4 20 16 Macello 6 5 3 17 Cimitero 13 8 18 Serbatoio Idrico 2 19 Campo Sportivo 9 1 20 Mercato Coperto 21 Club Sportivo 12 22 Prato delle Feste

21

22

371 Piano regolatore von Sabaudia, 1933-1934, Ausführungsentwurf von Gino Cancellotti, Eugenio Montuori, Luigi Piccinato, Alfredo Scalpelli

372 374

373 375 372 Sabaudia in einer Luftaufnahme 1935, auf der Landzunge im Vordergrund liegt die Kirche 374 Haus in Cori mit Aussentreppe, publiziert von G. Santa Maria della Sorresca Pagano/G. Daniel in Architettura rurale italiana 1936 373 Lago di Paola, Monte Circeo und Umgebung vor dem Bau Sabaudias von der Kirche Santa 375 Wohn- und Wirtschaftsgebäude mit Aussentreppe Maria della Sorresca aus gesehen, publiziert von Luigi Piccinato in Urbanistica, 1934 neben der Kirche Santa Maria della Sorresca 268

376 Ausschnitt des piano regolatore von Sabaudia mit dem vorgesehenen 377 Grundriss des Postgebäudes, Entwurf im September 1933 bewilligt Bauplatz der Post in der Achse des Corso Principe di Piemonte, o. D. Nach dem Wechsel des Grundstücks wurde der Plan gespiegelt und um (ca. Sept. 1933, Norden oben links) 90° gedreht (Norden oben rechts)

RR.PP. (Post)

378 Plan des Zentrums von Sabaudia, 1934, die Post (RR.PP.) ist aus der Strassenachse weggerückt

379 Hauptansicht des ursprünglichen, im September 1933 bewilligten Entwurfs mit dem zweigeschossigen, zurückversetzten Baukörper in der Strassenachse 269

380 Ansicht der ehemaligen Post mit der ausgewachsenen, rund 80-jährigen Pinie, von der Querstrasse aus gesehen (2005)

381 Gitter für die Befestigung der Mückennetze vor den tiefen Fensternischen 382 Paarweise angeordnete, zweiflüglige Türen aus Kupfer

383 F. L. Wright, Haus in Oak Park, Illinois (1901), aus: Architettura 1933 384 Kolonistenhaus bei Pontinia mit original blauem Farbputz (2009) 270

385 Alfredo Pappalardo (ONC), piano regolatore von Pontinia, o. D. (1934) Im Plan sind die zwei vom ONC Ende Januar 1935 gutgeheissenen Vorschlä- ge der Bauabteilung eingezeichnet, wonach die hinter dem Palazzo Comunale geplante Post entweder näher an die Strasse gerückt oder auf einem Grund- stück an der Hauptstrasse gegenüber dem Parteigebäude (mit „A“ bezeichnet) gebaut werden sollte. Nach der Übernahme des Bauprojekts durch die ONC wurde die Post schliesslich am zentralen Platz im nordöstlichen Baublock neben dem Albergo gemäss der Planung Oriolo Frezzottis eingerichtet. 386

387 388

389 390

391

A. Mazzoni, nicht ausgeführtes Projekt für die Post von Pontinia (Pläne am 22. Februar 1935 an die Postdirektion übermittelt): 385-386 Grundrisse des Erdgeschosses und des Obergeschosses 387-392 Ansichten, Schnitt und Axonometrie 392 3.2 Stadtraum, Landschaft und Territorium 271

3.2 stadtraum, Landschaft und Territorium

Topographie, Stadtraum, Landschaft, Vegetation, Wasser, Farbe und Licht gehören im Werk Mazzonis genauso wie der historische Kontext und die eigentlichen Baumaterialien und -systeme, die Wände, Decken, Böden, Säulen, Öffnungen, Treppen und Einfriedungen, zu den elementaren Gestaltungs- und Konstruktionsmitteln. Die sorgfältige Behandlung aller Elemente vom weiträumig städtebau- lichen Massstab bis ins konstruktive, scheinbar nebensächliche Detail zeugt zum einen von seiner integralen Auffassung von Architektur, die den natürlichen Gegebenheiten, den ungreifbaren geistigen und sinnlichen Faktoren und den Bezügen zwischen den Dingen einen gleichberechtigten Stellenwert wie den ebenso unverzichtbaren technischen, funktionalen und praktischen Aspekten beimisst; zum anderen reflektiert sie auch die Komplexität des architektonischenAuftrags und den künstlerischen Wert eines Bauwerks. Auf der Grundlage städtebaulicher, topographischer und landschaftlicher Zu- sammenhänge sowie des besonderen Einsatzes von Material, Farbe und Kunstlicht sollen im Folgen- den die vielschichtigen Beziehungen, die Mazzoni zwischen dem architektonischen Gehäuse, der Um- gebung und den sich darin bewegenden Menschen konstruierte, beleuchtet und interpretiert werden.

3.2.1 städtebau und Topographie: die Verankerung der Postbauten von Agrigent und La Spezia und die Bedeutung des öffentlichen Raums

Den Postämtern von Agrigent und La Spezia liegen vergleichbare äussere Bedingungen zugrunde: zum einen die gleichartige topographische Setzung der Gebäude an einer steil abfallenden Gelände- kante, zum andern ihre städtebaulich ähnliche Lage an einem zentralen Platz, der die Grenze und den Knotenpunkt zwischen dem historischen Stadtkern und der neuen Stadterweiterung des 20. Jahrhun- derts kennzeichnet. Aufgrund ihrer stadträumlichen und typologischen Verwandtschaft, aber auch wegen ihrer geographischen und formalen Unterschiede zeigen die beiden Bauten exemplarisch, mit welchen architektonischen Mitteln und Massnahmen Mazzoni den öffentlichen städtischen Raum ge- staltete und welche Bedeutung er diesem dabei zukommen liess.

3.2.1.1 Das Postamt von Agrigent Noch vor dem Entwurf des Gebäudes von Ostia Lido plante Mazzoni in Agrigent ein Postamt, das auf einem vollständig runden Grundriss gründet. Er notierte dazu, dass Giuseppe Pession und Roberto De Vito erst im Oktober 1931, also etwa fünf Jahre nach Planungsbeginn, von Ciano die Bewilligung für das Projekt hätten erwirken können, was hiesse, dass Mazzoni den Auftrag bereits um 1926 (ungefähr gleichzeitig wie den für die Ferienkolonie in Calambrone) erhalten hätte. Diese Aussage deckt sich mit dem Bericht Businaris, laut dem die Planung anschliessend an die lokale Sektion delegiert, aber wegen des anspruchsvollen Baugrundes um 1930, als das Bauvorhaben in das offizielle Programm zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit aufgenommen wurde, wieder in das Ufficio 5° zurückgegeben worden sei.702 Die Einweihung der Post fand am 28. Oktober 1935 statt, möglicherweise stammen aus jenem Jahr auch die Fotos, auf denen Mazzoni zusammen mit Luigi Pirandello, dem 1934 mit dem

702 Vgl. FAM, MAZ B/24, fasc. 2; Businari 1931 (2), S. 3; Architettura, März 1932 (2); Kapitel 2.3.3.1, S. 209. 272 3.2

Literaturnobelpreis geehrten Schriftsteller aus Agrigent, sowie Mino Somenzi und weiteren Personen während einer Besichtigung vor dem Gebäude zu sehen ist.703 Das Postamt befindet sich neben der von Enrico Del Debbio geplanten und im Dezember 1929 einge- weihten casa del balilla an der nordwestlichen Ecke der Piazza Vittorio Emanuele, die zusammen mit dem anschliessenden Park und der dem Bahnhof vorgelagerten Piazza im Südwesten eine Sequenz von Plätzen bildet, an der sich weitere öffentliche Gebäude wie die Präfektur, das Polizeipräsidium, die Carabinieri, die Bibliothek, Banken und die Kirche San Calogero versammeln. Die Platzfolge liegt in der Senke zwischen dem historischen Zentrum und der modernen Erweiterung der Stadt, die auf einem langgestreckten, nach Norden und Osten steil, sowie zum Meer hin sanft abfallenden, mar- kanten Hügelrücken wenige Kilometer im Landesinnern situiert ist. Am Fuss des Hügelzugs auf der Südseite zeugen griechische Tempel und archäologische Funde von der einstigen Grösse und reichen Geschichte des antiken Akragas. Hinter dem Grundstück der Post steigt das Gelände sprunghaft an. Mazzoni erklärte, er habe sich aus statischen und wirtschaftlichen Gründen für die Zylinderform entschieden: „perché idonea a resistere alla spinta delle terre dell’alta cresta collinosa di carattere franoso. Tale forma permise di limitare il muro di sostegno al minimo per creare il cortile per i furgoni postali esterno.“704 Zur Piazza Vittorio Emanuele hin zeigt sie sich als viergeschossiger Baukörper, der über eine vielstufige, ebenfalls gerun- dete, breite Vortreppe und einen diagonal der Platzmitte zugewandten, gebäudehohen Portikus, vor dessen Pfeiler gemäss einem früheren Entwurf fünf Monumentalfiguren auf Postamenten hätten ste- hen sollen, betreten wird; zur rückwärtigen Strasse hin ragt nur das oberste Geschoss vollständig über das Terrain. Beidseitig des Gebäudes vermitteln zwei öffentlich begehbare Aussentreppen zwischen dem grossen zentralen Platz unten und den höher gelegenen Strassen und Häusern; eine der Treppen wird nordseitig in einem Bogen um den Anlieferungshof herum geleitet, die andere führt südseitig der Fassade entlang, bedient unterwegs den Eingang des Dopolavoro im ersten Geschoss sowie das obere Strassenniveau und mündet noch weiter oben beim Schalter, der für die Entgegennahme nächt- licher Telegramme eingerichtet worden war. Die Räumlichkeiten der Post sind somit rundherum auf verschiedenen Ebenen zugänglich, gleichzeitig verbindet der Bau, der an der Geländekante wie eine mächtige Schraube im Boden verankert ist, als Drehpunkt zwischen der Altstadt und der neuen Stad- terweiterung die angrenzenden Stadtteile. Das Drehmoment der runden Form wird optisch noch da- durch verstärkt, dass die südseitige Freitreppe direkt an die Schmalseite des Portikus anschliesst (also innerhalb des Gebäuderadius) und die Aussenfassade an dieser Stelle bis in die Vorhalle fortgesetzt wird, als wäre der Grundriss nicht zirkular, sondern spiralförmig angelegt. Den im Durchmesser ungefähr 32.50 Meter grossen Zylinder gliedern aussen zwischen den Fenster- lagen horizontale Bänder aus gelbem Keramikmosaik, die sich sowohl farblich wie strukturell vom mattroten sizilianischen Marmor der übrigen Fassadenverkleidung und den Treppenstufen abheben. Die horizontale Schichtung wird einzig von der Vertikalität der langen Pfeiler des Portikus gebrochen. In der schmalen, hohen Vorhalle sind ein Wandmosaik mit dem Heiligen Christophorus von Matilde Piacentini sowie eine monumentale Figurengruppe von Quirino Ruggeri, ein Gefallenendenkmal be- stehend aus einer Victoria aus Travertin und vier Soldaten aus Peperino, platziert. Drei Eingangstüren führen in den Innenraum der Post. Während die Betriebs- und Nebenräume, Büros, die Räume des

703 Vgl. FAM, MAZ S/13, S. 35. Oddo 2003, S. 260. 704 Vgl. FAM, MAZ B/24, fasc. 2. Weiter schrieb er, dass ein erstes Projekt elliptisch gewesen sei. 3.2 Stadtraum, Landschaft und Territorium 273

Dopolavoro, der Telegrafensaal und das mit grünem Kalkstein belegte Treppenhaus in einem äusse- ren, vierstöckigen, etwa 8 Meter breiten Gebäudering untergebracht sind, konstituiert das Herzstück im Zentrum die zylinderförmige, zwei Geschoss hohe, im Durchmesser etwa 10 Meter weite Schalter- halle, in deren Mitte ursprünglich ein massiver, runder Steintisch mit runden Hockern stand. Die ein- zelnen Schalter und Schliessfächer sind an einer geschosshohen, geschlossenen Wandfläche, die wie der Boden und die Decke einst mit blauem Keramikmosaik belegt war, angeordnet. Die obere Hälfte der Halle ist als vollständig verglaste Laterne ausgebildet, wobei ihre flache Betondecke mittels radi- al angelegter Betonstreben mit der Tragstruktur des äusseren Gebäuderings verbunden und gestützt wird. Dank dieser Konstruktionsweise und räumlichen Anordnung, das heisst dank des nach Innen versetzten und tiefer liegenden Glaszylinders der Schalterhalle, können sämtliche Innenräume über den Innenhof mit natürlichem Licht versorgt werden.705 Im Gegensatz zum offenen Grundriss des aus verschiedenen Baukörpern zusammengesetzten Post- amtes von Ostia Lido tritt der teilweise in die Erde eingegrabene Bau von Agrigent als geschlossene, einfach gegliederte, stereometrische Gesamtform in Erscheinung. Da die Haupthalle im Innern ausser dem Durchgang zum Portikus keinen visuellen Bezug zum Aussenraum aufweist, wirkt sie introver- tiert; eine Verbindung nach draussen schafft in erster Linie das Licht, das diffus durch die mattierten Scheiben des Glaszylinders dringt und je nach Wetterlage, Tages- und Jahreszeit die Stimmung im Raum verändert, die Farben der verwendeten Materialien intensiviert und die Struktur der Oberflä- chen sichtbar macht oder zum Verschwinden bringt. So verwandelt die raffiniert konstruierte Laterne die Halle gleichsam in eine begehbare Sonnenuhr und muss nicht nur die suggestive Wirkung des in Blau getauchten, totalen Innenraums gesteigert haben, sondern auch die Wahrnehmung der gesamten polychromen Farbgebung des Gebäudes. Die aussergewöhnliche, kompromisslose, beinahe sche- matisch706 anmutende Disposition des Zylinders und sein mit dem Pfeilerportikus und dem strengen Fensterraster klassisch gegliedertes Äusseres lassen den Bau ebenso traditionsbewusst wie modern er- scheinen; einerseits orientierte sich Mazzoni an der Architektur der griechischen Tempel, andererseits schuf er im Innenraum eine neuartige räumlich-konstruktive Anordnung, die sich mit der „trovata“ der Post von Littoria, den Mückengittern, durchaus vergleichen lässt. Bezeichnenderweise stand nach der Bewilligung des Projekts von Agrigent in der Zeitung geschrieben: „Il progettista conclude che era necessario che in Sicilia, terra delle tradizioni artistiche, sorgesse un’opera ispirata all’architettura razionale, derivata dall’architettura classica.“707

3.2.1.2 Das Postamt von La Spezia Obwohl die Post von La Spezia auf den ersten Blick nur wenig mit jener von Agrigent gemein zu ha- ben scheint, weist sie in städtebaulicher, typologischer und auch planerischer Hinsicht viele Parallelen auf. Anlässlich der Eröffnung des Postamtes im Jahr 1933 schrieb der Künstler Fillia, eine zentrale Fi- gur des Turiner Futurismus (des „Zweiten Futurismus“708), in der Zeitschrift Sant’Elia, dass der erste Entwurf bereits sechs oder sieben Jahre zurückliege, also etwa ins Jahr 1927 zu datieren wäre.709 1930

705 Mazzoni notierte, dass er dank der lang hinausgezögerten Bewilligung des Projekts die Überdachung der Schalterhalle, die in einem frühen Entwurf überkuppelt war, perfektionieren konnte. Vgl. FAM, MAZ D/3, S. 52; Vaccaro 1932, S. 225. 706 Vgl. Vaccaro 1933, S. 61-64; Anm. 478 und Abb. 202. 707 (Giornale d’Italia, 24. Okt. 1931, zit. nach Oddo 2003, S. 257.) Vgl. weiterführend zur Post von Agrigento Vaccaro 1932, S. 223-225; Angiolo Mazzoni 1984, S. 141; Oddo 2003; FAM, MAZ B/24, fasc. 2; ebenda D/3, S. 52-58; ebenda G/1. 708 Vgl. Anm. 358. 709 Vgl. Fillia 1933 (2). 274 3.2 wurde das Projekt Teil des nationalen Arbeitsbeschaffungsprogramms. Nachdem Ciano den Entwurf im Herbst ohne Einwände zu erheben begutachtet hatte, begannen die Bauarbeiten vermutlich anfangs des folgenden Jahres, die Einweihung fand am 12. November 1933 in Anwesenheit des Ministers und tausender Zuschauer statt.710 Das Postamt hätte ursprünglich auf einem Grundstück an der Parkpromenade zum Meer hin, dem Vi- ale Mazzini, errichtet werden sollen,711 im Lauf der städtischen Neuplanung in den 20er Jahren wurde ihm aber eine Parzelle an die Nordwestseite der Piazza Verdi zugeteilt. Dieser neue, langgestreckte Platz entwickelte sich damals zu einem Knotenpunkt am Rand des bestehenden Stadtkerns, als an dieser Stelle der zum Meer hin abfallende Ausläufer des Colle dei Cappuccini teilweise abgetragen wurde, um die Ausdehnung des Stadtgebiets nicht nur nach Nordwesten, sondern auch Richtung Nordosten zu ermöglichen. Insofern markierte der Platz den Übergang respektive Durchbruch in die zukünftige Stadt und nahm eine topographisch wie städtebaulich bedeutsame Schlüsselfunktion ein. Seit dem späten Mittelalter hatte die an einem natürlichen Golf gelegene, ringsum durch eine Berg- kette geschützte Stadt zu den strategisch bedeutendsten Marinehäfen Italiens gehört und erfuhr im ausgehenden 19. Jahrhundert aufgrund des starken demographischen, wirtschaftlichen und administ- rativen Wachstums einen tiefgreifenden strukturellen Wandel. Die Abtragung des Hügels, der die städ- tische Expansion blockierte, hatte man schon um die Jahrhundertwende in Erwägung gezogen, setzte sie aber erst ab den 20er Jahren um, nachdem La Spezia 1923 zur Hauptstadt der neu eingerichteten, gleichnamigen Provinz und zum Sitz des Landesgerichts erhoben worden war. Die Piazza Verdi kenn- zeichnete den Endpunkt der vom Hafenarsenal kommenden Via Chiodo, deren verlängerte Achse über die Via Vittorio Veneto zur geplanten, aber erst ab den 50er Jahren realisierten Kathedrale und weiter stadtauswärts führen sollte.712 Bis 1933 stand mitten in der Strassen- und Platzachse unmittelbar vor der schon nahezu fertiggestellten Post Mazzonis noch das seit 1880 bestehende Politeama „Duca di Genova“, das die Via Chiodo visuell abschloss und daher im Interesse der neuen Stadtplanung zum Abbruch freigegeben worden war. Es hätte eigentlich auf der Parzelle, wo letztlich die Post zu stehen kam, mit dem Teatro Massimo einen Ersatzbau erhalten sollen, die Neuverteilung der Grundstücke im Lauf der 20er Jahre liessen dieses Vorhaben allerdings scheitern.713 Im Gegensatz zu Agrigent baut die Post von La Spezia auf einem U-förmigen Grundriss, der auf der Rückseite einen Innenhof für die Anlieferung umschliesst, auf. Hangseitig gehen die Wände des vier- geschossigen Baukörpers nahezu übergangslos in Stützmauern und Einfriedungen einer terrassierten Gartenlandschaft, die den steil abfallenden Hügel befestigen, über. Analog zu Agrigent verbinden eine der Seitenfassade entlang ansteigende, öffentliche Aussentreppe an der Südwestseite sowie eine befahrbare Strasse an der Nordostseite das untere Stadtniveau mit dem rückwärtigen, höher gelegenen Quartier. Die Treppe gestattet wiederum die Erschliessung der Räumlichkeiten von aussen auf allen Ebenen, zuoberst des Schalters für das Versenden nächtlicher Telegramme. Während sich die Post von oben her gesehen nur als Gruppe flacher Ziegelwalmdächer zu erkennen gibt, ragt sie zur PiazzaV erdi

710 Vgl. ASFSR, B. 5230, B0(15) fasc. XL, 326-331; Businari 1931 (2), S. 3, Tav. XIX; FAM, MAZ G/9, 360-370. 711 Vgl. Ratti 2003, S. 283. Auf der vorgesehenen Parzelle wurde das Gebäude des Istituto Nazionale della Previdenza Socia- le (INPS) errichtet. 712 Vgl. Ratti 2009. 1929 wurde La Spezia auch Sitz der Diözese. Daraufhin wurde 1930 ein nationaler Wettbewerb für den Bau einer Kathedrale ausgeschrieben, für den im folgenden Jahr eine zweite Runde stattfand, ohne dass danach ein Pro- jekt zur Ausführung kam. Vgl. Architettura e Arti Decorative, Mai 1930; Architettura, Feb. 1932. 1930 beauftragte die Kommune ausserdem den Gruppo Urbanisti di Roma mit der Ausarbeitung eines neuen Bebauungsplans, der 1932 präsen- tiert wurde und 1939 in Kraft trat. Vgl. Fara 1983, S. 81-84, 90-102. 713 Vgl. Futuristi alla Spezia 1991, S. 88-91, 96, Anm. 12; Ratti 2003, S. 284-285. 3.2 Stadtraum, Landschaft und Territorium 275 hin als 63 Meter langes, ungefähr 18 Meter hohes Gebäude auf, das auf einer ausladenden Sockelplat- te steht. Diese ist über sechs durchgehende, flache Stufen zu betreten und nimmt die Gebäudeflucht der beiden benachbarten Stadtpalazzi auf, der Baukörper selbst liegt indes zurückversetzt und hebt sich von allen anderen Bauten am Platz auch aufgrund seiner geringeren Höhe deutlich ab. Die Hauptfassade ist durch einen vorgeblendeten, über drei Geschosse erstreckten, neunachsigen Pfeilerportikus gegliedert. Parallel zur Fassade führen vom Portikus aus links und rechts zwei breite, einläufige Aussentreppen hinauf zum Dopolavoro bzw. zur Postbank im ersten Obergeschoss. Sie haben massive Unterbauten und breite Brüstungen, die wie jene des seitlichen Aufstiegs in hohen Stufen abgetreppt sind. Einer der Treppenkörper birgt die Gedenkstätte für die gefallenen Postange- stellten des Ersten Weltkriegs, der andere dient der Schalterhalle für die Paketpost als Vorraum. In die Stufen der Sockelplatte vor dem Portikus sind im Abstand von etwa 20 Metern zwei steinerne Sockel für Fahnenstangen eingelassen, deren metallene Halterung mit integrierter Leuchte ein stilisiertes Rutenbündel mit Axt verkörpern. Dem scheinbar symmetrischen Aufbau der Hauptansicht wirkt ein gedrungener Uhr- und Treppenturm entgegen, der rechts an den Portikus anschliesst und dem Bau einen vertikalen Akzent verleiht. Portikus, Turm, vorgelagerte Treppenkörper, Handläufe, Gurt- und Kranzgesimse sind aus ockerfarbenem Monsummano-Travertin gefertigt, alle übrigen Aussenwände und Stützmauern bestehen aus gebrannten Ziegelsteinen. Im Innern bildet die doppelgeschossige, längsrechteckige, ziegelverkleidete Schalterhalle (ca. 23 x 5 x 7.20 m), die durch die Türen zwischen den vorgeblendeten Pfeilern betreten wird, den zentralen Raum, an den seitlich zwei niedrigere Hallen für die Telegramme und die Paketpost angrenzen. Alle öffentlichen Bereiche zeichnen sich durch ihre mit kräftig geäderten roten, schwarzen und gelben Kalksteinen gefassten Kundenschalter, Türrahmen und festen Einrichtungsgegenstände aus. Im hinte- ren Bereich des Erdgeschosses sind die Betriebsräume und der Anlieferungshof angeordnet. Die obe- ren drei Geschosse, die dem Dopolavoro und der Postbank, den Büros, Konferenz- und Archivräumen der Provinzdirektion, sowie den Telegrafensälen vorbehalten waren, werden intern über eine dreiläufi- ge Treppe im Turm erreicht. Über dem obersten Podest ziert ein grossflächiges, vierteiliges, polychro- mes Wandmosaik der beiden futuristischen Künstler Fillia und Enrico Prampolini, das sich thematisch den Kommunikationsmitteln der Land-, Wasser- und Luftwege sowie der Telegraphie und Telephonie widmet, die hohen Wandflächen des quadratischen Raums. Dass sich das Bildwerk so eng mit dem Bauwerk verbindet, indem es ohne präzise Konturen zu definieren die vierWände kontinuierlich wie ein partiell aufgetragener Putz überzieht und dadurch gewissermassen die Stereometrie des Raums auflöst, ist in der Architektur Mazzonis, der den Werken von Künstlern sonst immer klar umrissene Rahmenbedingungen zur Verfügung stellte, als Ausnahme zu werten.714 Das Mosaik repräsentiert einen Wendepunkt im Bauprozess, denn anfänglich war vorgesehen, über den Pfeilern auf dem Architrav des Portikus neun Monumentalfiguren des Künstlers Corrado Vigni zu positionieren. Obwohl die Skulpturen tatsächlich angefertigt und im Lauf der Bauvollendung so- gar aufgestellt worden waren, entfernte man sie sogleich wieder und vergab stattdessen (vermutlich im Juni 1933) die Aufträge zur Ausführung eines Wandmosaiks. Mehrere Gründe mögen hierfür eine Rolle gespielt haben: vermittels Prampolini715 lernte Mazzoni im Frühjahr 1933, kurz vor seinem

714 Vgl. Kapitel 3.2.3.1. 715 Enrico Prampolini (1894-1956), Maler und Szenograph, hatte sich 1912 dem Futurismus (bereits dem ersten, „heroi- schen“ Futurismus) angeschlossen; er unterhielt viele internationale Beziehungen zu anderen Avantgarde-Künstlern, gründete 1917 die Zeitschrift Noi und verfasste mehrere futuristische Manifeste, darunter „La cromofonia. Il colore dei 276 3.2

Beitritt zur futuristischen Bewegung, den jungen piemontesischen Künstler Fillia (1904-1936) ken- nen. Zusammen mit Marinetti trug Fillia in der ersten Hälfte der 30er Jahre massgeblich dazu bei, La Spezia zu einem Brennpunkt der so genannten futuristischen „aeropittura“ und „aeropoesia“ zu etablieren,716 ausserdem hatte er bereits mehrere futuristische Zeitschriften (etwa La terra dei vivi oder La città nuova) gegründet und verfasste zahlreiche Artikel über Künstler und Architekten, nach einem regen persönlichen Austausch im Jahr 1933 auch über Mazzoni.717 Es ist anzunehmen, dass Mazzoni sein Projekt ebenso aus eigener Überzeugung wie auf Druck seiner neuen futuristischen Künstlerkol- legen abänderte, denn so, wie Fillia damals die günstige Gelegenheit erkannte, durch Mazzoni seine künstlerischen Anliegen im Interesse des Futurismus mit einem beispielgebenden Werk zu propagie- ren, so erfasste Mazzoni zweifellos die Bedeutung, die solch ein zeitgenössisch-avantgardistisches Werk im Kontext seiner Architektur haben würde. Fillia wusste dies wie folgt zu würdigen: „Al primo progetto sono state apportate, con il modificarsi del gusto dell’autore, dei cambiamenti essenziali. Dalla rinuncia definitiva a tutte le sculture di sapore neoclassico che s’innalzavano sulla facciata, all’abolizione di ogni decorazione esterna. Rimane così il puro giuoco dei volumi del Palazzo intimamente legato al movimento urbanistico della parte alta e della parte bassa della città.“718 Hervorzuheben ist schliesslich die Brunnenanlage an der rückwärtigen Wand neben der Aussentreppe. Sie ist als fünf Meter hohes Nymphäum mit vier tiefen, gerundeten Nischen, aus denen Wasser aus Speiern in ein weites, auf die Sockelplatte gesetztes Becken fiel, ausgebildet und entwickelt sich, wie die Terrassen und die Seitentreppe, als Teil des eigentlichen Baukörpers aus dessen Volumen. Wie das Beispiel von Ostia Lido bereits verdeutlicht hat, räumte Mazzoni den Brunnen- und Wasseranlagen als integrative Bestanteile seiner Architektur jeweils viel Platz ein, ebenso gestand er bei ihrer Gestaltung den überlieferten Formen aus der Vergangenheit offensichtlich die Fähigkeit zu, auch im Zeitalter des Futurismus und anderer Avantgardebewegungen weiterhin ihre Kraft zu entfalten und sinnstiftend zu wirken. Zu seinem Entwurf in La Spezia notierte er rückblickend: „Tradizionalista in gran parte degli esterni è moderno negli interni. Notevoli i muri di sostegno in cui quella fontana che demolita durante la guerra per creare un rifugio per le incursioni dei bombardieri. Nel dopoguerra questa geniale fonta- na non fu ripristinata.“719

3.2.1.3 Die Aufgaben der öffentlichen Bauten Mazzonis im Stadtraum Abgesehen von ihrer Nutzung als Postgebäude können den beiden Baukörpern bedingt durch ihre Situierung drei wesentliche Aufgaben zugeschrieben werden. Erstens eine technisch-konstruktive Funktion, die Mazzoni wiederholt als Argument vorbrachte, um etwa die Zylinderform der Post von Agrigent zu legitimieren: dort dient das gesamte Gebäude zusammen mit der gerundeten Stützmauer

suoni“ (1913), „L’atmosferastruttura. Basi per un’architettura futurista“ (1914), „L’arte meccanica“ (1922) und „Dalla pittura murale alle composizioni polimateriche. Manifesto dell’arte murale“ (1934), in dem er die „plastica murale“ (im Unterschied zur „pittura murale“) als neue Verbindung von Architektur und applizierter Kunst pries. 1934 entwarf er für die Post von Trient drei Farbfenster. Vgl. Enrico Prampolini 1961; Futuristi alla Spezia 1991, S. 108-116. 716 Einen Höhepunkt stellte diesbezüglich der „premio nazionale di pittura“, der im November 1933 in der Casa d’Arte in La Spezia (1932 von Manlio Costa entworfen) vergeben wurde, dar, in der Jury waren Marinetti, Fillia, Prampolini und wei- tere futuristische Künstler vertreten. Vgl. Futuristi alla Spezia 1991, S. 35-43; Bartsch, Scudiero 2002, S. 47-56. 717 Vgl. Fillia 1933 (1); Fillia 1933 (2). Zu Fillia vgl. ebenda; Godoli 1983, S. 52-77, 89-90, 111-117. Zum Briefkontakt mit Fillia vgl. FAM, MAZ D/1, S. 62. 718 (Fillia 1933 [2].) In der Gedenkstätte sollten drei weitere Skulpturen aufgestellt werden, vgl. Ratti 2003, S. 283. Die neun Figuren Vignis wurden später für die Post von Ragusa verwendet. Vgl. FAM, MAZ B/38, fasc. 7, e/I. 719 (FAM, MAZ S/21, S. 8.) Weiterführend zur Post von La Spezia vgl. Sant’Elia, 1. Jan. 1934 (1); Futuristi alla Spezia 1991, S. 82-96; Ratti 2003; FAM, MAZ B/30, fasc. 1-6; ebenda D/1, S. 90-103; ebenda G/3. 3.2 Stadtraum, Landschaft und Territorium 277 des seitlich anschliessenden Anlieferungshofs als Sicherung des rutschgefährdeten Hangs dahinter. Aufgrund seiner im Erdreich verankerten Rundung ist es besonders geeignet, dem Erddruck zu wider- stehen. Diese statische Aufgabe übernehmen in La Spezia die Brunnenanlage mit ihren Nischen und die teilweise ebenfalls geschwungenen Stützmauern der Terrassen. Letztere benutzte Mazzoni nicht nur dazu, einen geschlossenen Hof für die Anlieferung zu formen, sondern auch, um damit einen Ort mit hängenden Gärten und geschützten Aussenräumen zu schaffen, die den Räumlichkeiten auf der Rückseite sowohl Schutz als auch Licht, Luft und einen freien Ausblick bieten sollten. Eine weitere Aufgabe der Bauten besteht in ihrer topographischen Bedeutung, indem sie der Über- windung des markanten Höhenunterschieds und der Wegsamkeit dienen. Die Verbindung des unteren Stadtteils mit dem oberen wird explizit mithilfe des Gebäudes selbst geleistet, entweder im Aussen- raum über die jederzeit begehbaren öffentlichen Treppenanlagen, oder innerhalb des Bauvolumens, indem die unterschiedlichen Nutzungen der Post, etwa der Dopolavoro, die Postbank oder der Schal- ter für nächtliche Telegramme, auf verschiedenen Ebenen und Seiten des Gebäudes verteilt und mit eigenen Zugängen von Aussen versehen sind. Die Postbauten erfüllen drittens eine wichtige städtebauliche Funktion. Durch ihre Lage an einem bedeutenden Knotenpunkt am Rand eines Geländesprungs erhalten sie eine eindeutige Hauptausrich- tung, die Mazzoni in beiden Fällen mit einem der Fassade vorgesetzten Portikus und einer monu- mentalen Pfeilerordnung akzentuiert, in La Spezia zusätzlich mit einem Turm und symmetrisch an- geordneten, eingeschossigen Treppenkörpern. Während sich die hohen Hauptfronten dem städtischen Platz zuwenden, liegen die Nebeneingänge und die Anlieferung an den sekundären seitlichen und rückwärtigen Fassaden. Durch die vorgelagerten Stufenpodeste – die Plinthe, auf welcher die Baukör- per stehen – bleiben die Gebäude vom umgebenden Strassenraum der Stadt klar getrennt; gleichzeitig greifen ihre Stützmauern, Terrassen, Brunnenanlagen und Treppenbrüstungen in den Strassenraum aus, so dass nicht mehr eindeutig bestimmt werden kann, ob sie noch dem Gebäude oder schon der Stadt angehören. Die Brüstungen beispielsweise enden im oberen Stadtteil nicht mit dem Treppenlauf, sondern werden als Mauern und Einfriedungen bis an die Parzellengrenzen fortgeführt, wo sie, wie etwa in La Spezia, zusätzlich Baumeinfassungen und Nischen mit Sitzbänken bilden. Dieses Ausgrei- fen einzelner Bauteile in den öffentlichen Raum wurde von Mazzoni auch bei anderen Projekten, etwa den Bahnhofsanlagen von Florenz und Siena, der Post von Massa oder, wie bereits festgehalten, jener von Varese explizit so gehandhabt. Einerseits verwischt er dadurch die räumlichen Grenzen, indem er Übergänge und Anknüpfungspunkte konstruiert, welche die Leute zum Gebäude hinleiten respektive davon wegführen, andererseits deklarieren die Elemente ihre Zugehörigkeit unmissverständlich, da sie aufgrund ihrer Materialisierung und ihrem kontinuierlichen Verlauf stets als Teile, die aus der Struktur der Bauten abgeleitet sind, erkennbar bleiben. Die vorstehende Sockelplatte, die frei begehbaren Aussentreppen und die als Stadtmöblierung fortge- setzten Bauteile beziehen den öffentlichen Stadtraum bewusst in die Gestaltung mit ein und verweben diesen eng mit den Aussenräumen des Gebäudes. Diese städtebauliche Massnahme kann beispielswei- se mit jener der Kirche Santa Maria Assunta in Ariccia verglichen werden, wo Gian Lorenzo Bernini beidseitig der Rotunde je eine Treppe entlang der Fassade anlegen liess, um den Platz am Kopf des Viadukts zwischen dem Palazzo Chigi und der Kirche mit dem tiefer liegenden, mittelalterlichen Stadtkern zu verbinden; die Aussenseiten der Treppen fasste er mit zwei symmetrisch gesetzten Ne- benbauten, deren Mauern im hinteren Bereich keine eigentlichen Gebäudefassaden mehr sind, son- 278 3.2 dern nur noch als tektonisch gegliederte Wandscheiben in Erscheinung treten. Welch vielschichtige Funktionen ein Treppenkörper im Stadtraum übernehmen kann, zeigt paradigmatisch auch die Spani- sche Treppe in Rom, die Francesco De Sanctis als ansteigende, öffentliche Platzanlage gestaltete, um nebst der Überwindung der Höhendifferenz auch den Abhang zu befestigen, die Stadtteile, Strassen und kardinale Bauten zu verbinden und für Wegsamkeit zu sorgen. Wie diese historischen Beispiele beschreiben auch die Postbauten Mazzonis die Gestaltung eines Baukörpers als ebenso städtebauliche wie konstruktive Aufgabe und veranschaulichen das weite Spektrum des architektonischen Auftrags. Die räumliche Ordnung der beiden Postbauten lässt erkennen, dass sie trotz ihrer unterschiedlichen Gesamtformen auf derselben Bautypologie gründen. Besonders anhand des Gebäudes von La Spe- zia eröffnet sich diesbezüglich eine mögliche Lesart des stadträumlichen Gefüges und der Rolle, die Mazzoni dabei der öffentlichen Einrichtung zukommen liess. Wie die Planungsgeschichte der Piazza Verdi gezeigt hat, sollte auf dem Grundstück der Post ursprünglich das Teatro Massimo entstehen; obwohl es nicht soweit kam, hat Mazzoni mit der Setzung des Baus und der Gestaltung des Grund- stücks gleichsam ein Theater verwirklicht, indem er dessen elementaren, aus der Antike überlieferten Merkmale in einen städtebaulichen Massstab umdeutete und auf die Architektur der Stadt projizierte. Die Typologie des Theaterbaus hatte sich mit den ersten griechischen und römischen Bauten in der Antike beispielgebend etabliert und anschliessend während Jahrhunderten gehalten. Nachdem sich ge- sellschaftlich bedingt der traditionelle Typus mit ansteigendem Zuschauerraum in das barocke Rang- theater mit geschlossenen Logen gewandelt hatte, erfuhr der Theaterbau im 19. Jahrhundert durch die Reformbestrebungen Karl Friedrich Schinkels und Gottfried Sempers eine Rückbesinnung auf die antiken Grundformen und zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit der Entwicklung des Kinos und der modernen Dramaturgie eine Wiederbelebung des architektonischen Programms, das auf die modernen Licht- und Schauspielhäuser angewandt wurde. Eine Reihe Publikationen setzte sich damals mit der Neuinterpretation dieser traditionsreichen Bauaufgabe auseinander, darunter das 1926 herausgegebe- ne, ausgiebig mit Plänen und Fotos illustrierte Buch Theater und Lichtspielhäuser von Paul Zucker, das sich auch in der Bibliothek Mazzonis findet.720 Zusätzlich führten Ausgrabungen, Restaurierungen und Rekonstruktionen antiker Theater, allen voran des Pompejiustheaters am Largo Argentina und des Marcellustheaters an der Via del Mare in Rom, des Theaters in Ostia Antica sowie jener auf dem Gebiet des einstigen römischen Imperiums, etwa in Sabratha und Leptis Magna, zu einer Sensibilisie- rung gegenüber dem Thema.721 Wenngleich sich nicht feststellen lässt, inwieweit Mazzoni für den Entwurf der Post von La Spezia tatsächlich die Typologie des antiken Theaters studierte, entwarf er den Bau analog zu einem klas- sischen römischen Theater, so wie es Sebastiano Serlio im dritten Buch seines Traktats beschrieben hatte:722 Die Hauptfassade der Post, die sich mit ihrer Pfeilerordnung der Piazza Verdi zuwendet, käme demnach der „Scena“, der vielgliedrigen, mit Säulen und Nischen dekorierten antiken Bühnen- wand gleich; die vorgesetzten Treppenkörper entsprächen den Seitenbauten zur Aufnahme der Ma- schinerie und die ausgreifende Sockelplatte dem „Proscenio“, der Spielfläche imV ordergrund, die in Serlios Buchausgabe von 1566 auch als „Piazza della scena“ bezeichnet wurde. So gesehen liesse sich die Piazza Verdi zur „Orchestra“ (bzw. zur „Piazza del teatro“) umdeuten und der gesamte umliegende

720 Vgl. Zucker 1926; sowie Moritz 1910; Frey 1920 (1); Architecture d’aujourd’hui 1933; Brunfaut 1934. 721 Vgl. Piacentini, M. 1923; Calza, G. 1927. 722 Vgl. Serlio 1566, S. 72. 3.2 Stadtraum, Landschaft und Territorium 279

Stadtraum mit den Häusern und den einmündenden Strassen als „Cavea“, als Zuschauerraum der Post. Sogar die Terrassen auf ihrer Rückseite können mit den Portiken und Gartenanlagen, die hinter der Bühnenwand des römischen Theaters angeordnet waren, verglichen werden. Mazzoni übertrug die Konzeption des geschlossenen Theaterraums, wo ein Teil der Aussenwelt als fiktiver Handlungsort künstlich inszeniert wird, modellhaft auf den realen, szenographisch wahrge- nommenen Stadtraum, in dem die Häuser, Plätze und anderen städtebaulichen Elemente den Hand- lungsraum (Bühnenbild und Zuschauerraum) vorgeben und die Menschen als Akteure und Betrachter zugleich auftreten: „Ein jeder aus der tausendköpfigen Menge konnte dieWürdenträger des Staates und die allerhöchsten Personen auf den Tribunalien frei und ungezwungen überblicken und hatte so die gesamte bürgerliche Gesellschaft in ihrer Zusammensetzung wie auf einem Riesenfächer vor Augen. Andererseits war ein jeder auch wiederum selbst frei den Blicken aller ausgesetzt.“723 So, wie Mazzoni innerhalb des Gebäudekomplexes die einzelnen konstruktiven und raumbildenden Elemente als inhärente Teile der Architektur erscheinen liess, so definierte er auch die öffentliche Einrichtung der Post als Teil des städtischen ambiente und stellte auf diese Weise nicht das Bauwerk als statisches Objekt ins Zentrum, sondern primär das Betrachten, Erleben und Benutzen des gesamten Stadtraums der als dynamisches Gefüge je nach eingenommener Perspektive seine Form und Funktion veränder- te. Der Formenwandel, den Zucker anfangs des 20. Jahrhunderts bezüglich des Theatergehäuses und des veränderten Schauspiels auf der Bühne konstatierte und darin „die Konsequenz einer allgemeinen Entwicklung (...), der zunehmenden Abwendung vom Begrifflichen, Intellektuellen zum sinnlich Er- fassbaren, gleichsam also vom passiven zum aktiven Publikum, darüber hinaus vom Zeitlichen zum Räumlichen“724 erkennen wollte, kann im übertragenen Sinn auch für den von Mazzoni gestalteten Stadtraum geltend gemacht werden.

723 (Moritz 1910, S. 43.) Vgl. weiterführend Kapitel 1.3.3.2. 724 (Zucker 1926, S. 4.) 280

393 Agrigent mit der Post (Kreis) auf einer Karte von 1959 394 Platzsequenz mit öffentlichen Gebäuden (Post eingekreist) zwischen dem historischen Zentrum (links) und der modernen Stadterweiterung (rechts)

395 396

397 281

399 159

398 400

A. Mazzoni, Postgebäude von Agrigent, 1926/1930-1935: 398 Vogelschau der Post nach ihrer Eröffnung 1935 395 Grundriss des 2. Obergeschosses und Schnitt, ca. 1932, Variante mit 399 Gipsmodell der Post, ca. 1932, Variante ohne Monumentalskulpturen überkuppelter Schalterhalle, Postamenten für Figuren vor den Pfeilern 400 Ansicht des Pfeilerportikus und der in die Vorhalle weitergeführten Aussen- des Portikus und mehreren Rundnischen im Anlieferungshof fassade (ca. 1935) 396 Grundriss des erhöhten Erdgeschosses und Schnitt (Ausführungsprojekt) 401 Ansicht der einst mit blauem Mosaik ausgekleideten Schalterhalle 397 Gipsmodell der Post, ca. 1932, Variante mit Monumentalskulpturen vor 402 Zwischenraum zwischen dem Glaszylinder und dem äusseren Gebäude- den Pfeilern des Portikus ring mit Betonstreben zur Stützung des Laternendachs

401 402 282

403 Ansicht des Pfeilerportikus nach der Restaurierung des Gebäudes (2009) 404 Zugang zum Schalter für nächtliche Telegramme (2009)

405 Rückwärtige Ansicht des Postgebäudes (ca. 1935), links der Aufgang zum Schalter für nächtliche Telegramme, mittig der Eingang zum Bürogeschoss 283

Colle dei Cappuccini

407 Erminio Pontremoli, Politeama Duca di Genova (1877-1880) am Ende der Via Chiodi zu Beginn des 20. Jahrhunderts 1 Via Chiodi 3 2

1 Haupteingang zum Arsenale 2 Politeama Duca di Genova 3 Künftige Piazza Verdi

406 La Spezia im Jahr 1885 mit der im piano regolatore von 1870 festgelegten Bebauung 408 Politeama Duca di Genova kurz vor dem Abriss 1933, links (Linien), dem Bestand vor 1870 (schwarz), den bis 1885 errichteten Bauten (starke Lini- davon das bereits errichtete Postgebäude von Mazzoni en) und Grünanlagen (gestrichelte Linien), eingekreist der künftige Bauplatz der Post

409 Gipsmodell der Post, 1930, Entwurf mit Monumentalskulpturen über den Pfeilern 410 Piazza Verdi mit der Post und der stadtauswärts Richtung Nordosten verlängerten Strassenachse (ca. 1930er Jahre)

411 Ansicht der Post von La Spezia von der Piazza Verdi aus, ca. 1933 284

412 Post von La Spezia, Grundriss des 3. und 1. Obergeschosses (Telegrafie/Diensträume bzw. Dopolavoro/Postbank/Luftraum Schalterhalle), 1930/1931

413 Ansicht der Südwest-Fassade mit dem Brunnen und der Aussentreppe, rechts die Gedenkstätte für die Kriegsversehrten, darüber der Zugang zum Dopolavoro 285

414 Erhöhter Vorplatz vor den Eingängen zur Schalterhalle (2009) 415 Treppe, Einfriedungen und Terrassen oben auf der rückwärtigen Seite

416 Innenhof für die Anlieferung mit Stützmauern, Terrassen, Gärten und und Treppen, hinten oben rechts der Eingang zum Schalter für nächtliche Telegramme

417 Ansicht des Nymphäum-Brunnens vom oberen Treppenbereich aus, 1933 418 Wandmosaiken im Treppenturm von Enrico Prampolini und Fillia 286

419 Gian Lorenzo Bernini, Aussentreppe entlang der Rotunde der Kirche 420 Francesco De Sanctis, Treppekörper zwischen der Piazza di Spagna und S. Maria Assunta in Ariccia, 1661-1665 (2009) der Kirche Trinità dei Monti in Rom, 1723-1726

422

421

421 Modell des Marcellustheaters in Rom, hergestellt anlässlich der Mostra Augustea della Romanità (1937-1938) 422 Modell des zwischen 1927 und 1938 ausgegrabenen und rekonstruierten Theaters von Sabratha, Libyen 423 Sebastiano Serlio, Theatergrundriss in Il terzo libro d’architettura, 1566 423 3.2 Stadtraum, Landschaft und Territorium 287

3.2.2 landschaft: Bezüge zur weiträumigen und nahen Umgebung

Während die physischen und visuellen Bezüge der Postbauten Mazzonis aufgrund ihrer zentralen Lage in meist dicht bebauten Stadtzentren vornehmlich dem nahen Kontext, den Plätzen, Strassenach- sen, Kreuzungen, umliegenden Bauten und topographischen Verhältnissen, gelten, stellen die Bahn- hofsanlagen häufig bewusst eine Verbindung zum weiträumigen Umland und den charakteristischen Landschaftszeichen her. Die Bezugnahme zur Ferne scheint im Wesentlichen bereits durch den Zweck der Bauten, der zugehörigen technischen Verkehrsmittel und deren überregionale Bedeutung gegeben und zusätzlich durch den ursprünglich peripheren Standort der Bahnhöfe am Rand oder ganz ausser- halb der Siedlungskerne und vor allem durch die platzintensiven, von Gleisfeld und Bahnhofsplatz geprägten Strukturen (mit genügend „Raum zum Zurücktreten“725) begünstigt zu sein. Im Unterschied zum Element des Turms, der in der Post- wie auch der Eisenbahnarchitektur ein wiederkehrendes Motiv darstellt, um als Wegmarke oder Blickpunkt die Sichtbarkeit der öffentlichen Einrichtungen aus der Ferne zu erhöhen, ist es bei den Bahnhöfen, beispielsweise jenen von Bozen, Trient, Roma Termini, Messina und Reggio Calabria, die Morphologie der Baukörper, die den Blick umgekehrt von der Architektur auf die Umgebung lenkt und so nicht nur den Landschaftsraum in die städtebauliche Ordnung aufnimmt, sondern die Bauten gleichzeitig in ihren grossräumigen Kontext einfügt.

