Auftrag Auslandseinsatz: Neueste Militärgeschichte an der Schnittstelle von Geschichtswissenschaft, Politik, Öfentlichkeit und Streitkräften. Potsdam: Bernhard Chiari, Militärgeschichtliches Forschungamt, 26.09.2011-28.09.2011.

Reviewed by Anna Kappler

Published on H-Soz-u-Kult (January, 2012)

Mit modernen Streitkräften sowie den Aus‐ dem Zweck der Militärgeschichte insbesondere landseinsätzen seit 1990 widmete sich die 52. In‐ innerhalb der selbst zu stellen. Dort ternationale Tagung für Militärgeschichte einem müsse die Militärgeschichte zukünftig verstärkt für die Geschichtswissenschaften neuen Thema. Orientierungswissen für Soldaten bereitstellen In Deutschland galt die neueste Geschichte der und so Grundlagen für deren Selbstverständnis Bundeswehr bislang als zu gegenwartsnah und im Sinne militärischer Identität schafen. Eine sol‐ angesichts unzugänglicher Akten als quellenmä‐ che Aufgabenzuweisung birgt freilich erheblichen ßig zu ungesichert, um Untersuchungsgegenstand Zündstof, wie im Tagungsverlauf immer wieder der neuesten Zeitgeschichte zu sein. Auch mentale deutlich wurde: Kritiker befürchten insgesamt Hindernisse standen dem im Weg. Der Topos eine zunehmende Anwendungsorientierung der „Krieg und Militär“ wurde über Jahrzehnte mit Wissenschaftsdisziplin. Diese laufe angesichts ei‐ dem Zeitalter der Weltkriege gleichgesetzt, aber ner neuen Ausrichtung der Bundeswehr Gefahr, selbst innerhalb der boomenden Disziplin Militär‐ auf den Stand eines Informations- und Recherche‐ geschichte paradoxerweise kaum mit der Berliner instruments zurückzufallen, und verliere so Un‐ Republik oder gar der Bundeswehr in Zusammen‐ abhängigkeit und Qualität. hang gebracht. Die Vielfalt der neuen Aufgabe und der sich In seinem einleitenden Vortrag näherte sich daraus ergebende Anspruch der Interdisziplinari‐ BERNHARD CHIARI (Potsdam) dem Gegenstand tät spiegelten sich im Tagungsprogramm wider. auf mehreren Ebenen an. Chiari umriss die histo‐ Der inhaltliche Bogen spannte sich von der histo‐ rischen, gesellschaftlichen und politischen Rah‐ rischen bzw. gegenwärtigen Rolle des Militärs in menbedingungen, unter denen sich Auslandsein‐ der Gesellschaft über den strukturell-organisato‐ sätze und ihre Erforschung in Deutschland voll‐ rischen Wandel und die Anforderungen an Ein‐ ziehen. Zweitens lotete er Gegenstand und Aufga‐ satzarmeen bis hin zur Auseinandersetzung mit ben der Disziplin aus und widmete sich drittens konkreten Einsätzen und ihren Rahmenbedingun‐ der individuellen Wahrnehmung und damit den gen. Das Spektrum umfasste makro- und mikro‐ persönlichen Motiven insbesondere der eingesetz‐ perspektivische Betrachtungen, die Analyse su‐ ten Soldaten, welche die Auslandseinsätze und die pranationaler Akteure und Strukturen bis hin zur Entwicklung der Bundeswehr insgesamt voran‐ Erfahrungswelt des einzelnen Soldaten im Ein‐ bringen. Viertens thematisierte er die Quellenpro‐ satz. Neben Einblicken in den Wissenschafts- und blematik, um schließlich fünftens die Frage nach Ausbildungsbetrieb an Institutionen der Bundes‐ H-Net Reviews wehr wie dem MGFA, dem Zentrum für Innere tung einheitlicher Überlieferungsverfahren und Führung oder auch dem Zentrum Operative Infor‐ Bestandsbildungen innerhalb der Bundeswehr. mation bestach die Tagung durch ein breites, auf Josts Forderung greift der neue Forschungsbe‐ Vergleich angelegtes Angebot europäischer und reich des MGFA auf, der seit 2010 individuelle nordamerikanischer Beiträge, das hier nur in Aufzeichnungen aus den Einsätzen sichert. Ausschnitten