Schobert & Black
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Ein Produkt von: 2/2001 Oktober 2001 Walter Moßmann in den Sechzigern am Säulenhaus WalterWalter MoßmannMoßmann zum 60. Geburtstag Foto: pan foto Günter Zint uf dem Programm des legen- Nation zum Singen gebracht hat“, und Degenhardt zählte ihn die inter- Adären dritten Festivals „Chan- George Brassens. Der französische nationale Presse zu den wichtigsten son Folklore International 1966“ auf Einfluss ist auch unverkennbar in Vertretern der deutschen Liederma- Burg Waldeck war Walter Moßmann seinen ersten eigenen Liedern und cher. keiner der großen Namen. Der damals die hatte er in den Hunsrück mitge- Vierundzwanzigjährige trieb sich der- bracht. Es war Ende der Siebziger, als ich ihn zeit viel in Frankreich herum. Er sang zum ersten Mal „live“ erlebt habe. in Kneipen, Werkstätten und Klöstern Nach seinem Auftritt stand in der Unter Verzicht auf eine Gage war er Volkslieder und die neuesten Pariser Frankfurter Allgemeinen Zeitung: auf Tournee und sang auch in Stutt- Chansons. Seine Bewunderung galt „Die Entdeckung dieses Festivals ist gart, um das Startkapital für die besonders „dem Mann, der eine ganze Walter Moßmann.“ Neben Biermann „tageszeitung“ zu sammeln. Was in 60 Jahre dem Saal ablief war kein gewöhnli- Eine große Rolle in diesem Kampf frei und kennt keine Besitzverhältnisse. ches Konzert: Liebe, Politik, Lied und haben die „Flugblattlieder“ von Wal- Als ihn ein paar geschniegelte Fern- Mensch verschmolzen zu einem ter gespielt, die in keiner Wohnge- sehleute bei der Verleihung des Deut- Gesamtkunstwerk, das sich unmit- meinschaft fehlen durften: teils schen Kleinkunstpreises im Mainzer telbar auf die Anwesenden übertrug. bekannte, umgedichtete Volkslieder, „unterhaus“ darauf ansprachen, woll- Die Glut wurde zum Lauffeuer. Im teils eigene, neue Kompositionen. ten sie ihn provozieren: „Ein bis- Sommer 1980 reisten vierhundert- Die „Ballade von Seveso“ wurde oft schen machen Sie’s aber doch auch tausend Menschen in Sonderzügen im Rundfunk gespielt. Heute undenk- wegen dem Geld, oder?“ Da zog Wal- nach Bonn, um gegen die so genann- bar in den stromlinienförmig ausge- ter einen Hundertmarkschein aus sei- te friedliche Atomwirtschaft zu richteten Funkhäusern, aber auch nem Geldbeutel und verbrannte ihn demonstrieren. Die Kundgebungsre- aus einem schlichten rechtstechnischen über einer Kerze auf dem Tisch. Erst de hielt Walter Moßmann. Seine Grund: Die Programmdirektion würde vor zehn Jahren ist er der Urheber- gewaltige Stimme klang klar und nämlich auf dem Plattenlabel ver- gesellschaft dann doch beigetreten, überzeugend, ohne demagogischen geblich nach den vier Buchstaben als ihm „klar wurde, dass an seiner Unterton. Mit analytischer Schärfe G.E.M.A. suchen. Stelle andere liebenswerte Zeitge- entlarvte er die Drahtzieher der Atom- nossen die Urheber-Tantiemen für mafia und nannte die „Lügner und Walter Moßman steht auf dem Stand- seine Lieder eingesackt haben“. Marionetten“ in der Bonner Politik punkt: Es gibt kein geistiges Eigen- beim Namen. tum. Alles was du komponierst, ist Im Frühling 1983 fiel in Nicaragua irgendwo entlehnt. Der Geist schwebt ein Bekannter von Walter einem Ter- Er galt in