3.2.2.1 Berge im Hintergrund: die Bahnhöfe von Bozen, Trient, Messina und Reggio Calabria In Bozen erforderten in der Mitte der 20er Jahre der politischen Umbruch in Südtirol, die Verkehrs- zunahme, die Elektrifizierung der Eisenbahnlinie nach Brenner und dieVerlegung der lokalen Eisen- bahnsektion von Trient nach Bozen einen Umbau des noch zur Zeit des österreich-ungarischen Reichs errichteten Bahnhofs. Von den vielen Anforderungen an die Planung hob Businari speziell die Auflage hervor, wonach der freie Blick vom Bahnhofsplatz zu den Gipfeln der Dolomiten, insbesondere zur erhabenen Gebirgskette des Rosengartens, gewahrt werden sollte.726 Um der Weisung Rechnung zu tragen, erweiterte Mazzoni das bestehende, dreigeschossige, polygonale Empfangsgebäude, das er neu einkleidete und mit einem monumentalen Halbsäulenportikus ergänzte, in beide Richtungen ent- lang der Gleise; am nordöstlichen Ende richtete er ein Restaurant mit Aussenterrasse ein und stellte ihm einen hochaufragenden, quadratischen Uhrturm zur Seite. Den Turm und das vorstehende Emp- fangsgebäude verband er mit einem niedrigen, eingeschossigen Baukörper, so dass die Leute, die vom Walther-Platz im Stadtzentrum her über die Bahnhofsallee zum Bahnhof gelangten, den Rosengarten wie in einem nach oben offenen Bildrahmen erblickten: „Infatti la parte centrale dell’edificio, severa nel suo classicismo, si abbassa nell’ala verso Brennero sopra all’atrio di uscita per poi innalzarsi sino all’alta e simpatica Torre dell’orologio, quasi ad incorniciare uno dei più sugges- tivi sfondi di montagna dolomitica che con le sue svariate tinte nell’ora del tramonto, trova un’armoniosa corris- pondenza nel simpatico colore della pietra con la quale è stato costruito il fabbricato.“727 Die Bezugnahme zu dem im Abendrot glühenden Bergmassiv, das eine aus dem Mittelalter überliefer- te Heldensage zu einem Mythos erhoben hat,728 bedeutet allerdings mehr als nur eine attraktive Aus-

725 Vgl. Kapitel 1.3.3.2, S. 109. 726 Vgl. Businari 1931 (1), S. 10. 727 (Antonini 1928, S. 40.) 728 „These mountains are known under the name of Rose Mountain or Catinaccio, and at sunset, lighted by the last rays of the declining sun, in the semi-darkness they present a wonderful spectacle of radiation, which is the origin of the legend of 288 3.2 sicht aus der Stadt, die mit dem Bau der Eisenbahnlinien von Verona nach Bozen und von Bozen nach Innsbruck und Meran in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts dank dem aufblühenden Tourismus einen erheblichen Entwicklungsimpuls erhalten hatte. Als identitätsstiftender Hintergrund dominiert die Rosengartengruppe an mehreren neuralgischen Punkten die Fernsicht, so etwa auf der Talferbrü- cke, die den Übergang von dem 1925 eingemeindeten Kurort Gries in die Stadt Bozen markiert, auf dem Siegesplatz am westlichen Brückenkopf, wo 1928 das von Marcello Piacentini entworfene Sie- gesdenkmal errichtet wurde, oder vom Corso Littorio (heute Freiheitsstrasse) aus, der die Hauptachse der ab 1934 realisierten, faschistischen Stadterweiterung zwischen der Talfer und Gries bildet.729 Die Signifikanz des Blickes auf die Silhouette der Dolomiten, der im übertragenen Sinn als „Blick nach Italien“ und insofern als staatpolitische Dominanz interpretiert werden kann,730 unterstreicht auch der Wettbewerb für den neuen Bebauungsplan von Bozen, den die Gemeinde 1929 landesweit ausschrieb und dabei im Programm festlegte, dass die Uferseite nordöstlich der Talfer von Bauten „che possano impedire la vista del gruppo del Catinaccio“ freizuhalten sei.731 Im Fall von Trient brachte Mazzoni den Bezug des Bahnhofs zum nahen „Hausberg“ der Stadt, dem unmittelbar hinter dem Gleisfeld auf der anderen Seite des Flusses Etsch gelegenen Doss Trento, bereits deutlich in der Präsentationszeichnung des ab 1933 geplanten Neubaus zum Ausdruck. Ob- wohl er den charakteristischen Hügel in der perspektivischen Ansicht zu weit links platziert zu haben scheint, lassen das Baufragment auf der Kuppe und die Textur der Felsen den dargestellten Berg ein- wandfrei identifizieren.732 Seit der Anlage der Eisenbahnlinie von Verona nach Bozen in der Mitte des 19. Jahrhunderts und der etwa gleichzeitig erfolgten Begradigung der Etsch liegt der Bahnhof neben dem ehemaligen Benediktinerkloster San Lorenzo auf dem Feld zwischen dem alten und dem neuen Flusslauf, in der Schlaufe zwischen der historischen Stadt und dem Doss Trento. Bis in prähistorische Zeiten zurückreichende zivilisatorische Spuren zeigen, dass der Hügel nicht nur seit jeher für kulti- sche Zwecke beansprucht wurde, sondern wegen seiner exponierten Lage, die einen guten Überblick über die ganze Talschaft gewährte, eine ebenso wichtige strategische Funktion bei der Verteidigung der Stadt und des Territoriums einnahm, zuletzt als Teil des Festungswerks, das die Österreicher im 19. Jahrhunderts zum Schutz ihrer südlichen Grenze einrichteten. Nach dem Ersten Weltkrieg und dem Anschluss des Trentino an Italien wurde beschlossen, auf dem Hügel ein Mausoleum für den Irredentisten Cesare Battisti aufzustellen. Das Denkmal für den besonders in Norditalien als Märtyrer verehrten Nationalhelden wurde 1935 nach dem Entwurf des Veroneser Architekten Ettore Fagiuoli in Form eines von weither sichtbaren Monopteros ausgeführt. Es liess sich in den Fotografien des Bahn- hofs, der im Jahr darauf fertiggestellt war, wirkungsvoll als Blickfang im Bildhintergrund inszenie- ren.733 Wie in Bozen gibt die markante Erhebung im Rücken des Trentiner Bahnhofs demnach nicht

the enchanted Laurino’s reign in which, when it was neither day or night, the splendid garden of the roses was to be seen again.“ (Businari 1931 [3], S. 110-111.) 729 Vgl. hierzu die perspektivische Zeichnung, die Piacentini 1934 für die Präsentation des neuen Bebauungsplans verfasste, sowie die Fotografie der Freiheitsstrasse im Bau, in: Zoeggeler, Ippolito 1992, S. 39, 69. 730 Das Siegesdenkmal ist so ausgerichtet, dass die Inschrift „Hic patriae fines siste signa. Hinc ceteros excoluimus lingua legibus artibus“ (Hier an den Grenzen des Vaterlandes setze die Zeichen. Von hier aus bildeten wir die anderen durch Sprache, Gesetze und Künste) der Talferbrücke, der Altstadt und dem Rosengarten zugewandt ist und also „von Italien aus“ lesbar ist. Vgl. Zoeggeler, Ippolito 1992, S. 110-127; Lehmann 2000, S. 163-169. 731 (Marconi, Pl. 1930, S. 546.) 732 Vgl. Pettenella 1994, S. 20-22. 733 Vgl. Paniconi 1935 (1); Condini 1937, S. 26; Rassegna di Architettura, Mai 1937, S. 167-168; Baumeister, Sept. 1938, S. 300; Carb 1938 (1), S. 77-78; Relazione 1936-37, 1938, o. S.; Deutsche Bauzeitung, Okt. 1940, S. 177; Campanella 1941 (1), S. 1. 3.2 Stadtraum, Landschaft und Territorium 289 nur die naheliegende landschaftliche Kulisse vor, sondern bildet auch einen bemerkenswerten Teil des politisch und kulturhistorisch konnotierten Hintergrunds, vor dem sich der Bahnhof ausbreitet. Bei der Bahnhofs- und Hafenanlage von Messina und dem Bahnhof von Reggio Calabria stellte Mazzoni ähnliche, wenngleich politisch weniger doppeldeutige Bezüge zum Landschaftsraum her. So hielt er in Messina die dem Vorplatz und dem Stadtzentrum zugewandte Bahnhofshalle absicht- lich niedrig, um die Sicht auf das Bergmassiv des Aspromonte auf der gegenüberliegenden Seite der Strasse von Messina nicht zu verstellen. Der flache Baukörper ist von zwei höheren Bauten flankiert, die optisch von der Bergkette wieder zusammengehalten werden. Auf diese Weise ergänzt das Pano- rama des Aspromonte die Konturen der langgestreckten Baugruppe, zugleich erzeugt es eine visuelle Verbindung zum Festland und damit auch zu ihrem Pendant in Reggio Calabria auf der anderen Seite der sagenumwobenen Meeresenge. In Reggio befand sich eine der beiden Hafenstationen, welche seit der Jahrhundertwende die von der Insel kommenden Zugfähren anliefen. Im Gegensatz zur leuchtend weissen, allseits mit Travertin verkleideten Anlage von Messina stattete Mazzoni den unmittelbar an der Küste gelegenen Bahnhof in Reggio durchwegs dunkel, mit rötlich-braunem, schwarzem und grünem Stein, aus und hob rückblickend besonders dessen Orientierung zum Meer hervor: „Note- vole l’insieme delle pensiline i cui pilastri e soffitti inquadrano la visione del mare.“734 Indem er die landschaftlichen, funktionalen, technischen und materiellen Faktoren gleichwertig und komplementär in die Gestaltung der beiden Bahnhöfe einbezog und dabei den Dualismus von Festland und Insel, Bergen und Meer, Eisenbahn und Schiff und das Pendeln der Fähren zwischen den Häfen reflektierte, schuf er eine weiträumige, übergeordnete Einheit, in der das einzelne Werk und die konkreten Gestal- tungsmassnahmen erst durch die Existenz des Gegenübers vollständig und sinnfällig erscheinen.

3.2.2.2 Der Entwurf eines modernen Stadttors: der Bahnhof Roma Termini Auch in Rom sollte ursprünglich die geringe Höhe des Empfangsgebäudes des Bahnhofs Roma Ter- mini, das gemäss eines ersten bewilligten Entwurfs als über 200 Meter langer, auf Säulen gestützter Glaskörper geplant war, den freien Blick von der neu geschaffenen, ausgedehnten Piazza dei Cinque- cento zu den Colli Albani gewährleisten; in umgekehrter Richtung sollte den Reisenden, die in Rom eintrafen, ebenerdig der ungehinderte Durchgang ermöglicht und mit dem Blick auf die Diokletians- termen und die Überreste der Servianischen Mauer ein erster Eindruck der Stadt vermittelt werden.735 Mazzonis Projekt sah vor, den gesamten Kopfbereich des Gleisfeldes ausdrücklich dem Ausgang vorzubehalten und den Zugang seitlich über die beiden Gebäudeflügel, wo er die Billettschalter, War- tesäle, Gepäckaufbewahrung, Bars, das Restaurant, die sala reale und den Bahnhof für die Nahver- kehrszüge anordnete, abzuwickeln. Er bezeichnete diese Kopfbahnhofstypologie als „tipo italiano“, der in Italien in der Pionierzeit des Bahnhofbaus vielfach Verwendung gefunden hatte und den er am Beispiel der alten Bahnhöfe von Florenz und Neapel sowie der Bahnhöfe Torino Porta Nuova und Roma Termini eingehend studiert hatte.736 Die Wahl der Typologie ist aus mehreren Gründen bedeut-

734 („Appunti autobiografici“, FAM, MAZ S/21, S. 23.) Nach dem verheerenden Erdbeben von 1908 hatte man die Bahnhöfe von Reggio und Messina eilig als Provisorien wiederaufgebaut, mit den Neubauten Mazzonis wurden in den 30er Jahren dann die seit längerem beanstandeten Mängel, etwa die ungenügenden Platzverhältnisse und fehlende Ausstattung, beho- ben. Vgl. Trasporti e lavori pubblici, Nov. 1936, S. 348; Barucci 2003. 735 Vgl. Kapitel 2.1, S. 125-126. „La stazione sarà separata dalla piazza solamente da una vetrata attraverso la quale sarà possibile la visione di tutto il movimento dei treni: spettacolo moderno, vivo, dinamico.“ (Piacentini, M. 1939, S. 77.) 736 Dabei handelte es sich um die Bahnhöfe Firenze Maria Antonia (1848-1851), Napoli Centrale (1861-1866, Enrico Alvi- no), Torino Porta Nuova (1861-1868, Alessandro Mazzucchetti) und Roma Termini (1867-1974, Salvatore Bianchi), vgl. FAM, MAZ D/3, S. 12bis. Im Gegensatz zu diesem Typus versammelt der „tipo tedesco“, den Mazzoni vor allem anhand 290 3.2 sam: einerseits konnte sich Mazzoni damit auf eine spezifisch italienischeTradition des Eisenbahn- baus berufen, andererseits erlaubte sie ihm die direkte architektonische Umsetzung eines damals zent- ralen Anliegens, nämlich der Vorstellung des Bahnhofs als modernes Tor in die Stadt, ein Bild, das der Inspiration Mussolini zugeschrieben und bei jeder sich bietenden Gelegenheit zitiert wurde.737 1947 schrieb Mazzoni diesbezüglich in einem Artikel: „Fino ad ottanta anni fa ai viaggiatori che arrivavano in una città si presentava loro innanzi la Porta, quasi sempre opera d’arte di valore, come a dare il benvenuto (...). Oggi i viaggiatori arrivano in treno e la stazione ha sostituito l’antica porta.“738 Dem Entwurf ging ein jahrzehntelanger, zunächst von funktionalen, technischen und städtebaulichen Bedingungen, später vor allem von politischen Ambitionen geprägter Planungsprozess voraus. Schon seit der Jahrhundertwende hatte sich abgezeichnet, dass die verkehrstechnischen Fragen, mit denen sich Rom angesichts der rasanten Bevölkerungs- und Verkehrszunahme konfrontiert sah, nur mit einer langfristigen, grossräumigen Planung der lokalen und überregionalen Erschliessung zu lösen waren. Bereits in der Vorkriegszeit präsentierten Giovannoni und Piacentini in ihren wegweisenden städte- baulichen Schriften Strategien für die Erweiterung der Stadt und der Verkehrsnetze,739 im Zug der Revision des piano regolatore und der Hauptstadtplanung zur Zeit des Faschismus wurden dann die dringend notwendige Neuordnung und der Ausbau der Eisenbahninfrastruktur angegangen. Während die Eisenbahnverwaltung intern ihre Ingenieure (darunter ab 1924 auch Mazzoni) verschiedene Kon- zepte ausarbeiten liess, diskutierte man in den 20er Jahren auch mehrere, privat initiierte Projekte.740 Mit dem neuen Bebauungsplan von 1931 wurde schliesslich das weitere Vorgehen bestimmt: demge- mäss sollten beim Ponte Milvio und an der Via Casilina zwei neue, dezentrale Hauptbahnhöfe für die Linien des Nordens bzw. des Südens entstehen, die unterirdisch miteinander verbunden und im Gebiet des bestehenden Bahnhofs Termini mit einem ebenfalls im Untergrund angelegten Transitbahnhof ergänzt würden, ausserdem sollte am Stadtrand ein durchgehender Eisenbahnring mit zusätzlichen Zwischenstationen und Rangierbahnhöfen die Hauptstrecken entlasten und in der Innenstadt eine U- Bahn den Strassenverkehr eindämmen.741 Doch als Italien 1936 (im Jahr der Proklamation des Impe- riums) den Zuschlag zur Durchführung einer Weltausstellung im Jahr 1941 erhielt, wurde diese visio- näre Verkehrsplanung und das unterirdische Bahnhofsprojekt wieder aufgegeben, Letzteres scheiterte jedoch nicht nur an den vermutlich viel zu hohen Kosten und der plötzlich drängenden Zeit, sondern

der Bahnhöfe von Stuttgart (1914-1928, Paul Bonatz/Friedrich Scholer), Leipzig (1909-1915, William Lossow/Max Hans Kühne) und Helsinki (1904-1919, Eliel Saarinen) studierte und der auch auf jene von Mailand (1912-1931, Ulisse Stac- chini) und Florenz (1933-1935, Gruppo Toscano) zutrifft, die Haupteinrichtungen im Gebäude am Kopf der Gleise, der Zu- und Ausgang erfolgt dort also primär frontal und nicht seitlich. Vgl. FAM, MAZ G/8, S. 129; Mazzoni 1927. 737 Vgl. Kapitel 1.3.2.2, S. 95; 2.3.1.2, Anm. 458; Piacentini, M. 1939, S. 76, 77. Über sein erstes Projekt notierte Mazzoni rückblickend: „Questo progetto in cui trionfavano idee del Capo del Futurismo F. T. Marinetti era per me la meta stabilita di giungere a realizzare un’opera che – dal punto di vista futurista – fosse funzionalmente perfetta e originale – unisse saldamente le forme di convenienza, struttura e apparenze – fosse diversa da tutte le altre costruzioni analoghe.“ (FAM, MAZ D/3, S. 12bis.) 738 (Mazzoni 1947, S. 28.) 739 Vgl. Giovannoni 1913 (1); Piacentini, M. 1916 (1); Piacentini, M. 1916 (2). 740 Zu den privat initiierten Projekten gehörten jenes von Gino Coppedé und Filippo Ugolotti, die 1923 eine Verlegung des Bahnhofs neben die Porta Maggiore vorschlugen, die Vision Piacentinis für ein Gross-Rom („Grande Roma“, 1925/1926) und das urbanistische Programm des Gruppo Urbanisti Romani (1929), vgl. „Progetto Ugolotti Coppedè“, in: Archivio Storico Capitolino, ID_progr 2284-2298; Ciacci 1930, S. 39-45; Etlin 1991, S. 391-403; Bodenschatz 2011, S. 60-67, 106-117. Zu den Studien Mazzonis vgl. Anm. 370. Vgl. auch Kapitel 2.2.1.2, S. 141. 741 Vgl. Roma Termini 1951, S. 14; Vocca 1990. 3.2 Stadtraum, Landschaft und Territorium 291 genauso am Wunsch, ein repräsentatives Bauwerk zu errichten, so dass die Besucher Roms und vor allem die vielen für die Weltausstellung erwarteten Gäste gebührend empfangen werden konnten.742 Vor diesem Hintergrund begann Mazzoni mit der Planung des definitiven Bauprojekts. Als Planungs- grundlage diente ihm der von den beiden Eisenbahningenieuren Carlo Boido und Giulio Cesare Palmieri entwickelte Generalplan,743 mit dem die Grenzen des Perimeters, die Zurücksetzung der Hauptfront um zirka 200 Meter hinter die Überreste der Servianischen Mauer und die Schaffung eines grossen Platzes zwischen den Diokletianstermen und dem neuen Bahnhof festgelegt wurden. Nach der Ablehnung des ersten, am 16. Februar 1937 bewilligten Entwurfs und der Ausarbeitung weiterer Vorschläge wurde im Lauf des folgenden Jahres entschieden, das Empfangsgebäude als riesigen, 27 Meter hohen, offenen Säulenportikus auszuführen. Was an diesem Projekt bislang keine Beachtung gefunden hat, ist, dass es Mazzoni trotz übertriebener Monumentalität und Klassizität gelang, die Grundideen und Qualitäten seines ursprünglichen Entwurfs weiterzuverfolgen: das waren einerseits die Durchlässigkeit der „funktionslosen“ Ankunftshalle, die in erster Linie dazu dienen sollte, die Sichtbeziehung zu den Albaner Bergen, zum Gleisfeld und zu den Diokletianstermen zu garantieren und zusammen mit den beiden langgestreckten Seitengebäuden eine einzigartige Torsituation geschaf- fen hätte, zum anderen die dadurch gegebene, weitsichtig geplante, städtebauliche Ordnung. Entgegen dem ersten Eindruck hätten im Projekt Mazzonis die Seitenbauten entlang des Gleisfeldes eine gleich wichtige Stellung wie der Kopfbau eingenommen und dem Bahnhof eine allseitige, ausgewogene Orientierung verliehen: an der Nordostflanke hätte die ebenfalls monumentalesala reale eine direkte Verbindung zum Eingang der 1935 eröffneten „Città Universitaria“ hergestellt, während im angren- zenden Quartier neben der Kirche der Salesianer die Verwaltung angesiedelt und bei der Porta Tibur- tina ein kleiner Park744 eingerichtet worden wäre. Die Südwestflanke, die sich bis zur Rotunde der Minerva Medica hin erstreckt und im vorderen Teil alle reiserelevanten Einrichtungen untergebracht hätte, sollte sich dagegen vollständig dem lebendigen Rione Esquilino, der noch jungen Stadterweite- rung aus umbertinischer Zeit mit der Piazza Vittorio im Zentrum, zuwenden.745 Auch auf dieser Seite hätte Mazzoni neue Plätze anlegen lassen sowie die Bebauung zurückversetzt und deren Erdgeschosse mit Laubengängen ausgestattet, um der Vorfahrt des Bahnhofs, den historischen Monumenten (Santa Bibiana, Minerva Medica) und technischen Bauten (Stellwerk, Wasserturm, Heizkraftwerk, Dormito- rien), die sequenzartig in die Flanke eingefügt wurden, genügend Raum zu gewähren. Mehrere, in die Quartiere hinein verlängerte Passagen sollten zudem das teilweise erhöhte Gleisfeld queren und die Stadtviertel direkt miteinander verbinden. Auf der vierten Seite, der so genannten „piazza interna“ des Bahnhofs, sollten schliesslich auf der Höhe der Unterführung Santa Bibiana vor der Ausweitung des Gleisfeldes zwei identische Wassertürme als Vorboten die vorbeifahrenden Züge empfangen – genau-

742 Vgl. Architettura, Dez. 1939, S. 4-7; Piacentini, M. 1939: Mazzoni 1947. 743 Vgl. FAM, MAZ D/3, S. 14. Die umfangreiche Gesamtplanung des römischen Eisenbahnnetzes fasste Enrico Ponticelli, ein Vorgesetzter Mazzonis, während der Ausführung in einem Artikel zusammen, vgl. Ponticelli 1939. 744 Mazzoni hätte dort den Bogen des Sixtus’ V., ein Überrest der teilweise abgerissenen Acqua Felice, zusammen mit dem dislozierten Mosesbrunnen, der „Mostra“ der Acqua Felice, aufgestellt. Dem Papst Sixtus V. (1521-1590, früher Kardinal Felice Peretti di Montalto) gehörten die Ländereien, die im 19. Jahrhundert für die Anlage des Bahnhofs Termini gewählt wurden. Vgl. Piacentini, M. 1939, S. 88-89; Angeleri, Mariotti Bianchi 1983, S. 263; FAM, MAZ S/15, S. 44-45. 745 Der Hauptzugang zum Bahnhof wäre somit gleich ausgerichtet gewesen wie der Haupteingang zur Kirche Santa Maria degli Angeli in den Diokletianstermen, der im 18. Jahrhundert von der heutigen Piazza dei Cinquecento an die Seite der Exedra verlegt worden war und seit dem Bau der Via Nazionale am Ende des 19. Jahrhunderts deren Endpunkt bildet. 292 3.2 so wie die beiden Fontänen im Garten der Villa Aldobrandini, die jenen Ort markieren, wo der Was- serlauf eine Kaskade hinunter zur Grotte stürzt.746 Unglücklicherweise haben die Diskussionen über Stil und Monumentalität der Ankunftshalle wäh- rend der Planung und vor allem in der Nachkriegszeit, als die Konzeption des Bahnhofs durch die funktionale Reorganisation und die einseitige Neuorientierung der Anlage massiv verändert wurde, die städtebaulichen Qualitäten von Mazzonis Projekt vollständig in den Hintergrund treten lassen.747 Unter Berücksichtigung des Landschaftsraums und der historischen Bauzeugnisse hätte seine Planung allerdings eine allseitig an die Stadträume und die Verkehrswege angebundene, durchlässige Struktur vorgesehen, die weiträumig gedacht war, aber in der detaillierten, formalen Ausgestaltung stets ver- handelbar blieb und somit dem Städtebau die höchste Priorität einräumte.

3.2.2.3 Landschaftliche Elemente innerhalb der Baugrenzen Mazzoni integrierte die natürliche Landschaft nicht nur in seine Projekte, indem er sie als weit ent- fernten Hintergrund inszenierte, sondern liess ihr in künstlicher Form von Gärten, kleinen Parkanla- gen, Brunnen, Wasserbecken, einzelnen Bäumen, Rabatten und Pflanzkästen stets auch innerhalb des architektonischen Gefüges einen festen Platz zukommen. Damit kam er einerseits einem von offizi- eller Seite geäusserten Bedürfnis entgegen, wonach die öffentlichen Plätze, die Aufenthaltsbereiche an Bahnhöfen, aber auch die Werkplätze der Arbeiter mit Pflanzen und Blumen verschönert werden sollten. Seit 1925 veranstaltete der Touring Club Italiano deshalb zusammen mit der nationalen Tourismusvereinigung (ENIT) und der Eisenbahngesellschaft alljährlich den Wettbewerb „stazioni fiorite“, um auf einem gewissen Streckenabschnitt die am schönsten hergerichteten Bahnhöfe auszu- zeichnen und auf diese Weise die Attraktivität der Orte im Interesse des Tourismus zu steigern.748 Die Bedeutung dieses Wettstreits kam während der Erweiterung des Bahnhofs von Littoria in einem Brief- wechsel zum Ausdruck, als der Leiter des Dopolavoro die Bauabteilung und den zuständigen Archi- tekten um eine Zusammenarbeit bei der Planung der Bepflanzung bat.749 Andererseits zeigt die enge Verbindung zwischen den Bauten Mazzonis, der Bepflanzung und dem Wasser, dass er die natürlichen Elemente als inhärente Bestandteile in seine Architektur einbezog und, wie bereits am Beispiel des Oleandergartens und des Brunnenbeckens bei der Post von Ostia Lido, des Pinienschirms von Sabau- dia oder der Terrassen und des Nischenbrunnens von La Spezia anschaulich wurde, mit entsprechen- der Sorgfalt plante. Sie figurierten als konstruktive und dekorative Elemente und sollten räumliche Bezüge und Grenzen schaffen, Blickpunkte und Perspektiven generieren, Orte für den Aufenthalt und die Kontemplation definieren und vor allem auch das Gemüt und die Sinne ansprechen: „Oggi che il moto e la velocità ci hanno assorbiti in pieno, la natura torna a destare in noi un desiderio di sempli- cità, d’idilliaco, direi quasi, di campi benedetti dalla santità delle spighe, di boschi freschi d’ombre e di profumi, di nevi immacolate e silenziose, di marine luminose, di ruscelli mormoranti.“750

746 Vgl. FAM, MAZ S/24, S. 146. 747 In diesem Zusammenhang erscheint der 28 Meter hohe, hermetische Baukörper, der in der Nachkriegszeit wie eine mäch- tige Wand vor den beiden bestehenden Seitenflügeln errichtet wurde, um die Obergeschossen als Büroräume zu nutzen, in funktionaler und formaler Hinsicht wie ein damnatio memoriae des faschistischen Bauprojekts Mazzonis. 748 Der Wettbewerb wurde 1911 erstmals veranstaltet, 1912 und 1913 wiederholt und ab 1925 regelmässig durchgeführt, an- fänglich noch mit der Federazionedei Consorzi agrari, ab 1926, als der Wettbewerb auf die Werkplätze ausgedehnt wurde, mit der Unterstützung des Dopolavoro ferroviario. Vgl. Relazione 1924-25, 1925, S. 9; Relazione 1925-26, 1926, S. 13; Ferrovie nel primo decennio fascista 1932, S. 121-123; Relazione 1936-37, 1938, S. 9; Brunetti, Fe. 2004. Vgl. Abb. 171, 172. 749 Vgl. Brief vom Ufficio Centrale del Dopolavoro Ferroviario, 18. September 1934, ASFSR, B. 4870, fasc. C II 9(11), o. S. 750 (Mazzoni 1934 [4].) 3.2 Stadtraum, Landschaft und Territorium 293

Beispielhaft für die Integration landschaftlicher Elemente sind die grosszügigen, parkähnlichen Gär- ten und Höfe der Bahnhofs- und Hafenanlage von Messina, die episodisch zwischen den einzelnen, vom durchgehenden Perrondach zusammengehaltenen Baukörpern angelegt wurden und, mit Speiern, Wasserflächen, Rasen, Blumen, Bäumen, Sträuchern, Wegen, Bänken und Leuchten ausgestattet, der Erfrischung dienten – gewissermassen als Ausgleich zum städtischen Treiben auf der einen und der ständigen Bewegung der technischen Verkehrsmitteln auf der anderen Seite. Im Bahnhof Tiburtina in Rom dagegen, dessen Empfangsgebäude nicht linear, sondern als 95 x 70 Meter grosser, eingeschossi- ger Bau geplant war, sah Mazzoni aufgrund der beträchtlichen Gebäudetiefe zwei begrünte Innenhöfe beidseitig des Durchgangs vom Atrium zu den Gleisen vor; die öffentlichen Einrichtungen (Wartesäle, Restaurant, Billettschalter) sollten um einen quadratischen Hof (10 x 10 Meter) und die Dienst- und Betriebsräume um einen rechteckigen Aussenraum (6.50 x 14 Meter) gruppiert werden. Die Wege zwischen dem Hauptgebäude und den übrigen, freistehenden Bahnhofsbauten wären ausserdem kon- tinuierlich mit Perron- und Vordächern verbunden und ebenso durchgehend von Baumreihen gesäumt worden, so dass sich das ganze Areal gleichsam in eine Parkanlage verwandelt hätte. Das weite Spektrum gestalterischer Möglichkeiten verdeutlicht der Bahnhof von Siena, wo einst, wie in Messina, eine Sequenz verschiedenartiger Aussenräume die lange Gebäudeabwicklung strukturierte:751 am westlichen Ende in Richtung Florenz stellte ein Baumgarten neben der Heizzent- rale den Übergang von der freien Landschaft zum Bahnhofsareal her, anschliessend begleiteten zwei lange, rechteckige Wasserbecken den Weg vom abgesetzten Dienst- und Wohnbau zum Perronkopf, wo die sala reale und die Betriebsräume angeordnet waren; in der offenen, von einem ausgedehnten Dach geschützten Ankunftshalle zwischen dem Betriebsbau und dem Hauptgebäude standen zwei freistehende Bäume, deren Kronen durch runde, in der Dachfläche ausgesparte Öffnungen wuchsen;752 den Raum zwischen der Bahnhofshalle und dem Güterlager nahm die eingefriedete Aussenterrasse des Restaurants ein und vorne an der Strasse, die hinauf zum historischen Stadtkern Sienas führt, kennzeichnete ein kleiner, runder Brunnen den Abschluss respektive den Auftakt der gesamten, u-för- mig um den Bahnhofsplatz angelegten Anlage.753 Zusammen mit der so genannten „torre luminosa“, dem runden Turm, der sich im Winkel des Dienst- und Wohnbaus auf der gegenüberliegenden Seite exponierte, markierte der unscheinbare Brunnen einen der beiden kardinalen Eckpunkte. Ursprünglich hätte an dieser Stelle als Gegengewicht zur torre luminosa ein hoch aufragender, runder Wasserturm, der wie jene in Calambrone, Montecatini, Messina und Roma Termini von einer Aussentreppe schrau- benförmig umfangen gewesen wäre, stehen sollen,754 das Vorhaben wurde aber um 1935 sistiert – stattdessen blieb, einer Erinnerung gleich, nur der winzige Punkt des Brunnens übrig. Die sorgfältige, architektonische Gestaltung der Aussenräume von Siena, Messina, La Spezia, Ostia Lido und Sabaudia zeigen stellvertretend für die andern Projekte Mazzonis, dass er sowohl den Bau- körper wie auch die gesamte Parzellenfläche jeweils detailliert bearbeitete. Exemplarisch wurde dies auch bei der Post von Massa vor Augen geführt, obwohl er persönlich das Projekt rückblickend für

751 Vgl. FAM, MAZ B/20, fasc. 5-7. 752 Mazzoni notierte, er habe nach dem Bau der Ankunftshalle gemerkt, dass er sich beim Entwerfen an Le Corbusiers Esprit Nouveau-Pavillon inspiriert hatte. Vgl. FAM, MAZ B/1, fasc. 4/2. Eine andere Referenz könnte aber auch das 1933/1934 publizierte Hochhausprojekt von Guido Fiorini gewesen sein; Fiorini hatte sich von Le Corbusiers urbanistischen Studien anregen lassen, um sein Konstruktionssystem „tensistruttura“ zu entwickeln, an dem sich Mazzoni für den Entwurf des Bahnhofs Roma Termini orientierte. Vgl. Fiorini 1933; Fiorini 1934; Godoli, Lima 2004, S. 287. 753 Vgl. FAM, MAZ B/20, fasc. 6/26. 754 Vgl. Quattrocchi 2010, S. 173, 373. Weiterführend zur Baugeschichte des Bahnhofs von Siena vgl. ebenda, S. 368-379. 294 3.2 wenig inspiriert hielt:755 Das Gebäude steht auf einer Eckparzelle und weist eine offene, der Strassen- kreuzung zugewandte Ecke mit einem hohen Turm auf. An dieser Stelle befinden sich die öffentlichen Eingänge zu den Postschaltern, die über zwei Stufen und einen die Ecke ergänzenden Vorplatz er- reicht werden. Entlang der beiden Gebäudefluchten parallel zu den orthogonalen Strassen liess Maz- zoni einen leicht erhöhten, von Stehleuchten begleiteten, „inneren“ Weg anlegen, der südseitig neben der Einfahrt des Anlieferungshofs über fünf Stufen betreten wurde, zwischen einer Baumreihe und der Fassade hin zur offenen Ecke führte, dort als Zwischenpodest zwischen der tiefer gelegenen Stra- ssenkreuzung und dem höheren Eingangspodest vermittelte und schliesslich an der Nordseite ebener- dig in einer nicht überdachten Nische, in die das Gefallenendenkmal eingelassen war, mündete. Die Nische öffnete sich seitlich zu einem Grünraum, der durch einen Torbogen betrachtet oder betreten werden konnte. Auch die Einfahrt zur Anlieferung an der diagonal gegenüberliegenden Gebäudeecke kennzeichnete eine hohe Ziegelmauer mit Torbogen. Auf der Rückseite war die Post von der Einfahrt bis zur Nische mit einer rechtwinkligen, durchgehenden Mauer umfriedet, die den Anlieferungshof klar gegen das benachbarte Grundstück eines Hotels abgrenzte. Das stufenweise, von Licht, Pflanzen, Flächen und Mauern strukturierte Heranführen an das Gebäude veranschaulicht, dass Mazzoni den Baukörper nicht als freistehenden Solitär auf einer Parzelle interpretierte, sondern bestrebt war, das ganze Grundstück in das Projekt einzubeziehen und mit landschaftsarchitektonischen Massnahmen situativ Verbindungen, Übergänge und Abgrenzungen zwischen dem Gebäude und dessen nächster Umgebung zu schaffen.

755 „Questo [progetto] è un po’ stupidino. Lo feci così, non ci diedi molta importanza, non so per quale ragione.“ (Zit. nach Anselmi 2003, S. 348.) 295

424 Der Bahnhof von Bozen-Gries in einer Lithographie anlässlich seiner 425 Bau des Corso Littorio (heute Freiheitsstrasse), ca. 1935, Blick von Einweihung 1859, im Hintergrund das Massiv des Rosengartens Gries aus Richtung Siegesdenkmal, Talferbrücke und Rosengarten

426 A. Mazzoni, Bahnhof von Bozen, Blick auf den Rosengarten gerahmt vom Uhrturm und dem Empfangsgebäude (2011)

427 Topographische Karte von Trient von 1813, mit dem Doss Trento (links) 428 Karte von Trient von 1869, gezeichnet nach der Begradigung des Flusses und der Etsch-Schlaufe Etsch und dem etwa gleichzeitig erfolgten Bau der Eisenbahnlinie und des Bahnhofs neben dem ehemaligen Benediktinerkloster San Lorenzo 296

429 Albrecht Dürer, „Trintperg“, Aquarell des Doss 430 A. Mazzoni, Entwurfszeichnung des Bahnhofs von Trient mit dem Doss Trento im Hintergrund, Trento und der Kirche Sant‘Apollinare, 1495 o. D. (ca. 1933)

431 Bahnhof von Trient nach seiner Einweihung 1936, auf dem Doss Trento (rechts) das Mausoleum für Cesare Battisti in Form eines offenen Monopteros

432 Bahnhof von Messina (2005)

433 Bahnhof von Reggio Calabria (2005) 297

Eisenbahnnetz von Rom 1924-1935: 1924 bestehendes Netz 1924 fertiggestellte Verbindung nach Ostia Lido 1928 projektierte Metrolinien für den innerstäd- tischen Verkehr 1931 im piano regolatore vorgesehener Ausbau des Eisenbahnnetzes mit einem unterir- dischen Bahnhof bei Roma Termini und einem durchgehenden Eisenbahnring

434

435 G. Coppedé, F. Ugolotti, Projekt für ein neues Quartier zwischen den Dio- 436 Marcello Piacentini, Projekt für Gross-Rom („Grande Roma“), 1925/26, kletianstermen und dem zur Porta Maggiore verlegten Bahnhof, 1923 im Vordergrund die Diokletianstermen, ganz hinten links der Bahnhof 298

438 Ansicht des alten Kopfbahnhofs Maria Antonia in Florenz, 1848, mit Blick aus der Bahnhofshalle auf die Stadt

439 A. Mazzoni, schematische Darstellung der zwei Kopfbahnhofstypen 437 Ab 1936 umgesetzte Planung des Eisenbahnnetzes von Rom „tipo italiano“ (links) und „tipo tedesco“ (rechts, nachgez. KA)

440 A. Mazzoni, Projekt für den Kopfbahnhof Roma Termini, im Februar 1937 offiziell bewilligter Entwurf

441 Modell des Monumentalentwurfs für Roma Termini (Projekt in versch. 442 Entwurf für den Bahnhof Roma Termini, Ansicht der durchlässigen Varianten ab 1938), ausgestellt an der VII Triennale von Mailand 1940 Hauptfront mit Doppelsäulen, 1940 299

443 A. Mazzoni, Lageplan des Bahnhofs Roma Termini (schraffierter Be- reich) im Kontext der umgebenden Bebauung und Strassen, 1939 (Abriss: gestrichelte Linien; neue Baugrenzen: schraffierte Linien)

sala autorità Gepäckausgabe Toiletten Wartesäle Postdienste Expressgüter

Dienstwohnungen

Wasserturm

Ankunft- halle

Unterführung Personalräume Minerva Billetschalter Gepäckannahme Wartesäle Restaurant Unterführung Bahnhof für Lokalverkehr Stellwerk Wasserturm S. Bibiana Heizzentrale Dormitorien Medica 444 Erdgeschossgrundriss des von Mazzoni bearbeiteten Bahnhofareals, Ausführungsprojekt 1939

445 A. Mazzoni, Skizze angefertigt zur Zeit der Deutschen Besetzung Roms (10. Sept. 1943-4. Juni 1944), Verbindung der beiden bereits errichteten Seitenbau- ten mit einem tiefliegenden, durchgehenden Vordach zur Fertigstellung des Bahnhofs 300

446 Das nach dem Krieg realisierte frontale Empfangsgebäude und die von Mazzoni errichtete Südwestflanke des Bahnhofs RomaTermini (2013)

447 Abwicklung der Baukörper und Fassaden an der Südwestflanke des Bahnhofs im Modell, 1939

448 Ansicht der Südwestflanke von der Minerva Medica aus

449 Stadttore: die Wassertürme Mazzonis und die Aurelianische Stadtmauer 450 Kirche S. Bibiana und der Wasserturm vom Stellwerk aus gesehen 301

451

452 453

Eisenbahn- und Schiffsstation von Messina, 1934-1939: 451 Modell der gesamten Anlage, 1937: Sequenz von unterschiedlich artiku- lierten Baukörpern, Passagen, Wegen, Höfen und Gärten 452 Strassenseitig angelegter Garten am Übergang von der Eisenbahn- zur Schiffsstation, 1949 453 Gleisseitig angelegter Garten zwischen der Eisenbahn- und der Schiffs- station (2005)

Postgebäude von Massa, 1930-1933: 454 Ansicht der Post von der Via Ciberti (heute Viale Democrazia) aus, 1933 455 Erdgeschossgrundriss der Post mit der eingezeichneten Aussenraumge- staltung, Ausführungsprojekt 1933 454

455 302

456 Grundriss des Bahnhofs von Siena mit der eingezeichneten Umgebungsgestaltung, Ausführungsprojekt 1935

457 Ansicht des Bahnhofs von Siena, 1936, im Vordergrund der kleine Brunnen am Kopf der Mauereinfriedung als Pendant zur torre luminosa im Hintergrund

458 459

Bahnhof von Siena, 1936: 458 Aussenraum mit Baumgarten und zwei Wasserbecken, die den Weg von der sala autorità und den Betriebsräumen zum Wohn- und Dienstge- bäude flankieren 459 Geschützte Ankunftshalle zwischen dem Betriebs- und dem Haupt- gebäude mit Bänken und Bäumen, die durch runde Öffnungen in der Dachfläche wachsen

460 Guido Fiorini, Projekt für Hochhäuser, deren Konstruktionsweise dem von ihm entwickelten System „tensistruttura“ entspricht, publiziert in Architettura und Casabella 1933 460 3.2 Stadtraum, Landschaft und Territorium 303

3.2.3 Farbe und Material

Polychromie und Polymaterialität nehmen in der Architektur Mazzonis, dies haben die bisher be- schriebenen Postbauten und Bahnhöfe bereits angedeutet, einen zentralen Stellenwert ein. Sie gehören zu den elementaren Gestaltungsmitteln, mit denen er dem künstlerischen Anspruch und dem geistigen Potential seiner gegenwärtigen Zeit Ausdruck verlieh. Eine der wesentlichsten Qualitäten der Poly- chromie und Polymaterialität erkannte Mazzoni im Kontrast, dem überraschenden, aber sinnreichen Wechsel und Nebeneinander von Farben, Formen und Materialien, deren Anordnung die Menschen emotional berühren und an ihre sinnlichen Fähigkeiten appellieren sollte: „Il contrasto violento è sempre motivo di emozione e di bellezza; in musica i pianissimi e i fortissimi hanno mag- gior risalto dalla loro vicinanza, come in pittura le masse chiare acquistano maggiore luminosità e maggior con- cretezza d’impressione, se poste a fianco di masse scure; è il simile, il derivato, l’imbastardito che stona ed urta quanto più cerca di intonarsi e di accarezzare; il contrasto netto, violento, apposta voluto e creato, non può essere che bello ed emotivo.“756 Die Kollision von Gegensätzen vermag einerseits, die Wirkung der einzelnen, zusammengefügten Elemente zu steigern, indem ihr spezifischer Charakter und die Unterschiede zwischen Farben, Ober- flächen, Texturen und Massen akzentuiert werden. Andererseits bewirkt die kontrastreiche Anordnung aber auch das Gegenteil, indem das Komplementäre zum Gleichgewicht zwischen den verschieden- artigen Einzelteilen beiträgt und zur Vervollständigung des Ganzen führt, und so idealerweise, wie es der Forderung Mazzonis entspricht, das Bauwerk sowohl im Innern wie nach Aussen hin in Einklang mit seiner baulichen und landschaftlichen Umgebung und dem übergeordneten architektonischen Kontext bringt.757

3.2.3.1 Polychromie und Polymaterialität In seinen 1933 und 1934 in der Zeitschrift Futurismo publizierten Artikeln äusserte sich Mazzoni wie- derholt zu den Eigenschaften verschiedener Materialien und Farben und deren Verwendung und Wir- kung im Kontext der Architektur.758 Seine persönliche Kunstauffassung korrespondierte diesbezüglich hervorragend mit den Interessen der Futuristen, in deren Rhetorik „policromia“ und „polimatericità“ zu den bevorzugten Schlagworten gehörten. Sie versuchten damit ihre künstlerischen Prämissen ge- gen die funktionalen und puristischen Bestrebungen anderer Avantgardebewegungen, insbesondere jene der Rationalisten, sowie die in ihren Augen überholten, kulturbürgerlichen Dekorationsmassnah- men der „Novecentisten“ abzugrenzen: „La nascita del polimaterico, mezzo futurista che coordina armonicamente il contrasto dei differenti materiali (...) apre possibilità infinite e insospettate all’artista (...). L’impiego dei materiali più opposti può raggiungere, in virtù della composizione e della simultaneità, rapporti e risultati efficaci ed emotivi.“759 Angeregt wurden die von den Futuristen geführten Diskussionen über Polychromie und Polyma- terialität durch die 1932 eröffnete „Mostra della Rivoluzione Fascista“ und die im folgenden Jahr

756 (Mazzoni 1933 [6].) 757 Vgl. Mazzoni 1927, S. 193-196; sowie Kapitel 1.3.2.2, S. 95. 758 Vgl. Mazzoni 1933 (5); Mazzoni 1933 (6); Mazzoni 1933 (11); Mazzoni 1934 (2); Mazzoni 1934 (7); Mazzoni 1934 (8); Mazzoni 1934 (9); Mazzoni 1934 (9); Mazzoni 1934 (13); Mazzoni 1934 (15); Mazzoni 1934 (16);Mazzoni 1934 (17); Mazzoni 1934 (18); Mazzoni 1934 (19); Mazzoni 1941. 759 (Enrico Prampolini, „Dalla pittura murale alle composizioni polimateriche. Manifesto dell’arte murale“, 1934, in: Enrico Prampolini 1961, S. 61.) 304 3.2 veranstaltete „V Triennale di Milano“, für deren künstlerische Ausstattung in beiden Fällen Mario Sironi massgebend mitverantwortlich war. Während die futuristischen Kommentatoren die plastisch- architektonische Gestaltung der ersten Ausstellung noch durchaus positiv bewerteten, kritisierten sie die unzeitgemässe Haltung, die sie hinter den wandfüllenden, monumentalen Malereien und Mosai- ken im Palazzo dell’Arte der Triennale sowie den 1932 und 1933 verfassten Schriften Sironis über die Wandmalerei zu erkennen glaubten.760 Die Überzeugung Sironis, dass durch die enge Verbindung von Architektur und Malerei mithilfe der Wandmalerei („pittura murale“) eine neue, moderne, faschisti- sche Kunst geschaffen werden könne, lehnten die Futuristen ab, da diese, wie etwa Mazzoni schrieb, letztlich doch nur Ausdruck einer traditionellen Kunstgesinnung sei: „Nelle opere moderne, futuriste, fasciste non può essere più impiegato come elemento decorativo l’affresco. (...) Solo le composizioni polimateriche, polimorfe, policromiche nella essenza dei materiali, possono decorare le pareti delle nuove opere monumentali, collettiviste che la società fascista reclama. (...) Nel Bizantino la parete fu decorata dal mosaico. Oggi dopo la prova della polimateria plastica o puramente pittorica nella Mostra della Rivoluzione la composizione decorativa polimaterica è l’unica decorazione adatta alle opere moderne. La prova Sironi alla Triennale di Milano è un tentativo puramente culturalista!“761 Dass, wie er überzeugt war, nur polymaterielle, polymorphe, polychrome Kompositionen in der Lage seien, die Wände der neuen, bedeutenden, kollektiven Bauwerke der faschistischen Gesellschaft zu schmücken, ist keineswegs als banale, unreflektierte Annäherung an dogmatische Grundsätze zu wer- ten. In einem im folgenden Jahr verfassten Artikel verwies Mazzoni auf den Hintergrund seiner Aus- sage, als er sich zur Entwicklung neuer Baumaterialien und deren Folgen für die moderne Architektur äusserte: Bis an die Schwelle zur Moderne, so schrieb er, sei die Materie stets der architektonischen Konzeption überlegen gewesen; um dieser Dominanz entgegenzutreten, habe man die Bauten mit applizierten dekorativen Elementen, Figuren, Flachreliefs und architektonischen Massnahmen zur Hervorrufung von Helldunkel-Effekten überladen: „La decorazione era l’unica arma con cui l’artista, vestendo di ombre e di luci le proprie opere, riusciva a placare il prevalere della materia sopra le sue concezioni architettoniche.“762 Selbst wenn man Materialien nur als Verkleidung angebracht habe, seien sie stets von der Konstruktion und diese wiederum von den inhärenten Eigenschaften des Mate- rials abhängig geblieben. Die Verwendung von Eisen und Beton habe das enge Verhältnis dann grund- legend verändert. Die beiden Werkstoffe bewirkten die Entwicklung neuartiger Konstruktionssysteme, welche die Trennung von Hülle und tragender Struktur, die Loslösung der Verkleidung vom konstruk- tiven System herbeiführten, und fanden Anwendungsformen, die eine Emanzipation der Materialien nach sich zogen. Da sich ihr Eigenwert und ihre Funktion verändert hatten und sie folglich gemäss neuen Kriterien beurteilt werden mussten, wandelte sich auch ihre Bedeutung: „La pietra, il marmo, il granito hanno perso il loro peso, ma hanno acquistato la bellezza assoluta del loro colore e della loro struttura naturale, della loro anima. Questi materiali da portanti e costruttivi divengono decorativi e protettivi. Rendono belle e difendono dagli agenti atmosferici le costruzioni moderne.“763

760 Im Gegensatz zur ersten Ausstellung waren die Futuristen an der Triennale kaum mehr präsent. Vgl. Architettura 1933, S. 19-26; Sarfatti 1933; Marconi, Pl. 1933 (1); Mazzoni 1933 (5); Enrico Prampolini 1961, S. 60-63; Harten, Poetter 1988, S. 32-33, 40-49. Vgl. auch Anm. 715. 761 (Mazzoni 1933 [5].) 762 (Mazzoni 1934 [7].) 763 (Mazzoni 1934 [7].) Bezüglich der Neuinterpretation von Material und architektonischer Konzeption betrachtete Mazzoni Josef Hoffmann und dessen Palais Stoclet (1906) in Brüssel als Wegbereiter der modernen Architektur. 3.2 Stadtraum, Landschaft und Territorium 305