wiedergegeben werden kann. RICHARD VAN GILS (Den Haag) veranschau‐ Sektion 1 widmete sich den juristischen und lichte das niederländische System der „War Dia‐ zivilgesellschaftlichen Rahmenbedingungen deut‐ rists“. Das Massaker von Srebrenica 1995 und die scher Einsätze nach 1945 und verdeutlichte die tragische Rolle niederländischer Blauhelmsolda‐ Zäsur, welche die Einsätze der Bundeswehr in So‐ ten leiteten eine Trendwende zur systematischen, malia, auf dem Balkan oder in so‐ lückenlosen und transparenten Einsatzdokumen‐ wohl für die Streitkräfte als auch für die zeitge‐ tation ein. Srebrenica bildete den Ausgangspunkt nössische Militärgeschichte bedeuteten. Der Ein‐ für die Ausgestaltung eines Systems speziell aus‐ stieg durch THOMAS BREITWIESER (Leipzig) und gebildeter Einsatztagebuchführer, die unter Ein‐ MICHAEL EPKENHANS (Potsdam), welche die ver‐ sicht in alle Bereiche der Operationsführung Da‐ fassungsrechtlichen und gesellschaftlichen Rah‐ ten sammeln, um später Entscheidungsprozesse menbedingungen der Auslandseinsätze charakte‐ darstellen und auswerten zu können. Die NATO- risierten, wurde durch den Vortrag JUSTYNA GOT‐ Archivare INEKE DESERNO (Brüssel) und GREGO‐ KOWSKAs (Warschau) ergänzt. Sie charakterisier‐ RY PEDLOW (Mons) umschrieben das Spannungs‐ te die deutschen sicherheitspolitischen Entschei‐ feld, das sich aus den Schutzfristen eingestufter dungen seit 1990 – gefasst teils ohne Abstimmung Verschlusssachen einerseits und dem zeithistori‐ mit den Bündnispartnern in NATO und EU – als schen Anspruch auf Auswertung durch zivile Wis‐ Normalisierungsprozess einer wieder erstarkten senschaftler andererseits ergibt. Die Diskussion Mittelmacht. Die „Normalisierung“ wurde in der war bestimmt durch Nachfragen zu unterschiedli‐ Diskussion auf die Pole einer Militarisierung der chen nationalen Konzepten und zur notwendigen Außen- und Sicherheitspolitik oder Politisierung militärischen Ausbildung der War Diarists. Ange‐ der Streitkräfte seit 1990 zugespitzt. sichts des erschwerten Quellenzugangs kommt Sektion 2 war den methodischen Herausfor‐ für die militärische Zeitgeschichte alternativem derungen des Zeithistorikers und insbesondere Quellenmaterial wie individuellen Einsatzerinne‐ der Entstehung von Quellen sowie Zugang und rungen, Facebook-Proflen und diskursiven Blog‐ Archivierung gewidmet. BIANKA ADAMS (Fort beiträgen erhebliche Bedeutung zu. Belvoir, Virginia) veranschaulichte aus Sicht eines Klar strukturiert zeigte sich die dritte Sektion „Field Historian“ der US-Streikräfte die dortige „Strukturen, Aufgaben und Fähigkeiten moderner Entwicklung systematischer Verfahren der Quel‐ Streitkräfte“. Die multiperspektivische Betrach‐ lensicherung am Beispiel des Irak-Einsatzes und tung der Heeresorganisation aus militärischer, umriss Potenzial und technische Herausforderun‐ wirtschaftlicher und soziologischer Sicht durch gen durch den massenhaften Anfall digitaler Da‐ MARTIN RINK (Potsdam) erlaubte einen Einblick ten. DANIEL JOST (Freiburg im Breisgau) betrach‐ in die Dimensionen der seit 1990 zunehmend auf tete die Erfassung und Bestandsbildung aus Sicht dem Bottom-up-Prinzp basierten Streitkräfteent‐ des Archivars. Während sich Web 2.0, Facebook wicklung. Drei Vorträge zur Entwicklung der Luft‐ oder E-Mail-Korrespondenzen von Einsatzsolda‐ wafe sowie der deutschen und französischen Ma‐ ten dem archivischen Zugrif weitgehend entzö‐ rine lieferten analoge Erkenntnisse zu Anpas‐ gen, bestehe Nachholbedarf auch für die Einhal‐ sungsprozessen in zwei weiteren Teilstreitkräften.

