SWR2 Musikpassagen

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SWR2 Musikpassagen SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE __________________________________________________________________________ SWR2 Musikpassagen "Der gute Columbus blieb auch nicht dort" Max Colpet zum 110. Geburtstag Von Gesine Heinrich Sendung: Sonntag, 12. Juli 2015, 23.03 Uhr Redaktion: Anette Sidhu-Ingenhoff Produktion: SWR 2015 __________________________________________________________________________ Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. __________________________________________________________________________ Service: Mitschnitte aller Sendungen der Redaktion SWR2 Musikpassagen sind auf CD erhältlich beim SWR Mitschnittdienst in Baden-Baden zum Preis von 12,50 Euro. Bestellungen über Telefon: 07221/929-26030 __________________________________________________________________________ Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de 2 Der gute Columbus blieb auch nicht dort - Max Colpet zum 110. Geburtstag. Von Gesine Heinrich: Rudolf Nelson, Hilde Hildebrand: Die Zeitfurie 1932 II/ 12 2’50 „Die Zeitfurie“, ein Chanson von Max Colpet und Rudolf Nelson, der die Musik beisteuerte. Vorgetragen von Hilde Hildebrand, einer der erfolgreichsten Boulevardschauspielerinnen der 1920er Jahre. „Die goldenen zwanziger Jahre. So golden sind sie gar nicht gewesen. Nicht immer. Und doch unvergesslich. Ich möchte keinen Tag, keine Stunde missen.“, so der Textdichter, Librettist, Kabarettautor und Übersetzer Max Colpet in seinen Erinnerungen. Geboren 1905 als russischer Jude im deutschen Königsberg ist Max Colpet, der eigentlich Max Kolpenitzky heißt, aber auch unter dem Pseudonym Max Kolpe signiert und textet, von Anfang an staatenlos. Seine Heimat ist die deutsche Sprache. Mischa Spoliansky, Einmal möcht´ ich keine Sorgen haben (Max Hansen 1932) I/19 19 3’00 Der große Schauspieler Max Hansen sang einen Text von Max Colpet auf die Musik von Mischa Spoliansky. Das Berlin der 20/30er Jahre ist ein Berlin der Nicht-Berliner. Leipziger treffen hier auf Krakauer, Breslauer auf Wiener. Und es wimmelt von russischen Emigranten, die vor der Revolution geflüchtet sind und sich als Kellner oder Portiers in Bars über Wasser halten. Max Colpet versucht dies mit der Rezitation von Gedichten. Für fünf Mark tritt er in der Kabarettbühne „Kü-Ka“ auf, neben Erich Kästner, Werner Finck und Günter Schwenn, die sich mit der gleichen Gage begnügen müssen. Max Hansen, 1932 Mischa Spoliansky: Ich bin vom Rockefeller grad das Gegenteil II/8 3’11 Max Hansen. Text: Max Colpet, Musik: Mischa Spoliansky. Ich liebe dieses Lied. Wichtiger als Geld ist das künstlerische Weiterkommen. Man lässt sich anspornen von Künstlergruppen wie dem „Blauen Reiter“, Trude Hesterbergs “Wilder Bühne“, Max Reinhardts „Schall und Rauch“ und Friedrich Hollaenders „Tingeltangel“. Wilhelm Bendow und der Textdichter Paul Morgan geben ein Bild der Zeit, in dem Chanson „Nur nicht unterkriegen lassen“. Die Musik schrieb Willy Rosen. Populäre jüdische Künstler, Wilhelm Bendow und Paul Morgan, Musik: Willy Rosen 1932: Nur nicht unterkriegen lassen II/23 0 – 3'41 Und bald werden, dank des neuen Massenmediums Rundfunk und des Kino-Booms, auch Max Colpets Honorare mehrstellig. Zusammen mit seinem Freund BillyWilder bildet er ein höchst erfolgreiches Drehbuchautorenteam. Nostalgische Kostbarkeiten, Hans Albers, Hoppla, jetzt komm ich 1957: Spoliansky/Robert Gilbert II/4 2’48 3 Mit 23 fährt Max Colpet seinen ersten Wagen. In seinem „Prosaischen Lebenslauf“ reimt er: Wurde von Willy Schaeffers entdeckt. Hab Filme mit Billy Wilder geschrieben – Und manchen Verriss auch eingesteckt. Schrieb Texte für Nelson und Katakombe, Hans Albers, Hilde Hildebrand. Ich hatte es geschafft – da fiel die Bombe: Die Nazis an der Macht, der Reichstagsbrand. Darauf ließ ich kurzerhand alles stehen: Die Wohnung, den Wagen und die Braut, um heimlich über die Grenze zu gehen. Kam glücklich nach Frankreich mit heiler Haut Mischa Spoliansky (frz. Text: Varna und Leliévre) 1931): Viens II/2 1’20 Ein Chanson von Mischa Spoliansky. Colpet ist froh, der Gestapo entflohen zu sein. Nur seine Staatenlosigkeit bereitet ihm erneut Probleme. Die Grunddevise Frankreichs heißt für ihn: Egalité, Fraternité - Carte d´Identité! Colpet bewohnt ein bescheidenes Zimmer im Hotel Ansonia. Seine Hotelnachbarn sind: der Schauspieler Peter Lorre mit Frau, Billy Wilder mit Freundin, Friedrich Hollaender und der Komponist Franz Wachsmann. Alle Künstler wie er auf der Flucht vor den Nazis. I: Comedian Harmonists, Mischa Spoliansky, Wie werde ich glücklich (Text: Felix Joachimson, nicht von Colpet) I/21 ab 0’46 - 2’28 = 1’42 Eines Tages – die Künstler-WG ist gerade beim Kartenspiel - ein Anruf: Der Concierge teilt Colpet mit, er möge nach Versailles kommen ins Hotel Trianon, Marlene Dietrich erwarte ihn. Colpet hängt ein, überzeugt, dass man sich gerade einen Scherz mit ihm erlaubt hat. Eine Stunde später klingelt das Telefon erneut. Diesmal ist Rudi Sieber, Marlene Dietrichs Ehemann, am Apparat. Perfekt inszeniert der Scherz, denkt sich Colpet und kontert ins Telefon: „Wenn Miss Dietrich so scharf darauf ist, uns zu sehen (Mit ihm sollte auch der Komponist Franz Wachsmann hinauskommen), dann möge sie uns doch bitte ihren tollen Wagen mit dem flotten Chauffeur schicken. Wir sind nämlich arme Emigranten und haben nicht das nötige Fahrgeld!“ sprach´s und mischte die Karten. Als eine halbe Stunde später das Telefon erneut klingelt, lässt er Franz Wachsmann rangehen. „Es ist Ernst“, ruft dieser aufgeregt, „der Wagen von Marlene Dietrich ist da!“ Vor dem Hotel begrüßt Marlene die beiden mit den Worten: „Sie haben das Ganze für einen Scherz gehalten, nicht wahr? Und Sie wissen auch nicht, warum ich Sie hergebeten habe? „Nein“. Sie haben beide mal ein Lied geschrieben: Allein in einer großen Stadt. Ich möchte dieses Lied gerne auf einer Platte aufnehmen.“ 4 Marlene Dietrich, der Mythos des ‚Blauen Engel’: Allein in einer großen Stadt 2 3’44 “Ich bin dem Schicksal immer wieder dankbar“ – so Max Colpet in seinen Erinnerungen – „dass ich das unerhörte Glück hatte, in Marlene Dietrich nicht nur eine große Künstlerin kennenzulernen, sondern eine einmalige Persönlichkeit und einen wundervollen hilfsbereiten Menschen. Das können viele bezeugen, denen sie geholfen hat, vor und nach dem Krieg – ohne dass sie es an die große Glocke zu hängen pflegte.“ Marlene Dietrich, der Mythos des ‚Blauen Engel’: Für alles kommt die Zeit 9 2’43 Max Colpets deutsche Fassung des Pete Seeger-Songs “Turn, turn, turn – To everything there is a season”, eine der vielen Übertragungen, die Colpet für Marlene geschrieben hat. Best of summer of love, Pete Seeger: Where have all the flowers gone 19 1’53 Der Folk-Klassiker „Where have all the flowers gone“, ebenfalls aus der Feder von Pete Seeger, wurde - in der Übertragung von Colpet - zu einer Art Grundstein für die Chanson-Kultur in Deutschland. Allerdings bedurfte es dazu praktischer Überzeugungsarbeit. Marlenes Plattenfirma zweifelte zunächst an dem möglichen Erfolg dieses Chansons. Man fand das ganze zu anspruchsvoll, meinte, Chansons gingen nicht in Deutschland. Erst als Marlene bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung in Düsseldorf mit der deutschen Version einen sensationellen Erfolg hatte, war auch der letzte Kritiker überzeugt: Marlene Dietrich: Sag mir, wo die Blumen sind 1 3’36 Obwohl er auf die Nachricht von der Ermordung seiner Eltern im KZ geschworen hatte, nie mehr deutschen Boden zu betreten, geht Max Colpet bereits 1947 wieder nach Deutschland zurück, um zusammen mit Roberto Rosselini den Film „Deutschland im Jahre Null“ zu drehen. Ein Jahr später holt ihn Billy Wilder nach Hollywood. 1954 wird Max Colpet amerikanischer Staatsbürger. Ingeborg Hallstein: Ich gefall mir 1’03 „I feel pretty“ – Ich gefall mir – aus der deutschen Fassung von Leonard Bernsteins ‚West Side Story’, deutsch getextet von Max Colpet, interpretiert von der Koloratursopranistin Ingeborg Hallstein. Es ist Max Colpet, der die beiden Berlinerinnen, Marlene Dietrich und Hildegard Knef, in Hollywood zusammenbringt. Viele Lieder, die Colpet für Marlene textet, werden später auch anderen Sängerinnen große Erfolge bescheren. So 1966 Hildegard Knef. Die Welt war jung ist Colpets deutsche Übertragung des Chansons „Le chevalier de Paris“ von Michel Philippe- Gérard und Angèle Vannier. Die Knef wird begleitet vom Günter-Noris-Quintett. 5 Musik: Philippe M. Gerard LP 1966 Günther Noris-Quintett Hildegard Knef in concert: Die Welt war jung I/5 2’49 Auch Hanne Wieder und Gitte feiern mit Colpets Liedtexten Erfolge: Gitte, Ich hab die Liebe verspielt in Monte Carlo: Nein, ich verliebe mich nie mehr 5 2’45 ausgebl. Gitte mit der deutschen Fassung von „I´ll never fall in love again“, eine von zehn Burt Bacharach/Hal David-Nummern, die Max Colpet ins Deutsche übertragen hat. Heimisch wurde Colpet in den USA nicht. „Ehe mein Geist dort völlig versandet, Goodbye Hollywood und Amerika.“, dichtet er und geht 1956, wieder nach München zurück, der einzigen Stadt, in der man seiner Meinung nach leben kann und in der Max Colpet die meiste Zeit seines Lebens
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