Ausserdem, so lässt sich aus der Argumentation Mazzonis folgern, verloren die von ihm erwähnten, traditionellen Dekorationsmassnahmen durch die Befreiung der architektonischen Konzeption von den Einschränkungen des Materials ihre bisherige Legitimation, sie waren überflüssig geworden oder konnten zumindest im Kontext der modernen, aus Eisen und Beton errichteten Architektur nicht mehr ihrer angestammten Manier entsprechend eingesetzt werden. Anstelle der aufgesetzten, für die Kon- struktion nicht relevanten Elemente sollten der modernen Architektur nun ihre eigenen Wandflächen, Volumen, strukturellen Bauteile und deren Linien, Konturen, Proportionen, Helldunkel-Effekte und Materialeigenschaften Ausdruckskraft und Plastizität verleihen und den seit Jahrhunderten etablierten Dekorationsapparat durch das Ornat der Farbe und des Materials, das den neuen künstlerischen und geistigen Reichtum verkörperte, ersetzen.764 Etwas widersprüchlich, aber doch bezeichnend für Maz- zonis Denkweise, mutet an, wenn er dies sogar historisch zu begründen versuchte, um damit gleich- zeitig auch gegen das strenge Diktat puristischer Bestrebungen anzureden: „L’architettura è sempre stata polimaterica, monomaterica raramente e solo quando la funzione dell’opera non era artisticamente prevalente o quando la disposizione dei materiali offriva giuochi d’ombre tali da consentire di non ricorrere alla bellezza e alla spiritualità della polimateria.“765 Trotzdem war Farben- und Materialvielfalt für ihn kein ästhetisches Spiel oder Selbstzweck, sondern musste zusätzlich zum erzeugten künstlerischen Wert immer noch mit weiteren, etwa praktischen, hygienischen oder konstruktiven Bedingungen verknüpft sein: „La caratteristica ornamentale precipua della moderna architettura (...) infatti non è la risultante di una biz- zarria astratta, come avveniva per la decorazione ottocentesca, ma il connubio della bellezza con la praticità, dell’estetica pura con le necessità reali della nostra vita, dello sfruttamento estetico e pratico dei vari materiali con la soluzione dei più disparati problemi tecnici e artistici dell’edilizia moderna.“766 Obwohl sich Mazzoni mit seinen Artikeln in eine polemisch geführte, kulturpolitische Debatte ein- mischte und seinerseits mit ideologisch gefärbten Aussprüchen nicht zurückhielt, überliess er, unge- achtet der Kritik an Künstlern und Kunstformen, eben diesen immer wieder Platz in seinen eigenen Bauten. Gerade im Zusammenhang mit Sironi ist etwa die Post von Bergamo hervorzuheben, für deren reich ausgestatteten Telegramm-Saal der Künstler in genau jener Zeit zwischen Juni 1932 und Januar 1934 zwei grossformatige Wandbilder malte; es gibt keine Anzeichen dafür, dass Mazzoni mit der Wahl Sironis oder der Kunstgattung unglücklich gewesen wäre, vielmehr habe er mit ihm wäh- rend der Ausführung einen freundschaftlichen Kontakt gepflegt.767 Dieser Aspekt weist auf einen Grundzug Mazzonis bei der Handhabung von bildender Kunst in der Architektur hin, denn er bekundete offensichtlich keine Mühe, Figurenschmuck und andere dekorati- ve Elemente weiterhin in seine Bauten einzubinden. Dabei folgte er, und zwar unabhängig davon, ob es sich um Werke avantgardistischer oder traditionalistischer Künstler handelte, einem durchaus klas- sischen Kunstverständnis, das plastischen und malerischen Artefakten jeweils einen festen Platz im dekorativen System der Architektur zugestand und den Skulpturen, Reliefs, Gemälden, Mosaiken und

764 Mazzoni kommentierte den 4. Punkt des „Manifestes der futuristischen Architektur“ von Sant’Elia: „Che la decorazione come qualche cosa di sovrapposto all’architettura, è un assurdo, e che soltanto dall’uso e dalla disposizione originale del materiale greggio o nudo o violentemente colorato, dipende il valore decorativo dell’architettura futurista“, wie folgt: „E qui è Sant’Elia veramente percursore; veramente perfetto.“ (Mazzoni 1933 [11].) 765 (Mazzoni 1933 [6].) 766 (Mazzoni 1934 [2].) 767 Vgl. Chiesa 2003, S. 223-224. Für die beiden Schmalseiten des Raumes malte Sironi die Ölbilder „L’Agricoltura – il lavoro nei campi“ und „L’Architettura – il lavoro in città“. 306 3.2 kunsthandwerklichen Objekten stets einen begrenzten, klar ausgewiesenen Ort – eine Nische, eine Wandfläche, einen Sockel, einen Fensterrahmen, ein Deckengewölbe, eine Konsole – einräumte.768 In einem Brief des Abteilungsleiters Filippo Brancucci anlässlich des Postbaus von Varese und der getroffenen Künstlerwahl findet sich ein Hinweis, der diese Vorgehensweise begründet: „Ricorrendo ad opere d’arte isolate di valore artistico si dà così all’architetto la possibilità di concepire la prop- ria opera con nobile semplicità e raggiungere ricchezza di espressione d’arte.“769 Durch die präzise Definierung des Rahmens, innerhalb dessen ein Kunstwerk auftreten sollte, blieb dieses somit trotz seiner Integration explizit vom architektonischen Werk getrennt, auf diese Weise bewahrten beide ihren Eigenwert und ihre Autonomie, ohne dass sich die Grenzen der Künste oder jene ihrer Autoren verwischten. Indem sich Mazzoni darauf beschränkte, den Ort, die Dimensionen, möglicherweise die Gattung und Materialisierung der Kunstwerke im Kontext der Architektur zu bestimmen, überant- wortete er die Frage nach ihrem künstlerischem Wert, ihrer propagandistischen Funktion und ihrer regionalen Bedeutung den Künstlern und den Auftraggebern. Für Mazzoni habe die Zusammenarbeit mit Künstlern, so schrieb Enrico Crispolti, nur eine komplementäre Notwendigkeit im Vergleich zur Konfiguration seiner Gebäude bedeutet – komplementär jedoch nicht abwertend als überflüssige Mühsal, sondern im Sinn einer notwendigen Vervollständigung des gesamten Bauwerks: „In modo complementarmente determinante, rispetto alla qualità complessiva dell’edificio stesso, in quanto si pongono come concorrenti alla caratterizzazione sia della presenza iconica evocativo-mitopoietica, sia dell’apparato decorativo dell’edificio stesso.“770

3.2.3.2 Materialeigenschaften Mazzoni unterschied zwischen den inhärenten Eigenschaften natürlicher Materialien wie Marmor, Stein und Holz, deren Farbe und Zeichnung bei jedem Stück vorgegeben und einmalig waren, sowie den künstlich hergestellten Materialien wie Keramik, Linoleum, Ziegel und Putz, deren Farbigkeit und Struktur bestimmt und kontrolliert werden konnten.771 Hinzu kamen Materialien wie Glas und Metall, bei denen weniger die Farbe, Maserung oder Textur, als Eigenschaften wie Festigkeit, Leich- tigkeit, Transparenz und Lichtreflexe im Vordergrund standen. Solange die alten und neuen Materi- alien772 nach den Regeln der Kunst eingesetzt wurden, lehnte er keines a priori ab – letztlich komme es nur darauf an, wie ein Architekt damit umzugehen verstehe, denn Baumaterialien und konstruktive Systeme hätten für sich genommen noch keinen Wert, sie würden erst durch die Kunst geadelt: „È l’arte che li nobilita: l’arte che, a sua volta, per nobilitarsi, non può rinchiudersi nel sasso ma deve spaziare nei cieli, alla ricerca continua di sempre nuove ispirazioni.“773 Dennoch brachte er einige grundsätzliche Vorbehalte an, etwa, dass die neuen Materialien nicht einfach in der Funktion der alten

768 Wie in Kapitel 3.2.1.2 angemerkt, stellte das Wandmosaik in der Post von La Spezia diesbezüglich eine Ausnahme dar. 769 Alles in allem erweise sich diese Handhabung auch als sparsam, schreibt Brancucci abschliessend. Vgl. Brief von Filippo Brancucci an Giuseppe Pession vom 13. Juli 1931, ASFSR, B. 4761, CII 2(9), 68. Seine Bemerkung zeugt zugleich vom Vertrauen, das er Mazzoni entgegenbrachte. Vgl. Kapitel 2.3.4, S. 223. 770 (Cozzi, Godoli, Pettenella 2003, S. 33.) Zu Mazzonis Verhältnis zu den Künstlern vgl. Angiolo Mazzoni 1984, S. 102- 108; Cozzi, Godoli, Pettenella 2003, S. 29-38. 771 Vgl. Anm. 758. 772 Nach dem Ersten Weltkrieg fand eine rege Entwicklung neuer Werkstoffe statt, darunter Metalllegierungen wie Chrom- stahl, „bronzalluminio“, „anticorodal“, „cromalluminio“, Glassorten wie „vetrocemento“, Thermo- und Sicherheitsglas, diverse neue Binde- und Klebemittel, Verkleidungsmaterialien und Verbundwerkstoffe. Vgl. hierzu die vielen Werbeanzei- gen in den zeitgenössischen Fachzeitschriften, sowie Poretti 2008, S. 103-111. Zu den von Mazzoni häufig verwendeten, so genannten „alten“ Materialien gehörten vor allem Naturstein, Ziegel, Holz, Keramik, Putz, Kupfer, Messing, Bronze. 773 (Mazzoni 1933 [2].) In seinem ersten in der Zeitschrift Futurismo publizierten Artikel „Architettura futurista“ äusserte sich Mazzoni kritisch über die aktuellen, doktrinären Tendenzen des Rationalismus, gleichzeitig kritisierte er indirekt aber 3.2 Stadtraum, Landschaft und Territorium 307 verwendet werden dürften, da jedes Material seine eigene Form, seine eigene Erscheinung und eige- ne Seele habe: „dalla loro vera natura, abilmente sfruttata, debbono trarsi nuove armonie.“774 Etwas weniger vage blieben seine Einwände gegen die Verwendung von Ersatzwerkstoffen für Holz, Stein oder Ziegel, wie sie Sant’Elia in seinem Manifest der futuristischen Architektur vorgeschlagen hatte. „Dobbiamo preoccuparci del risorto amore per le materie nobili e naturali. Cartone, no. Fibra tessile forse. Niente surrogati: cose belle ci vogliono.“775 Ebenso klar drückte sich Mazzoni hinsichtlich des Kunststeins aus, den er als dumpf, kalt und kunstunwürdig charakterisierte, obwohl er selbst solchen verwendet hatte, etwa beim Bahnhof von Bozen, dessen Säulen und Fassaden aus einem mit rötlichem Zuschlag versehenen Kunststein angefertigt wurden; 1934 bezeichnete er dies demnach indirekt als Fehler.776 Dagegen schätzte er als neue Verkleidungsmaterialien besonders Keramik und Glas, was ansatzweise aus seinen Schriften,777 vor allem aber aus seinem gebauten Werk deutlich hervorgeht. Im Unterschied zu den natürlichen Materialien, deren minimalen Stückgrössen und Stärken von der Gewinnung und Weiterverarbeitung mitbestimmt wurden und die sich dadurch (etwa im Fall von Naturstein) auch nicht ohne Weiteres auf allen Oberflächen (etwa an der Decke) anbringen liessen, konnten kleinfor- matige, verhältnismässig leichte Bausteine, wie sie die Herstellung von Keramik- oder Glasmosaiken ermöglichte, die Baukörper wie eine Haut oder ein Putz überziehen und sich verschiedenen Formen und Rundungen mühelos anpassen.778 Indem Mazzoni gewisse Räume vollständig mit Mosaik ausfüt- terte – etwa das rundum mit weissem Mosaik belegte Haupttreppenhaus des Bahnhofs Roma Termini, das zu den oberen Geschossen im südlichen Seitenflügel führt – und nur punktuell mit anderen Ma- terialien – etwa einem Handlauf aus Holz und Gehflächen aus hartem Granit – kombinierte, schuf er eine Totalität der Raumwahrnehmung, die durch die Farbe und Kleinteiligkeit des Materials und des- sen endlos repetitive Fügung zusätzlich gesteigert wurde. Der Einsatz von Keramik- und Glasmosaik in seinen Bauten zeigt zudem exemplarisch, dass Materialien nicht an bestimmte Oberflächen gebun- den waren, sondern grundsätzlich überall, an Decken ebenso wie an Wänden und auf Böden, im Au- ssen- wie im Innenraum, denkbar waren, sofern sich ihre Eigenschaften dafür eigneten, sie zweckmä- ssig waren und die erwünschte Raumwirkung hervorriefen. Stellvertretend für zahllose nennenswerte Beispiele soll an dieser Stelle nur an die Materialisierung der Post von Sabaudia, die innen wie aussen mit verschieden farbigem Keramikmosaik versehen ist, sowie die Auskleidung des Wartesaals erster Klasse im Bahnhof von Montecatini, dessen Decke im hinteren Bereich des Raumes nach unten bis zum Boden gewölbt ist, also nahtlos von der Horizontalen in ein vertikales Wandfeld übergeht und, wie die beiden seitlichen Wände, mit schillernd feuerrotem Mosaik gefasst ist, erinnert werden. Wie experimentierfreudig Mazzoni mit Materialien umging, haben ausserdem die Glasfliesen im Brunnen- becken und die Säulen aus Ziegelstein in der Post von Ostia Lido gezeigt.779

auch den damals zwischen Ugo Ojetti und Marcello Piacentini ausgetragenen Disput über die Verwendung von Säulen und Bögen oder Pilastern und geraden Balken. Zu dieser Polemik vgl. Patteta 1972, S. 313-333. 774 (Mazzoni 1933 [2].) 775 (Mazzoni 1933 [11].) 776 Vgl. Mazzoni 1934 (7); Mazzoni 1934 (8); Mazzoni 1941, S. 10. 777 Vgl. Mazzoni 1934 (2); Mazzoni 1934 (19). Wiederholt erwähnte er auch die Vorzüge von Linoleum und Anticorodal. 778 Bezeichnend ist etwa das halbrunde, aus Eisenbeton gefertigte Treppenhaus der Post von Palermo, das vollständig mit Naturstein ausgekleidet, die Oberfläche der Decke aber mit so genanntem „marmo finto“ bemalt wurde, was nur bei -ge nauem Hinsehen zu erkennen ist. Dagegen wurde im Bahnhof Roma Termini offenbar nicht nur Mosaik aus Keramik oder Glas, sondern auch aus weissem Marmor verwendet, vgl. Roma Termini 1951, S. 84. 779 Vgl. Kapitel 3.1.1.1, S. 236. 308 3.2

Am Beispiel der Perrondachkonstruktionen erhellt sich, welche Hierarchisierung der Materialien er vornahm; in einem Artikel schrieb er diesbezüglich, dass die Konstruktion unabhängig davon, ob sie aus Eisen oder Eisenbeton bestünde, zunächst den gleichen ästhetisch-modernen Wert habe, da sie den Gesetzen des Baus folge, an den sie gekoppelt sei (an das moderne Bahnhofgebäude). Während die eine Variante aber nur von einem einzigen Material, dem Eisen, determiniert sei, versammle die ande- re sowohl Eisen wie auch Zement und alle übrigen Stoffe, aus denen sich Eisenbeton zusammensetze. Daraus ist zu schliessen, dass Mazzoni Letztere womöglich bereits wegen der dem Material inhä- renten Polymaterialität favorisierte; vor allem aber bevorzugte er sie, weil sie grössere gestalterische Freiheiten gewährte, da sie sich mit weiteren Materialien verkleiden liess, für ihn kam nämlich nicht in Frage, dass die Eisenbetonkonstruktion der Perrondächer von wichtigen Bahnhöfen in ihrem Roh- zustand belassen würde: „La bellezza nuda e austera della struttura non corrisponde compiutamente alle necessità spirituali di un’opera di speciale importanza architettonica: ed ecco, quindi, il bisogno di ingentilire, con rivestimenti studiati in ar- monia con le costruzioni principali, le ossature in cemento: conseguentemente, eccoci all’impiego dei materiali complementari.“780 Die Verkleidung der Untersichten mit Mosaik und der Pfeiler mit Natursteinplatten, wie sie bei den meisten Perrondächern Mazzonis vorkommt, ist demzufolge als nobilitierende Geste der reinen Konstruktion, die ihrerseits bereits Ausdruck der modernen Bauweise ist, und zugleich als Vervoll- ständigung der architektonischen Konzeption zu verstehen. Die einzigen Perrondächer, die Mazzoni aus Eisen baute, waren jene in Bozen; da sie im Gegensatz zu den anderen die Voraussetzungen für Polymaterialität und Polychromie nicht erfüllten, liess er in die Gussform der Stützen Masken (Gor- gonenhäupter), Diamanten und andere Elemente einlegen, um mit dem Relief die Konstruktion zu gliedern und zu veredeln. In Littoria wiederum verkleidete er die Untersicht der Perrondächer nicht mit Mosaik, sondern verfeinerte sie, indem er grüne Glassplitter einbetonieren und die Betonoberflä- chen zusätzlich abspitzen liess.781 Das vielleicht ausgeprägteste Interesse brachte er dem Naturstein entgegen, was wiederum seine zahlreichen Artikel über spezifische Steinarten, die wahrlich üppige und vielseitige Verarbeitung von Naturstein in seinen Bauten, sowie die unzähligen Steinmuster, die er im Büro der Bauabteilung am Hauptsitz in Rom sammelte und die dort (teilweise) noch heute aufbewahrt werden,782 dokumentieren: „Marmi e pietre coloratissimi, luminosi, vari come struttura, sereni, violenti, ricchi di vigorose lucen- tezze o di madreperlacee opacità, compatti, screziati, viva gioconda riproduzione dell’infinita varietà di aspetti della nostra Italia.“783 Aufgrund ihrer natürlichen Schönheit und individuellen und einzigarti- gen Erscheinungsformen waren sie wertvoller als hergestellte Modulsteine und bildeten den Reichtum des Landes, aus dem sie gewonnen wurden, direkt ab, sie seien, wie Mazzoni schrieb, „la più solida, la più fulgida, la più genuina espressione della terra nostra a fasciare le opere di architettura.“784 Ihre

780 (Mazzoni 1934 [19].) 781 Wie Archivfotos des Bahnhofs von Brenner zeigen, gab es dennoch eine Ausnahme: zwischen 1933 und 1937 erweiterte Mazzoni den Bahnhof parallel zum bestehenden Bau im Gleisbereich mit einem einzigen, breiten und langen Perrondach, unter dem er den Zoll und alle reiserelevanten Einrichtungen anordnete, entgegen seinen Prämissen liess er die Untersich- ten des Eisenbetondaches unverkleidete. Im Zweiten Weltkrieg wurde der Bahnhof schwer beschädigt, so dass von den Strukturen Mazzonis heute nur noch Fragmente übrig sind. Vgl. Angiolo Mazzoni 1984, S. 197; FAM, MAZ G/2. 782 Ein Foto dokumentiert, wie Mazzoni während einer Besichtigung des Modells des neuen Bahnhofs Roma Termini Musso- lini die Steinmuster erklärt. Vgl. FAM, MAZ S/14. 783 (Mazzoni 1934 [8].) 784 (Mazzoni 1934 [8].) 3.2 Stadtraum, Landschaft und Territorium 309

Verwendung diente folglich nicht nur ästhetischen oder bautechnischen Zwecken, sondern war auch kulturpolitisch konditioniert und galt als ehrenvolle Pflicht aller Bauherren undArchitekten, nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Gründen, zumal der Abbau von Naturstein das einheimische Handwerk fördern, Arbeitsplätze garantieren und Importe einschränken sollte. Besonders nach den gegen Itali- en verhängten Sanktionen und den gesteigerten Autarkiebestrebungen wurde Naturstein in den 30er Jahren daher als Mittel zur Stärkung der Wirtschaft gepriesen und entsprechend von der politischen Propaganda vereinnahmt.785 Mazzoni unternahm erhebliche Anstrengungen, um für seine Bauten die geeigneten Steine zu finden und veranlasste, wenn nötig, dass dafür auch alte, brachliegende Steinbrü- che reaktiviert wurden. Entweder kümmerte er sich selbst darum oder beauftragte seine Mitarbeiter, nach passendem Material vor Ort zu suchen.786 Eine Seite aus seinem Familienalbum illustriert auf erzählerische Weise einen Teil des Prozesses der Steinverarbeitung, in den er für den Bahnhof Roma Termini involviert war: verschiedene Fotografien zeigen, wie er mit seinem Chefzeichner Guido Toff- anin und einem weiteren Mitarbeiter im Büro Pläne studiert, wie er mit einer Gruppe (darunter Toffa- nin, Luigi Adami, Giuseppe Togni) einen Steinbruch bei Bagno Vignoni besucht, wie er mit denselben Leuten vor dem Hauptportal der Kirche Collegiata in San Quirico d’Orcia, die aus dem gleichen Tra- vertin besteht, mit dem auch Termini ausgeführt werden sollte, posiert, wie er in Rom die Baustelle und den Rohbau des Bahnhofs besichtigt, wie er in Begleitung zweier Personen entlang der Bahnhofs- flanke und den davor gelagerten Steinblöcken schreitet und wie er schliesslich im beinahe fertigen Obergeschoss des Bahnhofs zwischen den mit Travertin verkleideten Arkadenbögen steht.787 Doch nicht nur das Material an sich und dessen Farben waren für Mazzoni entscheidend, sondern auch, wie es bearbeitet war, welche Effekte das Licht und die Schattenbildung auf den Oberflächen hervorriefen und wie dies die Wahrnehmung beeinflusste. Dabei konnten die Nuancen sehr fein sein, wie er anhand der Unterschiede zwischen einem handgemachten und einem industriell gefertigten Ziegel erklärte: „Oggi è tenuto in gran conto il mattone cromicamente perfetto, plastico, rusticamente italiano se fabbricato a mano, liscio, puro, quasi marmoreo se lavorato a macchina, e se greificato“,788 oder, wie er bezüglich der farbigen Wirkung des hochweissen Carrara-Marmors „bianco P“ zu verste- hen gab: „Il mediterraneo sole lo colora: oro, ocra, rosa, azzurro, viola, verde, indicano nelle ombre, nelle velature le ore del giorno sulla serenità candida delle nuove moli preziose di bianca purezza.“789

3.2.3.3 Farbkonzepte Wie bei den Materialien schloss Mazzoni auch keine der Farben a priori aus; neben den von ihm in Form von Keramik, Glas, Putz oder Anstrich häufig monochrom verwendeten, kräftigen (aber nicht grellen) Grundfarben Blau, Grün, Rot und Gelb liess er auch Mischfarben (vorwiegend Orange, Rosa, Grau) sowie helle und schillernde Farbtöne gelten und fügte sie mit den reichen Schattierungen der

785 Vgl. Mazzoni 1934 (7); Mazzoni 1934 (8); Mazzoni 1934 (13); Mazzoni 1941. Auch alle übrigen im Inland produzierten, von ausländischen Rohstoffen grösstmöglich unabhängigen Materialien, insbesondere Glas, Aluminium oder Terranova- Putz, wurden entsprechend propagiert und als autarke Materialien idealisiert. Vgl. Petrignani 1940. 786 Für die Post von Palermo etwa schickte er Mario Gröbner und Luigi Romagnoli nach Sizilien, die zusammen mit dem lokalen Bauleiter nach geeigneten Steinen suchten. Für den Bahnhof von Reggio Calabria verwendete er einen grünen Stein, der nur bei Ebbe vor der Küste Kalabriens bei Corica abgebaut werden konnte. Vgl. FAM, MAZ D/9, S. 38. 787 Vgl. „Ricordi di famiglia“, FAM, MAZ S/13, S. 37, III-X. Über die langwierige Suche nach dem geeigneten Travertin und die dabei involvierten Personen schrieb Mazzoni in seinen autobiographischen Notizen, vgl. ebenda S/21, S. 17-20. 788 (Mazzoni 1933 [11].) Mazzoni bevorzugte handgemachte Ziegel, wie er etwa bei der Präsentation des Bahnhofprojekts von Siena verdeutlichte: „Noi conserviamo questa sensibilità per i materiali; all’estero piace il liscio: a noi piace ciò che più si avvicina alla natura.“ (Protokoll der Sitzung vom 23. Aug. 1933, S. 2, in: Moretti 2001, o. S.) 789 (Mazzoni 1941, S. 7.) 310 3.2 natürlichen Materialien, Metallen und Glas zusammen.790 Ebenso variierten die Träger, der Ort und die Bedeutung der Farben entsprechend dem Kontext, in dem sie auftraten. Bemerkenswert ist, dass Mazzoni die Dominanz von Farben und Materialien stets mit anderen, kontrastreichen Materiali- en punktuell zu brechen versuchte: die ziegelsichtigen Bauten von Littoria, Ostia Lido oder Siena mit horizontal lagernden Elementen und Fensterleibungen aus massivem Travertin; die kleinteilige, leuchtend blaue Mosaikfassade von Sabaudia mit zinnoberrot gestrichenen Eisengittern und hellroten Natursteinleibungen; die mit schwarzem und dunkelrotem Naturstein ausgekleidete Schalterhalle von Grosseto mit einer offenen Vorhalle aus grünen Mosaikböden, grünen Natursteinbänken, braunen Ziegelwänden und dunkelbraunen Holzdecken; die mit dunkelgrauen und schwarzen Steinen gefasste Eingangskolonnade des Bahnhofs von Trient mit hohen, messingbeschlagenen Holztüren zwischen den Pfeilern. Desgleichen fällt auf, dass Mazzoni jeweils bemüht war, alle Grundfarben in irgendeiner Weise in seinen Bauten zu versammeln. Darauf deuten etwa die Entscheidungen hin, das Treppenhaus der rot-gelb-blauen Post von Agrigent aus grünem Stein zu fertigen, den Treppenturm des blau und grün ausgestatteten Ziegelbaus von Ostia Lido inwendig mit kräftigem Orangerot anzustreichen, oder den Boden des offenen, von zwei Rundnischen flankierten, schmalen Vorraums, der vor dem Seiten- eingang der Post von Grosseto angeordnet ist, mit blaumonochromem Keramikmosaik zu belegen.791 Mazzoni vertraute der Farbe in seiner Architektur verschiedene Aufgaben an. Wie die eben erwähnten Beispiele gezeigt haben, setzte er sie häufig als komplementäre Massnahme ein, um das Spektrum der übrigen, im Raum, im baulichen Kontext oder in der natürlichen Umgebung vorhandenen Farben zu ergänzen. Herausragend ist diesbezüglich die ursprüngliche Farbgebung der Ferienkolonie in Calam- brone, die sich zwischen Pinienwäldern und dem offenen Meer entlang des Sandstrandes erstreckt. Die aus verschiedenen Baukörpern zusammengesetzte, ausgedehnte Anlage mit den beiden charakte- ristischen Wassertürmen wurde in einem leuchtenden Orangerot („arancione“) und die Fenster in ei- nem dunkleren Rot („rosso arancio intenso e vivo“792) angestrichen, so dass sie sich von ihrer damals kaum besiedelten Umgebung markant abhob und aus weiter Entfernung vom Land und vom Meer her zu sehen war. Marinetti, der im Sommer 1933 zusammen mit dem jungen Speziner Architekten Manlio Costa (1901-1936) die soeben eröffnete Kolonie besichtigte, bescheinigte dem Farbton einen hohen architektonischen und „lyrischen“ Wert und schrieb nach seinem Besuch: „Da lontano nel verde intenso della pineta, splende, plastico e volumetrico, l’arancione caldo degli edifici sco- lastici che sporgono i parallelepipedi delle loro lunghe balconate. Non meno piacevole è il cinabro dei finestroni. Identico al primo è l’arancione dei due serbatoi d’acqua cilindrici, ognuno stretto spiralicamente da una scala di cemento grigio piombo. All’interno ariosi e radiosi stanzioni per bambini con letti corallo e porte rosa; (...) Il fasto d’un tramontante sole d’oro massiccio, sul mare d’argento guizzante, idealizzò stupendamente, durante la visita, i toni arancione e cinabro realizzati da Mazzoni.“793 Wie an der Strasse von Messina verwirklichte Mazzoni in Calambrone ein grossräumiges, polychro- mes Gefüge: die intensive Farbgebung der Konstruktion vervollständigte die natürliche Farbpalette

790 Blau ist in leicht unterschiedlichen, aber kräftigen Tönungen in fast allen Bauten Mazzonis zu finden, meistens als Kera- mik- oder Glasmosaik, Putz oder Anstrich, zumal blauer Naturstein im Gegensatz zu rotem, gelbem und grünem nur sehr selten vorkommt und sehr kostbar ist. 791 Der blaue Boden, gewissermassen ein Kontrapunkt zu allen andern Farben im Bau, wurde an der Decke von einem Flä- chenlicht gespiegelt, so dass der kleine Vorraum am Ende des mit Ziegeln und Travertin verkleideten Seitenflügels bei Dunkelheit eine höchst suggestive Wirkung erzeugt haben muss. Zu den in Grosseto verwendeten Farben und Materialien vgl. Donati 2002, tav. 16. 792 Vgl. FAM, MAZ D/1, S. 29. 793 (Marinetti 1933.) 3.2 Stadtraum, Landschaft und Territorium 311 der Landschaft – das Blau des Meeres und des Himmels, das Grün der Pinien, das Gelbocker des Sandes – und liess das Bauwerk so als eigenständige Einheit und zugleich unentbehrlicher Bestandteil seiner Umgebung in Erscheinung treten. Dadurch, dass er es homogen verputzte, intensivierte er au- sserdem die Wirkung von Licht und Schatten auf den Oberflächen und steigerte damit die Plastizität des vielgliedrigen Baukörpers. Die Farbe fügte so die einzelnen Teile zu einem Ganzen und übernahm folglich nicht nur eine städtebaulich, sondern auch eine konstruktiv wirksame Funktion, die Marinetti ebenfalls dem Blau der Post von Sabaudia attestierte: „Angiolo Mazzoni convinto (...) dell’importanza costruttiva del colore e intuendone l’infinita efficacia per liriciz- zare la geometria ha ideato un palazzo postelegrafonico rivestito di ceramica il cui colore dominante blu-Savoia, armonizzandosi col vermiglione delle vetrate a grata antimalarica e relative cornici di pietra rosso di Siena si sposa col pennone fascista del tricolore.“794 In Sabaudia lässt sich das Farbkonzept Mazzonis allerdings auch als Antithese zu dem von Calambro- ne deuten: nicht ein verhältnismässig kleiner Bau ergänzt das Farbenspektrum der weiten Landschaft, sondern eine einzelne Pinie fügt dem Bauwerk die nicht vorhandene Farbe hinzu. Im Kontext der Stadt erfüllt das blaue Gebäude jedoch eine ähnlich komplementäre Funktion, wie die Ferienkolonie im Kontext ihrer natürlichen Umgebung.795 Nochmals anders verhält es sich in Ostia Lido, wo die Farben der umgebenden Landschaft explizit in der Materialisierung der Konstruktion gespiegelt wer- den: Farben, Materialien und Formen sind dort nur soweit umgedeutet und abstrahiert, dass sie in der Architektur immer noch abbildhaft zum Ausdruck kommen. Der Bau nimmt insofern nicht in farbli- cher Hinsicht, sondern vielmehr als künstliche Interpretation seines Kontextes eine komplementäre Position ein. Die Versammlung der Farben und Materialien setzte Mazzoni im Innern der Bauten bis in den klein- massstäblichen, konstruktiven Bereich fort. Geradezu paradigmatisch nimmt sich diesbezüglich die Ausführung des Treppenturms von La Spezia aus, wo die vierseitige, polychrome Wandplastik von Prampolini und Fillia – ein Mosaik mit Keramik aus dem Werk „Ceramica Ligure“ – den Höhepunkt bildet. Die grösstenteils fensterlosen Wandflächen des Turms wurden in ihrem Rohzustand aus hand- gemachten, flachen, roten Ziegeln belassen und die Leibungen derTüren, die zu den verschiedenen Stockwerken führen, aus weiss geädertem, schwarzem Kalkstein, die Türblätter dagegen aus silber- nem Metall (Aluminium oder Anticorodal) gefertigt. Die entlang der Wände ansteigende, dreiläufige Treppe säumt ein Geländer aus eisernen Rundstäben und einem hölzernen Handlauf. Während ihre Untersichten und offenen Wangen weiss verputzt sind, bestehen die Auftritte und Zwischenpodeste aus hellgrauem Kalkstein. In die Geschosspodeste, die sich konkav zum Treppenauge wölben, ist jeweils eine Fläche aus marineblauem Keramikmosaik eingelegt. Als subtile, aber äusserst bewusste Massnahme ist bei dieser farblichen Anordnung daher Mazzonis Wahl zu werten, in die Ansichten der Stufen einen dezent gelben Kalkstein einzusetzen und so die von ihm und seinen futuristischen Kolle- gen geforderte Polychromie und Polymaterialität in der Architektur bis ins kleinste Detail zu verwirk- lichen. Eine ähnlich überraschende Sorgfalt bezüglich Farbigkeit bestätigt auch die Post von Trient, wo vor wenigen Jahren die lokale Denkmalpflege herausfand, dass die Räumlichkeiten der Direktion

794 (Marinetti 1934.) 795 Vgl. Kapitel 3.1.2.4. 312 3.2 im ersten Obergeschoss ursprünglich nicht weiss, sondern Raum für Raum mit kräftigen Grundfarben – Grün, Orange, Rot, Blau und Gelb – angestrichen waren.796 Des Weiteren setzte Mazzoni Farben immer wieder zeichenhaft ein, um damit einen Bezug zur Identi- tät eines Ortes und dessen historischen oder politischen Kontext herzustellen. Beispielhaft hierfür sind wiederum die beiden auffallend blauen Postgebäude von Sabaudia und Trient: während bei Ersterem das königsblaue Mosaik auf das Namenspatronat der Stadt anspielt und für deren künftige Entwick- lung identitätsstiftend wirken sollte, galt auf dem erst kürzlich „erlösten“ italienischen Territorium der (vermutlich) kaltblaue Putz, der einst den vielgestaltigen Baukörper der Trentiner Post grossflächig überzog und im Bereich des Sockels, der Gesimse und der Eingänge mit rötlichem Veroneser Kalk- stein und Ziegel veredelt war, zweifellos als staatspolitische Manifestation.797 Auch andernorts griff Mazzoni zu heraldischen Massnahmen, indem er die Farbgestaltung seiner Bauten nach dem Wappen der Stadt richtete, so etwa im Bahnhof von Trient, wo er die Unterführung und die Wände, Pilaster, Sitzbänke, Trinkbrunnen und Blumenkästen der Aufenthaltsbereiche gleisseitig mit goldockergelbem Stein bekleidete, die Untersichten der auskragenden Perrondächer dagegen mit blauem Mosaik be- stückte: „in giallo intenso flammegiante di Loppio in Val di Gresta. (...) Nell’ala inferiore delle pen- siline: ceramica azzurra, la bandiera di Trento: gialla e azzurra.“798 Bei der Post von Ferrara hatte er gemäss seines 1926 von der Baukommission verabschiedeten Projektvorschlags vorgesehen, die Säu- len des übereck gelegenen Haupteingangs mit Basen und Kapitellen aus schwarzem Stein und Schäf- ten aus weissem Apuaner Marmor zu realisieren, entsprechend dem schwarz-silbernen Stadtwappen: „in modo che nella parte centrale dell’edificio campeggeranno il bianco ed il nero, a ricordo dei colori della città.“799 Diese chromatische Anordnung liess Mazzoni aber im Lauf der Bauausführung wieder fallen und konstruierte die Säulen stattdessen ganzheitlich weiss mit korinthischen Kapitellen, aber ohne Basen und so womöglich als Reminiszenz an die metaphysischen Bilder Giorgio De Chiricos, der im Ersten Weltkrieg in der neben der Post situierten Kaserne Militärdienst geleistet hatte.800 Obwohl es keinen Beleg dafür gibt, erscheint in diesem Zusammenhang auch die Idee nicht ganz abwegig, dass mit der ursprünglichen Materialisierung der Post von Varese – dem roten Ziegel der beiden seitlichen Obergeschosse und dem hellgrauen Naturstein im Bereich des Sockels und des aufragenden Portikus’ – das Wappen der Kommune – geteilt von Rot und Weiss mit weissem Längs- balken – nicht nur farblich, sondern sogar formal nachgezeichnet worden wäre. Die Änderungen der Materialien während des Planungsprozesses führten dann aber zu einer Inversion der Farbigkeit.801 Ebenso liesse sich spekulieren, ob die Bahnhofshalle von Reggio Emilia, deren Boden und Decke mit

796 Anlässlich der Manifesta 7 (Oktober 2008) präsentierte Fabio Campolongo vom Trentiner Denkmalamt Ergebnisse der neusten Untersuchungen zu den in der Post verwendeten Materialien und Farben. 797 Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Post dunkel graubraun angestrichen (vor 1965). Untersuchungen der Fassaden haben ein königsblaues Farbmuster, ähnlich der Fassade von Sabaudia, zum Vorschein gebracht, offensichtlich wurde die Farbe aber zugunsten eines helleren Coelin- oder Indigo-Blautons verworfen. Vgl. Anm. 796. Zur politischen Bedeutung von Farben vgl. auch Kapitel 3.3.1.4, S. 344. 798 (FAM, MAZ G/7, S. 368.) Wie der „giallo brecciato“ kamen auch alle andern im Bahnhof versetzten Natursteine aus der näheren Umgebung Trients: der „porfido violaceo“ der Eingangskolonnade aus Predazzo, der helle „Bianco Pila“ der Aussenhülle aus Villamontagna, der „verdello“ in der Bahnhofshalle aus Solteri, der harte, für die Treppen verwendete „tonalite“ vom Tonalepass, der Porphyr auf den Böden aus Piné. Vgl. Condini 1937, S. 27-28. Mazzoni war mit Mario Redi der Firma Gebrüder Redi, dem zuständigen Marmorunternehmen, das auch für viele andere Bauten Mazzonis Steine lieferte und auf die Verarbeitung von hartem Gestein wie Granit und Porphyr spezialisiert war, offensichtlich persönlich befreundet, vgl. FAM, MAZ S/13. 799 (Zit. nach Scardino 2003, S. 208.) 800 Vgl. Scardino 2003, S. 213; sowie Kapitel 2.3.3.2, S. 212. 801 Vgl. Kapitel 2.3.4, S. 223. 3.2 Stadtraum, Landschaft und Territorium 313 olivegrünem Mosaik bestückt und deren Wände mit weissem Carrara-Marmor verkleidet waren, auf die Farben Weiss-Grün-Weiss der Region Emilia Romagna Bezug nehmen sollte. Dem Vernehmen nach muss auch dieses Bauwerk, dessen ursprüngliche Struktur infolge der Bombenangriffe im Januar 1944 beinahe restlos verloren ging, ein Meisterwerk der Polychromie gewesen sein: die Aussenhülle war komplett aus Ziegeln kombiniert mit Einfassungen und Gesimsen aus Travertin gefertigt, die Untersichten des gleisseitigen Perrondachs und des Durchgangs, der von der Bahnhofshalle an den Wartesälen vorbei zum Restaurant führte, waren mit sattgelbem Keramikmosaik belegt und das Res- taurant hüllte sich bis auf die Fenster und Türen vollständig in tiefblaues Keramikmosaik („ceramica turchina“). Bezeichnenderweise verwendete Mazzoni neben den intensiven Grundfarben Rot, Grün, Gelb und Blau in den sekundären Räumen dann Mischfarben, etwa in den Wartesälen erster, zweiter und dritter Klasse, die abgestuft mit violettem Glasmosaik, violettem Keramikmosaik bzw. grauem Keramikmosaik ausgekleidet waren. Von der prächtigen Farbigkeit des Bahnhofs bleiben heute nur noch die Legenden zu den Schwarz-Weiss-Fotografien in den zeitgenössischen Zeitschriften.802

802 Vgl. Minnucci 1937, S. 137-144; Farioli 2003, S. 167. Da Reggio Emilia als Stadt der Trikolore gilt, wurde die „Prokla- mation der Trikolore“ als Thema für das 6 x 10 Meter grosse Mosaik an der Fassade der Bahnhofshalle gewählt, für das man um 1934 einen Wettbewerb ausschrieb; statt Prampolini oder Depero, die auf die Unterstützung Mazzonis gehofft hatten, gewann Garzia Fioresi (Pseudonym von Alfredo Grandi) den Zuschlag. Vgl. Angiolo Mazzoni 1984, S. 198-200. 314

461 Post von Bergamo, Telegramm-Saal mit dem Ölgemälde „L’Architettura 462 Post von Palermo, Konferenzsaal der Direktion im Obergeschoss, Wand- – il lavoro in città“ von Mario Sironi (2014) gemälde zum Thema Kommunikationswege von Benedetta Marinetti, Leuchten von Napoleone Martinuzzi, Stühle aus Kupfer und Ziegenle- der, Boden, Decke und Deckenfries aus Keramikmosaik (2011)

463 Post von Bergamo, Vestibül und Treppenraum für die Erschliessung 464 Post von Bergamo, Bank und Schreibtisch in der Ecke des Vestibüls der Obergeschosse, Nische mit einem Kaktus aus Glas von Napoleone (2014) Martinuzzi (2014) 315

465 Prozess der Steinverarbeitung: Mazzoni, Chefzeichner Guido Toffanin, Studium der Pläne, Mazzoni in der Arkade des Bahnhofs Roma Termini, Be- sichtigung des Travertins im Steinbruch bei Bagno Vignoni, mit Toffanin, Togni und Adami vor der Kirche in San Quirico d‘Orcia, mit Mitarbeitern auf der Baustelle des Bahnhofs Roma Termini (im Hintergrund die Steinblöcke bzw. der Rohbau)

466 Einige der von Mazzoni und der Bauabteilung gesammelten Muster 467 Mussolini besichtigt in Begleitung ranghoher Eisenbahnfunktionäre das von Kalksteinen (bis heute am Sitz der Ferrovie dello Stato aufbewahrt) Modell von Roma Termini, im Hintergrund Pläne und Materialmuster 316

468 Bahnhof von Bozen, Perrondach und Pfeiler mit Masken aus Gusseisen 469 Bahnhof von Messina, Pfeiler und Bänke mit Travertin, Decke mit (2008, vgl. Abb. 199, 200) Mosaik verkleidet (restaurierter Zustand, Aufnahme 2005)

470 Post von Palermo, Vorzimmer der Direktion, Blick durch die mit Nero di 471 Post von La Spezia, Treppenlauf und Wandmosaik von Enrico Prampoli- Belgio eingefasste Kupfertür in den Treppenraum (2005) ni und Fillia im Turm (2009) 317

472 Calambrone, ehemalige Ferienkolonie für Kinder von Eisenbahn- und Postangestellten (Aufnahme 2006 nach der Umnutzung und Sanierung der einen Hälfte der Anlage, Farben des Putzes und der Fenster sind nur annähernd originalgetreu)

473 Treppenturm an der Seite des Haupteingangs zur ehemaligen Ferienko- 474 Wasserturm mit schraubenförmiger Treppe lonie (im Hintergrund der noch nicht sanierte Teil der Anlage) 318

475 746

477 478

479 480

475-482 Polychromie und Polimaterialität: Littoria FS (Latina), Venedig, Siena, Roma Termini, Grosseto, Palermo, Sabaudia, Littoria PT (Latina) 3.2 Stadtraum, Landschaft und Territorium 319

3.2.4 licht: künstliche Beleuchtung als architektonisches und städtebauliches gestaltungsmittel

3.2.4.1 Elektrisches Licht und Architektur um 1930 Zu Beginn der 30er Jahre, rund fünfzig Jahre nach der Patentierung der ersten Glühlampen, hatte sich das elektrische Licht zur Beleuchtung von Innen- und Aussenräumen längst erfolgreich etabliert, trotzdem galt die Lichttechnik in Verbindung mit Architektur noch immer als wenig fortgeschritten: „Per trovare una intima unione di luce e architettura bisogna rifarsi, in Europa, quasi ai nostri giorni o per lo meno a un molto prossimo passato“,803 lautete 1934 das Fazit von Giovanni Canesi und Antonio Cassi Ramelli, den Autoren des reich mit aktuellen, internationalen Beispielen bebilderten Buches Architetture luminose, das in Italien zu den ersten Publikationen gehörte, die sich dieser so genannten „arte nuova“ umfassend und systematisch anzunähern versuchten. Auch der deutsche Lichttechniker Joachim Teichmüller, der wenige Jahre zuvor den Begriff der „Lichtarchitektur“ – der raumgestalten- den Kraft der Leuchtkörper und des davon ausgehenden Lichts – geprägt hatte, stellte damals erstaunt fest, dass in der Praxis noch mehrheitlich nach alten Schemen und Gewohnheiten weitergearbeitet wurde und erst wenige Architekten das künstlerische Potential des elektrischen Lichts als neues Ge- staltungsmittel erkannt hatten, obwohl seit längerem schon, etwa an den grossen internationalen und nationalen Ausstellungen, dessen Möglichkeiten und Anwendungen im Bereich der Festarchitektur, der Gartengestaltung, der Strassenbeleuchtung, der Werbung und der Propaganda ausgelotet und diskutiert worden waren.804 Einen der Gründe ortete er darin, dass man sich lange Zeit nur auf wis- senschaftliche und technische Aspekte der Lichterzeugung konzentriert hatte, ohne dabei die Leucht- körper und deren Verwendung den neuen Bedingungen anzupassen, insbesondere den Vorzügen der Glühlampe als sicheres, sauberes, beständiges und einfach zu handhabendes Leuchtmittel, das im Ge- gensatz zur Kunstlichtbeleuchtung früherer Tage keine Brandgefahr mehr darstellte, keine Abgase und nur wenig Wärme entwickelte, aus der Ferne ein- und ausgeschaltet werden konnte und dessen Licht ruhig, kontrollier- und berechenbar geworden war. Die zunehmende Sensibilisierung im Lauf der 20er und vor allem frühen 30er Jahre ist auf ebenso ideologische wie praktische Gründe zurückzuführen: so galt die elektrische Energie, die rund hun- dert Jahre nach der Dampfmaschine die Kommunikationsmittel und die industrielle Produktion ein weiteres Mal revolutionierte, als Inbegriff des technischen Fortschritts einer modernen Gesellschaft, entsprechend wurde die nächtliche, vibrierende Glut der Arsenale und Werften, die von grellen elek- trischen Monden erleuchtet seien,805 von den Futuristen besungen und die Glühlampe, die „eine neue Zeit heraufgeführt“ hatte,806 als Ergebnis und Sinnbild dieses Wandels hochgehalten. Abgesehen davon war aber auch die Versorgungslage erst in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg dank der Er- richtung zahlreicher Wasserkraftwerke, dem Ausbau der Stromnetze und der Verbesserung der Elekt- ro- und Lichttechnik soweit vorangeschritten, dass Elektrizität und Leuchtmittel verbreitet verfügbar

803 (Canesi, Cassi Ramelli 1934, S. 5.) 804 Vgl. Teichmüller 1927, S. 5-6; Neumann, D. 1991, S. 8-14, 28-34, 88-167. „L’abbinare le due parole luce e architettura non è quindi una cosa nuova, soltanto oggi, parlando di luce, non pensiamo solo al sole e alla volta azzurra del cielo, ma altresì a quella piccola miracolosa ampolla di vetro che è la lampadina a incandescenza“, schrieb Guido Jellinek 1929 in Architettura e Arti Decorative, als er die Überlegungen Teichmüllers für die italienische Leserschaft in einem Artikel zusammenfasste. (Jellinek 1929, S. 64.) 805 Vgl. „Manifesto del futurismo“, 20.2.1909, in: Manifesti del futurismo 1914, S. 6; Baumgarth 1966, S. 27. Das Zitat in Originalsprache findet sich in Kapitel 2.2.1.2, S. 139. 806 (Teichmüller 1927, S. 5.) 320 3.2 und erschwinglich geworden waren. Ein erheblicher Impuls hierfür war vom Nachrichtenwesen, das die Telegraphie und Telephonie in enger Verbindung mit dem Eisenbahnnetz aufgebaut hatte,807 sowie der Eisenbahn selbst ausgegangen, deren Elektrifizierung in den 20er Jahren Hand in Hand mit dem Bau neuer Kraftwerke vorangetrieben wurde. Nicht nur für den Antrieb der Verkehrs- und Kommuni- kationsmittel, sondern auch für den internen Betrieb war die Elektrizität von grosser Bedeutung, etwa für die künstliche Beleuchtung der Bauten, für Signalisationen, elektrische Uhren, Klingeln, Schliess- systeme, interne Telephone, sowie Aufzüge, Rohrpostanlagen und andere mechanischen Fördersyste- me.808 Wie neu die gesamte Entwicklung damals noch war, zeigen die detaillierten Jahresberichte der Eisenbahnadministration, in denen jeweils aufgelistet wurde, wie viele Bahnhöfe mit welchen Leucht- mitteln illuminiert und wie viele Lampen dazu verwendet wurden.809 Dass die Stromproduktion und -verteilung dem gesteigerten Bedarf noch hinterher hinkten und für die Beleuchtung der Bahnhofsan- lagen deshalb häufig auf Paraffinlampen ausgewichen werden musste, hielt auch der Eisenbahninge- nieur Onorato Abbo 1929 am Welt-Ingenieur-Kongress in Tokio fest: „The distribution of electrical energy was not being diffused everywhere with the rapidity necessary to railway requirements.“810 Für die Architektur an sich war bedeutsam, dass die neuen Konstruktionsweisen mit Stahl, Beton und Glas, sowie die rege Entwicklung neuer Werkstoffe neuartige Ausdrucksformen ermöglichten und dem Licht als „Bauelement“811 bislang unbekannte Gestaltungsmöglichkeiten eröffneten. Das Kunst- licht entfaltete seine Wirkung nicht nur in Form von Beleuchtungskörpern im Gebäudeinnern, sondern auch nachts im Aussenraum und wurde dadurch zu einem unübersehbaren städtebaulichen Faktor, der Architekten, Städteplaner und Lichttechniker vor eine neue Aufgabe, nämlich die Planung der nächtli- chen Erscheinung der Bauten, Strassen- und Platzräume, stellte: „La percezione di un volume (...) accarezzato dalla luce artificiale che ne altera la massa, il peso ed il colore, così che uno sbalzo greve sembra alleggerirsi miracolosamente e una cupola mutarsi in un disco, e una parete di pietra tramutarsi in un piano d’opale o di gesso, genera, in virtù di più vaste ed agili risorse fantastiche, nuove possibili- tà di suggestione.“812 Dabei liessen sich zwei verschiedene Vorgehens- und Wirkungsweisen differenzieren: Im Gegensatz zu den „architetture illuminate“, den mit Flutlicht angestrahlten Bauten, deren nächtliche Erschei- nung sich vom Anblick tagsüber nicht wesentlich unterschied, verwandelte sich der Ausdruck der „architetture luminose“,813 der Bauwerke, bei denen das Kunstlicht durch transluzente oder hinter- leuchtete Bauteile aus dem Innern drang, grundlegend; während die Dunkelheit die Substanz der Baukörper einschliesslich ihrer Tektonik, Materialität, Gravität und Farbigkeit absorbierte und sie gewissermassen in der Totalität des umgebenden, nachtschwarzen Raums auflöste, zeichneten sich die erleuchteten Innenräume körperhaft im umgebenden Raum ab und illuminierten diesen analog zu Beleuchtungskörpern im Innenraum, die Inversion der Helldunkel-Verhältnisse erzeugte dabei völlig ungewohnte Erscheinungsbilder. Dass in dieser optischen Metamorphose neuartige künstlerische Aus- drucksmöglichkeiten angelegt waren und das Kunstlicht Raumeindrücke, die tagsüber nicht erfahrbar

