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Stadtratssitzung vom 20. Januar 2012 Interpellation Nr. I 20/2011

Interpellation betreffend Gemeindefusionen als Chance für die Region Thun SVP-Fraktion vom 24. August 2011; Beantwortung

Wortlaut der Interpellation

Der Gemeinderat wird gebeten, folgende Fragen zu beantworten:

1. Wie lautet der Stand der Dinge bezüglich Abklärung einer allfälligen Gemeindefusion mit Zwieselberg? 2. Wie beurteilt der Gemeinderat generell das Potenzial und die damit verbundenen Chancen von Ge- meindezusammenschlüssen mit der Stadt Thun in der Region? 3. Gibt es bei der Stadt Thun Szenarien, inwiefern sich allfällige Gemeindezusammenschlüsse (u. a. mit Zwieselberg, , , etc.) positiv auf die Abgleichung der Zentrumslasten auswirken würden? Wenn Nein, gedenkt der Gemeinderat, diese für die gesamte Region wichtigen Konsequen- zen von Gemeindezusammenschlüssen fundiert zu prüfen? 4. Ist die Stadt Thun in die Gemeindefusionsüberlegungen mit , Höfen, Nieder- und Ober- stocken involviert? Wenn Nein, wieso nicht?

Begründung: Obwohl die Abgeltung der Zentrumslasten und die finanzielle Unterstützung für die Stadt Thun durch den Kanton mit FILAG 2012 besser ausfällt als in den Jahren zuvor, entspricht es der Realität, dass die Stadt Thun beim Kanton Bern bezüglich finanzieller Unterstützung als Zentrumsregion erst in dritter Prio- rität hinter den Gemeinden Bern und Biel rangiert.

Allfällige Gemeindefusionen könnten sich aufgrund der sich zusammengeschlossenen Gemeinden und ihrer neuen Grösse als positiv auf die Priorisierung bezüglich finanzieller Unterstützung / Abgeltung des Kantons Bern für die Region Thun auswirken. Zudem eröffnen Gemeindefusionen - sofern sie demokra- tisch beschlossen wurden - für eine Region neue Entwicklungsmöglichkeiten (verfügbare Bau- und Ent- wicklungsfläche, gesteigerte Effizienz bei den Gemeindeverwaltungen dank Zusammenlegungen, etc.).

Es ist wünschenswert, wenn sich die Stadtthuner Behörden mit dem nötigen Fingerspitzengefühl in der Region für Gemeindefusionen stark machen würde, sofern diese von der Bevölkerung gewünscht werden und im Einzelfall Sinn machen. Diesbezüglich sendet die eben vom Gemeinderat beschlossene Steuer- senkung ein positives Signal an umliegende Gemeinden aus.

Antwort des Gemeinderates

Zu Frage 1: Wie lautet der Stand der Dinge bezüglich Abklärung einer allfälligen Gemeindefusion mit Zwieselberg?

Im vergangenen Mai haben die Gemeinderäte beider Gemeinden von den ersten Grobabklärungen einer gemischten Arbeitsgruppe Kenntnis genommen. Die Arbeitsgruppe hat bewusst ohne externe Unterstüt- zung durch Experten oder das Amt für Gemeinden und Raumordnung und ohne allzu grossen zeitlichen Aufwand eine erste summarische Prüfung von wahrscheinlichen Schlüsselthemen vorgenommen. Dazu gehörten z.B. Fragen nach den künftigen Standorten der Volksschule für die Schüler und Schülerinnen

27.12.2011 (RD) - Q:Daten/Stadtrat/Berichte/SRB I 20-2011 Gemeindefusionen.doc Seite 1/3 Stadtrat von Thun - Sitzung vom 20.01.2012 - Interpellation I 20/2011 - Gemeindefusionen

aus Zwieselberg, zu Feuerwehr, Planung, Erschliessung und Finanzen. Quintessenz dieser ersten Prü- fung ist, dass auf der Sachebene keine unüberwindbaren Probleme für eine allfällige Weiterführung der Arbeiten mit dem Ziel einer Fusion vorliegen.

Ob die Arbeiten in absehbarer Zeit aufgenommen werden und ein eigentliches Fusionsprojekt nach Massgabe der gesetzlichen Bestimmungen eingeleitet wird, ist noch offen, da der Gemeinderat von Zwieselberg vorerst noch andere Optionen prüfen will. Es liegt nicht an der Stadt Thun, diese politische Arbeit in Zwieselberg zu beeinflussen. Der Gemeinderat von Zwieselberg möchte zu gegebener Zeit die Einwohner und Einwohnerinnen von Zwieselberg umfassend informieren. Er hat zwecks Beratung über die finanziellen Rahmenbedingungen einer Firma einen entsprechenden Auftrag in Form einer Finanz- analyse erteilt. Der Ball für die Weiterführung liegt demnach bei Zwieselberg.