2 H-Net Reviews

RALF VOLLMUTH (Hammelburg) widmete sich Symbiose sicherheitstechnischer Aspekte und psy‐ detailliert der Geschichte des Sanitätsdienstes und chologisch notwendigen „Wohnkomforts“ in Feld‐ ihrer historischen Aufarbeitung. Die Geschichte lagern ein. Fragen nach den Kanälen und Formen der Wehrmedizin als multiperspektivisches For‐ des Technologietransfers in die afghanische Ge‐ schungsfeld zeigte er als wissenschaftliches Desi‐ sellschaft und dem ökonomischen Nutzen der derat im Rahmen der allgemeinen Militärge‐ westlichen Interventionsarmeen ließen die Ver‐ schichte auf. schränkung der Einsatzgeschichte mit den jeweili‐ Die vierte Sektion widmete sich Afghanistan gen Interventionsgesellschaften zumindest erah‐ als Fallbeispiel einsatzbezogener Zeitgeschichte nen. aus historiographischer, politischer und prakti‐ Die Betrachtung des Afghanistaneinsatzes scher Perspektive vor Ort. ARTHUR TEN CATE schloss CONRAD SCHETTER (Bonn) mit seinem öf‐ (Den Haag) skizzierte die Entwicklung der nieder‐ fentlichen Abendvortrag „Wer sind die Taliban?“ ländischen Militärgeschichtsschreibung, begin‐ ab. Ausgehend von den Dimensionen tribalisti‐ nend bei der deutschen Okkupation Belgiens und scher Kultur, der Rolle des Islam und dem Ein‐ den Kolonialkriegen über die Beteiligung am Ko‐ fuss der Globalisierung zeichnete Schetter die reakrieg bis hin zum Irak- und Afghanistanein‐ Entstehung einer Kultur der Taliban nach. Die satz. Historiker/innen wirkten in den Niederlan‐ mögliche Entwicklung Afghanistans nach dem für den dabei immer wieder als „Mythbuster“. Die 2014 geplanten Truppenabzug aus der Fläche dis‐ Praxis von Dokumentation und Aufarbeitung il‐ kutierten die Teilnehmer anhand möglicher Sze‐ lustrierten die kritische Auseinandersetzung mit narien zwischen gradueller Stabilisierung und dem Konzept der Provincal Reconstructions Ausgleich der afghanischen Zentralregierung bis Teams (PRT) insgesamt sowie ein Beitrag zum Ein‐ hin zur Remilitarisierung der Stammesgesell‐ zelbeispiel des norwegischen PRT in Faryab, schaft und neuerlichem Bürgerkrieg. Nordwestafghanistan. TORUNN LAUGEN HAA‐ Die fünfte Sektion „Einsatzerfahrung und LAND (Oslo) und PETER DREIST (Bonn) gingen Kriegserlebnis“ wurde dominiert von den Phäno‐ der Diskrepanz zwischen lokalen Anforderungen menen Tod und Gewalt. MARC HANSEN (Flens‐ und westlich geprägtem Einsatzverständnis nach. burg) fokussierte aus kulturhistorischer Perspek‐ Die ausdiferenzierten, an die Gegebenheiten der tive die Wahrnehmung kriegerischer Gewalt, ihre jeweiligen Provinz angepassten Strukturen der konkreten Anwendung und ihre Auswirkung auf PRT stellten sie dem übergeordneten Streben Gefecht und Kampf als Bestandteile der Einsatzre‐ nach vereinheitlichten und allgemein gültigen alität insbesondere im Rahmen der ISAF. LORETA‐ Richtlinien gegenüber, wie sie unter anderem für NA DE LIBERO (Potsdam) machte den Tod im Ein‐ den Aufbau afghanischer Sicherheitsstrukturen satz, das Erleben, Erfahren und Erinnern von Tod notwendig ist. Dreist sezierte im historischen Rü‐ anhand privater Einsatztagebücher, Briefe, per‐ ckblick die ineinanderfießenden zivilen und mili‐ sönlicher Gespräche und Interviews zugänglich. tärischen Aufgaben der PRT. Ohne Expertise im Vorträge und Diskussion verdeutlichten den humanitären Bereich und einheitliche Führung schmalen Grat, den Zeithistoriker/innen bei der falle die Koordinierung der NGO-Projekte vor Ort wissenschaftlichen Vereinnahmung akteursspezi‐ schwer, was die Bevölkerung irritiere und die Un‐ fscher Erlebnisse zwischen den Polen einer re‐ parteilichkeit der beteiligten Organisationen aufs spektvollen, wiewohl kritischen Abgrenzung ge‐ Spiel setze. NORBERT GEBBEKEN (München) er‐ genüber der individuellen Erfahrungswelt von läuterte die Herausforderungen infrastruktureller Soldaten einerseits und pathetischer Rhetorik aus Planung im Einsatz und ging hierbei neben Bei‐ der Schreibtischperspektive andererseits be‐ spielen des Brücken- und Straßenbaus auf die