807 Vgl. Neumann, R. 1908, S. 8; Schivelbusch 2007, S. 32-33. 808 Vgl. z. B. Relazione 1933-34, 1934, S. 84. 809 1924 waren von den 2’536 gezählten Bahnhöfen 1’288 mit elektrischem Licht (130’000 Glühlampen) beleuchtet, 4 mit Gas, 28 mit Acetylen und 1’216 mit Petrol; 1937 waren es von 2’838 Bahnhöfen 2’282 mit elektrischem Licht (257’516 Glühlampen), 3 mit Acetylen und 553 mit Petrol. Vgl. Relazione 1923-24, 1925, S. 53; Relazione 1936-37, 1938, S. 55. 810 (Abbo 1931, S. 233.) 811 Vgl. Jellinek 1929, S. 65; Köhler, Luckhardt 1956, S. 7. 812 (Canesi, Cassi Ramelli 1934, S. 6.) 813 (Canesi, Cassi Ramelli 1934, S. 6.) 3.2 Stadtraum, Landschaft und Territorium 321 waren, zu evozieren vermochte, waren sich die italienischen Architekten und Ingenieure zusehends bewusst. Dies widerspiegelte sich etwa in der Bildauswahl der Architekturzeitschriften, die ab 1930 von eben fertiggestellten Bauten nicht mehr nur Fotografien bei Tageslicht, sondern vermehrt auch Nachtaufnahmen publizierten, wogegen sich solche Darstellungen bis dahin auf beleuchtete Brun- nen- und Gartenanlagen oder allenfalls szenographische Projekte im Freien beschränkt hatten. Die Nachtaufnahmen korrespondierten dabei meistens mit einer aus (nahezu) demselben Blickwinkel fotografierten Ansicht bei Tag, idealerweise als direkte Gegenüberstellung, so dass die zeitbedingte Wandlungsfähigkeit der Architektur wirkungsvoll zur Anschauung kam. Besonders die jüngeren Ar- chitekten, wie Giuseppe Pagano, Giuseppe Vaccaro, Mario De Renzi, Adalberto Libera, Mario Ridol- fi, Giuseppe Terragni, Luigi Moretti und Mazzoni, übernahmen im Experimentieren mit dem flüchti- gen Werkstoff „Kunstlicht“ eine Vorreiterrolle.814 Für Nachtimpressionen besonders geeignet erschienen die künstlich geschaffenen Welten temporä- rer Ausstellungen sowie Warenhäuser und Firmenbauten, deren Leuchtreklamen, -schriften, erhellte Schaufenster und zusätzliche werbewirksame Lichtornamente die Aufmerksamkeit erregten: „L’uomo d’affari moderno (...) ricerca, nel suo impianto di affari tutte le comodità offerte dalle nuove invenzio- ni tecniche, anche perché questa è la sua migliore pubblicità.“815 Als weniger naheliegend, aber bezüg- lich der Lichtarchitektur umso aussagekräftiger erwiesen sich dagegen Bauten wie Bahnhöfe, Post- gebäude oder andere öffentliche und technische Einrichtungen, bei denen die erzeugten Lichteffekte keinen offenkundigen Werbe- oder Propagandaauftrag erfüllten, sondern primär dem Sichtbarmachen ambivalenter räumlicher Qualitäten dienten, die erst im Dunkeln durch den Verlust der Festigkeit und Dauerhaftigkeit der Architektur und den ephemeren Charakter des Lichts zum Vorschein kamen. Beispielhaft hierfür sind nebst den nachfolgend beschriebenen Bauten Mazzonis die Post von Neapel, wo Vaccaro und Franzi sowohl im Innen- wie im Aussenraum eine subtile Lichtregie führten, oder der Bahnhof Ostiense in Rom, den Narducci anlässlich des Besuchs von Adolf Hitler anfangs Mai 1938 zunächst übereilt als kulissenhaftes Provisorium errichten musste, bevor er es durch den definitiven Bahnhof, der als wichtiger Knotenpunkt auf dem Weg zum Gelände der Weltausstellung E’42 figu- rieren sollte, ersetzte. Das Provisorium stattete er mit einem Leitsystem aus Neonröhren aus, um die Gehroute des Gastes, der bei Dunkelheit mit dem Zug eintreffen sollte, eindrucksvoll zu choreogra- phieren.816

3.2.4.2 Beleuchtungskörper In einem Gespräch mit Alfredo Forti in den 70er Jahren erinnerte sich Mazzoni an die Leuchten auf dem Bahnhofsplatz von Montecatini, die er als flache, oben um 90° Grad gebogene, vollständig mit Mosaik verkleidete und mit einer einzelnen, hängenden Glühbirne bestückte Stelen gestaltete: „Questi erano bellini (...) con la lampadina sola sola. Era quasi caricaturale ed erano di colore viola chiaro.“817 Auch im übrigen Bahnhofsbereich inszenierte er die Glühbirnen sichtbar als Einzelobjekte in Fassun- gen aus hochwertigen Metalllegierungen ohne Abdeckung und in unterschiedlichen, seriellen Forma-

814 Vgl. z. B. den Eingangspavillon zur VI Triennale di Milano von Giuseppe Pagano, die Ausstellungsbeiträge für die Mostra della Rivoluzione Fascista von Adalberto Libera und Mario De Renzi, das Postgebäude in Neapel von Giuseppe Vaccaro und Gino Franzi, den Brunnen auf der Piazza Tacito in Terni von Mario Ridolfi und Mario Fagiolo, das Geschäft „Vitrum“ in Como von Giuseppe Terragni, die Casa delle Armi auf dem Foro Mussolini in Rom von Luigi Moretti. 815 (Schreiber 1934, S. 12.) Vgl. auch Chappat 1933; Neumann, D. 1991, S. 35-43. 816 Vgl. Vaccaro 1936; Carb 1938 (2). 817 (Zit. nach Anselmi 2003, S. 349.) 322 3.2 tionen: als winzige Lichtpunkte an der grossflächigen Decke der Bahnhofshalle, alsTropfen an ke- gelförmig nach unten gezogenen Fassungen im Restaurant, aufgereiht an einem reflektierenden Band über der Treppe der Unterführung oder als Vierergruppe unter dem Metallschirm der Stehleuchten auf den Perrons. In einer Zeit, in der die landesweit in Bahnhöfen installierten Glühbirnen sozusagen noch einzeln gezählt werden konnten, muss eine solch ungebändigte Anordnung der Beleuchtung auf die Reisenden wie ein Manifest der Moderne gewirkt haben. In der Architektur Mazzonis übernimmt das Licht als Beleuchtungskörper (als Quelle künstlich er- zeugten Lichts) nebst seiner augenfälligen Aufgabe, gewisse Räumlichkeiten auszuleuchten und für Sichtbarkeit zu sorgen, vielfach noch weitere Funktionen. Zum einen verwendete er die Leuchten als wegleitendes System, um gewisse Bewegungen und Passagierströme zu lenken und die Anordnung der Menschen im Raum anzuzeigen. In den Bahnhöfen von Trient und Reggio Calabria beispielsweise liess er über der breiten Treppe, die in die Unterführung und zu den Perrons führt, zwei Flächenlichter in Form von vereinfachten Pfeilen anbringen, deren Spitzen in entgegengesetzte Richtungen weisen; sie beleuchten nicht nur den Ab- bzw. Aufgang, sondern kommunizieren den Reisenden gleichzeitig auf leicht verständliche Weise den Weg zu den Gleisen oder zum Ausgang. In den Bahnhöfen von Lit- toria und Siena wurden die Passagiere nicht mittels zeichenhafter Pfeile geleitet, sondern durch kon- tinuierliche Lichtbänder an der Decke, die sie nach der Ankunft am Bahnhof von der Gepäckabgabe zur Fahrkartenausgabe und dann weiter zu den Zügen führten (oder umgekehrt), in Montecatini waren solch wegleitende Lichtbänder aus einzelnen Glühbirnen zusammengesetzt. An Orten des Aufent- halts, wo die Leute stehen und warten mussten, um Fahrkarten zu kaufen, Postgeschäfte abzuwickeln oder sich zu orientieren, fanden sich häufig einfache, längsrechteckige Lichtfelder an den Decken, so beispielsweise vor den Schaltern der Post von Sabaudia, vor den Türen des Wartesaals im Bahnhof von Littoria oder vor der Billettausgabe im Bahnhof von Siena, wo orthogonal dazu ausserdem ein pfeilförmiges Flächenlicht die Abreisenden am Schalter vorbei zu den Perrons lenkte. Besonders letz- tere, schlichte Anordnung verdeutlicht die bedürfnisorientierte Differenzierung zwischen ruhenden und richtungsweisenden Lichtflächen, die den Handlungsraum am Boden gleichsam an der Decke widerspiegelten. Wiederum als Pendant zu den Leuchten an der Decke machte sich Mazzoni am Bo- den die Polychromie der Materialien zunutze, um Bereiche gegeneinander abzutrennen, räumliche Zusammenhänge zu schaffen und die Menschen zu führen, am augenfälligsten sind diesbezüglich die pfeilförmigen Intarsien vor den Schliessfächern in Palermo und den Postschaltern in Massa. Mazzoni setzte Licht als Wegweiser in Pfeilform auch wiederholt in Kombination mit Beschriftungen ein, in- dem er, wie in den Bahnhöfen von Reggio Calabria und Montecatini, die auf einem Pfeil platzierten Schriftzüge „Ristoratore“ bzw. „Uscita“ selbst als Leuchtkörper ausbildete: die Helligkeit des Lichts, die Zeichenhaftigkeit des Pfeils und die Bedeutung des Wortes dienten damit alle demselben Ziel, nämlich den Weg zum Restaurant bzw. zum Ausgang zu weisen. Eine bewegungsbegleitende Aufgabe übernahmen auch die vertikal im Auge der Treppenhäuser der Post von Agrigent, La Spezia und des Wohngebäudes am Bahnhof von Reggio Emilia hängenden Leuchten, die als Kugeln an einer Stange oder als Halbzylinder an einem langen Band aufgereiht die auf- und abwärts steigende Bewegung der Benutzer nachzeichneten. Die Beispiele zeigen, dass Mazzoni die Gestaltung der Beleuchtungskörper nach der konkreten Aufgabe, die sie zu erfüllen hatten, richtete; dabei sollten sie nicht nur den Raum erhellen, sondern überdies Aufschluss über eine gewisse Raumordnung und Bewegungsfolge geben. 3.2 Stadtraum, Landschaft und Territorium 323

Zum andern integrierte er die künstliche Beleuchtung oftmals so in die Ausstattung des Aussenraums, dass sie als politische Symbolträger in Erscheinung traten: vor den Haupteingängen zu den Post- ämtern von Massa und La Spezia beispielsweise waren Fahnenstangen aufgestellt, deren gemauerte Sockel bzw. metallene Halterungen stilisierte Rutenbündel vorgaben, was allerdings nur deswegen ersichtlich war, weil die daran befestigten Leuchten die charakteristische Axt versinnbildlichten.818 Auf ähnliche Weise konnten die aus drei steinernen Stangen bestehenden Rutenbündel an der Fassade der Post von Littoria und am Eingang der Ferienkolonie in Calambrone gedeutet werden, die Äxte waren dort jedoch nicht als Leuchtkörper ausgebildet, sondern aus hochpoliertem Edelstahl gefertigt, der tagsüber das Sonnenlicht einfing und entsprechend reflektierte.Auch die zwei langen, geriffelten Glaszylinder am Eingang der Post von Bergamo, die von gerundeten Kupferplatten „zusammenge- schnürt“ werden und die übereck angeordneten Türen am Fuss des Uhrturms beleuchten, sind als Rutenbündel zu interpretieren; unmittelbar darüber akzentuieren zusätzlich vier in Stein gehauene, gleichartige Fasces und zwei Adlerreliefs die politische Zugehörigkeit des öffentlichen Gebäudes. Analog zu den beiden Leuchten von Bergamo wirkten in grösserem, städtebaulichem Massstab die bereits vorgängig erwähnten Treppentürme am Eingang der Ferienkolonie und an der Ecke des Dienst- und Wohngebäudes des Bahnhofs von Siena – als monumentale, aus dem Innern glühende Leuchttürme („torri luminose“), die wie überdimensionale Laternen den Aussenraum illuminierten und sich emblematisch von der Dunkelheit abhoben. Dass dies ihre vorrangige Funktion war, zeigt sich besonders deutlich am Beispiel der torre luminosa von Siena, die abgesehen von der eng um die Mittelsäule gewundene, das dritte Obergeschoss mit dem Dachausstieg verbindende Wendeltreppe keinem weiteren Zweck diente, als dem Licht Raum zu bieten.819 Im Bahnhof von Reggio Emilia setzte Mazzoni einen vergleichbaren „Turm“ – einen dreiseitig frei- stehenden, vorne an der Schmalseite gerundeten Körper mit schmalen, vertikalen Lisenen – nicht in den Aussenraum, sondern mitten in die hohe, überwiegend weiss ausgekleidete Bahnhofshalle. Im Unterschied zu den Türmen von Calambrone und Siena stand bei dem „Bündel“ von Reggio Emilia aber wahrscheinlich weniger die Vermittlung einer politischen Botschaft im Vordergrund, als vielmehr raumgliedernde und lichttechnische Qualitäten. Der Raum diente der Gepäckaufbewahrung und trenn- te das rechteckige Hauptgebäude symmetrisch in eine Abfahrts- und Ankunftshalle, die von aussen je- weils durch drei Türen betreten bzw. verlassen wurden. Mazzoni sah vor, den Körper fast vollständig zu verglasen und mit horizontalen, schmalen Metallbändern zu unterteilen. Eine solche Ausführung fand der damals zuständige Minister Ciano aber inakzeptabel und bezeichnete den Entwurf abschätzig als „grosso tubo di vetro per un grande lume a petrolio“.820 Trotzdem wurde die Gepäckaufbewahrung als Lichtkörper, aber mit Strukturglas und steinernen Lisenen aus Bardiglio-Marmor über einem ge- schlossenen, von langen Fenstern für die Abgabe und Entgegennahme des Gepäcks partiell geöffneten Sockel realisiert. Tagsüber wurde die Halle von dem durch die hohen Fenster und Glastüren einfallen- den, natürlichen Licht erhellt, nachts dagegen verhielt sich das Kunstlicht im Innern des Glaskörpers

818 Da die Leuchten in der Nachkriegszeit entfernt wurden, ist diesen Objekten ein wesentlicher Teil ihrer Bedeutung abhan- den gekommen. 819 Vgl. Kapitel 2.3.3.2, S. 212-214. Bezüglich des Turms von Siena hiess es in einem Sitzungsbericht von 1935: „La torre luminosa dovrà essere normalmente poco illuminata e molto luminosa invece nelle solennità.“ (Zit. nach Giacomelli, Godoli, Pelosi 2013, S. 193.) Nach den Bombenangriffen blieb das Wohn- und Dienstgebäude als einziger Teil der Bau- gruppe unversehrt, heute hat man aussen zwischen die Lisenen Scheinwerfer gestellt, die den Turm von unten her anstrah- len, so dass aus der einst suggestiven „torre luminosa“ eine einfache „torre illuminata“ geworden ist. 820 (FAM, MAZ B/20, fasc. 2, 8.) 324 3.2

(hängende, kugelförmige Lampen) vermutlich wie der Faden in einer riesenhaften Glühbirne, das den gesamten Raum ausleuchtete, indem es durch das dicke Strukturglas gestreut und von den weissen Wänden reflektiert wurde; einzig in der Fortsetzung des vorstehenden Körpers liess Mazzoni ein brei- tes Band aus grauem Bardiglio-Marmor einlegen. Es wurde von der Decke in das blinde Wandfeld zwischen den Türen der Ein- und Ausgänge überführt und schien sich gleichsam einem Schattenwurf der Helligkeit der Lampe zu widersetzen, indem es die offene Verbindung zwischen den beiden Hal- lenteilen verdunkelte. Demgegenüber hätte der abgelehnte Entwurf filigraner, durchlässiger und leich- ter gewirkt und sich überdies hervorragend in eine Reihe anderer avantgardistischer Projekte gestellt, die zwischen 1930 und 1934 in Casabella vorgestellt wurden und Mazzoni inspiriert haben könnten, etwa der Treppenturm des Kaufhauses Schocken in Stuttgart von Erich Mendelsohn (1926-1928), die Glasnischen des Gesellschaftshauses Palmengarten in Frankfurt am Main von Ernst May, Martin Elsaesser und Werner Hebebrand (1929) oder die Glasvitrine im Laden „Salmoiraghi“ in Mailand von Cesare Scoccimarro (um 1930);821 infrage kämen diesbezüglich auch Prampolinis Wettbewerbsbeitrag für den italienischen Pavillon an der Weltausstellung in Chicago (1932), der in der Zeitschrift Futuris- mo mit einer illuminierten Nachtansicht präsentiert wurde, oder die feingliedrig verglasten Treppen- türme der wiederholt publizierten Fabrikanlage, die Walter Gropius 1914 anlässlich der Werkbund- Ausstellung in Köln errichtet hatte.822 Mazzoni verwirklichte sein ursprüngliches Vorhaben letztlich doch, und zwar im Bereich des Restaurants in Form eines gläsernen, von Eisenrahmen horizontal gegliederten Windfangs, der in die Fensterebene zwischen dem Restaurant und dem Perron eingefügt, an den Schmalseiten gerundet und im Innern mit zwei kleinen Palmen ausgestattet war. Eine weitere Aufgabe, die Mazzoni dem Kunstlicht zudachte, war die Anzeige der Uhrzeit an Türmen anhand von leuchtenden Ziffern und Zeigern.823 Diese garantierten in der Dunkelheit sowohl die Les- barkeit der Zeit als auch die Sichtbarkeit des Turms. Dabei muteten wohl nicht nur die elektrischen Lichter höchst modern an, sondern möglicherweise auch die Uhren selbst, denn immerhin galt die vereinheitlichte, exakte Zeitangabe damals noch als verhältnismässig junge Erscheinung. In Europa waren die Uhren erst am Ende des 19. Jahrhunderts aufgrund der Modernisierung der Kommunika- tionsmittel und der Steigerung der Mobilität international synchronisiert worden, da für den regel- mässigen, überregionalen Eisenbahnverkehr eine unkoordinierte Zeitmessung zunehmend untragbar geworden war. Die Rationalisierung der Zeit, ausgelöst durch die Bedürfnisse der Eisenbahn, war also eine Folge der industriellen Entwicklung und führte dazu, dass die Angabe der Stunden erstmals nicht mehr auf dem natürlichen Lauf der Gestirne beruhte, sondern auf einer international vereinbarten Abmachung.824 Die von weit her sichtbare, auch im Dunkeln erkennbare Zeitangabe gehörte im Bahn- hofsbau zur unabdingbaren Ausstattung: „Als ein [beherrschendes Motiv] erscheint eine grosse, fast feierliche, von jedem Standpunkt aus wohl sichtbare Uhr als ein Hauptwahrzeichen. Denn der ganze Bahnhof selbst ist eine grosse Uhr, und die Zeit, das sich Bewegende, und dessen Einteilung ist sein Kennzeichen.“825

821 Vgl. Sartoris 1930, S. 18; Casa bella 1931, o. S.; Casabella 1934, S. 9. 822 Vgl. Minucci 1926, S. 523; Platz 1927, S. 300; Godoli 1983, S. 95-96. 823 Vgl. Kapitel 2.3.1.2, S. 171. 824 Vgl. Schivelbusch 2007, S. 43-44. Im 19. Jahrhundert führte man neben der nach dem Sonnenstand gerichteten Ortszeit die so genannte Eisenbahnzeit ein, die zunächst nur für den Bahnverkehr gültig war, in England wurde sie 1880 gesetzlich zur Standardzeit erhoben, in Deutschland und Italien 1893, in der Schweiz 1894, in den USA erst 1918. 825 (Schmitt, E. 1911, S. 19.) Vgl. auch ebenda, S. 23. 3.2 Stadtraum, Landschaft und Territorium 325

3.2.3.3 Die städtebauliche Wirkung nächtlicher Beleuchtung Die Beispiele der torri luminose und der leuchtenden Uhren haben erkennen lassen, dass das elekt- rische Licht im Aussenraum zu einem bedeutsamen städtebaulichen Faktor wurde. Wie wichtig die nächtliche Wahrnehmung der Architektur Mazzonis war, dokumentieren die Nachtaufnahmen, die von seinen Bahnhöfen und Postgebäuden angefertigt und teilweise publiziert wurden, so beispielsweise von der Post von Palermo, wo einst Deckenlichter hinter den Interkolumnien den schmalen, hohen Vorraum zwischen den mächtigen Säulen und dem Atrium ausleuchteten, so dass die innen liegende Fassade sichtbar und die Aussenwölbungen der Säulen verdunkelt wurden; auf diese Weise invertierte sich die Ansicht der Hauptfassade in der Nacht, und die tagsüber verschatteten Zwischenräume traten körperhaft hervor.826 Auch von der Post von Massa erschienen nebst anderen Abbildungen eine Nacht- und eine Tagesaufnahme des quadratischen, ziegelsichtigen Uhrturms:827 bei Tag fällt besonders seine aus weissem Marmor verkleidete Spitze auf, die von einer Laterne überhöht wird und in deren vier Seiten je eine Uhr eingelassen ist; in der Nacht war von der Materialisierung nichts mehr zu sehen, dafür zeichneten sich die hinterleuchteten, kreisförmig abstrakten Ziffern der Uhr und das Licht in der Laterne markant ab. Zusätzlich wurde der Turm über dem Sockel von unten her angestrahlt, was die kleinteiligen, ebenfalls mit weissem Marmor gerahmten, doppelten Fensterreihen, welche mittig in die Vorderseiten des Turms gesetzt sind, akzentuierte und insgesamt die Vertikalität der Gebäudeecke betonte. Der Sockelbereich selbst blieb im Dunkeln, einzig die zuvor beschriebenen Stelen beleuchte- ten punktuell die Gehwege. Desgleichen existieren von den Perronanlagen der Bahnhöfe von Littoria und Reggio Emilia Nachtaufnahmen, besonders in ersterem Fall verwundert dies kaum, da Mazzoni dort in die Decken grüne Glassplitter einbetonieren liess, die ihren beabsichtigten Effekt erst in der Dunkelheit mit der künstlichen Beleuchtung preisgaben. Die beiden Aufnahmen bringen ausserdem die weit auskragenden Perrondächer hervorragend zur Geltung und lassen die Bahnhöfe als helle, vorbildlich ausgerüstete, dynamische Einrichtungen erscheinen – angesichts ihrer damals noch peri- pheren Lage inmitten eines ehemaligen Sumpfgebietes bzw. ausserhalb der alten Stadtmauer war dies durchaus bemerkenswert. Erwartungsgemäss findet sich im Archiv Mazzonis auch eine Nachtfotografie der Post von Ostia Lido, die wie kein anderer seiner Bauten den Wandel zwischen Tag und Nacht, Hell und Dunkel, Licht und Schatten in seiner Architektur abbildet. Dass das stark retouchierte Bild trotzdem nicht veröffentlicht wurde, lag womöglich an dem wenig stimmungsvollen Ergebnis des langzeitbelichteten Fotos. Die Anekdote, Marinetti habe das Postamt am Lido mehrmals bei Tag und Nacht besichtigt, vergegenwär- tigt hingegen umso deutlicher, dass in der Erscheinungsform eines Werkes bei Nacht tatsächlich ein Mittel gesehen wurde, um dem explizit künstlerischen Wert der Architektur Ausdruck zu verleihen. Noch in der Planungsphase publizierte Sant’Elia stattdessen eine handgezeichnete Perspektive des Projekts, die das Helldunkel der räumlichen Anordnung, besonders den verschatteten Säulenportikus und das lichte Impluvium, hervorhob. Im Kommentar hiess es: „A specchio del Tirreno eternamen- te mutevole nelle tinte e nei suoni, il Palazzo postale dell’Arch. Mazzoni sarà tutto un fremito di

826 Vgl. Artecrazia, Nov. 1934, S. 3. Die Flächenlichter im Vorraum sind heute ausser Betrieb, die Säulen werden aussen mit Scheinwerfern von unten angestrahlt. 827 Vgl. Sant’Elia, 17. Dez. 1933, S. 3. Die Post von Massa wurde nicht so überschwenglich wie jene von Littoria und Sabau- dia kommentiert, sondern als Übergangsprojekt zwischen traditioneller und avantgardistischer Architektur bezeichnet. 326 3.2 scintillii, tutto un’armonia di colori nel variopinto fulgore dei suoi marmi e nello sfavillio dei vetri e metalli.“828 Eine weitere Perspektivezeichnung, die das Licht in der Architektur bereits im Entwurfsstadium the- matisiert, präsentierte Mazzoni für das Bauprojekt des Bahnhofs Roma Termini. Es handelt sich um eine Nachtansicht des Ankunftsatriums, die 1939 in einem Artikel von Marcello Piacentini in Archi- tettura unter einem aus ähnlichem Blickwinkel aufgenommenen Modellfoto veröffentlicht wurde.829 Die hohe, offene Bahnhofshalle wird vor einem schwarzen Hintergrund und der vage erkennbaren Silhouette der Albaner Berge als ein lichterfüllter Raum dargestellt. Durch die Doppelsäulen hin- durch, die ihren Schatten nach draussen werfen, ist der Nachthimmel über dem Gleisfeld zu sehen, im Atrium deuten viele winzige Menschen auf einen noch regen Betrieb im Bahnhof hin. Die Nacht- perspektive ist insofern beachtenswert, als dass sich die Architekten ihrer nur selten, vor allem für Wettbewerbseingaben, gelegentlich für aussergewöhnliche öffentliche Bauaufträge, bedienten.830 Im Fall von Roma Termini erwies sie sich offenbar als geeignetes Mittel, um die angestrebte Durchlässig- keit und die Offenheit des Kopfbaus zu kommunizieren; auf dem Modellfoto ist die Transparenz zwar ebenfalls zu erkennen, der Bau wirkt bei Tageslicht durch die Verschattung des Hallenraums und das Gewicht des Architravs jedoch schwerer, massiver und monumentaler als auf dem Nachtbild. Die Ge- genüberstellung der Tages- und Nachansicht vermittelt demnach verschiedene Zustände des Bauwerks und macht die Wandlungsfähigkeit des architektonischen Ausdrucks sichtbar. Bezeichnenderweise wurden vom Bahnhof Roma Termini wie auch von jenem für Littoria Modelle angefertigt, die im Innern mit kleinen Lämpchen bestückt waren, um auch in der räumlichen Verkleinerung bereits eine einprägsame Vorstellung der nächtlichen Erscheinung zu erzeugen.831 Zusätzlich manifestiert sich in der zeichnerisch angedeuteten Betriebsamkeit des Bahnhofs zu nächtli- cher Stunde noch ein weiterer, funktionaler Aspekt der künstlichen Beleuchtung, denn im Unterschied zu anderen Bauten, deren Nachtwirkung sorgfältig geplant wurde, in denen man nachts aber kaum mehr arbeitete, diente sie in erster Linie dazu, den 24-Stunden-Betrieb des Verkehrs aufrechtzuerhal- ten, das Licht stand folglich zunächst im Dienst der Nützlichkeit. Durch dessen bewusste, künstleri- sche Inszenierung in der Nacht kam aber auch der technisch-industriellen Fortschritt, den das Bahn- hofsgebäude verkörperte, wirkungsvoll zur Anschauung. Demgegenüber erfüllte die Ausleuchtung von Geschäfts- und Warenhäusern und öffentlichen Bauten fast ausschliesslich werberische, dekora- tive oder auch propagandistische Zwecke, paradigmatisch sind hierfür die Kaufhäuser von Mendel- sohn, etwa das Kaufhaus Rudolf Petersdorff in Breslau (1928), bei dem die zwischen den Scheiben und den Vorhängen installierten Neonleuchten Licht nach aussen reflektierten, so dass die horizonta- len Fensterflächen nach Ladenschluss im Strassenraum als schwebende Leuchtbänder in Erscheinung traten.832 Wie viele seiner Zeitgenossen war Mendelsohn zu Beginn der 20er Jahre in die Vereinigten Staaten gereist und hatte in New York die Wirkung der nächtlich erleuchteten Hochhäuser und der Skyline

828 (Sant’Elia, 1. Jun. 1934.) 829 Vgl. Piacentini, M. 1939, S. 82. 830 Nachtperspektiven wurden beispielsweise für die Wettbewerbe für den Bahnhof von Florenz, für die Brücke bei der Acca- demia in Venedig oder für den Brunnen auf der Piazza Tacito in Terni eingereicht. Vgl. Architettura, Apr. 1933 (1), S. 223; Architettura, Mai 1933 (1), S. 307-310; Architettura, Mai 1933 (2), S. 311-314. 831 Vgl. FAM, MAZ G/5, S. 19bis. 832 Beispielhaft sind auch Mendelsohns Kaufhäuser Schocken in Nürnberg (1926), Stuttgart (1926-1928) und Chemnitz (1927-1930), vgl. Hegemann 1930; Casabella 1934; Neumann, D. 1991, S. 134. 3.2 Stadtraum, Landschaft und Territorium 327

Manhattans erlebt. Durch Reiseberichte, Bilder und Fotografien kam die Faszination für die illumi- nierte Stadt, die zum Inbegriff des modernen technologischen Zeitalters wurde und in den Wolken- kratzern, den Menschenmassen, dem allzeit geschäftigen Treiben und dem regen Verkehr New Yorks ihren emblematischen Ausdruck fand, nach Europa zurück.833 Mit dem elektrischen Licht erhielten die Bauten neuerdings auch in der Dunkelheit eine sichtbare Physiognomie, die sich gezielt insze- nieren liess und der Architektur ein neues Gestaltungsmittel zur Verfügung stellte. Zusammen mit der Strassenbeleuchtung und den Leuchtreklamen verlieh es dem Stadtraum ein bislang unbekanntes Erscheinungsbild, das sich von jenem tagsüber grundlegend unterschied, zumal das flüchtige, immate- rielle Wesen des Lichts in der Nacht auf einmal körper- und zeichenhaft hervortrat und das Innere der Architektur sichtbar machte, während alles Substantielle entglitt. Wie im Innenraum führte das Kunst- licht auch in der Stadt zu einer radikalen Veränderung der räumlichen Wahrnehmung und damit auch des Erlebens von Strassen, Plätzen, Gärten und Parkanlagen. Ein in Casabella erschienener Artikel brachte dies wie folgt zum Ausdruck: „La città che si rinnova è come questa vetrina luminosa, in cui tutto assume un valore singolare di modernità e di bellezza. (...) Le città che si rinnovano, sotto questo impulso originale, sono suggestive, divertenti, capaci di parlare alla fantasia con gli oggetti più comuni, cui il modo di presentarli conferisce quasi un valore metafisico: la translucidità di un cristallo, il ripetersi per riflessione d’una sagoma, (...) un barbaglio di luce al néon.“834 Indem das Licht in der Dunkelheit, in der ein Bauwerk oder Stadtkörper aus seiner tagsüber gültigen, tektonischen Wirklichkeit entlassen wurde, zum tragenden Element wurde, übernahm es eine eigen- gesetzliche, konstruktive Funktion und liess sich dadurch gewissermassen als Baumaterial einsetzen, dessen Wirksamkeit, wie es sich Teichmüller gewünscht hatte, zusammen mit dem Licht entstand und wieder verschwand.835 Wie einschneidend diese Erfahrung in architektonischer Hinsicht tatsächlich gewesen sein mochte, unterstrich Heinrich Wölfflin mit seiner Aussage über das Tektonische und Atektonische in der Kunst: „Die Malerei kann, die Architektur muss tektonisch sein. Die Malerei ent- wickelt die ihr eigentümlichen Werte erst ganz, wo sie sich von der Tektonik lossagt; für die Architek- tur wäre ein Aufheben des tektonischen Gerüsts gleichbedeutend mit Selbstvernichtung.“836

833 Vgl. Vietti 1932; Neumann, D. 1991, S. 42-43, 54-67; Koolhaas 1999. 834 (Casa bella 1931, o. S.) 835 „Für den Architekten ist das primär Vorhandene das Bauwerk, und das Licht erklärt die Architektur des Bauwerks. Das gibt noch keine Lichtarchitektur; man könnte sagen: wir haben es mit Architekturlicht zu tun. Aber dieses Architekturlicht kann zur Lichtarchitektur führen, wenn mit ihm, und nur mit ihm besondere architektonische Wirkungen hervorgerufen werden, die gleichzeitig mit dem Licht entstehen und verschwinden.“ (Teichmüller 1927, S. 7.) 836 (Wölfflin 1920, S. 159.) 328

484 Bahnhof von Reggio Calabria, Wartesaal 1. Klasse, 1937-1938

483 Bahnhof von Montecatini, Stehleuchte auf dem Vorplatz (2005) 485 Bahnhof von Siena, Abfahrtshalle mit Billetschalter, 1933-1935

487 Bahnhof von Siena, Ausgang und Gepäckausgabe, 1933-1935

486 Post von Palermo, Raum mit Schliessfächern (2011) 488 Post von Sabaudia, Schalterhalle, 1933 329

490 Bahnhof Reggio Emilia, Leuchten im Treppenaug des Wohnhauses, 1933-1935

489 Post von Bergamo, Leuchten über dem Haupteingang (2006) 491 Post Massa, Stehleuchten/Fahnenstangen vor dem Haupteingang, 1930-1933

492 Bahnhof von Montecatini, Leuchtschrift zum Ausgang (2005) 493 Post La Spezia, Stehleuchte/Fahnenstange vor den Haupteingängen, 1930-1933 330

6 7 3 4 4 4 1 2

5

494 Grundriss des Bahnhofs Reggio Emilia: 1 Abfahrt, 2 Ankunft, 3 Gepäck, 4 Wartesäle, 5 Restaurant, 6 sala autorità, 7 Betriebsräume

495 Bahnhof Reggio Emilia, Abfahrthalle mit Gepäckaufbewahrung, Boden und Decke aus grünem 496 Innenraum der Gepäckaufbewahrung mit runden Keramikmosaik, Wandverkleidungen und Lisenen aus Carrara-Marmor und Bardiglio, 1935 Hängeleuchten, 1935

497 Bahnhof Reggio Emilia, Restaurant mit gläsernem Windfang, 1935 498 Abgelehnter Entwurf für die Gepäckaufbewahrung

499-502 E. Mendelsohn, Kaufhaus Schocken, Stuttgart (1928); E. May/M. Elsaesser/W. Hebebrand, Gesellschaufthaus Palmengarten, Frankfurt a.M. (1929); C. Scoccimarro, Laden „Salmoirahi“, Mailand (1930); W. Gropius, Fabrikanlage, Werkbund-Ausstellung Köln (1914) 331

503 Post Massa, Haupteingang mit Uhr- und Treppenturm (2005) 504 Post Massa, Ansicht bei Nacht, 1933 (vgl. Abb. 454, 455)

505 Bahnhof Littoria, Ansicht der Perronanlage bei Nacht, ca. 1936

506 Post Ostia Lido, Säulenportikus bei Tageslicht, 1934 507 Post Ostia Lido, Säulenportikus bei Nachtbeleuchtung, 1934 332

508 A. Mazzoni, Bahnhof Roma Termini, Zeichnung der Hauptfront, Ansicht der erleuchteten Ankunftshalle bei Nacht, 1939

509 Bahnhof Roma Termini, Modellausschnitt der Hauptfront, 1939

510 Bahnhof Roma Termini, Ausschnitt des mit Lämpchen ausgestatteten, im Inneren beleuchteten Modells, Ansicht der Südwestflanke , 1939

511 Silhouette von Manhattan bei Nacht, publiziert in Casabella 1932 3.3 Modul und Typus 333

3.3 modul und Typus

Wenngleich das Werk Mazzonis sowohl in gestalterischer Hinsicht als auch bezüglich der Bauaufga- ben äusserst heterogen in Erscheinung tritt, zeigt sich, dass es von präzisen architektonischen Vorstel- lungen getragen wird. Sie äussern sich in den auf allen Massstabsebenen wiederkehrenden Formen, Motiven und strukturellen Elementen, insbesondere den städtebaulichen und innenräumlichen Kon- stellationen, der Anordnung der Grundrisse, der Gliederung der Baukörper, sowie den konstruktiven und dekorativen Details. Zum einen sind sie der persönlichen Inspiration des Architekten geschuldet, der sich nach seinem eigenen Ermessen an Vorbildern orientierte, diese frei interpretierte und dar- aus neue, ebenso vertraut wie originell wirkende Formenzusammenhänge schuf; wie weit der Deu- tungsspielraum intuitiv angeeigneter Entwurfsmerkmale dabei zu fassen ist, haben die Beispiele der Gepäckaufbewahrung am Bahnhof von Reggio Emilia, der Inschrift im runden Innenhof von Roma Termini und des Entwurfs für ein Gefallenendenkmal in Bologna veranschaulicht.837 Zum anderen beruhen die leitenden Ordnungsprinzipien und wiederkehrenden und -erkennbaren Formen auf typo- logischen Referenzen, anhand derer sich räumliche Dispositionen auf bekannte Bautypen zurückfüh- ren und die Werke so in einen universalen, raum- und zeitübergreifenden Zusammenhang einbinden lassen; am Beispiel der Post von Ostia Lido sind die typologischen Bezüge vor dem historischen Hintergrund bereits als Einzelfall zur Sprache gekommen. Dass Mazzonis Arbeit mit Formkonstanten und Typen verallgemeinert und auf den städtebaulichen wie auch konstruktiven Massstab ausgewei- tet bzw. fokussiert werden kann, bringen im Folgenden die Eisenbahnerhäuser in Südtirol sowie die landesweit errichteten Bahnhöfe und deren Innenausstattung exemplarisch zum Ausdruck. Sie lassen ausserdem erkennen, dass sich die übergeordneten Gestaltungsprinzipien in seiner Architektur erst deuten lassen, wenn die einzelnen Elemente oder einzelnen Bauten aus ihrer spezifischen Situation gelöst und im Kontext des Gebäudes bzw. des Gesamtwerks betrachtet werden.

3.3.1 Das Haus als städtebauliches Modul: die serielle Bauweise der Eisen- bahnerhäuser in Südtirol

Die Wohnhäuser für Eisenbahnangestellte, die Mazzoni 1927 in den Tälern Südtirols errichtete, sind bis heute kaum untersucht worden, obwohl er, wie ein Blick in die alphabetisch nach Orten struktu- rierten Fotoalben seines Nachlasses verdeutlicht, dem Projekt durchaus Bedeutung zumass und fast jedes der über sechzig Häuser in seiner Werksammlung separat dokumentierte.838 Die Dimension des Projekts, die rationale Bewältigung der Bauaufgabe und die eigenwillige, individuelle Gestaltung der einzelnen Häuser vermitteln nicht nur modellhaft die spezifische Denkweise Mazzonis und dieAr - beitsmethodik der Eisenbahnverwaltung, sondern lassen darüber hinaus die Bauten als städtebauliches Modul eines grossräumig angelegten Plans, der in der Tradition des Eisenbahnbaus dessen serielle Bauweise fortsetzt, in Erscheinung treten. Im Vergleich zu den öffentlichkeitswirksamen, komplexen Bahnhofsanlagen, Postbauten und repräsentativen Fürsorgeeinrichtungen nehmen sich die Eisenbah- nerhäuser zwar höchst bescheiden aus, sie widerspiegeln aber als wichtige Zeugen der Geschichte

837 Vgl. Kapitel 1.3.2.2, S. 90-92; 1.3.3.2, S. 112-113; 3.2.4.2, S. 317-318. 838 Vgl. FAM, MAZ G/1-G/4, G/6, G/7, B/14, fasc. 3. 334 3.3

Italiens die Bedeutung der Bauaufgabe sowie die besonderen politischen, kulturellen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedingungen, die zu ihrer Entstehung führten.

3.3.1.1 Politische, wirtschaftliche und demographische Hintergründe Südtirols Mit dem Ende der ehemaligen Donaumonarchie Österreich-Ungarn und der Unterzeichnung des Ver- trags von Saint-Germain im September 1919 wurden nach dem Ersten Weltkrieg mehrere Gebiete der österreichischen Reichshälfte zu italienischem Staatsgebiet erklärt.839 Zu den neuen Territorien gehör- ten neben Görz, Triest und Istrien auch das italienisch ausgerichtete Trentino (früher „Welschtirol“) und das überwiegend deutschsprachige Südtirol („Alto Adige“). Die Grenze zwischen den Ländern verlief neu entlang des Brennerpasses und trennte Südtirol vom übrigen Tirol ab. Die Einführung der italienischen Gesetzgebung im Jahr 1920 entzog den Südtirolern das von ihnen bis dahin noch erhoffte Recht auf Selbstbestimmung, mit der Erstarkung der Faschisten und der Regierungsübernah- me Mussolinis erfolgte dann ab 1922 in einem aggressiven Prozess politischer Vereinnahmung der systematische Import italienischer Werte und Verordnungen, die den Machtanspruch Roms auf dem neuen Territorium besiegeln und alles „Deutsche“ dauerhaft verdrängen sollten. Die Entnationalisie- rung Südtirols lässt sich in zwei Phasen unterteilen:840 die erste bezieht sich auf den Zeitraum von der Gründung der Einheitsprovinz Trient im Oktober 1920 (Trentino und Südtirol vereint zur „Provincia Venezia Tridentina“) bis zur Gründung der Provinz Bozen im Januar 1927 (Südtirol ohne Trentino) und war grundsätzlich vom Versuch geprägt, mithilfe repressiver Massnahmen die deutsche Kultur und Gesinnung zu demontieren und eine tiefgreifende soziokulturelle Veränderung herbeizuführen: „Der Germanismus muss in den Seelen ausgetilgt werden, wie er auf den Gegenständen ausgetilgt wurde“, hiess es im Oktober 1922 in der faschistischen Südtiroler Zeitung „Il Piccolo Posto“.841 1923 verkündete Ettore Tolomei, Propagandist und dominierende Kraft im Kampf um die Inbesitznahme Südtirols,842 im Auftrag Mussolinis ein 32-Punkte-Programm zur totalen Italianisierung Südtirols,843 das die Bevölkerung gezielt unter Druck setzte, indem beispielsweise Italienisch als Amts- und Ge- richtssprache eingeführt, in den Schulen der Unterricht auf Deutsch verboten, die Presse- und Mei- nungsfreiheit eingeschränkt und die Orts- und auch viele Familiennamen ins Italienische übersetzt wurden.844 Dass die identitätsstiftende Sprache ein zentrales Instrument der Umerziehung war, offen- barte sich in allen Bereichen, so etwa auch in der Polemik um die Beschriftung der Bahnhöfe, die wie folgt auf den Punkt gebracht wurde: „Si vuole o non si vuole comprendere che se anche vi sono 180 000 tedeschi che dicono: Innichen, Sterzing, Klausen, esistono anche 40 milioni di italiani che hanno il diritto di non rovinarsi la gola e di dire semplicemente: S. Candido, Vipiteno, Chiusa? Se non si vuole intender la ragione, la faremo capir presto in altro modo.“845

839 Die Zusprechungen waren bereits am 26. April 1915 im Londoner Geheimvertrag ausgehandelt worden und ausschlagge- bend für den Kriegseintritt Italiens auf der Seite von Frankreich, Grossbritannien, Russland und Serbien gewesen. 840 Vgl. Steininger 1997, S. 97-102. 841 (Zit. nach Steininger, S. 68.) 842 Ettore Tolomei (1865-1952) aus Rovereto kämpfte seit 1890 aktiv um die Angliederung Südtirols und vertrat die „Natur- grenztheorie“ (Brennergrenze) zur Legitimierung des Anspruchs, 1906 gründete er die Zeitschrift „Archivio per l’Alto Adige“, ein Propagandainstrument zur Verbreitung seiner Ideen, und zeichnete sich für die Übersetzung von über 30‘000 Orts-, Flur- und Familiennamen ins Italienische verantwortlich. Vgl. Steininger 1997, S. 22-27, 77-93. 843 Vgl. ebenda, S. 78-79; Lehmann 2000, S. 92-93. Unter dem Begriff „Italianisierung“ werden alle Massnahmen zusam- mengefasst, die auf kultureller, politischer und gesetzlicher Ebene dazu beitragen sollten, den einem anderen Kultur- oder Sprachraum angehörigen Bevölkerungsgruppen, die erst nach dem Ersten Weltkrieg italienische Staatsbürger wurden, ihren Einfluss in den Regionen (nebst Südtirol auch Trentino, Friaul, Görz und Aostatal) zu nehmen. Vgl. ebenda, S. 9. 844 „Will man eine Minderheit entnationalisieren, so muss man ihr zuallererst ihre Sprache nehmen.“ (Steininger 1997, S. 82.) 845 (Piccolo Posto, 31. Okt. 1922.) 3.3 Modul und Typus 335

Ausserdem mussten Kulturgüter und Embleme aus der Vorkriegszeit, denen ein erhöhter Symbol- gehalt bezüglich der deutschnationalen Identität zugeschrieben wurde, aus dem öffentlichen Raum entfernt oder ersetzt werden. Als besonders einschneidend erwiesen sich die Umstrukturierungen der Behörden und öffentlichen Ämter; die meisten deutschsprachigen Angestellten wurden entweder ent- lassen oder in die alten Provinzen versetzt und ihre Posten mehrheitlich von italienischem Personal neu besetzt. Davon betroffen waren auch die Stellen der staatlichen Eisenbahnen, die 1923 bereits 90% ihrer Beamten ausgewechselt hatten. Die Zuzüger kamen mit ihren Familien teilweise von weit- her aus dem Süden und liessen sich an ihren neuen, in den Tälern verstreuten Arbeitsorten nieder, wo sie in Bahnhöfen, Streckenwärterhäusern und den von Mazzoni errichteten Arbeiterhäusern wohnhaft wurden. Obwohl sie, wie die landesweiten Eisenbahnerstreiks während des biennio rosso gezeigt hatten, meist mit den Sozialisten und Kommunisten sympathisierten, schlossen sie sich in Südtirol, wo sie sich als Italiener auf einmal in der Minderheit sahen, verbreitet den lokalen faschistischen Kampfbünden an, da diese dezidiert für die nationalen Interessen und die Bedürfnisse der Zuwanderer eintraten.846 Die zweite Phase der autoritären Italianisierungspolitik begann 1927, nach der Abspaltung des Tren- tino und der Ernennung Bozens zur Hauptstadt der neuen Provinz, und stützte sich vorwiegend auf das Prinzip der „Majorisierung“, da die ersten Anstrengungen aufgrund des inneren Widerstands der Südtiroler nicht die erhoffte Wirkung gezeitigt hatten. Das Ziel bestand darin, durch die Ansiedlung möglichst vieler Italiener die deutschsprachige Bevölkerung allmählich quantitativ zu überstimmen.847 Nicht nur die öffentlichen Ämter waren deshalb neu zu besetzen, sondern in der Region mussten auch zusätzlich neue Arbeits- und Lebensgrundlagen geschaffen werden, um die Umverteilung der Bevölkerung zu beschleunigen. Zum einen intensivierte man dafür das agrarpolitische Programm der „bonifica integrale“, um nutzbaren Boden zu gewinnen und in die landwirtschaftlichen Strukturen einzugreifen,848 zum andern strebte man die gezielte Förderung von Gewerbe und Industrie und den Ausbau der Wasserenergie an. Im Zentrum des Interesses stand die Entwicklung der Stadt Bozen, für deren Bebauungsplan 1929 ein nationaler Wettbewerb ausgelobt wurde.849 Die Planung sah vor, die Stadt stark zu erweitern und für eine künftige Einwohnerzahl von 100’000 Personen (1929: ca. 37’500 Einwohner) vorzubereiten, insbesondere sollten neue Quartiere für Gross- und Kleinindustrie, dichte und lockere Wohnbebauung, Erholungsraum und öffentliche Bauten entstehen. Im Widerspruch zu der andernorts propagierten Entvölkerung der Städte versuchte man in Bozen umgekehrt, die Ver- städterung zu forcieren: „Einer historisch gewachsenen, intakten Stadt [sollte] eine faschistische Stadt, das neue Bozen, das ‚Anti-Bozen‘ gegenübergestellt werden mit dem Ziel, dem alten Zentrum seine Bedeutung zu nehmen und gleichzeitig Wohn- raum und Infrastrukturen für die anzusiedelnden Italiener aus den Altprovinzen zu schaffen.“850 Die Regierung forderte norditalienische Unternehmen, wie das Aluminiumwerk Montecatini, den Fahrzeughersteller Lancia, die Holzverarbeitungsfirma Feltrinelli-Masonite und das Stahlwerk Falck