Der Thuner Gemeinderat hat der Nachbargemeinde gegenüber die Bereitschaft bekundet, die begonne- nen Arbeiten weiterzuführen, wenn dies nach dem beschlossenen Zwischenhalt so gewünscht werden sollte.

Zu Frage 2: Wie beurteilt der Gemeinderat generell das Potenzial und die damit verbundenen Chancen von Gemeindezusammenschlüssen mit der Stadt Thun in der Region?

Die Haltung zu allfälligen Fusionsabsichten von und mit umliegenden Gemeinden schon des bisherigen wie des amtierenden Gemeinderats ist grundsätzlich sehr offen. Sehr zahlreich sind bereits heute die Zusammenarbeitsformen mit verschiedensten Gemeinden in unterschiedlichen Gebieten. Der Gemeinde- rat hat immer wieder Hand geboten, Dienstleistungen gegenüber umliegenden Gemeinden auf vertragli- cher Basis zu erbringen und wird das auch weiterhin. Als grösste und gleichzeitig städtische Gemeinde in einer tendenziell eher ländlichen weiteren Umgebung kann es jedoch nicht Aufgabe der Stadt Thun sein, Fusionen aktiv anzugehen und damit die Nachbargemeinden zu brüskieren. Der Gemeinderat erachtet jedoch das Potenzial für allfällige Zusammenschlüsse durchaus als gegeben.

Ursachen und Motive dazu dürften jedoch sehr unterschiedlich sein:

• Während kleinere Gemeinden ev. ihre Behörden nur noch mit Schwierigkeiten besetzen können, ihre Schulstandorte gefährdet sind, sie bereits verschiedene Aufgaben (verbunden mit einem entsprechen- den Demokratieverlust) ausgelagert haben oder finanzielle Schwierigkeiten vorliegen, haben finanziell und infrastrukturmässig gut dotierte mittelgrosse und grössere Gemeinden weniger ein Bedürfnis nach einem Zusammenschluss und dem damit verbundenen teilweisen Autonomieverlust.

• Eine Luftaufnahme des Siedlungsgebiets der Region Thun zeigt eindrücklich, wie das bebaute Gebiet ineinander verzahnt und verbunden ist. Gemeindegrenzen wirken unter diesem Gesichtspunkt mitunter willkürlich, sind aber historisch so entstanden wie sie eben sind. Unverrückbar sind sie deswegen trotz- dem nicht. Wie die Abstimmungsergebnisse zu einem laufenden Grossfusionsprojekt in der Agglome- ration von Luzern zeigen, können dessen Chancen und Risiken von der Zentrums- und den Agglome- rationsgemeinden politisch jedoch durchaus unterschiedlich bewertet werden. Fusionen liegen zwar im Trend. Es braucht jedoch wohl Zeit, Geduld und den jeweils richtigen Zeitpunkt.

• Es gibt auch andere als finanzielle Gründe, die eine Fusion allenfalls als attraktiv erscheinen lassen. So ist es z. B. angesichts der zunehmenden Knappheit an verfügbarem Boden je länger je weniger sinnvoll, wenn jede Gemeinde auf ihrem Hoheitsgebiet versucht, alle Nutzungsarten unterbringen zu wollen. Bei einer Fusion wäre es hingegen möglich, eine gewisse "Arbeitsteilung" zu erzielen, indem z. B. schöne und attraktive Wohnlagen erhalten und nicht durch neue und unmittelbar daran anschlies- sende Arbeitszonen beeinträchtigt werden müssten. Umgekehrt wäre es möglich, bereits vorhandene gut erschlossene Arbeitszonen zu erweitern, Synergien zu erzielen und neue attraktive Arbeitsplätze zu generieren. Mit den laufenden regionalen Planungen, insbesondere mit dem Regionalen Gesamt- verkehrs- und Siedlungskonzept RGSK inklusive den Agglomerationsprogrammen wird solches heute zwar bereits angestrebt, aber nach einer Fusion wäre dies wohl weitaus besser zu bewerkstelligen.

27.12.2011 (RD) - Q:Daten/Stadtrat/Berichte/SRB I 20-2011 Gemeindefusionen.doc Seite 2/3 Stadtrat von Thun - Sitzung vom 20.01.2012 - Interpellation I 20/2011 - Gemeindefusionen

• Eine grössere Gemeinde hat gegenüber der übergeordneten Stufe (Bezirk, Kanton, Bund) tendenziell ein grösseres Gewicht und in der Verwaltung mehr Fachwissen akkumuliert, das auch entsprechend vielseitig eingesetzt werden kann.