3 H-Net Reviews schreiten. MARCO DI STEFANO (Mayen) ergänzte selbst. MATTHIAS DEMBINSKI (Frankfurt am die individuelle Einsatzperspektive um die Analy‐ Main) lieferte eine kritische Bilanz der Ergebnisse se von Stellenwert und Ausbildung interkulturel‐ militärischer Interventionen seit dem 19. Jahr‐ ler Kompetenz für den Einsatz. Seine Forderung hundert. Unter Bezugnahme auf aktuelle Diskus‐ nach einer höheren sozialen Kompetenz von Re‐ sionen über Funktion und Auswirkungen von kruten, defniert als allgemeine Befähigung zum COIN wog Dembinski das Leistungsvermögen zivi‐ zwischenmenschlichen Umgang, erhielt vor dem len und militärischen Konfiktmanagements ab Hintergrund der jüngst vollzogenen Veränderung und gelangte insgesamt zu einer ernüchternden der Wehrform in Deutschland und der Notwen‐ Bilanz. Kontrovers diskutiert wurde die als ahisto‐ digkeit, geeignete Freiwillige für den Dienst in risch kritisierte Gleichsetzung verschiedener An‐ den Streitkräften zu werben, eine grundsätzliche sätze der Aufstandsbekämpfung. Dies rücke die Dimension. Peacekeeping-Operationen des 21. Jahrhunderts Die sechste Sektion beschäftigte sich abschlie‐ in die Nähe von Interventionen des 19. Jahrhun‐ ßend mit dem Stellenwert der Militärgeschichte derts. für die militärische Ausbildung. TAMIR LIBEL Das Verhältnis von Armee, Gesellschaft und (Dublin) zeichnete die Veränderungen nach, wel‐ Geisteswissenschaften war Gegenstand eines ab‐ che die USA und Großbritannien nach Ende des schließenden Round Table. Unter der Leitung von Kalten Krieges in der Ofziersausbildung vornah‐ Manfred Görtemaker beleuchteten Vertreter aus men. Die Identität des Ofziers beschrieb er als Politik, Militär und Wissenschaften vor allem die Symbiose wissenschaftlicher Expertise und prak‐ Rolle und Funktion des Militärhistorikers. Über tischen Wissens. In die nähere Betrachtung rück‐ die Entwicklung der politischen Entscheidungs‐ ten die „advanced warfghting institutions“ als strukturen und die Marksteine der Bundeswehr moderner Typ militärischer Ausbildungseinrich‐ auf dem Weg zu einer Armee im weltweiten Ein‐ tungen. Militärgeschichte gelte hier nicht nur als satz seit 1990 gelangte HANS-ULRICH KLOSE (Ber‐ integraler sondern größter Bestandteil des Stun‐ lin) zur Auseinandersetzung mit der gesellschaft‐ denplans, der eine Balance zwischen historischen lichen und wissenschaftlichen Unterstützung von und sozialen Wissenswelten anstrebt. Die Militär‐ Auslandseinsätzen. Die Beratungsfunktion der Mi‐ geschichte spiele eine essenzielle Rolle für die zu‐ litärgeschichte müsse stärker forciert werden, ge‐ nehmende Professionalisierung unter den Bedin‐ rade weil es im Rahmen der politischen Entschei‐ gungen der Auslandseinsätze. Den Prozess der dungsfndung häufg keine „richtigen“ Antworten Nutzbarmachung von Militärgeschichte stellte sondern nur nachvollziehbarere Argumente gebe. MATTHIAS STROHN (Sandhurst) am Beispiel der Dies setzte eine pluralistische Debatte und eine Aufarbeitung von Counterinsurgency-Erfahrun‐ strategische Kultur voraus, die in Deutschland bis‐ gen der britischen Streitkräfte im Irak- und Afgha‐ lang kaum ausgeprägt sei. HEW STRACHAN (Ox‐ nistaneinsatz dar. Die Diskussion umschrieb das ford) fokussierte die sich überschneidenden The‐ Spannungsfeld, in dem sich die Militärgeschichte men des tagesaktuellen Journalismus und zeitge‐ zwischen ihrem Verständnis, eine Subdisziplin schichtlicher Aufarbeitung sowie Einfuss und der allgemeinen Geschichtswissenschaft zu sein, Deutungsangebote beider Disziplinen. Während und ihrer Anwendungsorientierung im Rahmen die Medien die Wahrnehmung und Erinnerung an moderner Streitkräfte wiederfndet. Kriege dominierten, komme der neusten Zeitge‐ Über die Darstellung des italienischen Les‐ schichte die Funktion eines „key tools“ strategi‐ sons learned-Prozesses gelangte die Sektion zur schen Verstehens zu. Bewertung militärischen Konfiktmanagements