846 Vgl. Steininger 1997, S. 51-52. 847 Vgl. Steininger 1997, S. 98. 848 Die Urbarmachungsprojekte in Südtirol, die ihren Schwerpunkt im Etschtal hatten, waren Teil der nationalen Agrarpolitik, deren wichtigsten Ziele die „battaglia del grano“ („Kampf ums Korn“: Steigerung der Selbstversorgung und Produktivi- tät), die „colonizzazione interna“ („innere Kolonisation“: Umverteilung der Bevölkerung) und die Wiedereingliederung ehemaliger Frontkämpfer, die im Auftrag der ONC das Land urbar machten, waren. Vgl. Piccolo Posto, 23. Okt. 1926; Piccolo Posto, 8. Sept. 1926; Piccolo Posto, 11. Sept. 1926; Steininger 1997, S. 99; Lehmann 2000, S. 62-69, 120-124. 849 Vgl. Marconi, Pl. 1930, S. 540-556; Zoeggeler, Ippolito 1992, S. 10-48; Lehmann 2000, S. 108-163. 850 (Lehmann 2000, S. 111.) Vgl. Kapitel 3.1.2.1 sowie Anm. 356. 336 3.3 explizit auf, in der geplanten Industriezone Zweigwerke zu eröffnen. Im Gegenzug zu den Nachteilen, die ihnen aus der Randlage Südtirols, den weiten Lieferwegen und ungünstigen Absatzbedingungen erwuchsen, sicherte ihnen die Regierung finanzielle Anreize in Form von Steuererleichterungen, bil- ligen Grundstücken und vergünstigten Transport- und Energiekosten zu. Ab 1935 stellten die Werke bereits Aluminium, Magnesium, Zink, hochwertigen Stahl, Faserplatten und Autokarosserien vor Ort her, alles Produkte, die gerade im Zusammenhang mit der staatlich verordneten Autarkiepolitik und der militärischen Aufrüstung eine wichtige strategische Bedeutung erhielten.851 Für die teilweise sehr energieintensiven Industrieanlagen erwies sich die Verfügbarkeit von Elektrizität, die durch den konti- nuierlichen Ausbau der Wasserkraftwerke in den Tälern gewährleistet war, als vorteilhaft, so auch für die Eisenbahn, die seit 1929 zwischen Bozen und Brenner als eine der ersten Strecken Italiens elekt- risch befahren wurde. 852 Die Eisenbahn spielte in der gesamten Region für die wirtschaftliche, militär- strategische und demographische Entwicklung eine wesentliche Rolle, da sie umfangreiche, schwere Transporte ermöglichte und Rohstoffe, Güter, Personen und Truppen effizient verteilen konnte, über- dies leistete ihr Personal auch in entlegenen Gebieten einen Beitrag zur Italianisierung. Obwohl der Bebauungsplan für Bozen erst 1939 definitiv genehmigt wurde, schritt die Umsetzung des politisch initiierten Programms zügig voran. Die Industrie erzeugte in der bis anhin von der Land- wirtschaft und vom Tourismus geprägten Provinz eine neuartige Produktivität, parallel dazu entfaltete sich eine erhebliche Bautätigkeit, was erwartungsgemäss eine Vielzahl neuer Stellen schuf und das bestehende soziale Gefüge durch den übermässigen Zuzug auswärtiger Arbeitskräfte aus dem Gleich- gewicht brachte.853 Mit dem Umsiedlungsabkommen, das Mussolini und Hitler am 23. Juni 1939 in Berlin beschlossen und im Oktober bekannt gaben, erreichte der Druck auf die deutschsprachige Be- völkerung seinen Höhepunkt; innert kürzester Zeit (bis zum 31. Dezember 1939) mussten die Südtiro- ler die folgenreiche Entscheidung fällen, entweder ins Deutsche Reich abzuwandern oder die italieni- sche Staatsbürgerschaft zu behalten und damit die totale Assimilierung in Kauf zu nehmen.854

3.3.1.2 Planung und Gestaltung der Eisenbahnerhäuser Im Lauf des Ausbaus und der Elektrifizierung der Eisenbahnstrecken, die zum Bau neuer Kraft- und Umspannwerke, Remisen, Lagerschuppen, Werkstätten, Laderampen und Rangiergleise führten, und parallel zu den Umbauten des Grenzbahnhofs Brenner (1. Phase ab 1925) und des Bahnhofs der Provinzhauptstadt Bozen (1927-1928) entstanden in den drei Haupttälern Südtirols in nahezu allen kleinen und grösseren Ortschaften zwischen Bozen und Brenner (Eisacktal), Bozen und Mals (Etsch- tal und Vinschgau) sowie Franzensfeste und Innichen (Pustertal) neue Wohnhäuser für Eisenbahnan- gestellte. Die generelle Wohnungsnot in Südtirol, das fehlende Wohnungsangebot in abgeschiedenen

851 Zum Industriebau in Südtirol zur Zeit des Faschismus vgl. Bertsch 1992, S. 173-187. 852 Noch früher wurden die Strecken zwischen Livorno, La Spezia, Genua, Alessandria, Turin und Bardonecchia sowie jene von Mailand nach Varese und ins Veltlin elektrifiziert, vgl. Relazione 1926-27, 1927, o. S. 853 Bis 1940 war die Bevölkerung Bozens bereits auf 60’000 Einwohner angestiegen. 854 Rund 213’000 Menschen (86% der Bevölkerung) optierten für Deutschland, 75’000 verliessen 1940 und 1941 tatsächlich das Land, danach geriet die Umsiedlung ins Stocken. Ausser Bozen verzeichneten alle Gemeinden Südtirols in jenen Jah- ren eine starke Abwanderung. Vgl. Lill 1991; Bevölkerung in Südtirol 2002, S. 40-155. Jene, die für Italien optierten, sa- hen sich 1943, als Mussolini von den Deutschen befreit wurde und als deren Verbündeter die Republik von Salò anführte, plötzlich wieder in der Rolle der Verräter und von dem beherrscht, der ihnen unlängst die „Italianità“ aufgezwungen hatte. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die von Rom aus gelenkte Politik der Fremdbestimmung in Südtirol weitergeführt, was in der Bevölkerung zunehmend für Frustration und Gewaltbereitschaft sorgte; erst 1972, nach dem Inkrafttreten des Zweiten Autonomiestatuts, das der Autonomen Provinz Bozen die entscheidenden Kernkompetenzen übertrug, konnten die Spannungen allmählich entschärft werden. 3.3 Modul und Typus 337

Gegenden, die notwendige Nähe zum Arbeitsplatz, die Dringlichkeit und der politische Wille, auf dem neuen Territorium Präsenz zu markieren, veranlassten die Eisenbahngesellschaft um 1927, für ihre Angestellten eigenen Wohnraum zu beschaffen. Zweifellos garantierte ein direkt von Rom aus koordinierter, staatlicher Eingriff ein rasches, unabhängiges, gut kontrollierbares Vorgehen, so dass das Projekt nicht, wie üblich, von der Lokalsektion (damals noch in Trient, ab 1927 in Bozen stati- oniert) ausgearbeitet wurde, sondern von Mazzoni im zentralen Baubüro in Rom.855 Ausser einigen Fotos finden sich weder im Zentralarchiv der Eisenbahn noch im persönlichen Nachlass Mazzonis Zeichnungsunterlagen oder Korrespondenz, die über den Entwurfsprozess Aufschluss geben würden, einzig im Archiv des technischen Büros in Bozen werden Plankopien der verschiedenen Haustypen aufbewahrt, anhand derer sich die Planung ansatzweise rekonstruieren lässt, obwohl die Zeichnungen undatiert sind und Situationspläne fehlen.856 Es ist davon auszugehen, dass Mazzoni in Absprache mit seinen Vorgesetzten in Rom das Gesamtkonzept entwickelte, die Typengrundrisse, -schnitte und An- sichten entwarf und sie anschliessend nach Bozen weiterleitete, wo sie von den Mitarbeitern für die konkreten Orte adaptiert wurden. Ob er jede spezifische Situation der Häuser genau kannte und über- prüfte oder hauptsächlich das Vorgehen definierte und die Ausführungsplanung von fern begleitete, lässt sich nicht zurückverfolgen. Ein Schriftwechsel zwischen dem Ufficio 5° und der Bauabteilung in Bozen vom August 1930 belegt ausserdem, dass nicht alle Häuser in der ersten Bauphase um 1927 errichtet wurden, sondern auch später noch auf dieselben Pläne zurückgegriffen wurde.857 Wie die nachfolgende Tabelle aufzeichnet, können mindestens 62 Häuser bestehend aus 528 Wohn- einheiten an 45 Orten nachgewiesen und fünf verschiedenen Typen zugeordnet werden. Die Gesamt- heit der Bauten ist als ein einziger Entwurf zu betrachten, obwohl tatsächlich kein Haus mit einem anderen formal identisch ist. Dem Entwurfskonzept liegen einfache typologische, konstruktive und materielle Rahmenbedingungen zu Grunde, das heisst ein gleichbleibendes Raumprogramm, ähnliche Wohnungsgrundrisse, ein einheitliches Konstruktionssystem und wiederkehrende Öffnungstypen, die mit einigen wenigen Gestaltungselementen variiert wurden, so dass sich unterschiedliche Haustypen herausbildeten. Die veränderlichen Grössen sind in erster Linie die Materialien, Farben und Oberflä- chen, die applizierten, dekorativen Elemente, die Dachformen und, in geringem Ausmass, die Volu- metrie. Sie ermöglichten mithilfe bescheidener Mittel, den Ausdruck der Baukörper schier unendlich zu variieren, ohne in die Grundstruktur einzugreifen, und jedem Haus ein individuelles Gepräge zu geben, ohne die einheitliche, serielle Erscheinung des Projekts zu gefährden. Businari führte dieses ebenso uniforme wie bewegliche Konzept auf die Dringlichkeit der Planung und die weiträumige An- ordnung der Bauten zurück: „Per quanto l’urgenza imponesse l’adozione di un tipo unico o pressoché unico di fabbricato, venne seguito il concetto di modificare il tipo stesso nei particolari in guisa che la varietà delle costruzioni appagasse l’occhio e si adattasse al panorama circostante.“858

855 Mazzoni hatte zuvor schon als Angestellter der Lokalsektion von Bologna Eisenbahnerhäuser entworfen, deren Gestal- tung mit jener in Südtirol durchaus vergleichbar ist. Vgl. Kapitel 1.2.2.2, S. 58-59. 856 Vgl. AFSCB, Dis. 5619 (II-697)- 5636 (II-699), 8814 (II-697). Weitere Informationen zum Projekt finden sich auch in: Abitazioni per il personale 1929, 215-226; Architettura e Arti Decorative, Okt./Nov. 1929; Businari 1931 (1), S. 11-12. 857 Vgl. ASFSR, B. 5230, B0(15) fasc. XL, 150-158, fasc. XXV, 1073-1076, 1089. Im Briefwechsel ging es um den Bau zu- sätzlicher Häuser in Bozen, Brixen und Brenner nach der Verabschiedung des Arbeitsbeschaffungsprogramms, inwieweit Mazzoni noch in das Projekt involviert war, geht daraus aber nicht hervor. Zudem lässt der einzig bekannte Situationsplan der Häuser in Klausen vermuten, dass das dritte, nur als Kontur gezeichnete Haus auch erst später ausgeführt wurde. Vgl. Architettura e Arti Decorative, Okt./Nov. 1929, S. 139. 858 (Businari 1931 (1), S. 11.) EISENBAHNERHÄUSER IN SÜDTIROL TABELLE STAND OKT. 2013

Häuser Typ 1.) Wohnung Zimmer Lage/Einrichtungen Zustand AM 2.) Brennerbahn Bozen - Brenner Häuser Typ 1.) Wohnungen Zimmer Lage/Einrichtungen Zustand AM 2.) Bolzano / Bozen 1 A.2 12 42 Gleisfeld, bei 6 älteren Eisenbahnerhäusern bewohnt Cardano / Kardaun 1 A.1 12 42 bei Elektrizitätswerk "Carlo Cicogna" (1926) bewohnt, neue Balkone X Prato all'Isarco / Blumau 2 neben Bahnhof X Staatsstrasse 12 C 8 28 bewohnt X Bahnhofstrasse C 8 28 bewohnt X Campodazzo / Atzwang 1 C 8 28 neben Bahnhof bewohnt X Ponte Gardena / Waidbruck 1 A.1 12 42 im Dorf bewohnt X Albes / Albeins 1 C 8 28 neben Haltepunkt, abseits Dorf abgerissen Chiusa / Klausen 3 Verzweigung Grödnertal X Haus unten C 8 28 jenseits des Tinnebachs am Stadtrand bewohnt, neuer Balkon X Haus mitte B 10 32 bewohnt X Haus oben D.2 6 21 bewohnt X Bressanone / Brixen 5 X Vittorio Veneto A.1 12 42 um 1930 errichtet, Nähe Bahnhof bewohnt Verdistrasse 1 A.1 12 42 hinter Bischofssitz bewohnt X Verdistrasse 2 A.1 12 42 bewohnt X Dantestrasse 1 A.1 12 42 neben Werkstätten stadtwärts bewohnt X Dantestrasse 2 A.1 12 42 bewohnt X Varna / Vahrn 2 neben Umspannwerk, Dopolavoro X Bahnhofstrasse 1 C 8 28 bewohnt X Bahnhofstrasse 2 D.2 6 21 bewohnt X Mezzaselva / Mittewald 1 C 8 28 neben Haltepunkt, abseits Dorf bewohnt, neuer Balkon Le Cave / Grasstein 2 Nähe von Granitsteinbrüchen Eisackstrasse D.1 6 21 bei Militärladerampen verlassen Via Corvara D.2 6 21 neben Umspannwerk verlassen Mules / Mauls 1 C 8 28 neben Haltepunkt, abseits Dorf bewohnt, neuer Balkon Campo di Trens / Freienfeld 1 B 10 32 Güterabfert., elektromech. Stellwerk, Militär bewohnt, neue Vordächer X Vipiteno / Sterzing 1 D.2 6 21 neben Bahnhof, Stadtrand, Umspannwerk bewohnt, neue Balkone Colle Isarco / Gossensass 1 2.1 12 42 neben Bahnhof, Dorfrand bewohnt, neue Balkone Fleres / Pflersch 1 C 8 28 Kehrtunnelausgang Pflersch abgerissen Moncucco / Schelleberg 1 C 8 28 am Hang zwischen Gossensass und bewohnt, neue Balkone 1 3 6 21 Haltestelle Schelleberg abgerissen Terme di Brennero / Brennerbad 2 ehemaliger Bäderort, Umspannwerk Haus 1 C 8 28 Schleppdienst für österreichische Elektrozüge abgerissen Haus 2 D.2 6 21 zw. Brennerbad und Brennerpass abgerissen Brennero / Brenner 4 Grenzbahnhof, Wendepunkt für Lokomotiven, Zollstation, Lokdepot, Werkstätten Haus 1 B 10 32 um 1930 hinzugefügt teilweise bewohnt Haus 2 A.1 12 42 Dorfausgang Richtung Süden bewohnt X Haus 3 A.4 12 42 Dorfausgang Richtung Süden bewohnt, neue Balkone X Haus presso confine A.1 12 42 bei Grenzübergang teilweise bewohnt X Gesamt 33 304 1055

Pustertalbahn Franzensfeste - Innichen Rio di Pusteria / Mühlbach 1 D.1 6 21 neben Bahnhof, bei Elektrizitätswerk bewohnt X Vandoies / Vintl 1 B 10 32 im Dorf bewohnt, neue Vordächer X S. Sigismondo / St. Sigmund 1 F 4 12 neben Haltepunkt, abseits Dorf neben Hof verlassen X Casteldarne / Ehrenburg 1 C 8 28 zw. Bahnhof und Dorf bewohnt X Brunico / Bruneck 2 neben Bahnhof auf Anhöhe X Haus blau C 8 28 bewohnt, Balkon geschlossen X Haus rot D.1 6 21 bewohnt, Balkon erneuert X Valdaora / Olang 1 D.1 6 21 neben Bahnhof, abseits Dorf bewohnt, neue Balkone X Monguelfo / Welsberg 1 C 8 28 ausserhalb Dorf neben Wasserstation bewohnt X Villabassa / Niederdorf 1 D.1 6 21 neben Bahnhof am Dorfeingang bewohnt X Dobbiaco / Toblach 1 B 10 32 Nähe Bahnhof u. Südbahnhotel, abseits Dorf teilweise bewohnt X S. Candido / Innichen 2 Grenzbahnhof, Wendepunkt für Lokomotiven X Haus presso stazione A.1 12 42 gegenüber Bahnhof bewohnt X Haus presso confine A.3 12 42 gegenüber Bahnhof bewohnt ( X) Gesamt 12 96 328

Vinschgaubahn Bozen - Mals Ponte d'Adige / Sigmundskron 1 D.1 6 21 neben Bahnhof, Weiler bei Etschbrücke bewohnt Terlano / Terlan 1 D.1 6 21 im Dorf bewohnt, neue Balkone X Vilpiano-Nalles / Vilpian-Nals 1 D.1 6 21 neben Bahnhof, Dorfrand bewohnt X Lana-Postal / Lana-Burgstall 1 C 8 28 neben Bahnhof zw. Lana und Burgstall bewohnt X Maia Bassa / Untermais 1 C 8 28 Nähe Bahnhof neben Pferderennbahn bewohnt X Merano / Meran 3 X presso stazione (Lagundo) A.1 12 42 neben Bahnhof bewohnt X Via Alpini (in città) A.1 12 42 Gruppe von Eisenbahnerhäusern zw. Bahn- bewohnt X Via Monastero (in città) A.4 12 42 hof und Stadtzentrum bewohnt X Marlengo / Marling 1 C 8 28 Nähe Bahnhof neben Bahnübergang bewohnt Tel / Töll 1 D.1 6 21 Elektrizitätswerk "Töll" (1895, 1904-1911) abgerissen (?) X Naturno / Naturns 1 D.1 6 21 neben Bahnhof, abseits Dorf bewohnt Senales / Schnalstal 1 D.1 6 21 Elektrizitätswerk "Schnalsthal" (1909-1910) verlassen Laces / Latsch 1 D.1 6 21 neben Bahnhof, Dorfrand bewohnt Silandro / Schlanders 1 D.1 6 21 neben Bahnhof bewohnt Lasa / Laas 1 D.1 6 21 Marmorsteinbruch, neben Bahnhof, Dorfrand bewohnt Oris / Eyrs 1 F 4 12 neben Bahnhof, abseits Dorf verlassen Sluderno / Schluderns 1 F 4 12 neben Bahnhof, Dorfrand bewohnt Malles / Mals 1 D.1 6 21 im Dorf bewohnt X Gesamt 17 128 444 Gesamttotal 62 528 1827 1.) Tipo "A", 12 Wohnungen: 3-geschossig, 2 Eingänge (Typ A.1 "Giebel und Turm", Typ A.2 "gestuftes Dach", Typ A.3 "Giebel mittig", Typ A.4 "doppelter D mit Holzbalkon") Tipo "B", 10 Wohnungen: 2- und 3-geschossig, 2 Eingänge ("abgeschrägtes Dach") Tipo "C", 8 Wohnungen: 2-geschossig, 2 Eingänge ("gestuftes Dach") Tipo "D", 6 Wohnungen: 3-geschossig, 1 Eingang (Typ D.1 "Holzbalkon", Typ D.2 "Steinbalkon") Tipo "F", 4 Wohnungen: 2-geschossig, 1 Eingang 2.) AM: Angiolo Mazzoni, Fotodokumente im fondo Angiolo Mazzoni, Archivio del '900, MART Rovereto (MD MAZ G1-G7) 3.3 Modul und Typus 339

Die Häuser weisen jeweils einen Keller, ein Hochparterre, ein oder zwei Obergeschosse und einen hölzernen Dachstuhl auf. Ihre Tragkonstruktion besteht aus Bruchsteinmauerwerk und armierten Betongurten, die zwischen den Geschossen eingefügt einen festen Rahmen bilden, um die Erdbeben- sicherheit zu gewährleisten.859 Die massiven, 50 bis 65 Zentimeter dicken Aussenwände sind im So- ckelbereich mit grob oder fein behauenen Natursteinquadern verkleidet und in den oberen Geschossen mit glatt gestrichenem, rauem oder gerilltem, meist farbig gefasstem Kalkmörtel verputzt.860 Der Sockel ist auffallend uneinheitlich ausgebildet; er schichtet den Baukörper nicht horizontal, indem er eine bestimmte, durchgehende Höhe kennzeichnet, sondern verzahnt sich mit den Putzflächen der Obergeschosse, indem er zwischen dem Keller- und dem Obergeschoss kontinuierlich aufgebaut und wieder abgetragen wird, als wäre er ein Überrest eines alten Fundaments oder ein Stück Fels, das aus der Erde ragt. Stellenweise geht der Sockel unvermittelt in eine geordnete Eckrustika über, weitet sich zu einem von schweren Konsolen getragenen Balkon aus, fasst eine Nische oder löst sich ruinenhaft auf. Sein fragmentarischer Charakter wird durch weitere gestalterische Massnahmen an den Fassaden noch übersteigert, etwa durch bruchstückhaft eingesetzte, kräftige Gesimse aus Natur-, Kunst- oder verputztem Ziegelstein, die auf verschiedenen Höhen das Bossenwerk abschliessen, durch sporadi- sche, aus Ziegeln gefertigte Mauerflächen, Friese und Einfassungen, die einzelne Raumabschnitte akzentuieren und Öffnung umrahmen, durch scheinbar willkürlich in die Fassaden eingefügte Balken mit dekorativen Scheinauflagern, die dem Aufstellen von Pflanzen dienten, oder durch die aus den Au- ssenwänden hervortretenden Kamine, die sich stufenweise nach unten verjüngen und von markanten, tropfenförmigen Konsolen aufgefangen werden. Analog zum Sockel sind die Häuser oben von unregelmässigen Dachformen abgeschlossen; je nach Haustyp wird das Hauptwalmdach von Zwerchdächern durchbrochen oder mit Schleppdächern er- gänzt, teilweise ist es sogar in Teilstücke zergliedert, deren Firste auf unterschiedlichen Höhen liegen. Aussen kragt das Gebälk des Dachstuhls meistens leicht vor, stellenweise wird es von einem Ortge- sims abgedeckt. Neben der Vielförmigkeit des Sockels und des Dachs fallen als weiteres Merkmal der Bauten die Balkone ins Auge: bei zwei der fünf Haustypen ist jeweils einer der Wohnungen ein schmaler Balkon angegliedert, der entweder als leichte Holzkonstruktion auf kräftigen Steinkonsolen ruht oder vollständig aus Naturstein gemauert und mit gewölbten Auflagern versehen eine massive Auskragung bildet. Abgesehen davon, dass nur einer Wohnung das Privileg eines privaten Aussen- raums zugestanden wird, verdeutlichen vor allem die Steinbalkone, deren Brüstungen beinahe ebenso tief wie die verfügbare Stehfläche sind, dass dem Balkon als Bauelement keine wirklich zweckmässi- ge, sondern primär eine zeichenhafte und baugliedernde Funktion zukam. Bei jedem Haus sind ausserdem eine Ädikula oder eine Ecknische in die Fassade eingefügt oder eine speziell überdachte Konsole an einer Hausecke angebracht, um einer Heiligenfigur, einem An- dachtsbild oder, wie Planansichten andeuten, einem plastischen Rutenbündel als Schutzpatron Raum zu bieten. Über den Nischen hängt meistens eine zierliche Blechlaterne – ein Detail, das an eine der Zeichnungen, die Mazzoni 1922 im Rahmen seiner Diplomarbeit präsentierte, erinnert.861 Ebenso fand

859 Vgl. Kapitel 2.3.1.3, S. 174. 860 In die Wände sind teilweise riesige Granitsteinblöcke (bis zu 60cm lang) eingemauert; der Kalkputz wurde nach dem da- mals üblichen traditionellen handwerklichen Verfahren auf einen grobkörnigen Unterputz aufgetragen und wahrscheinlich noch während des Trocknungsprozesses farbig gefasst, so dass die Farbe eine feste Verbindung mit dem Trägermaterial einging und heute unter den später erfolgten Anstrichen teilweise wieder zum Vorschein kommt. 861 Vgl. FAM, MAZ D/3, S. 154bis, IV. 340 3.3 sich an den Fassaden ursprünglich ein Medaillon, das die Aufschrift „AN V“ (Jahr 1927) und ein Lik- torenbündel mit Axt oder den römischen Reichsadler mit Königswappen zeigte. Die Baukörper sind am Boden stets von einem etwa ein Meter breiten Streifen mit Kunst- oder Na- tursteinbelag eingefasst und stehen auf einem meist ebenen Grundstück, das der gemeinsamen Be- nützung diente und wahrscheinlich in einen Bereich mit Nutzgärten unterteilt war. Die Hauseingänge sind mit hölzernen, ziegelbedeckten, auf Steinkonsolen abgestützten Vordächern in Giebel- oder Pultdachform ausgestattet und führen zu einer dreiläufigen Treppe, deren Stufen und Podeste aus vor- gefertigten Natur- oder Kunsteinelementen bestehen und von einem schlicht ornamentierten, eisernen Geländer mit hölzernem Handlauf begleitet werden. Auf jedem Geschoss werden je zwei Wohnungen, vorwiegend Drei-, gelegentlich auch Vierzimmerwohnungen mit separater Toilette, erschlossen, deren Räume zwischen zwölf und achtzehn (selten zwanzig) Quadratmeter gross sind und eine lichte Höhe von 3.10 Meter haben. Sie werden über einen gemeinsamen Vorraum erreicht und über hochrechtecki- ge Fenster (0.80 x 1.80m) belichtet, im grössten Raum ist stets die Küche eingerichtet. Je nach Nut- zung der Räume sind die Böden mit Holzriemen, Terrakotta-, Terrazzo- oder Keramikfliesen belegt. Ihre Grösse und Ausstattung entsprachen dem in Italien damals für staatlich unterstützten Wohnungs- bau üblichen Ausbaustandard, der nicht luxuriös, aber mit Toilette, fliessendem Wasser und hellen, beheizbaren Räumen durchaus modern ausgerüstet war.

3.3.1.3 Die fünf Haustypen Grundsätzlich lassen sich fünf Haustypen unterscheiden: Typ „A“ mit zwölf Wohnungen ist dreigeschossig und weist zwei Hauseingänge sowie ein Walmdach mit durchgehendem First auf. Eine der Längsfassaden wird von je einem Giebelfeld mit Zwerchdach und einem Turmelement überhöht. Über dem Sockel ist jeweils übereck eine Nische aus Bossenqua- der für den Schutzpatron angeordnet. Ausnahmsweise wurde dieser Haustyp auch mit springendem First (Bozen), mit nur einem, aber breiten Giebelfeld in der Mitte der Längsfassade (Innichen) oder mit einem übereck gesetzten Holzbalkon (Meran, Brenner) errichtet. Typ „B“ mit zehn Wohnungen ist sowohl zwei- als auch dreigeschossig und weist zwei Hauseingänge ohne Vordächer sowie verschiedene Dachformen auf. An den dreigeschossigen Mittelbau fügen sich beidseitig je ein zweigeschossiger Baukörper an; auf der einen Seite werden die Volumen durch die starke Neigung des einseitig erweiterten Walmdachs verschliffen, auf der anderen Seite sind sie in der Höhe gestuft, dabei zeigt sich der höhere Baukörper von der Schmalseite als Giebelfront, während der niedrigere von einem Walm bedeckt wird. Für den Schutzpatron ist übereck eine auskragende, von einem Dächlein geschützte Steinkonsole vorgesehen, auf der gegenüberliegenden Hausseite gibt es zusätzlich eine Ädikula für ein Andachtsbild. Wegen seiner asymmetrischen Volumetrie und Dach- form ist dieser Typ der aussergewöhnlichste von allen und wurde nur im Pustertal und im Eisacktal insgesamt fünfmal gebaut (Toblach, Vintl, Brenner, Freienfeld, Klausen). Typ „C“ mit acht Wohnungen ist zweigeschossig und weist zwei Hauseingänge sowie ein Walmdach mit springendem First auf. Seine weiteren Merkmale sind der steinerne Balkon, der im Obergeschoss am äussersten Rand aus der rückwärtigen Längsfassade hervorsteht, und die Rundbogennische für den Schutzpatron, die neben einem der beiden Hauseingänge in die Wand gesetzt ist. Typ „D“ mit sechs Wohnungen und einem Hauseingang ist dreigeschossig, er ist der meist gebaute Typ und kann in zwei Gruppen unterteilt werden: Erstere ist mit einem Walmdach gedeckt und auf der 3.3 Modul und Typus 341

Eingangsseite mittig durch einen minimal hervorstehenden Risalit und ein Giebelfeld gegliedert. Im dritten Geschoss liegt übereck ein Balkon auf Steinkonsolen, der von einem Schleppdach geschützt wird. Die Nische für die Heiligenfigur ist analog zu jener von Typ „A“. Die zweite, nur im Eisackt- al gebaute Gruppe, zu der keine Pläne existieren, weist auf einer der Schmalseiten des Hauses eine Giebelfront und auf der anderen ein Walmdach auf, das mit zwei übereck angeordneten Zwerchdä- chern kombiniert ist. Anstatt eines Holzbalkons ist im dritten Geschoss übereck ein Steinbalkon mit gewölbten Auflagern und zwei Arkadenbögen angebracht. Ein Ort für den Schutzpatron wurde nicht eingeplant. Typ „F“, mit vier Wohnungen der kleinste und auch seltenste Bautyp (Schluderns, Oris, St. Sigmund), ist zweigeschossig und weist einen Hauseingang ohne Vordach sowie ein Walmdach, das von einem kleinen Giebelfeld durchbrochen wird, auf. Eine separat überdachte Ädikula für ein Andachtsbild wird zusätzlich von einem Schleppdach auf Traufhöhe geschützt. Eine der Hausecken ist partiell ab- geschrägt, um in der Nische ein Rutenbündel zu präsentieren.862

3.3.1.4 Die Häuser im Kontext des Eisenbahnbaus und der lokalen Bautraditionen Die Eisenbahnerhäuser fallen gegenüber der umgebenden lokalen Bauweise nicht nur augrund ihrer eigenwilligen äusseren Gestaltung und der Proportionen der Baukörper auf, sondern vor allem we- gen ihrer besonderen Lage im Kontext der Eisenbahninfrastruktur. Da sie jeweils nahe am Arbeitsort ihrer künftigen Bewohner errichtet wurden, das heisst unmittelbar neben Bahnhöfen, Haltestellen, Umspannwerken, Depots, Rangiergleisen oder Laderampen für die Güter-, Vieh- und Militärabfer- tigung, waren sie primär eng an die Streckenführung und die Bedürfnisse der Eisenbahn gebunden, deren Trassees wiederum an das Gelände und die Leistungsfähigkeit der Fahrzeuge angepasst worden waren. Ausser in den grösseren Orten Bozen, Meran, Brixen und Bruneck und an Knotenpunkten wie Sterzing, Franzensfeste, Klausen, Waidbruck oder den Grenzorten Brenner und Innichen lagen daher fast alle Häuser ursprünglich abgesondert am Rand oder weit entfernt von den damals noch kleinen, kompakten, ländlich geprägten Dörfern, die von der Bahn teilweise grossräumig umfahren wurden. Beispielhaft ist diesbezüglich das zweigeschossige Wohnhaus bei Mauls im Eisacktal (Typ „C“), das neben einer Haltestelle und einem Bahnwärterhaus einsam auf freiem Feld errichtet wurde und mit dem kleinen Weiler auf der anderen Seite des Flusses über eine schmale Hängebrücke verbunden war. Die Häuser integrierten sich folglich vorab als Bestandteil des Eisenbahnnetzes in die bestehenden, lokalen Strukturen, zudem wichen ihre Dimensionen, vor allem die vier bis zwölf Wohneinheiten und die für die Region aussergewöhnlichen Raumhöhen und Fenstermasse, vielerorts von der Massstäb- lichkeit der übrigen Bebauung ab. Mazzoni knüpfte sein weitläufiges Netz aus Wohnbauten nicht nur städtebaulich, sondern auch in pla- nerischer Hinsicht an ein bereits mustergültig ausgebautes Eisenbahnsystem an, das ab Mitte des 19. Jahrhunderts unter der Leitung österreichischer Eisenbahnpioniere realisiert worden war. 1859 war zuerst die Linie Verona-Bozen eröffnet worden, 1867 dann die Linie Bozen-Innsbruck, 1871 und 1881 die Seitenlinien ins Pustertal bzw. nach Meran und 1906 schliesslich die Verlängerung von Meran nach Mals. Mit dem Grossprojekt der Brennerbahn, die eine direkte Verbindung zwischen Innsbruck, Bozen und Verona herstellen und den Weg durch die Alpen nach Südtirol erleichtern sollte, war 1861

862 Im Archiv in Bozen wird mit Typ „E“ noch ein weiteres Haus ausgewiesen und als dreigeschossige Variante des Typs „F“ bezeichnet, es unterscheidet sich allerdings, soweit ersichtlich, nicht von Typ „D“. Vgl. AFSCB, Dis. 5632- 5634. 342 3.3 der Eisenbahningenieur Karl von Etzel (1812-1865) als neuer Baudirektor der österreichischen Süd- bahn betraut worden. Die Streckenführung durch das Gebirge erwies sich als höchst anspruchsvoll, da die schweren Dampflokomotiven beachtliche Steigungen, enge Täler, sumpfigen Untergrund und prekäre Stellen passieren, regelmässig mit Wasser und Kohle versorgt und gewartet werden mussten, überdies erfolgte der Bau unter grossem Zeitdruck und politisch schwierigen Bedingungen, nachdem sich Venetien 1866 dem Königreich Italien angeschlossen hatte. Die Leitung der Hochbauabteilung übergab Etzel dem in eisenbahntechnischen Aufgaben ebenfalls erfahrenen Architekten Wilhelm von Flattich (1826-1900), der die Planung aller für den Schienen- verkehr notwendigen Gebäude übernahm.863 Flattich hatte zuvor als Angestellter der Österreichisch- Ungarischen Staatseisenbahngesellschaft unter der Anleitung des französischen Direktors Vincent J. Maniel die ersten Hochbau-Normalpläne ausgearbeitet, eine verallgemeinernde Planungsgrundlage, die sämtliche Bauaufgaben vom Situationsplan bis ins Detail typisierte und die Eisenbahnbauten entsprechend ihrem Verkehrsaufkommen und Verkehrswert klassifizierte.864 Die Normalien beschrie- ben die Grösse, Konstruktionsweise, Materialisierung und Ausstattung einer begrenzten Anzahl von Bautypen, waren aber keine Ausführungspläne, sondern sollten den Ingenieuren als Entwurfsbasis für die konkreten Projekte dienen und jeweils an die lokalen Bedingungen angepasst werden. Die italieni- schen Eisenbahnen gaben 1906 nach ihrer Verstaatlichung ein vergleichbares Grundlagenwerk für den Bau von Bahnhofsbauten heraus; ebenso beispielhaft, wie jenes von Flattich, zeigt es das funktionale Spektrum der Bauaufgabe, die den Bahnhof nicht nur als Empfangsgebäude definierte, sondern als Bauensemble, das je nach Lage aus Empfangsgebäude, Stellwerk, Perronanlage, Wasserstation, Toi- letten, Werkhalle, Remise, Lagerschuppen, Bahnwärterhaus, Zisterne, Brunnen und sogar Backstube bestand.865 In der Pionierzeit des Eisenbahnbaus wurden diese Regelwerke als Antwort auf das riesige Baupro- gramm, mit dem sich die Ingenieure konfrontiert sahen, entwickelt: „eine Fülle neuer Aufgabengebie- te, die mit einem Schlag bewältigt werden mussten, ohne abgesicherten Erfahrungsgrundstock, und doch nach den strengen Kriterien von Funktionalität und Effizienz; dazu kam die Unsicherheit des materiellen Erfolgs (...) und daher: die Einhaltung engster ökonomischer Grenzen.“866 Sie sollten aber nicht nur die Ausführung der vielen Bauten rationalisieren und beschleunigen, sondern vielmehr als Werkzeug dienen, um die Qualität der technischen Ausrüstung und des architektonischen Ausdrucks sowie die Funktionalität und Wirtschaftlichkeit sicherzustellen. Neben den Hochbauten der Brenner- bahn zeichnete Flattich auch für jene an der nur wenige Jahre später eröffneten Pustertal-Linie verant- wortlich. Charakteristisch sind die Empfangsgebäude, die stets aus Natursteinquadern gemauert sind, einen Sockelbereich und Gesimse, Einfassungen und konstruktive Elemente aus unterschiedlich bear- beiteten Natursteinquadern aufweisen und über ein Satteldach aus Holz mit Giebelschmuck verfügen, je nach Klassifizierung auch über Risalite, Quergiebel und Eckrustika. Als nach der Jahrhundertwende die Bahn von Meran nach Mals realisiert wurde, setzte Konstantin Chabert, Oberbauleiter der Vin- schgaubahn, das Bauprinzip Flattichs in leicht veränderter Form fort, so liess er seine Hauptgebäude verputzen und mit Holzfachwerk im Giebelfeld, Eckrustika, Veranden und hölzernen Vordächern auf Steinkonsolen über den Eingängen versehen, teilweise auch mit Balkonen aus Holz. Viele dieser kon-

863 Vgl. Baumgartner 1990, S. 11-53; Bertsch 1992, S. 49-77. 864 Vgl. Bertsch 1992, S. 51; Vasko-Juhász 2006, S. 51-54. 865 Vgl. Fabbricati delle stazioni 1906; sowie Bertsch 1992, S. 51, Anm. 3. 866 (Bertsch 1992, S. 50.) 3.3 Modul und Typus 343 struktiven und dekorativen Elemente, die Flattich und Chabert in bewusster Anlehnung an die lokalen, alpinen Bauformen und -materialien verwendet hatten, finden sich in derArchitektur der Eisenbahner- häuser wieder. Mazzoni führte den Eisenbahnbau somit konzeptionell wie auch formal weiter und fügte dem gross- räumigen, seriellen System einen neuen, eigenständigen Baustein hinzu. Abgesehen davon lassen sich die Häuser noch mit anderen, nicht eisenbahnspezifischen, aber systematisch errichteten, baulichen Netzwerken, die für die Geschichte und Kultur Südtirols prägend gewesen sind, in Verbindung brin- gen, beispielsweise mit den mittelalterlichen Burgen, Schlössern und Festungsanlagen, die in grosser Dichte über die Täler verteilt sind. Zu ihrer massiven Bauweise aus Bruchstein und ihrer exponierten Lage auf Hügeln, Felsen und Bergkämmen assoziieren sich besonders die Sockel der Eisenbahnerhäu- ser, die zwar stark fragmentiert und ruinenhaft wirken, aber dennoch das dauerhafte, feste Fundament verkörpern und so in ihrer Abbildfunktion als Anspielung auf den genius loci einer lokalen Bautraditi- on in Erscheinung treten. Ein weiteres Beispiel serieller Bauweise, das für Mazzoni modellhaft gewe- sen sein könnte, gab auch der Industriebau vor, so etwa die ersten Elektrizitätswerke, die um die Jahr- hundertwende im Alpenraum gebaut worden waren und analog zur Eisenbahn und den Bahnhöfen als Pionierwerke der modernen Technik gelten. Hervorzuheben sind diesbezüglich die Kraftwerke an der Rienz bei Brixen (1906), im Etschtal an der Töll (1895-1898, Umbau 1904-1911) und am Schnalser Bach (1909-1910);867 vor allem Letzteres scheint angesichts seiner schlichten, aber wechselvollen Gliederung mit gestuften Baukörpern, Risaliten, einem ausgewiesenen Sockelbereich, akzentuierten Fenstereinfassungen und Erkern, seiner Materialisierung aus Hausteinmauerwerk, Putz und einzelnen Elementen aus Veroneser Kalk, seiner auskragenden, hölzernen Dächer und Vordächer, und seiner der architettura minore entlehnten Motive – etwa des von kurzen, stilisierten Säulen, Konsolen und einem Gewölbe getragenen, massiven Balkons oder der zinnengeschmückten Giebelfront der Turbinenhalle – ein direkter Vorläufer der Eisenbahnerhäuser zu sein. Im Unterschied zum monumentalen, an modernen Formen inspirierten Bahnhof von Bozen, so hiess es 1929 bezeichnenderweise in der Zeitschrift Architettura e Arti Decorative über Mazzonis Projekte in Südtirol, würden sich die Eisenbahnerhäuser eher am Ausdruck der örtlichen architettura minore orientieren: „Le casette, pittoresche e movimentate, hanno piacevole sapore e fresca ispirazione.“868 Tatsächlich widerspiegeln sie (politisch unabhängig) den architektonischen Diskurs der frühen 20er Jahre über die architettura minore, in den Mazzoni, wie er zuvor bei der Gestaltung der Eisenbahner- häuser von Bologna zum Ausdruck gebracht hatte, involviert war.869 Die widersprüchlichen Kommen- tare von Ciano und Ojetti haben jedoch erkennen lassen, dass die Bauten in der politisch angespann- ten Region ambivalent wahrgenommen und je nach Perspektive unterschiedlich gedeutet wurden,870 denn genauso, wie sie sich in die traditionelle Architektur ihrer Umgebung einfügten und bestehenden städtebaulichen Strukturen folgten, blieben sie immer auch Fremdkörper. So zitieren die von Mazzoni verwendeten dekorativen Elemente, etwa die aussen geführten Kamine, Kaminkonsolen und auskra- genden Balkone, auch typische Merkmale der ländlichen und städtischen Bauten der Grossregion „Tre Venezie“, welcher Südtirol als Teil der Provinz „Venezia Tridentina“ zusammen mit Venetien und Ju- lisch Venetien zugeordnet wurde, und drücken insofern ihre Zugehörigkeit zum italienischen Kultur-

867 Vgl. Bertsch 1992, S. 190, 277-285. 868 (Architettura e Arti Decorative, Okt./Nov. 1929, S. 137.) 869 Vgl. Kapitel 1.2.2.2, S. 58-59. 870 Vgl. Kapitel 2.3.3.1, S. 209-210. 344 3.3 raum aus. Dass ausserdem in Südtirol ein explizit faschistischer Bau, in dem ausschliesslich Italiener wohnten, den Anschein erweckte, auf einem archaischen Fundament errichtet worden zu sein, kam einer Behauptung gleich, die damals von Seiten der deutschsprachigen Bevölkerung möglicherweise als Provokation und okkupatorische Geste aufgefasst wurde,871 wenngleich die Häuser heute gelegent- lich für Zeugnisse aus alt-österreichischer Zeit gehalten werden. Hinzu kommt, dass vermutlich viele der Putzfassaden ursprünglich mit einem kräftigen Farbton (wahrscheinlich häufig Rot, wie Farbspu- ren suggerieren)872 angestrichen waren, was für die Gegend eher ungewöhnlich ist. In Bruneck etwa, wo zwei Häuser rechtwinklig zueinander auf einer Anhöhe neben dem Bahnhof stehen, war das eine leuchtend Blau, das andere Rot gefasst und im Sockelbereich mit einem bläulich schimmernden Na- turstein (Granit) verkleidet. Dadurch erhielten sie eine ungeheure Signalwirkung, die aufgrund ihrer gesonderten und erhöhten Lage zusätzlich gesteigert wurde. Wenn man Rot, wie dem sabaudischen Blau, eine politische Bedeutung beimisst und als Farbe des römischen Reiches interpretiert – mit der 1932 beispielsweise auch die Eingangsfassade zur Mostra della Rivoluzione Fascista und unzählige andere, öffentliche Gebäude bemalt wurden – so liesse sich nicht nur der Natursteinsockel, sondern auch die Farbe als Manifestation des genius loci, allerdings des römischen, und in dem Sinn als poli- tische Machtdemonstration deuten. Dass die Farbgebung unter diesem Aspekt diskutiert wurde, dabei aber kontrovers blieb, gibt der Triester Architekt Arduino Berlam in einem 1929 erschienenen Artikel über die Farbigkeit von Häusern in seiner Provinz wie folgt zu verstehen: „Nella mia città di Trieste, ai pregiudizi comuni si aggiungono i pregiudizi di carattere politico: se si tinteggia un edificio in una qualsiasi sfumature del giallo, colore luminoso e simpatico, largamente usato in tutte le epoche e in tutti i paesi, si dice inevitabilmente che s’è scelto il colore delle caserme austriache; se si usano, specialmente per edifici minori o rurali dei colori vivi, si dice che sono colori slavi (...). Ora, è vero bensì che i contadini slavi ama- no dipingere le loro casette sparse per la petraia carsica, d’un forte blù oltremare con contorni e fasciature bianche e con persiane verdi, ma è vero altresì che quelle casette portano una gradevole nota di colore in quel paesaggio (...). Del resto, casette di colore blù schietto si trovano a Chioggia, a Torcello, e ne trovai persino in Andalusia.“873

3.3.1.5 Normierung und Variation Ähnlich, wie die Hochbauten Flattichs und Chaberts, basieren die Eisenbahnerhäuser Mazzonis auf Normplänen, die sich nach dem Prinzip eines Baukastens aus zwar wenigen, präzis definierten, aber grundsätzlich unendlich kombinierbaren Elementen zusammensetzen. Die Strategie, bestimmte Typen vorzugeben und überall gleiche Elemente und Konstruktionsdetails zu verwenden, brachte entschei- dende Vorteile mit sich und schuf die Voraussetzung für die unabhängige, schnelle, effiziente und kos- tengünstige Realisierung des Projekts: Sie vereinfachte die Planung, reduzierte den Planungsaufwand und ermöglichte den Bauleitern und beteiligten Handwerkern, selbständig zu arbeiten. Wahrscheinlich wurde ihnen bei der Anpassung der Häuser an die konkreten örtlichen Bedürfnisse und verfügbaren Materialien bewusst eine gewisse Entscheidungsfreiheit sowie Spielraum bei der Gestaltung während der Ausführung eingeräumt; naheliegend wird dies etwa bei den Konsolen der aussen geführten Ka- mine, die jeweils einmalig und erfindungsreich modelliert (jene aus Kunststein auch vorgefertigt) sind

871 Wie ein Einschussloch in der Türe eines Hauses in Klausen zeigt, richteten sich die Sprengstoffanschläge der Separatisten in den frühen 60er Jahren auch gezielt gegen die Einrichtungen der Eisenbahn und ihre Angestellten. 872 Vgl. Anm. 860. Über die Farbgebung gibt es keine Informationen, rote Farbspuren finden sich an den Bauten in Grasstein, Mittewald, Freienfeld, Klausen, Atzwang, Bruneck, Toblach, Mühlbach, St. Sigmund, Naturns, eine kräftige, eventuell rote Farbe lassen auch die Fotos der Häuser in Olang, Niederdorf, Vintl, Welsberg, Ehrenburg, Brixen vermuten. 873 (Berlam 1929, S. 11.) 3.3 Modul und Typus 345 und wohl kaum von Mazzoni im Detail entworfen wurden. Indem den Haustypen einfache Grundrisse und einheitliche Masse zugrunde gelegt wurden, gestattete das Vorgehen ausserdem, den Herstel- lungsprozess zu rationalisieren und standardisierte Elemente wie Treppenstufen, Geländer, Fenster und Türen vorfabrizieren und in Serie produzieren zu lassen. Dabei wurde aber, wie die wahlweise aus Kunststein und Veroneser Kalk gefertigten Treppenstufen oder die sporadisch anzutreffenden Rundbogenfenster vermuten lassen, auf Diversifizierung geachtet. Hiermit sollte Uniformität vermie- den und die Varietät, die das Äussere der Häuser charakterisiert, nicht nur planmässig, sondern auch intuitiv geschaffen werden, was letztlich eine Individualisierung der Häuser zur Folge hatte. Bei ihrem Bau wurden demnach hochmoderne Produktionsmethoden und traditionelles Handwerk, wie es etwa bei der Konstruktion der Dachstühle, des Mauerwerks, der Verputze und der dekorativen Details zum Einsatz kam, vereint. Nicht zuletzt führte die Verwendung wiederkehrender Bauformen schliesslich dazu, dass die Häuser auch in veränderten Konstellationen als Typus erkennbar blieben und folglich ihre eigene Identität erhielten. Die Rationalität des Entwurfskonzepts, der Grundrisse und der innenräumlichen Ordnung steht jedoch in offenkundigem Kontrast zum ungewöhnlich vielgestaltigen Ausdruck der Häuser, den sie ihrem fragmentierten Sockel, der bewegten Dachform, den unerwarteten Materialwechseln und den zitathaft verwendeten Dekorationselementen zu verdanken haben. Sie scheinen regellos und zufällig gegliedert zu sein, so brechen etwa Profile von Lisenen und Gesimsen überraschend ab, kommen Eckelemente mitten in Fassadenflächen vor, werden Zierbalken nur einseitig getragen und Balkone von übermä- ssigen Konsolen gestützt, überdies treten symmetrische Konfigurationen nur ausnahmsweise, partiell auf, um sogleich wieder aus dem Gleichgewicht gebracht zu werden. Die Elemente und Fassaden- flächen werden auf diese Weise einer kontinuierlichen Verwandlung unterzogen – als würden sie nur vorübergehend eine feste Gestalt annehmen und ständig in Bewegung sein. Indem sie keine nachvoll- ziehbare Ordnung erkennen lassen und jeweils um die Ecke an der nachfolgenden Fassadenseite ihre Fortsetzung finden, entstehen keine einzelnen, flächigen Aufrisse mehr, sondern eine Fassadenabwick- lung von vorwiegend räumlicher Qualität; obwohl die vier Fassaden das an sich einfache Volumen nur sehr oberflächlich, also wenig körperhaft ausbilden, erzeugen sie durch ihre ungleichmässige Glie- derung eine äusserst plastische Wirkung. Das vielförmige Dach mit springendem First, das den Bau ebenso dreidimensional nach oben hin abschliesst, ist diesbezüglich als konsequente Fortsetzung der Gestaltung an der so genannten fünften Fassade zu verstehen. Bei der Betrachtung der einzelnen Häuser erschliesst sich das Baukastenprinzip, auf dem der städte- bauliche Entwurf gründet, noch keineswegs; sie wirken im Gegenteil höchst individuell gestaltet, in Teilstücke und -flächen zergliedert und durch ihre besondere Lage auch eigenständig. Erst im Zusam- menhang mit den anderen Eisenbahnerhäusern, die sich nacheinander entlang des Schienenstrangs aufreihen, wird deutlich, dass sie ein Modul verkörpern und auf einem übergeordneten Bauplan be- ruhen. Im grossräumlichen Massstab fügen sie sich zu einer Einheit zusammen, in der die einzelnen Bauten auf einmal alle identisch erscheinen und ihre subtilen Unterschiede erst bei genauerem Hinse- hen offenbaren: so braucht das Haus den Kontext, um als Ganzes erkannt zu werden, während es als Einzelstück – wie der Steinbalkon oder die Kaminkonsole – Fragment bleibt. 346

512 Brixen/Bressanone, Eisacktal, Wohnhaustypus „A“ mit 12 Einheiten (2008)

513 Toblach/Dobbiaco, Pustertal, Wohnhaustypus „B“ mit 10 Einheiten (2008)

514 Mauls/Mules, Eisacktal, Wohnhaustypus „C“ mit 8 Einheiten (2008) 347

515 Grasstein/Le Cave, Eisacktal, Wohnhaustypus „D“ mit 6 Einheiten (2008)

516 Niederdorf/Villabassa, Pustertal, Wohnhaustypus „D“ mit 6 Einheiten (2008)

517 Schluderns/Sluderno, Vinschgau, Wohnhaustypus „F“ mit 4 Einheiten (2008) 348 Typus „B“ Typus Typus „A“ Typus „C“ Typus 519 518 520 349 Längs- und Querschnitt der Typen „A“ und „D“ Typen Längs- und Querschnitt der 523 Grundrisse des Typus „A“ Typus Grundrisse des 525 Grundrisse des Typus „D“ Typus Grundrisse des Typus „D“ Typus „F“ Typus 524 Archiv der Lokalsektion Bozen Alle Pläne aus dem 521 522 350

528 Eisenbahnlinien in Trentino und Südtirol, mit grauen Kreuzen sind die Orte markiert, 526 Steinbalkon des Hauses in Grasstein/Le Cave wo Wohnhäuser nach den Plänen Mazzonis entstanden

529 Lageplan der drei Häuser (Typen „C“, „B“ und „D“) in Klausen/Chiusa, das nur als Kontur gezeichnete Haus (rechts) wurde wahrscheinlich erst zu einem späteren Zeit- punkt ausgeführt

527 Kaminkonsolen des Hauses in Eyrs/Oris 530 Blick durch die Häusergruppe auf das Schloss von Klausen/Chiusa 351

531 Wilhelm von Flattich, Hochbaunormalien, Aufnahmegebäude IV. Klasse, o. D. (1860er Jahre)

532 Ferrovie dello Stato, Auszug aus dem Grundlagenwerk Fabbricati delle stazioni e case cantoniere, 1906

533 Konstantin Chabert, Bahnhof von Laas/Laasa, 1903-1906 (2008)

534 Elektrizitätswerk am Schnalser Bach bei Naturns/Naturno, 1909-1910 (2008) 352

535 Kamine ländlicher Bauten in der Ebene Venetiens und des Friaul, publiziert von G. Pagano/G. Daniel in Architettura rurale italiana, 1936

536 Fassade des für die Mostra della Rivoluzione Fascista hergerichteten Palaz- zo dell’Esposizione in Rom in einer Werbung von „La Muralina“, 1933

537 Arduino Berlam, Aquarell eines Landhauses (bei Triest?), in Casabella 1929 538 Bruneck/Brunico, Wohnhäuser mit roten und blauen Farbspuren (2008) 3.3 Modul und Typus 353

3.3.2 Grundlagen einer neuen Bahnhofstypologie

Im Gegensatz zum Projekt der Eisenbahnerhäuser in Südtirol, die sich ungeachtet ihrer grossräumi- gen Anordnung und verschiedenartigen Ausführung als Einheit bestehend aus ähnlich aussehenden Häusern zu erkennen geben, entwickelte Mazzoni sein „Bahnhofsprojekt“ im Lauf zweier Jahrzehnte anhand einer Reihe von Einzelkomplexen, die über ein weites Gebiet verteilt entlang der Hauptei- senbahnlinien entstanden und äusserlich, von den Materialein, Farben und Formen her, sehr indivi- duell erscheinen. Trotz ihrer formalen Differenzen und der Abweichungen im Raumprogramm, der unterschiedlichen Voraussetzungen vor Ort und der wechselnden Aufsichtsbehörden ist es legitim, bezüglich der Bahnhöfe von „einem“ Projekt zu sprechen, und zwar nicht, weil die Bauaufgabe und der Auftraggeber sich nicht änderten, sondern weil sich die Bauwerke in typologischer und konzeptio- neller Hinsicht entsprechen und es Mazzoni gelang, mit ihnen die Grundlage für einen neuen, moder- nen Bahnhoftypus zu schaffen.874 Als er Ende 1933 von den Bahnhöfen von Siena, Reggio Emilia und Trient hochwertige Holzmodelle anfertigen liess und sie einer kleinen Gruppe von Leuten vorstellte, schrieb die Zeitschrift Sant’Elia bezeichnenderweise: „L’arte versatile, con cui l’architetto Mazzoni, interpretando tre temi sostanzialmente identici, tre stazioni ferrovi- arie, e attenendosi sempre alle forme dello stile costruttivo moderno, seppe variare le sue elaborazioni, stabilirne i ritmi e adattarle al paesaggio, al carattere, ai bisogni, allo spirito di tre illustri città così diverse come Siena, Reg- gio Emilia e Trento.“875 Mit der inhaltlichen Übereinstimmung der Aufträge, der kohärenten, zeitgemässen Ausführung, der individuellen Erscheinung der Bauten und ihrer Anpassung an die konkreten Bedürfnisse und den Ort nannte der Autor des Artikels wesentliche, dem Typus zugrunde liegende Aspekte der Architektur Mazzonis. Am Beispiel der Möblierung der Bahnhofsbauten lässt sich ausserdem zeigen, inwiefern er seine Entwurfsprämissen auch auf die baulich-konstruktive Ebene übertrug.