dieser Zeit als Symbolfigur rorüberfall zum Opfer. Ein in US- für den Kampf um das geplante Kern- amerikanischen „Trainingslagern“ kraftwerk Whyl am Kaiserstuhl, sei- ausgebildetes Killerkommando hatte ner Heimat. Dieses Musterstück basis- einen Bus angehalten, vierzehn Leute demokratischen Widerstands hat er zum Aussteigen gezwungen und auf in einer Filmdokumentation festge- der Stelle erschossen. Unter den vier- halten mit dem Titel „Das Wespennest“. zehn war Tonio. Bei einer spontanen Die Betreiber des Baus wurden von Demonstration vor dem Amerika- den einheimischen Weinbauern so haus hatte jemand den Namen „Tonio“ fleißig verstochen, dass sie von ihren Zeichnung: Andreas Räsch auf die Fassade gesprüht. Der Sprüher Plänen wieder abrücken mussten. war schon weg. Walter stand noch Inhalt Walter Moßmann zum 60. 1-3 Festival Musik & Politik 2001 . 14-15 • Die Störung . 4-5 BDP-Liederbuch: Kolo Jana. 16 Mindener Kreis: Sommertagung 2001. 18 • Sophie Lapierre . 6 Steglitz: 100 Jahre Wandervogel . 19 • Mediographie W.M. 7 Woody Guthrie: Autobiographie . 20-21 Marinetti: „Elettricita Sessuale“. 9 Colloquium in Vitro. 21 Annette Degenhardt: „Farewell“. 10 Was KÖPFCHEN-Leser interessiert . 17 Waldeck-Buch: Graphik-DesignerIn gesucht. 22 KÖPFCHEN-Abo . 19 Impressum . 22 Kai Engelke: „Blut, Schweiß und Träume“ . 11 5. Transatlantico-Festival . 23 IJGD baut eine Plastik . 12 Der fernöstliche Diwan. 23 Rudolstadt 2001 . 13 Deutscher Folk Förderpreis 2001 . 23 Schobert & Black: „lebend“ . 14 Mitgliedsantrag. 5 2 Walter Moßmann herum, deswegen musste er wegen te sich Zugang zu den Polizeiarchi- burg und Lemberg in der Ukraine „Billigung einer Sachbeschädigung in ven und fand neben Gerichtsproto- kreierte er 1997 mit finanzieller Unter- Tateinheit“ ins Gefängnis. Darüber kollen aus den Jahren 1796/97 über stützung der Heinrich-Böll-Stiftung konnte er nicht mehr einfach wie ihren sträflichen Gesang auch noch ein „Gespräch über Grenzen“, das in früher zur Gitarre ein Lied singen. Der Textblätter von ihr, die als Beweis- mehreren Tagungen bereits stattfand, Schmerz über den Verlust des Freun- stücke den Akten beigelegt waren. und bei dem inzwischen auch Vertreter des, die Wut auf die Hintermänner des „Sophie Lapierre“ taucht 190 Jahre spä- aus Polen und Frankreich mitsprechen. Anschlags im Weißen Haus und in ter als geisterhafte Gestalt aus der Pari- Bonn, aber auch die Frage: „Ist euch ser Métro-Station Strasbourg-St.Denis Die Stimme, die sich in so viele Ohren der Gedanke so fremd, dass die Welt wieder auf. Walter Moßmann (Stim- eingeprägt hat, gibt es nicht mehr. Als allen gehört?“ verlangte nach einem me) und Joschi Krüger (Klavier) war ich mit Walter nach Jahren wieder ein- anderen Ausdrucksmittel. In Zusam- ein genialer Wurf gelungen, der 1987 mal telefonierte, kam aus dem Hörer menarbeit mit dem Komponisten Hei- als Langspielplatte erschien. ein schwach gehauchter Flüsterton: ner Goebbels hat er alles in einer „Dafür, dass mir mehr als der halbe Toncollage mit dem Titel „Unruhiges Immer wieder hat sich Walter mit Kehlkopf entfernt wurde, hörst Du Requiem“ meisterhaft verarbeitet. hervorragenden Künstlern zusam- mich noch erstaunlich gut,“ musste mengetan, und es sind Werke