4 H-Net Reviews

TON VAN LOON (Münster) plädierte für die wissenschaften im Kern erklären, wie Militär un‐ Konstituierung einer neuen „art of war“, die ihrer ter den Rahmenbedingungen des 21. Jahrhun‐ eigenen Protagonisten bedürfe. Anhand des lau‐ derts funktioniert und wie der einzelne Mensch fenden Afghanistaneinsatzes refektierte er das seinen Platz im militärischen System fndet. konkrete Handwerk des Historikers, welcher sich Konferenzübersicht: anhand der Fragen ethischer Legitimität, der Introduction Sinnhaftigkeit und der klassischen Warum-Frage kriegerischen Einsätzen widmen müsse. Die neu‐ Bernhard Chiari, MGFA: Krieg als Reise? Zur este Zeitgeschichte könne maßgeblich zur Identi‐ Betrachtung von Auslandseinsätzen der Bundes‐ tätsstiftung und Handlungsorientierung des Sol‐ wehr durch die Militärgeschichte daten beitragen und ihm dabei helfen, seine indi‐ Panel I: Militarisierung der Außen- und Si‐ viduelle Rolle zu verstehen. FRANK LEIDENBER‐ cherheitspolitik oder Politisierung der Streitkräf‐ GER (Ulm) konkretisierte den Bedarf an histori‐ te? Zur Rolle der militärischen Macht nach 1990 scher Beratung, wie sie die Dynamik und Lageent‐ Chair: Ulrich Lappenküper, Otto-von-Bisma‐ wicklung von Einsätzen notwendig mache. Kon‐ rck-Stiftung, Friedrichsruh fiktszenarien zeigten sich zunehmend komple‐ Thomas Breitwieser, Bundeswehrdiszipli‐ xer. Die Bundeswehr trefe nicht auf leere Ge‐ naranwalt beim Bundesverwaltungsgericht, Leip‐ fechtsfelder ohne Zivilbevölkerung, wie dies die zig: Von der Landesverteidigung zum weltweiten Planer des Kalten Krieges irrigerweise vorausge‐ Einsatz: Änderungen im Verständnis des Grund‐ setzt hätten, sondern auf hoch dynamische, inter‐ gesetzes dependente Beziehungs- und Menschengefechte, welche die Orientierung zu einer Herausforde‐ Michael Epkenhans, MGFA: Von Auschwitz rung mache. nach Auschwitz. Der Wandel in Politik und Gesell‐ schaft im Hinblick auf die Anwendung militäri‐ Das MGFA präsentierte mit der 52. ITMG eine scher Gewalt methodische wie inhaltliche tour d´horizon zum neuen Forschungsfeld einer interdisziplinären Justyna Gotkowska, Centre for Eastern Stu‐ Geschichte der Auslandseinsätze. Der internatio‐ dies, Warschau: Die Entwicklung der deutschen nale Vergleich veranschaulichte die Sonderstel‐ Sicherheitspolitik seit 1990: Eine polnische Per‐ lung, die Deutschland aufgrund der Erfahrung spektive des Zweiten Weltkriegs sowohl mit Blick auf den Thijs Brocades Zaalberg, Netherlands Institu‐ Einsatz militärischer Mittel als Teil von Außen- te of Military History, Den Haag: A Gentle Occupa‐ und Sicherheitspolitik als auch hinsichtlich der tion: Unravelling the Dutch Approach in Iraq, Berührungsängste der Geisteswissenschaften mit 2002–2005 dem Militär einnimmt. Das gut besuchte Forum David Bercuson, University of Calgary: Dome‐ machte das Vernetzungspotenzial und mögliche stic Politics and Foreign Missions in Canada Aufgabenteilungen bei der Analyse multinationa‐ Key Note Speech ler Einsatzerfahrungen und des Wandels militä‐ risch-politischer Strukturen innerhalb von NATO Thomas de Maizière, Minister of Defense und EU deutlich. Im Verbund der allgemeinen Ge‐ Panel II: Einsatzüberlieferung und Quellenzu‐ schichtswissenschaft muss die Militärgeschichte gang nun unter Beweis stellen, für die Zeit nach 1990 Chair: Michael Epkenhans, MGFA quellenmäßig abgesicherte und methodisch re‐ fektierte Studien anbieten zu können, die entlang von Disziplingrenzen zu den Sozial- und Politik‐