3.3.2.1 Voraussetzungen und Referenzen Die Voraussetzungen zur Entwicklung einer neuen Bahnhofstypologie waren nach dem Ersten Welt- krieg sowohl vom technologischen und funktionalen wie auch vom architektonischen Standpunkt her günstig: Die Steigerung und die Komplexität des Verkehrs sowie die technischen Innovationen hatten zu neuartigen Bedürfnissen wie auch zu neuen Betriebsvorgängen geführt, die eine Anpassung des Raumangebots und zusätzliche Vorkehrungen für die Verkehrssicherheit und den Komfort erforderten. So brauchte es im Bahnhofsbereich etwa mehr Räume für Büros, technische Anlagen, Verpflegungs- stätten und den Aufenthalt der Reisenden, sowie sanitäre Einrichtungen, nächtliche Beleuchtung, Un- terführungen zur Vermeidung von Gleisübergängen, überdachte Vorfahrten zum Schutz der Ein- und

874 Im Begriff „Typus“ von Antoine Chrysostôme Quatremère de Quincy, den Aldo Rossi als „meisterlich definiert“ bezeich- nete, kommt die Differenz zwischen der modellhaften Bauweise der Eisenbahnerhäuser und der typologischen der Bahn- höfe treffend zum Ausdruck: „Das Wort Typus bezieht sich nicht so sehr auf das Bild einer zu kopierenden oder vollstän- dig nachzuahmenden Sache als auf eine Idee, die dem Modell als Regel dient. (...) Das künstlerische Modell dagegen ist ein Objekt, das so, wie es ist, wiedergegeben werden muss. Im Gegensatz dazu ist der Typus etwas, aufgrund dessen Wer- ke konzipiert werden können, die einander überhaupt nicht ähnlich sehen. Beim Modell ist alles präzis und vorgegeben, beim Typus bleibt alles mehr oder minder unbestimmt. Daraus folgert, dass die Nachahmung von Typen nichts enthält, was Gefühl und Geist nicht wiedererkennen können.“ (A. C. Quatremère de Quincy, „Type“, in: Dictionnaire historique de l’architecture, 1832, S. 629, zit. nach Rossi, A. 1973, S. 27.) 875 (Sant’Elia, 1. Jan. 1934 [2].) Der Artikel berichtete zunächst begeistert über die kunstvolle, handwerklich perfekte Ausar- beitung der Modelle, die in der Werkstatt der Gebrüder Sbocchelli in Triest in Auftrag gegeben worden waren. 354 3.3

Ausgänge und eine grössere Konzentration von Personalwohnungen.876 Die Erneuerung der Bahnhofs- architektur ereignete sich parallel zur Elektrifizierung der Eisenbahn. Nach der ersten Blütezeit, die dem Verkehrsmittel dank des Dampfantriebs ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts beschert war, leitete die elektrotechnische Umrüstung in den 1920er Jahren eine tiefgreifende Reformierung des Eisenbahnwesens ein und veränderte die Konstruktion der Fahrzeuge, den Unterhalt und die Strecken- ausstattung ebenso grundlegend wie die Funktionsweise und letztlich auch das Aussehen der Bahn- höfe. Ihr architektonischer Ausdruck folgte noch weitgehend den seit dem 19. Jahrhundert etablierten typologischen Vorstellungen eines Bahnhofs, der zwischen monumentaler Repräsentationsarchitektur und Funktionsbau oszillierte. Die Empfangsgebäude zeichneten sich nach wie vor durch basilikale Hallen, historisierende Hauptfassaden und eine dekorative Innenausstattung aus und öffneten sich nur zaghaft den modernen Architekturtendenzen, die den Industriebau ansonsten geprägt hatten. In Italien offenbarte sich diese traditionsbehaftete Entwurfshaltung besonders in den Bahnhöfen, die Ferruccio Businari in seinen beiden 1931 publizierten Berichten als wichtigste Bauten der Nachkriegszeit vor- stellte: jenen von Verona, Taormina, Cagliari, Forlì, Belluno Vigneta, Falconara, Syrakus, Mailand, ansatzweise auch jenen von Bozen und Brenner.877 Die besonderen Merkmale der Bahnhöfe Mazzonis sowie der Vergleich mit zeitgenössischen Refe- renzbauten lassen die bautypologischen Neuerungen seiner Architektur deutlich zu Tage treten. 1927, als er mit der Ausführung seiner ersten Bahnhofsumbauten in Brenner und Bozen und den ersten Studien für die Neuordnung der Bahnhöfe von Rom, Florenz, Venedig, Reggio Calabria und Messina beschäftigt war, präsentierte er in seinem Artikel über den Eisenbahnbau die architektonische Aus- gangslage, an die er sein Werk knüpfte.878 Der für ihn massgebende internationale status quo des mo- dernen Bahnhofbaus, so entnimmt man seinem Beitrag, leitet er fast nur von nordamerikanischen und europäischen Beispielen ab, während sich hingegen die Berichte Businaris auf die aktuelle Situation in Italien konzentrieren. Es fällt auf, dass sich Mazzoni in seiner Analyse nur ein verhaltenes Urteil über die ästhetische Erscheinung der ausgewählten Bauten erlaubte und die von den Architekten ver- wendeten Stilattribute und dekorativen Elemente kaum wertete, das heisst, er äusserte sich weniger über die konkrete Form, Gliederung oder Materialisierung, als vielmehr über deren Angemessenheit in Bezug auf die Bedeutung der Bauaufgabe und den spezifischen Ort. SeineAnmerkungen beziehen sich somit vorrangig auf inhaltliche, strukturelle, funktionale und kontextuelle Aspekte, etwa auf die Einfügung der Projekte in ihre städtische und landschaftliche Umgebung, die Lesbarkeit der Formen im Aussenraum, die Kongruenz der äusseren und inneren Gestaltung, die Organisation der Grund- risse, das Raumangebot, die Schlüssigkeit der konstruktiven Systeme, die Zweckmässigkeit, die Be- leuchtung der Räume, die Wegsamkeit und die Qualität der Ausstattung. Anhand des Beispiels kleiner, ländlicher Bahnhöfe in der Schweiz (Kandersteg, Frutigen, Blausee- Mittholz), Frankreich (Hendaye Plage), Norwegen (Opdal) und Kalifornien (Redlands, Delhi, Chow- chilla, Atascadero) verwies Mazzoni wiederholt auf die erstrebenswerte Einbindung der Projekte in ihre natürliche und bauliche Umgebung. Sie sollten in Einklang mit dem ambiente stehen und dieses so wenig wie möglich stören, was, wie er mit der Bildauswahl und den Legenden zu verstehen gab,

876 Aufgrund automatischer Signalisationen und Schranken verloren etwa die Wärterhäuser, die vereinzelt entlang der Eisen- bahnlinien neben Bahnübergängen und Weichen errichtet wurden, allmählich an Bedeutung, dagegen steigerte sich der Personalbedarf in unmittelbarer Nähe zu den Bahnhöfen. Vgl. Businari 1931 (3), S. 105-107. 877 Vgl. Businari 1931 (1); Businari 1931 (3). 878 Vgl. Mazzoni 1927. Der Artikel ist in Kapitel 1.3.2.2, S. 94-96, zusammengefasst. 3.3 Modul und Typus 355 vor allem der Fall war, wenn sich die Stationsgebäude vollständig an die lokalen Bautraditionen, die Linien der Landschaft und die klimatischen Bedingungen anpassten. Als ebenso wichtig erachtete er, dass die eisenbahnspezifische Funktion der Bauten nach aussen hin ersichtlich war, die Liverpool Street Station in London, die Gare Windsor in Montréal und den Bahnhof von Leipzig, der eher ei- nem grossen Ministerium ähnlich sehe, führte er diesbezüglich als Negativbeispiele an. Bei den zuvor erwähnten Provinzbahnhöfen reiche dagegen bereits ein einfaches, bahnhoftypisches Schutzdach, um die Nutzung des Gebäudes zu vermitteln und gegenüber einem Wohnhaus oder einer Gaststätte abzugrenzen. Die vor den Ein- und Ausgängen angebrachten, tiefliegenden Vordächer, die Mazzoni in der Folge zu einem dominierenden Element seiner eigenen Bauten weiterentwickeln sollte, bezeich- nete er auch bei den grossen, städtischen Bahnhöfen als Hauptmerkmal der Empfangsgebäude, so etwa bei den neuen Bahnhöfen von Helsinki und Stuttgart, denen er allgemein einen Vorbildcharakter einräumte. Zwei weitere Kennzeichen, die den Verwendungszweck jener beiden Bauwerke anzeigten und für seine Architektur ebenfalls bestimmend werden sollten, ermittelte er in ihrem industriellen Charakter sowie im vertikalen Akzent der hoch aufragenden (Uhr-)türme, welche wie Leuchttürme die Kommunikationsstränge sinnbildlich an einem Punkt zusammenführten.879 Ausgehend von diesen wenig einschränkenden Richtwerten und den modernen Gestaltungsprinzipien des Industriebaus ver- folgte Mazzoni so einen in künstlerischer Hinsicht dezidierten Neuanfang des Eisenbahnbaus. Sein Anspruch, die Projekte von Fall zu Fall auf den jeweiligen Kontext abzustimmen und zugleich ihre Erkennbarkeit im lokalen wie im überregionalen Kontext zu gewähren, setzte eine typologische, auf bestimmte Regeln aufbauende Vorgehensweise voraus.

3.3.2.2 Grundrissdisposition Bezüglich der Organisation des Grundrisses hob Mazzoni in seinem Artikel speziell den Bahnhof von Lausanne hervor. Für mustergültig hielt er vor allem dessen einfache, funktionale Anordnung der Räumlichkeiten, die beidseitig der zentralen Schalterhalle linear entlang der Gleise aufgereiht sind, sowie die konsequente Trennung der Ein- und Ausgänge. Diese Disposition konstituiert eine wesentliche Grundlage der Bahnhöfe Mazzonis und zeichnet bis auf Roma Tiburtina alle, sogar den Kopfbahnhof Roma Termini, aus. Zum einen gestattete ihm die lineare Raumanordnung, die Innen- räume zweiseitig nach dem Gleisfeld sowie dem Bahnhofsplatz hin auszurichten, was angesichts der betriebsbedingten Zutrittsbeschränkungen besonders für das Restaurant und die Bar, aber auch für die Sichtbeziehungen und die Belichtung aller übrigen Räume von Vorteil war; ausserdem wurde die flexible Positionierung der Zu- und Ausgänge begünstigt, die Mazzoni ausser in Trient, Messina, Reggio Calabria und Roma Tiburtina voneinander getrennt hielt, indem er die Leute jeweils über ein eindeutiges Wegleitsystem und separate Treppen entweder vom Atrium zu den Perrons oder von den Zügen direkt zum Bahnhofsplatz lenkte, ohne dass sich die Passagierströme vermischten. Prototy- pisch nimmt sich bezüglich der Linearität des Grundrisses des Trentiner Bahnhofs aus, wo Mazzoni alle publikumsorientierten Einrichtungen, das heisst die Gepäckaufbewahrung, den Durchgang zum Perron und zur Unterführung, den Billettschalter, die Tabak- und Zeitungsstände sowie die Wartesäle

879 Gustav Adolf Platz schrieb in seinem vielbeachteten Werk Die Baukunst der neuesten Zeit über den Stuttgarter Bahnhof: „In diesem edlen Torso (...) verkörpert sich gross und rein der Zweckgedanke des für unser Leben so wichtigen Verkehrs- baues: Menschenmassen zu sammeln und einem Ziel zuzuleiten, Brennpunkt zu sein für die Strahlen des interurbanen und internationalen Verkehrs.“ (Platz 1927, S. 41.) Walter Müller-Wulckow bezeichnete ihn als das „architektonisch wie städtebaulich bedeutendste Werk der Kriegszeit“ Deutschlands, vgl. Müller-Wulckow 1975, S. 68; sowie Kapitel 2.3.1.2, S. 171. 356 3.3 nebeneinander zwischen der längsrechteckigen Haupthalle und dem ersten Perron aufreihte. Parallel zum Atrium schuf er mit einem langen, von zwei Pfeilerreihen und raumhohen Türöffnungen rhyth- misierten Portikus und einem auf den Bahnhofplatz hin auskragenden Vordach einen graduellen Über- gang zwischen dem Innen- und Aussenraum, analog dazu liess er gleisseitig zwischen der Treppe und dem Restaurant eine Passage frei, die er mit einer Reihe doppelseitig ausgerichteter Steinbänke und Blumenkästen vom Perronbereich abtrennte. Anschliessend an das Empfangsgebäude richtete Mazzo- ni auf der Südseite in einem niederen und einem hohen, gegenüber der Strasse stufenweise zurückge- setzten, dem Zugverkehr zugewandten Baukörper die Räume für den Stationsvorstand, den Betrieb, die Technik und Personalwohnungen ein, im Norden fügte er in einem ebenfalls leicht zurückversetz- ten Bauteil die Bar und das in Klassen unterteilte Restaurant an, das sowohl von der Halle aus wie auch über die zum Bahnhofplatz hin orientierte Gartenterrasse für alle zugänglich war. Angrenzend an das Restaurant folgten die Küche und Nebenräume, zum Gleis hin die Räumlichkeiten der Eisen- bahnmiliz und die Toiletten, den peripheren Abschluss der Anlage markierten die Lokale der Post, in die strassenseitig der Abgang zu einer öffentlich begehbaren, die beiden Gleisseiten verbindende Unterführung eingeschnitten war.880 Mit der Klarheit eines Schemas veranschaulicht der Bahnhof von Trient somit das von Mazzoni verwendete Grundrissprinzip, das er von Fall zu Fall individualisierte und auf spielerische Weise variierte, ohne dass es zu einem starren, einförmigen Gefüge verkommen konnte. Die lineare Anordnung verstärkte andererseits die Aufteilung und Konzentration der Räume entspre- chend ihrer Nutzung, was die traditionell feste Baueinheit des Empfangsgebäudes lockerte, partiell sogar eine Abspaltung der Nutzungen in verschiedene, isolierte Baukörper zur Folge hatte. Dadurch wurde die herausgehobene Stellung des Empfangsgebäudes geschwächt und den nicht publikumsori- entierten, sekundären Einrichtungen eine eigenständigere Position in der Gesamtkonzeption zugestan- den. Die Lockerung des Gefüges veränderte folglich die Gewichtung der verschiedenen Bauteile und bot Mazzoni die Gelegenheit, diese typologisch zu differenzieren. Bei der Anordnung aller Haupt- einrichtungen in einem Baukörper war dies nur beschränkt möglich gewesen und habe, wie Businari 1929 am Ingenieurkongress in Tokio festhielt, aufgrund räumlicher Kompromisse und konstruktiver Abhängigkeiten unbefriedigende Ergebnisse hervorgebracht: „The system of utilizing the upper storeys as offices or dwellings has been almost always followed till today; also the construction of many public rooms, notwithstanding the difficulty in structures with large rooms on the ground floor of equipping them with many small rooms for dwellings or offices in the upper storeys.This difficul- ty has produced results which are not satisfactory.“881 Die Aufgliederung der Baueinheit führte Mazzoni zum Entwurf tendenziell horizontaler, eingeschos- siger Strukturen, die er je nach Bedarf punktuell in die Höhe entwickelte, so beispielsweise für Büro- oder Wohnzwecke, für technische Einrichtungen wie Heizzentralen oder Wasserspeicher oder für zeichenhaft wirkende Uhrtürme. Die typologische Differenzierung äusserte sich in funktionaler und formaler Hinsicht ebenso wie in der Materialisierung und bewirkte, dass seine Bahnhöfe als komplexe Abfolge von hohen, tiefen, schmalen, flachen, hervorstehenden, zurückversetzten, runden, kubischen, offenen, geschlossenen und perforierten Bauteilen in Erscheinung traten; im Gegensatz zum bislang üblichen einheitlichen, häufig symmetrischen Empfangsgebäude und dessen monumentaler Hauptfas-

880 Vgl. Case d’oggi 1937; Condini 1937; Rassegna di Architettura, Mai 1937; Architettura Italiana, Apr. 1938; Baumeister, Sept. 1938; Carb 1938 (1); Deutsche Bauzeitung, Okt. 1940; Campanella 1941 (1); Pettenella 1994. 881 (Businari 1931 [3], S. 105.) Vgl. auch Kapitel 2.3.1.2, S. 166, Anm. 462. 3.3 Modul und Typus 357 sade entfalteten sie ihre Wirkung nicht mehr primär im Aufriss, sondern in der plastisch-dynamischen Gestaltung der Gesamtanlage. Dadurch, dass Mazzoni die Räume in keinem konsistenten Baukörper mehr unterbrachte, sondern in vielen individuellen, die er zu einer Einheit verband, kam dem Wegsys- tem und den Zwischenräumen zwischen den Bauteilen eine zentrale Bedeutung zu, der er durch tief- liegende, auskragende Schutzdächer und eine abwechslungsreiche Innen- und Aussenraumgestaltung sichtbaren Ausdruck verlieh. Die Aussen- und Zwischenräume, die die Räumlichkeiten miteinander verknüpften und Schnittstellen bildeten, wo Wege zusammengeführt und verteilt wurden, definierte er als überdachte Vorplätze, Passagen, Portiken, Atrien, offene und gedeckte Aufenthaltsorte und Gärten und strukturierte sie zusätzlich mit fest installierten Bänken, Brunnen und Pflanzen. Obwohl seine Bahnhöfe demzufolge mit der massigen, klassischen Gliederung des Bahnhofs von Lausanne – dem hohen Mittelbau, den zwei niedrigeren, zurückversetzten Seitenflügeln und akzen- tuierten Eckbauten – äusserlich kaum korrespondierten, diente ihm dessen Grundrissdisposition als Vorlage. Mazzoni liess es sich auch nicht nehmen, am Beispiel dieses Bauwerks auf einige gestalteri- sche Qualitäten hinzuweisen, anhand der aus seiner Sicht gelungenen eisernen Vordächer etwa darauf, dass jedes Element mit der nötigen Achtsamkeit zu behandeln sei; zudem würdigte er die sinnreiche Befensterung der Schalterhalle, die aus einer Reihe von schmalen, hohen Fenstern bestand, anstatt aus einem grossen Bogenfenster, wie es als Reminiszenz an die dahinterliegende Bahnsteighalle traditi- onellerweise die Schauseite grosser Bahnhöfe prägte, so etwa jene der damals neusten Bahnhöfe von Basel (Badischer Bahnhof), Helsinki, Viipuri, Stuttgart und Oldenburg. Auch bei der Pennsylvania Station in New York waren es nicht die monumentalen Säulenkolonnaden oder die den römischen Thermen nachempfundenen, eindrücklichen Wartehallen, die Mazzoni vorrangig interessierten, son- dern die unterirdische Anlage des Gleisfelds, die es ermöglicht hatte, im Herzen Manhattans einen Durchgangsbahnhof für die Ost-West-Verbindung der Eisenbahn einzurichten. Angesichts der schnell wachsenden Städte sah er in dieser Lösung einen vielversprechenden Ansatz, um in Zukunft den Ver- kehr anderer Grossstädte zu regeln: „In Italia l’uso di queste stazioni sarebbe appunto in molti casi favorevole. Basterebbe citare alcune e fra le principalissime città italiane.“882 Damit dachte er in erster Linie an Rom, für dessen Eisenbahnsystem er seit seiner Einstellung im Baubüro zahlreiche Studien, darunter mehrere Varianten für einen unterirdisch und halbunterirdisch angelegten Bahnhof in der Gegend des bestehenden Roma Termini, verfasst und die Penn Station dabei als Referenz heranzogen hatte. Mazzonis Projekten zufolge, die damals noch nicht spruchreif waren, sollte der neue Bahnhof aus sechs bis sieben Untergeschossen bestehen und sich im städtischen Raum nur als minimaler, zweckdienlicher baulicher Eingriff zu erkennen gegeben. Die städtebauliche Vision hätte demnach die Repräsentationsaufgabe der Architektur fast gänzlich auf den Innenraum reduziert, und an der Ober- fläche wäre vor allem ein grosser Platz für einen Park geschaffen worden.883

3.3.2.3 Komposition der Baumassen Das in seinem Artikel angeführte Beispiel des badischen Bahnhofs in Basel, dem auf der rechten Seite der Schalterhalle ein Flügel für die Zollabfertigung angegliedert ist, diente Mazzoni vermutlich nicht nur als Vorbild für die räumliche Organisation und die detaillierte Ausstattung eines Bahnhofs – etwa der Bahnhöfe von Bozen und besonders Brenner, den es damals in einen Grenzbahnhof umzubauen

882 (Mazzoni 1927, o. S.) 883 Zu den unterirdischen Projekten Mazzonis vgl. Angiolo Mazzoni 1984, S. 82-83, 92-93. 358 3.3 galt –, sondern allgemein als Lehrstück für die Komposition der Baumassen. So hob er beispielsweise hervor, wie das Restaurant apsidial aus der Fassade des linken Gebäudeflügels vorstehe und der lange Bau wegen des gekonnten „carattere pittoresco“, der durch die Sequenz von Garten, Restaurantapside, hervortretender Tempelfront (Haupteingang) und einem hohen Turm über dem Eingang zur Zollstati- on entsteht, vor Monotonie bewahrt werde. In seinen eigenen Bauten nutzte Mazzoni die Einrichtung des Restaurants in Form eines gerundeten Baukörpers ebenfalls, um damit die strassenseitige Ansicht zu beleben und formal zu bereichern, so etwa bei den Bahnhöfen von Brenner, Littoria und Reggio Emilia; andernorts vertraute er diese Aufgaben anderen dominanten Bauteilen an, in Bozen etwa sor- gen das klassisch gegliederte Empfangsgebäude, der hohe Turm und der Rosengarten in der Fernsicht, in Siena vor allem die runde torre luminosa, der schmalrechteckige Uhrturm und die horizontalen Vordächer für Akzente, für eine bewegte Höhen- und Tiefenwirkung und für formale Differenzierung. Bei diesen beiden Bahnhöfen sowie jenen von Trient, Messina und Roma Tiburtina war es weniger der ausgreifende Innenraum des Restaurants, als dessen eingefriedete, begrünte Gartenterrasse, die einen Knotenpunkt bildete, wo der Stadtraum und der Bahnhofsbereich explizit miteinander verfloch- ten wurden; dass die Terrasse an einem exponierten Standort zum Bahnhofsplatz hin zu liegen kam und dort der öffentlichen, geselligen Nutzung dienen sollte, wurde von Mazzoni bewusst geplant, in Trient sah er im Garten sogar ein Musikerpodest vor und entwarf nebst den Gartenstühlen, -tischen, Leuchten und Kleiderständern auch noch die dazugehörigen Notenständer. Bauteile in Form konvexer Körper finden sich auch bei den meisten seiner Postbauten in verschiede- nen Ausprägungen und Funktionen: in Nuoro, Varese, Massa und Sabaudia sind es einzelne Dienst- räume und in Ferrara die ganze Schalterhalle, die jeweils zum Anlieferungshof oder zum Aussenraum hin ausbuchten, in Palermo ist es das Haupttreppenhaus der Direktion, das sich in einem der beiden rechteckigen Lichthöfe abzeichnet, in Grosseto und Ostia sind es ebenfalls Treppentürme, in La Spezia nur die Stützmauern auf der Rückseite zum Hang, die sich wölben und Raum bilden, in Lit- toria wiederum flankieren je ein eckiger und ein gerundeter Turm den Eingang zum Schreibsaal, und in Pula nehmen zwei halbrunde Körper, die das Gelenk und den Zwischenraum des zweiarmigen, V-förmigen Baus besetzen, gewissermassen die Funktion von Scharnier und Puffer ein, als ob sich die beiden Gebäudeflügel bewegen liessen. Teilweise öffnete Mazzoni jene vorgewölbten Volumen auch, so etwa in Ostia den Säulenportikus, in Abetone die seitliche Freitreppe oder in Pontinia den Eingang, der den Baukubus mit einem auskragenden, gerundeten Stufenpodest und deckungsgleichen Vordach artikuliert hätte. Diese präzis, aber nur ausnahmsweise, im Aussenraum ebenso wie im In- nenraum auftretenden gewölbten Bauteile sind allerdings weder als Spielerei noch als formalistisches Erkennungszeichen der Architektur Mazzonis abzutun, vielmehr verwendete er sie aus räumlichen und kompositorischen Überlegungen: um damit Kontraste zu den kubischen Körpern zu setzen, um Symmetrien aufzubrechen, um Raumbezüge zwischen Innen und Aussen zu schaffen, um weiche Konturen und Bewegungslinien auszubilden, um Ecken aufzulösen, Dynamik zu erzeugen und An- knüpfungspunkte zum umgebenden öffentlichen Raum herzustellen. 3.3 Modul und Typus 359

3.3.2.4 Konhärenz der Ausstattung Die beiden finnischen Bahnhöfe, die Eliel Saarinen in Helsinki (1904-1919) undViipuri (1904- 1913)884 erstellt hatte, lenkten Mazzonis Augenmerk auf die Sorgfalt bei der Ausarbeitung aller De- tails und Ausstattungsgegenstände: „Ogni particolare, ogni mobile, ogni oggetto necessario è studiato con cura ed in armonia con l’ambiente.“ Dazu gehörten die Anordnung und Gestaltung der Uhren, Verkaufsstände, Tresen, Schalter, Schranken und Beleuchtungskörper genauso wie der angemessene Einsatz dekorativer Elemente im Innen- und Aussenraum.885 Möglicherweise liess er sich, wie die Stehleuchten und Monumentalfiguren neben dem Eingang des Bahnhofs von Bozen vermuten lassen, von der Gliederung und einzelnen Formelementen der beiden Bauwerke Saarinens unmittelbar ins- pirieren. Mazzoni lobte sie insgesamt für ihre „sobrietà e severità della linea architettonica“ und sah darin die Genialität eines grossen, modernen Architekten widerspiegelt. Sie erfüllten mustergültig die von ihm postulierten Bedingungen, wonach das Innere des Gebäudes bis in jedes Detail mit der äusseren Erscheinung und diese wiederum mit ihrer gesamten Umgebung in Einklang stehen müssen: „Internamente – specie nella parte in cui accede o può accedere il pubblico – deve essere non solo decorato, ma arredato in armonia alla costruzione esterna conciliando le esigenze tecniche dei vari servizi con le leggi della estetica. Pensiline, tettoie, panche, banconi, chioschi, lumi, quadri, réclame, mobilio, tutto devesi uniformare ad un’unica legge di armonia e di eleganza, tutto deve rispondere ad una medesima legge architettonica.“886 Die Ausstattung sollte im konstruktiven Massstab denselben leitenden Gestaltungsprinzipien folgen, denen das Bauwerk auch auf städtebaulicher Ebene gehorchte, sie stellte folglich keine autonome Aufgabe mit autonomen Fragestellungen dar, sondern fügte sich als Teil der gesamten architektonischen Konzeption zum Bauwerk, wie sich das Bauwerk zur umgeben- den Stadt und Landschaft fügte. Trotz Mazzonis Begeisterung bemängelte er am Bahnhof von Helsinki, sozusagen exemplarisch, die „cartelli indicatori“, die Anzeigetafeln, deren Aussehen und Aufstellungsort mitten in der Eingangs- halle er für unangebracht und daher der Schönheit des Raumes abträglich hielt. Er begründete seinen Einwand nicht weiter und erinnerte stattdessen nur an die Notwendigkeit solcher Einrichtungsgegen- stände, die entsprechend sorgfältig zu entwerfen und im Raum zu platzieren seien. Eine konkrete Ant- wort auf seine Kritik gab er erst später, Mitte der 30er Jahre, mit dem Entwurf eigener Anzeigetafeln, die er prototypisch zu multifunktionalen Möbeln weiterentwickelte und jeweils für verschiedene Orte adaptierte, so für die Bahnhöfe von Siena, Montecatini und Brenner (2. Phase 1933-1937). Ausgehend vom Bedürfnis, den Reisenden eine Auswahl von Fahrplänen zum Nachschlagen zur Verfügung zu stellen, konzipierte Mazzoni einen freistehenden, ungefähr zwei Meter hohen Korpus. Er war in der unteren Hälfte geschlossen und wies im oberen Bereich eine tiefe Nische aus, in welcher an mehreren, hintereinander liegenden Schienen in Glasrahmen befestigte Fahrpläne hin- und herbewegt werden konnten. Die Besonderheit des raumhaltigen Möbels, das er gut sichtbar an einem viel frequentierten Ort vorzugsweise in der Nähe des Billettschalters, aber nicht in einem Durchgangsbereich aufstellen

884 Während des Zweiten Weltkriegs wurde der Bahnhof zerstört, die Stadt Viipuri/Vyborg wurde von der Sowjetunion einge- nommen und gehört bis heute zu Russland. 885 Mazzoni thematisierte die Ausstattung und Dekoration punktuell auch am Beispiel weiterer Bahnhöfe, in jenem von Wei- mar schätzte er die Einfachheit der Linien und Absenz von Dekoration sowie die festinstallierten Bänke und Tische im Wartesaal dritter Klasse zur Disziplinierung der Reisenden, in Malmö lobte er die einfache Vornehmheit, mit welcher der Wartesaal und das Restaurant möbliert waren, in Montreal wies er anhand der Beispiele der Interieurs eines Coiffeursa- lons und eines Kinderhorts nicht so sehr auf die Gestaltung, als auf den Wert des Raumangebots hin, und die Ausstattung des badischen Bahnhofs in Basel dokumentierte er ausführlich, aber kommentarlos, anhand zahlreicher Innenaufnahmen. 886 (Mazzoni 1927, S. 193.) 360 3.3 liess, war, dass es noch weitere Dienstleistungen anbot, da Mazzoni an der allenfalls geschlossenen Stirnseite oder Rückwand zusätzlich eine automatische Billettausgabe mit Münzeinwurf sowie einen Schlitz für den Einwurf von Postsendungen anbrachte, teilweise ergänzte er den Korpus auch mit Ablageflächen zur Erledigung von Schreibarbeiten oder erweiterte ihn, wie im Fall von Montecatini, auf der einen Seite mit einer langen Sitzbank. Die drei realisierten Möbel stimmten in ihrer elemen- taren, schnörkellosen, zweckorientierten Gestaltung vollkommen überein, sie waren einfache, mit offenen und geschlossenen Volumen und einem eingezogenen Sockelstreifen gegliederte Körper, die sich durch glatte, unprofilierte Oberflächen, ausnahmslos gerundete Kanten,887 eine massiv wirkende Bauweise und eine einheitliche Materialisierung auszeichneten. Dass Mazzoni mit seinem Korpus tatsächlich einen neuen Typus für die Bahnhofsausstattung schuf, zeigt sich zum einen an der origi- nellen Zusammenführung der Funktionen in einem einzigen Möbel, das sich wie eine Maschine be- dienen liess, und zum anderen daran, dass er sie nicht identisch reproduzieren liess, sondern situativ abänderte und den räumlichen Bedingungen vor Ort anpasste. Ihre tatsächliche Form und Ausführung unterschieden sich daher je nach Standort, Lage und Ausstattungsgrad, das heisst je nachdem, in wel- chem Bahnhof die Möbel zu stehen kamen, wo genau (vor einer Wand oder allseitig ausgerichtet) sie angeordnet waren und wie viele Funktionen sie vereinten. Die Materialisierung korrespondierte stets mit der übrigen Bahnhofseinrichtung: in Siena liess Mazzoni den Korpus übereinstimmend mit den Tür- und Fensterrahmen, Absperrgittern, Handläufen, Griffen, Lichtfassungen, Garderoben und Tei- len des Mobiliars aus dem Leichtmetall Anticorodal anfertigen, in Montecatini führte er ihn wie die gesamte übrige Innenausstattung aus Holz aus und in Brenner, wo das Möbel nicht im Atrium, son- dern im überdachten Aussenraum auf dem Perron stand, wurde es aus dem gleichen Stein gefügt, aus denen auch die Säulen des Perrondachs, die Sitzbänke, Fenster- und Sockeleinfassungen verkleidet waren. Im konstruktiven Massstab veranschaulichten die Anzeigetafeln Mazzonis somit beispielhaft die Entwurfsmethode, die er auch auf städtebaulicher Skala praktizierte. Die Anordnung der publikumsorientierten Einrichtungen im Bahnhof von Trient, die Mazzoni in Reggio Calabria, Messina und etwas weniger kompromisslos auch in Reggio Emilia (wahrscheinlich auch Roma Tiburtina) in analoger Weise handhabte, lässt sich gewissermassen als invertiertes Prin- zip des multifunktionalen, freistehenden Korpus’ interpretieren: sämtliche Dienstleistungen von der Gepäckabgabe über den Telegrafen, Billettschalter, Billettautomaten, Tabak- und Zeitungsverkauf bis zu den Briefkasten, Telefonen, Fahrplänen, Schreibablagen, Gepäck- und Personenwaagen wurden konsequent in die geschlossenen Wände der 70 x 10 x 6 Meter grossen Haupthalle integriert, gröss- tenteils in zweieinhalb Meter hohe Nischen, welche die innen liegende, lange Wand gegenüber dem Portikus perforieren. Die Halle wurde einzig mit drei langgestreckten, an den Stirnseiten gerundeten Steinbänken ohne Rückenlehne möbliert und blieb auf diese Weise in ihrer stereometrischen Hohl- form erhalten. Ihre Qualitäten offenbarten sich vor allem in der Offenheit und Ausdehnung des freien, unverstellten Raumes, die auch die Wirkung des Lichts, der Farben, Materialien, Oberflächen und Strukturen steigerten. Die Wände wurden in raumhaltige Körper umgedeutet, deren raumbegrenzende

887 Die Kanten von Bänken, Ausstattungsgegenständen, Fenster-, Türrahmen und anderen exponierten Bauteilen wurden un- ter anderem aus Gründen der Nutzung und der Beständigkeit abgerundet, in einem Schreiben bezüglich der Steinverklei- dung des Bahnhofs Venedig hiess es diesbezüglich: „Sarebbe opportuno o smussare o arrotondare gli spigoli per evitare che in breve tempo, cogli inevitabili urti gli spigoli stessi vengano deteriorati.“ (Brief von der Sezione Lavori di Venezia an die Bauabteilung in Rom, 22. August 1931, ASFSR, B. 2812, fasc. C IV 82(45), 148.) 3.3 Modul und Typus 361

Flächen sich wie Membrane zwischen die „inneren und äusseren Hohlräume“ fügten und so gesehen wiederum an die Vorstellung Sörgels über das Räumliche in der Architektur erinnern.888

3.3.2.5 Die neue Bahnhofstypologie am Beispiel des Bahnhofs von Montecatini Der Bahnhof von Montecatini ist ein Paradebeispiel für die typologischen Neuerungen des Eisen- bahnbaus, anhand dessen sich die richtungsweisenden Merkmale der Architektur Mazzonis, die Kon- textualisierung und städtebauliche Lage, die Grundrissdisposition, die Komposition der Baumassen und die Kohärenz der Ausstattung anschaulich zusammenfassen lassen. Er soll an dieser Stelle als Musterfall herausgegriffen werden, weil er bis heute mehr als andere Bahnhöfe Mazzonis seine Inte- grität und einen Grossteil der originalen Bausubstanz bewahrt hat, obwohl es auch hier im Lauf der Jahrzehnte durch den Bedeutungswandel der Einrichtung, die veränderte Nutzung, die Modifikation räumlicher Zusammenhänge und den Verlust, die Zerstörung oder Vernachlässigung der Ausstattung zu einschneidenden Veränderungen gekommen ist.889 Im Unterschied zu (fast) allen anderen Bahnhöfen Mazzonis liegt jener von Montecatini an einer Seitenlinie des italienischen Eisenbahnhauptnetzes, auf halber Strecke zwischen Florenz und dem Küstenbadeort Viareggio.890 Von der Jahrhundertwende an erlebte der Ort, der für seine Thermalquel- len und frühklassizistischen Thermenbauten Bekanntheit erlangt hatte, als begehrtes Reiseziel einen erheblichen Aufschwung und wurde zu einer bedeutenden Tourismusdestination mit vielen Hotels ausgebaut, die nach der Eröffnung der direttissima Bologna-Florenz im Frühjahr 1934 auch vom Kno- tenpunkt Bologna aus einfach zu erreichen war. Da das erste, 1853 erbaute Aufnahmegebäude dem regen Personenverkehr und den Bedürfnissen der Reisenden nicht mehr gewachsen war, beabsichtigte man, den bestehenden Bahnhof entweder zu erweitern oder durch einen neuen zu ersetzen, allerdings dauerte es mehr als drei Jahrzehnte, bis die Gemeinde und die Eisenbahnverwaltung 1932 endlich entschieden, auf einem am südöstlichen Rand des Zentrums gelegenen Grundstück unweit der alten Station in Richtung Monsummano einen Neubau zu errichten. Mazzoni begann im Herbst 1933 mit der Planung des Projekts, für die bis dahin das technischen Büro der Gemeinde zuständig gewesen war, und arbeitete mehrere Varianten aus, von denen Modellfotografien existieren. Wie städtebauli- che Studien im Massstab 1:1000 dokumentieren, reichten seine Entwürfe weit über das eigentliche Bauprojekt hinaus, indem er die Verbindung des Bahnhofs mit dem Stadtzentrum (insbesondere der Therme Leopoldine) und die Gestaltung des dem Bahnhofplatz gegenüberliegenden Quartiers in die Konzeption miteinbezog. Am 4. August 1937 wurde der Bahnhof offiziell eingeweiht, laut zeitgenös- sischen Berichten nach nur achtmonatiger Bauzeit.891 Als Fokus der parallel zum Schienenstrang situierten Anlage figuriert ein sehr schlanker, hoher Turm, dessen Spitze ein schmaler Lichtkranz und die Zifferblätter zweier Uhren krönen. Er ist asymmetrisch

888 Vgl. Kapitel 1.3.3.2, S. 110. 889 Die Bahnhöfe von Brenner (2. Phase), Trient, Reggio Emilia und Siena wurden durch Bombenangriffe teilweise schwer beschädigt und nach dem Krieg nicht mehr in gleicher Form wiederaufgebaut, die beiden römischen Bahnhöfe Termini und Tiburtina konnten bis zum Kriegsende gar nicht fertiggestellt werden, die Bahnhöfe von Brenner (1. Phase) und Bo- zen sind als Umbauten und Frühwerke Mazzonis noch zu wenig aussagekräftig, einzig die Bahnhöfe von Latina (auch ein Umbau), Reggio Calabria und Messina verfügen womöglich über eine mit Montecatini vergleichbare originale Bausub- stanz, allerdings existiert etwa im Fall von Messina nur wenig Archivmaterial, das den ursprünglichen Zustand des Baus dokumentiert. 890 Auch Siena, wo Mazzoni den alten Kopfbahnhof mit einem neuen Durchgangsbahnhof ersetzte, befindet sich nicht an einer Hauptlinie, sondern zwischen Empoli und Chiusi an einer Seitenlinie, die an die 1927 eröffnete und ab 1935 elektri- fiziertedirettissima Rom-Neapel anschliesst. 891 Vgl. Vitali 1937; Opere Pubbliche 1941; Giusti 2001, S. 236-270; Giacomelli, Godoli, Pelosi 2013, S. 244-271. 362 3.3 vor dem flachen Körper des Empfangsgebäudes angeordnet, wo er sich dünn wie eine Nadel gegen den Himmel erhebt. Zum Bahnhofplatz hin ist er einer einschneidigen Klinge gleich spitz zulaufend; der Schneide war einst ein stilisiertes, vom Boden aufragendes Rutenbündel mit Axt aus dunklem Porphyr vorangestellt.892 Ursprünglich hätte der Turm den End- respektive Anfangspunkt einer gross- en Allee markieren sollen, die den Bahnhof in einem weiten Bogen mit den Thermenbauten im Zent- rum verbunden hätte, allerdings wurde der städtebauliche Vorschlag Mazzonis aus finanziellen Grün- den nie umgesetzt, so dass sich die Funktion des Turms wegen der fehlenden axialen Beziehung auf jene eines zeichenhaften „Leucht-Turms“ („torre-faro“) reduzierte.893 Vor dem Turm legte Mazzoni orthogonal zur Gebäudeflucht ein langes, mit blauem Mosaik ausgekleidetes, mehrstufiges Brunnen- becken an, das den Bahnhofplatz in einen Ankunfts- und einen Abfahrtsbereich unterteilte. Im Westen fügte er dem Empfangsgebäude einen mehrgeschossigen Bau für Wohnungen, Diensträume und tech- nische Einrichtungen hinzu, etwas entfernt davon setzte er einen runden, mit einer aussen umlaufen- den Treppe versehenen Wasserturm. Als Pendant zu diesem Zylinder platzierte er auf der Ostseite des Hauptgebäudes einen aus hohen, niederen und länglichen Kuben gefügten, ebenfalls freistehenden, kleinen Bau für die Elektrozentrale und eine Warenlagerhalle. Innen unterteilte Mazzoni das Empfangsgebäude analog zum Bahnhofsplatz in einen kleineren An- kunfts- und einen grösseren Abfahrtsbereich. Dabei diente ihm die hinter dem Turm angeordnete Gepäckaufbewahrung als trennende, zweiseitig ausgerichtete Raumschicht, die die Strassen- und Brunnenachse im Innern des Gebäudes bis zu den Schienen und weiter durch die Unterführung bis zum mittleren Perron hin fortführte.894 Über zwei gegenläufige Treppen bei den Gleisen wurden die Reisenden automatisch entweder vom Atrium in die Unterführung geleitet oder umgekehrt vom Zug in die Ankunftshalle und weiter zur überdachten Vorfahrt, wo die Hotelangestellten ihre Gäste unter einem ausgedehnten, von einer einzigen dicken Säule peripher getragenen Schutzdach abholen konn- ten: „Il lato arrivi, spazioso, aperto, dove il treno che entra è visibile per chi aspetti sia sulla piazza sia nell’interno.“ 895 Auf dieser Seite richtete Mazzoni am Rand etwas abgeschirmt vom übrigen Reisever- kehr auch die sala delle autorità ein. Die geräumige Abfahrtshalle, deren acht raumhohen Eingangstü- ren er ebenfalls mit einem auskragenden Vordach schützen liess, legte er als längsrechteckiges Atrium an, an dessen Schmalseiten das Gepäck abgegeben oder die Billette bezogen werden konnten, in der Raummitte kam vor einer geschlossenen Wandfläche das zuvor beschriebene, multifunktionale Möbel mit Bank zu stehen.896 Zwischen dem Atrium und dem ersten Perron fügte Mazzoni nebeneinander die