• Der Kanton gibt Fusionen nicht zuletzt nach der entsprechenden Revision von Kantonsverfassung und Gemeindegesetz, die 2012 zur Abstimmung gelangt, ebenfalls zusätzliches Gewicht. In der kürzlich vom Grossen Rat behandelten neuen Wirtschaftsstrategie des Kantons Bern, die bei denjenigen Fak- toren ansetzt, die einen starken Einfluss auf die Wirtschaftskraft haben und die vom Kanton Bern effek- tiv beeinflusst werden können, sieht der Regierungsrat als Bereichsziel unter anderem sogar vor, dass die Gemeinden Bern, Biel und Thun im Jahr 2025 ihr ganzes Kerngebiet umfassen sollten.

Zu Frage 3: Gibt es bei der Stadt Thun Szenarien, inwiefern sich allfällige Gemeindezusammen- schlüsse (u. a. mit Zwieselberg, Steffisburg, Uetendorf, etc.) positiv auf die Abgleichung der Zent- rumslasten auswirken würden? Wenn Nein, gedenkt der Gemeinderat, diese für die gesamte Re- gion wichtigen Konsequenzen von Gemeindezusammenschlüssen fundiert zu prüfen?

In der Annahme, dass in der Frage mit "Abgleichung" der Zentrumslasten die "Abgeltung" solcher ge- meint ist: Zentrumslasten sind Kosten der Städte, die durch Leistungen verursacht werden, welche auch von der Bevölkerung aus Agglomerationsgebieten und weiteren Gemeinden beansprucht werden, ohne diese vollständig abzugelten. Bei der Erfassung der Zentrumslasten werden Zentrumsnutzen, Standortvorteile und Eigenfinanzierungsmöglichkeiten berücksichtigt. Die Aufgabenbereiche, welche für die Bemessung der Abgeltung herangezogen werden, sind privater Verkehr, öffentliche Sicherheit, Gästeinfrastruktur, Sport, soziale Sicherheit und ab 2012 neu Kultur. Die Städte Bern, Biel und Thun erhalten im Rahmen des kantonalen Gesetzes über den Finanz- und Lastenausgleich jährlich eine pauschale Abgeltung ihrer Zentrumslasten. Politische Zusammenschlüsse mit Nachbargemeinden erweitern den Zentrumsperimeter jedoch nicht. Eine positive Auswirkung auf die pauschale Abgeltung der Zentrumslasten aufgrund von Gemeindefusionen kann grundsätzlich nicht erwartet werden. Die Abgeltung basiert auf dem Ausgleich von Lasten. Wenn alle Gemeinden des Verwaltungskreises, welche von den Zentrumsleistungen der Stadt profitieren, mit Thun fusionieren würden, gäbe es im Effekt sogar keine Abgeltung mehr, weil ja dann alle Leistungen innerhalb der gleichen Gemeinde (Stadt Thun) erbracht würden und die Zentrums- funktion für autonome umliegende Gemeinden entfällt. Fusionen haben somit keinen positiven Effekt auf die Höhe der Abgeltung für die Stadt, im Gegenteil. Es besteht deshalb jedenfalls unter diesem Gesichts- punkt auch keine Veranlassung zur Entwicklung von entsprechenden Szenarien für allfällige Zusammen- schlüsse mit irgendwelchen Gemeinden.

Zu Frage 4: Ist die Stadt Thun in die Gemeindefusionsüberlegungen mit Amsoldingen, Höfen, Nie- der- und Oberstocken involviert? Wenn Nein, wieso nicht?

Nein. Der Gemeinderat ist zwar informiert, dass solche Bestrebungen im Gang sind, ist daran jedoch nicht weiter beteiligt. Die Initiative zu diesem Projekt ist von den betreffenden Gemeinden ausgegangen, nachdem die ursprünglich geprüfte Grossfusion im Westamt nicht weiter verfolgt worden ist. Wie bereits in der Antwort zu Frage 2 dargelegt, ist der Gemeinderat offen in Sachen Fusionsprojekte. In diesem Sinne könnten bei einem Scheitern des erwähnten Projekts mit der Stadt Thun entsprechende Verhandlungen aufgenommen werden, sofern diese Gemeinden es wünschen.

Thun, 22. Dezember 2011

Für den Gemeinderat der Stadt Thun

Der Stadtpräsident Der Stadtschreiber Raphael Lanz Bruno Huwyler Müller

27.12.2011 (RD) - Q:Daten/Stadtrat/Berichte/SRB I 20-2011 Gemeindefusionen.doc Seite 3/3