5 H-Net Reviews

Bianka Adams, Defense Threat Reduction Panel IV: Fallbeispiel ISAF. Streitkräfte in der Agency, Fort Belvoir, Virginia, USA: U.S. Historians Transformation seit 2001 und Ebenen einsatzbe‐ in Combat and Stability Operations zogener Zeitgeschichte Richard van Gils, Netherlands Institute of Mi‐ Chair: Bernhard Chiari, MGFA litary History, Den Haag: Historians in Peace & Arthur ten Cate, Netherlands Institute of Mili‐ Stability Operations. The Dutch Experience tary History, Den Haag: Writing Contemporary Gregory Pedlow, SHAPE Historian, Mons; Ine‐ Military History in the Netherlands. Experiences ke Deserno, NATO Archivist, Brussels: NATO in the and Best Practices, 1945–2010 Balkans: Collecting and Managing the Operational Lucas Charles Neece, Graduate Institute of In‐ Records of a Coalition ternational and Development Studies, Genf: Endu‐ Andreas Kunz, Bundesarchiv, Abteilung Mili‐ ring Alliance Solidarity: Germany in Afghanistan tärarchiv, Freiburg im Breisgau: Im Zeichen von Peter Dreist, Bundesministerium der Verteidi‐ Transformation, Network Centric Warfare und Fa‐ gung, Bonn: Provincial Reconstruction Teams in cebook. Quellenüberlieferung zur jüngsten deut‐ Afghanistan als Teil von OEF und ISAF. Ansätze schen Militärgeschichte und Genese Daniel Jost, Bundesarchiv, Abteilung Militära‐ Torunn Laugen Haaland, Norwegian Institute rchiv, Freiburg im Breisgau: Einsatzgeschichte am for Defense Studies, Oslo: The Norwegian Provin‐ Beispiel von UNOSOM 1992-1995 im Bundesar‐ cial Reconstruction Team (PRT) in Faryab, Afgha‐ chiv. Strukturen, Quellenwert und archivische Er‐ nistan, as a Mirror of the Developments within schließung the Norwegian Armed Forces in the 21. Century Panel III: Strukturen, Aufgaben und Fähigkei‐ Norbert Gebbeken, Universität der Bundes‐ ten moderner Streitkräfte wehr München: Bauen im Einsatz: Herausforde‐ Chair: Burkhard Köster, MGFA rungen für die Infrastrukturplanung der Bundes‐ Martin Rink, MGFA: Efzienz oder Flexibili‐ wehr seit 1990 tät? Zur Organisationsgeschichte des deutschen Conrad Schetter, Zentrum für Entwicklungs‐ Heeres vor und nach 1990 forschung, Universität Bonn: Public Lecture: Wer Rüdiger Schiel, MGFA: SHARP GUARD. Die sind die Taliban? Deutsche Marine auf dem Weg von der Escort Panel V: Einsatzerfahrung und Kriegserlebnis Navy zur Expeditionary Navy 1989/1992 bis 1996 Chair: Reiner Pommerin, Dresden Dominique Guillemin, Service historique de Marc Hansen, Universität Flensburg: Vom la Défense, Vincennes: From National Deploy‐ Friedensalltag zur Kriegserfahrung. Eine kultur‐ ments to International Missions: The Adaptation geschichtliche Annäherung an die Wahr nehmung of the French Navy to Foreign Operations, kriegerischer Gewalt von Bundeswehrsoldaten im 1987-1999 Auslandseinsatz Douglas C. Peifer, U.S. Air War College, Mont‐ Marco DiStefano, Zentrum für Operative In‐ gomery, AL: The Luftwafe's Role in Expeditionary formation, Mayen: Wahrnehmung von und Um‐ Bundeswehr Missions since Unif cation gang mit den Kulturen im Kosovo durch deutsche Ralf Vollmuth, Fachsanitätszentrum Hammel‐ Einsatzsoldaten burg: Verloren im wissenschaftshistorischen Nie‐ Loretana de Libero, MGFA: Tod im Einsatz mandsland: Die Geschichte des Sanitätsdienstes als Desiderat der Forschung