892 Der Schriftsteller und Journalist Nando Vitali besichtigte wenige Tage vor der Einweihung zusammen mit Mazzoni den Bahnhof und verfasste einen ausführlichen Artikel, der sowohl die Interpretationen des Autors wie auch die Erläuterun- gen des Architekten zum Ausdruck bringt. Der Turm wirke, so Vitali, wie ein riesiges Schwert „col taglio rivolto verso la città“, und das Rutenbündel sei ein „gigantesco fascio littorio che a un certo punto si sovrappone alla linea tagliente della torre, avanzando di circa un metro e ripetendo il motivo col taglio affilato della scure.“ (Vitali 1937, S. 3.) 893 „Dovetti disegnare numerosi progetti per la stazione e la piazza antistante nonché un viale che la unisse al centro della città. (Quest’ultimo non fu realizzato per avere l’Amministrazione ferroviaria negato di contribuire alle spese).“ („Appun������- ti autobiografici“, FAM, MAZ S/21, S. 10.) 894 Über die Anordnung der Gepäckräume notierte Mazzoni in seinem Eisenbahnartikel: „Nelle [stazioni di media importan- za] è bene collocare fra l’uscita e l’atrio partenze il servizio bagagli e il deposito dei piccoli bagagli a mano, per poter con un solo locale o gruppo di locali soddisfare alle richieste sia dei viaggiatori in partenza sia di quelli in arrivo.“(Mazzoni 1927, S. 194.) 895 (Vitali 1937, S. 3.) 896 „Un mobile ingegnosissimo in rovere che racchiude come un ‚necessaire‘ tutto quanto può servire a chi parte.“ (Vitali 1937, S. 3.) 3.3 Modul und Typus 363 drei nach Klassen getrennten Wartesäle und das Restaurant ein.897 Während sich Erstere nur zu den Gleisen hin orientierten, war das Restaurant sowohl vom Atrium wie auch perronseitig von der den Wartesälen vorgelagerten, offenen Passage aus zugänglich; eine mittig gesetzte Bar-Theke unterteilte die Gaststätte in einen externen und internen Bereich. Vom Atrium aus führte ein breiter Durchgang zwischen dem Gepäckraum und der geschlossenen, abgerundeten Wand des 3. Klassewartesaals am Zeitungs- und Tabakkiosk vorbei zum ersten Perron, zu den Eingängen der Aufenthaltsräume und zur Unterführung. Ebenso selbstverständlich, wie Mazzoni die vom Billettschalter herkommenden Leute um die abgerundete Ecke hin zu den Zügen lenkte, so führte er auf der anderen Seite die dem Ausgang zustrebenden Passagiere einer Rundung entlang zur Gepäckausgabe; mit der Krümmung der beiden Wände respektive der Auflösung ihrer Kanten antizipierte er somit eine fliessende Bewegungs- linie und erhöhte zugleich die Überschaubarkeit der räumlichen Zusammenhänge, die eine intuitive, mittels architektonischer Massnahmen erzeugte Orientierung ermöglichte: „Le esigenze della macchi- na hanno guidato l’architetto per la creazione degli interni. Il flusso e il deflusso dei viaggiatori (...) ha consigliato parti più grandi e parti più piccole, aperture e chiusure di comunicazioni fra i vari am- bienti, disposizione in un dato senso di servizi accessori.“898 Die fliessenden Übergänge in den Durch- gangsräumen wurden auch vom Bodenbelag, der sich wie ein Teppich vom Innenraum nach draussen ausbreitete, nachgezeichnet.899 Im schmalen, viergeschossigen, gegenüber dem Bahnhofplatz stark zurückgesetzten Baukörper, der im Westen an das durchwegs eingeschossige Empfangsgebäude anschliesst, brachte Mazzoni die Personal- und Betriebsräume unter: in den beiden oberen Stockwerken je zwei Wohnungen, die über einen vorgelagerten Treppenturm erschlossen werden, im Erdgeschoss zu den Gleisen hin die Räume des Bahnhofvorstands und Fahrdienstes und im Untergeschoss, das dank einem in die Erde eingegra- benen, über eine Aussentreppe erreichbaren Hof Tageslicht erhält, die technischen Einrichtungen und die Heizzentrale; ihr schmaler, gerundeter Kamin tritt an der äussersten Gebäudeecke schräg hervor und bildet zusammen mit dem runden Wasserspeicher, dem polygonalen Uhrturm und der rechtecki- gen Elektrozentrale eine Abfolge vertikaler Elemente. Im Vergleich zur Komposition der Baumassen anderer Bahnhöfe (etwa jener von Trient, Littoria, Sie- na oder Reggio Emilia) reizte Mazzoni in Montecatini die Grenzen diesbezüglich vollständig aus, und zwar insofern, als dass sich das flächenmässig ausgedehnte Empfangsgebäude fast nicht mehr als feste Baumasse zu erkennen gibt, sondern als äusserst flache, horizontal gelagerte Struktur. Zum einen wird der Hauptbau, dessen Halle nur gerade viereinhalb Meter hoch ist, durch die hohen, vierflügligen, durch schmale Pfeiler voneinander getrennten Holztüren, die den Ein- und Ausgangsbereich rhythmi- sieren, stark perforiert, zum andern sorgen das frei vorkragende, seitlich weit ausgreifende Vordach und die beiden gleisseitigen, identisch ausgeführten Perrondächer für eine dominante horizontale Gliederung. Die Horizontalität der Anlage parallel zu den Gleisen wird nicht nur durch die einheitli- che, waagrecht geschichtete Verkleidung der Stützen, Aussen- und Innenwände mit breiten Bändern aus lokalem Monsummano-Travertin und dazwischengefügten, dünnen Streifen aus dunklem, wie Metall wirkendem Predazzo-Porphyr betont, sondern zusätzlich durch den asymmetrisch gesetzten

897 Die Grösse der Wartesäle widerspiegelte die Zusammensetzung der Reisegäste Montecatinis: Der Wartesaal dritter Klasse ist nicht, wie andernorts üblich, der grösste von allen, sondern nur halb so gross wie jener zweiter und gleich gross wie jener erster Klasse. 898 (Vitali 1937, S. 3.) 899 Vgl. Opere Pubbliche 1941, S 115. 364 3.3

Uhrturm gesteigert, dessen Vertikalität die Flächigkeit markant kontrastiert. Eines der wenigen, kör- perhaften Elemente gibt sein hoher, schildförmig gewölbter Sockel vor. Er steht massiv aus der Mitte der Hauptansicht hervor und markiert gewissermassen den Nullpunkt des vom Brunnen, Turm und Schutzdach definierten Koordinatensystems. Abgesehen vom Sockel fällt nur noch das T-förmige Wohn- und Betriebsgebäude mit seiner Baumasse ins Gewicht. Es übersteigt das Empfangsgebäude um die doppelte Höhe und wird hauptsächlich von quadratischen Lochfenstern gegliedert, sein aus- kragendes Flachdach nimmt die horizontalen Linien der Perron- und Vordächer auf. Die helldunkel gestreifte Verkleidung des Empfangsgebäudes wird an den dem Bahnhofplatz abgewandten Süd- und Westfassaden nahtlos fortgesetzt, die gegenüberliegenden Nord- und Ostseiten sowie die Fassaden zum Hof hin bestehen dagegen aus bleigrauem Bossenwerk („bugnato medioevaleggiante“900), wobei die dunklen Porphyrstreifen jeweils übereck auf die Fassaden mit Bossenwerk übergreifen, so dass die beiden kontrastreichen, die warme Sonnen- und kühle Schattenseite spiegelnden Gebäudehüllen subtil miteinander verzahnt werden. Im Innenraum kombinierte Mazzoni die helldunkle Steinverkleidung mit Einbauten, Rahmen, Tür- und Fenstereinfassungen, Wandtäfelung sowie fester und beweglicher Möblierung aus Nuss- und Eichenholz, einzelne Elemente wie Leuchtenfassungen, Sockelleisten, Fahnenstangenhalter, Schrift- züge, Raumbezeichnungen, Wegweiser, Armaturen, Zifferblätter und Roste für Gepäckablagen liess er aus Metall, vorwiegend Messing, anfertigen. Die Möblierung des überdachten Aussenraums, die Bänke, Brunnen, Blumenkästen, Ablagen, Telefonnischen und der Aufenthaltsraum auf dem Perron, assoziierte er zu den Perrondächern, indem er sie an die Pfeiler und Brüstungen der Treppeneinschnit- te koppelte und alle Elemente einheitlich mit geschliffenem Monsummano-Travertin ausführte. Im Gegensatz zu diesen „unbunten“, natürlichen Materialien (Travertin, Predazzo-Porphyr, Maona-Stein, Holz, Metall) kamen in den geschlossenen Innenräumen, die nicht als Durchgangsbereiche, sondern Aufenthalts- und Arbeitsräume dienten, kräftige Farben und kontrastreiche Materialien zum Tragen, so kleidete Mazzoni beispielsweise den leicht auf den Bahnsteig vorstehenden Raum der Fahrdienst- leitung (Stellwerk) vollständig mit dunkelgrünem Keramikmosaik ein, während er den Wartesaal erster Klasse mit schillernd rotem Glasmosaik an Wänden und Decke, Monzonite-Natursteinplatten auf dem Boden, rotgepolsterten Ledersitzen entlang der Wände und einem massiven Steintisch in der Raummitte ausstattete und für die Beleuchtung vier lange Lichtstreifen in die hinten nach unten gewölbte Decke einlegen liess – ein „piccolo capolavoro di bizzarria“, wie Nando Vitali hierzu notier- te.901 Auch das Restaurant war auf dem Boden und an der Decke mit rotem Keramikmosaik, die Wän- de hingegen mit grüngelbem Glasmosaik versehen, und in der sala delle autorità kamen rosafarbener Granit, ockerfarbenes Glasmosaik und königsblaues Leder für die Sitzbänke zur Anwendung. Auf dem Bahnhofplatz ergänzte der Blau ausgefütterte, dreistufige Brunnen und die hellvioletten Steh-

900 (FAM, MAZ B/7, fasc. 2, I.) Der Sockel des Wasserspeichers, die Elektrozentrale und die Lagerhalle sind ebenfalls mit Bossenwerk verkleidet. Der Travertin und der Stein für das Bossenwerk stammen aus der unmittelbaren Umgebung, aus dem Steinbruch von Monsummano bzw. der Grotte Maona nördlich von Montecatini. Die zeitgenössische Presse würdigte die Helldunkel-Verkleidung als Reminiszenz an die toskanische Bautradition der Romanik: „in una guisa che può ricorda- re l’interno del Duomo di Siena, tutta la superficie (...) è tagliata da striscie di porfido violaceo tolto alle cave di Predazzo nel Trentino.“ (Vitali 1937, S. 3.) 901 (Vitali 1937, S. 3.) Der längsrechteckige Tisch im Wartesaal bestand aus einem mit rotem Mosaik verkleideten, tragenden Kern und einer in der Längsrichtung wie eine Schürze darüber gelegte Steinplatte aus Monzonite mit allseits gerundeten Kanten. Der Tisch zeichnete als Körper gewissermassen die Hohlform des Wartesaals nach. Gleiche, aber unterschiedlich materialisierte Tische realisierte Mazzoni auch in den Wartesälen von Reggio Calabria und Messina und der Post von Grosseto. 3.3 Modul und Typus 365 leuchten die Polychromie der Innenausstattung. Die Kunst indessen, so schrieb Vitali weiter, „quella destinata alla decorazione, intendiamoci“, habe im Raum des Bahnhofvorstands Zuflucht gesucht: „una grande tarsi progettata dal pittore Mazzei (...) dietro la scrivania. Al fianco (...) due busti: il Re Imperatore e il Duce, che lo scultore fiorentino Gronchi ha fuso nel bronzo.“ Das eigentliche Kunst- werk, so gab Vitali mit seiner Differenzierung indirekt zu verstehen, waren also nicht die intarsierte Holztäfelung oder die Bronzebüsten, sondern das Bauwerk selber. Mit dem Bahnhof von Montecatini übersetzte Mazzoni (unwissentlich) die 1914 geäusserte Vorah- nung Umberto Boccionis in ein konkretes architektonisches Werk. In seinem unveröffentlichten Ar- chitekturmanifest hatte Boccioni festgehalten, dass sich die Bahnhöfe allmählich von Palästen oder Kathedralen nachempfundenen Bauwerken in technisch-funktionale, der Dynamik und Geschwindig- keit der neuen Fahrzeuge angepasste Einrichtungen verwandeln und dadurch einen neuen Bautypus begründen würden.902 Tatsächlich lässt sich die Konfiguration der Gesamtanlage (ganz im Sinn des Futurismus) als architektonische Interpretation der Maschine deuten; die Konnotation widerspiegelt sich nicht nur in den funktionalen Zusammenhängen, die Mazzoni mit der Dimensionierung, Anord- nung und Verbindung der Räume geschaffen hatte, sondern äussert sich auch in formaler Hinsicht, etwa in der Gliederung und der Konstellation der Baukörper, wobei das Wohn- und Betriebsgebäude aufgrund seiner Lage, Gestalt und Materialisierung eine Schlüsselrolle einnimmt: „Tale fabbricato è forse la parte più geniale della nuova stazione di Montecatini, nel senso che il razionalismo tecni- co, indispensabile nell’edificio viaggiatori, è qui meno rigido. Là è la macchina che si impone; qui è l’ispirazione che detta. Il giallo-sole del travertino cede il posto all’ombra fresca della pietra di grotta.“903 Vom Bahnhofplatz aus betrachtet scheint es denn auch, als ob dieser massiv wirkende Ge- bäudeteil am Kopf der Anlage, in dessen Keller überdies der Maschinenraum untergebracht ist, wie eine Lokomotive den ganzen Komplex hinter sich her in Richtung Viareggio ziehen würde – als seien nicht nur die ein- und ausfahrenden Züge, sondern der gesamte Bahnhof mit seinen ausladenden Dä- chern in Fahrt geraten.904 So gesehen verkörpert das Bauwerk einer Metapher gleich die Dynamik des modernen Verkehrsmittels, an das es gebunden ist, jedoch ohne dieses plakativ zu imitieren; vielmehr gelang es Mazzoni, die Bedeutung des Bauwerks mit architektonischen Mitteln abstrakt und zugleich bildhaft zum Ausdruck zu bringen. Seine rückblickend verfassten Kommentare zum Projekt bekunden, dass er selber mit seiner Konzep- tion offensichtlich sehr zufrieden war. Er bezeichnete sie als „futuristisch“ und sah dieses Prädikat gerade darin erfüllt, dass er ein mit dem Mittelalter konnotiertes, „altes“, traditionalistisches Material, wie es das Bossenwerk repräsentierte, im Kontext des modernen Eisenbahnbaus verwendet hatte: „Il pietrame grezzo – apparentemente ricordo medioevale – serve a dimostrare come si può concepire futuristicamente dando alla superficie delle facciate la plastica bellezza di un bugnato medioevale toscano.“905 Mazzonis Bemerkung artikuliert seine persönliche, undogmatische Haltung und wie- derholt seine in den 20er und 30er Jahren mehrfach geäusserte Überzeugung, wonach es keinen ein- leuchtenden Grund gebe, gewisse Materialien oder Bauformen a priori von der Konzeption moderner Architektur auszuschliessen: „Una colonna con tanto di base e di capitello, un arco, possono diven-

902 Vgl. Kapitel 2.2.1.2, S. 140. 903 (Vitali 1937, S. 3.) 904 Möglicherweise schrieb Vitali deshalb auch, dass die Präsenz des Wohn- und Betriebsgebäudes an der Seite des Emp- fangsgebäudes vom Auge als eine „cosa molto lontana, quasi irreale“ wahrgenommen werde. (Vitali 1937, S. 3.) 905 (FAM, MAZ B/7, fasc. 2, 7, zit. nach Giacomelli, Godoli, Pelosi 2013, S. 261.) 366 3.3 tare elementi futuristi bellissimi se per ventura un architetto di genio riesca ad adoperarli in modo imprevisto, realizzando sensazioni mai prima raggiunte di bellezze nuove.“906 Die Erneuerung der Architektur war für ihn folglich keine materielle Frage, sondern eine geistige Aufgabe: erst durch die Inspiration des Architekten, der die Säulen und Steine zu einem Bauwerk fügte, erhielten die Bauele- mente ihren künstlerischen Wert – der Bahnhof von Montecatini lieferte hierfür einen überzeugenden Beweis.

906 (Mazzoni 1933 [2].) 367

539

540 541 Neue Bahnhöfe in Italien: 538 Ezio Bianchi, Bahnhof von Forlì, 1925-1927 539 Roberto Narducci, Bahnhof von Belluno Vigneta, ca. 1925-1930 540 Roberto Narducci, Bahnhof von Taormina, 1928 (Planungsbeginn in der Vorkriegszeit, Überarbeitung des Projekts nach 1922)

542 Eliel Saarinen, Bahnhof von Helsinki, 1904-1919 543 Paul Bonatz, Friedrich Scholer, Bahnhof von Stuttgart, 1911-1928

544 J. Taillens, Ch. Debois, E. Mendod, A. Leverrière, Bahnhof von Lau- 545 Karl Moser, Robert Curjel, Badischer Bahnhof Basel, 1908-1913 sanne, 1908-1916 368

3 3 2 10 2 1 4 4 5 6 6

546 Grundriss des Empfangsgebäudes des Bahnhofs von Lausanne, 1908-1916 (Architekten J. Taillens, Ch. Debois, E. Mendod, A. Leverrière)

5 5 4 3 4 6 2 10 3 13 7 1

7 8 4 6

547 Grundriss des Empfangs- und Zollgebäudes des Badischen

5 10 10 6 6 3 2 4 4 7 11 9 12 1 6

8 9

548 Grundriss des Bahnhofareals von Trient 1933-1936

12 6 4 4 10 10 11 5 11 15 3 14 2 9 6 1 3 14 8 14

549 Grundriss des Bahnhofareals von Roma Tiburtina, 1938-1943 (nur teilweise realisiert)

Legende: 1 Atrium 4 Wartesäle 7 Bar 10 Betriebsräume 13 Zollbereich 2 Billette 5 Passage 8 Garten 11 Wohnungen 14 Güterabfertigung und Lagerhallen 3 Gepäck 6 Restaurant 9 Musik 12 Postdienst 15 Wasserturm 369

550 Eliel Saarinen, Anzeigetafel im Bahnhof von Helsinki, hinten links die 551 Bahnhof von Siena, kompakter Korpus aus Anticorodal (vgl. Abb. 484) Gepäckaufbewahrung, rechts der Eingang zum Restaurant

552 Bahnhof von Montecatini, Korpus mit Sitzbank aus Holz mit Fussleisten aus Messing

553 Bahnhof von Brenner, Korpus im Aussenraum aus Stein 370

554 Bahnhof von Trient, Haupthalle, 1936

555 Fahrpläne in der geschlossenen Seitenwand 556 Telefonzelle in einer der Nischen 557 Billetschalter und Billetautomat (in der Steinfläche in der Mitte der Aufnahme)

558 Bahnhof von Reggio Emilia, Restaurant im nach aussen gewölbten 559 Bahnhof von Trient, externes Restaurant 1. und 2. Klasse mit Musiker- Baukörper (vgl. Abb. 493) podest in der Nische (hinten links) und Ausgang zur Gartenterrasse 371

560 Bahnhof von Montecatini, Ansicht strassenseitig (2005): im Zentrum das Empfangsgebäude, rechts der Wohn- und Dienstbau mit dem Kamin der Heizzentrale

8 7 5 6 9

10 3 4 4 4 6

1 1 2

561 Grundriss des Bahnhofs von Montecatini (Ausführungsprojekt, Plan ohne Wasserturm, Güterschuppen, Elektrozentrale), 1933-1937: 1 Abfahrts- und Ankunftshalle, 2 Billetschalter, 3 Gepäckaufbewahrung, 4 Warteräume, 5 Passage, 6 Restaurant, 7 Bar, 8 Stellwerk, 9 Betriebsräume 10 Wohnungen

562 Ansicht des Wohn- und Dienstgebäudes gleisseitig, im Hintergrund der Travertin-Steinbruch von Monsummano 372

563 Überdachte Vorfahrt neben der Ankunftshalle 564 Wohn- und Dienstgebäude gleisseitig

565 Diensträume 566 Wartesaal 1. Klasse

567 Telefon auf dem mittleren Perron 568 Brunnenbecken auf dem Vorplatz 373

569 Überdachte Vorfahrt neben der Ankunftshalle 570 Wohn- und Dienstgebäude gleisseitig

571 Fahrdienstleitung 572 Wartesaal 1. Klasse

573 Warteraum auf dem mittleren Perron 574 Brunnenbecken auf dem Vorplatz 374 4 schlussbetrachtungen

4.1 zur Architektur und zum Städtebau Mazzonis

Wiederkehrende Motive, Raumformen und Typologien Wie die vorangegangenen Untersuchungen verdeutlicht haben, gründete Mazzoni seine Entwürfe immer wieder auf ähnlichen Motiven, Raumformen, Bautypologien und architektonischen Themen, die er in unterschiedlichem Massstab als wiederkehrende Elemente und wiedererkennbare räumliche und formale Konstanten in Erscheinung treten liess. In formaler Hinsicht paradigmatisch nimmt sich die Post von Agrigent aus, deren Gestaltung von der städtebaulichen Einbettung, der Grundrissan­ ordnung, den Stützmauern, der spiralförmigen Fassadenabwicklung bis hin zu den Innenräumen, Leuchten, Tischen, Stühlen, Tintenfässchen und Ziffern der Uhren von der Geometrie des Kreises bestimmt wird; den Kreis hatte Mazzoni aus dem statischen Prinzip des Gebäudes abgeleitet und mit dessen Schraubenform zugleich die Verknotung der städtischen Räume artikuliert. Den tieferen Sinn dieses vordergründig als „Spiel mit den Formen“ zu deutenden Vorgehens unterstreicht Richard Etlin treffend mit einer Analogie zur Komposition von Musik: „Mazzoni (...) went far beyond the generalized notion of lively movement in the massing. He took a visual theme, the circle, and repeated it in every possible form and configuration as surface, volume, opening, on the horizontal, the vertical, above and below, and in contrast with the rectangular forms, in a way a composer of music would develop an initial musical phrase with varied notes and in related keys.“907 Die Post von Agrigent ist diesbezüglich ein Extremfall; ein solch offenkundiges und konsequentes Durchdeklinieren einer Form innerhalb desselben Bauwerks findet sich sonst nur noch bei der Post von Ferrara, wo Mazzoni in beinahe überbordender Weise das Motiv des Diamanten verwendete: überall, wo der Blick hinfällt, vom steinernen Türrahmen über die hölzerne Innenmöblierung bis zu den metallenen Blitzableitern, liess er es variantenreich und in unterschiedliche Materialien übersetzt anbringen, als ob er dem Betrachter mit dem Bau gewissermassen exemplarisch vor Augen führen wollte, dass sich die Frage der Gestaltung immer wieder aufs Neue, vom Grossen bis ins kleinste Detail, in immer gleicher Intensität stellt. Die im Fall Ferraras vermutlich auf den konkreten bauhisto- rischen Kontext referierende Diamantierung908 findet sich allerdings punktuell auch in anderen seiner Bauten, so wie auch andere einprägsame Raumformen, Motive und Konstruktionen in verschiedenen Bauten und unterschiedlicher Skalierung vorkommen; sie sind also nicht unbedingt ort- oder projekt- gebunden, sondern weisen vielmehr einen allgemeingültigen Charakter auf und erlangen je nachdem, in welchem Kontext sie auftreten, eine spezifische Bedeutung – erinnert sei hierbei an die versetzt gemauerten Säulen, die zeichenhaften Uhrtürme, die halbrund vorgewölbten Baukörper, die mit Ni- schen erweiterten Zwischen- und Innenräume, die stilisierten ionischen Kapitelle oder die Zylinder, die als Wandleuchten, Rutenbündel, Leuchttürme, mit Treppen umfangene Wassertürme oder, wie in Agrigent, sogar als ganzes Gebäude figurieren. Die explizite Verwendung wiedererkennbarer Archi- tekturelemente und -motive ermöglichte Mazzoni, an grundlegende Fragen der Baukunst anzuknüpfen und sie aus seiner gegenwärtigen Perspektive neu zu stellen und zu beantworten, so etwa die Frage

907 (Etlin 1991, S. 320.) 908 Mazzoni wählte das Diamant-Motiv vermutlich in Anlehnung an den von Biagio Rossetti Ende des 15. Jahrhunderts er- bauten, mit einem markanten Diamant-Quader überzogenen Palazzo dei Diamanti. Vgl. Angiolo Mazzoni 1984, S. 136. 376 Schlussbetrachtungen 4 der Raumgrenzen, die am Beispiel des Bahnhofs von Littoria erläutert wurde, die Frage der Massstäb- lichkeit, die anhand der szenographischen Aussenraumgestaltung der Post von La Spezia zur Sprache kam, die Frage der historischen Kontextualisierung eines Bauwerks oder die Frage der Bedeutung for- maler, farblicher und materieller Anordnungen, wie sie zuletzt im Zusammenhang mit dem Bahnhof von Montecatini diskutiert wurde. In der Suche nach dem Archetypus, dem „Urbild der Architektur“, in dem lokale, ortstypische Merkmale ebenso enthalten waren wie der Ausdruck übergeordneter, uni- versaler Prinzipien, sah Mazzoni seine wichtigste Aufgabe als Baukünstler begründet. Das Beispiel des Diamantenmotivs veranschaulicht ähnlich wie der als Nymphäum ausgebildete Nischenbrunnen in La Spezia oder der die Typologie des Atriumhauses respektive des Rundtempels aufgreifende Säulenumgang in Ostia Lido, dass Mazzoni diese Gestaltungselemente nicht nur ihrer formalen Eigenschaften wegen für bedeutsam hielt. Mit ihnen brachte er auch ein historisches Be- wusstsein zum Ausdruck, indem er grundsätzlich darauf vertraute, dass die seit Jahrhunderten überlie- ferten Bauformen, -materialien und -typologien in der Gegenwart weiterhin eine sinnstiftende Rolle übernehmen und tragfähig bleiben konnten. Dadurch, dass er architektonische Konventionen und tra- ditionelle Formen aufnahm, abwandelte, neuinterpretierte und so in seine eigene Zeit überführte, rief er die reiche Vergangenheit der Architektur und ihr unerschöpfliches Potential in Erinnerung, gleich- zeitig stellte er sich damit auch entschieden gegen einen Bruch mit der Vergangenheit, wie er von führenden Avantgardebewegungen (etwa auch den Futuristen) gefordert wurde. Frei von Dogmatik verpflichtete sich Mazzoni stattdessen der architektonischen Kontinuität. DieV erbindung von Traditi- on und Moderne war für ihn kein unvereinbarer Widerspruch, sondern bildete für seine entwerferische Tätigkeit eine unbestreitbare Voraussetzung; er sei, so schrieb Alfredo Forti, stets von der „autorità della tradizione“ und der „indiscutibilità dell’archetipo“ ausgegangen.909 Genauso fraglos setzte Maz- zoni in seinem Selbstverständnis des modernen Architekten aber auch voraus, dass er überlieferte Ele- mente nicht als stilistische Kopien übernehmen konnte, sondern sie ausgehend von den Bedingungen seiner gegenwärtigen Zeit und den veränderten Anforderungen an die Bauwerke neu definieren und zueinander fügen musste.

Bildhaftigkeit und plastische Durchbildung der Baukörper Der projektübergreifende Vergleich lässt erkennen, dass die vielgestaltigen Konfigurationen der Ar- chitektur Mazzonis nicht nur als konstruktive Gefüge in Erscheinung treten, sondern auch „bildhafte“ Qualitäten aufweisen: so hält die Post von Ostia Lido einer Interpretation als Lichtung in den Pinien- wäldern am Meer ebenso stand, wie sich die räumliche Ordnung der Post von La Spezia als eine auf den städtebaulichen Massstab umgedeutete Typologie des klassischen Theaterbaus oder die Gliede- rung des Bahnhofs von Montecatini als Abbild einer dynamisch vorwärts strebenden Zugkomposition auslegen lassen. Die Bildhaftigkeit erfasst nicht immer den gesamten Gebäudekomplex, sie kann auch fragmentarisch in einzelnen Bauteilen, Gegenständen, Farben, Materialien und Motiven zum Aus- druck kommen; die Beispiele hierfür sind unzählig, herausragend sind etwa die mit satter, dunkelrot- feuriger Farbe angestrichene, aus Stellwerk und Heizzentrale bestehende Baugruppe des Bahnhofs von Florenz, deren zweiteilige, abgewinkelte Anordnung vom Gleisfeld aus wie die Verbindung einer

909 (Angiolo Mazzoni 1984, S. 26.) 4 Schlussbetrachtungen 377

Lokomotive mit ihrem Kohlewagen aussieht,910 oder der mit einer langen, abgerundeten Sitzbank er- weiterte Tisch im Wartesaal dritter Klasse des Bahnhofs von Littoria, dessen Gestaltung ebenfalls an die stilisierten Konturen einer Dampflokomotive gemahnt. Als bildhaft erweisen sich auch rhetorische Elemente, wie die zuvor erwähnten Diamanten oder andere zitathaft angebrachte Dekorationsmass- nahmen, sowie konstruktive Details, etwa, wenn feste Bauteile den Eindruck erwecken, sich wie Flügel ausstrecken zu können, wie Sprungfedern elastisch zu sein, wie Filter gewisse Verkehrsströme weiterzuleiten oder wie Scharniere und Achsen sich drehen und bewegen zu lassen. Die Bildhaftigkeit der Architektur Mazzonis bleibt dabei stets abstrakt; sie beruht nicht annähernd auf einer naturge- treuen Wiedergabe, vielmehr ermöglichen bestimmte Formkonstellationen, Farben, Materialien und Fügungsprinzipien Assoziationen mit bekannten Bildern und naheliegenden Fakten, die sich mit dem Verwendungszweck der Einrichtung oder ihrem lokalen Kontext in Verbindung bringen lassen. Die Assoziationen drängen sich dabei weder auf noch sind sie eindeutig, sie eröffnen lediglich eine mögli- che Lesart und erweitern dadurch die Bedeutung der formalen Anordnung. Dass die Werke Mazzonis in diesem Sinn bildhaft wirken, geht in erster Linie auf sein Raumverständ- nis und seine grundlegende Handhabung des architektonischen Körpers zurück, den er nicht als eine aus horizontalen und vertikalen Flächen und Elementen bestehende, in gesonderte, raumumschlie- ssende Fassaden, Wände, Böden, Decken und Stützen gegliederte Konstruktion interpretierte, sondern wie einen anatomischen Körper behandelte, dessen einzelnen Glieder in einem engen räumlichen, konstruktiven und funktionalen Verhältnis zueinander und zum umgebenden Raum stehen. Mazzonis Baukörper zeichnen sich durch ihre ausgeprägte Plastizität aus, bei der Hohlräume, feste Baumassen, Ebenen, Öffnungen, Aussen und Innen in allen drei Dimensionen kontinuierlich ineinandergreifen – oder, wie es Giuseppe Vaccaro anlässlich seines eigenen Postbaus in Neapel formulierte: „La fac- ciata non è intesa come una superficie di delimitazione fra architettura esterna ed interna: l’una è la naturale continuazione dell’altra.“911 Die plastische Durchbildung der Baukörper äussert sich in allen von Mazzoni bearbeiteten Bauaufgaben in gleichem Masse, sei es, wie bei den linear angeordneten Bahnhofsanlagen, durch eine formal differenzierte Abfolge unterschiedlicher Baukörper, Volumen, Zwischen- und Aussenräume, sei es, wie bei vielen seiner städtischen Postpalazzi, durch eine episo- disch gestaltete, polymorphe Aussenhülle, die sich unaufhörlich zu verwandeln scheint, sei es, wie bei der Ferienanlage in Calambrone, durch eine homogenisierende Farbgebung und Materialisierung, die das Spiel von Licht und Schatten akzentuieren, oder sei es, wie bei den Eisenbahnerhäusern, durch eine raffinierte Gliederung der Oberflächen einfacher, stereometrischer Körper. Besonders anschaulich werden die plastische Qualität und räumliche Kontinuität seiner Architektur am Beispiel der modula- ren Wohnbauten in Südtirol, deren vier Fassadenaufrisse einzeln betrachtet zunächst willkürlich ge- ordnet erscheinen, als dreidimensionale Fassadenabwicklung jedoch eine Systematik erkennen lassen und letztlich ebenso körperhaft und dynamisch wirken, wie der spiralförmige, mit einer Skulptur Um- berto Boccionis vergleichbare Aufbau der Post von Agrigent, oder die kilometerlange, durch kubische Körper, auskragende Dächer, dünne Wandschalen, raumgreifende Nischen, runde Türme und tiefe Einschnitte strukturierten Flanken des Bahnhofs Roma Termini.

910 Vgl. auch Angiolo Mazzoni 1984, S. 18-19. Mit der Verkehrssteuerung und der Energieversorgung übernehmen die zwei Bauten im Bahnhofskomplex dieselben Funktionen, die eine Lokomotive mit Kohlewagen auf den Schienen erfüllt. 911 (Vaccaro 1936, S. 355.) 378 Schlussbetrachtungen 4

Fragment, Vielfalt und Einheit Ein weiteres projekt- und massstabsübergreifendes Merkmal, das die Architektur Mazzonis spezi- ell auszeichnet, zeigt sich in ihrem fragmentarischen Charakter. Er prägt sein gesamtes Werk und kommt besonders augenfällig in seinen ersten realisierten Bauten, den Wohnhäusern von Bologna, den Bahnhöfen von Bozen und Brenner, den Postämtern von Ferrara und Nuoro, aber auch in allen anderen, danach errichteten Bauten zum Ausdruck. Das Fragmentarische seiner Architektur hängt eng mit Mazzonis zuvor erwähntem Raumverständnis und Konzeption des architektonischen Körpers zusammen. Konkret äussert es sich in der asymmetrischen, unregelmässigen Gliederung seiner Bau- ten und Bauteile, deren erfindungsreichen Vielgestaltigkeit und formalen Wandlungsfähigkeit, den überraschend applizierten Dekorationselementen, dem abrupten Wechsel gestalterischer Mittel (For- men, Farben, Materialien) und der gleichzeitigen Anwesenheit verschiedener, teilweise diametraler Tatsachen, die die Bauten im Einzelnen und das Werk im Gesamten äusserst heterogen, ambivalent, manchmal auch widersprüchlich und ungebändigt erscheinen lassen. Dass es nahezu unmöglich ist, die komplex gegliederten Baugefüge Mazzonis auf Anhieb ganzheitlich zu erfassen, dokumentiert ein zeitgenössischer Bericht über die Post von Trient beispielhaft: „L’adozione sporadica (...) di archi vivamente profilati entro la rigorosa riquadratura dei volumi ed il rettilineo, non profilato ritmo dei vuoti, riesce, talvolta, anacronistica; quanto, spesso, decorativamente pleonastica l’insis- tente sbozzatura diamantina della pietra sulle limpide stesure murali ad apparare zoccolo pilastri e portali; mentre i tetti sgrondanti ritardano e appesantiscono lo scatto delle masse. (...) Negli interni, plasma sagome primitive con classica precisione e valorizza, con bizantina passione, materiali e colori ai più complessi effetti luminosi.“912 Die fragmentarische Disposition seiner Architektur kann als Konsequenz seiner szenographischen Interpretation des Raums, dessen Wahrnehmung durch die Bewegung, den Standort und die Blick- richtung des Betrachters bedingt ist, ausgelegt werden. Im Gegensatz zur perspektivisch-statischen Perzeption fügt die szenographische den räumlichen Gesamteindruck nicht auf einmal, sondern aus vielen verschiedenen, diskontinuierlich wahrgenommenen Teilen zusammen.913 Während die Teile für sich betrachtet oftmals rätselhaft und unvollständig bleiben, lässt sich ihre Sinnfälligkeit unter Einbe- zug des erweiterten physischen und geistigen Kontextes nach und nach erschliessen. Dadurch werden die Beziehungen, die zwischen den einzelnen architektonischen und landschaftlichen Elementen be- stehen, stärker gewichtet als ihre rein formale Erscheinung. Wie die Ausführungen im ersten Teil der Arbeit aufgezeigt haben, lässt sich Mazzonis szenographi- sche Seherfahrung ihrerseits in Zusammenhang mit den Lehren der (pittoresken) Stadtbaukunst, des ambientismo, der architettura minore und des restauro bringen, die sich im ausgehenden 19. Jahr- hundert vor dem Hintergrund des technisch-industriellen Fortschritts und der markanten politisch- gesellschaftlichen Veränderungen herausgebildet hatten. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts widerspie- gelten diese theoretischen, ohne formale oder stilistische Vorgaben formulierten Grundlagen ein neues historisches und künstlerisches Bewusstsein, mit dem – entsprechend dem Leitmotiv „caso per caso“, von Fall zu Fall – eine differenzierte Haltung in Architektur, Städtebau und Denkmalpflege angestrebt

912 (De Carli 1934, S. 496.) 913 Caroline Constant schrieb im Zusammenhang mit der Architektur Palladios und dessen Haltung zum Raum über die Differenz zwischen perspektivischem und szenographischem Raum: „Der perspektivische Raum erzielt Einheit durch proportionale Beziehungen. Er hat eine fassbare Qualität. (...) Der szenographische Raum ist demgegenüber räumlich unterbrochen. Seine Einheit ist weniger bestimmt durch Körperlichkeit als durch die Art der Perzeption. Er nimmt eher die Horizontale als die Vertikale als Bezug. Deshalb kann er sich unendlich ausdehnen. Die ephemere Qualität des szeno- graphischen Raums ist das Ergebnis einer Reflexion, wenn das Bewusstsein ein logisches Ganzes aus unterschiedlichen Bestandteilen konstruiert, die auf einer Ebene versammelt sind.“ (Constant 1988, S. 9.) 4 Schlussbetrachtungen 379 wurde; sie sollte der zunehmenden, bisweilen als unübersichtlich empfundenen Komplexität der da- maligen baulichen Entwicklungen Rechnung tragen und den Weg in eine moderne Zukunft weisen, ohne dass der Bezug zur Vergangenheit und zu bewährten Traditionen verloren ging. Der fragmenta- rische Charakter der Bauwerke Mazzonis, wo Raum und Körper nur noch episodisch erfahrbar sind, das architektonische Erbe bruchstückhaft und andeutungsweise aufgerufen wird und unterschiedliche Formensprachen gleichzeitig nebeneinander bestehen können, kann deshalb auch als praktische Um- setzung jener Theorien und insofern als unmittelbare Antwort auf die vielschichtigen, sich ständig wandelnden und nicht selten kontradiktorischen Bedingungen seiner gegenwärtigen Zeit verstanden werden. Die fragmentarische und heterogene Konfiguration bildet ein wesentliches Merkmal seinerArchitek - tur, bei deren Planung die Gleichzeitigkeit und Unvollständigkeit verschiedener, häufig kontrastieren- der Gestaltungsmassnahmen bewusst als Entwurfsmittel eingesetzt wurden. Mazzoni ging dabei spie- lerisch und intuitiv vor, vor allem aber, wie die Untersuchungen zur Farbgebung, Materialwahl oder Integration landschaftlicher Elemente bestätigt haben, auch planmässig: einerseits gab ihm die vielge- staltige Anordnung die Möglichkeit, durch das Mittel des Kontrasts die Wirkung bestimmter Elemente zu verstärken, sie gegeneinander abzugrenzen, ihre besonderen Eigenschaften hervorzuheben und ihnen Bedeutung zu verleihen. Zum andern diente sie ihm umgekehrt dazu, Einheit zu schaffen, in- dem er die einzelnen Teile so definierte und zueinander fügte, dass sie sich komplementär ergänzten; jedes individuelle Element (auch das zufällig anmutende Fragment) liess sich so in einen übergeord- neten Kontext einbinden, es wurde zu einem unentbehrlichen Bestandteil der gesamten Ordnung und trug in dieser Funktion nicht nur zu deren Vervollständigung bei, sondern auch zur Schaffung eines Gleichgewichts zwischen allen Teilen. Diese gestalterischen Prämissen gestatteten Mazzoni, aus der unendlichen Fülle formaler, farblicher und materieller Möglichkeiten zu schöpfen, dabei aber nicht beliebig, sondern methodisch, zielgerichtet und ebenso undogmatisch vorzugehen. Der Anspruch nach Vollständigkeit, den seine Architektur vermittelt, führt trotz ihrer Heterogenität zu einer hermetischen, in sich geschlossenen Erscheinung der Bauwerke, durch die jedes Element, das nicht zum Konzept des Entwurfs gehört, gewissermassen als Fremdkörper entlarvt wird; zu dieser Wirkung trug auch Mazzonis Vorgehensweise, projekt- und massstabsübergreifend mit wiederkeh- renden und wiedererkennbaren Motiven, Raumformen und Typologien zu arbeiten, entscheidend bei. Umgekehrt hat dies zur Folge, dass sich seine Autorenschaft bereits in einem Detail oder, wie bei vielen seiner während des Kriegs zerstörten oder in der Nachkriegszeit radikal umgestalteten Bauten, nur noch an einem übriggebliebenen Fragment zu offenbaren vermag.914 Diesbezüglich notierte Maz- zoni anlässlich des Monumentalentwurfs für Roma Termini: „Infine l’opera era mia e quello che è la mia anima sempre si sarebbe incontrata in un dettaglio, in un particolare (come la Centrale Termica di Firenze ancora oggi giudicata una felice originalità) e avrebbero rivelato l’autore, evidenziando nelle parti prive del mio respiro l’obbligo e la costrizione.“915 Diese unerschütterliche Gewissheit gab ihm die für seine Tätigkeit notwendige denkerische Freiheit und die Sicherheit, auch unter eng gefassten Rahmenbedingungen seinem eigenen Kunstverständnis Ausdruck verleihen zu können.

914 Bei der Post von Abetone, die in den 50er Jahren so stark verändert wurde, dass Mazzonis Entwurf darin nicht wiederzu- erkennen ist, genügen heute ein Stück eines Handlaufs und die mosaikierten Wände der Schalterhalle, um den Ursprungs- bau zu verraten. 915 (FFM, B. IV, 33, Kopie des Briefes von Mazzoni an Bruno Zevi vom 10.02.1974.) 380 Schlussbetrachtungen 4

4.2 zu Mazzoni und seinem Werk im zeitgeschichtlichen und beruflichen Kontext

Die langjährige, wechselhafte Planungsgeschichte des Bahnhofs Roma Termini hat beispielhaft vor Augen geführt, dass eine auf formale Fragen beschränkte Analyse der Architektur Mazzonis nur we- nig aussagekräftige (und im konkreten Fall auch missverständliche) Erklärungen zu leisten vermag, da sie bedeutende Faktoren, die sich formbestimmend ausgewirkt oder Projektänderungen provoziert hatten, ausschliesst und deshalb nicht in der Lage ist, die architektonische und städtebauliche Trag- weite des Projekts und die Entwurfsabsichten des Architekten zu erfassen. Dasselbe muss grundsätz- lich, wenngleich in unterschiedlichem Mass, auch für alle anderen seiner Bauten geltend gemacht werden: zum einen, weil immer – und zwar nicht nur im Fall Mazzonis – äussere, aus den Produk- tionsverhältnissen erwachsene Bedingungen auf einen Entwurfsprozess und ein architektonisches Produkt einwirken, zum andern, weil er, Mazzoni, dem materiellen und immateriellen Kontext seiner Bauaufgaben stets einen besonderen und zentralen Stellenwert beimass. In der Gestalt der Bauten kommen somit äussere Einflüsse ebenso zum Ausdruck wie die persönliche künstlerische Haltung des Architekten, sie lassen sich aber kaum jemals scharf voneinander abgrenzen, sondern bestimmen im Zusammenspiel die formale Anordnung.916 Wie die Untersuchungen seines Werks vor dem Hintergrund des zeitgeschichtlichen und beruflichen Kontextes gezeigt haben, gründete Mazzoni sein Architekturverständnis auf den Studien, Erfahrungen und Erkenntnissen, die er sich während seiner Jugend- und Ausbildungszeit angeeignet und konti- nuierlich weiterentwickelt hatte und die sich, gewissermassen synthetisch, als leitende Gestaltungs- prinzipien in all seinen Bauten, den frühen wie den späten, offenbaren: in seiner Interpretation des städtischen und landschaftlichen Raums, im Rückgriff auf überlieferte Formen und Bautypologien, im respektvollen Umgang mit historischem Bestand, im Diskurs mit den gegenwärtigen künstleri- schen Leitgedanken und Postulaten, in der Auseinandersetzung mit den aktuellen technischen und funktionalen Grundlagen des Bauens. Obwohl sich bei der Betrachtung des Gesamtwerks ein formaler Wandel von seinen frühen, noch ausgiebig mit dekorativ-rhetorischen Elementen und historisierenden Motiven ausgestatteten Bauten917 hin zu seinem späteren, von klaren, schnörkellosen Linien, Flächen und Körpern geprägten Werk918 konstatieren lässt, wäre es unangemessen, dies allein der persönlichen Entwicklung des Architekten zuzuschreiben und gleichsam als logischen Prozess zu werten, der ihn in verhältnismässig kurzer Zeit von einer traditionalistischen zu einer modernen, rationalen Ausdrucks- weise geführt hätte; dem widerspräche nicht nur das Selbstverständnis Mazzonis, der sich von allem Anfang an als moderner Architekt und der modernen Architektur verpflichtet fühlte, auch die Gegen- überstellung gleichzeitig geplanter Bauten, etwa der Ferienkolonie von Calambrone und des Postam-

916 Was Harald Bodenschatz diesbezüglich für den Städtebau geltend macht, gilt auch für die Architektur allgemein: „Es [ist] sinnvoll, ja sogar notwendig, im Städtebau zwar analytisch zwischen den Produkten und den Produktionsverhältnis- sen (...) zu unterscheiden, diese beiden Aspekte aber nicht zu isolieren, sondern in einem Zusammenhang zu sehen. Mit ,Produkte‘ sind die projektierten und realisierten städtebaulichen Ensembles gemeint, mit ,Produktionsverhältnisse‘ die Organisation und Formierung der Fachwelt (...) sowie die Organisation und Durchführung der städtebaulichen Projekte (...). Städtebau ist in diesem Sinn mehr als nur eine Form, wenngleich die Form seinen Kern bildet. (...) Nur so wird ver- ständlich, warum und wie die Produkte überhaupt realisiert werden konnten, warum sie in einer bestimmten Art und Wei- se gestaltet sind.“ (Bodenschatz 2011, S. 422.) 917 Zum Beispiel die Post von Ferrara, der Bahnhof von Bozen, die Eisenbahnerhäuser von Bologna. 918 Zum Beispiel die Post von Sabaudia, der Bahnhof von Montecatini, die Verwaltungsbauten in Albanien. 4 Schlussbetrachtungen 381 tes von Ferrara (beide ab 1926 in Planung), oder die nicht ausgeführten (traditionalistischen) Projekt- entwürfe für die Postämter von Pula und Ostia Lido entkräften eine solch schematische Sichtweise. Am Beispiel der Wende, die in seiner Architektursprache zwischen 1932 und 1933 in der Rückschau auszumachen ist,919 lässt sich zusammenfassend veranschaulichen, welche Faktoren die Entwicklung der Projekte massgebend mitbestimmten: Wie die Ausführungen zu den Arbeitsverhältnissen im Uf- ficio 5° dokumentiert haben, nahmen die Aufträge des Baubüros ab 1930 unter anderem infolge der Weltwirtschaftskrise so stark zu, dass Mazzoni um 1932/1933 in seiner Funktion als Staatsbeamter für ungefähr 25 Projekte gleichzeitig verantwortlich und vollkommen mit Arbeit ausgelastet war. Er konnte unterdessen mehrere realisierte Bauten vorweisen, hatte wertvolle Berufserfahrung gesammelt, durch seine fachliche Kompetenz das Vertrauen der Auftraggeber und Vorgesetzen gewonnen, sich teilweise deren Unterstützung gesichert und war mehrmals befördert worden. Innerhalb der Eisen- bahnverwaltung zeichnete sich in jener Zeit allmählich eine veränderte, offenere Haltung gegenüber den Modernisierungsbestrebungen in der Architektur ab, auf die Mazzoni zusammen mit Ferruccio Businari und seinen Mitarbeitern seit längerem hingearbeitet hatte. Die erhöhte Offenheit stand vor allem auch in Zusammenhang mit den vehement geführten kulturpolitischen Debatten, die ausgelöst durch das Erstarken der avantgardistischen, teils international vernetzten Bewegungen, insbesondere des Rationalismus und Futurismus, damals ihren Höhepunkt erreichten und denen sich die Behörden nicht verschliessen konnten. Das entscheidende Ereignis, das für Mazzoni persönlich, aber auch für die Eisenbahnadministration und für das Architekturgeschehen landesweit von grosser Bedeutung war, kennzeichnete der im August 1932 ausgelobte und im März 1933 jurierte Wettbewerb für den Bahnhof von Florenz. Er brachte ein Vorzeigeprojekt der Moderne hervor, das einen Wendepunkt in der Architekturgeschichte Italiens markierte und von den Verfechtern der modernen Architektur als Durchbruch und Sieg über den Traditionalismus hochgehalten wurde. Das Bauwerk und die damit verbundenen Ereignisse schufen eine neue Ausgangslage, die sich markant auf den künftigen Bahn- hofsbau und die Arbeitsbedingungen Mazzonis auswirkten, vermutlich führten sie auch zu einer radikaleren, selbstbewussteren und kompromissloseren Haltung seinerseits.920 Der Höhepunkt der kulturpolitischen Debatten erfolgte auf demjenigen des politischen Konsens, der anlässlich des zehn- jährigen Jubiläums der „faschistischen Revolution“ ausgiebig mit Ausstellungen, Wettbewerben und einer Vielzahl von neu eingeweihten, verabschiedeten und geplanten Bauprojekten gefeiert wurde. Zu Letzteren gehörten auch die städtebaulichen Planungen in den trockengelegten pontinischen Sümpfen, deren „geschichtsloser“ Hintergrund Mazzoni die willkommene Gelegenheit gab, experimenteller und freier im Entwurf vorzugehen, was in den bisherigen, jeweils dem bestehenden historischen Kontext verpflichteten Aufträgen (vorwiegend Postbauten) nur bedingt möglich gewesen war. Die Erfahrun- gen mit dem Florentiner Wettbewerb und der plötzliche Tod seines loyalen Vorgesetzten veranlassten Mazzoni damals ausserdem, neuen Rückhalt zu suchen, den er in der Unterstützung Marinettis und der Zugehörigkeit zum Futurismus zu finden hoffte. Die Bewegung, mit deren künstlerischen Grund-