ent- ich da vernehmen. Der Krebs hängt Im Juli 1985 erhielt ich einen Anruf standen, die auch nach Jahrzehnten ihm am Hals, die Luftröhre wird seit von der Waldeck. Gesucht waren nichts an Gültigkeit verloren haben. Jahren nur durch ein Pflaster ver- junge Liedermacher für eine deutsch- Sein Gesamtwerk überschaue ich schlossen gehalten. Zum Sprechen französische Werkstatt im August nicht. Es umfasst einen beachtlichen drückt er mit der Hand dagegen. unter der Leitung von Walter Moß- Stapel von Tonträgern, eine Menge Als ich zu meinem Besuch bei ihm in mann. Für mich gab es nichts zu Filme, Bücher und mindestens eine Freiburg eine Flasche Rosé mitbrin- überlegen, natürlich machte ich da mit. Oper, „Heimat“, die vor zwei Jahren ge, schaut er aufs Etikett, prüft die Unterm Strich war das vorzeigbare im Großen Haus des Freiburger Thea- Temperatur und stellt den Wein so Ergebnis der Werkstatt Bourges-Wal- ters uraufgeführt wurde. lange in den Kühlschrank, bis er Basi- deck eher bescheiden, was vor allem Walter ist kein Autor des Schreibti- likum und Knoblauch mit dem Wie- an der kurzfristig, rein zufällig zusam- sches allein. Seine Arbeit steht immer gemesser zerkleinert und mit Oli- mengewürfelten Gruppe lag. Walter in Verbindung mit Projekten, für die venöl und Salz zu einem schmack- zog sich nach mehrwöchiger, sehr er sich mit ganzer Kraft einsetzt, viel haften Pesto angerichtet hat. Als ich konzentrierter Arbeit dann auch unterwegs. Aus einer bestehenden ihm nach dem Essen beim Abwasch zurück. Aber die Wochen selbst, der Städtepartnerschaft zwischen Frei- helfen will, reagiert er scharf ableh- anregende Austausch untereinander, nend: „Das ist mein Revier, da hast die nächtelangen Gesänge und Du nichts zu suchen.“ Gespräche in der „Berliner Hütte“ bei Wenn ich in zwei Jahren fünfzig Wein und Kerzenlicht, oder später werde, möchte ich, dass Walter Moß- noch einmal in Bourges im Bistro mann dabei ist. zur „Guillotine“, die brachten mir Thomas Felder einen Menschen nahe, der mir bis heute ein wichtiger Weggefährte *Anmerkung der Redaktion: Diese Werkstatt geblieben ist, auch wenn wir uns nur brachte unter der künstlerischen Leitung von selten begegnen.* Walter Moßmann die Produktion „Jenseits von Schon in der Werkstatt sprach er Casablanca“ hervor, die mehrfach, unter anderem davon, dass er einer Sängerin aus auf einer Jubiläumsveranstaltung des Deutsch- der französischen Revolution auf der Französischen Jugendwerkes aufgeführt, mehrfach Spur sei, über die aber kaum Mate- im Rundfunk und Fernsehen gesendet wurde und rial existiere. Walter verbrachte Mona- auf der LP „Jenseits von Casablanca. Chanson te in Paris, durchkämmte die Gassen, Rock Franco-Allemand“ festgehalten wurde. durch die sie nach seinen spärlichen Informationen gegangen sein musste, nach Anhaltspunkten. Er verschaff- 3 Wyhl, Ihringen … Wieder erhältlich: „die störung“ er Text kommt zur rechten Zeit. schen Männern und Frauen, orts- die menschenverachtende Arroganz DNach diesen Wochen, in denen ansässigen Weinbauern und Frei- von Regierungs- und Industriever- nun auch „die achtundsechziger“ burger Studierenden, „autonomen" tretern in den Widerstand und bis Jahre abgewickelt werden sollten, in linken Studenten