6 H-Net Reviews

Peter Buchner, Zentrum Innere Führung, Ko‐ Hans-Ulrich Klose, MdB; Frank Leidenberger, blenz: Andere Einsätze – Neue Legitimation? Legi‐ Kommando Operative Führung Eingreifkräfte, timitätsfragen in der Einsatzarmee Bundeswehr Ulm; Ton van Loon, 1 (GE/NL) Corps, Münster; Mesut Uyar, Turkish Military Academy, Anka‐ Hew Strachan, Oxford University ra: With the Germans in Afghanistan. A Turkish Staf Ofcer’s Experiences during the Establish‐ ment of the Multi-National Brigade (KMNB) 2002-2003 Panel VI: Dokumentation, Analyse, Ausbil‐ dung: Geisteswissenschaften und Auslandseinsät‐ ze Chair: Konrad Clewing, Südost-Institut, Re‐ gensburg Tamir Libel, University College Dublin: Histo‐ rians in the Service of the Present: The Contributi‐ ons of Historians and Historical Research for Edu‐ cating Expeditionary Ofcers – Lessons from the US and UK, 1991-2008 Matthias Strohn, Royal Military Academy Sandhurst, Camberley, England: “We have ceased to be a learning organisation”. Die britische Ar‐ mee und die Erfahrungen aus dem Irak und Af‐ ghanistan Nicola Labanca, Università degli studi di Sie‐ na: Learned and not Learned Lessons. Military History and Some Italian Post Cold War Operati‐ ons Florian Stöhr, Deutsche Atlantische Gesell‐ schaft, Berlin: Sicherheitspolitische Herausforde‐ rungen durch irreguläre Kämpfer: Handlungsrah‐ men der westlichen Demokratien für eine efzi‐ ente Counterinsurgency Matthias Dembinski, Hessische Stiftung Frie‐ dens- und Konfiktforschung: Grenzen militäri‐ schen Konfiktmanagements Public Round Table: Auslandseinsätze seit 1990 in Armee und Gesellschaft und die Rolle der Geisteswissenschaften Chair: Manfred Görtemaker, Universität Pots‐ dam

7 H-Net Reviews

If there is additional discussion of this review, you may access it through the network, at http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/

Citation: Anna Kappler. Review of Auftrag Auslandseinsatz: Neueste Militärgeschichte an der Schnittstelle von Geschichtswissenschaft, Politik, Öfentlichkeit und Streitkräften. H-Soz-u-Kult, H-Net Reviews. January, 2012.

URL: https://www.h-net.org/reviews/showrev.php?id=35230

This work is licensed under a Creative Commons Attribution-Noncommercial-No Derivative Works 3.0 United States License.

8