919 Zwischen 1932 und 1933 bedeutet zwischen der Fertigstellung der Postbauten von La Spezia, Palermo, Bergamo, Trient, Görz, Grosseto, Varese, Massa und der Neuplanung der Postbauten von Littoria, Ostia Lido, Sabaudia, Abetone; zwischen dem zurückgewiesenen Entwurf für den Bahnhof von Florenz und dem Planungsbeginn der Bahnhöfe von Siena, Littoria, Reggio Emilia, Trient, Montecatini und Messina. 920 Wie die Ereignisse um das Bahnhofsprojekt und den Wettbewerb von Venedig.gezeigt haben, hatte sich die kulturpoliti- sche Situation in Italien ein Jahr später (1934) bereits stark verändert, ausserdem verlagerten sich insbesondere durch den Machtwechsel in Deutschland (1933) und den Krieg Italiens in Abessinien (1935-1936) die politischen Interessen zuneh- mend auf die internationalen Beziehungen und die Aussenpolitik. 382 Schlussbetrachtungen 4 sätzen sich Mazzoni in der Folge sowohl theoretisch in Zeitschriftenartikeln wie auch praktisch in seinem architektonischen Werk auseinandersetzte, hatte erst wenige Jahre zuvor eine Neubelebung erfahren und war um 1932/1933 im kulturpolitischen Diskurs wieder stark präsent. Aus diesen vielschichtigen Verflechtungen lassen sich stellvertretend für die gesamten Untersuchun- gen zwei wesentliche Schlüsse ziehen: erstens wird deutlich, dass die Bauten Mazzonis stets von Fall zu Fall, ihren spezifischen Voraussetzungen entsprechend und unter Einbezug eines umfassenden Kontexts untersucht werden müssen, um im Einzelnen zu tragfähigen Aussagen zu gelangen. Verall- gemeinerungen sind hierbei kaum fruchtbar, zum einen, weil die in einem Projekt mitspracheberech- tigten Personen, die Bauplätze, die zur Verfügung stehenden Mittel und verfolgten Ziele von Auftrag zu Auftrag sehr unterschiedlich waren. Überdies spielen der Ort und der genaue Zeitpunkt, an dem im Projektprozess Entscheidungen gefällt wurden, bei der Bewertung eine ausschlaggebende Rolle, da sich die Verhältnisse in jenen Jahren politisch und wirtschaftlich bedingt äusserst schnell, sozusa- gen von Tag zu Tag, und oftmals unvermutet änderten; dies haben die oben skizzierte Situation um 1932/1933, sowie der Bedeutungswandel der Mückengitter der Post von Littoria oder die Unwirksam- keit des Machtwortes Mussolinis im Fall des Bahnhofs von Venedig hinreichend vor Augen geführt. Angesichts der einzigartigen beruflichen Stellung Mazzonis ist eine differenzierte Betrachtung der Einflüsse besonders angebracht, da er noch vor seiner eigenen künstlerischen Haltung in erster Linie die Interessen der Eisenbahnverwaltung sowie jene des Staates zu vertreten hatte. Die Weisungen und Zwänge, denen er sich im Umgang mit seinen Vorgesetzten, Auftraggebern, aller am Bau beteiligten Spezialisten und beratenden Parteien unterzuordnen hatte, aber auch die Privilegien, die ihm in Form unzähliger Aufträge, stattlicher Arbeitsmittel, Mitarbeiter und durch den Schutz der Verwaltungsstruk- turen zukamen, waren Teil seiner beruflichen Realität, die Mazzonis Tätigkeit von jener seiner frei- schaffenden Kollegen grundlegend unterschied. Zum anderen sind Verallgemeinerungen vor allem auch deshalb ungeeignet, weil die Heterogenität und Vieldeutigkeit der Architektur Mazzonis keine allgemeine stilistische oder anderweitige Zuord- nungskriterien zulassen. Seinen Entwürfen legte er Gestaltungsprinzipien zugrunde, die sich nicht auf formal-ästhetische, sondern vorwiegend konzeptionelle und typologische Kriterien stützten, so dass die Gestalt seiner Bauten ständig zwischen individuellem Ausdruck und universaler Gesetzmä- ssigkeit oszilliert; was dies bedeutet, hat sich konkret am Beispiel der Verwendung von Farben und Materialien gezeigt, die er nach keinen vordefinierten, starren Regeln einsetzte, derenAnordnungen aber trotzdem eine Planmässigkeit erkennen lassen und erst in einem übergeordneten Zusammenhang argumentativ erfassbar und sinnstiftend werden – die Farbe Rot etwa übernimmt bei der Ferienkolo- nie von Calambrone eine vollkommen andere Bedeutung, als beim Stellwerk von Florenz oder den Eisenbahnerhäusern in Südtirol; der in den drei Projekten verwendete rote Putz wurde im Farbton von Orangrot bis Caput mortuum nuanciert und bezog sich inhaltlich jeweils auf die gegebene Situation vor Ort, wobei die Bezüge, das heisst die Landschaft (Calambrone), die Energie der Eisenbahn (Flo- renz) bzw. die staatsideologische Zugehörigkeit (Südtirol), so allgemein gefasst wurden, dass ihnen gewissermassen ein universaler, raum- und zeitübergreifender Charakter zuzugestehen ist. Hinzu kommt, dass Mazzoni die Gestaltungsprinzipien, die seine Projekte charakterisieren, gleichsam auf alle Bauaufgaben ausdehnte, in angepasster und kontinuierlich weiterentwickelter Form zwar, aber ungeachtet der funktionalen, räumlichen, volumetrischen und repräsentativen Anforderungen, die ein Postgebäude, eine Bahnhofsanlage und ein Wohnhaus grundsätzlich voneinander unterscheiden. 4 Schlussbetrachtungen 383

Diese Gleichwertigkeit in der Behandlung aller Bauaufgaben zeichnete die Entwurfspraxis Mazzo- nis speziell aus und äusserte sich beispielsweise in der Übertragung der aus der architettura minore abgeleiteten, sonst fast ausschliesslich im Wohnungsbau verwendeten Gestaltungselemente auf die öffentlichen Einrichtungen der Eisenbahn und Post. Sie bestätigt letztlich auch seinen Glauben an den Archetypus und den zunächst autonomen Wert der architektonischen Elemente und Mittel, die vom entwerfenden Architekten interpretiert werden müssen und dann im Kontext eines Bauwerks eine spezifische Bedeutung erlangen. Als Pendant zur gleichwertigen, zugleich aber höchst differenzierten Behandlung aller ihm anvertrauten Bauaufgaben ist weiter Mazzonis gleichwertige Behandlung aller Massstabsebenen zu nennen, die er dadurch erreichte, dass er die städtebaulichen und konstruktiven Elemente der Architektur ebenso prioritär und sorgfältig ausarbeitete, wie das eigentliche Bauwerk. Eine Gleichwertigkeit ist schliesslich auch hinsichtlich der im dritten Teil der Arbeit besprochenen architektonischen Grundthemen – Ort, Geschichte, Stadtraum, Topographie, Landschaft, Farbe, Mate- rial, Licht, Typologie – festzustellen, die, unterschiedlich artikuliert, in allen Projekten Mazzonis eine besondere Präsenz aufweisen und von seiner ganzheitlichen Auffassung von Architektur zeugen. Aus diesen umfassenden, sein Werk determinierenden Ansprüchen und seiner undogmatischen künstleri- schen Haltung gehen letztlich die Schwierigkeiten bei der Bewertung seiner Architektur hervor, die kaum erschöpfend erfolgen kann. Zweitens ist aus diesen Feststellungen aber zu folgern, dass die Architektur und die architektonische Haltung Mazzonis nur zu ergründen sind, wenn die Untersuchung des Einzelwerks vor dem Hinter- grund des Gesamtwerks, die Analyse des einzelnen Elements vor dem Hintergrund des gesamten Bau- werks und umgebenden Raums, also projekt- und massstabsübergreifend geschieht. Nur so können die Gestaltungsprinzipien und die seiner Architektur inhärenten Ambivalenzen überhaupt erkannt so- wie Entscheidungen, allfällige Weisungen, Zwänge und mögliche Inspirationen, die die Formfindung beeinflussten, angemessen bewertet werden. Erst durch den projekt- und massstabsübergreifenden Vergleich zeichnen sich bestehende Beziehungen sowie Gemeinsamkeiten und Differenzen zwischen den architektonischen Formen ab. Was, so allgemein formuliert, grundsätzlich für alle Werke der Ar- chitektur gelten mag, trifft für jene Mazzonis in besonderem Mass zu, und zwar schon deswegen, weil eine solche Betrachtungsweise bisher nur sehr lückenhaft erfolgt ist, vor allem aber, weil die Moder- nität seiner Architektur weniger in den einzelnen Elementen und Formen oder in bestimmten Materia- lien und Konstruktionsweisen zu finden ist, sondern, wie am Beispiel der Fassadenelemente der Post von Varese oder der Materialwahl beim Bahnhof von Montecatini anschaulich geworden ist, vielmehr in der Art und Weise, wie Mazzoni die einzelnen architektonischen Mittel und Elemente handhabte, wie er sie interpretierte, umformte, zusammenfügte, kontrastierte und mit anderen Elementen in Be- ziehung setzte. Als angestellter, aber dennoch eigenständig wahrgenommener Architekt und Ingenieur im Staats- dienst nahm Mazzoni innerhalb seiner Berufsgruppe zweifellos eine aussergewöhnliche Stellung ein, er stellte aber auch innerhalb der Eisenbahnverwaltung einen Sonderfall dar: immerhin zeichnete er während seiner rund 20-jährigen Tätigkeit für das Baubüro in Rom in fünfzehn Provinzhauptstädten für den Bau neuer Postämter verantwortlich und war darüber hinaus für die Planung der grössten und wichtigsten Bahnhöfe Italiens, jenen von Rom, Florenz, Venedig, Messina, Reggio Calabria, Mailand (Porta Nuova), Turin, Genua, Triest, und mehrerer, ebenfalls wichtiger Bahnhöfe in kleineren Städten zuständig – ein Auftragsvolumen, mit dem sich sein Arbeitskollege Narducci oder irgend ein anderer 384 Schlussbetrachtungen 4 für die Staatsverwaltung tätiger Architekt trotz eigener Verdienste bei Weitem nicht messen konnten. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die zwangsläufige Spezialisierung Mazzonis auf zwei sehr unterschiedliche Bauaufgaben, die kompakten städtischen Postpalazzi und ländlichen Postämter einerseits, die vielgliedrigen, multifunktionalen Bahnhofskomplexe andererseits. Kraft seiner Positi- on, seiner Fähigkeiten und der Bedingungen seiner Zeit wurde ihm die einmalige Gelegenheit gebo- ten, den architektonischen Ausdruck, die Funktionalität und die Typologie zweier öffentlichen, für die moderne Gesellschaft zentralen Einrichtungen von Grund auf neu zu definieren. Die erfolgreiche Be- wältigung dieses ungewöhnlichen und umfangreichen Bauprogramms konnte ihm letztlich nur dank seiner unbestrittenen Professionalität, seiner uneingeschränkten Hingabe zur Architektur und zu dem ihm überantworteten Auftrag, seiner Kompromissbereitschaft in formalen und seiner Kompromiss- losigkeit in künstlerischen Fragen, seiner undogmatischen Vorgehensweise und seiner zielsicheren, inspirierten und erfindungsreichen gestalterischen Ausdruckskraft gelingen – stets aus dem Bewusst- sein heraus, dass die Bauwerke ihren künstlerischen Wert, sollte er tatsächlich vorhanden sein, mög- licherweise erst lange nach ihrer Entstehung offenbaren und im Idealfall sogar weit darüber hinaus bedeutsam bleiben würden: „Il tempo affievolisce i segni più o meno visibili della ambizione o della volontà del datore di lavoro: resta l’opera a testimoniare la genialità dell’artista.“921 Ob es Mazzoni gelungen wäre, auch ohne den Rückhalt und die Strukturen eines Verwaltungsapparats als freiberuf- licher Architekt zu bestehen und ein Werk von ähnlicher Qualität hervorzubringen, bleibt eine nicht zu beantwortende Frage, die allerdings die Einmaligkeit der Konstellation und des realisierten Werks unterstreicht. Nichtsdestotrotz haben die Untersuchungen der Architektur und der zeitgeschichtlichen und berufli- chen Hintergründe verdeutlicht, dass Mazzoni genauso, wie er als Ausnahmeerscheinung zu betrach- ten ist, auch als typischer Repräsentant seiner Zeit angesehen werden muss; er arbeitete in demselben kulturellen und ideologischen Klima, unter denselben politischen, wirtschaftlichen und gesellschaft- lichen Rahmenbedingungen und mit denselben architektonischen Themen und Fragestellungen, die den Werdegang und die Werke seiner zeitgenössischen Berufskollegen ebenso stark prägten. Aus der Perspektive der Rezeption offenbart sich an Mazzonis Beispiel ausserdem ein grundlegendes, bis heu- te nachklingendes (wenn auch von der Forschung längst revidiertes) Missverständnis gegenüber der Architektur der Moderne,922 die in der Nachlese der Nachkriegszeit auf wenige vereinfachende, der tatsächlich vorhandenen Heterogenität moderner Positionen nicht Rechnung tragende Aspekte redu- ziert wurde.923 Indem sich in Mazzonis Tätigkeit die Geisteshaltung und Verhaltensweisen, die Anliegen, Erkennt- nisse, Errungenschaften und Verirrungen einer gesamten Generation Italiens widerspiegeln, wird er zu einem exemplarischen Fall für die Architekturgeschichte; dadurch, dass er in seinem Werk das Augenmerk auf elementare Fragen der architektonischen Disziplin lenkte, bleibt seine Architektur bis heute ein wertvolles Lehrstück.

921 (FFM, B. IV, 33, Kopie des Briefes von Mazzoni an Bruno Zevi, 22.2.1974.) 922 Vgl. hierzu beispielsweise die kritische Rezeptionsgeschichte des italienischen Städtebaus von Harald Bodenschatz, Bo- denschatz 2011, S. 12-17. 923 Vgl. hierzu die einflussreiche Haltung Bruno Zevis und sein Vorschlag zur Kodierung der Architektursprache anhand von sieben Konstanten (invarianti), Zevi, B. 1973. Anhang 385

III. Werkverzeichnis: ausgeführte und nicht ausgeführte Projekte mazzonis in Italien (1921-1944)

Bahnhöfe Postgebäude Wohnhäuser und andere Bauten

Ausgeführte und teilweise ausgeführte Bauten Mazzonis in Italien (Provinzhauptstädte in grosser, andere Orte in kleiner Schrift) Karte des italienischen Staatsgebiets 1919-1947 386 Anhang

Ausgeführte und teilweise ausgeführte Bahnhöfe:

1918 Materialschuppen, Bahnhof Bologna 1925-1937 Brenner, erste Etappe (Umbau und Erweiterung) Einweihung 1930, zweite Etap- pe (Neubau im Gleisbereich) ab 1933, Einweihung 11. (1.?).11.1937 1927-1928 Bozen (Umbau und Erweiterung), Einweihung 24.5.1928 1929-1935 Florenz, Bahnhof „Santa Maria Novella“: erste Studien ab 1925/1926; Ausarbei- tung mehrerer Projektvarianten ab 1929; Präsentation der Varianten an Experten 1931; Wettbewerbsausschreibung für das Empfangsgebäude 1932; Wettbewerbs- entscheid und Auftragsentzug 1933. Realisierte Bauten (ab 1932): Postbau, Per- rondächer, Dienstbauten (via Alamanni), Dopolavoro ferroviario mit Eisenbah- nerwohnungen, Wassertürme, Unterführung „Principe Umberto“, Heizzentrale, Stellwerk, Squadra rialzo 1929-1944 Venedig, Bahnhof „Santa Lucia“: erste Studien ab 1925/1926; Ausarbeitung mehrerer Projektvarianten ab 1929; Präsentation zweier Varianten an Kommis- sion 1932; Beschluss Mussolinis zur Ausführung des modernen Entwurfs 1934; Ablehnung des Projekts durch venezianische Baukommission, Wettbewerbsaus- schreibung für das Empfangsgebäude 1934; Wettbewerbsentscheid 1935; Beginn der Zusammenarbeit Mazzoni-Virgilio Vallot 1937; Einstellung der Planungs- und Bauarbeiten 1943. Realisierte Bauten (ab 1932): Stellwerk, Heizzentrale mit Eisenbahnerwohnungen, Seitenhallen, Perrondächer, Palazzo Compartimentale 1931 (1929?)-1936 Siena, Einweihung 20.11.1936 1932/1934-1936 Littoria (Latina), Einweihung 18.12.1932, Umbau und Erweiterung ab 1934 1933-1935 Reggio Emilia, Einweihung 28.10.1935 1933-1936 Trient, Einweihung 31.12.1936 1933-1937 Montecatini-Monsummano, Einweihung 4.8.1937 1934-1939 Messina, Eisenbahn- und Schiffanlegestation (erste Studien ev. ab 1925), Ein- weihung 4.11.1939 1936-1938 Reggio Calabria (erste Studien ab 1925), Einweihung 21.4.1938 1936-1943 Rom, Bahnhof „Roma Termini“: erste Studien ab 1925 (Gesamtplanung Eisen- bahnnetz); Ausarbeitung zahlreicher Varianten bis 1936; erstes bewilligtes Bau- projekt 1937; Ausarbeitung weiterer Projekte, definitives Bauprojekt und Bau- beginn 1938; Einstellung der Bauarbeiten 1943. Realisierte Bauten (ab 1939): Ankunfts- und Abfahrtshallen mit Büroräumen, Konferenzsaal und Bibliothek im Obergeschoss, Nebenbahnhof für den Lokalverkehr, Stellwerk, Heizzentrale, Dormitorien, Wassertürme, Postdienststelle, Wohngebäude, Unterführungen 1938-1943 Rom, Bahnhof „Tiburtina“, Einstellung der Bauarbeiten 1943 1943 San Remo, Wartesaal 1. Klasse in der Bahnhofshalle o. D. Rom, Zollamt im Güterbahnhof San Lorenzo Anhang 387

Ausgeführte Postbauten:

1926-1930 Ferrara, Einweihung 1.6.1930 1926-1938 Ragusa, Einweihung 30.10.1938 1926/1930-1935 Agrigent (vorübergehend im Auftrag der Lokalsektion), Einweihung 28.10.1935 1927 Nuoro, Einweihung 28.10.1927 1927-1933 La Spezia, Einweihung 13.11.1933 1928 (1926?)-1934 Palermo, Einweihung 24.10.1934 1928-1932 Bergamo, Einweihung 28.10.1932 1928-1934 Trient (Umbau und Neubau), Einweihung 1934 1929-1932 Görz, Einweihung 28.10.1932 1929-1932 Grosseto, Einweihung 13.11.1932 1929-1933 Varese, Einweihung 24.5.1933 1930-1933 Massa, Einweihung 13.11.1933 1930-1935 Pula (heute Kroatien), Einweihung 4.11.1935 1931-1937 Pistoia, Einweihung Ende 1937 1932/1934-1935 Littoria (Latina), Einweihung 18.12.1932, Umbau und Erweiterung ab 1934 1932-1934 Lido di Ostia, Einweihung Sept. 1934 (oder 10.8.1934?) 1933-1934 Sabaudia, Einweihung 15.4.1934 1933-1934 Abetone, Einweihung 8.7.1934, Umbauplanung ab 1938 (nicht ausgeführt)

Weitere ausgeführte Projekte (im Auftrag des Ministero delle Comunicazioni):

1922-1923 Eisenbahnerhäuser in Bologna: 64 Wohnungen (via Jacopo della Quercia und via Domenico Zampieri) 1925/1926-1933 Ferienkolonie für Kinder von Eisenbahn- und Postangestellten in Calambrone (Colonia Marina „Rosa Maltoni Mussolini“), Erweiterung 1934-1935 1927-1932 Eisenbahnerhäuser in Rom: 90 Wohnungen 1929 fertiggestellt (via Bari), Erwei- terung mit 31 Wohnung ab 1930 (via Como) 1927 Eisenbahnerhäuser in Südtirol: ca. 528 Wohnungen in 62 Häusern (Etschtal, Pus- tertal, Vinschgau) 1928 Parteigebäude in Passirano (casa del fascio „Enea Guarneri“) 1928-1930 Dopolavoro ferroviario in Rom, Einweihung 1.6.1930 1930 Funksendestationen in Fiumicino und Golfo degli Aranci ca. 1932-1934 Verwaltungsbauten in Albanien (heute in der Stadt Kuçovë am Fluss Devoli), Denkmal für verunfallte Arbeiter 1935-1936/1942 Schule für Töchter von Postangestellten in Garbatella, Rom, Studien für Erweite- rung ab 1942 1936-1938 Ölraffinerie in Bari („Azienda Nazionale Idrogenazione Combustibili“ ANIC) 388 Anhang

Nicht ausgeführte Projekte (im Auftrag des Ministero delle Comunicazioni):

1922-1924 Fidenza (Bahnhof): Auftrag an Ezio Bianchi (Lokalsektion) abgetreten wegen Umzug Mazzonis von Bologna nach Rom 1925-1926 Pisa (Post): Grundrissplanung, Auftrag an Federigo Severini und Guido Buffarini Guidi abgetreten (1929 fertiggestellt) 1926-1931 Novara (Post): mehrere Projektvarianten, Auftrag an Roberto Narducci abgetre- ten (1932-1934 ausgeführt) ca. 1926 Taranto (Post): Auftrag an Cesare Bazzani abgetreten (1932-1935 ausgeführt) ca. 1926/1927 Cagliari (Eisenbahnerhäuser): Planung, Auftrag an Lokalsektion abgetreten (1928 fertiggestellt) ca. 1927/1928 Brescia (Eisenbahnerhäuser): Grundrissplanung, Auftrag an Lokalsektion abge- treten (um 1929 ausgeführt) ca. 1932-1933 Foggia (Bahnhof): Auftrag sistiert 1934-1935 Pontinia (Post): Auftrag an ONC und Oriolo Frezzotti abgetreten 1936-1943 Triest (Hauptbahnhof), Planung kriegsbedingt eingestellt 1937-1943 Mailand (Bahnhof „Porta Volta“), Planung kriegsbedingt eingestellt 1939-1943 Genua (Bahnhof „Piazza Principe“ und „Brignole“), Planung kriegsbedingt ein- gestellt 1940-1943 Turin (Bahnhof „Porta Nuova“), Planung kriegsbedingt eingestellt (?)-1943 Innichen (Bahnhof), Planung kriegsbedingt eingestellt (?)-1943 Bergamo (Bahnhof), Planung kriegsbedingt eingestellt (?)-1943 Brescia (Bahnhof), Planung kriegsbedingt eingestellt (?)-1943 Mantua (Bahnhof), Planung kriegsbedingt eingestellt ohne Daten: Savona (Post): Auftrag an Roberto Narducci abgetreten (1930-1933 ausgeführt) Villa S. Giovanni (Bahnhof): Auftrag an Roberto Narducci abgetreten (1937 fer- tiggestellt) Crespellano (Parteigebäude) Mailand (Informationsbüro im Hauptbahnhof) Mailand (Sitz des Finanzdienstes der Post) Rom (Bahnhof „Trastevere“, Erweiterung) Neapel (Informationsbüro im Bahnhof „Piazza Garibaldi“)

Weitere Projekte und Wettbewerbe (im privaten Auftrag):

1924 Wettbewerb für ein Gefallenendenkmal (Triumphbogen) in Genua, Zusammenar- beit mit Edoardo De Albertis, Guido Galletti und Francesco Messina 1927 Wettbewerb für den Völkerbundpalast in Genf, Zusammenarbeit mit Marcello Piacentini und Gaetano Rapisardi („deuxième mentions ex aequo“) 1934-1936 Villa „Il castagno“ in Grottaferrata, Auftraggeber: Bruto und Bruno Falcone o. D. Ausstattung des Albergo Impero in Rom (Treppe, zwei Cheminées, Vordach), Auftraggeber: Hotelbesitzer Fiore Chiani Anhang 389

IV. Abkürzungen und Abbildungsverzeichnis

Abkürzungen Archive:

ACS Archivio Centrale dello Stato, Rom AFSCB Archivio delle Ferrovie dello Stato, Compartimento Bolzano/Bozen, Bozen AFSCL Archivio delle Ferrovie dello Stato, Compartimento Lazio, Rom ASFSR Archivio Storico delle Ferrovie dello Stato Roma, Servizio Lavori e Costruzioni, Rom FAM Fondo Angiolo Mazzoni, Archivio del ‘900, MART FFM Fondo Forti-Mazzoni, Archivio dello Stato di Firenze, Florenz FGG Fondo Gustavo Giovannoni, Centro di Studi per la Storia dell’Architettura, Rom FMP Fondo Marcello Piacentini (Bibliothek), Biblioteca Centrale delle Facoltà di Architettura di Roma, Rom MART Museo di arte moderna e contemporanea di Trento e Rovereto, Rovereto

B. Busta (Mappe) fasc. fascicolo (Heft)

Weitere Abkürzungen:

AGIP Azienda Generale Italiana Petroli ANIC Azienda Nazionale Idrogenazione Combustibili D. L. Decreto Legge (Gesetzesverordnung) EF Era Fascista EUR Esposizione Universale di Roma (ursprünglich E’42) GIL Gioventù Italiana del Littorio ICP Istituto per le Case Popolari INCIS Istituto Nazionale per le Case degli Impiegati dello Stato L. Legge (Gesetz) MIAR Movimento Italiano per l’Architettura Razionale MVSN Milizia Volontaria per la Sicurezza Nazionale ONB Opera Nazionale Balilla ONC Opera Nazionale per i Combattenti OND Opera Nazionale Dopolavoro ONMI Opera Nazionale Maternità ed Infanzia R. D. Regio Decreto (Königliches Dekret) R. D. L. Regio Decreto Legge (königliche Gesetzesverordnung, vom König und dem Ministerrat genehmigt) 390 Anhang

Abbildungen:

Katrin Albrecht (Fotos und Skizzen): 14, 15, 46, 48-60, 65, 66, 69-72, 103, 105, 112, 124, 135, 195, 196, 202, 238, 240, 241, 257, 305, 310, 326, 327, 329, 365- 367, 370, 375, 380-382, 384, 414-416, 418, 419, 421, 426, 432-434, 439, 446, 448-450, 453, 461-464, 466, 468-483, 486, 489, 492, 503, 512-517, 526, 527, 530, 533, 534, 538, 560, 562, 569-574

1 Forti 1978, Tav. 17 114 Rubbiani, Pontoni 1909, S. 1 2 MART, FAM MAZ D/3, S. 147 115, 116 Piacentini, M. 1917, S. 19, 7 3 MART, FAM MAZ G/8, S. 161/V 117 Norma e arbitrio 2001, S. 150 4 Giorgini, Tocchi 1988, S. 93 118 Rubbiani, Pontoni 1909, S. 23-24 5 Annuario 1912, Tav. 12 119 Piacentini, M. 1917, S. 18 6-9 Rom Internationale Kunstausstellung 1911, o. S. 120 Roversi 1989, S. 316 10 MART, FAM MAZ D/3, S. 154bis 121 Tega 1987, S. 191 11 Architecture vivante, Nr. 28, 1930, Tav. 42 122 Rubbiani, Pontoni 1909, S. 3 12 Lambrichs 2003, S. 146 123 Piacentini, M. 1917, S. 23 13 Der Architekt, 1912, S. 10 125 Tega 1987, S. 139 16 Architettura e Arti Decorative, März 1924, S. 324 126 Choisy 1899, S. 415 17, 20 Architettura minore in Italia 1927, S. 14, 123 127, 128 Camillo Sitte, Der Städtebau nach seinen künstleri- 18, 19 Architettura minore in Italia 1926, S. 159, 21 schen Grundsätzen, Wien, Graeser, 31901, S. 3, 13. 21-24 Accasto, Fraticelli, Nicolini 1971, S. 116, 117, 167, 174 129-131 Serlio 1545, o. S. 25-27 Bocchi, R., Oradini 1983, S. 85 132 Ricci, C. 1915, Tav. 78 28, 29 De Carli 1934, S. 495, 497 133 Peter O. Krückmann (Hrsg.), Galli Bibiena und 30 AFSCB, 6348, IV-55 der Musenhof der Wilhelmine von Bayreuth, Mün- 31, 32 www.catinabib.it TIC511-2228, TIC511-167; chen/New York, Prestel, 1998, S. 261. 19.4.2014 134 Ricci, C. 1915, Tav. 56 33 Amato Pietro Frutaz, Le piante di Roma, Rom, Isti- 136 Roversi 1986, S. 48 tuto Nazionale di Studi Romani, 1962, Tav. 565-568. 137 www.panoramio.com/photo/63584521; 19.6.2011 34, 35 Bodenschatz 2010, S. 58, 59 138 www.architetti.san.beniculturali.it; 26.5.2011 36-41 Giovannoni 1929, Tav. XVI, XXV, X, XIX, XXVI, 139 MART, FAM MAZ S/13, S. 35/XX XXVII 140 Angiolo Mazzoni 1984, S. 35 42 Fidone 2003, S. 135 141 MART, FAM MAZ S/13, S. 37/II 43 Sekler 1986, S. 23 142 Angiolo Mazzoni 1984, S. 12-13 44 Architettura e Arti Decorative, Juli 1927, S. 485 143 MART, FAM MAZ S/13, S. 44/III 45 Architettura e Arti Decorative, Nov./Dez. 1921, S. 382 144 MART, FAM MAZ S/13, S. 53/I 47 De Rose 1995, S. 152 145 MART, FAM MAZ G/8, S. 149/I 61 Architettura e Arti Decorative, Jan. 1924, S. 233 146 Italiens Moderne 1990, S. 155 62-64 MART, FAM MAZ G/8, S. 9/VI, 27/III, 27/XVIII 147 Crispolti 2001, S. 383 67 Architettura e Arti Decorative, Sept. 1923, S. 11 148 Platz 1927, S. 190 68 MART, FAM MAZ q337/XXVI 149 Ferrovie nel primo decennio fascista 1932, S. 98 73 Josef Stübben, Handbuch der Architektur. Der 150, 151 Centenario delle ferrovie italiane 1940 (1), o. S. Städtebau, 1907, S. 368-369 151 Centenario delle ferrovie italiane 1940 (1) 74 Giovannoni 1913 (1), S. 471 152 Muñoz 1935, S. 318 75 Annuario 1916, Tav. 3 153 Vezzani 1931, S. 86 76 Howard 1902, Abb. 3 154 Pession 1931, S. 100 77, 78 Deutsche Bauzeitung, Nr. 83, 17. Okt. 1914, S. 725, 724 155 Faloci 1931, S. 330 79-86 Giovannoni 1913 (2), S. 69, 72, 73, 75, 61, 60, 65, 67 156, 157 Pession 1931, S. 104, 101 87 Tega 1987, S. 188 158 Crispolti 2001, S. 411 88 MART, FAM MAZ G/8, S. 39/I 159 Ciucci, Muratore 2004, S. 51 89, 90 Mazzoni 1922, S. 12, 15-16 160 Architettura, März 1937, S. 129 91, 92 Zucchini 1914, S. 114, 36 161 Relazione 1924-25, 1925, o. S. 93 Bologna Centro Storico 1970, S. 41 162 Ceradini 1931, S. 211 94 Mazzoni 1922, S. 18 163 Ferrovie nel primo decennio fascista 1932, S. 87 95-98 Mazzoni 1922, o. S. 164, 165 La Tecnica professionale (Servizio Movimento e 99 De Rose 1995, S. 148 Servizio Commerciale), Nr. 4, Apr. 1935, S. 99, 101 100, 101 Casanova, Evangelisti 1923, S. 20, 21 166 Relazione 1929-30, 1930, Tav. 23 102 Mazzei 1979, S. 122 167-170 Ferrovie nel primo decennio fascista 1932, S. 166, 104 Angiolo Mazzoni 1984, S. 115 81, 164, 165 106 Der Architekt, Nr. 9/10, 1920, S. 65 171, 172 Relazione 1936-37, 1938, o. S. 107 Architettura e Arti Decorative, Jan. 1924, S. 236 173 Ferrovie nel primo decennio fascista 1932, S. 127 108 Architettura e Arti Decorative, Aug. 1924, S. 567 174 La Tecnica professionale (Servizio Movimento e 109 Solmi, Dezzi Bardeschi 1981, S. 231 Servizio Commerciale), Nr. 3, März 1933, S. 1 110, 111 Architettura e Arti Decorative, Aug. 1924, S. 558, 562 175 Rivista tecnica delle ferrovie italiane, Nr. 7, 1934, 113 Camillo Sitte, Der Städtebau nach seinen künstle- o. S. rischen Grundsätzen, Wien, Graeser, 31901, S. 25. 176 Ferrovie nel primo decennio fascista 1932, Tav. 13 Anhang 391

177-183 Ferrovie nel primo decennio fascista 1932, S. 277, 273 Centenario delle ferrovie italiane 1940 (1), S. 188 92, 134, 129, 141, 139 274-276 ASFSR, Busta 2818, C IV 82 (45)/32, 29, 28 184 Rivista tecnica delle ferrovie italiane, Nr. 4, 1935, S. 262 277, 279 Archivio Arch. Massimo Fazzino 185 La Tecnica professionale (Servizio Movimento e 278 Cozzi, Godoli, Pettenella 2003, o. S. Servizio Commerciale), Nr. 5, Mai 1936, S. 103 280 Sant’Elia, 1. Jun. 1934, S. 3 186 La Tecnica professionale (Servizio Movimento e 281 Architettura, Jan. 1933, S. 3 Servizio Commerciale), Jhg. 1938 282 Etlin 1991, S. 405 187 Relazione 1940-41, 1941, S. 20 283 Domus, Apr. 1933, S. 171 188 Relazione 1938-39, 1940, S. XVII 284 Cozzi, Godoli, Pettenella 2003, o. S. 189, 190 Ferrovie nel primo decennio fascista 1932, S. 231, 214 285 L’Architettura, cronache e storia, Nr. 231, Jan. 191 La Tecnica professionale (Servizio Movimento e 1975, S. 597 Servizio Commerciale), Nr. 1, Jan. 1933, S. 1 286 Forti 1978, Tav. 48 192 Funaro 1935 (2), S. 534 287 Angiolo Mazzoni 1984, S. 118 193 Ingegneria Ferroviaria, Nr. 10, Okt. 1935, S. 711 288 L’Architettura, cronache e storia, Nr. 234, Apr. 194 ASFSR, Busta 2813, C IV 82 (45)/951 1975, S. 787 197 Onesti 1931, S. 232 289-293 ASFSR, Busta 4761, CII 2 (9)/332, 331, 291, 198 Conforti, Dulio, Marandola 2006, S. 135 317, 273 199, 200 Onesti 1931, S. 217, 216 294 Businari 1931 (2), o. S. 201 Rassegna di Architettura, März 1937, S. 107 295-298 ASFSR, Busta 4761, CII 2 (9)/100, 102, 104, 111 203 Businari 1931 (1), o. S. 299 Attilio Pizzigoni, Filippo Brunelleschi, Zürich/ 204 Centenario delle ferrovie italiane 1940 (1), S. 175 München, Artemis, 1991, S. 50-51 205 Businari 1931 (1), Tav. X 300 Cozzi, Godoli, Pettenella 2003, S. 150 206 Rassegna di Architettura, März 1937, S. 107 301 Cappellani 1998, Tav. 1 207-210 ASFSR, Busta 4848, C II 9 (0)/2288, 2285, 2286, 302 ASFSR, Busta 4761, CII 2 (9)/108 2287 303 Richard Bösel, Christoph Luitpold Frommel, 211 Emporium, Nr. 455, Nov. 1932, S. 319 Borromini. Architekt im barocken Rom, Mailand, 212 Lambrichs 2003, S. 175 Electa, 2000, S. 442. 213 Architettura, Nr. 5, Mai 1932, S. 235 304 Ricci, C. 1924, S. 160 214, 215 Businari 1931 (2), Tav. III 306-308 ASFSR, Busta 4761, CII 2 (9)/o. A., 106, 37 216 Ferrovie nel primo decennio fascista 1932, S. 312 309 L’Architettura, cronache e storia, Nr. 231, Jan. 217 Businari 1931 (2), Tav. XVII 1975, S. 594 218 Architettura, Nr. 12, Dez. 1932, S. 657 311, 312 Nuova Antologia di Lettere, Scienze ed Arti, Bd. 219 Architettura, Nr. 11, Nov. 1934, S. 679 112, Nr. 783, Aug. 1904, S. 427, 428 220 Giorgini, Tocchi 1988, S. 223 313 Fraticelli 1982, S. 235 221, 222 Poretti 1990, S. 202, 174 314 Ministero dei Lavori Pubblici 1933, Tav. IX 223-228 Le abitazioni 1929, S. 278, 282, 283, 284, 153, 152 315 Architettura e Arti Decorative, Jan./Feb. 1927, o. S. 229 La Tecnica professionale (Servizio Lavori), Sept. 316 www.archiviocapitolinorisorsedigitali.it; 8. 4. 2013 1934, S. 248 317 Nuova Antologia di Lettere, Scienze ed Arti, Bd. 230-235 ASFSR, Busta 5229, B0 (15) XXV/1320, 1321, 148, Nr. 925, Jul. 1910, S. 164 1322, 1324, 1323, 1450, 1459 318, 319 Annuario 1916, S. 97, Tav. V 236, 237 Fasciolo 1931, S. 421 320 Ostia stabilimenti balneari 1996, S. 32 239 Pare 2007, S. 212 321, 322 Archivio Arch. Massimo Fazzino 242 Forti 1978, Tav. 22 323 Architettura, März 1935, S. 141 243 L’Architettura, cronache e storia, Nr. 231, Jan. 324 Coppola, Fausti, Romualdi 1997, S. 141 1975, S. 593 325 www.archiviocapitolinorisorsedigitali.it; 8. 4. 2013 244 Architettura, Nr. 5, Mai 1932, S. 234 328 Coppola, Fausti, Romualdi 1997, S. 236 245 Ripanti 1933, S. 466 330, 333 Ostia e Portus nelle loro relazioni con Roma, hrsg. 246 Verani 1931, S. 655 von Bruun, Christer und Anna Gallina Zevi, Acta In- 247 Ferrovie nel primo decennio fascista 1932, S. 324 stituti Romani Finlandiae 3.-4.12.1999, Bd. 27, Rom, 248 MART, FAM MAZ B/5, fasc. 1, 4 Istitutum Romanum Finlandiae, 2002, S. 111, 107. 249 http://youtu.be/YO5IQsZ_l3g; 20.5.2014 331, 332 Zevi, F. 2001, S. 10, 11 250 MART, FAM MAZ G/2, S. 7B 334 Winfried Nerdinger, Leo von Klenze. Architekt 251 Cozzi, Godoli, Pettenella 2003, o. 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344 ASFSR, Busta 4870, CII 9 (11)/o. A. 437 L’ingegnere, Nr. 7, 15. Jul. 1939, S. 591 345 ASFSR, Busta 4869, CII 9 (11)/429 440 L’Architettura, cronache e storia, Nr. 209, März 346 Architettura, Mai 1933, S. 283 1973, S. 759 347 ASFSR, Busta 4870, CII 9 (11)/o. A. 441 Casabella, Nr. 149, Mai 1940, S. 12 348 Architettura, Juli 1933, S. 468 442-444 Architettura, Dez. 1939, S. 73, Pläne o. S. 349 Angiolo Mazzoni 1984, S. 59 445 MART, FAM MAZ G/8, 141/IV 350 ASFSR, Busta 4869, CII 9 (11)/459 447 Architettura, Dez. 1939, S. 75 351, 452 Architettura, Mai 1933, S. 286, 287 451, 452 Brandino 2007, S. 144, 163 353, 354 ASFSR, Busta 4869, CII 9 (11)/461, o. A. 454, 455 Giacomelli, Godoli, Pelosi 2013, S. 175, 173 355 Spiegel 2010, S. 116 456 MART, FAM MAZ B/20, fasc. 4/A 356-359 ASFSR, Busta 4870, CII 9 (11)/o. 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S. 374 Daniel, Pagano 1936, S. 19 491 Giacomelli, Godoli, Pelosi 2013, S. 177 376, 377 ASFSR, Busta 4871, CII 9 (11)/448, 320 493 Futuristi alla Spezia 1991, S. 89 378 Architettura, Juni 1934, S. 328 494-497 Architettura, März 1937, S. 137, 140, 142, 143 379 ASFSR, Busta 4871, CII 9 (11)/321 498 Cozzi, Godoli, Pettenella 2003, S. 172 383 Architettura, 1933, S. 108 (Sondernummer V Tri- 499 Casabella, Nr. 76, Apr. 1934, S. 9 ennale di Milano) 500 La Casa Bella, Nr. 33, Sept. 1930, S. 18 385-392 ASFSR, Busta 4871, CII 9 (11)/223, 211-218 501 La Casa Bella, Nr. 44, Aug. 1931, S. 17 393 www.delcampe.it; 13.6.2014 502 Platz 1927, S. 300 394 www.google.com/maps; 27.3.2012 504 Angiolo Mazzoni 1984, S. 129 395 Architettura, Nr. 5, Mai 1932, S. 225 505 Vittori, Muratore 2000, S. 63 396 Cozzi, Godoli, Pettenella 2003, S. 256 (Schnitt), 506, 507 L’Architettura, cronache e storia, Nr. 232, Feb. 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Il Co m u n e d i Bo l o g na http://badigit.comune.bologna.it/codibo/index.asp

Il Pi c c o l o Po s t o http://webaleph.bpi.claudiaugusta.it 428 Anhang

VI. Zusammenfassung

Angiolo Mazzoni (1894-1979) war nach seiner Ausbildung in Rom und Bologna während rund zwanzig Jahren als leitender Architekt und Ingenieur des Baubüros der staatlichen Eisenbahnen in Rom für den Entwurf und die Ausführung mehrheitlich öffentlicher Bauten des Bahn- und Postwesen verantwortlich. Seine Bauaufträge reichten von urbanen Grossprojekten bis hin zu kleinmassstäblichen Planungen in der Provinz, umfassten hauptsächlich komplexe, vielgliedrige Bahnhofsanlagen und kompakte Postgebäude, aber auch einfache Arbeiterwohnhäuser, und erstreckten sich räumlich von Südtirol bis Sizilien über sehr unterschiedliche geographische und kulturhistorische Regionen. Seine architektonische Tätigkeit in Italien fiel zum einen mit dem politischen System des Faschismus zusammen, das zwischen 1922 und 1943 unter der Führung Benito Mussolinis die wirtschaftlichen, kultu- rellen und ideologischen Verhältnisse des Landes bestimmte, zum andern mit der Einrichtung des Minis- tero delle Comunicazioni, das nach dem Ersten Weltkrieg die beiden autonom geführten Institutionen der Eisenbahn und der Telekommunikation sowie die Handelmarine in einem Ministerium vereinigte und sich als eine der grössten und dynamischsten Verwaltungen des Staates etablierte. Dem Wiederaufbau und der Entwicklung der landesweiten technischen und sozialen Infrastruktur wurde in den Jahren der Zwischen- kriegszeit ein zentraler Stellenwert beigemessen. Dazu gehörten die Bauten der Verkehrs- und Kommuni- kationsmittel, die wegen ihrer Bedeutung und ihrer städtebaulich anspruchsvollen Lage an Hauptplätzen im Stadtgefüge oder an Schnittstellen strategisch wichtiger Verbindungswege wesentliche Knotenpunkte des öffentlichen Lebens bildeten und darüber hinaus die zukunftsweisenden Errungenschaften einer fort- schrittlichen Gesellschaft repräsentierten. Die systematische Modernisierung der Infrastruktur eröffnete Mazzoni die einzigartige Möglichkeit, den architektonischen Ausdruck, die Funktionalität und die Typologie der Bahn- und Postbauten von Grund auf neu zu definieren. Seine zweifache Ausbildung vor dem Hintergrund der nationalen und internationalen Kunst-, Architektur- und Städtebaudebatten der 1910er Jahre, sein bemerkenswerter beruflicher Werdegang als Angestellter einer öffentlichen Administration zur Zeit des Faschismus, die vielseitigen Kontakte zu herausragenden Persönlichkeiten und vor allem sein umfassendes gebautes Werk belegen die breite Ori- entierung seiner Interessen und Kompetenzen. Mazzonis Bauten zeichnen sich sowohl gesamthaft wie im Einzelnen durch ihre vielgestaltige, heterogene und ambivalente Erscheinung aus und widerspiegeln die ausgeprägt undogmatische Entwurfshaltung des Architekten und dessen freie Handhabung architektoni- scher Themen und Motive. Die projekt- und massstabsübergreifende Betrachtung des Werks verdeutlicht, dass er eine stark kontextbezogene Arbeitsweise verfolgte, indem er die Beziehungen zur Geschichte und Gestalt des Ortes, die Topographie, die städtebauliche Ordnung, die Landschaft, die nahe und ferne Umge- bung, die materiellen, farblichen und konstruktiven Zusammenhänge sowie die bautypologischen Referen- zen als konstitutive Gestaltungsmittel im Entwurf einsetzte. Anhand thematisch strukturierter Werkanalysen werden die planerische Grundhaltung und die Gestaltungs- prinzipien Mazzonis ergründet und die architektonische und städtebauliche Bedeutung seiner Projekte nachvollzogen. Die ausführliche Untersuchung des zeitgeschichtlichen und beruflichen Kontextes, der die persönliche Entwicklung des Architekten ebenso wie den Entstehungsprozess der Projekte massgebend beeinflusste, ist dabei unabdingbar. Am Beispiel Mazzonis wird nicht nur ein aussergewöhnliches Werk erforscht, sondern auch die künstlerischen und kulturpolitischen Hintergründe seiner gesamten Architek- tengeneration beleuchtet, sowie Einblick in die Tätigkeit und Funktionsweise eines typischen Staatsappara- tes aus jener Zeit gegeben. Anhang 429

Summary

After his studies in Rome and Bologna, Angiolo Mazzoni (1894-1979) worked as an architect and engi- neer for the building department of the State Railways in Rome throughout a period of about twenty years, principally being responsible for the design and execution of primarily public buildings of the Italian rail- way and postal system. His assignments ranged from urban major projects to small-scale planning in rural areas, they comprised mainly complex and diversely arranged train station sites, compact post offices as well as elementary worker’s housing, and extended from the South Tyrol to Sicily over a wide territory of different geographic and historico-cultural regions. Mazzoni’s professional occupation in Italy coincided in a timely fashion with the political system of fas- cism, which ruled the economic, cultural and ideological conditions of the country between 1922 and 1943 under the leadership of Benito Mussolini. At the same time, the institution of the Ministero delle Comuni- cazioni, which after the First World War unified the two self-governed authorities of the state railways and telecommunication services as well as the mercantile marine within a single ministry, was established and grew to be one of the most powerful and dynamic public administrations. During interwar period, high priority was given to the reconstruction and development of the technical and social infrastructure of the nation. To a large extent, this was represented by the buildings of the means of transportation and com- munication, which constituted important intersections of public life due to their significance and, regard- ing the urban development, to their location on main squares within the city structure and on junctions of strategically important connections; furthermore, the buildings indicated the future-oriented achievements of a progressive civilization. The systematic modernisation of the infrastructure provided Mazzoni the unique opportunity to radi- cally redefine the architectural expression, functionality and typology of the railway and postal buildings. His dual education on the background of the national and international debates about art, architecture and urban development during the 1910s, his remarkable professional career as an employee of a public administration during fascism, his varied contacts to eminent individuals and particularly his extensive built work prove the wide orientation of Mazzoni’s interests and competences. His buildings stand out both as a whole and in detail by their polymorphic, heterogeneous and ambivalent appearance. In regard to the designing process, they reflect the architects highly undogmatic position and his free handling of architectural themes and forms. The overall examination of his oeuvre reveals that he pursued a strongly context-related working method by using the relationship to the history and configuration of a site, the topography, the urban spatial order, the landscape, the far and nearby surroundings, the material, colour and constructive connections as well as the typological references as constitutive means of design in the planning stage. On the basis of a thematically structured work analysis, the present thesis aims to retrace Mazzoni’s basic attitude in planning and his guiding principles in designing in order to assess the architectural and urban significance of his projects. A detailed examination of the contemporary-historical and the work-related context, which both had a decisive impact on the personal development of the architect as much as on the process of construction of his projects, is thereby indispensable. By the example of Mazzoni, an extraor- dinary architectural work is explored, beyond that, a view on the artistic and cultural situation of a whole generation of Italian architects is taken, and finally, an insight into the building activities and operation mode of a typical state administration during interwar period is gained.